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Page 1: Inhalt...Gregor Beyer, Potsdam „Schwalben willkommen" im Landkreis Stade - Ein Citizen Science Projekt für den Artenschutz Michael Roesberg, Landkreis Stade Aktionsprogramm „Artenreiches
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Inhalt

CL-Notizen

In diesem Heft: „ Hauptamt stärkt Ehrenamt" Gemeinsam mit 18 Landkreisen führt der DL T ein vom BMEL finanziertes Verbundprojekt im Rahmen des Bun­desprogramms Ländliche Entwicklung (BULE) in den Jahren 2020 bis 2022 durch. Über das Projekt „Hauptamt stärkt Ehrenamt" und die Übergabe der Fördermittelbescheide ist in Heft 11 und 1 2 des vergangenen Jahres dieser Zeitschrift (721 f. bzw. 763) be­richtet worden. Ab sofort werden die Projekte und Initiativen der teilnehmen­den Landkreise vorgestellt. Neben dem Kreis Ahrweiler in dieser Ausgabe wer­den in den nächsten Heften Berichte aus dem Bodenseekreis, Burgenland­kreis, Landkreis Emsland, Erzgebirgs­kreis, Kreis Euskirchen, Landkreis Göt­tingen, Kreis Höxter, Landkreis Lud­wigslust-Parchim, Landkreis Ober­spreewald-Lausitz, Landkreis Regens­burg, Kreis Rendsburg-Eckernförde, Landkreis St. Wendel, Landkreis Trier­Saarburg, Landkreis Uckermark, Land­kreis Vorpommern-Greifswald sowie den Landkreisen Waldeck-Franken­berg und Weimarer Land folgen.

Wettbewerb „ Natur­stadt - Kommunen schaffen Vielfalt" Am 1.2.2020 ist der bundesweite Wett­bewerb „Naturstadt- Kommunen schaf­fen Vielfalt" gestartet. Der vom Bundes­umweltministerium geförderte Wettbe­werb wird vom Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalte.V." durchgeführt und ist u. a. Teil des 2019 beschlossenen Aktionsprogramms Insektenschutz der Bundesregierung.

Zur Wettbewerbsteilnahme sind alle Landkreise, Städte und Gemeinden in Deutschland aufgerufen, die überzeu­gende und wirkungsvolle Ideen für mehr naturnahe innerstädtische Flächen und zur Förderung von Insektenlebensräu­men haben. Es muss sich dabei aus­drücklich um „Projektideen" handeln, da bereits realisierte Projekte von der Teilnahme ausgeschlossen sind. Die 40 besten Projektideen werden als Zu-

Der Landkreis 3/2020

Der Landkreis Zeitschrift für Kommunale Selbstverwaltung 90. Jahrgang · früher „Die Selbstverwaltung" Herausgeber: Deutscher Landkreistag, Berlin, Lennestraße 11 Verlag: W. Kohlhammer GmbH

- Politik Die Klimawende gelingt nur mit den ländlichen Räumen

Der Hype um eine Altschuldenhilfe des Bundes nimmt kein Ende Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, Berlin

Beim Hype um eine Altschuldenhilfe des Bundes „quer im Stall" Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, Berlin

Helmut Schleweis: Niemand darf uns an Nähe zu und im Verstehen von Kunden übertreffen Interview mit Helmut Schleweis, Berlin

Henneke: Mit klarem Kurs voraus!

Ein Job zwischen Papst und Gott Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, Berlin

DL T-Positionen:

Bundesrat macht Weg frei für besseren ÖPNV

Warum kommt die Ehrenamtsstiftung weitestgehend ohne die Kommunen aus?

Titelbilder: Adobe Stock (oben), unten v.l.n.r.: Landskreis Stade, Lena Schlotterbeck, DL T-Archiv

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- Hauptamt stärkt Ehrenamt .-----=.-::.-::.-::.-::.-::.-::.-::..---,

Startschuss für das Projekt „Weitermachen! Kreis Ahrweiler" Dr. Jürgen Pföhler, Kreis Ahrweiler

- DL-Titel In großen Zusammenhängen denken Julia Klöckner, Berlin

Artenvielfalt als polit ischer Handlungsauftrag: Zum Volksbegehren ,,Artenschutz und Naturschönheit in Bayern - Rettet die Bienen" Thorsten Glauber, München

Im Einsatz für die Natur: Fördermöglichkeiten von Landkreisen im Bundesprogramm Biologische Vielfalt Prof. Dr. Beate Jessel und Eva Flinkerbusch, Bonn

Biologische Vielfalt in der Landwirtschaft Robert Spreter und Lena Schlotterbeck, Radolfzell

Artenschwund mit Hilfe von Biotopverbünden stoppen Michael Beier, Duderstadt

Naturschutz und Energiewende vereinbaren Dr. Torsten Raynal-Ehrke, Berlin

Der Wolf, nie weg, aber umso mehr wieder da - auf dem Weg zum aktiven Wolfsmanagement! Gregor Beyer, Potsdam

„Schwalben willkommen" im Landkreis Stade - Ein Citizen Science Projekt für den Artenschutz Michael Roesberg, Landkreis Stade

Aktionsprogramm „Artenreiches Grünland Südniedersachsen" Christei Wemheuer, Landkreis Göttingen

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm Entstehung, Bedeutung und Chancen der Streuobstkonzeption im Enzkreis Dr. Daniel Sailer und Bernhard Reisch, Enzkreis

Tatort Garten - Ödnis oder Oase? Dipl.-Ing. Johann Niedernhuber, Landkreis Straubing-Bogen

Einsatz eines RVR-Rangerteams im Kreis Wesel Anja Schulte, Kreis Wesel

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Der Wolf, nie weg, aber umso mehr wieder da -auf dem Weg zum aktiven Wolfsmanagement!

Kaum eine andere der sog. ,,zurück­kehrenden nerarten" hat eine so um­fangreiche und teils überaus emotional geführte Debatte ausgelöst wie der Wolf. Dabei erweist sich die Situation in den deutschen Bundesländern mo­mentan noch als überaus unterschied­lich und genau genommen kehren Wölfe auch nicht nach Deutschland zurück, vielmehr waren sie niemals gänzlich verschwunden. Das ist auch der Grund, warum die kommunale Fa­milie vom Wolf unmittelbar aber teils sehr unterschiedlich betroffen ist. Denn dort, wo Wölfe auftreten, stellen sich meist eine ganze Reihe von sehr praktischen Fragen, die den Verwal­tungsvollzug der Naturschutzgesetz­gebung in den unteren Behörden oder aber Fragen der Gefahrenabwehr be­treffen. Dabei stehen kommunale Ver­treter nicht selten in Debatten mit be­troffenen Weidetierhaltern oder aber allgemein mit einer verunsicherten Be­völkerung. Es ist daher auch nicht ver­wunderlich, dass sich bspw. in Bran­denburg bereits über 50 Kommunen in einer Art Hilferuf auf Beschluss der Gemeindeparlamente zu „wolfsfreien Zonen" erklärt haben, was keinerlei praktische oder rechtliche Auswirkun­gen hat, gleichzeitig aber den dringen­den Handlungsbedarf dokumentiert. Auch dies war Anlass für die gegen­wärtig diskutierte Änderung des Bun­desnaturschutzgesetzes.

Die aktuelle Wolfssituation in Deutschland

Für ein Verständnis der Konflikte, die mit der Rückkehr der Wölfe verbunden sind, muss man sich mit der aktuellen Wolfssi­tuation auseinandersetzen. Die mittlerweile in Deutschland teils flächig wieder vorkom­menden Wolfsbestände gehören bei ob­jektiver Betrachtung der „baltisch-osteuro­päischen Wolfspopulation" an, die nach jüngsten wildbiologischen Schätzungen mindestens 8.000 Individuen umfasst. Das über viele Jahrzehnte hinweg Wölfe in Ostdeutschland entweder sehr selten auftraten oder aber in Westdeutschland annähernd gar nicht vorgekommen sind, hängt insbesondere mit zwei Umständen zusammen. Zum einen wurden Wölfe im ehemaligen Ostdeutschland bis zum 1.4.1992, dem Tag, an dem das Bundes­jagdgesetz auch in den neuen Ländern in Kraft trat, konsequent bejagt. Vereinfa­chend kann man festhalten, dass in der ehemaligen DDR das denkbar einfachste Wolfsmanagement betrieben wurde, man

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Von Gregor Beyer, Potsdam

hat schlichtweg jedes einzelne Individuum erlegt. Zum anderen bestand über knapp 40 Jahre hinweg mit der deutsch-deut­schen Grenze eine auch für Wölfe annä­hernd nicht überwindbare Barriere, sodass von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen im ehemaligen Westdeutschland der Wolf faktisch ausgestorben war. Das Wegfallen der Bejagung des Wolfes hat dann spätes­tens ab dem Jahr 2000 dazu geführt, dass die permanent aus dem östlichen Europa einwandernden Wölfe sich zunächst im brandenburgisch-sächsischen Grenzge­biet erneut reproduzierten, schließlich wie­der Rudel bildeten und zwischenzeitlich die Bundesländer Brandenburg, Sachsen und teilweise Mecklenburg-Vorpommern weit­gehend flächendeckend wieder besiedelt haben. Diese Wolfsbestände sind mittler­weile so stabil, dass sich ein permanenter Populationsdruck auch auf die westlichen Bundesländer ergibt. Allein in Brandenburg leben mittlerweile deutlich über 400 Wölfe, was in etwa der doppelten Anzahl derjeni­gen Tiere entspricht, die für das elfmal größere Finnland als Gesamtbestand zu­gelassen sind. Zudem ist jüngst auch der genetische Austausch der „baltisch-osteu­ropäischen Wolfspopulation" mit Tieren der ,,apruzzo-alpinen Wolfspopulation" gesi­chert, sodass es als sicher gelten kann, dass die gesamte Bundesrepublik bereits in wenigen Jahren wieder flächendeckend mit Wölfen besiedelt sein wird. Man ist daher in allen deutschen Bundesländern gut beraten, sich bereits heute intensiv mit den sich daraus ergebenden Konse­quenzen für das Wolfsmanagement aus­einanderzusetzen.

Wolfsmanagement will Menschen ,,managen"

Brandenburg war im Jahr 1994 das erste Bundesland, das eine Managementpla­nung für Wölfe in Kraft gesetzt hat. Mittler­weile verfügen viele deutsche Bundeslän­der über ein mehr oder weniger rechtlich abgesichertes Wolfsmanagement. Der Be­darf dafür ergibt sich aus dem Umstand, dass Wölfe in den Anhang IV der FFH­Richtlinie eingeordnet sind und somit nach nationalem Recht eine .streng geschützte" Tierart darstellen. Trotz dieses rechtlichen Schutzes ist es unumstritten, dass Wölfe eine Reihe von erheblichen Problemen ver­ursachen, allem voran in der Weidetierhal­tung, mit denen praktisch umgegangen werden muss. Die bisherigen Wolfsmana­gementpläne folgen daher alle dem Credo

des Deutschamerikaners Aldo Leopold, nach dem das Management von wilden Tieren nicht schwer ist, sehr wohl aber das Management der Menschen, die von diesen Tieren betroffen sind. Sie versu­chen, die sich ergebenden Probleme mit Wölfen insbesondere über die Öffentlich­keitsarbeit und das gleichzeitige Beobach­ten der Wolfsbestände (Monitoring) in kon­fliktfreiere Bahnen zu lenken. Zudem regeln sie zwischenzeitlich, jedoch in den einzel­nen Bundesländern teils gänzlich unter­schiedlich, die Fragen des Schutzes von Weidetieren. Dabei stehen momentan der Bau und die Finanzierung von Wolfs­schutzzäunen oder aber auch der Einsatz von Schutzhunden im Fokus. Gleichzeitig regeln die Wolfsmanagementpläne meist auch die Grundsätze der Entschädigung für gerissene Weidetiere, was in Gebieten mit Wolfsanwesenheit auch bei besten Schutzbemühungen nicht verhindert wer­den kann.

In der Anfangszeit eines sich langsam auf­bauenden Wolfsbestandes erwies sich die­ser Ansatz als zielführend. Mit Zunahme des Bestandes, der jährlich um 36 % der Individuen des Vorjahres anwächst, treten jedoch sehr schnell Konfliktfelder auf, die sich mit einem solchen, rein passiven An­satz nicht mehr bewältigen lassen. Es er­weist sich dann als problematisch, dass die Managementpläne die Ausbreitung des Wolfes weitgehend tatenlos beobachten und mit überaus bürokratischen Regelun­gen versuchen, die Betroffenen lediglich zu beruhigen. Ein solches „passives Wolfs­management" entwickelt sich daher recht schnell zu einem Brandbeschleuniger für die öffentliche Debatte, weil die von den Wölfen Betroffenen nur noch das Unver­mögen der politisch wie administrativ Zu­ständigen wahrnehmen und sich deren eigener Hilflosigkeit ausgeliefert fühlen. Dieser Umstand wird durch die Einstufung des Wolfes als streng geschützte Tierart verstärkt, da -von sehr wenigen Ausnah­men abgesehen - faktisch kein Eingriff in den Wolfsbestand möglich ist. Selbst beim Vorkommen sog. Problemwölfe, bspw. von Tieren ohne Scheu vor Menschen oder bei mehrfachem Überwinden von Schutz­einrichtungen, scheitert deren Entnahme regelmäßig an den Einspruchsmöglichkei­ten der Umweltverbände durch das Ver­bandsklagerecht. In dieser Situation ste­hen dann meist die Vertreter der unteren Behörden, allen voran die Landräte und Amtsdirektoren, im Fokus der Konflikte. Von ihnen werden Lösungen erwartet, für die sie keinen rechtlichen Handlungsrah­men haben.

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Auf dem Weg zum aktiven Wolfsmanagement

langfristig wird es darauf hinauslaufen, dass dem passiven Wolfsmanagement ei­ne zweite aktive Option zur Seite gestellt wird. Aktives Wolfsmanagement bedeutet nichts anderes, als planmäßig in die Wolf­bestände einzugreifen und diese langfristig auf eine Höhe zu begrenzen, bei der der berechtigte Schutz der Wölfe mit den eben­so berechtigten Schutzanliegen der Öffent­lichkeit in Einklang gebracht wird. Möglich wird dies über die Definition eines .Akzep­tanzbestandes" für den Wolf in Deutsch­land und in den Bundesländern. Darunter versteht man eine wissenschaftlich aber insbesondere auch gesellschaftspolitisch zu definierende Kenngröße für den Wolf­bestand, bis zu dessen Erreichung den Weidetierhaltern ein Rechtsanspruch auf Ausgleich von Schäden und Zahlung von Präventionsmitteln zugesprochen wird. Tiere oberhalb des Akzeptanzbestandes werden jedoch konsequent durch Beja­gung entnommen.

Gegenwärtig ist eine solche Option aller­dings nicht innerhalb der bestehenden deutschen Jagdgesetzgebung möglich. Dazu müsste der Wolf zunächst vom An­hang IV in den Anhang V der FFH-Richtlinie umgestuft werden. Da eine solche Umstu­fung eines einstimmigen Beschlusses der EU bedarf, ist darin eher ein politisches Fernziel, denn eine kurzfristige Lösungs­möglichkeit zu sehen. Sehr wohl möglich ist aber bereits heute das Vorgehen über einen in der Jagd angedockten Ansatz, der insbesondere in den skandinavischen Län­dern bereits heute praktiziert wird. Diese Möglichkeit, die meist als .Schutzjagd" bezeichnet wird, muss lediglich die stren­gen Vorgaben der FFH-Richtlinie erfüllen. So muss vor dem Eingriff in den Wolfsbe­stand zunächst ein milderes Mittel versucht worden sein. Zudem muss zweifelsfrei be­legt werden, dass die Entnahme einzelner Tiere oder ganzer Rudel keine negativen Auswirkungen auf den Erhalt der betroffe­nen Wolfspopulationen haben. Unter die­sen Voraussetzungen kann auf Antrag be­troffener Weidetierhalter die Entnahme von Wölfen durch ortsansässige Jäger umge­setzt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die für die Entnahme von Wölfen zuständigen Personen rechtlich abgesi­chert sind. Deshalb ist es dringend anzura­ten, darin dem Beispiel Sachsens zu fol­gen, dass der Wolf in die Landesjagd­gesetze bei gleichzeitiger ganzjähriger Schonzeit aufgenommen wird. Um den rechtlichen Handlungsrahmen für den Ver­waltungsvollzug für die Schutzjagd zu schaffen, wird es langfristig unumgänglich sein, dass die Länder die Verordnungser­mächtigung des Bundesnaturschutzge­setzes nutzen und Wolfsverordnungen er­lassen.

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Wolfsverordnung der Länder

Brandenburg war das erste Bundesland, welches sich bereits im Jahr 2018 eine Wolfsverordnung (BbgWoltv) gegeben hat. In dieser wurde erstmalig der Versuch unternommen, das bestehende Recht zu­sammenzufassen, es operativ zu verein­fachen und vor allem die jeweiligen Zustän­digkeiten in den administrativen Ebenen zu klären. Auch wurden erstmals konkrete Umstände benannt, wie bspw. das Auf­treten von Wölfen tagsüber in geschlosse­nen Ortslagen oder das Aufhalten von Wölfen in der Nähe von Siedlungen, bei denen geeignete Maßnahmen im Einzelfall angeordnet werden können. Dies kann das Fangen, das Betäuben oder aber auch das Vergrämen von Wölfen mit Gummige­schossen sein. Zudem regelt die branden­burgische Wolfsverordnung das Nachstel­len und Töten von Wölfen mit einer für die Jagd zugelassenen Waffe. Als eine der wichtigsten Regelungen ist im Gegensatz zur Rechtslage in anderen Bundesländern in Brandenburg nun auch festgelegt, dass den Jagdausübungsberechtigten eine Art Erstzugriffsrecht für die Durchführung ent­sprechender Maßnahmen zusteht. Nur wenn die jeweils betroffenen Jagdaus­übungsberechtigten die Entnahme eines Wolfes ablehnen, können die Behörden Personen außerhalb der Jägerschaft mit der Entnahme beauftragen. Hochproble­matisch ist in der Wolfsverordnung aller­dings die vollständige Übertragung der Zu­ständigkeit für Wölfe von den Landkreisen auf das Ministerium. Nach allen vorliegen­den Erfahrungen werden die Konflikte rund um den Wolf immer vor Ort in der konkreten Betroffenheit ausgetragen. Die Kompe­tenzbeschneidung der Landräte wirkt sich daher für diese in aller Regel nicht kon­fliktminimierend aus, sondern führt ledig­lich zur kommunalen Machtlosigkeit, die kein einzelnes Problem löst.

Auch die brandenburgische Wolfsverord­nung regelt nicht das aktive Bestandsma­nagement von Wölfen. Zwar ist es in den vergangenen zwei Jahren auf Basis der Verordnung zur „Entnahme" von wenigen Wölfen in Brandenburg gekommen, jedoch handelt es sich dabei ausschließlich um Fälle schwer verletzter Wölfe durch den Straßenverkehr oder aber um an Räude erkrankter Tiere. Einen direkten reduzie­renden Eingriff in den Bestand hat es bis­lang nicht gegeben. Allerdings zeigt die seit Ende 2019 gültige dritte brandenburgische Wolfsmanagementplanung erstmalig den Weg zum aktiven Wolfsmanagement auf. Brandenburg hat sich darin politisch ver­pflichtet, dass es die gesetzlichen Voraus­setzungen für das aktive Bestandsmana­gement in dem Moment schaffen wird, wenn die Bundesrepublik den günstigen Erhaltungszustand für den nationalen Wolfsbestand erklärt.

Änderung des Bundesnaturschutz­gesetzes

Die bestehenden rechtlichen Unzuläng­lichkeiten haben jüngst auch den Bundes­gesetzgeber dazu veranlasst, das Bundes­naturschutzgesetz zu novellieren. Auch wenn zur Drucklegung dieses Artikels die noch notwendige Beschlussfassung des Bundesrates ausstand, so kann davon ausgegangen werden, dass erstmals mit dem Paragraf 45 a eine eigene gesetzliche Regelung für den „Umgang mit dem Wolf" in das Naturschutzgesetz eingefügt wird. Damit soll zukünftig der Abschuss von ein­zelnen Wolfsindividuen bis hin zu ganzen Rudeln für den Fall geregelt werden, dass es im Wiederholungsfall zu Wolfsübergrif­fen auf Weidetiere kommt. Ferner wird die Schadensdefinition des Naturschutzge­setzes von „erheblichen" land-, forst-, fi­scherei-, wasser- oder sonstigen Schäden herabgestuft zu „ernsten Schäden", was zu einer einfacheren Erteilung von arten­schutzrechtlichen Ausnahmegenehmigun­gen führen soll. Kritisch muss allerdings angemerkt werden, dass nach den Vorer­fahrungen der vergangenen Jahre bezüg­lich der Verbandsklagefreudigkeit deut­scher Umweltverbände davon auszugehen ist, dass die neue Schadensdefinition erst über mehrere Jahre hinweg durch die In­stanzen geklagt werden muss, bis dies­bezüglich für die Verwaltungen Rechtssi­cherheit besteht. Zudem wird der Bundes­gesetzgeber mit der Novelle exakt jene Regelungsgegenstände einführen, die in Brandenburg bereits seit zwei Jahren durch die Wolfsverordnung gelten, ohne dass es zu einer Befriedung der Situation gekommen wäre. Aus Sicht der Betroffe­nen erweist sich die Novelle des Bundes­naturschutzgesetzes wie so oft in der Wolfspolitik mehr als ein Placebo; also als eine Lösung, die politisch gefallen will, ohne zu wirken.

Für die Zukunft der Wölfe in Deutschland wird es essenziell darauf ankommen, ob der Teufelskreis einer immer stärker wer­denden Betroffenheit, insbesondere der Bevölkerung im ländlichen Raum, und der einer die urbane Klientel berücksichti­genden Politik der Untätigkeit durchbro­chen werden kann. Die Erfahrung aus an­deren Ländern dieser Welt zeigen über­deutlich, dass keine Macht der Welt den Schutz der Wölfe garantieren kann, wenn die Akzeptanz für diese Tiere verloren geht. Darin liegt wahrscheinlich die tatsächliche Herausforderung für das Wolfsmanage­ment der Zukunft. D

Gregor Beyer, Geschäftsführer, Forum Natur Brandenburg e.V., Potsdam

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