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JANE GOODALL MEIN LEBEN FÜR TIERE UND NATUR

50 JAHRE IN GOMBE

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2 VORBEMERKUNG VON JANE GOODALL


JANE GOODALL MEIN LEBEN FÜR TIERE UND NATUR

50 JAHRE IN GOMBE

JANE GOODALL

UNTER MITARBEIT DES

JANE-GOODALL-INSTITUTS


ISBN: 978-3-8094-8045-7

© der deutschen Erstausgabe 2010 by Bassermann Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, 81673 München

© der englischen Originalausgabe: Text-Copyright © Jane Goodall 2010

Dieses Buch wurde 2010 erstmals in der englischen Sprache von Stewart Tabori & Chang, einem Verlag der Verlagsgruppe ABRAMS, unter dem Titel Jane Goodall: 50 Years at Gombe veröffentlicht.

Die Verwertung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmung und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.

Umschlaggestaltung: Atelier Versen, Bad AiblingÜbersetzung: Inge Uffelmann, BayreuthGesamtproducing: berliner buch.macher

Druck und Bindung: Mohn media, Mohndruck, Gütersloh; Printed in Germany

Verlagsgruppe Random House FSC®-DEU-0100

Das für dieses Buch verwendete FSC®-zertifi zierte Papier Profi silk liefert Sappi, Alfeld.

817 2635 4453 6271


In Erinnerung

an meine großartige Mutter Vanne,

ohne deren Leitung die Forschung

nie zustande gekommen wäre;

an Louis Leakey

für seinen Glauben

an eine junge, unausgebildete Frau;

an Rashidi Kikwale,

der mich mit dem Wald

von Gombe vertraut machte;

an David Greybeard und Flo,

die mich mit der Welt

der Schimpansen bekannt machten;

und an Rusty,

die mich lehrte,

dass Tiere Persönlichkeiten

mit Verstand und Gefühlen sind,

lange bevor ich

den ersten Schimpansen traf.


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VORWORT VON MARY SMITH

12

VORBEMERKUNG VON JANE GOODALL

20

ERSTER TEIL

DER ANFANG34

ZWEITER TEIL

DIE SCHIMPANSEN58

DRIT TER TEIL

WAS WIR GELERNT HABEN82

VIERTER TEIL

EINE NEUE SICHT112

FÜNFTER TEIL

DIE HOFFNUNG131

ÜBER DAS JANE- GOODALL-INSTITUT

138

DANKSAGUNG

140

BILDQUELLENNACHWEIS

141

BIBLIOGRAPHIE

142

REGISTER

DR. JANE GOODALL UND DAS JANE-GOODALL-INSTITUT HEISSEN ES NICHT GUT, WENN SICH MENSCHEN WILDEN

SCHIMPANSEN NÄHERN UND SIE ANFASSEN. EINIGE HISTORISCHE AUFNAHMEN ZEIGEN DR. GOODALL, WIE SIE SCHIMPANSEN

BERÜHRT UND FÜTTERT. SPÄTER TATEN SIE UND DIE ANDEREN FORSCHER IN GOMBE DAS NICHT MEHR. EINIGE DER BILDER

ZEIGEN VERWAISTE SCHIMPANSEN IN DEN RESERVATEN, DIE AUF MENSCHLICHE PFLEGE ANGEWIESEN SIND.


8 VORWORT

V O R W O R T V O N M A R Y S M I T H

Eine echte Heldin

Mein erstes Treff en mit Jane Goodall fand vor fast 50 Jahren in Nairobi statt. Wir waren zwei im selben Jahr geborene junge Frauen und hatten keine Ahnung, wie sehr unser beider Leben sich verknüpfen sollte. Jane hatte gerade unter der Leitung des Paläontologen Louis Leakey ihr Schimpansen-Projekt in Gombe begonnen. Kurz nach ihrer bahnbrechenden Entdeckung, dass Schimpansen Werkzeuge benutzen, bekam sie ein kleines Stipendium der National Geographic Society zur Finanzierung ihrer Forschung. Ich war Redakteurin des National Geographic und sollte in Ostafri-ka mit Leakey und seiner Frau Mary die geplanten Fotoreportagen über ihre Arbeit in der Oldowayschlucht besprechen. Ehe ich die Redaktion in Washington verließ, erhielt ich den Auftrag, auch mit der jungen Frau Kontakt aufzunehmen, die in Tansania mit Schimpansen arbeitete. Vielleicht ergäbe auch ihr Projekt einen inter-essanten Bericht für die Leser unserer Zeitschrift. Wie richtig diese Vermutung doch war. Denn Jane wurde nicht nur die berühmteste Primatenforscherin der Welt, sie wurde auch zum Symbol für die Erhaltung der Natur und der Tierwelt. Mit welcher Energie und Unermüdlichkeit sie sich diesem Ziel widmet, ist längst legendär.

Solange ich für die National Geographic Society arbeitete, wurde ich immer wie-der gefragt: »Sind Sie jemals Jane Goodall begegnet?« Na, und ob! Mir oblag die re-daktionelle Betreuung ihrer Bildreportagen im National Geographic, und ich machte auch unsere Film- und Buchredaktion auf diese einzigartige Forscherin aufmerksam. Das Ergebnis? Drei National-Geographic-Bücher und vier Fernsehfi lme. Jane und ich wurden enge Freundinnen. 1977 bat sie mich, Vorstandsmitglied des gerade ins Leben gerufenen Jane-Goodall-Instituts (JGI) zu werden, später wurde ich dann dessen Präsidentin. Einmal fragte ich Jane, wieso sie so sehr darauf bestehe, dass wir nett zu den Tieren sein müssen. Ihre Antwort blieb mir für immer im Gedächtnis: »Wir sollten nett zu Tieren sein, weil es uns alle zu besseren Menschen macht.«

Doch kehren wir zu den Anfängen zurück. Als ich 1962 in Kenia war, arbeitete der niederländische Fotograf Hugo van Lawick mit den Leakeys. Ich bat ihn, einen Blick auf Janes Arbeit mit den Schimpansen in Gombe zu werfen. Viel versprach ich mir nicht davon, bisher hatte es sich als unmöglich erwiesen, herausragende Bilder von wilden Schimpansen zu schießen. Doch als sich die Tiere an Janes und dann auch Hugos Gegenwart gewöhnten, trudelten immer großartigere Fotos in meinem Büro in Nairobi ein. Schließlich gab es unglaublich tolle Großaufnahmen von Schim- pansen, die ein bisher unbekanntes Verhalten zeigten, Fotos, die zur Illustration von Janes ersten Veröff entlichungen dienten. Einige dieser herausragenden historischen Aufnahmen fi nden sich nun auch in diesem Buch.

Wie kann man Janes Beharrlichkeit erklären, die Unabdingbarkeit, mit der sie sich den Dingen widmet, die sie für richtig hält? Es hängt wohl mit Vanne Goodall zusammen, Janes erstaunlicher, liebenswürdiger Mutter. Vanne hatte Jane 1960 nach


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Tanganjika (später Tansania) begleitet, als das Gombe-Projekt begann. Zusammen mit ihrer noch unbekannten Tochter stand sie dort eine unglaublich harte Zeit durch, doch die beiden ließen sich – typisch für sie – nicht entmutigen und bauten die For-schungsstation auf. Nach einiger Zeit kehrte Vanne nach England zurück, besuchte Jane aber immer wieder an allen möglichen Orten der Welt, so auch in meinem Büro in Washington. »Mary, du hilfst Jane nicht genug«, rügte sie mich mehr als einmal. »Es müssen mehr Artikel über ihre Arbeit in deiner Zeitschrift erscheinen!« Ich nahm mir die Ermahnung zu Herzen, denn Vanne war auf höchst liebenswürdige Weise hartnäckig und zeigte dabei einen spitzbübischen Humor. Jane hat diesen Niemals-aufgeben-Geist und den Humor ihrer verstorbenen, von ihr sehr geliebten Mutter geerbt.

Doch Jane besitzt eine weitere unschätzbare Qualität. Intuitiv kann sie jedes Pub-likum richtig einschätzen, dem sie sich gegenüber sieht – das kann der Einzelmensch sein, der neben ihr im Flugzeug sitzt, ein kleines Grüppchen bei einem Arbeitsessen oder eine große Zuhörerschaft in einem Hörsaal oder Millionen Fernsehzuschauer in aller Welt. Ihr Talent, ihre Botschaft zu verbreiten, ist fast schon unheimlich. Um Gelder für Janes Projekte zu sammeln, kamen Jane und ich vor einigen Jahren mit einer Gruppe von etwa 20 politisch aktiven, sehr einfl ussreichen Damen aus der Unterhaltungsindustrie zusammen. Wir trafen uns zu einem exklusiven Diner in einem superchicen Restaurant in Santa Monica. Das Essen ging glatt über die Büh-ne, es wurde allerlei Klatsch und Tratsch aus der Film- und Fernsehbranche ausge-tauscht, und ich fragte mich, wie Jane wohl ihre kleine Rede gestalten würde, die sie nach dem Essen halten sollte. Sie faltete ihre Serviette zusammen, stand auf, legte die Hände auf die Rückenlehne ihres Stuhls und lieferte eine kurze, fesselnde Be-schreibung ihrer Arbeit mit den Schimpansen, sprach von ihrer Sorge um die Tiere und warnte eindringlich, dass wir uns um unseren Planeten und alles, was auf ihm lebt, kümmern müssen, wollen wir nicht riskieren, dass alles zugrunde geht. Die Rede war kurz, prägnant und sehr persönlich. Als Jane sich wieder setzte, hatten alle Tränen in den Augen und das Jane-Goodall-Institut erhielt große Zuwendungen.

Wie ist diese Jane Goodall wirklich (auch das werde ich immer wieder gefragt)? Sie ist außergewöhnlich, eine der großen, weltberühmten Persönlichkeiten, die fraglos den Respekt und die Bewunderung, die man ihr zollt, wirklich verdient. Jane ist eine erstklassige Wissenschaftlerin und eine echte Heldin in einer Welt, in der es an Möchtegernhelden nicht mangelt. Ich vermute, Sie wussten das bereits, doch wenn nicht, so werden Sie es wissen, sobald Sie dieses bemerkenswerte, so großartig bebilderte Buch über sie gelesen haben.

Mary Smithehemalige stellvertretende Chefredakteurin des National Geographic

VORWORT



Vorbemerkung von Jane Goodall

Vor 50 Jahren, im Juli 1960, begann ich im damaligen britischen Protektorat Tan-ganjika (heute Tansania) meine Forschungsarbeit mit den Schimpansen im Gombe Stream Chimpanzee Reserve, dem heutigen Gombe-Nationalpark. Da ich nicht studiert hatte, war es schwierig für meinen Mentor, den verstorbenen Louis Leakey, Geld für mich aufzutreiben. Schließlich ergatterte er ein sechsmonatiges Stipendium von Leighton Wilkie, einem Geschäftsmann, der sich für die menschliche Evolution interessierte. Da die britischen Behörden untersagten, dass sich eine junge Frau allein in den Regenwald begab, begleitete mich meine Mutter Vanne. Bernard Verdcourt, Botaniker vom Coryndon-Museum, dessen Kurator Leakey war, bot an uns zu fah-ren. Nach rund 1200 km Fahrt über eine holprige Buschpiste kam der überladene Landrover in Kigoma an, einem kleinen Ort am Ostufer des Tanganjikasees.

Was für eine Ankunft! Auf dem gegenüberliegenden Seeufer erhob sich die Bevölkerung des damaligen Belgisch Kongo (zwischenzeitlich Zaïre, heute Demo-kratische Republik Kongo) gegen die weißen Siedler, und Kigoma war überfüllt von Flüchtlingen. Sie campierten auf Matratzen im großen Lagerhaus des Hafens. In der ersten Nacht teilten wir drei Reisenden uns ein kleines Zimmer im einzigen Hotel des Ortes. Das überließen wir dann aber einer verzweifelten belgischen Familie und schlugen unsere Zelte im Hof des Ortsgefängnisses auf. (Er sei gut bewacht, wir seien dort sicher, sagte man uns.) Mit Hunderten von belegten Broten halfen wir den Einwohnern von Kigoma, die Flüchtlinge durchzufüttern.

Nach zwei Wochen erhielten wir die Erlaubnis zur Weiterfahrt, denn man fürch-tete, die Afrikaner der Region Kigoma könnten dem Beispiel der Kongolesen folgen. Doch es gab keinen Aufstand, und so machten sich Vanne und ich am 14. Juli unter Leitung eines Regierungsvertreters auf zum Gombe Stream Game Reserve. Das win-zige Aluminiumboot, unsere einzige Verbindungsmöglichkeit zur Zivilisation, hatten wir ebenso im Gepäck wie Proviant für einige Wochen. Dominic Charles sollte unser Camp bewachen und für uns kochen. Bernard kehrte nach Nairobi zurück, über-zeugt (wie er uns später gestand), uns niemals wiederzusehen.


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Die beiden hier stationierten Wildhüter und Iddi Matata, der, wie wir später erfuhren, ein berühmt-berüchtigter Medizinmann war, nahmen uns in Empfang. Zum Glück entschloss er sich, die beiden fremden weißen Frauen unter seinen Schutz zu stellen. In einer Lichtung am Ufer eines kleinen Flusses schlugen wir das sperrige alte Armeezelt auf, das sich Vanne und ich teilten, und dann begab ich mich auf meine erste Erkundungstour und erforsche den bewaldeten Hügel hinter dem Camp.

Wenn ich die Augen schließe, erlebe ich erneut die Freude, die ich empfand, als ich von der hohen Lichtung aus auf den See blickte, der in der Abendsonne glitzerte. Ein Paviantrupp bemerkte mich und knurrte den Eindringling drohend an. Der Geruch eines kürzlichen Buschfeuers hing noch in der Luft, und man hörte das Gurren der Trauertauben. Nach dem Abendessen zerrte ich mein Feldbett ins Freie, legte mich darauf, blickte in den klaren Sternenhimmel und fragte mich beim Schein der Petroleumlampe, ob das alles Wirklichkeit war. Hatte sich mein Kindertraum wirklich erfüllt?

Während der folgenden Monate war meine größte Sorge, dass das Stipendium auslaufen könne, ehe die Schimpansen ihre Furcht vor dem fremden weißen Aff en verloren, der in ihr Territorium eingedrungen war – denn das hätte das Ende be-deutet. Aber Vanne führte mir vor Augen, wie viel ich doch über die Schimpansen gelernt hatte: dass sie sich allabendlich Schlafnester bauten, in Trupps Streifzüge unternahmen, sich von Früchten, Blättern und Blüten ernährten und so weiter.

Vanne musste nach fünf Monaten abreisen – eine Woche bevor etwa 20 mit Pangas (Macheten) bewaff nete Männer aus Mwamgongo, nördlich von Gombe, ins Camp kamen, um mich zu verjagen, denn sie wollten in den fruchtbaren Tälern des Reservats Felder anlegen. Sie kamen um sechs Uhr morgens und meinten, mich da noch in meinem Zelt zu fi nden, doch wie immer war ich bereits seit Sonnen-aufgang in den Bergen. Zum Glück war Vanne nicht mehr im Camp. Die Männer fällten die Bäume am Ufer und zogen wieder ab. Ich erinnere mich genau, wie schlecht ich mich fühlte, als ich die Zerstörung sah. Rashidi Kikwale, der mich in den ersten Monaten ständig begleitete, meldete den Vorfall bei den Behörden in der Stadt. Sie holten mich ab und hielten mich in Kigoma fest, bis die Rädelsfüh-




rer von Rashidi (der selbst aus Mwamgongo stammte) identifi ziert und verhaftet worden waren.

Kurz nachdem ich zurückgekehrt war, beobachtete ich, wie David Greybeard Grashalme als Werkzeug verwendete, um Termiten aus dem Bau zu angeln, ja sogar Blätter von einem Zweig streifte, um sich ein entsprechendes Werkzeug herzustellen. Diese erstaunliche Beobachtung, dass nicht nur wir Menschen Werkzeuge benut-zen, war der Durchbruch. Danach erhielt ich immer wieder Forschungsgelder von der National Geographic Society, mit denen ich meine Arbeit fortsetzen konnte. Tanganjika, das bis zum 2. Weltkrieg ein Teil von Deutsch-Ostafrika gewesen war, erlangte 1961 unter Präsident Julius Nyerere seine Unabhängigkeit und bildete ab 1964 zusammen mit Sansibar den Staat Tansania.

1962 schickte die National Geographic Society Hugo van Lawick, um die Schim-pansen zu fotografi eren und zu fi lmen. Das Ergebnis war ein Artikel im National Geographic und der Dokumentarfi lm Miss Goodall and the Wild Chimpanzees, der die Schimpansen von Gombe in die Wohnzimmer – und Herzen – der Menschen in aller Welt brachte. Hugo und ich heirateten zwei Jahre später, und 1967 wurde unser Sohn Hugo Eric Louis geboren, der aber damals wie heute von allen Grub genannt wurde. Inzwischen hatte ich den Doktortitel der Universität Cambridge erworben, und das Gombe Stream Research Centre war gegründet worden, das der Universität Dar es Salaam, der Universität Cambridge in England und der Stanford University in den Vereinigten Staaten angegliedert war. Viele europäische und amerikanische Studenten wie auch unsere gut ausgebildeten tansanischen Hilfskräfte lernten eine Menge über die Schimpansen, Paviane und Stummelaff en in Gombe. Die W. T. Grant Foundation war eine großzügige Förderin der Arbeit. Das britische Parla-ment benannte das Reservat in Gombe-National-Park um und verlieh ihm größeren Schutz.

In den 1970er Jahren zwang die von der sozialistischen Regierung Julius Nyereres eingeleitete Ujamaa-Bewegung weit verstreut liegende Kleingemeinden zum Zusam-menschluss in größeren Dörfern mit gemeinsamem Feldbau. Auch in den Hügeln um Gombe kam es zu großfl ächigen Rodungen, denn die Dörfer mussten sich Felder schaff en. Zur selben Zeit ereigneten sich im benachbarten Burundi immer wieder ethnische Gewaltausbrüche, und es kamen viele Flüchtlinge nach Gombe. Schließ-lich brach in Zaïre der Bürgerkrieg aus. Im Mai 1975 entführten Leute des Rebellen-führers Laurent Kabila vier meiner Studenten, um Lösegeld zu erpressen. Wir zahlten das Geld, die vier kamen frei, doch die Forschungsstation wurde für ausländische Besucher geschlossen. Aller Verkehr auf dem See unterlag strenger Überwachung, und es herrschte strikte Ausgangssperre.

Inzwischen hatten Hugo und ich uns getrennt. Ich hatte Derek Bryceson ge-heiratet, den Direktor der tansanischen Nationalparks. Er ermöglichte mir, auch in dieser Zeit Gombe zu besuchen und mein engagiertes tansanisches Forschungsteam aufrechtzuerhalten, das die regelmäßige Beobachtung fortsetzte. Da aber kein gra-duierter Wissenschaftler regelmäßig vor Ort war, strich die W. T. Grant Foundation ihre Zuwendungen. In dieser fi nanziell schwierigen Situation gründeten Ranieri und


17VORBEMERKUNG VON JANE GOODALL

Genevieve (Genie) di San Faustino das Jane-Goodall-Institute (JGI) als Vehikel zur Beschaff ung von Geldern, um die Forschung in Gombe weiterführen zu können.

Bei einer 1986 in Chicago abgehaltenen Konferenz berichteten Forscher aus ganz Afrika, dass die Zahl der Schimpansen in Regionen, in denen die Bevölkerung wuchs, durch die Zerstörung ihrer Habitate und durch Jagd rapide abnahm. Schim-pansenkinder würden in großer Zahl gefangen (die Mütter dabei getötet), zunächst für den internationalen Handel (zur Verwendung in medizinischen Labors und in der Unterhaltungsindustrie), aber auch zur Versorgung der lokalen Märkte mit so-genanntem Buschfl eisch. Konferenzteilnehmer berichteten über die Behandlung von Schimpansen in der medizinischen Forschung und die Situation gefangener Tiere, die in Zoos gehalten und für die Verwendung im Zirkus, bei Film und Fernsehen dressiert würden. Wie konnte ich da mein idyllisches Leben fortsetzen – meine Forschungsdaten sammeln, meine Aufsätze schreiben, zweimal jährlich meine Vor-lesungen in Stanford halten? Ich sah mich gezwungen, alles zu tun, was ich für die Schimpansen tun konnte, und begab mich folglich auf Dauertour, um die Welt auf die Not dieser Tiere aufmerksam zu machen.

Im Osten Zaïres war die Situation noch immer instabil, ständig kamen neue Flüchtlinge, die sich in den Bergen um Gombe versteckten. Anfang der 1990er Jahre überfl og ich das Gelände in einem Kleinfl ugzeug und sah mit Schrecken das Aus-maß der Landverwüstung rund um den winzigen Nationalpark. Wie sollten wir die Schimpansen schützen, während rundum die Menschen ums Überleben kämpften? 1994 rief das JGI das TACARE-Programm ins Leben, ein Hilfs- und Schutzpro-gramm für die Bewohner der Dörfer um Gombe. Heute sind diese Dörfer unsere Partner beim Naturschutz. Die Hügel wurden aufgeforstet, und durch das von uns in die Schulen getragene Roots & Shoots genannte Programm lernen die Kinder, dass und wie sie die Schimpansen schützen können.

Langsam erholte sich das Gombe Stream Research Centre, und aufregende neue Studien sind, wie Sie auf den folgenden Seiten lesen können, im Gange. Zweimal im Jahr statte ich ihm kurze Besuche ab, steige auf den Gipfel des höchsten Berges oder sitze beim Wasserfall im Kakombetal und rufe mir die Wunder der Anfänge in Erinnerung. Indem ich den Frieden des Waldes in mich aufnehme, tanke ich neue Energie für die harten Monate, in denen ich auf Reisen bin. Obwohl meine alten Schimpansenfreunde – ebenso wie Rashidi, Derek, Hugo und meine Mutter – längst verstorben sind, toben nun doch ihre Kinder und Enkel durch die Wälder.

Eines ist sicher: Im Laufe der Jahre werden wir immer mehr über unsere nächsten Verwandten lernen, und immer mehr Menschen in Afrika und im Rest der Welt wer-den sich unserem Kampf anschließen, sie und ihr Heim in den Wäldern zu schützen.



Von einem Baumwipfel aus versucht Glitta ausschwärmende Termiten zu fangen.


20 DER ANFANG


DER ANFANG

ERSTER TEIL

Yahaya Almasi senkt den Kopf und legt sein wettergegerbtes Gesicht konzentriert in

Falten. Mit leiser Stimme berichtet er, wie er zum ersten Mal von Jane Goodall hörte,

der fremden, jungen Mzungu (weiße Frau), die 1960 in den Regenwald nahe bei seinem

Heimatdorf Bubango in Tansania kam, um die Schimpansen zu studieren.


22 DER ANFANG

DIE SCHIMPANSEN TANZEN IM WALD UND SINGEN

»EINST WAREN WIR MENSCHEN, DOCH JETZT NICHT MEHR.«


23DER ANFANG

Sein Leben lang hatte Yahaya die wilden Schreie der

Schimpansen vernommen. Er hatte von ihrem

menschenähnlichen Verhalten gehört, von ihrer großen

Kraft und dass sie tief im Regenwald in Gruppen lebten.

Am besten aber erinnerte er sich an das, was seine

Großmutter über sie erzählt hatte.

»Wenn sich mitten am Tag des Zweifachdunkels der Schatten des Mondes über die Sonne legt«, so hatte sie erzählt, »dann müssen sich alle mit Essen und Brennholz versorgt in den Hütten verstecken. Ist man draußen, wenn sich das Dunkel herab-senkt, wird man ein Schimpanse – wie die draußen im Wald. Wenn du aufmerksam lauschst, hörst du das Tam-Tam der Baumtrommel. Es sind die Schimpansen, die im Wald tanzen und singen: ›Einst waren wir Menschen, doch jetzt nicht mehr.‹«

Als Yahaya erfuhr, dass Jane Goodall das Leben der Schimpansen erforschen wolle, dachte er sich, sie müsse eine sehr mutige Frau sein – oder war sie vielleicht durch Voodoo-Zauber geschützt? Später lernte er dann, dass nicht nur die Dorf-ältesten glaubten, Menschen und Schimpansen hätten eine gemeinsame Herkunft. Dr. Louis Leakey, der berühmte Anthropologe und Paläontologe, war der Ansicht, das Studium der wildlebenden Schimpansen – die Beobachtung, wie sie ihre Nah-rung sammelten, ihres Alltagsverhaltens, ihrer sozialen Beziehungen – könne helfen, den Frühmenschen und seine Entwicklung besser zu verstehen.

Als Jane mit ihren Studien begann, gab es überall in den Wäldern am Äquator-gürtel und in Westafrika Schimpansenpopulationen. Die Gebiete waren noch relativ unberührt, denn die Nutzholzgewinnung spielte noch kaum eine Rolle, aber auch schwer zugänglich. Deshalb entschied sich Leakey für das recht leicht erreichbare Gombe Stream Cimpanzee Reserve, das im Nordwesten Tansanias am Ufer des Tanganjikasees lag und auf drei Seiten von Regenwald, auf der vierten vom Seeufer begrenzt war. Es umfasste dicht bewaldete Täler und Hügel, die in off enes Waldland

SEITE 20: Fifi inspiziert Jane.

GEGENÜBER: Nebelwolken über den Hügeln des Kakombetals im Gombe-Nationalpark.

GANZ OBEN: Gaia im Gombe-Nationalpark.

OBEN: Im Gombe-Nationalpark wiegt Echo ihr Baby Emela im Arm.


UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Jane Goodall

Jane Goodall - Mein Leben für Tiere und Natur50 Jahre in Gombe

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Gebundenes Buch, Pappband mit Schutzumschlag, 144 Seiten,21,0 x 26,0 cmISBN: 978-3-8094-8045-7

Bassermann

Erscheinungstermin: November 2010

Die einzige Bild-Biographie von Jane Goodall hierzulande Jane Goodall ist die wichtigste und berühmteste Primatenforscherin des 20. Jahrhunderts.1960 kam sie als junge Biologin nach Gombe in Tansania mit einem einzigen Ziel: Erkenntnisseüber das menschliche Verhalten zu gewinnen, indem sie das Verhalten der Schimpansenstudierte. Ihre Erkentnisse waren bahnbrechend, und es wurde eine ständige Forschungsstationeingerichtet. 20 Jahre später verschob sich der Schwerpunkt ihrer Arbeit von der reinen Forschung zumNautrschutz: Sie bemühte sich, die Tiere vor dem drohenden Aussterben zu retten.

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