infrarot nr. 199

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rot rouge rosso cotschen Zeitung der JungsozialistInnen Journal de la Jeunesse socialiste Giornale della Gioventù socialista Gasetta da la Giuventetgna socialista +++JUSO.CH+++ JUSO Schweiz, Postfach 8208, 3001 Bern Nr. 199, Dezember 2011 AZB 3900 BRIG 4 JUSO im Wahlkampf Trotz geringerer Wähleranteile wächst die SP-Fraktion und die JUSO wird stärkste Jungpartei. Mehr dazu in der Wahlanalyse des infrarots. 6-7 Regierungsbeteiligung Das Positionspapier ging nicht an allen Beteiligten spurlos vorbei. Das infrarot hat Fabian Molina und Anna Meister zum Streitgespräch geladen. 10-11 Kommunalpolitik Viele Schweizerinnen und Schweizer verstehen die Gemeindeebene als Fundament des Landes. Doch wo bleibt dabei die Linke. Von Angelo Zehr «Staatschuldenkrise», «Griechenland- krise», «Eurokrise». Das sind seit Monaten die dominierenden Schlagzeilen. Die Fi- nanzmärkte seien unruhig, ja gar nervös. Sie hätten das Vertrauen verloren. In ganz personalisierter Form spricht man von «den Märkten», als ob die oft gelobte «un- sichtbare Hand» nun ein Gesicht bekom- men hätte. Doch dem ist nicht so. Es bleibt das seltsam vage Konstrukt aus flüchti- gem Kapital, das überall dort hin gescho- ben wird, wo es sich vermehren soll. Die EU hofiert genau dieses Kapital und ver- sucht seit Monaten alle zu überzeugen, dass ihr Geld in der Eurozone genau am richtigen Ort sei. Solche, die nicht nach der Pfeife von Deutschland und Frank- reich tanzen wollen, werden nicht gedul- det. Und so heisst es momentan überall: Renten kürzen, Löhne kürzen, Personal entlassen, Infrastruktur verscherbeln. So etwas nennt sich dann Rettungsplan. Fortsetzung Seite 3 TECHNO-DEMO-KRATIE? Der Tages-Anzeiger titelt schon fröhlich «Technokrat ist kein Schimpfwort mehr». Doch wer sind die Männer, die in Italien und Griechenland an die Spitze gesetzt wurden? Und wie konnte es soweit kommen? Und wer zum Teufel sind « die Finanzmärkte »? Der Politiker Papandreou (links) wurde in Griechenland durch den Technokraten Papademos ersetzt

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Das Infrarot ist das offizielle Publikationsorgan der JUSO Schweiz.

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Page 1: Infrarot Nr. 199

rotrougerossocotschen

Zeitung der JungsozialistInnen • Journal de la Jeunesse socialiste Giornale della Gioventù socialista • Gasetta da la Giuventetgna socialista

+++JUSO.ch+++JUSO Schweiz, Postfach 8208, 3001 Bern

Nr. 199, Dezember 2011

AZ

B

3900 Br

ig

4JUSO im WahlkampfTrotz geringerer Wähleranteile wächst die SP-Fraktion und die JUSO wird stärkste Jungpartei. Mehr dazu in der Wahlanalyse des infrarots.

6-7RegierungsbeteiligungDas Positionspapier ging nicht an allen Beteiligten spurlos vorbei. Das infrarot hat Fabian Molina und Anna Meister zum Streitgespräch geladen.

10-11KommunalpolitikViele Schweizerinnen und Schweizer verstehen die Gemeindeebene als Fundament des Landes. Doch wo bleibt dabei die Linke.

Von Angelo Zehr

«Staatschuldenkrise», «Griechenland-krise», «Eurokrise». Das sind seit Monaten die dominierenden Schlagzeilen. Die Fi-nanzmärkte seien unruhig, ja gar nervös. Sie hätten das Vertrauen verloren. In ganz personalisierter Form spricht man von «den Märkten», als ob die oft gelobte «un-sichtbare Hand» nun ein Gesicht bekom-men hätte. Doch dem ist nicht so. Es bleibt das seltsam vage Konstrukt aus flüchti-gem Kapital, das überall dort hin gescho-ben wird, wo es sich vermehren soll. Die EU hofiert genau dieses Kapital und ver-sucht seit Monaten alle zu überzeugen, dass ihr Geld in der Eurozone genau am richtigen Ort sei. Solche, die nicht nach der Pfeife von Deutschland und Frank-reich tanzen wollen, werden nicht gedul-det. Und so heisst es momentan überall: Renten kürzen, Löhne kürzen, Personal entlassen, Infrastruktur verscherbeln. So etwas nennt sich dann Rettungsplan.Fortsetzung Seite 3

TECHNO-DEMO-KRATIE?Der Tages-Anzeiger titelt schon fröhlich «Technokrat ist kein Schimpfwort mehr». Doch wer sind die Männer, die in Italien und Griechenland an die Spitze gesetzt wurden? Und wie konnte es soweit kommen? Und wer zum Teufel sind « die Finanzmärkte »?

Der Politiker Papandreou (links) wurde in Griechenland durch den Technokraten Papademos ersetzt

Page 2: Infrarot Nr. 199

INFRAROt • JUSO • Dezember 20112 3

sen wir uns die Frage stellen: Wer ent-scheidet wie «gross» der Fuss sein soll auf dem wir leben? Momentan sind das näm-lich Wirtschaftseliten. Und genau von

diesem Kaliber sind auch die neuen Tech-nokraten-Regierungen. Diese bewegen sich einzig und allein im momentanen neoliberalen Denkraster: Sparen, sparen, sparen, Staat verkleinern, Betriebe priva-tisieren, Steuern auf Unternehmen und Reiche senken. Das sollen die Leute sein, die wissen wie die Schuldenländer zu ret-ten sind?

Keines der EU Länder hat sich an die ursprünglichen Abmachungen gehalten. Deutschland hat die Löhne nicht der Pro-duktivität angepasst und warf alle ande-ren damit aus dem Rennen. Die Finanz-

« zum Occupy-WEF! »Kommentarder Redaktion:

Liebe JUSOs

Am 21. Januar 2012 gibt es 49 gute Gründe, ans OccupyWEF zu gehen, weil:

• sich am WEF die grössten Raubrit ter unserer Zeit treffen, diese über das Schicksal der Welt richten und das sogar noch auf unsere Kosten,• dieses Schicksal nach Ausbeutung, Profitgier und Kapitalismus stinkt und wir es selber in die Hand nehmen wollen,• es zudem die unsichtbare Hand nicht gibt und trickle-down übrigens auch nicht• Marx recht hatte, Adam Smith aber nicht,• internationale Solidarität besser ist als internationaler Wettbewerb, Freiheit schöner als freie Märkte, Klas senkampf von unten realer als Klassenkampf von oben,• der Reiche nur reich ist, weil der Arme arm ist,• es den American Dream vom Tellerwä scher zum Millionär nur im Schlaf gibt und • die Realität bitter ist,• wir in einer Welt leben, die nach freiem Markt schreit aber nicht nach Meinungsfreiheit, die Fremden misstraut und Frauen diskriminiert und die von Geld regiert wird und nicht von der Gesellschaft,• Geld =Macht und Armut = Ohnmacht bedeutet,• das reichste Prozent der Welt gegen unten schiesst, Kapitalismus also Krieg ist und wir doch eigentlich Weltfrieden wollen,• Bonzen Gauner sind und Reichtum Betrug, • Gauner ins Gefängnis gehören und nicht an die Weltspitze,• Abzocker ausgezockt haben,• wir Vasella gerne mal nackt sehen,• uns die reichen Schnösel schon als Kinder genervt haben und wir ihnen gerne die Schaufel im Sandkasten weggenommen haben,• der Paradeplatz eigentlich überall steht,• Davos sogar noch schöner ist als Zürich,• besonders im Winter, • wir lieber Schnee werfen statt Steine,

• Iglubau cooler ist als Sozialabbau, • wir mehr Demokratie für alle statt Macht und Geld für wenige wollen,• die Nachbarin nicht Konkurrentin sondern Mitkämpferin ist und sie auch zu den 99% gehört, • niemand frei sein kann, solange es nicht alle sind,• wir realistisch sind und das Unmögli- che wagen,• wir deshalb nicht nur die Brosamen oder ein grösseres Kuchenstück wollen, sondern die Bäckerei,• es deine Schuld ist, wenn die Welt bleibt, wie sie ist,• auch 2012 nicht das Ende der Geschich te ist,• es eine Alternative gibt, • die Menschen die Geschichte machen, • Empörung der erste Schritt zum Enga- gement ist und • wir ändern, was uns stört!!

Deshalb gehen wir 99% ans OccupyWEF. Was ist dein Grund, am 21. Januar zu kommen?

Solidarische Grüsse

Mattea

Von Fabio Höhener

«Bettwil wird durch diese hundertvierzig Asylanten vernichtet», schreit ein wüten-der Bürger der 560-Seelen-Gemeinde in den Saal. Es ist nur einer von unzähligen grenzwertigen Kommentaren, welcher im Verlauf der Infoveranstaltung zu hören ist. Was ist passiert? Das Bundesamt für Migration (BFM) will in der alten Trup-penunterkunft ein Asylzentrum für hun-dertvierzig Personen einrichten. Jetzt bangen die BettwilerInnen um ihre Exis-tenz und sehen ihr Dorf dem Untergang geweiht. Auch wenn das Vorgehen des BFM äussert fragwürdig und die Kom-munikation nicht gerade sensibel war, ist dieser hervorquellender Fremdenhass der Freiämter nicht zu rechtfertigen. Aus der Sicht der Asylsuchenden gestaltet sich die Situation umso tragischer: Die zukünfti-gen BewohnerInnen der Unterkunft wer-den in Halbgefangenschaft auf engstem Raum, ohne genügende sanitäre Einrich-tungen leben und dabei von Sicherheits-kräften bewacht. Dass es überhaupt so weit gekommen ist, hat man den ehema-ligen Justiz-Departementsvorstehern Blo-cher und Widmer-Schlupf zu verdanken. Beide haben die Organisation von zu-sätzlichen Unterkünften über Jahre hin-weg verschlampt und dies ganz bewusst. In der verqueren Logik der Bürgerlichen bedeuten weniger Asylunterkünfte gleich weniger Asylsuchender. Das jetzt mit der Brechstange operiert wird, verschlimmer die Situation noch zusätzlich. Die Verlie-rer sind einmal mehr die Flüchtlinge.

« Ich bin kein

Bettwiler.»

krise 2008 gab diesen dann den Rest. Wir müssen es uns eingestehen: Niemand weiss so recht wie wir aus diesem Schlam-massel wieder rauskommen. Und bald werden auch wir uns nicht mehr raushal-ten können. Die EU wird unsere «de 5er und s’Weggli»-Strategie nicht mehr lange hinnehmen. Solange die EU nur ein Wäh-rungsraum und nicht auch ein politischer Raum ist, solange Steuer- und Sozialpoli-tik nicht staatsübergreifend koordiniert werden, ist ein Rettungsplan schwer durchzusetzen. Es ist nun eine Willens-frage, die Europa für sich beantworten muss, ob wir weiterhin gemeinsam für ein Gemeinschaftsprojekt kämpfen oder ob jeder sein eigenes Ding durchziehen will in Konkurrenz zu allen anderen. Deshalb wiederholen wir unsere Forderung unbe-dingt immer und immer wieder: «Ein hoch auf die internationale Solidarität!»

Am Stimmvolk vorbei geschmuggeltAus dem Präsidium

Von Angelo Zehr

Nach Griechenland und Italien haben auch die Spanier einen eher farblosen Konservativen gewählt, der wissen soll, wie man die Wirtschaft wieder ankurbelt. Immerhin wurde dieser demokratisch gewählt – die anderen Regierungschefs, Loukas Papademos und Mario Monti, wurden so quasi per Kriegsrecht und am Stimmvolk vorbei an die Spitze des Lan-des gesetzt. Bemerkenswert. Man beden-ke, dass niemand Geringeres als Berlus-coni dadurch entthront wurde! Was kein Skandal, kein Bunga Bunga, keine Oppo-sition oder Peinlichkeit geschafft hatte, regelte der Druck der Finanzmächte wie ganz von alleine. Ganz ähnlich verlief es Giorgos Papandreou und dem Referen-dum, das er angekündigt hatte. Einen Tag später musste er sich vor den EU-Räten rechtfertigen und vorbei war’s mit der Volksbefragung. Zugegeben – dass dieses Referendum einer Erpressung gleichkam und letzten Endes eher ein taktisches Mit-tel im internen Machtkampf war, muss auch gesagt sein. Trotzdem zeigt es auf, wie tiefgreifend der Konflikt zwischen internationaler Politik und nationaler De-mokratie ist.

«Die Griechen leben auf zu grossem Fuss! Aber das Flohnerleben ist jetzt vor-bei.» Wie oft haben wir’s schon gehört? Doch mal ganz abgesehen davon, dass das schlichtweg nicht stimmt – Griechenland hat zwar viele Staatsangestellte, aber im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt kei-ne besonders hohen Staatsausgaben müs-

« Warum wird die Forderung

nach höheren Steuern

für Reiche als ‹Klassen-

kampf› bezeichnet, nicht

aber jene, den Armen

die Sozialleistungen zu

kürzen? »

« Wenn es reine Wissenschaft

wäre, ein Land richtig

zu regieren, warum kann man

das noch nicht studieren?»

Wirtschafts- und Demokratiekriese

Der rigorose Sozialabbau führt in Griechenland immer wieder zu heftigen Ausschreitungen (KPA/Zuma)

Page 3: Infrarot Nr. 199

INFRAROt • JUSO • Dezember 20114 5

Am 23. Oktober wurdest du in den Nationalrat gewählt. Ehrlich: hast du damit gerechnet?Non. Je n‘avais absolument pas prévu ça. Je n‘étais pas favori. J‘ai été très sur-pris par mon score et le résultat final. Cela montre qu‘il est possible d‘y arriver, même en étant très jeune et dans une lig-ne clairement à gauche. Le signal est fort pour la JS, avec l‘élection de Cédric aussi! Je m‘en réjouis vraiment!

Für was wirst du im Nationalrat kämpfen? Gegen was wirst du dich wehren?Je vais m‘engager comme je l‘ai fait jusqu‘à maintenant sur les thèmes que je juge prioritaires : la sauvegarde des ser-vices publics ( je suis très concerné par cette problématique, venant d‘une régi-on périphérique), l‘accès pour tous à une éducation et une formation de qualité (notamment en soutenant l‘initiative sur les bourses d‘études) et surtout, la défen-se des travailleurs, ouvriers et employés. Ceci est le point central pour moi, avec par exemple l‘initiative pour un salaire minimum.

Was ist für dich der wichtigste Punkt im Lausanner Parteipro-gramm der SP Schweiz? Gibt es Punkte, die du nicht unterstützt?Nous avons aujourd‘hui une position claire, bien ancrée à gauche. C‘est pour moi primordial. Les exemples en Europe montrent que le PS perd lorsqu‘il se mont-re centriste et oublie son électorat popu-laire. Un programme est prévu sur le long terme et doit permettre de développer des projets, des rêves, même s‘ils ne sont pas applicables à court terme.Je ne suis par contre pas favorable à une suppression pure et simple de l‘armée, comme je l‘avais déjà dit lors des débats internes à la JUSO.

d‘autres domaines : pour une retraite fle-xible tenant compte de la pénibilité du travail; une intervention claire de la Con-fédération pour lutter contre le dumping et la sous-enchère salariale; ou encore des mesures pour une amélioration des condi-tions de travail,…

Unterstützt du die 1 zu 12-Initiati-ve? Wieso ja/nein?Oui, bien sûr! J‘avais d‘ailleurs été récolter des signatures dans la rue pour l‘initiative avec les JS Valais romand. Notre initiative est importante car elle permettra de mett-re enfin une limite aux écarts salariaux particulièrement choquants dans notre pays. Elle ne concerne d‘ailleurs absolu-ment pas les petits entrepreneurs!

(fah) Nicht nur Mathias Reynard hat den Sprung in den Nationalrat geschafft. Ebenfalls siegreich war der ehemalige JUSO-Präsident Cédric Wermuth. Dass im Aargau etwas drin liegen könnte, hat man erwartet. Cédric überraschte jedoch mit einem Glanzresultat. Er rückte einen Platz vor und überholte gar den bisherigen Na-tionalrat Max Chopard. Cédric landete auf dem zweiten Listenplatz direkt hinter der sensationell zur Ständerrätin gewählten Pascal Bruderer. Länger um den Sitz zit-tern musste der Waadtländer Jean Chris-toph Schwaab. Nachdem er im Oktober auf dem ersten Ersatzplatz gelandet ist, konnte er nach dem zweiten Wahlgang für die in den Ständerat gewählte Géral-din Savary nachrutschen. Somit ist die JUSO in der kommenden Legislatur mit drei Personen im Nationalrat vertreten.

Du bist jung, engagiert und eröff-nest die nächste Legislatur als jüngstes Mitglied des Nationalra-tes. Was stellt für dich ein Engage-ment der jungen Generation in der Politik dar?Oui, je me réjouis d‘ailleurs de faire ce discours. Pour moi, l‘engagement des jeunes est quelque chose de très impor-tant. Dans l‘idéal, un parlement doit être à l‘image de la société : représenter autant les femmes que les hommes, les villes que la montagne, les jeunes que les plus anci-ens mais aussi, et il reste beaucoup à faire dans ce domaine, les différentes catégo-ries socio-professionnelles. C‘est bon pour la démocratie! Les différentes générations sont complémentaires et apportent toutes quelque chose.

Einer deiner Themen, für die du dich einsetzt, ist „unser Erbe wert-schätzen“. Was meinst du damit, und was für einen Stellenwert hat die „Heimat“ für dich?Oui, je m‘engage pour défendre notre pa-trimoine, et par exemple les différents patois, qui sont aussi importants à mes yeux. Le patriotisme, les traditions, il ne faut pas laisser cela à l‘UDC. Être patriote, c‘est aimer son pays et vouloir lui don-ner la meilleure image à l‘étranger: une Suisse ouverte, engagée sur la scène in-ternationale, solidaire et à la pointe de la recherche.

Ein anderes Thema ist die Gewerk-schaftsarbeit: du bist aktives Mit-glied der Unia. Wo siehst du die Zu-kunft der Gewerkschaften und der Lohnarbeit in der Schweiz? Was muss sich verändern?Mon engagement politique est en effet avant tout guidé par l‘action syndicale. La défense des travailleurs, c‘est la raison historique de la création du PS, en Suis-se comme ailleurs. Nous ne devons pas l‘oublier.

La question salariale est importan-te. Un salaire minimum doit être instauré en Suisse. Tout travail mérite un salaire décent. C‘est une question de bon sens. Mais il y a aussi beaucoup à faire dans

• Graubünden (1.4%), • St.Gallen (1.2%, +0.4%), • Luzern (0.9%, +0.3%) und • Zürich (0.75% +0.3%).Aber auch alle anderen Kantone haben mit ihrem guten Resultat auf eigenen Lis-ten oder auf SP Listen zum nationalen Er-folg der JUSO beigetragen.

Noch gar nicht erwähnt in der obigen Statistik ist die JUSO Glarus, die mit ih-rem Präsidenten Yannick Schiess einen grandiosen Achtungserfolg einstrich. Ein Monat vor den Wahlen entschied sich die JUSO, dem Bisherigen und sonst einzigen Kandidaten Martin Landolt den Sitz strei-tig zu machen. Dieser wurde zwar wieder-gewählt, aber es war ein klares Zeichen, dass Glarus nicht nur bürgerliche Politi-ker nach Bern schicken möchte.

Man muss es nicht unnötig schön-reden. Die SP hatte dieses Jahr vor allem Proporzglück. Doch sie konnte mit ihren Listenverbindungen schon mindestens 5

Von Angelo Zehr

Mit den meisten Stimmen (abgesehen von der frisch gewählten Ständerätin Pasca-le Bruderer) auf der SP Liste hat es Céd-ric Wermuth geschafft. Ein vorbildlicher Wahlkampf, sein unbestrittenes Talent und seine nationale Bekanntheit haben ihm zu diesem Glanzresultat verholfen.Wohl eher überraschend war hingegen der Seig des 24-jährigen Mathias Reynard. Umso spannender war dessen Wahl. Erst die Auszählung der allerletzten Gemeinde brachte Gewissheit: Die SP schnappt sich einen Sitz von der CVP und hat neu zwei Sitze. Ein Interview mit dem Jüngsten im Nationalrat findet ihr auf der nächsten Seite

Vor vier Jahren legten rund 12‘000 Wäh-lende einen oder mehrere JUSO-Kandi-datInnen in die Urne. Dieses Jahr waren es bereits über 22‘000! Das dank all den Kantonen in denen die JUSO ein erstes Mal angetreten ist und ein super Resultat erzielte: • Waadt (1.5%), • Schaffhausen (1.4%), • Thurgau (1%),• Bern (0.7%),• Schwyz (0.6%) und dank den Kantonen in denen die JUSO ihre Prozente halten oder steigern konnte: • Jura (5.1%), • Basel Stadt (1.6%, +0.7%),

10‘000 NEUE JUSO WÄHLERINNEN UND WÄHLER

Plötzlich Nationalrat

Sitze zulegen! Als einzige der etablierten Parteien konnte sie ihre Wähleranteile halten. Alle anderen mussten Federn las-sen zu Gunsten der neuen Parteien BDP und GLP. Diese konnten auf ihr unver-brauchtes Image und ihre wohl klingen-den Namen bauen. Wie viel davon übrig bleibt in den nächsten vier Jahren, wer-den wir sehen. Die Hoffnung auf neue Al-lianzen im Kampf für soziale Anliegen hat sich zumindest vergrössert.

Da lacht das Herz! Die SVP hat end-lich die Rechnung für ihre populistische und rassistische Hetze erhalten. Sie ver-liert acht Sitze und über 2% an Wähler-stimmen. Dieses Resultat lässt sich ver-schieden interpretieren, aber eines ist klar: Der Trend ist gebrochen. Die SVP, die lange Zeit nur zulegte, fällt auf die Nase. Mit ihren Hasstiraden konnte sie dieses Mal niemanden für sich gewinnen. Dieser Verlust hat Symbolkraft! Denn auch die anderen bürgerlichen Parteien haben nun nicht mehr das Gefühl sie müssten sich der SVP annähern um Wäh-ler zu gewinnen.

Also nutzen wir die Möglichkeiten, die uns geboten werden. Vieles in der Po-

litik gleicht einem Kreislauf, aus dem entweder eine Abwärtsspirale oder eben eine Aufwärtsspirale entstehen kann. Dieses Jahr haben wir unseren Auf-wärtstrend gefestigt. Das gute Resultat sind die Lorbeeren all für unsere An-strengungen auf diesem Weg. Ruhen wir

uns nicht auf ihnen aus. Kämpfen wir weiter für mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität in diesem Land! Auf dass wir in vier Jahren wieder so einen Artikel schreiben können! Venceremos!

Von 0.53% konnte die JUSO schweizweit auf 0.91% zulegen

« Un programme doit permettre de développer des pro-jets, des rêves. »

« Yannick Schiess holt für die JUSO Glarus über 24% der Stimmen.»

Grosse Sitzgewinne trotz kleinem Wähler-verlust. Das Resultat der SP lässt sich sehen

Wahlanalyse

Ein JUSO darf die neue Legislatur eröffnen: Mathias Reynard aus Savièse hat den Sprung geschafft und wird im Nationalrat unsere Interessen vertreten. Aber wer ist Mathias? L‘infrarouge l‘à démandé pour quo qu‘il va combattre dans le parlement.Ich sitze an meinem Pult, umgeben von ausgedruckten Exceltabellen, Listen, Statistiken,

Auswertungen. Mein Kopf raucht. Zu viele Namen, zu viele Zahlen. Aber es macht Spass, denn in jeder Hinsicht konnte die JUSO fett zulegen. Hier eine Übersicht.

Mathias - ganz kurz

Geboren am: 7. September 1987Ausbildung: Studium in Französisch, Geschichte & PhilosophieArbeit:Lehrer im OrientierungsjahrPolitik:Mitglied Grosser Rat Wallis, Mitglied Unia

Page 4: Infrarot Nr. 199

INFRAROt • JUSO • Dezember 20116 7

Fabian, was hat dich dazu gebracht, ein Gegenpapier zu verfassen?Fabian: «Zunächst: Mich hat es sehr ge-freut, dass dieses Positionspapier ge-schrieben wurde. Egal ob ein Papier gut oder schlecht ist, es dient doch der Mei-nungsfindung innerhalb der Partei. Und für diese Meinungsfindung war jetzt der richtige Moment. Denn im neuen Partei-programm hat die SP mit dem klaren Ziel Überwindung des Kapitalismus und Ab-schaffung der Armee Positionen einge-nommen, deren Aufgabe einst Bedingung für die Aufnahme der SP in den Bundes-rat war. Diese Positionen müssen nun klar verteidigt werden und dürfen durch die Bürgerlichen nicht zur Disposition gestellt werden. Trotzdem halte ich die Frage der Bundesratsbeteiligung eher für eine stra-tegische als für eine Glaubensfrage. Ich denke es wäre heute verheerend, wenn die SP dieses wichtige Gremium den Rechten mit ihrer neoliberalen Politik überlassen würde. Der Austritt aus dem BR würde uns schaden.»

Fabian, was störte dich am ursprünglichen Papier?Fabian: «Das Papier hatte keine klare Li-nie. Es formulierte Bedingungen für eine Bundesratsbeteiligung, die heute nie und nimmer erfüllt wären. Auch bei der histo-rischen Analyse mangelte es.»

Weshalb lehnte die JV das ursprüngliche Papier ab?Anna: «Das ist schwierig zu sagen, da es ja keine politische Diskussion darüber gab. Das Thema Regierungsbeteiligung scheint aber für einige JUSOs eine heilige Kuh zu sein. Die Sprache unseres Papiers hat wohl auch einige abgeschreckt. Viel-leicht haben einzelne JUSOs auch nicht ganz verstanden, um was es geht. Insge-samt liess sich erkennen, dass eine Mehr-

Von Felix Graf

Anna, warum ist es wichtig, die Fra-ge der Regierungsbeteiligung zu stellen und was bewegte dich zur Teilnahme an der Arbeitsgruppe?Anna: «Wir haben heute andere Voraus-setzungen für eine Regierungsbeteili-gung der SP als in der Nachkriegszeit. Seit mittlerweile 20 Jahren ist der Neoli-beralismus vorherrschend, zudem stehen wir vor einer schweren Wirtschaftskrise. Es gilt, die Aufgaben der Linken neu zu überdenken. Klar wollen wir Macht, aber unter welchen Bedingungen? Im Bundes-rat gibt es eine klare Bürgerliche Mehr-heit. Wir dürfen nicht deren Feigenblatt sein. Zudem kann man beim Bundesrat gar nicht von einem demokratischen Gre-mium sprechen – die SP Bundesrätinnen dürfen in der Öffentlichkeit ja nicht ein-mal ihre Meinung vertreten. Ausserdem können wir mit zwei Bundesrätinnen un-sere Interessen gar nicht durchsetzen.»

heit hinter der Regierungsbeteiligung steht. Wir akzeptieren diesen demokrati-schen Entscheid.»

Fabian: «Es gab bei dieser JV eine Dynamik, die ich nicht erwartet habe. Ich finde es schade, dass das ursprüngliche Papier ohne politische Diskussion abge-lehnt wurde. Man sollte inhaltliche De-batten führen.»

Was bedeutet diese diskussionslo-se Verwerfung eines Papiers aus der Basis für die JUSO? Anna: «Es zeigt, dass gewisse Schichten in der Juso Angst haben vor polarisieren-den politischen Debatten. Ich glaube es ist das erste Mal, dass ein Grundsatzpapier nicht diskutiert worden ist. Ich habe die JUSO immer als Partei empfunden, in der Diskussionen erwünscht sind und war sehr erstaunt, dass es dazu nicht kam. Die Diskussion, die wir dann noch führten, war eigentlich nur noch eine über ver-schiedene Anträge, und keine grundsätz-liche mehr.»

Fabian: «Ich denke, man darf die ganze Sache nicht überschätzen. Wir ha-ben eine gute Diskussionskultur, das wird sich auch nach dieser JV nicht ändern. Positionspapiere müssen kritisch beäugt werden, sie müssen aber auch diskutiert und nicht einfach abgelehnt werden.»

Was fehlt dem Gegenpapier Molina/Zürcher/Schai?Anna: «Dieses Papier ist eigentlich eine abgespeckte Version des unsrigen. Ich fin-de es fragwürdig, wenn man einerseits im SP-Parteiprogramm die Überwindung des Kapitalismus` fordert und dann gleichzei-tig Dinge schreibt, die total weit weg vom Programm sind. In eurem Papier fehlen die konkreten Punkte. Es ist mir einfach zu schwach, auch historisch. Die sozia-len Errungenschaften der Nachkriegszeit,

« Wir dürfen nicht der Bürgerlichen Feigenblatt sein! »Am 5. November diskutierte die JUSO in Liestal über das Thema Regierungsbeteiligung. Das ursprüngliche Papier «Jetzt mit den Bürgerlichen brechen» wurde überraschenderweise ohne inhaltliche Debatte verworfen. Stattdessen nahm die Versammlung das Gegenpapier «Für eine sozialdemokratische Politik Verantwortung übernehmen» an. Anna Meister, Mitautorin des Grundsatzpapiers und Fabian Molina, Mitverfasser des Gegenpapiers, trafen sich im Streitgespräch wieder.

Regierungsbeteiligung

die ihr den SP-Bundesräten zuschreibt, kamen hauptsächlich auf Druck der Ba-sis zustande. Ausserdem war diese wirt-schaftliche Periode des Aufschwungs ein-malig. Noch ein Wort zum Titel: Es geht in erster Linie um die Interessensvertretung, nicht um Verantwortung.»

Fabian: «Unser Papier ist keine Light-Version. Wir sind uns bewusst, dass wir in einem kapitalistischen Staat leben. Unser Kampf findet überall statt, auch im Bundesrat. Die Frage nach der Regie-rungsbeteiligung ist eine Frage des Ab-wägens. Können wir im Bundesrat die In-teressen der überwältigenden Mehrheit, die die SP vertritt, verteidigen? Dazu brauchen wir die passenden Exponenten. Leider nominiert die SP-Fraktion Leute, die sich schon verschiedentlich von unse-ren Positionen öffentlich distanziert ha-ben. Hier liegt das Problem. Und nicht in der Regierungsbeteiligung an sich. Daher finde ich den Titel auch passend. Wir wol-len Verantwortung übernehmen für sozi-aldemokratische Politik, nicht für ein bürgerliches Konstrukt.»

Anna: «Bei den Kandidat/Innen können wir doch gar nicht auswählen. Denn die bürgerliche Mehrheit entschei-det, wer gewählt wird.Die Frage nach der Regierungsbeteiligung ist Teil einer um-fassenderen Frage: Was will die SP errei-chen und wofür steht sie? Die Zukunft der SP liegt in deren Entstehungsge-schichte. Also noch weit vor der Frage nach einer Bundesratsbeteiligung.»

KommentarVon Felix Graf

Eine vergebene ChanceDas Ergebnis der Nichteintretensab-stimmung für das Positionspapier „Jetzt mit den Bürgerlichen brechen“ war ein Paukenschlag: Er wurde mit 88 zu 68 Stimmen angenommen. Damit gab es keine Diskussion über das ursprüngliche Positionspapier zur Regierungsbeteiligung der SP, um das es an der ausserordentlichen JV eigentlich hätte gehen sollen. Stattdessen drehte sich die Debatte nun um zwei Gegenpapiere. Zum Schluss wurde das Papier Molina/Zürcher/Schai leicht abgeändert angenommen. Damit stimmte die JV einer weniger radikalen und vor allem im Ton gemässigteren Version zu.

Egal, ob man sich nun eher mit dem ursprünglichen, mit einem der beiden Gegenpapiere oder mit gar keinem der Vorschläge iden-tifizieren konnte, hinterlässt die ausserordentliche JV einen bitteren Nachgeschmack. Dass die versam-melten JUSOs sich offensichtlich einer Diskussion über das ursprüng-liche Papier verweigerten, stimmt nachdenklich. Man kann ein Papier schlecht finden, man kann es als in der Wortwahl unglücklich be-trachten, man kann den Inhalt als unausgereift bezeichnen. Doch ge-nau dann muss man mit Verbesse-rungsvorschlägen und Kritiken ans Mikrofon treten und die Punkte, die einem missfallen, ansprechen. Das bisher Geleistete kann und soll von der JV verbessert und ergänzt wer-den. So können gute Stellungsnah-men der JUSO zu brisanten Themen entstehen. Dies alles auch nicht zu-letzt aus Respekt vor einer Arbeits-gruppe, in der sich JUSOs engagiert und viel Zeit investiert haben.

Es ist zu hoffen, dass die Vor-gänge an der letzten JV eine Aus-nahme in der Geschichte der JUSO bleiben.

Anna: « Klar wollen wir Macht, aber unter welchen Bedingungen? »

Fabian: « Unser Kampf findet überall statt, auch im Bundesrat.»

Was wird das nun verabschiedete Papier in der SP und der Öffentlich-keit bewirken?Fabian: «Unser Papier hat schon viel be-wirkt. Einige SPler sind auf mich zuge-kommen und haben mich auf das Papier angesprochen. Allerdings wäre es ver-messen zu glauben, dass es im Dezember bei den Bundesratswahlen echten Ein-fluss nehmen könnte. Wichtig ist, dass es ernst genommen wird und dass wir die SP weiter auf einem linken Kurs halten können.»

Was hätte das ursprüngliche Papier bewirkt?Anna: «Es hätte sicher zu intensiven und grundsätzlichen Diskussionen in der SP geführt. Unser bürgerlicher Staat hätte hinterfragt werden müssen. Beim nun verabschiedeten Papier weiss ich nicht, wie viel es wirklich bewirken kann. Es bezieht zu wenig klar Stellung in wich-tigen Fragen. Mit unserem Papier wären wir sicher auf viel Gegenwind gestossen. Es hätten dadurch aber auch einige Steine ins Rollen gebracht werden können.»

Page 5: Infrarot Nr. 199

INFRAROt • JUSO • Dezember 20118 9

Interview von Fabio Höhener mit Jonas ZürcherJonas Zürcher ist das neuste Mitglied in der Geschäftsleitung der JUSO Schweiz. Das infrarot sprach mit dem Berner über die Perspektiven der JUSO und seine persönlichen Ambitionen.

Von Fabio Höhener

Der 24-jährige Jonas Zürcher ist das neuste Mitglied in der Geschäftsleitung der JUSO Schweiz. Der gelernte Polyme-chaniker hat als GSoA-Sekretär und in seiner SP/JUSO Sektion bereits viel po-litische Erfahrung sammeln können. Das infrarot sprach mit dem Berner über die Perspektiven der JUSO und seine persön-lichen Ambitionen.

Was war deine Motivation, um für die GL zu kandidieren?Meine Motivation ist dieselbe, wie es schon im Frühling war: Ich bin davon überzeugt, dass wir mit der JUSO einen grossen Teil dazu beitragen können, diese Welt gerechter zu gestalten. Die konkrete Mitarbeit in der JUSO hat mich immer ge-reizt. Jetzt hat es geklappt.

Wie warst du in der JUSO aktiv, bevor du in die GL gewählt worden bist?Ich war einige Zeit im Vorstand der JUSO Stadt Bern. Meine aktive Phase begann mit der Lancierung der 1:12 Initiative. Mein letztes Ämtli war Sekretär der JUSO Stadt Bern. Neben der JUSO war ich in anderen Projekten, wie zum Beispiel der Reitschul-Kampagne involviert. Seit die-sem Frühling arbeite ich zudem als Se-kretär der GSoA.

Was sollte die JUSO tun, um noch mehr Menschen anzusprechen?Es muss einfach sein, in der JUSO mitzu-arbeiten. Ich finde, dass die JUSO diesbe-züglich auf einem guten Weg ist. Wichtig ist auch, dass die vielen Sektionen inter-essante Projekte verfolgen.

Liegen dir gewisse politische Projekte besonders am Herzen?

Durch meine Arbeit bei der GSoA bin ich natürlich sehr sensibilisiert auf sicher-heitspolitische Themen. Diese hängen eng mit anderen Themen zusammen. Das Gesicht des Kapitalismus zeigt sich in be-waffneten Konflikten am deutlichsten. Dass die Schweiz es nicht schafft, aus

dem Geschäft mit dem Tod auszusteigen, ist ein Skandal!Was ist die Rolle der JUSO in der Sozialdemokratischen Familie?Ich bin froh, dass wir in der JUSO so viel Bildungsarbeit leisten. Die Aufgabe der JUSO ist es einen einfachen Einstieg in die Politik zu zeigen und ein politisches Fundament für die Mitglieder auf ihren Weg mitzugeben. Es dünkt mich, dass ge-rade das von der SP lange vernachlässigt wurde.

Wie empfindest du die Beziehung zwischen der Basis und der GL?Mir fiel es immer sehr einfach um mit der GL oder Exponenten davon in Kontakt zu bleiben. Dies liegt nicht zuletzt auch an den Leuten in der GL, welche alle sehr zu-gänglich sind. Ich habe das immer sehr geschätzt und will es so beibehalten.

Welche politischen Themen sind für dich zentral?Sicherheitspolitik ist der Ansatz, welchen ich jetzt am stärksten verfolge. Wie vor-hin schon erwähnt, hängen viele politi-sche Themen zusammen und ergeben ein Bild der politischen Landschaft. Um den

Kapitalismus zu überwinden, muss auf verschiedenen Ebenen gearbeitet werden.

Wie sehen deine weiteren politi-schen Ambitionen aus? Was sind deine Pläne für die Zukunft?Gerne würde ich in einem Parlament mitbestimmen. Um in den Nationalrat gewählt zu werden geht wohl noch viel Wasser am Bundeshaus vorbei. Fast hät-te ich auf der Nationalratsliste Roland Näf, unseren Präsidenten der SP Kanton Bern, überholt. Nächstes Jahr sind in Bern Stadtratswahlen. Mal sehen, ob es reicht. Gut möglich, dass es reicht.

Die JUSO ist in 5 Jahren…Die JUSO hält alle Superlative unter den Jungparteien. Ich wünsche mir, dass wir unsere Ziele in politische Realität umset-zen können. Wenigstens ein Teil davon.

« Um den Kapitalismus zu überwinden, muss auf verschiedenen Ebenen ge-arbeitet werden.»

28 Milliarden – jedes JahrLange Jahre neoliberaler Vorherrschaft müssen ein Ende finden, Emanzipation, Befreiung und soziale Gerechtigkeit ihre Renaissance erleben. Weil dies nicht von alleine geschieht, gibt es das Denknetz.

von David Roth, Juso-Präsident und Denknetz-Vorstandsmitglied und Beat Ringger, geschäftsleitender Sekretär des Denknetz

Das Denknetz ist ein wachsender Verein mit gegenwärtig 800 Einzelmitgliedern und 60 aktiv Mitwirkenden, unabhän-gig, jedoch gut vernetzt mit SGB-Ge-werkschaften, linken Parteien und an-dern NGO. Neoliberale Ideologien stellen die unternehmerische Freiheit über alles andere. Im Gegensatz dazu lautet das Denknetz-Credo: Freiheit, Gleichheit und Solidarität müssen gemeinsam gefördert werden. Zu viel Ungleichheit und zu we-nig Solidarität gefährden die Grundlagen der Zivilisation.

Die Gewinne von heute sind die Kri-sen von morgen - so bringt das Denknetz auf den Punkt, was gegenwärtig abgeht. Die Vorstellung, die Gewinne von heute seien die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen trifft immer weniger zu. Denn seit 30 Jahren steigt weltweit der Anteil der Gewinne an der Wirtschaftsleistung (BIP) kontinuier-lich an. Der Anteil der Investitionen in reale Wirtschaftstätigkeiten jedoch nimmt ab, und das ist brisant. Denn das bedeutet, dass die Gewinne zunehmend in die Finanzmärkte statt in reales Wirt-schaften geleitet werden. Die Folge: Auf-geblähte Finanzmärkte, hochgeschraubte Renditeerwartungen, gefährliche Speku-lationsblasen einerseits, zu wenig Gelder für den ökologischen Umbau und für öf-fentliche Dienste andererseits.

25 Milliarden rückverteilenDie soziale und demokratische Kernauf-gabe lautet heute deshalb, den gesell-schaftlichen Reichtum aus den Finanz-

märkten herauszulösen und in die Zonen gesellschaftlicher Nützlichkeit zurück-zuholen. Ein Weg dahin: Anständige Mindestlöhne. Ein weiterer Weg: Eine gründlich revidierte Steuerpolitik. In der neuesten Denknetz-Publikation Richtig Steuern weisen 18 Autoren und Autorin-nen nach, wie die Schweiz mit Reichen- und mit Unternehmenssteuern jedes Jahr 28 Milliarden Franken Mehrerträge gene-rieren kann. Diese Gelder braucht es für Kindertagesstätten, für die Energiewen-de, für Entwicklungshilfe, für ein starkes Gesundheitswesen, für öffentliche Infra-strukturen, für die Bildung. Gleichzeitig werden mit diesen Steuern die Spekula-tionsblasen auf den Finanzmärkten ge-dämpft.

Reformen, die die Probleme an den Wurzeln angehenEin guter Teil der Denkarbeit, die im Denknetz geleistet wird, findet in den sechs Fachgruppen statt. Dabei wird über die Fragmentierungen in der Politik und der Wissenschaft hinausgedacht. Ein Bei-spiel: Tragfähige Lösungen in der sozialen Sicherheit kommen nur zustande, wenn neben den Sozialwerken auch die Spielre-geln auf den Arbeitsmärkten und die un-bezahlte Care-Arbeit einbezogen werden. Auf diesem Grundgedanken basiert der Denknetz-Vorschlag einer Allgemeinen Erwerbsversicherung AEV, den wir vor zwei Jahren lanciert haben, und um den man in den Diskussionen um Existenzsi-cherung und Erwerbsarbeit mittlerweile

Denknetz-Mitglied werden

Das Denknetz ist ein linker, basi-sorientierter Thinktank und wird von 800 Mitgliedern getragen. Denknetz-Mitglieder erhalten das Jahrbuch und alle weiteren Buchpublikationen kostenlos zu-gesandt, ebenso einen viertel-jährlichen Infobrief. Dieser bietet jeweils einen Überblick zu einem ausgewählten Thema, mit Dutzen-den von Links zur Vertiefung. Der Mitgliederbeitrag beträgt Fr. 40.- für Nicht- und wenig Verdienende und Fr. 100.- für Normalverdien-dende. Mehr Informationen und der Link zum Beitreten: unterwww.denknetz-online.chDiesem Infrarot liegt eine Bei-trittskarte bei.

nicht mehr herumkommt. Unsere Reform-konzepte haben wir in einer Reformagen-da zusammengefasst: Für eine Schweiz, die aus dem gegenwärtigen Zockermodell der Finanzeliten aussteigt, sich auf ihre Stärken besinnt und dafür sorgt, dass so-ziale, ökologische und ökonomische Ziele miteinander verbunden werden

Geschäftsleitung

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INFRAROt • JUSO • Dezember 201110 11

gelang es, ihren Einfluss trotz Erstarken der Parteilosen zu vergrössern. Der Er-folg der SVP auf Kommunalebene geht also Hand in Hand mit dem Aufstieg der SVP auf Bundesebene. Wieso sich die So-zialdemokratInnen aus der Politik in den kleinen Gemeinden verabschiedet hat, ist

schwierig zu erklären. Vielleicht ist es Arroganz. Man palavert lieber über das weltpolitische Tagesgeschehen, als in der eigenen Nachbarschaft Verantwortung zu übernehmen. Vielleicht wird es wieder Zeit, einen alten Slogan hervorzukramen. «Think global, act local»

Die Versammlung neigt sich dem Ende zu. Am Schluss werden alle Anträge des Gemeinderats zuweilen klar ange-nommen. Das Dorf saniert eine Wasserlei-

Widerwillig und halbherzig be-merkt er, dass man eine Gemeinde eben nicht wie ein Unternehmen führen könne. Der Saal scheint von dieser Antwort nicht überzeugt zu sein. Weitere Sparmöglich-keiten werden thematisiert. Wo bleibt die Linke, die dieser Ideologie widerspricht? Wo sind die Votanten, die sich gegen den Abbau wehren? Wo bleiben die Sozialde-mokratInnen, die über Sinn und Zweck von öffentlichen Angelegenheiten refe-rieren? Sie alle bleiben an dieser Ver-sammlung einmal mehr stumm.

Die SP hat die Agglo verlorenLaut einer Studie sind 49,1 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Kommu-nalpolitik die grösste Auswirkung auf das tägliche Leben besitzt. Weitere 30,4 Pro-zent behauptet dasselbe von der kantona-len und 20,5 Prozent von der nationalen Politik. Obwohl der Einfluss der Gemein-den kleiner wird und sie immer mehr nur noch Vollzugsträger von föderaler oder kantonaler Politiken sind, scheinen sie in der Wahrnehmung der BürgerInnen als diejenige politische Institution, die das tägliche Leben am stärksten prägt. Umso enttäuschender, dass die JUSO und die SP in vielen kleineren Gemeinden kaum wahrgenommen wird und dort auch nur selten im Gemeinderat vertreten ist. Die Statistik spricht eine deutliche Sprache: Die SP stellt nur fünf Prozent aller Ge-meindepräsidentInnen, wobei CVP, FDP und SVP jeweils über zwanzig Prozent der Sitze beanspruchen. Die stärkste Kraft auf Gemeindeebene sind die Parteilosen. Das war nicht immer so: Im Jahre 1988 waren noch rund neunzig Prozent aller Gemeindeexekutiven in den Händen der Bundesratsparteien. Danach folgte bis 2005 die Erosion. Die Parteilosen grei-fen auf Kommunalebene die etablierten Parteien an, so dass alle (FDP: 10.4%, CVP: -11.7%, SP: -12.5%) massiv Federn lassen mussten. Nur der SVP (+ 12,9%)

Besetzen wir die GemeindepolitikKommunalpolitik ist bei vielen Linken verpönt. Der Sozialist und die Sozialistin denkt in globalen, das heisst internationalen Sphären. Dabei verkennt er oder sie, wie wichtig die politische Verankerung im Dorf für unsere politisches System ist

Von Fabio Höhener

Nur spärlich füllt sich die Mehrzweck-halle einer Gemeinde im schweizerischen Mittelland. Die Angestellten des Bauam-tes haben den Saal grosszügig bestuhlt, bis zum Beginn der Einwohnergemeinde-versammlung wird jedoch rund die Hälf-te der Plätze leer bleiben. Erstaunlich, bedenkt man, dass heikle und wichtige Geschäfte auf der Traktandenliste ste-hen. Nur rund hundert Personen der 2500 Einwohner werden der Versammlung bei-wohnen. Das bedeutet, das Quorum von 5 Prozent wird nicht erreicht und alle Ent-scheidungen unterliegen dem fakultati-ven Referendum. Anwesend sind die übli-chen Verdächtigen: Das Stammpublikum einer jeder Gemeindeversammlung in der Agglomeration ist mehrheitlich alt und konservativ. Nach dem Eintreten in die umfunktionierte Turnhalle schweifen die Blicke der Stimmbürgerinnen und Stimm-bürger zum kleinen Gästesektor. Dort sitzt am Rand des Saales die junge Sabrina Meier. Sie ist 1987 in Zürich geboren, doch auf dem Papier deutsche Staatsangehöri-ge. Sie erbittet die politische Gemeinde um das schweizerische Bürgerrecht. Die Sym-bolik ist klar: Sabrina ist noch nicht Teil der Gemeinde. Will sie es werden, muss sie sich dem schweizerischen Einbürge-rungsritus stellen. Die sichtlich nervöse Sabrina muss sich aber noch gedulden. Ihr Traktandum folgt erst gegen Schluss und die Traktandenliste verspricht eine lange und kontroverse Versammlung.

Vom Eigeninteresse und dem GemeinwillenRund 82 Prozent aller Gemeinden in der Schweiz kennen die Gemeindeversamm-lung und nur 18 Prozent verfügen über ein Parlament. In der versammlungsdemo-kratischen Legislative streiten die Stimm-berechtigten über die Feuerwehrfusion, die Wasserkanalrevision und selbstver-ständlich über die Höhe des Steuerfusses.

Sie kommt der politischen Philosophie des Volkssouveränität von Jean Jaques Rous-seau am nächsten und auch die Lokalpa-trioten wissen: Die Wiege der direkten Demokratie findet man an der kommuna-len Gemeindeversammlung. Doch selten folgt sie dem rousseauschen Idealbild. An der Einwohnergemeinde entscheidet die Volonté de tous, also die Summe der Ein-zelinteressen und nicht etwa die Volonté générale, der Gemeinwille. Wer jemals an einer Budgetgemeinde teilgenommen hat, weiss von was hier die Rede ist.

Der Finanzchef des Gemeinderats tritt ans Rednerpult. Die Powerpointfolie zeigt den Finanzplan der Gemeinde. Die-ses Jahr kann er der finanziell privile-

« Der Gemeinderat soll unternehmerisch handeln. »

gierten Gemeinde keine rosigen Aussich-ten bieten. Die Gemeinde spürt die Wirtschaftskrise. Die Einnahmen gehen zurück. Eine Steuererhöhung bleibt un-vermeidlich und trotzdem wird das ange-sparte Eigenkapital bald aufgebraucht sein. Unruhe kommt im Saal auf. Ein Bür-ger und FDP Mitglied meldet sich zu Wort: «Als Unternehmer ist mir die Finanzpla-nung unerklärlich, wieso werden die defi-zitären Posten nicht aus dem Budget ge-strichen?» Hinter solchen Aussagen steckt nicht bürgerliche Naivität, sondern knall-harte Ideologie. Der öffentliche Sektor soll verschwinden und die Gemeinde mit ihr. Werden alle finanziell nicht lukrativen Budgetposten gestrichen, so bräuchte es auch keine Gemeinde mehr. Schule, Feu-erwehr, Wasserleitungen, Strassen, Ab-fallentsorgung, Sozialhilfe, Alterswoh-nungen, Polizei und viele mehr, sind aus rein finanzieller Sicht äusserst unattrak-tiv. Der freisinnige Gemeinderat sieht sich gezwungen, die Frage zu beantworten.

Dieses Bild könnte in 82 Prozent aller Gemeinden entstanden sein.

Der Organisationsgrad der SP auf Gemeindeeben wird kleiner, nur die SVP gewinnt neue Sektionen dazu. (Quelle: Ladner 2008)

tung, erhält einen Sozialdienst, führt Schulsozialarbeit ein, bürgert Sabrina ein, streicht keinen Budgetposten und er-höht die Steuern um drei Prozent auf im-mer noch attraktive 86 Prozent. Die Stim-me der Vernunft hat gesiegt, auch wenn sie an der Versammlung kaum zu hören war. Laut waren nur die Anderen. Es wird Zeit, dass wir das ändern. Wir dürfen uns nicht zu schade sein, auch in der Kommu-ne Politik zu betreiben. Die Themen sind wichtiger als sie wirken, denn sie treffen die Leute in ihrem Lebensmittelpunkt. Und genau dort will die JUSO und die SP erklärtermassen hin. Nehmt an den Ver-sammlungen teil, organisiert die progres-siven Kräfte, stellt Anträge, lasst euch in die Kommissionen wählen, sagt, was ihr zu sagen habt. Es ist Zeit für Occupy Ag-glo-Gemeinden!

« Laut sind immer nur die Anderen.»

Kommunalpolitik

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INFRAROt • JUSO • Dezember 201112

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Junge Perspektiven

«Du bist ein junges, engagiertes Mitglied der SP oder der JUSO. Du hast Lust auf politische Vernetzung und gemeinsames Engagement? Und du suchst spannende Perspektiven? Dann bist du genau richtig bei der Nachwuchsförderung von SP und JUSO. Interessiert? Mehr Infos auf juso.ch. Die Anmeldefrist läuft bis zum 31. Januar 2012.»

Wahlkampf und Wahlparty 2011