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IT Business Alignment: Strategien und Konzepte Prof. Dr. Georg Herzwurm Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik II (Unternehmenssoftware) Universität Stuttgart Sven Hanssen Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik II (Unternehmenssoftware) Universität Stuttgart Inhaltsverzeichnis 1. Die Rolle der IT in Unternehmen....................................................................................... 2 2. Die strategische Ausrichtung der IT .................................................................................. 3 2.1 Allgemeiner Strategiebegriff und strategische Implikationen .................................... 3 2.2 Begriff der IT-Strategie ............................................................................................. 4 2.3 Ableitung von IT-Strategien ...................................................................................... 4 2.4 Etablierung der IT-Strategie als Prozess im Unternehmen ...................................... 6 3. Ableitung potentieller strategischer Wettbewerbsvorteile der IT ....................................... 8 4. Strategiefindung .............................................................................................................. 10 5. Methoden zur zielorientierten Ausrichtung der IT ........................................................... 13 5.1 Die Balanced Scorecard ......................................................................................... 13 5.2 IT-Performance-Management ................................................................................ 16 5.3 Hoshin Kanri ........................................................................................................... 17 6. Fazit und Ausblick ........................................................................................................... 22 7. Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 22

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IT Business Alignment: Strategien und Konzepte Prof. Dr. Georg Herzwurm Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik II (Unternehmenssoftware) Universität Stuttgart Sven Hanssen Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik II (Unternehmenssoftware) Universität Stuttgart

Inhaltsverzeichnis 1. Die Rolle der IT in Unternehmen ....................................................................................... 2

2. Die strategische Ausrichtung der IT .................................................................................. 3

2.1 Allgemeiner Strategiebegriff und strategische Implikationen .................................... 3

2.2 Begriff der IT-Strategie ............................................................................................. 4

2.3 Ableitung von IT-Strategien ...................................................................................... 4

2.4 Etablierung der IT-Strategie als Prozess im Unternehmen ...................................... 6

3. Ableitung potentieller strategischer Wettbewerbsvorteile der IT ....................................... 8

4. Strategiefindung .............................................................................................................. 10

5. Methoden zur zielorientierten Ausrichtung der IT ........................................................... 13

5.1 Die Balanced Scorecard ......................................................................................... 13

5.2 IT-Performance-Management ................................................................................ 16

5.3 Hoshin Kanri ........................................................................................................... 17

6. Fazit und Ausblick ........................................................................................................... 22

7. Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 22

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1. Die Rolle der IT in Unternehmen

Der Einsatz von Informationstechnologie (IT) in Unternehmen war ursprünglich vor allem mit der Rationalisierung von Arbeitsabläufen verbunden. Verfolgt wurden vorrangig Leistungszie-le (z. B. Erhöhung der Produktionsmenge, Reduktion von Bearbeitungszeiten) und Kosten-ziele (z. B. Personaleinsparungen, Reduktion des gebundenen Kapitals durch Verringerung der Lagerbestände) (vgl. Kargl [1996], S. 1).

Im Lauf der Zeit entwickelten sich jedoch Einsatzmöglichkeiten für die IT, die über die bloße Verarbeitung von Massendaten zu Zwecken der Arbeitsteilung hinausging: Integrierte Sys-teme bildeten Geschäftsprozesse in Unternehmen ab und koordinierten die arbeitsteilige Abwicklung kooperativer Arbeitsprozesse; Planungs- und Entscheidungssysteme richteten sich an Entscheidungsträger in Unternehmen mit dem Ziel einer bedarfsgerechten, Ziel füh-renden Informationsversorgung; Kommunikationssysteme und elektronische Netzwerke er-laubten den innerbetrieblichen und unternehmensübergreifenden Austausch von Informatio-nen in Echtzeit. Insbesondere die Etablierung des Internets brachte nachhaltige Verände-rungen von Markt und Wettbewerb und führte zu einer wahren Euphorie für die „neue“ Tech-nologie (vgl. Wirtz [2001], S. 3f.). Entsprechend wandelte sich das Bild der Informationstech-nologie vom bloßen Mittel zur Erreichung von Rationalisierungsvorteilen hin zum „enabler“ für völlig neuartige Geschäftsmodelle. Informationstechnologie war nun ein Mittel zum Erzie-len von strategischen Wettbewerbsvorteilen.

Mit dem Platzen der „Internet-Hype-Blase“ mehrte sich die Anzahl der kritischen Stimmen, die den gestiegenen Stellenwert der IT in Frage stellte. Im Jahr 2003 publizierte Carr seinen Aufsehen erregenden Artikel „IT doesn’t matter“, in welchem Informationstechnologie als Produktionsfaktor charakterisiert wird, welcher zwar von jedem Unternehmen benötigt, je-doch prinzipiell in seiner Ausgestaltung – ähnlich wie etwa Strom – beliebig austauschbar ist (vgl. Carr [2003], S. 41ff). Dieser radikalen Haltung widerspricht allerdings die Tatsache, dass durch Innovationen im IT-Bereich weiterhin sehr wohl neuartige Formen von Ge-schäftsmodellen, Produkten, Prozessen, Unternehmen und sogar ganzen Branchen entste-hen: In vielen Ländern ist eine Elektronifzierung und Zusammenfassung der nationalen und internationalen Börsenplätze zu beobachten; das Bankenwesen wandelt sich hin zu einer Trennung in produktionsorientierte „Transaktionsfabriken“ einerseits und kundenorientierte Vertriebseinheiten andererseits; die Möglichkeit, digitalisierbare Güter jederzeit und orts-unabhängig zu beziehen, bildet die Basis für völlig neue Geschäftsmodelle, deren Potential

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bisher noch kaum abzusehen ist; Supply Chain Management beschleunigt die Zusammenar-beit von Unternehmen und führt zu virtuellen Unternehmensstrukturen entlang der gesamten Wertschöpfungskette (vgl. Österle, Winter [2003], S. 4ff).

Die IT wird sich folglich auch in den kommenden Jahren als Mittel zum Erzielen von Wettbe-werbsvorteilen präsentieren. Gefordert ist aber eine konsequente Ausrichtung an den Zielen einer Organisation und das Schaffen von Transparenz hinsichtlich des Beitrags der IT zur Erreichung der gesetzten Ziele. Im folgenden soll auf die Problematik des Ausrichtens der IT an den Organisationszielen (= „IT Business Alignment“) eingegangen und Methoden zur zielorientierten Ausrichtung der IT skizziert werden.

2. Die strategische Ausrichtung der IT

2.1 Allgemeiner Strategiebegriff und strategische Implikationen

Das Erzielen von „strategischen Wettbewerbsvorteilen“ wurde und wird häufig als Rechtferti-gung für IT-Projekte aufgeführt, welche sich nicht anderweitig begründen lassen. Im Sinne einer zielorientierten Ausrichtung der IT wird jedoch ein konkreter, nachweisbarer Beitrag der IT – sei es durch eine Erhöhung der Effektivität, der Effizienz oder der Wettbewerbsfähigkeit im Unternehmen – gefordert. IT muss, wie jede andere betriebswirtschaftliche Funktion auch, effektiv und effizient – aber unter Berücksichtigung ihres strategischen Potentials – einge-setzt werden (vgl. Ward, Peppard [2002], S. 40).

Gemäß Porter drückt eine Strategie (bezogen auf ein Unternehmen) aus, wie die verschie-denen Abteilungen eines Unternehmens – noch nicht unter Vorgabe eines bestimmten Ver-haltens, sondern auf einen definierten Zweck hin – gemäß gemeinsamer Ziele koordiniert werden (vgl. Porter [1999], S. 21). Strategien beziehen sich dabei auf einen langfristigen Planungshorizont. Aus strategischen Leitlinien werden regelmäßig im Rahmen der Planung konkrete operationalisierbare Ziele abgeleitet, zu deren Umsetzung Ressourcen bereitges-tellt und Maßnahmen initiiert werden.

Im Hinblick auf die strategische Ausrichtung der IT impliziert dies eine hierarchische Vorge-hensweise: Ausgehend von der allgemeinen Strategie des Unternehmens werden für alle Unternehmensfunktionen spezielle Teilstrategien abgeleitet, indem zunächst eine Positions-bestimmung erfolgt (was ist die Ausgangslage?) und nach Berücksichtigung von Zielen (wo wollen wir hin?) und unternehmensinternen und –externen Rahmenbedingungen (was kön-

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nen wir tun?) die Ausrichtung (was sollen wir tun?) speziell für den betreffenden Bereich ab-geleitet wird. Als Ergebnis erhält man eine Menge von Teilstrategien, welche in ihrem Zu-sammenspiel die allgemeine Strategie des Unternehmens umsetzen.

2.2 Begriff der IT-Strategie

Die gemäß dem obigen Abschnitt für den IT-Bereich abgeleitete (Teil-)Strategie soll im fol-genden als IT-Strategie bezeichnet werden. Eine IT-Strategie lässt sich demnach als ein eng an der Unternehmensstrategie ausgerichteter Prozess, der ein Portfolio von rechnergestütz-ten, betriebswirtschaftlichen Anwendungen identifiziert und deren Einführung und Betrieb im Unternehmen beschreibt, um so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenten des Unternehmens zu schaffen, definieren (vgl. Doherty et al. [1999], S. 262 ff.).

Eine IT-Strategie verknüpft folglich die Ziele eines Unternehmens mit den hierzu benötigten Informationen sowie den zur Bereitstellung dieser Informationen erforderlichen rechnerge-stützten Anwendungssystemen.

Neben der zielorientierten Ausrichtung der IT werden gängigerweise folgende weitere Ziele an die Definition einer IT-Strategie geknüpft (vgl. Ward, Peppard [2002], S. 118f.):

• Identifikation der Bereiche, in denen die IT am meisten zur Erreichung der Unterneh-mensziele beiträgt, als Grundlage für Investitionsentscheidungen;

• Erkennen von Chancen zum Erzielen von Wettbewerbsvorteilen gegenüber der Konkur-renz durch den Einsatz von IT;

• Aufbau einer flexiblen, effektiven und effizienten IT-Infrastruktur im Unternehmen;

• Entwicklung der Ressourcen und Kompetenzen, die zum erfolgreichen Einsatz der IT im Unternehmen erforderlich sind.

2.3 Ableitung von IT-Strategien

Nach einer empirischen Untersuchung aus dem Jahr 1993 lassen sich in der Praxis fünf un-terschiedliche Stufen bei der Herangehensweise zur Formulierung von IT-Strategien unter-scheiden (vgl. Abbildung 1). Mit fortschreitender Stufe steigt der Grad der Verzahnung zwi-

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schen allgemeiner Unternehmensstrategie und IT-Strategie, und damit das Potential zur Er-reichung von Wettbewerbsvorteilen durch den IT-Einsatz.

Stage 1 Stage 2 Stage 3 Stage 4 Stage 5

Summary Technology led

Method driven

Administrative Business led Organization led

Main task Application mapping

Defining business needs

Detailed IT planning

Strategic / competitive advantage

Linkage to business strategy

Key objective Management understanding

Agreeing priorities

Balancing the portfolio

Pursuing op-portunities

Integrating IT and business strategies

Direction from

IT led Senior man-agement initiative

User and IT together

Executives / Senior management and users

Coalition of users / man-agement and IT

Main approach

Bottom-up development

Top-down analysis

Balanced top-down and bottom-up

Entrepreneurial (user driven)

Multiple method at the same time

Abbildung 1: Herangehensweisen bei der Formulierung von IT-Strategien (in Anlehnung an: Earl [1993])

Die technologische Herangehensweise („Technology led“)

Hier werden die im Unternehmen vorhandenen Prozesse und Informationsflüsse mit Hilfe von analytischen Methoden und Werkzeugen modelliert. Aus den Modellen werden Pläne für die Architektur der Applikationslandschaft im Unternehmen, für die zu speichernden Daten sowie für Kommunikationswege abgeleitet. In die Planung involviert sind vorwiegend Fach-leute aus dem IT-Bereich.

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Die Methoden-getriebene Herangehensweise („Method driven“)

Durch Analyse der Geschäftsprozesse wird der Bedarf an Informationen im Unternehmen identifiziert und daraus die benötigte Applikationslandschaft im Unternehmen abgeleitet. Dies geschieht in Normalfall auf Initiative des Managements oder häufig auch durch (externe) Berater.

Die administrative Herangehensweise („Administrative“)

Das zur Verfügung stehende Budget wird, basierend auf einer Prioritätsliste, auf die IT-Infrastruktur verteilt. Die Prioritätsliste gibt dabei an, in welchen Bereichen der IT-Infrastruktur der größte Bedarf an neuen Applikationen besteht.

Die zielorientierte Herangehensweise („Business led“)

Basierend auf der Strategie des Unternehmens wird ein Investitionsplan für die IT-Infrastruktur des Unternehmens erstellt. Der IT wird hierbei die Rolle einer strategischen Ressource zugestanden, welche jedoch durch die Unternehmensstrategie bestimmt wird (und nicht umgekehrt). Wettbewerbsvorteile, die durch den Einsatz von IT entstehen könn-ten, werden mit diesem Ansatz folglich nicht ausgelotet (es sei denn, ein solcher Ansatz ist bereits in der Unternehmensstrategie aufgeführt).

Die organisatorische Herangehensweise („organizational“)

Im Unternehmen finden sich Leitlinien, wie die IT zur Erreichung der allgemeinen Unterneh-mensziele beitragen kann. Die allgemeine Strategie des Unternehmens und die IT-Strategie werden integriert betrachtet.

Es sei jedoch angemerkt, dass nicht jede bestehende Anwendung innerhalb eines Unter-nehmens die Komplexität der fünften Stufe benötigt. Vielmehr geht es um die Identifikation von Applikationen zur Erschließung potentieller strategischer Wettbewerbsvorteile, welche anschließend zielgerichtet verfolgt werden (vgl. Ward, Peppard [2002], S. 123).

2.4 Etablierung der IT-Strategie als Prozess im Unternehmen

Die Initiierung einer IT-Strategie in einem Unternehmen ist häufig mit der Schwierigkeit ver-bunden, Aufmerksamkeit für das Potential zu schaffen, welches sich durch die Einbeziehung

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von IT in die Unternehmensstrategie ergibt. Es ist aber auch eine Chance, verkrustete Pla-nungsstrukturen aufzubrechen und so Räume für Innovationen im Unternehmen zu schaffen.

Eine IT-Strategie soll, sobald sie formuliert wurde, kein unveränderliches Konstrukt sein. Vielmehr ist sie kontinuierlichen Anpassungen, hervorgerufen durch Einflüsse aus der Um-welt des Unternehmens, durch sich ändernde Unternehmensziele und auch durch das Er-kennen von Chancen, unterworfen. Die Formulierung einer IT-Strategie ist sowohl ein konti-nuierlicher wie auch ein lernender Prozess (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Die Formulierung der IT-Strategie als Prozess im Unternehmen (in Anlehnung an: Ward, Peppard [2002], S. 157)

Previous

IT Strategy

Business strategy and

proposed development programme

Other

planning

Initiate

strategy

process

Understand the current situation

and interpret business needs

Define/update information

and systems architecture

Determine business IT

strategy

Formulate IT strategy

Prepare mitigation plans and

business case

Business

and technical

IT strategy

and proposed

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In der Initialphase wird die Zielsetzung der Strategieformulierung definiert, die Beteiligten am Prozess identifiziert, falls notwendig geschult sowie mit Ressourcen (z. B. automatisierten Werkzeugen) ausgestattet.

Im nächsten Schritt geht es um eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Situation, in der sich das Unternehmen befindet. Hierzu wird die Strategie des Unternehmens analysiert und Zielsetzungen, kritische Erfolgsfaktoren, Probleme und Kernprozesse abgeleitet. Ebenso wird die gegenwärtige IT-Architektur dokumentiert und auf Verbesserungspotentiale hin überprüft. Eine Analyse der Unternehmensumwelt erlaubt die Identifikation von Innovationen, welche möglicherweise mit dem Einsatz neuer Applikationen im Unternehmen verbunden sind (vgl. Abschnitt 3).

Als Resultat der Analysephase erhält man eine veränderte Soll-IT-Infrastruktur. Diese ist als Idealwert zu interpretieren und stellt gleichzeitig den Ausgangspunkt für die eigentliche For-mulierung der IT-Strategie dar, aus welcher konkrete Pläne zur Umsetzung abgeleitet wer-den. Die eigentliche Freigabe von IT-Projekten geschieht im Anschluss durch das Top-Management.

3. Ableitung potentieller strategischer Wettbewerbsvorteile der IT

Der von Porter (vgl. Porter (1999), S. 33ff.) unter der Bezeichnung Branchenstrukturanalyse vorgeschlagene Ansatz zur Strategiefindung basiert auf der Annahme, dass sich ein Unter-nehmen, welches erfolgreich am Markt sein will, mit mehreren Wettbewerbskräften ausei-nander setzen muss. Diese Kräfte haben ihren Ursprung im Umfeld des Unternehmens.

Porter identifiziert fünf grundlegende Wettbewerbskräfte, welche das Gewinnpotential einer bestimmten Branche bestimmen: Der Eintritt neuer Konkurrenten, die Verhandlungsmacht der Abnehmer (Kunden), die Verhandlungsstärke der Lieferanten, die Rivalität unter den bestehenden Unternehmen am Markt sowie die Bedrohung durch Ersatzprodukte und -Dienstleistungen. (vgl. Abbildung 3).

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Potentielleneue Konkurrenten

Ersatzprodukte

Lieferanten Abnehmer

Wettbewerber in derBranche

Rivalität unter denBestehenden Unter-

nehmen

Verhandlungsstärkeder Lieferanten

Bedrohung durchNeue Konkurrenten

Bedrohung durchErsatzprodukte und

-dienste

Verhandlungsmachtder Abnehmer

Potentielleneue Konkurrenten

Ersatzprodukte

Lieferanten Abnehmer

Wettbewerber in derBranche

Rivalität unter denBestehenden Unter-

nehmen

Verhandlungsstärkeder Lieferanten

Bedrohung durchNeue Konkurrenten

Bedrohung durchErsatzprodukte und

-dienste

Verhandlungsmachtder Abnehmer

Abbildung 3: Die Triebkräfte des Branchenwettbewerbs (Quelle: Porter [1999], S. 34)

Diese Wettbewerbskräfte sind von Branche zu Branche unterschiedlich stark ausgeprägt. Dennoch kann ein Unternehmen durch gezielte Beeinflussung der Wettbewerbskräfte direk-ten Einfluss auf die eigene Positionierung innerhalb der Branche nehmen. Im folgenden soll kurz skizziert werden, wie mit Hilfe des Einsatzes von IT im Unternehmen eine solche Be-einflussung möglich ist:

• Markteintrittsbarrieren können künstlich geschaffen werden, indem die Systeme der Vertriebskanäle direkt mit den unternehmenseigenen Systemen integriert werden, so dass unternehmensübergreifende, virtuelle Unternehmensstrukturen entstehen. Dies ist u. U. auch mit Effizienzvorteilen verbunden. Durch Aufteilung allgemeiner Kostenblöcke können die Markteintrittskosten so für neue Konkurrenten ebenfalls in die Höhe getrie-ben werden.

• Wechselbarrieren für die bestehenden Kunden eines Unternehmens können durch die Ausgestaltung des Preismodells erzeugt werden. Denkbar sind Preismodelle mit volu-

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menabhängigen Rabatten, so dass der Endpreis für den Kunden umso geringer ist, je höher seine Nachfragemenge beim Unternehmen ausfällt. Die Preise können so für je-den Kunden individuell – z. B. auf Basis der Kaufhistorie beim Unternehmen oder auch auf Basis vorhandener Restbestände – und in Echtzeit festgesetzt werden. Vorausset-zung dazu ist eine effiziente Informationsverarbeitung z.B. auf Basis integrierter Syste-me (ERP) und mit Hilfe von Kundenbeziehungsmanagement (CRM).

• Die Absetzung gegenüber den Wettbewerbern ist durch das Anbieten kundenindividuel-ler Produkte auf Basis elektronischer Produktkonfiguratoren zu relativ geringen Mehr-kosten möglich (Stichwort Mass Customization). Gleichzeitig erlaubt die Auswertung von Kundendaten speziell auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse angepasste Produkte und Dienstleistungen. Durch den Einsatz von Online-Systemen können bestimmte Teilpro-zesse direkt auf den Kunden ausgelagert werden (z. B. beim elektronischen Einkauf), so dass hier die Möglichkeit zu Kostensenkungen gegeben ist.

• Gegenüber den Lieferanten des Unternehmens erlaubt die durch IT gestiegene Markt-transparenz einen einfacheren und umfassenderen Preisvergleich. Gleichzeitig wird so auch die Basis zur Auswahl potentieller Lieferanten erweitert. Zum Einsatz können hier so genannte Infomediäre kommen, d.h. Dienste, welche online einen Kontakt zwischen potentiellen Lieferanten und nachfragenden Unternehmen herstellen.

• Ersatzprodukte stellen nur insofern eine Bedrohung dar, als sie nicht selbst auf den Markt gebracht werden. Die IT kann hier durch Analyse der Kundendaten Prognosen über gegenwärtig unerfüllte Kundenwünsche treffen und so als Motor bei der Entwick-lung neuer Produkte dienen.

4. Strategiefindung

Die Portfolio-Analyse bietet einen Bezugsrahmen, um Zielvorstellungen und Strategien aus der Gesamtsicht eines Unternehmens zu entwickeln (vgl. dazu Roventa [1981]). Ähnlich ei-nem Wertpapier-Portefeuille wird dabei versucht, die Ressourcen des Unternehmens aus-gewogen zu steuern.

Grundlage der Portfolio-Analyse sind die Informationen aus der Lebenszykluskurve und aus der Erfahrungskurve. Die Lebenszykluskurve beschreibt hierbei, wie sich der Markt für ein gegebenes Produkt über die Zeit hin – von der versuchsweisen Einführung am Markt über Wachstum und Reife bis hin zu Sättigung und ggf. Produktelimination – ändert. Wichtig an-

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zumerken ist, dass nicht alle Produkte dieselbe Lebenszykluskurve durchlaufen: Manche Produkte sind etliche Jahre nach ihrer Markteinführung immer noch erfolgreich, während andere nach einer kurzen, steilen Phase des Wachstums nach wenigen Jahren komplett vom Markt verschwunden sind.

Die Tatsache, dass ein Unternehmen aufgrund von Lerneffekten, kontinuierlichen Prozess-verbesserungen und Skaleneffekten mit fortschreitender Zeit in der Lage ist, die Herstel-lungskosten für Produkte zu senken, wird mit Hilfe der Erfahrungskurve reflektiert. Sie ist in der produzierenden Industrie von größerer Relevanz als im Dienstleistungssektor, behält aber auch hier ihre Gültigkeit (vgl. Ward, Peppard [2002], S. 87). Abbildung 4 zeigt mit dem Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio eine der bekanntesten Portfolioformen.

Mar

ktw

achs

tum

Nie

drig

Hoc

h

Relativer Marktanteil

Hoch Niedrig

Melkkühe Arme Hunde

FragezeichenStars

● Fördern● Investieren

● Selektivvorgehen

● Fördern● Investieren

● Deinvestieren

10 1.0 0.1

● Liquidieren

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Hoch Niedrig

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● Fördern● Investieren

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● Fördern● Investieren

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Abbildung 4: Marktwachstum-Marktanteil-Portfolio (Quelle: Mauthe, Roventa [1993], S. 114)

Die Ergebnisse der Portfolio-Analyse liefern entsprechende Anhaltspunkte für die Ausgestal-tung des IT-Bereichs (vgl. Ward, Peppard [2002], S. 92f):

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• Für Fragezeichen-Produkte (niedriger Marktanteil, hohes Marktwachstum) liegt der Schlüssel zum Erfolg möglicherweise in einer Produktinnovation oder in der Wahl einer Nischenstrategie. Dementsprechend wäre die strategische Rahmenvorgabe für die IT, Möglichkeiten zur Produktinnovation zu schaffen (Innovationsfall) bzw. potentielle Kun-den oder Kundensegmente zu identifizieren (Nischenfall). Wichtig in beiden Fällen ist ein effektiver Informationsaustausch zwischen Kunden und Unternehmen, d.h. das Ab-leiten und Erkennen von Kundenwünschen, deren Umsetzung in die Produktspezifikati-on, sowie die Kommunikation des Produkts am Markt.

• Star-Produkte (hoher Marktanteil in einem Markt mit starkem Wachstum) erfordern es, gegenüber Konkurrenzprodukten einen Schritt voraus zu sein – oder zumindest, mit Konkurrenzprodukten Schritt zu halten. Das Ableiten zukünftiger Kunden und Kunden-wünsche zur Prognose der zukünftigen Marktentwicklung steht im Vordergrund. Die Systeme müssen ferner an das wachsende Marktvolumen angepasst sein, d.h. steigen-de Transaktionsvolumina bei gleichzeitig komplexeren Transaktionen verarbeiten kön-nen.

• Melkkühe (hoher Marktanteil bei niedrigem Marktwachstum) müssen durch Verteidigung der aktuellen Marktposition abgeschöpft werden. Effizienzaspekte stehen im Vorder-grund. So muss sichergestellt werden, dass der Preis des Produkts nicht über den Prei-sen der Konkurrenzprodukte liegt. Ferner muss gewährleistet sein, dass die am Markt absetzbare Produktmenge zur Befriedigung der Nachfrage am Markt zur Verfügung steht, d.h. dass das Produkt in ausreichendem Maß produziert werden kann.

• Arme Hunde (niedriger Marktanteil bei niedrigem Wachstum) sind Kandidaten für Desin-vestitionen. Möglicherweise ist durch Anwendung einer Nischenstrategie eine Überfüh-rung in ein attraktiveres Marktsegment möglich. In diesem Fall kann die IT dabei helfen, potentielle Kunden oder Kundenanforderungen zu identifizieren. Im Fall der Weiterfüh-rung des Produkts muss die IT streng an Kostenzielen ausgerichtet sein und so dazu beitragen, die Herstellkosten des Produkts so gering wie möglich zu halten.

Der große Vorteil des Portfolio-Ansatzes liegt in der übersichtlichen Darstellung und der ein-fachen Kommunizierbarkeit im Unternehmen. Nachteilig ist die Reduktion der strategischen Einflussvariablen auf nur zwei Größen sowie die rein statische Betrachtung des Unterneh-mens.

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5. Methoden zur zielorientierten Ausrichtung der IT

Die folgenden Methoden dienen der Umsetzung von strategischen Vorgaben in konkrete, operative Pläne. Sie schließen damit die Lücke zwischen der Entwicklung und Formulierung einer Strategie einerseits und ihrer Implementierung im Unternehmen andererseits.

5.1 Die Balanced Scorecard

Die Balanced Scorecard entstand zunächst aus der Kritik an traditionellen Kennzahlensys-temen, etablierte sich aber schnell als Instrument, das geeignet ist, die Lücke zwischen Stra-tegieformulierung und –umsetzung zu schließen.

Die Unternehmensleistung wird dabei gängigerweise aus folgenden vier verschiedenen Perspektiven betrachtet (vgl. Kaplan, Norton [1997], S. 7ff. und Abbildung 5):

• Die finanzwirtschaftliche Perspektive soll offen legen, ob die Strategie eines Unter-nehmens zu einer Verbesserung des monetären Ergebnisses beiträgt;

• In der Kundenperspektive wird der Blickwinkel des Kunden eingenommen und ermit-telt, wie sich das Unternehmen aus Sicht des Kunden darstellt;

• Die betriebsablaufinterne Perspektive informiert über diejenigen internen Prozesse im Unternehmen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit ausüben, gibt also Auskunft darüber, wie die internen Prozesse im Unternehmen zu gestalten sind, um die Erwartungen der Kunden zu erfüllen;

• Die Innovations- und Wissensperspektive schließlich detailliert die Fähigkeit des Un-ternehmens, sich zu verbessern und Innovationen einzuführen.

Die strategischen Ziele des Unternehmens werden für jede Perspektive in spezifische Unter-ziele überführt. Um den Grad der Zielerreichung messen zu können, muss für jedes Ziel mindestens eine Kennzahl definiert werden, die als Messgröße die Ergebnisse vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Tätigkeiten quantifiziert. Für jede definierte Kennzahl werden anspruchsvolle Vorgaben gesetzt, welche das anvisierte Ergebnis zum Ausdruck bringen. Anschließend werden kritische Einflussgrößen zur Erreichung der jeweiligen Vorgaben iden-tifiziert und in konkrete, operative Maßnahmen übersetzt.

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Abbildung 5: Die Balanced Scorecard bildet den Rahmen zur Umsetzung einer Strategie in operative Größen (Quelle: Kaplan, Norton [1997], S. 9)

Die Anwendung der Balanced Scorecard zur zielorientierten Ausrichtung der IT kann grund-sätzlich auf zweierlei Wegen erfolgen:

Zum einen können aus einer unternehmensweiten (bzw. geschäftseinheitweiten) Balanced Scorecard Vorgaben und Maßnahmen für den IT-Bereich abgeleitet werden. Dies entspricht einer top-down Vorgehensweise (vgl. zielorientierte Herangehensweise aus Abschnitt 2.3). Beispielsweise kann sich das aus der Unternehmensstrategie abgeleitete Ziel einer mög-lichst schnellen Befriedigung der Kundenbedürfnisse in der Balanced Scorecard in der Pro-zessperspektive (betriebsablaufinterne Perspektive) in Form des Ziels „Reduktion der Pro-zessdurchlaufzeiten“ widerspiegeln, woraus sich für den IT-Bereich die Maßnahme „Erhö-hung der Bandbreiten in den internen Unternehmensnetzwerken“ ergibt.

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Perspektive Ziele Messgrößen Zielvorgaben

Finanzen Einhaltung des IT-Budgets

Prozentuale Einhaltung des IT-Budgets

Einhaltung oder Unter-schreitung des Budgets

Kunden Verbesserung der Kun-denzufriedenheit

Anzahl der Problemmeldun-gen;

Kundenzufriedenheitsindex;

Anzahl von Eskalationen;

SAP-Antwortzeiten;

Durchschnittliche Reaktions-zeit

Reduzierung der Prob-lemmeldungen um einen festen Betrag bis zu einem bestimmten Zeitpunkt; analog für die Eskalationen; Zeitvor-gaben für SAP-Antwort- und SAP-Reaktionszeit

Prozesse Verbesserung der Pro-zessabläufe zur Erhö-hung der Verfügbarkei-ten und zur Beschleuni-gung der Instandset-zung nach Ausfällen

Dauer der von Anwendern wahr-genommenen Systemausfälle

Erreichen von 99,9% Verfügbarkeit

Einhaltung vereinbarter Termine

Prozentuale Rate bzw. Zeitspanne der eingehaltenen Terminzusagen

Kontinuierliche Verbes-serung der Prozesse

Mitarbeiter Verbesserung der Leis-tungsfähigkeit

Prozentuale Rate der durchgeführ-ten zu geplanten Schulungstagen pro Mitarbeiter

Erreichen von mind. 80% der geplanten Schulungstage

Verbesserung der Leis-tungsbereitschaft

Anzahl der Überstunden pro Mitar-beiter; Verhältnis interner zu exter-nen Mitarbeitern

(keine Angaben)

Erhöhung des Anteils der Servicemitarbeiter im Projekt „neue Ver-sorgungssoftware“ im Vergleich zu heute

Verhältnis Mitarbeiter im Projekt zu Anzahl Mitarbeiter

Kontinuierliche Erhö-hung des Anteils der Projektmitarbeiter

Abbildung 6: IT Balanced Scorecard (Beispiel) (Quelle: Kütz [2005], S. 193)

Nachteilig an dieser Herangehensweise ist – wie bereits oben aufgeführt – die strenge Unte-rordnung des IT-Bereichs unter die übergeordneten Unternehmensziele, so dass das Poten-

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tial für Innovationen aus dem IT-Bereich zur Erzielung von strategischen Wettbewerbsvortei-len gering ausfällt.

Die andere Möglichkeit der Anwendung der Balanced Scorecard besteht in der Formulierung einer eigenständigen Balanced Scorecard speziell für den IT-Bereich. Dies bietet sich be-sonders für Unternehmen an, deren IT als eigenständiges (Tochter-)Unternehmen ausgeg-liedert ist, ist aber keineswegs darauf beschränkt. Bei Kütz (2005) findet sich ein Beispiel für eine generische Balanced Scorecard für die IT (vgl. Abbildung 6).

Die Balanced Scorecard für den IT-Bereich muss sich natürlich trotzdem eng an Unterneh-menszielen der übergeordneten Organisation ausrichten. Ansonsten läuft das Unternehmen Gefahr, dass im IT-Bereich eine Subkultur geschaffen wird, deren Ausrichtung an den ei-gentlichen Zielen der Organisation vorbei läuft. Gleichwohl bietet die eigenständige IT-Balanced Scorecard einen größeren Spielraum für Innovationen aus dem IT-Bereich, da hier nicht, wie im oben geschilderten Fall, eine strikte top-down Vorgabe von Zielen und Maß-nahmen erfolgt, sondern Ziele im Dialog zwischen Top Management und IT-Bereich verein-bart werden können (vgl. organisatorische Herangehensweise aus Abschnitt 2.3). Zu beach-ten ist auch, dass eine IT-Balanced Scorecard auch dann eingesetzt werden kann, wenn das Unternehmen selbst (noch) nicht mit einer Balanced Scorecard gesteuert wird: „Wenn man mit Hilfe der Balanced Scorecard die Steuerung der IT verbessern kann, sollte man es tun und nicht warten, bis es eine Unternehmens-BSC gibt“ (Kütz [2005], S. 192).

5.2 IT-Performance-Management

Beim IT-Performance-Management (vgl. Eul / Hanssen / Herzwurm [2006], S. 26 ff.) handelt es sich um eine ganzheitliche Controlling- und Management-Methode, die sich auf eine be-grenzte Zahl von Key-Performance-Indikatoren (KPI) stützt, die die Leistung der IT in einem Unternehmen messen und die direkt aus den Zielen der IT abgeleitet werden. Zu diesem Zweck besteht IT Performance Management aus einer ausgewogenen Mischung von Fi-nanzdaten und nicht finanziellen Daten, die die Stärken und Schwächen der IT-Leistung ei-nes Unternehmens transparent machen.

Die Einführung des IT-Performance-Managements erfolgt gängigerweise in fünf Stufen:

(1) Formulierung der IT-Strategie: Die IT-Strategie greift die Implikationen für die IT aus der Unternehmensstrategie auf und verankert sie in einer validen, richtungsweisenden Zielvor-gabe. Sie trifft unter anderem Aussagen über IT Management, Applikationen, Technologie,

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IT Organisation und IT-Performance-Management und bietet damit die Grundlage und den Ansatzpunkt für die Definition von IT-Zielen.

(2) Ableitung des IT-Zielsystems: Die Aussagen zur strategischen Grundausrichtung der IT müssen zur weiteren Verwendung durch konkrete IT-Ziele operationalisiert werden. IT-Ziele müssen umsetzbar und in sich konsistent sowie umfassend und überschneidungsfrei sein. Da unterschiedliche Zielgewichtungen etwa zwischen einzelnen Geschäftsbereichen in der Natur der Dinge liegen, sind die Ziele anhand geeigneter und definierter Kriterien, wie zum Beispiel der Relevanz oder dem Implementierungsrisiko, zu priorisieren. Ergebnis ist eine in der Regel mehrstufige IT-Zielstruktur.

(3) Operationalisierung der IT-Ziele über Key-Performance-Indikatoren (KPI): IT-Ziele wer-den im nächsten Schritt durch messbare Größen weiter operationalisiert. Es kann sich dabei um monetäre und nichtmonetäre Kennzahlen (vgl. Horvath, 2003, S. 567) handeln. Die messbaren Größen werden als Key Performance Indikatoren (KPIs) bezeichnet.

(4) Festlegung von Zielwerten für die Key-Performance-Indikatoren: Für jeden KPI sind im nächsten Schritt konkrete Zielwerte zu definieren. Die Festlegung zugleich akzeptierter und realistischer wie auch ehrgeiziger Zielwerte ist alles andere als trivial, nicht zuletzt wegen unterschiedlicher Interessenlagen, die eine Einigung erschweren.

(5) Etablierung des IT-Performance-Management-Prozesses: Ausgehend von der strategi-schen Unternehmens- und IT-Planung werden KPIs zyklisch einer Anpassung unterzogen und mit neuen Zielwerten versehen. Die nachgelagerte, ebenso zyklische Messung der Ist-Zielwerte führt zu Abweichungsanalysen und zu einer entsprechenden Berücksichtigung im folgenden Planungsprozess bei der Neufestlegung der KPI-Zielgrößen.

5.3 Hoshin Kanri

Hoshin Kanri, in der Literatur auch als hoshin planing, management by policy oder policy deployment bezeichnet, entstammt urspünglich aus dem Bereich Qualitätsmanagement und bildet – neben Produktions- und Kostenkontrolle – eine der Säulen des Total Quality Mana-gement (TQM) (vgl. Akao [1991], S. 3f.).

Hoshin Kanri wird als Bestandteil des strategischen Managements ausgewiesen, dessen Aufgabe es ist, auf Herausforderungen im Wettbewerb, bedingt durch Änderungen in der sozialen, technologischen oder ökonomischen Umwelt des Unternehmens, zu reagieren.

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Stillstand wird als Rückschritt angesehen, daher müssen sich Unternehmen kontinuierlich entwickeln. Hierfür müssen fortwährend Schwachstellen innerhalb des Unternehmens identi-fiziert und eliminiert werden.

Zentraler Bestandteil von Hoshin Kanri sind die sog. Plan-do-check-action (PDCA) Zyklen. Hierbei werden aus Richtlinien (policies) Pläne abgeleitet (plan), welche in Form von konkre-ten Aktionen umgesetzt werden (do). Die Resultate werden mit den Zielvorgaben aus den Plänen verglichen (check). Falls sich Abweichungen ergeben, werden die Ursachen ermittelt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet (action), welche sich ihrerseits wieder in Plänen in der nächsten Planungsperiode widerspiegeln. Bei einer negativen Abweichung wird gefol-gert, dass der Unternehmensprozess, welcher für die Abweichung verantwortlich ist, eine Schwachstelle aufweist, welche identifiziert und eliminiert werden muss.

Hoshin Kanri setzt also an den Prozessen im Unternehmen an. Speziell kann es auch auf die IT-Prozesse im Unternehmen angewendet werden und so dabei helfen, die IT an den Unter-nehmenszielen auszurichten.

Wie bereits ausgeführt wurde, stellen im Rahmen von Hoshin Kanri Richtlinien (policies) die Grundlage für die weitere Vorgehensweise dar. Richtlinien bestehen aus Zielen und Mitteln. Ein Ziel (target) wird definiert als ein erwartetes Ergebnis. Ein Beispiel für ein Ziel im IT-Bereich wäre „die Reduktion der Bearbeitungszeit von Kundenanfragen“. Mittel (means) sind Leitfäden zur Zielerreichung. Ein Mittel gibt also vor, wie ein bestimmtes Ziel erreicht werden kann. Ein Beispiel für ein Mittel ist die „Standardisierung von Vorgängen“. Durch Ableitung spezifischer Schritte zur Erreichung der Ziele, basierend auf den Mitteln, entstehen unter Einbeziehung von Zeitvorgaben konkrete Aktionspläne (plans).

Die gängigste Methode hierzu ist die flag*-Methode. Sie stellt eine Kombination aus Pare-toanalyse und Ishikawadiagrammen dar:

Zunächst wird eine Paretoanalyse für das Ziel „Reduktion der Bearbeitungszeit“ durchge-führt. Mit ihr werden vorher erhobene und erfasste angenommene Problemursachen in der Reihenfolge ihrer Bedeutung dargestellt (vgl. Zollondz [2001], S. 777f). Das Ziel „Reduktion der Bearbeitungszeit“ wird dabei auf einzelne Bereiche (Prozesse) herunter gebrochen und konkretisiert. Dies ist notwendig, da zum einen eine generelle Vorgabe „Reduktion der Bear-beitungszeit aller Prozesse“ unsinnig wäre, da hier Prioritäten nicht adressiert würden, zum anderen eine Vorgabe der Reduktion innerhalb eines Prozesses, der ohnehin schon eine – vergleichsweise – äußerst geringe Bearbeitungszeit aufweist, ebenso wenig Ziel führend

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wäre. Wichtig sind also bereichs- bzw. prozessindividuelle Zielvorgaben, beispielsweise also „Reduktion der Wartezeiten bei Kundenanrufen im Callcenter Stuttgart um 5%“.

Mögliche Ursache-Wirkungszusammenhänge werden anschließend mit Hilfe von Ishikawad-ragrammen (engl. fishbone diagrams) zeichnerisch dargestellt (vgl. Abbildungen 7 und 8). Ausgehend vom zu lösenden Problem geht man weiter nach links zu den Ursachen, den Ursachen für die Ursachen usw. Grundannahme hierbei ist, dass ein auftretendes Problem nicht eine eindeutige, sofort erkennbare Ursache hat, sondern mit einer Vielschichtigkeit von Einzelursachen gerechnet werden muss (vgl. Zollondz [2001], S. 779f). Die Hauptursachen werden oft als die „Sieben M“ angenommen (Management, Mensch, Methode, Material, Mi-tumwelt, Maschine, Messbarkeit), sind aber natürlich der jeweiligen Organisation anzupas-sen (so sind ebenso vier, fünf, sechs, acht, … Hauptursachen denkbar).

Dieselbe Analyseform (Paretoanalyse und Ishikawadiagramme) wird auf die Mittel angewen-det. Durch Verfeinerung, Aufsplittung in einzelne Bereiche / Prozesse und Einbeziehung ei-nes Zeitplans erhält man so konkrete Aktionspläne. Das Mittel „Standardisierung“ könnte hier also zum Beispiel in die konkrete Aktion „Ablösung des generischen Anwendungssystems zur Entgegennahme von Kundenanrufen im Callcenter Düsseldorf zum 31.11.2006 durch das standardisierte Anwendungssystem XY zur Entgegennahme von Kundenanrufen, das zukünftig im gesamten Unternehmen eingesetzt werden soll“ überführt werden.

Der Fokus der Ziel orientierten Analyse liegt auf den Ergebnissen, der Schwerpunkt der Ana-lyse der Mittel liegt im methodischen Bereich. Hoshin Kanri kombiniert beide Analysen, so dass eine Richtlinie sowohl Ergebnisse als auch Methoden reflektiert. In der Ziel-Mittel-Beziehungs-Matrix werden die Korrelationen zwischen Zielen und Mitteln dargestellt (vgl. Abbildung 9). Das Symbol (o) bezeichnet dabei eine starke Beziehung, das Symbol o eine mittlere Beziehung und das Symbol ∆ eine schwache Beziehung zwischen einem Ziel und einem Mittel. Die Ziel-Mittel-Beziehungs-Matrix erlaubt es, Aussagen zu treffen, welche Ak-tionen im Hinblick auf Ziele des Unternehmens Ziel führend sind (und ob Mittel zur Errei-chung bestimmter Ziele überhaupt vorhanden sind). In diesem Sinne müssen in besonderem Maße solche Kombinationen von Zielen und Mitteln berücksichtigt werden, deren Beziehung durch das (o)-Symbol gekennzeichnet ist (starke Beziehung).

Zur Fortschrittskontrolle werden üblicherweise spezielle Artefakte (sog. Control items) defi-niert. Es kann sich hierbei etwa um geplante Zeitpunkte zur Überprüfung der Zielerrei-chungsgrade oder zur Evaluation der Ziele und Mittel handeln (vgl. Akao [1991], S. 12ff.).

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Ungleiche Verteilung unter-richtl. Belastungsstunden

Fehlende Anerkennung

Schulleitung bremst

Familie

Betriebe

Müde Schüler betei-ligen sich nicht

Kollegen zuwenig Entlastungsstunden

Anerkennung fehlt

Beamtenstatus

bremst Kreativität

Abbildung 7: Abstraktes Ursache-Wirkungs-Diagramm (Quelle: Zollondz [2001], S. 781)

Abbildung 8: Beispiel für ein konkretes Ursache-Wirkungs-Diagramm (Quelle: Zollondz [2001], S. 781)

Sofern ein Problem identifiziert wird, werden gemäß dem PDCA-Zyklus entsprechende Ak-tionen eingeleitet. Falls das gewünschte Ziel nicht erreicht wird, muss eine Analyse der die

Maschine Material

Ausrüstung Mit- (Umwelt)

1 Problem 4 Hauptursachen 3 Kategorisierung 2 Bündelung 5 Spezielle Ursachen

(1) Management

(2) Mensch

(3) Methode

(4) Material

Abst

rakt

Wirkung U1-n 1. Ursachenebene

Sieben M Hauptpfeil U1-∞ 2. Ursachenebene

Bei

spie

l S

chul

e

Menschen

Übernahme von

Zusatzaufgaben

Zu geringe Bezahlung

Nicht vorhanden: - Arbeitsplatz - Raum

Methode / Systeme

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Zielerreichung behindernden Faktoren erfolgen. Diese neuen Faktoren müssen entspre-chend in die Ziel-Mittel-Beziehungsmatrix aufgenommen werden.

Abbildung 9: Ziel-Mittel-Beziehungs-Matrix (Quelle: Akao [1991], S. 9)

Die Effektivität der Ziel-Mittel-Beziehungs-Matrix hängt nicht zuletzt von der Qualität der Leis-tungsanalyse der vorangegangenen Planungsperiode ab. Störende Faktoren, die sich in den Analysen nicht widerspiegeln, können so natürlich nicht beseitigt werden (vgl. Akao [1991], S. 12).

Means deployment

h t

Target deployment chart

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6. Fazit und Ausblick

Es ist davon auszugehen, dass das Potential der IT für Innovationen und strategische Wett-bewerbsvorteile zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht vollständig ausgeschöpft ist. Bei-spiele für Geschäftsmodelle, die erst kürzlich durch den Einsatz neuer Informationstechnolo-gien ermöglicht wurden oder in Zukunft noch werden (vgl. Abschnitt 1), belegen dies.

Zahlreiche Untersuchungen deuten zudem darauf hin, dass Globalisierung, Auflösung von Unternehmensgrenzen, Commoditisierung von Produkten, Individualisierung von elektroni-schen Dienstleistungen, Intelligenz in Produkten, Wissen über Kunden, Märkte und Produkte und Transparenz in der Value Chain keineswegs nur Schlagwörter sind, sondern die Spiel-regeln in den Märkten nachhaltig verändern werden (vgl. Kagermann / Österle [2006], S. 14). Der Unternehmenswert wird sich aus dem Kundenwert, d.h. dem Wert, den die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens für den Kunden darstellen, ergeben. Zentraler Erfolgs-faktor wird es sein, Lösungen für die Bedürfnisse und Probleme der Kunden jederzeit und an jedem Ort in Echtzeit zum dauerhaft besten Preis anbieten zu können. Der Aufbau der hierzu notwendigen „intelligenten“ Unternehmensstrukturen ist jedoch nur durch ein konsequentes Management von Kunden, Lieferanten, Produkten und Prozessen auf Basis von Informati-onstechnologie möglich.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass die IT von sich aus noch keine Antwort auf die Herausforderungen der Märkte gibt – die IT ist „enabler“ für neuartige Ge-schäftsmodelle, sie ist jedoch kein Selbstzweck – und schon gar kein Garant für das langfris-tige, erfolgreiche Überleben am Markt.

IT trägt durch schnelle Erfassung von Daten (in Echtzeit), durch Datentransport ohne zeitli-chen Verzug, durch Speicherung großer Datenmengen, durch Verknüpfung von Daten und durch Ableitung von Zusammenhängen zu mehr „Intelligenz“ im Unternehmen bei. Sie kann aber bis heute nicht abstrahieren und nicht kreativ sein, und sie wird es aller Voraussicht nach auch nie können.

7. Literaturverzeichnis

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