jannis leandra

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Inhaltsverzeichnis

1 Beinahe Zwillinge 5

2 Treffen der Magier 21

3 Der Bote 35

4 Die Abtei St. Martin 41

5 Drei Geister 51

6 Die Reise nach Gstaad 61

7 Jannis & Leandra 67

8 Das Hexenreich Pessora 87

9 Predun 97

10 Das Schloss der Hexe Akara 163

11 Der Todestrakt 17111.1 Der Limbus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17211.2 Labyrinth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

11.2.1 Pfad links . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17611.2.2 Pfad mitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17711.2.3 Pfad rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

11.3 Die Kammer von Raah . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

12 Leandra’s Gefangenschaft 199

13 Die Auswahl 209

14 Die Zenjaden 217

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4 INHALTSVERZEICHNIS

15 Die Macht des Gral’s 257

16 Rückkehr nach Gstaad 273

17 Der Brief von Moppel 289

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Kapitel 1

Beinahe Zwillinge

Gstaad, in der Schweiz, ist wunderbar in den Alpen gelegen. Von mächti-gen Bergen umzingelt, die den Anschein machen als wollten sie alles Unheilvon diesem Ort fernhalten. Niemand wäre auf die Idee gekommen dass ausge-rechnet hier, fernab jeder grösseren Zivilisation, 2 Kinder aufwachsen würdenwelche Fähigkeiten besassen, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte. Allesan diesem Ort war zu Normal als dass man ihn mit etwas Aussergewöhn-lichem in Verbindung gebracht hätte. Die Bevölkerung, das Gemeindehaus,die Kirche ja selbst die Schule liessen keinen Zweifel daran, dass in Gstaadalles mit rechten Dingen zu und her gehen würde.Es war der dritte Dienstag im Kalendermonat Dezember vor genau 11 Jahrenwo unsere Geschichte ihren Anfang nimmt. David, der Jäger von Gstaad, be-reitete sich an diesem Tage in seinem Haus auf die Jagd vor. Er war ein Mannvon grosser, kräftiger Statur. Obschon er nicht viel auf Träumerei gab, war ermit seinen Gedanken längst mit der Zubereitung des Wildes beschäftigt, sosicher war er sich, dass seine Jagd erfolgreich verlaufen würde. Und deshalbwar ihm wohl auch nicht aufgefallen, dass sich sein Hund schon den ganzenTag über etwas merkwürdig benahm. Und auch die Tiere im Wald verhieltensich sonderbar. Es schien als hätten sie ihre Scheu vor den Menschen urplötz-lich verloren. Am Waldrand konnte man zeitweise über zwei Dutzend Tiereausmachen. Vom Reh bis zum Fuchs war alles vorhanden was der Wald zubieten hatte. Und keines der Tiere schreckte sich am Anderen. Doch Davidnahm von alle dem keine Notiz.Ja, schön brav, sagte er voller Stolz zu seinem Jagdhund Bello und klopfteihm ein paarmal mit seiner grossen Handfläche auf die Rippen.Heute holen wir uns den Sechzehner, was?Dabei schaute er Bello an, als ob er eine Antwort von ihm erwarten könnte.Mit Sechzehner meinte er den grossen Hirsch den er in dieser Nacht erlegenwollte. Jedes Horn des Hirsches zählte acht Enden. Zusammen macht das

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6 KAPITEL 1. BEINAHE ZWILLINGE

eben sechzehn - deshalb Sechzehner. David war schon seit vielen Jahren Jä-ger, aber einen Sechzehner hatte er noch nie erlegt. Dies brachte ihm dochglatt den Ruf eines Versagers ein, was ihn entsetzlich ärgerte. Denn ein Jäger,welcher nicht wenigstens einen Sechzehner erlegt hatte, war in den Augen derGstaader eben kein richtiger Jäger. Diesem dummen Gerede wollte er in die-ser Nacht unter allen Umständen einen Riegel schieben.Es ist schon 16.00 Uhr! Komm, jetzt machen wir uns aber auf den Weg.Nun aber war Bello kaum noch zu halten. Heftig wedelte er mit seinemSchwanz und bellte vor Aufregung auf die bevorstehende Jagd.Ein letztes Mal noch prüfte David sein Schiesseisen.Munition? Vorhanden! Gut.Dann nahm er seine Pfeife in den Mund, stopfte etwas Tabak nach und zün-dete sie an. Nach ein paar kräftigen Zügen qualmte sie wie eine alte Dampflokvor sich hin.Mmmmmh, die schmeckt, sagte er und blickte dabei erneut auf Bello.Ja, heute war David in bester Stimmung. Auch das Wetter spielte mit. DerHimmel hatte an diesem klirrend kalten Dezembertag sein tiefstes Blau auf-gesetzt.Geschützt mit einer dicken Jacke, Schal, Kappe und Wollhandschuhen ver-liess David zusammen mit seinem Hund sein Haus in Richtung des angren-zenden Waldes in dem er alsbald auch verschwand. Einzig dieses satte Knir-schen welches seine Schuhe dem Schnee entlockten, konnte man noch hören,als er längst nicht mehr zu sehen war. Bello klebte förmlich an der Seite sei-nes Herrn. Die Augen auf dessen Gesicht gerichtet, wartend darauf, endlicheinen Befehl ausführen zu dürfen. Viele Leute im Dorf dachten anfangs, dassder Hund nur deshalb so gut gehorchte, weil er wohl Angst vor David hat-te. Dabei tat er dies einzig und allein aufgrund seiner fabelhaften Erziehungwelche er bei David genossen hatte. David konnte mit Tieren ausgezeichnetumgehen. Er war einfach glücklich mit dem was er tat und die Tiere mit demwie er es tat.Dass er nun an diesem Abend den Hirsch erlegen würde, empfand er nicht un-bedingt als Heldentat, aber was sein musste, musste eben sein. Und Schluss.Schliesslich wollte er sich seinen Stolz, und davon hatte er jede Menge, nichteinfach so nehmen lassen. Er konnte ja nicht ahnen, was für merkwürdigeund seltsame Dinge sich in dieser Nacht noch ereignen würden.

Vor dem Landi, so hiess der Laden in Gstaad in welchem die Bauern Fut-ter für ihre Tiere einkaufen konnten, kam Jakob Rassl, ein alles andere alstüchtiger Bauer, auf seinem Traktor angebraust. Im Mundwinkel steckte eineseiner krummen Zigarren. Dies galt als sicheres Zeichen dafür, dass er aus-nahmsweise gut aufgelegt war. Er war gross und schwabelig und hatte graue,

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stark fettende Haare. Seine fettigen Haare störten ihn aber keineswegs. Ertrug sie am liebsten streng nach hinten gekämmt und dank dieser Laune derNatur verlieh sie seiner Frisur den ganzen Tag über perfekten Halt. Ausser-dem konnte er so das Geld für das Haargel sparen was ihm besonders vielFreude bereitete.Freundlich lächelnd wurde Jakob vom genauso bulligen Herr Mayer, dem Be-sitzer des Landi’s, begrüsst.Hallo Jakob. Aha, heute mit einer Zigarre unterwegs. Wie geht’s denn DeinerFrau?Maria?Ja natürlich Maria. Heute ist es soweit - oder?Ja - Heute. Mal sehen.Mal sehen? Du bist mir Einer. An Deiner Stelle wär ich jetzt bei Ihr und...Deswegen kann ich doch nicht meine Arbeit liegenlassen. Wer kümmert sichwohl um die Tiere, häää?Was kann ich Dir bringen?Einen Sack für die Hühner. 2 Ballen Heu...nein, gib mir 3. Und einen BallenStroh.Kommt sofort!Und während Jakob so wartete, stolzierte auf der anderen Strassenseite FrauSteiner vorbei.Unsere neue Lehrerin, bemerkte Jakob herablassend.Was sagst Du, fragte Herr Mayer, welcher gerade die Ware brachte.Unsere neue Lehrerin. Bringt den Kindern doch nur lauter Quatsch bei.Lass Sie doch. Bis jetzt hab ich nur Gutes von Ihr gehört.Also wenn es nach mir ginge, könnten wir die Schule schliessen. Kostet dochbloss einen Haufen an Steuergeld. Schliesslich bin ich ja auch nicht zur Schulegegangen und trotzdem ist aus mir was geworden.Du bist eben mit viel Talent gesegnet. In der Landwirtschaft macht Dir nie-mand so schnell was vor.Solche Worte aus dem Mund von Herr Mayer liessen unseren Jakob um glattedrei Zentimeter in die Höhe schnellen.Ja! Genau! Talentiert. Dass ist das richtige Wort um mich zu beschreiben.Naja. Los, gib mir schon das Zeug raus. Ich werd’s Dir morgen bezahlen!Geht klar. Grüsse an Maria.Ja, ja.Und schon brauste Jakob auf seinem Traktor wieder davon.

Zu diesem Zeitpunkt stand ein Teil der Dorfbewohner aus Saas Fee, einemNachbardorf von Gstaad, trotz klirrender Kälte, vor dem Haus der Tranell’s.Angeregt unterhielten sie sich, sodass man einige Worte, vor allem jene der

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äusserst neugierigen Frau Gormig, auch innerhalb des Hauses hören konnte:

- Ja, ja, bald müsste es soweit sein -- Ein Junge? Nein, ein Mädchen - Ein Mädchen? -

- Schon seit zwei Stunden stehe ich hier -

So, jetzt reicht’s. Ich schicke die Leute nach Hause - ich kann so nicht arbei-ten. Geht nach Hause, rief die Ärztin den Leuten zu. Es kann noch Stundendauern bis es soweit ist. Ihr holt euch höchstens noch eine Erkältung.

In Bergdörfern gehörte es nunmal zum guten Ton, dass sich die Nachbarnversammelten, sobald sich in einer Familie Nachwuchs ankündigte. Oft wur-den auch kleine Geschenke gebracht um so das Kind in der Gemeinschaftwillkommen zu heissen. Zuweilen aber übertrieben die Leute diesen Brauch,indem sie das Haus geradezu belagerten.

Beinahe zur gleichen Zeit wie in Saas Fee passierte ähnliches auch in Gstaad.Auch hier versammelte sich ein Teil der Dorfbewohner vor einem Haus. Undzwar dem Haus des Bauern Jakob Rassl. Und auch hier unterhielten sich dieMenschen angeregt über das bevorstehende Ereignis. Manche behauptetensogar, sie wüssten ganz genau ob es ein Junge oder ein Mädchen werdenwürde. Ein Engel sei ihnen letzte Nacht im Traum erschienen und habe dasGeheimnis gelüftet.Vom werdenden Vater Jakob höchstpersönlich wurden die Gstaader, diesmalaber auf eine sehr unhöfliche Art und Weise, nach Hause geschickt.Was wollt ihr denn hier? Habt ihr noch nie eine Geburt miterlebt? Was machtIhr da? Verschwindet aus meinem Garten. Es wird ein Junge! Also geht wie-der nach Hause, sagte er und unterstrich seine Worte mit einer abweisendenHandbewegung.In dem Moment löste sich ein Schneebrett vom Dach und fiel Jakob direktauf den Kopf.Ach - so was Dummes aber auch, stammelte er und schüttelte sich den Schneevom Leib. Sofort fuhr er mit seinen Händen über den Kopf und richtete sichseine Frisur wieder zurecht. Entnervt warf er einen scharfen Blick aufs Dach.Unter dem Gelächter seiner Nachbarn machte er sich wieder auf den Wegzurück ins Haus, aber nicht, ohne ein paar wütende Blicke in die Menge zuwerfen. Zurück in der Stube hielt Jakob die Hand von Maria welche, für allegut hörbar, in ihren Wehen lag. Maria war im Gegensatz zu Jakob äusserstzierlich gebaut. Und immer wenn sie gemeinsam in der Öffentlichkeit auf-traten, sorgte dies für Gelächter. Denn sie gaben ein geradezu vortrefflichesAbbild von Stan Laurel und Oliver Hardy.Hoffentlich wird’s ein Junge, sagte Jakob. Hast Du gehört mein Mäuschen?

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Ein Mädchen kann ich nicht gebrauchen! Denk an unseren Hof. Also ein Jun-ge. Hörst Du?Wie redest Du denn von dem Kind, fuhr ihn die Hebamme forsch an. Ob nunMädchen oder Junge! Gesund soll es sein, dafür solltest Du Beten.Am Blick von Jakob war gut zu erkennen, dass er sich einen scharfen Kom-mentar verbeissen musste. Wie konnte sie es wagen ihn in seinem Haus zu-rechtzuweisen. Noch dazu vor seinem Mäuschen. Doch noch waren sie aufdie Hilfe der Hebamme angewiesen. Er würde sie zur Schnecke machen wenner sie nicht mehr brauchen würde. Ja, so würde er es machen. Zufrieden mitdiesem Gedanken drehte er sich wieder seiner geliebten Maria zu.

In der Dorfkirche von Gstaad sprach schon mal Pfarrer Paulus ein Gebetgegen den Himmel. Es möge doch ein Junge werden. Der Pfarrer machtesich, obschon er selber noch recht jung war, Gedanken über einen möglichenNachfolger. Jemanden aus dem eigenen Dorf wünschte er sich. Eine Fraukam in seinen Augen für dieses wichtige Amt überhaupt nicht in Frage. Undso betete Pfarrer Paulus bei fast jeder bevorstehenden Geburt dafür, dassein Junge das Licht der Welt erblicken möge. Und jedesmal wenn er Rechtbekam, liess er dies seine Schäfchen auch spüren, denn dann dauerte seineSonntagspredigt besonders lange. Falls es aber ein Mädchen war, so fiel diePredigt genau 10 Minuten kürzer aus als üblich. An diese Eigenheit hattensich die Bewohner von Gstaad längst gewöhnt und störten sich auch nichtmehr daran.

Auf seinem Jägerstand wartete David immer noch ungeduldig auf seine Beu-te. Es war schon 21.00 Uhr. Dank einer Vollmondnacht wurde diese wunder-schöne Landschaft beinahe wie am Tage erleuchtet. Den Jägerstand hatte erschon vor Jahren selber gebaut und war zurecht sehr stolz auf seine Arbeit.Bello musste er in der kleinen Kammer vom Jägerstand einsperren. Noch niehatte er seinen Hund so unruhig erlebt. Er konnte es sich nicht erklären.Immer wieder drehte sich David mit einem Kopfschütteln zu Bello und riefihm mit seiner tiefen Stimme ganz leise ein paar Worte zu. Angefangen vonPssssst bis Kschhhhh ging er dann zu ganzen Sätzen über, wie Bist du jetztwohl endlich still. Doch nichts von alle dem erzielte bei seinem Hund diegewünschte Wirkung.Bello könnte mit seinem Winseln noch den Sechzehner verscheucht haben,schoss es David immer wieder durch den Kopf. Dann zog er, wie schon so oftseit er auf der Lauer lag, seine Wollhandschuhe aus und hauchte mit seinemAtem etwas Wärme auf seine frierenden Hände.Plötzlich unterbrach ein lautes Knacken die Stille der Nacht. Und tatsächlich.Da tauchte seine Majestät, mit erhobenem Haupt aus dem Wald kommend,

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auf. Ein wunderschönes Tier.Eins, Zwei, Drei,.....,Sechzehn.Ja, es war der Richtige. Das Adrenalin wo jetzt durch den Körper von Davidschoss, liess ihn seine kalten Hände vergessen.Ruhig, rief er nochmals, kaum hörbar, seinem Hund zu.Hinter dem Hirsch folgten etliche Rehe, welche mit ihrem weissen Fleck aufdem Hinterteil das gesamte Bild, das sich nun David bot, feierlich umrahm-ten. Ja, bald hab ich was zu Feiern, dachte sich David indem er das Gewehrso langsam und leise wie nur irgend möglich in die Hand nahm. Noch niehatte er sein Ziel, welches er mit diesem Gewehr ins Visier genommen hatte,verfehlt. Noch nie! Nur nicht das Geweih beim Schuss beschädigen, durchfuhrihn ein warnender Gedanke. Das Faden-Kreuz seines Zielfernrohres nahm dieHerzgegend des Hirsches ins Visier. David achtete auf seinen Atem. Sein Mi-litärdienst kam ihm bei seinem Beruf sehr zugute. Dort hatte er gelernt, miteinem Gewehr umzugehen. Er konzentrierte sich, bis er imstande war dienächste Bewegung seiner Beute zu erraten. Ja, dies tat er jetzt. Er war imEinklang mit dem Hirsch. Dann hielt er den Atem an.Klack...Das darf doch nicht wahr sein, sagte er zu sich. Das gibt es nicht.Der Hirsch war aufgrund des Geräusches mit samt seinem Rudel längst wie-der im Wald verschwunden. Zum erstenmal, ja zum allerersten mal erzählteer später am Stammtisch des Dorfwirtshauses hat mein Gewehr versagt. Ichdrückte ab, aber ausser einem lauten Klack, war nichts zu hören, erzählte erschon zum hundertsten Male. Und immer wieder zeigte er den Blindgänger,die Patrone, welche ihren Dienst versagt hatte, durch die Runde. Er konntees noch immer nicht glauben. Natürlich gab es hie und da Bemerkungen, dassDavid sich diese Geschichte ausgedacht hatte, um von seinem Versagen, je-mals einen Sechzehner geschossen zu haben, abzulenken. Doch niemand hattegrosse Lust die so bildhaft vorgetragene Geschichte in allen Einzelheiten zuhinterfragen. Einzig Jakob versuchte David blosszustellen. Nachdem er einenkräftigen Schluck Bier genommen hatte, legte er los.Nicht einmal meine Hühner würden Dir diese Geschichte abkaufen. Für wieDumm hältst Du uns eigentlich - häää?Dich halt ich für Dumm - und nur Dich. Vor allem wenn Du wieder malzuviel getrunken hast.Jetzt ist aber genug, fuhr der Wirt dazwischen. Ihr seid jetzt beide still. Wennihr Streiten wollt, dann geht nach draussen.Er ist ein Lügner, fuhr Jakob unbeirrt fort. Er trifft einen Sechzehner nichteinmal, wenn dieser sich direkt vor seiner Flinte befinden würde, dieser...Genug jetzt, schrie der Wirt. Noch ein Wort und ihr könnt beide gehen.Ist doch wahr, stichelte Jakob weiter. Wählt mich zu Eurem Jäger. Ich schiess

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euch alles zusammen was mir vor die Flinte kommt. Bring mir noch eins, riefer dem Wirt zu, und hob dabei sein leeres Bierglas.Jakob, warum bist Du denn nicht bei Deiner Maria? Sie erwartet doch jedenAugenblick das Kind, sagte der Wirt als er das Bier hinstellte.Jetzt fängst Du auch noch an. Ich kann doch nicht die ganze Nacht an IhrerSeite stehen. Nach diesem Bierchen, bin ich ja schon wieder weg. Weglaufenkann Sie mir ja nicht, sagte er mit einem breiten Grinsen.Saufen und ein dummes Mundwerk, dass ist alles was unser guter Jakob zu-stande bringt, sagte David leise.All jene aber, die in die Augen von David sahen, während er seine Geschichteerzählte, wussten, dass er nicht log.Dabei konnte weder er, noch sonst irgend jemand wissen, dass in der heuti-gen Nacht, nirgendwo auf dieser Welt, irgendein Tier, egal auf welche Weise,ums Leben kam. Nur die Tiere fühlten, dass etwas Besonderes im Gange war.Aber im Gegensatz dazu, dass sie nun aus Furcht die Flucht ergriffen hät-ten, machte sich in dieser Nacht ein Gefühl der Erleichterung in ihnen breit.Einem Gefühl - welches sein Zentrum in Gstaad und Saas Fee hatte.

Punkt Mitternacht wurde Jannis geboren. Mit lautem Geschrei begrüssteer alles was sich ihm in den ersten Sekunden zeigte.Es ist ein Junge, freute sich Jakob. Maria, hast Du gehört? Ein Junge!Er küsste seinen Sohn und seine Maria und legte Jannis zu ihr ins Bett.Maria war sichtlich erleichtert, dass sie einen Sohn zur Welt brachte, wenigeraber, weil sie sich einen Sohn wünschte, sondern vielmehr weil sie Jakob nichtenttäuschen wollte.Während sich noch alle in der warmen Stube über das neue Familienmit-glied freuten, näherte sich dem Haus ein aussergewöhnlicher Besucher. Eineriesige Eule trat an das Wohnzimmerfenster heran. Auf einmal verstummtedas Schreien des Kindes, was etliche Besorgnis bei den involvierten Personenauslöste, welche nun sein Herz als auch sein Atem zu kontrollieren anfingen.Aber der Grund warum das Kind auf einmal aufhörte zu Schreien, war, dassdas Kind etwas sah was nunmal die restlichen Menschen nicht sehen konnten.Am Fenster sichtete Jannis die Eule welche ihm zuzwinkerte und dadurch einLächeln auf seinen Mund zauberte. Und schon war die Eule, nach ihrem ers-ten Blick auf seine Hände, auch wieder verschwunden. Dies quittierte derkleine Junge mit lautem Geschrei, welches hingegen den anwesenden Perso-nen ihre Besorgnis nahm.

....,Elf, Zwölf, Dreizehn.Dreizehn, schrie Pfarrer Paulus völlig entsetzt durch seine Kirche.Das konnte nicht sein. Er hatte sich also verzählt. Es war schon eine alte

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Gewohnheit von ihm die Kirchglockenschläge mitzuzählen. Aber er konntesich beim besten Willen nicht mehr an den Tag zurückerinnern, an dem ersich verzählt hatte.Ich...ich werde alt, stammelte er vor sich hin.Dies missfiel ihm so sehr, dass er sich anschickte noch ein Gebet gegen denHimmel zu richten, möge es doch bitte, bitte ein Junge werden.

Nur wenige Sekunden nach Mitternacht kam in Saas Fee Leandra auf dieWelt. Auch Ihr Geschrei erfreute alle anwesenden Personen im Raum. Undauch hier geschah Gleiches wie auch schon in Gstaad. Ein Lächeln überzogdas Gesicht von Leandra als auch Ihr die grosse Eule zuzwinkerte, währendfleissige Hände ihren kleinen Körper abtasteten, suchend nach dem Warumauf die Frage, weshalb das Kind auf einmal so still ist. Und auch hier startetedas Geschrei, alsbald die Eule verschwand, nachdem Sie auch hier die Hän-de der kleinen Leandra gesehen hatte und dadurch alle beteiligten Personenerleichtert aufatmeten.Unsichtbar für die Menschen, flog die riesige Eule mit kräftigen aber leisenSchwüngen und vor allem mit vollster Zufriedenheit dem Vollmond entgegenund verschwand mit der Zeit mehr und mehr im Dunkel der Nacht.

Auch in Saas Fee schlug die Kirchenuhr nach dem zwölften Gong ein drei-zehntes Mal. Die wenigen Leute, welche mitzählten, machten ihr mangelndesGedächtnis für diesen Fehler verantwortlich. Aber es war kein Fehler. Über-all auf der Welt schlugen die Kirchenuhren in dieser Nacht ein dreizehntesMal. Und überall wurde von den Menschen dem gleichen Grund die Schuldzugeschoben. Niemand schenkte diesem Ereignis grössere Beachtung. DieseNacht aber war nicht nur ein Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit.Tatsächlich wurde mit der Geburt von Jannis und Leandra ein Wendepunktfür das gesamte Universum eingeläutet.

Grossmutter Klara hielt Leandra besorgt in ihren Armen. Ihre Besorgnisgalt aber weniger dem Kind als vielmehr dessen Mutter um welche sich nundie Ärztin kümmerte. Die Mutter von Leandra, Elisabeth, litt unter grossenUnterleibsschmerzen. Was natürlich noch niemand wissen konnte war, dasssie schon bald sterben würde. In diesem speziellen Fall war der Tod von Le-andras Mutter von einer höheren Macht herbeigeführt worden. Einer Macht,welche nur im absoluten Notfall in den Lauf der Dinge eingreift und für unsSterbliche nicht fassbar ist. Einzig der Vatikan war in dieser Sache in Formeiner Prophezeiung unterrichtet.Da der Vater von Leandra, ein Holzfäller, vor einem halben Jahr bei Arbeitenim Wald verunglückte, war die kleine Leandra nun Vollwaise. Die Behörden

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aus Saas Fee entschieden kurzerhand, dass Leandra im Waisenheim unter-gebracht werden würde. Doch damit war Grossmutter Klara alles andere alseinverstanden. Sofort am nächsten Tag, als sie vom Entscheid erfahren hatte,fuhr sie mit dem Bus nach Saas Fee und suchte das Gemeindehaus auf.Ihre lange, graue Haarpracht trug sie meistens zu einem Dutt hochgesteckt.Und obschon sie 75 Jahre alt war, verfügte sie nach wie vor über ein ausge-zeichnetes Gedächtnis. Nur mit dem Gehen hatte sie so ihre Schwierigkeiten.Ich muss zum Bürgermeister, rief sie trocken der Sekretärin zu und steuertesogleich auf dessen Büro zu.Aber sie brauchen einen Termin, sie können doch nicht einfach....Und schon stand sie im Zimmer des Bürgermeisters.Das Kind bleibt bei mir, sagte sie laut und donnerte ihren Gehstock auf denFussboden. Hast Du gehört? Leandra bleibt bei mir!Schon gut - ich mach dass schon, rief der Bürgermeister der Sekretärin ent-gegen welche Grossmutter Klara nachgesprungen kam.Obschon der Bürgermeister mitten in einem Telephongespräch war, liess ersich nicht aus der Ruhe bringen. Freundlich lächelte er Grossmutter Klaraentgegen und signalisierte ihr, dass er mit dem Gespräch sogleich fertig wäre.Derweil sah sich Grossmutter Klara im Büro um und kam zum Schluss, dassdas Büro genau so aussah wie der Bürgermeister. Klein aber aufgeräumt.Dann endlich hatte der Bürgermeister sein Telephonat beendet.Guten Tag, Frau Tranell. Setzen Sie sich. Sie wollen also Leandra alleine auf-ziehen?Ja, das will ich. Sie ist die Tochter meiner Tochter. Sie gehört zu mir.Ich verstehe. Aber Leandra wäre im Heim gut aufgehoben. Auch ist das Kindso keine finanzielle Belastung für Sie und sehen können Sie Leandra so oftSie wollen.Im Heim gut aufgehoben? Das ich nicht Lache. Das Kind gehört zu mir.Wenn ich Leandra nicht freiwillig bekomme gehe ich vor Gericht. Ich bin mirsicher dort wird man diesen Entscheid mit anderen Augen sehen.Aber nicht doch, lächelte der Bürgermeister verlegen. Ein Rechtsstreit - sokurz vor den Wahlen - dass wäre nun wirklich im Interesse von Niemandem.Finanziell müssten Sie aber auf jeden Fall ganz alleine zurechtkommen. Dakann ich ihnen nicht Helfen. Die Statuten erlauben keine Zahlungen in sol-chen Fällen.Mein Geld wird für mich und auch für dieses Kind reichen. Auch ohne Un-terstützung.Gut. Ich werde mich für Ihr Anliegen bei der nächsten Gemeinderatssitzungeinsetzen. Das verspreche ich Ihnen.Und so geschah es dann auch. Leandra wurde ihrer Grossmutter Klara inObhut gegeben, welche, wie unser kleiner Jannis, in Gstaad lebte. Damit war

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14 KAPITEL 1. BEINAHE ZWILLINGE

der erste Schritt der Prophezeiung vollbracht. Jannis und Leandra würdensich wie zwei ganz normale Nachbarkinder kennenlernen.Sie hatten die üblichen Kinderkrankheiten und auch schlugen sie sich hie undda die Knie wund. Nichts sollte darauf hindeuten, dass diese Kinder keinegewöhnlichen Kinder waren. Nicht einmal die Kinder selbst waren sich ihreraussergewöhnlichen Fähigkeiten bewusst.Die grosse Eule war seit der Geburt der Kinder, unbemerkt von all den an-deren Menschen, nicht mehr von deren Seite gewichen. Bis zur Vollendungihres ersten Lebensjahres zeigte sich die Eule den Kindern hin und wieder.Und jedesmal wenn sie die Eule sahen, konnte man die Freude ihren Augenablesen, welche dann mit den Sternen am Firmament um die Wette strahl-ten. Die Eule war für deren Unversehrtheit verantwortlich und betrachtetedie Kinder, welche sie unter ihresgleichen - Die Zwillinge - nannte, als wärensie ihr eigen Fleisch und Blut.Die Eltern von Jannis, besonders sein Vater welcher sowieso meistens schlechtgelaunt war, gaben sich mit der Erziehung des Jungen nicht besonders vielMühe. Das einzige Ziel welches Jakob mit Jannis verfolgte war, dass seinSohn möglichst bald die ganze Arbeit am Hof erledigen sollte damit er sichvermehrt um seine Hobbys kümmern konnte. Nämlich seiner Trinksucht unddem Pokerspiel. Trotz all dieser Widrigkeiten schien dies erstaunlicherweisenicht besonders viele Spuren im Leben von Jannis zu hinterlassen. Vor allemwegen Grossmutter Klara erlebten Jannis und Leandra eine wunderschöneKindheit in den Bergen. Sie fühlten sich eins mit der Natur.Nur in den Bergen wird man sich der Intensität der Natur wirklich bewusst.Nirgends sind die Winter tiefverschneiter, der Frühling schöner, der Sommerangenehmer und der Herbst bezaubernder als in den Bergen. Am liebsten, jaam allerliebsten war Ihnen der Herbst. Sie freuten sich immer wieder darauf,im Laub, welches reichlich von den Bäumen fiel, ihre Körper zu wälzen. Ih-re Ohren waren nach diesem Geräusch geradezu süchtig. Und diese Farben.Kein Maler auf dieser Welt konnte ihren Augen schönere Farben vorlegenals es die Natur tat. Jedes neue Jahr war für die Kinder aufregender als dasLetzte. Dann begann für beide die Schulzeit. Sie freundeten sich noch mehran, freuten sich des Lebens und nichts konnte Ihnen etwas anhaben. Selbst-redend, dass dies die Eule sowieso niemals zugelassen hätte.Obschon sie sich nicht mehr an ihre Erlebnisse mit der Eule erinnern konnten,fühlten beide, eine tiefe Verbundenheit zueinander und dass gewisse Verän-derungen auf sie zukamen. Als ob eine innere Uhr ablaufen würde. Darüberhinaus teilten sie ein besonderes Geheimnis, welches in letzter Zeit noch in-tensiver hervortrat. Beide entdeckten schon in jungen Jahren, wie reich siean Träumen waren und manchmal hatten beide sogar den selben Traum. Oftschlichen sie sich zu ihnen, lautlos wie eine kühle Brise im Sommer, sodass

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beide ihr Glücksgefühl so gar nicht fassen konnten. Manchmal, als sie im Heuvon Grossmutter Klara’s Scheune lagen, sagten sie nichts, kein Laut war zuhören, keine Gestalt zu sehen und doch fühlten sie, dass etwas ganz nah beiIhnen war und sie durchdrang. Dann, ja dann, schlossen beide ihre Augenund machten sich auf ins Land der Träume.

Ab dem 10-ten Lebensjahr änderte sich die Welt für Jannis rapide. SeinVater verfiel immer mehr dem Alkohol. Beinahe sämtliche Arbeiten auf demHof mussten von Jannis erledigt werden. Und dies mit 10 Jahren. Seine Mut-ter zuckte gleichgültig mit den Schultern als er bei ihr Schutz suchte.Ich kann Dir auch nicht helfen. Du musst eben soviel arbeiten, bis Dein Va-ter keinen Grund mehr findet, sich zu beklagen. Du bist ja schon ein jungerMann.Nur bei Leandra und deren Grossmutter fand er jenen Halt die ein so jungerMensch nötig hat. Hier fühlte er sich immer wohl. Zumindest solange, alsbis er von weitem das Rufen seines Vaters hörte. Er schrie manchmal seinenNamen so laut, dass man ihn im ganzen Dorf hören konnte. Auch war es einoffenes Geheimnis, dass er hin und wieder seinen Sohn schlug, wenn er sobetrunken nach Hause kam.Eines Morgen’s trat Pfarrer Paulus vor die Türe des Hauses der Rassl’s. Erklopfte ein paar Mal, worauf Jakob die Türe öffnete.Grüss Gott Herr Rassl.Ja was macht denn der Herr Pfarrer Paulus bei mir. Jemand gestorben?Nein, nein, niemand ist gestorben. Ich komme wegen einer privaten, oder ja,eigentlich öffentlichen Angelegenheit zu Ihnen, ich...Kommen Sie auf den Punkt - ich hab nicht den ganzen Morgen Zeit.Nun ja, ich komme in der Angelegenheit...es geht um Ihren Sohn - um Jannis.Um Jannis?Ja, genau.Einen Moment - gut dass Sie mich daran erinnert haben. Jannis! Jannis, zumKuckuck noch mal. Jannis!Ich komm ja schon.Kaum angekommen kassierte er von seinem Vater einen leichten Schlag aufden Hinterkopf.Wieviel mal hab ich Dir schon gesagt, Du sollst antworten wenn ich Dichrufe. Wieviel mal? Hast Du fertig gefrühstückt?Nein, ich..Gut. Geh sofort in den Stall und füttere die Tiere. Du gehst mir heute nichtin die Schule bevor alles erledigt ist.Morgen, Herr Pfarrer, sagte Jannis leise.Guten Morgen, Jannis.

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16 KAPITEL 1. BEINAHE ZWILLINGE

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging Jannis in den Stall. Er schämtesich so sehr für seinen Vater. Doch was sollte er machen.Die Kinder muss man mit einer strengen Hand erziehen. Dann wird mal wasaus ihnen, sagte Jakob.Gewiss! Vorausgesetzt natürlich, dass die Hand nicht allzu streng ist!Von einem Pfaffen lass ich mir bei der Erziehung meines Sohnes sicher nichtdreinreden. Das schreiben Sie sich schon mal gleich hinter die Ohren. Waswollen Sie eigentlich?Nun, eben...der Grund warum ich Sie aufgesucht habe, ist, ich...ich wollteSie fragen, was Sie davon halten würden wenn Ihr Sohn die Laufbahn einesPriester’s einschlagen würde?Eines Priester’s, hahahahaaaa. Maria, komm schnell, dass musst Du Dir an-hören. Hahahahaaaa. Maria!Was ist denn?Unser Pfarrer möchte, dass Jannis ein Pfaffe wird.Warum bittest Du Pfarrer Paulus nicht in die Stube?Weil ich mit ihm fertig bin. Mein Junge wird Bauer. So wie ich einer bin.Er soll froh sein, dass ich ihn nicht ganz von der Schule nehme, bei all demQuatsch was die dort lernen. Und Priester wird er ganz bestimmt nicht wer-den. Guten Tag.Und schon knallte Jakob die Türe unter lautem Krachen vor den Augen desPfarrers wieder zu.Ja, auch ich wünsche Euch noch einen guten Tag, sprach Pfarrer Paulus ge-gen die Türe.Dann setzte er sich seinen Hut auf und ging seines Weges. Hinter dem Vor-hang des Küchenfenster’s stachen Jakob’s Augen hervor. Er wollte auf Num-mer sicher gehen ob Pfarrer Paulus auch wirklich gegangen war.Unterdessen fütterte Jannis gerade die Hühner. Sie hatten eine ganze MengeHühner. Am allerliebsten war ihm Mammut. Sie hatte überall Federn. Selbstan ihren Beinen hatte sie welche. Sie war ein Geschenk von Grossmutter Kla-ra zu seinem 7-ten Geburtstag.Priester! Mein Junge und Priester. Hast Du gehört was der Pfaffe wollte,schrie Jakob.Nein!Und indem er auf Jannis zulief, nahm er Mammut auf seinen Arm.Er will dass Du ein Pfaffe wirst, sagte Jakob abschätzig und dabei drehte erMammut den Hals um.Mammut !Was soll dieses Geschrei? Werd endlich erwachsen! Hast Du gedacht das Huhnlebt ewig? Sollen wir etwa Hungern? Rupf sie, nimm sie aus und dann bringsie in die Küche. Du wirst mir kein Pfaffe, das versprech ich Dir. Und auch

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sonst nichts. Du wirst ein Bauer und Schluss.Jakob warf ihm Mammut zu, welche keinen Mucks mehr von sich gab undverliess den Stall.Tränen liefen Jannis die Wangen hinab und er drückte Mammut fest an seineBrust. Ausgerechnet Mammut musste er töten, wo sie doch so viele Hühnerhatten. Doch dann, als ob nichts geschehen wäre, schüttelte sich Mammutden Kopf, gackerte ein wenig, und war auch schon wieder quicklebendig.Du lebst? Du bist nicht Tod? Du hast es überlebt, rief Jannis vor lauterGlück und drückte Mammut erneut an seine Brust. Aber was mach ich jetztnur - ich muss doch ein Huhn in die Küche bringen.In dem Moment kam Leandra mit Schultasche und Pausenbrötchen bepacktin den Stall.Bist Du bald fertig?Ich kann heute nicht mit in die Schule.Dann erzählte Jannis was er gerade erlebt hatte.Nimm doch unsere alte Fuzzie, sagte Leandra. Sie liegt schon seit 2 Tagen totim Stall. Grossmutter will sie auf keinen Fall zum Essen zubereiten. Heute,nach der Schule, wollte ich sie irgendwo im Wald vergraben. Du kannst jaMammut in unsere Scheune bringen und Fuzzie Deinen Eltern in die Küche.Aber Essen würde ich an Deiner Stelle nichts davon.Und genauso machten es dann die Kinder. Aus dem Wald heraus, hatte diegrosse Eule alles beobachtet. Natürlich war Sie es, die dafür gesorgt hatte,dass Mammut diese Tat von Jakob überlebte. Nur gegen die Eltern von Jan-nis konnte, oder besser gesagt durfte, auch Sie nichts ausrichten. Auch derEule waren Grenzen gesteckt.Am Abend sass Jannis zusammen mit seinen Eltern am Küchentisch.Ich liebe Huhn, sagte Jakob und bekam von Maria ein besonders grossesStück.Danke!Jannis, reich mir Dein Teller.Danke, aber ich hab keinen Hunger.Auch recht - dann bleibt uns mehr übrig, sagte Jakob süffisant und stopftesich genüsslich einen Schenkel von Fuzzie in den Mund.Nur einen Moment später spuckte er den fein säuberlich abgenagten Knochenauf seinen Teller. Auch Maria langte kräftig zu und meinte nach dem erstenBissen, dass das Fleisch von Mammut für deren Alter ungewöhnlich zäh sei.Darauf hin musste Jannis lachen, worauf ihn Jakob mit strengem Blick fi-xierte.Was gibt es denn da zu Lachen?Nichts, Papa. Du hattest sicher recht. Mammut hätte ja sowieso nicht ewiggelebt. Lang nur kräftig zu und lass es Dir schmecken.

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Diese Worte aus dem Mund von Jannis riefen einiges an Misstrauen bei Ja-kob hervor, welcher nun das Fleisch aufs genaueste untersuchte, aber nichtsUngewöhnliches feststellen konnte, worauf er, zum Vergnügen von Jannis,kräftig weiter ass. Als dann Jannis erneut Lachen musste, wurde er von sei-nen Eltern in sein Zimmer geschickt.Mit dem Jungen stimmt was nicht, sagte Jakob. Ich glaube er ist gestört.Ich will darüber nicht schon wieder mit Dir sprechen.Aber es stimmt nun mal. Ausserdem sieht er uns ganz und gar nicht ähnlich.Er ist...er ist...er ist irgendwie anders...Nun, dass er nicht Deine Figur hat, da bin ich ja schon froh.Das meine ich nicht. Du weisst genau wovon ich spreche. Letztlich habe ichihn beobachtet wie er mit den Tieren gesprochen hat. Der Junge ist schwergestört. Und dann ist er immer mit dieser Leandra zusammen. Dieses Kindhabe ich noch nicht einmal Weinen gesehen. Sie lacht dauernd. Das ist dochnicht normal. Wenn man beide genau ansieht, könnte man doch glatt meinen,dass sie...Hör auf! Fängst Du schon wieder damit an.Ist doch wahr. Frau Steiner hat die Beiden anfangs über 4 Monate als Ge-schwister in ihrem Klassenbuch geführt, bevor sie den Irrtum bemerkte.Ich will davon nichts mehr hören. Das ganze Dorf redet schon so. Du wolltestja unbedingt einen Knaben. Jetzt musst Du dich damit auch abfinden.Jetzt bin ich wieder Schuld. Warte nur - dem werd ich seine Flausen schonnoch austreiben.Von seinem Zimmer aus, konnte Jannis das Gespräch seiner Eltern nur zugut mitverfolgen. Doch machte er sich nichts mehr daraus. Es war ja nichtdas erste Mal, dass sie lauthals über ihn herzogen. Ohne ein weiteres Wortzu verlieren, verdrückten seine Eltern den Rest von Fuzzie was sie aber inder Nacht und auch in den nächsten Tagen mit heftigsten Bauchschmerzenzu bezahlen hatten.

So wie dieser Tag verliefen bislang die meisten Tage im Leben von Jan-nis. Und alles was er in der Schule versäumte, brachten ihm, so gut es ging,Leandra und Grossmutter Klara bei. Grossmutter Klara war die einzige Per-son im Dorf, wo selbst Jakob es nicht wagte, Ihrem Wort zu widersprechen.Schon oft hatte Sie Jannis gegen den Willen dessen Eltern zu sich nach Hau-se geholt. Und jedesmal wenn dies geschah, versuchten die Rassl’s dies mitbetonter Gleichgültigkeit zu überspielen. Jakob und Maria wussten, dass sieprotestieren konnten wie Sie wollten, am Ende jedoch würde immer Gross-mutter Klara gewinnen. Grossmutter Klara war nun mal die Älteste im Dorf.Ihr Wort hatte Gewicht und zwar in allen Angelegenheiten.Bei Grossmutter Klara war es einfach schön. Zusammen mit den Kindern

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dachte sie sich mitunter die verrücktesten Geschichten für die Zukunft aus.Insbesondere wünschten sich alle, dass sich für Jannis irgend wann einmalalles zum Besseren wenden würde.Sie konnten ja nicht ahnen, dass sich das Leben der Kinder schon so baldund weit mehr als sie sich je zu erträumen gewagt hatten, verändern würde.An einem für Menschen unzugänglichen Ort auf dieser Erde, in einer anderenRaum-Zeit-Dimension, wurde in dieser Nacht sehr intensiv über die Zukunftvon Jannis und Leandra diskutiert. In einem mit Fackeln beleuchteten Raumsassen in Stofffetzen gehüllt 3 riesige Geister an einem Tisch. Die Erdgeister.Einer von Ihnen trug den Namen Medisis. Und sie war es auch welche denKindern nach ihrer Geburt als Eule erschienen war.Medisis sass zusammen mit ihren Brüdern, Exodis und Numeris, einem nochviel aussergewöhnlicherem Wesen mit dem Namen Wesel gegenüber. Weselwar von der Gestalt her dem eines Menschen sehr ähnlich. Doch war er vielgrösser - mindestens so gross wie einer der Geister. Und seine Haut unter-schied sich von derjenigen eines gewöhnlichen Menschen in jeder Hinsicht. Siehatte nämlich die Eigenschaften eines Spiegels. Und in der Welt der Zaubererhiess es, dass sich darin sogar die Gedanken jener spiegeln würden, welcheWesel gegenüberstanden. Doch bislang hatte noch kein einziger Zauberer jedirekten Kontakt mit diesem sonderbaren Wesen gehabt. Einzig über einenbesonderen Spiegel war es ihnen möglich den Kontakt zu Wesel aufrechtzuer-halten. Insbesondere besass dieser Spiegel ähnliche Eigenschaften wie diesesSpiel welches nun die Erdgeister mit Wesel spielten.Es war ein Spiel welches auf den ersten Blick gewisse Ähnlichkeiten mit ei-nem Schachspiel aufwies. Doch waren die Unterschiede geradezu extrem. AlsBrett diente eine Tafel aus schwarzem Marmor. Und als Figuren dienten 20menschliche Augen welche nun von den Spielern Zug um Zug verschoben wur-den. Dieses Spiel war tatsächlich imstande die Reaktion des Bösen auf dieEingriffe der Erdgeister und ihren Verbündeten vorauszusagen. Doch dafürwar unabdingbar, dass sich als Gegenspieler der Erdgeister ein Vertreter ausder Unterwelt befand. Wesel war das einzige Wesen im Reich der Zauberer,welches imstande war, sich den Mantel des Bösen überzustreifen und danngenauso auf die Spielzüge der Erdgeister antwortete wie dies ein Diener derUnterwelt tun würde.Nachdem die Erdgeister sämtliche Schlüsselstellen ihres tollkühnen Planesmit Wesel durchgespielt hatten, war dies nun der Startschuss ihrer Opera-tion welche mit der Entsendung eines Boten in den Vatikan ihren Anfangnahm.Der Tag an dem sich die Kinder ihrer Aufgabe zu stellen hatten, war nunsehr nahe gerückt. 11 Jahre nachdem sie geboren wurden sollten Jannis undLeandra jenen Schatz zurückerobern, welcher von einer Hexe mit dem Namen

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Akara vor nun genau 33 Jahren der Menschheit entwendet wurde.

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Kapitel 2

Treffen der Magier

Heute ist...der 8. Dezember, sagte der Papst leise, als er den Kalender durch-ging.Sein Zeigefinger blieb bei einem grossen P stehen, welches er vor gut einemJahr dort eingetragen hatte.Die Prophezeiung. Morgen also. Ich muss nochmals im Cortum nachschlagen.Hmmmm....Trotz seines Alters von 80 Jahren erfreute sich der Papst bester Gesundheit.Zudem sah er wesentlich jünger aus. Einzig seine weissen Haare erinnertendaran, dass man es hier mit einem älteren Herrn zu tun hatte. Er war einMann von guter Statur. Weder dick noch dünn und an die ein Meter siebziggross. An diesem Morgen trug er eine weisse Jacke welche mit roten undgoldenen Stickereien verziert war. Abgesehen von dem wunderbaren Kreuzwelches er um den Hals trug, fiel sein Ring an der rechten Hand auf. DerFischerring. Ein Kennzeichen dafür, dass sein Träger der Pontifex Maximushöchstpersönlich war.Das Cortum war und ist das Buch der Bücher. Bis weit in die nächsten Jahr-tausende hinein, werden in diesem Buch sämtliche Prophezeiungen offenbart.Sicher verschlossen wird dieses Buch im Vatikan aufbewahrt und darf nur vomPapst eingesehen werden.Guten Morgen Eure Heiligkeit, rief Katja dem Papst entgegen, als sie in seinArbeitszimmer trat.Katja war Nonne und wahnsinnig stolz darauf dem Papst direkt unterstelltzu sein. Ihr Gesicht erinnerte ein wenig an die Heilige Jungfrau Maria. Stetstrug sie ein helles Nonnenkleid mit einer dazupassenden Kopfbedeckung. Diegrösste Stärke von ihr war die Pünktlichkeit. Wie eine Schweizer Uhr, pflegteder Papst zu sagen, wenn er sie lobte.Ich bringe Euch gleich das Frühstück.Nein! Danke, aber ich hab keinen Hunger. Heute bitte kein Frühstück.

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Aber Eure Heiligkeit, ihr müsst etwas...Danke! Das ist alles. Ihr könnt gehen.Wie Ihr wünscht.Wieder alleine, ging der Papst zum kleinen Sekretär an der Wand, öffne-te eine Schublade und entnahm einem darin eingebauten Geheimfach einengrossen Schlüssel. Nur schon vom Aussehen her konnte man darauf schlies-sen, dass er dafür bestimmt war, ein uraltes Schloss zu öffnen. Er stieg damitin den Keller hinab und passierte ein Eisernes Tor, welches von 2 SchweizerGardisten bewacht wurde. Nochmals lief er rund 50 Stufen in die Tiefe unddrehte laufend die an der Wand hängenden Öllampen an und stand, untenangekommen, erneut vor einer Türe. Nun liess er den Schlüssel ins Türschlossgleiten und öffnete, durch dreimaliges Drehen des Schlüssels nach rechts undeinmaliges Drehen nach links, insgesamt sieben Sicherungen welche die Türeverriegelten.Ein kreisförmiger Raum tat sich vor ihm auf mit gut 20 Metern Durchmes-ser. Zuerst entfachte der Papst auch hier die an den Steinwänden hängendenÖllampen. In der Mitte des Raumes stand einsam ein Lesepult welcher gross-zügig mit den Köpfen der Apostel verziert war. Der Papst trat an den Le-sepult, versicherte sich nochmals ob er tatsächlich alleine im Raum war unddrückte, eine bestimmte Reihenfolge einhaltend, 6 der Apostelköpfe. Undjedesmal wenn er auf einen der Köpfe drückte, sprach er ganz leise dessenNamen. Daraufhin wurde ein komplizierter Mechanismus innerhalb des Le-sepultes ausgelöst welcher das Cortum letztendlich zum Vorschein brachte.Selbst nach so vielen Jahren, konnte nicht einmal der Zahn der Zeit demBuch etwas anhaben. Es war ein Meisterwerk der Buchbindekunst und meh-rere tausend Seiten stark. Das Buch gab Auskunft über Prophezeiungen bisweit in die Vergangenheit zurück. Von den zukünftigen Prophezeiungen standkeine Silbe geschrieben. Diese Blätter standen alle leer. Erst wenn der Zeit-punkt des Eintreffens der Prophezeiung auf 1 Jahr herangerückt war, wurdeman über deren Inhalt ausführlichst informiert. Wer diese Prophezeiungen indas Buch schrieb, oder aber wie sie in das Buch gelangten, war bis heute einungelöstes Rätsel. Und wenn es nach dem Papst ging, dann sollte dies auchso bleiben. Für ihn gab es darauf sowieso nur eine Antwort. Und diese truger um seinen Hals.Für jede Prophezeiung war im Cortum eine Doppelseite reserviert. Auf derlinken Seite wurden in lateinischer Sprache alle Einzelheiten der Prophezei-ung beschrieben. Die rechte Seite war für Notizen des amtierenden Papstesreserviert. Anhand dieser Notizen erfuhr der Papst, was seine Vorgänger ansolchen Tagen beobachten konnten. Und jedesmal stand an der Stelle welchefür das Wetter reserviert war, dasselbe geschrieben.Stark bewölkt. Heftiger Regen.

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Nur selten wurde vom jeweiligen Papst vermerkt, dass ein sonderbarer Be-such stattgefunden hatte, oder aber, dass die Prophezeiung so wie im Buchbeschrieben, tatsächlich eingetroffen war. Auf häufigsten war ein Fragezei-chen notiert, was bedeutete, dass vom Papst nicht festgestellt werden konnteob nun die Prophezeiung in Erfüllung gegangen war oder eben nicht.Er prägte sich das Kreuz ein, welches bei der nun anstehenden Prophezeiungabgebildet war. Es sollte als Erkennungsmerkmal dienen, welches der Bote,der sich schon Morgen bei ihm vorstellen sollte, mit sich tragen würde.Wie schön es ist, fuhr es ihm durch den Kopf.Nochmals überflog der Papst die Prophezeiung:- Heiliger Gral -- Hexe Akara -- Zwillinge -Unmöglich! Da kann ich ja gleich ein Fragezeichen hinmalen. Hexe! HeiligerGral! Was ist denn dass für eine Prophezeiung?Sichtlich erregt schloss er das Buch und drückte die Köpfe der restlichen 6Apostel eine bestimmte Reihenfolge einhaltend wobei er erneut ihre Namenaussprach, worauf das Buch verschwand indem sich der Pult wieder schloss.Zurück im Arbeitszimmer horchte der Papst die Wettervorhersage im RadioVatikan....hier noch das Wetter. Für heute Nachmittag bis in den Abend hinein istmit durchwegs angenehmenWetter zu rechnen. Für diese Jahreszeit eindeutigzu mild. Es scheint, als ob unser lieber Petrus die Jahreszeiten verwechselnwürde. Diesbezüglich wollen wir nach den Nachrichten ein Gebet gegen denHimmel richten. Denn auch für Morgen, dem 9-ten Dezember, erwarten wirden ganzen Tag über viel zu mildes Dezemberwetter....9-ter Dezember, sagte er leise. Hmm - ja - das ist Morgen. Schönes Wet-ter...mal sehen.Auch am Abend drehte der Papst das Radio wieder auf und wartete auf denWetterbericht. An der Ansage hatte sich nichts geändert. Die Sonne würdeMorgen beinahe den ganzen Tag scheinen, hiess es. In der Nacht ging er einpaar mal ans Fenster und blickte gegen den Himmel. Aber es war Sternen-klar. Nicht ein Wölkchen war zu sehen. Einzig eine Sternschnuppe huschteüber das Himmelsgewölbe und verschwand genau so plötzlich wie sie aufge-taucht war. Diese ganze Sache verwirrte den Papst dermassen, dass er zumersten Mal Probleme mit dem Einschlafen hatte. Immer wieder wälzte er allesnochmals im Kopf durch, solange, bis Ihn endlich doch noch die Müdigkeitüberkam und er einschlief. Derweil wurde es in der Natur verdächtig ruhig.Kein Laut konnte man vernehmen. Und dann, urplötzlich, begann sich in derAthmosphäre etwas zu regen. Wie aus dem Nichts wuchsen allerorten überganz Europa grosse Wolken heran welche sich schon bald zu einer dicken

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Wolkendecke zusammengeschlossen hatten. Ruhe kehrte wieder ein.Am nächsten Morgen stand der Papst mit einem mächtigen Hunger im Bauchauf. Er konnte es kaum erwarten zu Frühstücken. Bemerkenswerterweise ver-schwendete er vorerst keinen einzigen Gedanken an dass, was ihm noch Stun-den zuvor das Einschlafen so erschwerte. Und wie er die Morgenzeitung solas, hörte er plötzlich ein Klopfen am Fenster. Er blickte auf und wollte nichtglauben, was er sah.Das gibt es doch nicht!Es regnete! Als er zum Fenster lief, konnte er all die vielen Menschen beobach-ten, welche sich schleunigst eine Unterkunft suchten. Der Regen wurde immerheftiger und die Wolken dunkler. Der Tag wurde zur Nacht. Alle Strassenla-ternen leuchteten und auch die wenigen Fahrzeuge welche unterwegs waren,konnten dies nur, wenn sie das Licht einschalteten.Selbst Katja welche ins Zimmer kam und das Essen brachte, war aufgebracht.Was ist nur mit dem Wetter los? Alle sind überrascht. Selbst in der Zeitungstand, es würde heute ein schöner Tag werden und jetzt sieh sich dass eineran. Es ist fast zum Fürchten.Dem Papst war etwas mulmig zumute. Ungeduldig drehte er das Radio auf.Doch auf Radio Vatikan ertönte zu dieser Zeit nur Kirchenmusik. Schnellsuchte er sich einen anderen Sender. Dann endlich, hatte er einen Kanal ge-funden welcher gerade über das Wetter berichtete....ja, ein Wolkenbruch. Wir können noch nicht erklären wie es dazu kommenkonnte, aber das Wetter spielt total verrückt. So wie es aussieht werden dieRegenfälle noch den ganzen Tag andauern.Danke Toni. Wir schalten jetzt nach Berlin zu Lisa. Wie sieht es bei Euchaus Lisa. Regnet es schon Katzen und Hunde?Wenn es so weiterregnet würde mich das nicht wundern, Alberto. Ich kannnur sagen Regen, Regen, Regen. Und es scheint als ob er noch zulegen wür-de. Die meisten Strassen stehen schon unter Wasser. Auch Österreich und dieSchweiz hat es ziemlich hart getroffen. Die ersten Felder stehen schon knie-tief unter Wasser. Und von den Bergen wird uns heftiger Schneefall gemeldet.Hier in Berlin traut sich keiner mehr ohne Stiefel aus dem Haus. Ich kannallen Hörern nur raten, wenn Sie können bleiben Sie am besten zuhause.Danke Lisa. Das war eine Live-Schaltung nach Berlin. Bleiben sie dran, aufKanal 1 werden...Der Papst schaltete das Radio wieder aus. Er überlegte kurz, dann rief erKardinal Thomas, seinen Sekretär, zu sich.Ein grosser, schlaksiger Mann mit wenigen Haaren auf dem Kopf betrat denRaum.Ja, Eure Heiligkeit.Sagen Sie sämtliche für heute vorgesehenen Termine ab. Ich fühle mich nicht

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besonders.Wie Sie wünschen, Eure Heiligkeit.Ach, noch was.Ja, Eure Heiligkeit.Ich erwarte auf Heute noch einen Besucher. Falls er eintreffen sollte, lasst esmich wissen.Gewiss! Und der Name dieses Besuchers?Wie?Der Name, Eure Heiligkeit! Vom Besucher!Der Name...tja...meldet mir einfach jede Person die mich sehen will. Gehtjetzt.Eure Heiligkeit.Stundenlang starrte der Papst aus dem Fenster hinaus ob er wohl etwas er-kennen könnte. Nichts. Keine aussergewöhnlichen Vorkommnisse konnte erfeststellen noch wurden ihm irgendwelche Besucher gemeldet.

Doch an einem weit entfernten Ort, hoch über demMatterhorn in der Schweiz,passierte Seltsames.Weit über dem Gipfel konnte man einen Steinadler erkennen, welcher schonseit längerer Zeit elegant seine Kreise durch die Lüfte zog. Dieser Adler un-terschied sich aber ganz gewaltig von seinen Artgenossen. Zum einen trugdieser doch glatt eine Brille mit Gläsern die so dick waren wie Aschenbecher.Darüber hinaus schneuzte er sich mit einem Taschentuch immer wieder seineNase, denn offenbar hatte er sich etwas erkältet. Nach einer Weile tauchteein Seeadler auf. Dieser hatte einen Schal um seinen Hals gewickelt. Ohne zuzögern schloss er sich dem Steinadler an.Prof. Riemann, Sie waren natürlich der Erste, sagte Frau Prof. Platinov. Wasfür eine Freude, Sie zu treffen.Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Prof. Platinov. Mir kommt es vor alshätten wir uns erst gestern gesehen. Hatten Sie einen guten Flug?Ja, Danke. Wenn auch diesmal die Kälte mir mächtig zu schaffen machte. InRussland herrscht tiefster Winter.Was für ein Tag, finden Sie nicht auch? Ich bin ja so aufgeregt. Endlich wirddas Geheimnis gelüftet. Ich kann’s kaum noch erwarten. 11 Jahre haben wirdarauf gewartet. 11 Jahre!Ach...aufgeregt bin ich auch, aber...aber mehr aus Angst vor...nun ja...ichdenke immer an...Ja. An wen denn?Nun, Sie wissen doch...Akara?Ja! Was, wenn es Ihr nochmal...

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Dass wird Ihr aber nicht.Aber selbst der Vorsitzende...Beruhigt Euch. Ausserdem will ich im Moment nicht an diese Hexe denken.Mich quälen ganz andere Fragen. Wo wurden die Zwillinge wohl geboren?Wie heissen Sie? Ich platze vor Neugier, ich....ahhh, seht doch, da kommendie Kollegen.Mit kräftigen Flügelschlägen näherten sich Prof. Zermelo in Form eines Schwarz-schultergleitaares, Prof. Comte als Andenkondor sowie Frau Prof. Katana alsHochlandbussard und Prof. Amun welcher sich in einen Sekretär verwandelthatte.Auf der Erde existieren schon seit Jahrtausenden Zauberschulen. Natürlichist jede von ihnen für normale Menschen weder sichtbar noch zugänglich.Und jeder der hier versammelten Professoren, leitete eine dieser Schulen. InAfrika wurde die Schule von Prof. Amun geleitet. Amerika war ganz in denHänden von Prof. Comte. Die Weiten von Australien waren die Heimat vonProf. Zermelo. In Asien war Prof. Katana und in Russland Prof. Platinovzuhause. Europa war die Heimat von Prof. Riemann. Nur die besten undtalentiertesten Zauberer jeder Zauberschule hatten das Privileg ihre Schu-le repräsentieren zu dürfen. Den Schülern war es einzig und alleine erlaubt,die Vorsteher der Zauberschulen unter dem Titel des Maestro anzusprechen.Doctor Miraculus. So und nicht anders hatten die Schüler sie anzusprechen.Es sprach für die aussergewöhnliche Begabung der hier versammelten Zaube-rer, da ein jeder von ihnen sein Amt schon weit mehr als 10 Jahre innehatte.Der Gastgeber, Prof. Riemann, begrüsste nun seine Gäste, während alle umdie Spitze des Matterhorns flogen welches gerade noch aus den Wolken her-ausragte. Und noch während die Professoren untereinander erste Höflichkei-ten austauschten, näherte sich ihnen eine rabenschwarze Wolke.Meine Damen - meine Herren - es ist soweit, sagte Prof. Riemann.Nun zog er ein kleines Fläschchen zwischen seinem Federkleid hervor worausjeder von ihnen mit dem Schnabel gierig nach ein paar Tropfen schnappte.Sorgfältig verschloss er die kleine Flasche und steckte sie wieder weg.Also dann. Darf ich sie nun bitten mir zu folgen, es ist nicht mehr weit. Wir...Was ist denn dass für eine seltsame Wolke hinter Euch, unterbrach Prof. Ka-tana.Nichts Böses ahnend drehte sich Prof. Riemann zur Seite worauf sich dieWolke im selben Augenblick in einen riesigen Flugsaurier verwandelte dersofort nach seinem Leben trachtete. Dank einer schnellen Reaktion, hatteProf. Riemann, ausser einem riesigen Schrecken und dem Verlust von einigenFedern den Angriff relativ unbeschadet überstanden.Grundgütiger, das ist ein Pergamendon, schrie Prof. Riemann.Aufgrund des Zaubertrankes welcher jeder von ihnen eingenommen hatte,

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konnte es im Moment keiner von ihnen mit diesem gefährlichen Gegner auf-nehmen.Los! Folgt mir, schrie Prof. Riemann.Erneut näherte sich das riesige Monster, riss sein mit messerscharfen Zäh-nen besetzte Maul auf, und wie es zuschnappen wollte gingen urplötzlichalle Professoren in den Sturzflug über. Tauchten ein in das Wolkenmeer undnahmen, begleitet von Blitz und Donner, Kurs direkt auf die Südflanke desMatterhorns. Endlich machte sich der Zaubertrank bezahlt, denn einer nachdem anderen verschwand von einem auf den anderen Moment im Innerendes Berges. Der Pergamendon jedoch prallte bei voller Geschwindigkeit aufder Felswand auf und stürzte mit gebrochenem Genick in die Tiefe. Nochbevor er den Grund erreichte ging er in Flammen auf und verbrannte bis zurUnkenntlichkeit.Prof. Riemann und seine Freunde fanden sich in einem mit Fackeln beleuch-teten riesigen Raum im Inneren des Berges wieder. Lautlos landete einer nachdem anderen. Dann bildeten sie einen Kreis worauf ein jeder von ihnen anfingheftig mit seinen Flügeln zu Flattern und sich zu Schütteln. Wie ein Panzeraus Ton zersprang nun ein jedes Federkleid in Tausend Stücke und nachein-ander erhoben sich nun die Zauberer in ihrer Menschengestalt. Ein jeder vonihnen trug einen dunklen Umhang, mit einem Abzeichen auf Brusthöhe. DemWappen ihrer Schule.Dass war knapp, sagte Prof. Riemann und rückte sich seine Brille zurecht.Prof. Riemann war gross und schlank und seine Haare waren so weiss wieder Schnee. Sein dichter Bart nutze er genauso wie vorhin sein Federkleid.Er konnte darin allerlei nützliche Sachen unterbringen. Selbst ein Pausenbrotfür unterwegs fand darin locker Platz.Prof. Katana war gemessen an der Körpergrösse die Kleinste von allen. Ver-mutlich trug sie deshalb einen so grossen Hut, denn damit überragte sie sogarProf. Riemann. Sie hatte schöne, dunkle asiatische Augen und ihr Mund schi-en das Lächeln geradezu gepachtet zu haben.Bei Prof. Platinov konnte man an ihren Augen ablesen, aus welchem Landsie kam. Sie waren nämlich so Blau und eiskalt wie das Eis welches man indieser Farbe nur in einem Land wie Russland zu sehen bekam. Ihr Kopf warbeinahe quadratisch und ihr pechschwarzes Haar hatte sie immer zu einemZopf zusammengebunden. Die Stiefel welche sie trug waren auffallend hoch-hakig und vorne so spitz, dass sie von Prof. Platinov auch schon als Waffeeingesetzt wurden.Prof. Comtes Umhang war von Löchern nur so übersäht. Doch trug er diesemit Stolz zur Schau. Immer wieder kam er auf die guten alten Zeiten imWilden Westen zu sprechen, wo die Leute, ohne lange zu Fackeln die Pistolegezogen und auf ihn geschossen hätten. Das war wohl auch der Grund für sei-

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ne Körperhaltung. Denn er stand immer wie ein schiesswütiger Cowboy da.Dabei schnalzte er oft nervös mit seinen Fingern. Ausserdem hatte er einenSpitznamen - Lincoln. Denn genau so, wie der einstige Präsident Amerikassah er auch aus.An Prof. Amun war so ziemlich alles geheimnisvoll. Es war der Verschlos-senste von allen. Vielleicht war auch dies mit ein Grund weshalb seine Schuleden unvorteilhaften Ruf genoss, Schwarze Magie zu betreiben. Seine Haarewaren schwarz und sehr kurz und er selbst von sehr kräftiger Statur. Undimmer trug er ein seltsames sichelförmiges Amulett auf seiner Brust. EineErinnerung an das alte Ägypten war alles was er dazu zu sagen hatte, wennman ihn darauf ansprach.Prof. Zermelo war unverwechselbar. Sein Gesicht war dermassen von Faltenüberzogen, dass es schien, als hätte ihm die Sonne Australiens eine Stras-senkarte eingebrannt. Doch der Grund für seine Entstellung rührte von an-derswo her. Dazu muss man wissen, dass sich seine Zauberschule vor derKüste Australiens, auf dem Meeresboden, befindet. Vor langer Zeit hatte ihnein Seeungeheuer angegriffen und ihn am Gesicht und Bein schwer verletzt.Seither schleifte er sein rechtes Bein für alle gut hörbar hinterher. Er warkräftig gebaut und trug einen silber schimmernden Bart. Unter seiner Lei-tung gelangte die Schule zu Ruhm und Glanz. Denn er hatte die besondereGabe, seinen Schülern selbst die kompliziertesten Zaubersprüche so einfachzu erklären, dass beinahe ein jeder sie verstehen konnte. Und jene, welchees dann immer noch nicht verstanden hatten, denen war auch nicht mehr zuhelfen.Immer noch von dem eben erlebten gezeichnet reichten sich die Professorengegenseitig die Hände und begrüssten sich nocheinmal aufs Höflichste.Alles in Ordnung mit Ihnen, fragte Prof. Comte.Ja - Danke, antwortete Prof. Riemann.Dass war einer von Akara’s Leuten, stellte Prof. Platinov mit eiskalter Stim-me klar.Woher wollt Ihr das wissen, fragte Prof. Amun gereizt.Woher? Was soll die Frage? Wer könnte wohl sonst dahinterstecken? Ich hat-te von Anfang an, seit ich von diesem Treffen erfahren habe, ein ungutesGefühl.Wir werden den Vorgesetzten über diesen Vorfall informieren, sagte Prof.Riemann.Dann lief er auf Prof. Katana zu.Ich muss mich bei Ihnen bedanken. Ihr habt mich gerettet!Ich - den grossen Prof. Riemann gerettet? Wenn ich das meinen Schülernerzähle, antwortete sie verlegen.Ich störe nur ungern, unterbrach Prof. Zermelo, aber sollten wir uns nicht

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wieder auf unsere eigentliche Aufgabe konzentrieren.Gewiss, antwortete Prof. Riemann. Ihr habt recht.Heute war nun jener Tag angebrochen den sich alle, selbst Prof. Platinov,so sehnlichst herbeigewünscht hatten. Keiner von ihnen wusste, wo die be-rühmten Zwillinge auf die Welt gekommen waren. Ein jeder hoffte, dass essein Kontinent treffen und sich die Kinder womöglich schon in der eigenenSchule auf ihre ehrenvolle Aufgabe vorbereiten würden. Dadurch würde derRuf dieser Schule auf Jahre hinaus den der Konkurenz bei weitem in denSchatten stellen.Wir sollten uns in den hinteren Saal begeben, sagte Prof. Riemann. Es istbald 9 Uhr.Die Ankunft des Vorsitzenden wurde immer mit viel Spannung erwartet. DieZauberer wussten, dass insgesamt 3 Geister den Vorsitz präsidierten. Jedocherschien jeweils nur einer davon zu Ihren Treffen welches dann auch von die-sem geleitet wurde. Im Saal angekommen nahm jeder der Repräsentanten aneinem grossen Tisch an dessen Ende ein grosser Thron stand, seinen Platzein. Angeregt unterhielten sie sich weiter.Ich habe da eine Frage, sagte Prof. Comte zu Prof. Platinov. Wie ich hörteunterrichten Sie an ihrer Schule Zwillinge?Mehr als je zuvor.Was Sie nicht sagen. Wissen Sie, fuhr Prof. Comte fort, auf unserem Konti-nent haben wir genau 36 Zwillinge welche die Voraussetzungen mitbringenals Zauberschüler anerkannt zu werden. 5 davon befinden sich bereits in mei-ner Schule.Tatsächlich! Nun, ich glaube da muss ich Sie enttäuschen. Bei uns gibt esgenau 76 Zwillinge die wir in unsere Schule aufnehmen könnten. Davon be-finden sich inzwischen 26 in unserer Schule. Die Wahrscheinlichkeit ist rechtgross, dass wir das Rennen machen.Aber meine Professoren, unterbrach Prof. Katana. Dass sind doch keine Zah-len welche sie da vorbringen. In Asien gibt es 376 Zwillinge und davon befin-den sich schon 50 in unserer Schule.Und wie steht es mit ihnen, Prof. Zermelo, fragte Prof. Comte.Nun auf meinem Kontinent kamen keine Zwillinge auf die Welt welche denAnforderungen entsprechen würde.Damit fiel in den Augen von Prof. Comte schon mal einer aus dem Rennen.Blieben noch Prof. Riemann und Prof. Amun.Prof. Amun winkte sofort ab, denn seinem Kontinent erging es genau gleichwie dem von Prof. Zermelo.Bleibt also noch Europa übrig, sagte Prof. Comte. Wieviele der in Frage kom-menden Zwillingsgeburten erblickten bei Euch das Licht der Welt, verehrterKollege.

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13, gab Prof. Riemann zur Antwort. Doch keiner dieser Zwillinge bringt dienotwendige Voraussetzung mit, um sich in eine Zauberschule einschreiben zukönnen.Diese Worte zauberten auf die Gesichter von Prof. Comte, Prof. Katana undProf. Platinov ein erleichtertes Lächeln. Und während sich die Einen schonihre Chancen ausrechneten, ob es wohl ihren Kontinent treffen würde, nahmvon allen unbemerkt der Vorsitzende seinen Platz ein und betrachtete dasGeschehen mit aller Gelassenheit.Der Vorsitzende, rief Prof. Riemann seinen Kollegen zu.Sofort standen alle auf und verbeugten sich. Jede andere Person wäre nurschon vom Anblick völlig verängstigt gewesen. Nicht so unsere Magier welcheschon seit etlichen Jahren intensiven Kontakt mit dieser den Menschen sofremden Welt pflegten.

Danke, dass ihr alle gekommen seid, sprach der Vorsitzende mit tiefer, uralterStimme. Bitte setzt Euch wieder. Wie ihr wisst, ist heute der Tag gekommen,an dem ich Euch mitteilen werde welcher Repräsentant von Euch als Botedieses Kreuz, welches ich hier in meinen Händen halte, dem Papst über-bringen wird. Die Wahl wird auf denjenigen unter Euch fallen, auf dessenKontinent die sogenannten - Zwillinge - geboren wurden. Eines vorweg. DerName - Zwillinge - entstand, aufgrund ihrer vielen gemeinsamen Merkmaleund nicht weil sie im eigentlichen Sinne Zwillinge sind.Prof. Katana, Prof. Platinov und Prof. Comte nahmen diese Nachricht sicht-lich enttäuscht entgegen.Der Bote, so der Vorsitzende weiter, wird den Papst beauftragen dessen Un-tergebenen, Kardinal Paulus, zur Abtei St. Martin im Norden Italiens zuentsenden. Kardinal Paulus soll dem dort anwesenden Abt diesen Schlüsselhier, dabei hielt der Geist das Kreuz in die Höhe, übergeben. Damit lässtsich in genau 2 Tagen um Punkt Mitternacht eine Türe im Keller dieser Ab-tei öffnen. Hinter dieser Türe wird der Abt von Meinesgleichen erfahren wogenau sich die Kinder befinden und was in weiterer Folge zu tun sein wird.Gibt es Fragen?Ja, antwortete Prof. Riemann. Wenn der Bote das Kreuz an den Papst über-gibt, verwandelt sich das Kreuz später selbst in einen Schlüssel, oder...Schön dass Ihr diese Frage stellt. Denn Ihr seit der Bote. Ihr werdet den Papstaufsuchen. Und Ihr werdet das Kreuz vor den Augen des Papstes in einenSchlüssel verwandeln. Damit räumt Ihr allfällige Zweifel welche der Papst anEuch haben könnte, vom Tisch. Er ist recht misstrauisch.Dann sind die Kinder also in Europa auf die Welt gekommen. Wie hab ichmir dass doch gewünscht.Der Vorsitzende überreichte ihm nun das Kreuz.

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Wie schön es ist. Wahrlich ein Kunstwerk. Ich werde den Auftrag zu Eurervollsten Zufriedenheit erfüllen.Davon bin ich überzeugt. Ihr alle wisst, wie wichtig diese Sache ist. Ein Schei-tern dieses Vorhabens hätte ungeahnte Folgen. Ich hoffe die Enttäuschung istbei den Repräsentanten der anderen Schulen nicht allzu gross. Aber sovielsoll schon mal verraten sein. Die Zwillinge sind nicht Schüler Eurer Schule,Prof. Riemann.Wo wurden sie denn unterrichtet?Bis jetzt wurden sie nirgendwo unterrichtet.Aber, wie sollen sie denn in so kurzer Zeit die Grundlagen der Zauberei er-lernen, fragte Prof. Zermelo. Da wäre es doch besser gewesen, wenn man siein einer unserer Schulen auf ihre Aufgabe vorbereitet hätte.Diesen Kinder ist die Zauberei in die Wiege gelegt. Trotzdem - sie werdenunterrichtet werden. Schon bald. Aber nicht in einer von Euren Schulen. Zu-mindest vorerst noch nicht.Darf man fragen wer denn deren Lehrer sein soll, fragte Prof. Katana neu-gierig.Predun, antwortete der Vorsitzende.Predun? Ich dachte er wäre Tod, sagte Prof. Riemann leise. Akara hat ihn,wie es hiess, getötet.Das dachten viele. Aber er lebt. Sie hat Ihn sehr schwer verwundet. Akarahat ihm sein Augenlicht genommen.Nun waren die Professoren kaum noch zu halten. Predun galt als der Zau-berer schlechthin. Seine Zauberkunst war unter ihresgleichen unerreicht. Erhielt sich schon in Tiefen des Universums auf, wo selbst die Geister nicht ohneRisiko hingelangen konnten. Er war der einzige Zauberer, dem die Ehrendok-torwürde - Doctor Miraculus - von jeder der Zauberschulen verliehen wurde.Er war es auch, der in der Vergangenheit das Niveau aller Zauberschulen aufeinem so hohen Level hielt. Daran bestand gar kein Zweifel. Selbst wenn ereinen Teil seiner berühmten Zauberkunst von Akara erlernt hatte, war er es,der immer wieder gegen die dunklen Mächte ankämpfte. Seit dem Zeitpunktwo Predun mit ihnen in den Krieg gegen Akara gezogen war, galt er als ver-misst. Dies hatte nach all den vielen Jahren zu Spekulationen geführt, erwäre wohl von Ihr getötet worden. Dieser Verlust ging auch an den Zauber-schulen nicht spurlos vorüber. Ohne Predun’s Hilfe kamen sie allesamt mitihren Forschungen nicht so recht voran. Doch dies sollte sich mit seiner Rück-kehr und erst recht mit dem Eintritt der Zwillinge in die Zauberwelt schonbald ändern. Besonders Prof. Riemann pflegte früher intensiven Kontakt zuPredun. Erinnerungen an seinen verloren geglaubten Freund wurden in ihmwieder wach.Herr Vorsitzender - Bitte - wann werden wir Predun wiedersehen?

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Ich hoffe schon bald. Mir ist bewusst, dass Euch alle eine tiefe Freundschaftmit Predun verbindet. Dies gilt besonders für Euch, Prof. Riemann. Abernoch braucht Ihr etwas Geduld. Predun wird sich erneut mit Akara treffen.Was? Aber warum denn? Warum will Predun solch ein Risiko eingehen?Prof. Riemann war aufgebracht und entsetzt.Risiko? Was wäre das Opfer eines Zauberers im Vergleich zur Rettung dieserWelt?Ihr habt natürlich Recht. Ich...Ich weiss. Doch wir sind mit seinem Vorhaben einverstanden. Vergesst nicht- unser aller Zukunft ist vom Erfolg der Kinder abhängig. Predun wird siemit all seinen Kräften unterstützen.Aber wenn er nichts mehr sehen kann, unterbrach Prof. Amun, wie ist es ihmdann möglich diese Kinder zu unterrichten?Habt Ihr je meine Augen gesehen, fragte der Geist.Nein, aber...Aber was?Nichts. Tut mir Leid, ich wollte Euch nicht widersprechen. Aber kann nichtjeder Einzelne von uns einen Beitrag zu dieser Aufgabe leisten? Ich kommemir so nutzlos vor.Alle, ausgenommen Prof. Riemann natürlich, stimmten mit Prof. Amun vollund ganz überein. Sie baten den Vorsitzenden, ihnen ebenfalls Aufgaben zuübertragen.Ob und wann Euch in dieser Sache eine Aufgabe übertragen wird, werdet ihrzu gegebener Zeit erfahren. Verstanden?Ja - ertönte es fast gleichzeitig aus den Mündern der Zauberer.Gut, dann sind wir uns einig. Predun wird sich der Kinder annehmen.

Und was ist mit dem Spion im Vatikan, von dem Ihr uns zuletzt berichtethabt, fragte Prof. Riemann. Im Übrigen wurden wir, bevor wir hier eintrafen,von einem Flugsaurier angegriffen.Das war natürlich ein Diener von Akara. Wir vermuten, dass Akara keinegenauen Kenntnisse über die Prophezeiung hat. Auch ist den Zwillingen bisheute nie etwas Bedrohliches widerfahren. Doch die jüngsten Anzeichen, wienun etwa dieser Pergamendon lassen erahnen, dass diese Hexe inzwischenmehr wissen könnte, als uns allen bewusst ist. Sie brachte viele Zaubererdazu ihrem Weg zu Folgen und ihr zu Dienen. Wir müssen jederzeit mit wei-teren Überraschungen rechnen.Was den Spion im Vatikan angeht, so sind wir uns dieser Sache nicht mehrso sicher, gab der Vorsitzende kurz zur Antwort. Prof. Riemann, Ihr wer-det den Papst trotzdem darauf hinweisen, dass eventuell auch der Vatikanbespitzelt wird. Mehr braucht ihr ihm nicht zu verraten. Dies würde am En-

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de mehr Schaden anrichten als es uns Nützen würde. Nur schon alleine dieVermutung, dass sich ein Spion im Vatikan befinden könnte, wird ihn dazuveranlassen zusätliche Sicherheitsmassnahmen für die sensiblen Bereiche ein-zuleiten, was wiederum kein Nachteil ist.Doch war dies nicht die volle Wahrheit, welche der Vorsitzende sprach. Denner wusste sehr genau, dass es ein Spion im Vatikan gab. Noch dazu wussteer wer es war. Doch aus einem bestimmten Grund liess er dies die Zauberernicht wissen. Denn es hatte sich gezeigt, dass mindestens einer unter denZauberern ein Verräter sein musste. Doch noch war selbst den Geistern nichtklar, wer dies sein konnte.Dies ist alles was ich Euch zu berichten habe, sagte der Geist. Hoffen wir,dass wir bei unserem nächsten Treffen einen Erfolg feiern können. Ansonstenstehen uns bittere Jahrhunderte bevor. Euch allen wünsche ich nun jedenerdenklichen Erfolg.Erneut standen die Professoren auf und verneigten sich. Und genauso spon-tan wie Exodis gekommen war, war er auch schon wieder verschwunden.Ausgerechnet Europa, ärgerte sich Prof. Comte. Alles Wichtige befindet sichin Europa. Es wäre an der Zeit, dass für solche Aufgaben vermehrt andereKontinente berücksichtigt würden.Prof. Katana und Prof. Platinov stimmten den Worten von Prof. Comte ohneauch nur mit der Wimper zu zucken voll und ganz zu.Aber meine Professoren, fuhr Prof. Zermelo dazwischen. Wir sollten uns nichtstreiten und schon gar nicht an diesem Ort. Gratulieren wir Prof. Riemannzu seiner Aufgabe und hoffen wir auf eine gute Entwicklung.Es ist schon seltsam, sagte Prof. Riemann. Plötzlich, nach all den Jahren,taucht Predun wieder auf. Dass er nun diese Kinder unterrichten wird findetbei mir vollste Zustimmung. Ich kenne niemanden, der besser für diese Auf-gabe geeignet wäre. Aber warum nur wurden wir solange nicht informiert,dass er noch am Leben ist?Nun, zum Einen können Sie dies wohl schon sehr bald Predun persönlich fra-gen, sagte Prof. Amun. Zum Anderen kennen Sie den Vorsitzenden von unsallen am Besten. Also wenn Sie diese Entscheidung von ihm nicht verstehen,wie soll sie denn einer von uns verstehen?Ja, gewiss. Nun denn, meine lieben Freunde. Ich darf euch nun bitten, mirauf den Zauberberg zu folgen. Ich hoffe ihr bleibt diesesmal etwas länger wieauch schon.Zusammen verliessen sie das Matterhorn in Richtung Zauberberg. Seit jeherwar die Umgebung um Davos, wo Prof. Riemann seine Schule hatte, selbstunter den Menschen als Der Zauberberg bekannt. Der Flug vom Matterhornbis nach Davos verlief für unsere Zauberschuldirektoren völlig reibungslos.Das Schloss von Prof. Riemann befand sich ausserhalb des Dorfes mitten in

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34 KAPITEL 2. TREFFEN DER MAGIER

einem dichten Wald. Zwei Turmspitzen welche aus dem Wald ragten konnteman von weitem sehen. Und natürlich wehte eine Flagge auf einem der Tür-me. Das Schloss bot Platz für beinahe 500 Schüler. Doch waren die Schülerso kurz vor Weihnachten zu Hause bei ihren Eltern. Ausserdem war die Schu-le nur während den Sommerferien, wirklich zum Bersten voll. Somit hattenProf. Riemann und seine Kollegen alle Räumlichkeiten für sich. Dies nutz-ten sie diesmal auch aus und die Zusammenkunft wurde zu einem vollenErfolg. Sämtliche Repräsentanten waren rundum zufrieden mit ihrem Gast-geber. Hauptthema waren natürlich - Die Zwillinge - und der Besuch vonProf. Riemann beim Papst. Noch am gleichen Tag machte er sich auf denWeg in den Vatikan. Ungeduldig warteten seine Freunde auf seine Rückkehr.

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Kapitel 3

Der Bote

Kardinal Thomas betrat spätabends das Arbeitszimmer des Papstes.Eure Heiligkeit, entschuldigt die Störung.Ja. Was gibt’s?Nun, ich glaube Euer Besuch ist eingetroffen. In der Eingangshalle wartetein Mann, welcher behauptet, er hätte mit Euch einen Termin vereinbart. Erwill Euch sprechen.Wie ist sein Name?Den wollte er nicht nennen. Er sagte mir nur, ich soll Euch dieses Kreuz hierüberreichen.Als der Papst das Kreuz in die Hand nahm stockte ihm der Atem. Seinegrossen weissen Augenbrauen hoben sich in die Höhe und langsam öffnete erseinen Mund. Er versuchte etwas zu sagen, aber es ging nicht. Erst mussteer sich setzen.Was ist mit Euch?Thomas!Ja, Eure Heiligkeit.Begleitet den Besucher in die Bibliothek und sagt ihm, dass ich sogleich kom-men werde. Und Thomas!Ja, Eure Heiligkeit.Thomas, sorgt dafür, dass es ihm an nichts fehlt, hört Ihr, an nichts.Eure Heiligkeit, ist alles in Ordnung? Ihr seht auf einmal so besorgt aus.Geht, Thomas, geht. Beeilt Euch! Kümmert Euch nicht um mich.Kardinal Thomas lief in die Eingangshalle zurück.Er bemühte sich, seine Abneigung dem Besucher gegenüber hinter einem brei-ten Lächeln zu verbergen. Er spürte förmlich, dass der Fremde mehr über ihnwissen könnte, als ihm lieb war. Alles an diesem Besucher stiess bei ihm aufAblehnung. Angefangen von dem in einem vornehmen Anzug mit Krawattesteckenden Körper, welcher seiner Meinung nach so gar nicht zum Kopf pas-

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36 KAPITEL 3. DER BOTE

sen wollte mit seinen weissen Haaren und dem grossen Bart welcher geradezuetwas Mystisches ausstrahlte. Und auch die Hände mit ihren bemerkenswertlangen Fingernägeln, riefen bei Kardinal Thomas einiges an Misstrauen her-vor. Prof. Riemann hingegen überging grosszügig die abweisenden Signalewelche ihm Kardinal Thomas entgegenbrachte.Eure Heiligkeit bittet Euch in die Bibliothek, sagte Kardinal Thomas scharf.Bitte folgen Sie mir.Gerne, antwortete Prof. Riemann freundlich.Die Bibliothek war reichlich mit dunklem Mahagoni ausgestattet. Die Räumewaren riesig. Und überall Bücher. Bis hoch an die Decke hinauf.Was darf ich Ihnen zu Trinken bringen?Danke, aber ich habe keinen Durst.Darf es etwas anderes sein?Sehr freundlich, aber Danke, ich möchte nichts, in der Tat.Eure Heiligkeit wird in Kürze erscheinen.Prof. Riemann lächelte freundlich und verabschiedete Thomas mit einemleichten Nicken des Kopfes.Nach ein paar Sekunden kündigte das Knirschen einer schweren Holztüreden Eintritt des Papstes in das Bibliothekzimmer an. Das gleiche Knirschenbeim Schliessen der Türe. Langsam und mit weit aufgerissenen Augen tratder Papst vor den angekündigten Boten.Ihr wisst wer ich bin?Ja! Ja ich weiss es. Ihr seid...Ihr seid der Bote aus der Prophezeiung. Ichhätte es nicht für möglich gehalten, aber...ich muss mich setzten.Der Papst öffnet ein paar Knöpfe seiner Jacke.Wollt ihr was zu Trinken, fragte Prof. Riemann.Nein, nein nein. Ich - ach ich fühle mich glücklich und traurig zugleich. Ichhabe das Kreuz sofort erkannt, es strahlte mich an, genau wie in der Pro-phezeiung beschrieben. Ich...jetzt erinnere ich mich auch wieder an den Reimwelcher in der Prophezeiung aufgeführt ist.

Ein Stern wird vom Himmel fallenVom Boten dem Papste gebracht

Sternenglanz wird in seinen Händen erstrahlenAls gäb’s weder ein Morgen noch eine Nacht

Da war eine Sternschnuppe - letzte Nacht - ich hab sie gesehen. Ich weiss garnicht was ich sagen soll, ich...wie, wie ist Euer Name?Namen sind ohne Bedeutung. Auf den Boten kommt es nicht an.Von allen Prophezeiungen die mir bekannt sind, ist diese hier wohl eine derBedeutendsten. Nun, ihr wisst, ich bin nur ein Mensch, auch mir unterlaufenIrrtümer und Fehler. Als ich zum ersten Mal das Cortum aufschlug und darin

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las, musste ich innerlich Lachen. Und obschon ich das Buch später gelesenund studiert hatte, glaubte ich nicht daran. Bis ich vor 5 Minuten diesesKreuz in die Hände bekam. Ich Schäme mich so. Wie konnte ich daran nurZweifeln? Ich...Selbst die Apostel hatten ihre Zweifel, unterbrach ihn Prof. Riemann. Warumsolltet Ihr keine haben? Zweifel begleiten jeden Menschen in seinem Leben.Niemand sollte sich derer Schämen. Warum wohl ist der Pult wo das Cortumaufbewahrt wird, ausgerechnet mit den Köpfen der Apostel geschmückt?Woher wisst Ihr...Ihr habt natürlich Recht. Die ganze Zeit war die Antwortvor meinen Augen, doch habe ich sie nicht erkannt.Ich gebe zu, fuhr Prof. Riemann fort, dass ich mir gewünscht habe, Euch ineiner erfreulicheren Angelegenheit aufsuchen zu dürfen. Viele Menschenlebenhängen vom Erfolg dieses Unterfangens ab.Bitte, ich bitte Euch, schildert mir aus eurem Munde was mit dem HeiligenGral geschehen ist. Ich, ich bin mir nicht mehr sicher...Natürlich. Wie Ihr sicher wisst, haben dunkle Mächte immer wieder ihreHand nach dem Heiligen Gral ausgestreckt. Von der Menschheit unbemerktwurden solche Kriege ausschliesslich im Hexenreich Pessora ausgetragen, wel-ches sich zwar auf der Erde befindet, aber eben in einer anderen Raum-Zeit-Dimension. Nicht auszudenken, wenn die Menschheit in diese Kriege mitein-bezogen worden wäre. Aber auch unter den Menschen gab es immer wiederden aussichtslosen Versuch, den Heiligen Gral zu finden. Aus purem Goldsollte er sein. Dies war für viele Ansporn genug um sich auf die Suche nachihm zu machen. Solche Leute haben nicht die leiseste Ahnung über welcheMacht der Gral in Wahrheit verfügt.Eines Tages gelang es einer Hexe mit dem Namen Akara und einigen IhrerMitstreiter unbemerkt auf die Erde zu gelangen. Doch weit schlimmer war,dass sie tatsächlich den Ort fanden, an welchem der Heilige Gral aufbewahrtwar. In letzter Sekunde verhinderte ein grosser Zauberer namens Predun,dass Akara mit dem Gral unbemerkt entkommen konnte. Während diesemKampf wurde der Gral mit einem Schwert in zwei Hälften geteilt. Die Schalekonnte gerettet werden. Der Fuss jedoch befindet sich seither im Besitz vonAkara. Die Hoffnung auf Frieden rückte in weite Ferne. Schon bald gab es dieersten Kriege im Reich des Bösen wegen der Grals-Hälfte. Auslöser dazu warimmer wieder Akara. Eine Hexe welche sich inzwischen vollkommen in denDienst des Teufels gestellt hat. Nach und nach entledigte sie sich aller ihrereinstigen Verbündeten und versucht nun der zweiten Hälfte des Grals Herrzu werden. Ich muss Euch warnen. Selbst der Vatikan ist vor den Spionenvon Akara nicht sicher.Was sagt ihr da? In unseren Heiligen Hallen soll sich...Wer? Um Gottes Wil-len, wer? Bitte sagt es mir, flehte der Papst.

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Selbst wenn ich Euch den Namen nennen könnte, was ich aber nicht kann,da ich ihn nicht weiss, würde schon der nächste Diener von Akara einenVersuch unternehmen, sich in den Vatikan einzuschleusen. Deshalb rate ichEuch, verdoppelt Eure Sicherheitsvorkehrungen bei allem, was Euch wertvollerscheint. Nun aber zu Eurer eigentlichen Aufgabe. Ihr müsst Euren Vertrau-ten, Kardinal Paulus, zu Abt Walahfrid welcher sich in der Abtei St. Martinim Norden Italiens aufhält, entsenden. Morgen schon, soll er aufbrechen.Gut! Einverstanden. Und was soll ich ihm mitteilen? Was ist seine Aufgabe?Reicht mir nun das Kreuz, sagte Prof. Riemann.Dann umschloss er das Kreuz mit seinen Händen so als würde er Beten. Undwie er seine Hände wieder öffnete, schwebte das Kreuz in der Luft. Mehrund mehr veränderte es seine Form. Bis sich letztendlich das Kreuz in einengrossen Schlüssel verwandelt hatte.Ihr könnt den Schlüssel nun an Euch nehmen, sagte Prof. Riemann. Dies istder Schlüssel welcher Kardinal Paulus an Abt Walahfrid übergeben soll. Da-mit kann in 2 Tagen um Punkt Mitternacht im Keller dieser Abtei das Torins Reich der Erdgeister geöffnet werden. Dort wird der Abt weitere Befehleentgegennehmen. Davor aber soll Kardinal Paulus den Abt, und nur ihn, mitallen Einzelheiten aus der Prophezeiung vertraut machen. Das wäre dannauch schon alles.Die Geister gibt es also auch, ich...mir fehlt es an Worte, ich möchte sovielessagen, aber...Das Schicksal liegt nicht in Eurer Hand. Eure Aufgabe besteht darin, Kardi-nal Paulus mit diesem Auftrag vertraut zu machen.Ja! Ja gewiss. Ihr könnt Euch auf mich verlassen.Dann ging Prof. Riemann auf den Papst zu, umarmte ihn und verabschiede-te sich. Draussen regnete es immer noch in Strömen. Immer wieder stürztenBlitze vom Himmel herab begleitet von lautem Donner. Doch hielt dies Prof.Riemann nicht davon ab, auf das Bibliothekfenster zuzugehen, es zu öffnenund sich, vor den Augen des Papstes, lächelnd in die Tiefe zu stürzen.Erschrocken lief der Papst auf das Fenster zu. Anfangs konnte er gar nichtserkennen, dann aber sah er wie ein Steinadler aus der Tiefe direkt auf ihnzuflog. Er schoss am Bibliothekfenster vorbei und verschwand in den Wolkenhoch über dem Vatikan.In dem Moment trat Kardinal Thomas in die Bibliothek ein.Alles in Ordnung? Wo ist Euer Gast?In aller Ruhe schloss der Papst das Fenster.Wo der Besucher ist, fragt ihr. Er ist schon wieder gegangen.Aber ich hab Ihn nicht rausgehen sehen!Ob Ihr ihn nun gesehen habt oder nicht - er ist gegangen. Und wieso habtIhr vor der Türe gewartet?

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Ich wollte in Eurer Nähe bleiben, Eure Heiligkeit. Kann ich etwas für Euchtun?Ja! Holt mir Kardinal Paulus. Er soll sofort in mein Arbeitszimmmer kom-men.Nun, ich glaube Kardinal Paulus schläft bereits und....Dann müsst Ihr Ihn eben wecken. Los! Es eilt.Ja, gewiss, Eure Heiligkeit.Ungeduldig lief der Papst von einer Ecke seines Arbeitszimmers in die nächs-te. Endlich ertönte das erwartete Klopfen an der Türe.Kommt herein. Die Tür ist offen.Kardinal Paulus war beinahe 25 Jahre jünger als der Papst. Beide sahen sichaber zum Verwechseln ähnlich. Vielleicht war dies mit ein Grund, warum siesich so prächtig miteinander verstanden.Eure Heiligkeit, Ihr habt mich rufen lassen.Setz Dich. Ach, Paulus, wir kennen uns nun schon seit gut 20 Jahren. Duhast mich noch nie enttäuscht. Ich möchte Dir nun einen Auftrag erteilen,der in seiner Wichtigkeit alles bisherige bei weitem überschreitet.Eure Heiligkeit?Hast Du je von einem Buch mit dem Namen Cortum gehört?Nein! Von diesem Buch hab ich noch nie gehört.Nun es ist ein Buch voller Prophezeiungen welches von einem Papst an dennächsten weitergereicht wird. Ich hab’s gelesen und studiert und zu meinerSchande nicht daran geglaubt. Sovieles was sich in dem Buch lesen lässt, hatsich für meine Augen so anders zugetragen. Nun aber bin ich selber Zeugeeiner dieser Prophezeiungen geworden und deshalb bitte ich Dich, mir zuHelfen.Ich werde alles tun, was Ihr von mir verlangt.Ich werde Dich auf eine Reise in den Norden Italiens schicken. Zur Abtei St.Martin. Dort triffst Du auf Abt Walahfrid. Diesem Abt übergibst Du diesenSchlüssel. Übermorgen, Punkt Mitternacht, muss der Abt durch eine Keller-türe steigen welche sich mit diesem Schlüssel öffnen lässt. Das Tor lässt sichlaut Prophezeiung nur um Mitternacht öffnen. Der Abt wird dann auf einenoder mehrere Geister stossen.Geister? Und warum ausgerechnet dieser Abt? Was ist passiert?Die Geister werden dem Abt die ehrenvolle Aufgabe übertragen, jene notwen-digen Schritte einzuleiten, welche zur Rettung des Heiligen Grals notwendigsind. Warum es ausgerechnet den Abt trifft, weiss Gott alleine.Der Gral! Er existiert tatsächlich?Natürlich existiert er! Und dass wird er auch in Zukunft wenn wir alle unsereAufgaben erfolgreich erfüllen. Ich habe hier für Euch ein paar Notizen ausder Prophezeiung gemacht. Unterrichtet den Abt über unser Gespräch und

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auch über den Inhalt dieser Notizen. Und nur ihn. Verstanden?Ich werde Euch nicht enttäuschen, Eure Heiligkeit.Geht jetzt Schlafen! Ihr werdet in aller Frühe aufbrechen. Mein Segen wirdEuch auf Eurer Reise begleiten.

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Kapitel 4

Die Abtei St. Martin

Kardinal Paulus fand in dieser Nacht nur wenig Schlaf. Noch bevor sein We-cker startete, stand er angezogen und abfahrbereit in seinem Zimmer. Nuretwas fehlte noch und danach suchte er nun schon seit fast einer ViertelStunde. Als er Kardinal wurde, erhielt er ein grosses Kreuz mit einer eben-so eindrücklichen Kette als Geschenk, welches er seither auf jeder wichtigenReise bei sich trug. Dann endlich, hatte er das Kreuz gefunden. Es lag auf derBibel aus welcher er gestern Nacht noch gelesen hatte. Er nahm das Kreuzin die Hand, küsste es und legte es sich um den Hals.Und die Bibel. Ja, die Bibel darf ich nicht vergessen.Noch einmal versicherte er sich, dass er auch den Schlüssel welcher er vomPapst bekommen hatte, bei sich trug. Einen letzten Blick in den Spiegel. Al-les passte perfekt zusammen. Weisses Hemd, dunkelblaue Jacke, eine schöneKappe und das grosse Kreuz auf seiner Brust verrieten, dass man es hier miteinem hohen Würdenträger zu tun hatte.Zwei der erfahrensten Leibwächter des Papstes begleiteten Kardinal Paulus,auf seiner Reise. Zuviel Personenschutz wollte der Papst unbedingt vermei-den, hätten sie dadurch erst recht die Aufmerksamkeit anderer auf sich ge-zogen.Doch Leonardo und Vincenco, so die Vornamen dieser Leibwächter, warenfür Kardinal Paulus Aufregung genug. Leonardo, an die 2 Meter gross hatteKraft wie ein Bär. Und Vincenco, etwas kleiner und schmaler, war ein ausge-zeichneter Kampfsportler. Beide trugen kurze, pechschwarze Haare und einenbreiten Ohrenbart. Eingepackt in 2 Anzüge entsprachen sie dem klassischenBild des Wolfes im Schafspelz. Nur eben dass sich diese Wölfe für eine guteSache stark machten.Um 5 Uhr in der Früh brachen die Gesandten des Papstes mit dessen bestenGlückwünschen auf. Der Himmel war zwar immer noch wolkenverhangen,doch regnete es kaum noch. Während der Fahrt durch Rom, betrachtete

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Kardinal Paulus bequem vom Rücksitz aus, die Landschaft, welche an sei-nem Fenster vorbeizog. Und wie er so aus dem Fenster blickte, konnte er aucheinige Personen erkennen. Fleissige Leute, dachte er sich. Sind wahrscheinlichschon auf dem Weg zur Arbeit. Dabei fiel ihm ein sehr gut gekleideter Mannin einem hellen Anzug auf welcher eine Sonnenbrille trug. Solch ein hellerAnzug war schon aussergewöhnlich. Aber eine Sonnenbrille? Und zu dieserTageszeit! Nicht einmal einen Regenschirm trug dieser Mann mit sich. Selt-sam dachte sich Kardinal Paulus, welcher innerlich ein wenig darüber lachenmusste. Er drehte sich zur Heckscheibe und warf nochmals einen Blick aufdiesen Fremden, welcher zu seinem Erstaunen ihn doch tatsächlich anstarrte.Obschon dieser Mann eine Sonnenbrille trug war er sich sicher, dass dieserihn angestarrt hatte. Sofort drehte er sich weg, wartete kurz, und blicktenochmals zurück. Doch nun war dieser Mann nicht mehr zu sehen.Beruhige Dich, sagte ihm seine innere Stimme. Jetzt fängst Du auch nochan Gespenster zu sehen. Ein kurzes Gebet half ihm, diese Sache aus seinenGedanken zu verdrängen.Nachdem sie Rom verlassen hatten waren sie etwa 9 Stunden unterwegs, be-vor sie wieder durch eine grössere Stadt fahren mussten. Ihr Wagen blieban einer Kreuzung stehen und Kardinal Paulus betrachtete erneut die vielenLeute auf den Gehsteigen.Das konnte doch nicht sein, schoss es ihm durch den Kopf. Aber das gibt esdoch nicht. Gerade fuhr sein Wagen los da hatte er doch tatsächlich wiedereinen Mann in hellem Anzug, mit Sonnenbrille und ohne Regenschirm gese-hen. Das ist absurd. Dass kann unmöglich derselbe gewesen sein. Nein, ganzbestimmt nicht - andererseits. Als er sich erneut zu diesem Mann umdrehte,war auch dieser spurlos verschwunden.Stimmt etwas nicht, fragte Leonardo.Nein! Nein, alles in Ordnung. Es ist nichts.Es ist nicht mehr all zu weit, sagte Vincenco.Gut! Je früher wir da sind umso besser.Nach ungefähr einer weiteren Stunde kamen sie plötzlich an eine Strassen-sperre.Was soll dass, ärgerte sich Vincenco?Was ist denn? Was ist da los, fragte Kardinal Paulus.Die Strasse zur Abtei St. Martin ist für alle Fahrzeuge gesperrt. Lawinenge-fahr! Wir müssen zu Fuss weiter.Jetzt überkam Kardinal Paulus ein ungutes Gefühl. Zum ersten Mal an die-sem Tage fürchtete er sich. Er wusste zwar nicht vor was, aber er würde nunbesonders vorsichtig sein. Er verspürte einen leichten Druck auf seiner Brust.Ob dies wohl etwas mit diesem seltsamen Mann zu tun hatte? Unmöglich.Lawinen sind in der Höhe auf welcher sich die Abtei St. Martin befindet

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nichts ungewöhnliches. Beruhige dich - alles im grünen Bereich.Gut, antwortete Kardinal Paulus, dann gehen wir eben zu Fuss weiter. Wieweit ist es denn noch?Etwa 5 Kilometer bergauf, antwortete Leonardo. Wir sollten es noch vor demEintreffen der Dunkelheit schaffen.Als sie etwa eine halbe Stunde unterwegs waren blieb Vincenco plötzlich ste-hen.Geht ihr schon mal voraus, ich komme gleich nach.Stimmt was nicht, fragte Kardinal Paulus.Alles bestens, beruhigte Leonardo.Natürlich wusste er, dass ganz und gar nicht alles zum Besten war. Bei-de Leibwächter hatten kurz nachdem sie den Aufstieg in Angriff genommenhatten, bemerkt, dass ihnen jemand folgte. Plötzlich startete lautes Geschrei.Hab ich dich Du Dieb. Wer bist Du? Warum verfolgst Du uns?Leonardo sowie Kardinal Paulus rannten zurück und sahen wie Vincenco inein Handgemenge mit einer anderen Person geraten war. Einer Person mithellem Anzug und dunkler Sonnenbrille.Aber...aber das ist doch Kardinal Thomas, rief Kardinal Paulus. Was machenSie denn hier?Das ist Kardinal Thomas, fragte Vincenco irritiert. Seid Ihr sicher?Kardinal Thomas lag mit dem Gesicht voraus im Schnee und gab keinenPieps mehr von sich. Er war hilflos der Umklammerung von Vincenco ausge-liefert.Lasst ihn sofort los! Loslassen! Was machen Sie denn hier, wiederholte sichKardinal Paulus. Und warum seid ihr so unchristlich gekleidet?Ähm, also ich..tja, seine Heiligkeit hat mich beauftragt Euch zu folgen. Nurder Sicherheit wegen. Und die Kleidung diente als Tarnung.Ich könnte schwören, ich hab Euch zweimal auf unserer Fahrt hierher gese-hen. Nämlich in Rom und in...Unmöglich! Ich bin Euch mit dem Auto gefolgt.Leonardo und Vincenco waren erstaunt über diese Worte. Wenn ihnen je-mand solange gefolgt wäre, so hätten sie dies bemerkt. Das konnte unmöglichder Wahrheit entsprechen. Aber Kardinal Thomas konnte man wohl schlechtals Lügner hinstellen. Auf jeden Fall würden sie ihn genauestens im Augebehalten.Gemeinsam gingen sie nun ihrem Ziel entgegen. Weit konnte es nun nichtmehr sein. Kurz vor Eindämmerung gelangten sie zur Abtei St. Martin. VonAussen schien sie nicht sonderlich gross zu sein. Vincenco pochte mehrmalsan die massive Holztüre. Nichts passierte. Immer wieder pochte und schrieer auf die Türe ein.Hallo, ist hier jemand? Öffnet das Tor!

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Endlich ertönte eine Stimme.Ja! Ich komm ja schon. Einen Augenblick noch. Ich komme!Was ist mit Euch los, fragte Vincenco, als Walahfrid endlich das Tor öffnete.Wir warten schon seit 10 Minuten. Schlaft ihr hier oben auf den Ohren?Walahfrid lächelte alle mit seinem kugelrunden Gesicht an. Gekleidet miteiner grauen Kutte mit Kapuze waren seine leuchtenden Augen das einzigauffallende an ihm. Abgesehen von seiner Haarpracht. Denn er hatte eigent-lich keine.Ihr müsst wissen, sagte Walahfrid, dass wir hier oben nicht sonderlich vielBesuch bekommen. Besonders zu dieser Jahreszeit. Und da der alte Josekrank geworden ist, bin ich nun ganz alleine. Aber kommt rein, kommt doch.Gehen wir in die Küche, dort ist es schön warm. Ich hab ein Feuer gemacht,ja..hehehe. Ich bin Abt Walahfrid, aber sagt einfach Walahfrid zu mir, dasgenügt.Dem Atem nach hatte er wohl schon einiges an Alkohol getrunken. Zudemhatte er sichtlich Mühe beim Atmen. Er gab Geräusche von sich, als wäreer stark erkältet. Stampfend ging er mit seiner kleinen Öllampe voran unddrehte sich, freundlich lächelnd, immer wieder seinen Gästen zu.Wollt ihr Tee? Natürlich könnt ihr auch etwas Wein haben, sagte er schnau-bend. Oder Schnaps? Ist gut gegen die Kälte.Tee wär mir lieb, sagte Kardinal Paulus. Auch Leonardo, Vincenco und Kar-dinal Thomas schlossen sich dieser Wahl an.Walahfrid legte noch ein paar Holzscheite ins Feuer.So ein Feuerchen ist schon was schönes. Nicht wahr?Hände reibend wollte er sich gerade zu seinen Gästen setzten da sprang Jo-nes, seine Katze, von aussen an das Küchenfenster heran und deutete ihm,indem sie mit der Pfote auf die Scheibe schlug, dass sie in die Küche möchte.Ahh, noch ein Gast. Das ist Jones. Sie leistet mir ein wenig Gesellschaft hieroben.Als Walahfrid das Fenster öffnete und die Katze auf den Sims trat, erblicktesie die Gäste in der Küche. Mit starken Fauchen und die Haare zu Berge ste-hend fiel ihre Begrüssung äusserst unfreundlich aus. Sie machte Geräuscheund einen Buckel wie dies Walahfrid so noch nie gesehen hatte.Jones mein Katerchen, was ist denn mit Dir los? Dass sind doch unsere Gäs-te.Und wie er Jones in die Händen nehmen und beruhigen wollte, da versetzteihm seine Katze einen Hieb mit der Pranke und verliess die Küche blitzartigzurück in die Dunkelheit der Nacht. Unerklärlich war ihm dieses Verhalten.Ein netter Kater habt Ihr da, sagte Leonardo lächelnd.Sie ist sicher wegen der vielen fremden Gesichter so erschrocken. Ich hab sienoch nie so erlebt, sagte Walahfrid erstaunt, währenddessen er sich ein Tuch

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um den blutenden Finger wickelte. Dann aber setzte er sich zu seinen Gästen.Und, was verschafft mir die Ehre? Habt ihr Euch verlaufen?Nun wir sind nicht zufällig hier vorbeigekommen, sagte Kardinal Paulus. Wirkommen direkt vom Vatikan.Die Augen Walahfrids wurden riesig. Leider kamen ihm nun auch die erstenunüberlegten Worte über die Lippen.Da hol mich doch der Teu....Nun, den wollen wir sicher nicht hier haben, unterbrach Kardinal Paulus miternster Stimme.Oh, natürlich, tut mir leid, aber wenn man so lange alleine wohnt - hieroben...die Luft - naja....bitte verzeiht, meine Zunge war etwas vorlaut. Ichbete regelmässig, und...Genug der Worte, unterbrach ihn Kardinal Paulus. Ich komme in einer wich-tigen Angelegenheit. Der Papst persönlich hat mich beauftragt Euch aufzu-suchen.Da hol mich...Verzeiht! Ich meinte, ich bin...sprachlos. Ja in welcher Angele-genheit denn? Sprecht, bitte, sprecht. Aber vorher - bitte - die Namen - wielauten Eure Namen?Ihr habt recht, wir wollen uns zuerst vorstellen. Der Mann zu meiner Linkenist Kardinal Thomas, der Sekretär des Papstes.Ohhhh, es freut mich Sie kennenzulernen, ich bin geehrt, ich hab schon vielvon Ihnen gehört.Die Herren zu meiner Rechten heissen Vincenco und Leonardo. Sie zählenzur persönlichen Leibgarde des Papstes.Freut mich, freut mich, sagte Walahfrid mit einem Lächeln. Und Ihr - werseid Ihr?Mein Name ist Kardinal Paulus. Ich zähle zu den engsten Vertrauten desPapstes.Sie sind Kardinal Paulus? Ohhhhhh....Es ist mir die grösste Ehre. Wenn ichgewusst hätte, welch hohen Besuch mich heute noch erwartet, ich...Lasst gut sein. Ich komme mit einer wichtigen Mitteilung zu Euch.Ja, ich höre, murmelte Walahfrid, indem er fleissig sein Tuch um den Fingerdrückte. Werde ich vielleicht zum Bischof ernannt?Zügelt eure Zunge. Diese Angelegenheit duldet keine Verspottung.Ja, gewiss! Es tut mir leid. Es tut mir leid.Wo können wir uns in Ruhe unterhalten? Ich muss Euch unter vier Augensprechen.Nun, im Betraum. Der ist gleich nebenan.Im Betraum angelangt knieten sich beide auf einer Bank hin. Spärlich be-leuchtet wurde der Raum von ein paar wenigen Kerzen.Um was handelt es sich?

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Daraufhin erklärte ihm Kardinal Paulus sämtliche Einzelheiten und übergabihm den grossen Schlüssel für die Türe welche sich angeblich im Keller be-finden würde. Als Kardinal Paulus ihm sagte, dass sich hinter dieser Türeein Raum auftat wo er dann auf Geister treffen würde stand Walahfrid völliggereizt auf.Hören Sie, ich...ich war sehr rücksichtsvoll zu Ihnen und ich...aber dass wassie da erzählen macht doch keinen Sinn. Wir beide wissen doch, dass es Geis-ter nicht gibt,.....oder? Was...was wollen Sie von mir? Warum ich....?Schweissperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Mit zitternder Stimme fuhr erfort.Es gibt nur einen kleinen Keller hier, und dadadddaaaa befindet sich keinegeheime Türe. Ihr...Ihr müsst euch Irren.Nun, dass wird sich weisen. Das wird sich weisen. Auf keinen Fall dürfen wirZeit verlieren. Wir sollten mit der Suche nach der Türe sofort beginnen.Sie ziehen mich da in eine schöne Geschichte hinein. Ich weiss gar nicht sorecht was ich sagen soll. Ohh, mein Gott. Die...die beiden Leibwächter kom-men auf jeden Fall mit in den Keller. Für den Notfall.Beide kehrten sie in die Küche zurück.Was macht ihr da, fragte Kardinal Paulus seine 3 Mitreisenden.Wir spielen Poker, antwortet Leonardo.Es scheint, als ob im Vatikan, Poker spielen zu einem Pflichtfach gehört, fügteVincenco hinzu. Kardinal Thomas hat bisher jede Spielrunde gewonnen.Kardinal Thomas lächelte Kardinal Paulus auf eine Art und Weise an, dieihm beinahe Angst machte. Kardinal Paulus war sprachlos. Wie konnte einMann, mit so einer hohen Stellung im Vatikan, in solch einer Situation Pokerspielen. Für ihn war dies mehr als nur merkwürdig. Er orientierte nun auchseine Mitreisenden, dass sie sich auf die Suche nach einer Türe im Kellermachen müssten.Lasst uns doch noch was Essen bevor wir in den Keller gehen, sagte Leonar-do.Ja genau, ich bin auch sehr hungrig, stimmte ihm Vincenco zu.Walahfrid bereitete allen mit ein paar wenigen Handgriffen ein sehr schmack-haftes Essen zu, was ihm einiges an Lob einbrachte.Was befindet sich denn hinter dieser Türe, fragte Vincenco. Ein Schatz? Bü-cher? Heilige Reliquien?Es ist nicht an Euch, darüber orientiert zu sein, entgegnete ihm KardinalPaulus kühl.Niemandem fiel auf, dass plötzlich Jones erneut am Küchenfenster sass undmurrend Kardinal Thomas anstarrte. Kein einziges Mal schlossen sich dieLider ihrer grossen, leuchtenden Augen. Sämtliche Glieder waren bis aufsÄusserste angespannt. Einzig mit ihrem Schwanz, welcher genauso schwarz

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war wie ihr restliches Fell, wedelte sie etwas. Nach dem Essen besorgte Wa-lahfrid insgesamt 5 Öllampen. Zusammen liefen sie die steinerne Kellertreppehinab. Ihr Atem stieg wie weisser Rauch aus Schornsteinen empor, so kaltwar es. Walahfrid öffnete die Kellertüre.Seht ihr - so gross ist der Keller gar nicht. Und es soll mich der...hier gibt eskeine heimliche Türe. Überzeugt euch selbst.Kardinal Paulus blickte um sich.Raus, alles muss raus, sagte er. Schafft diesen ganzen Gerümpel aus demKeller.Aber, es gibt keine Türe hier, warum...Noch bevor Walahfrid seinen Satz beenden konnte, sah ihn Kardinal Paulusmit solch ernster Mine an, dass der Abt augenblicklich seine Meinung änder-te.Ja! Ja natürlich. Alles muss raus - alles - habt ihr gehört, stammelte er undwendete seinen Blick schleunigst von Kardinal Paulus ab.Nach 2 Stunden war der Keller leergeräumt und Walahfrid hatte recht. We-der an den Wänden, am Boden noch an der Decke befand sich eine Türe. Nurein kleines Fenster befand sich nahe an der Kellerdecke. Das einzige was sichim Keller vorfand waren die 5 Personen und...Jones welcher sich inzwischenin die Abtei St. Martin reingeschlichen hatte und von der Kellertreppe ausKardinal Thomas im Auge behielt.Besonders Kardinal Thomas suchte akribisch nach jedem noch so kleinenHinweis auf eine Türe. Er tastete den gesamten Raum Zentimeter für Zenti-meter mit seinen Händen ab. Aber es war nichts zu finden. Absolut nichts.Auch wurde geprüft ob der Schlüssel vielleicht zur Kellertüre selbst passenwürde. Aber auch dies brachte sie nicht weiter.Nachdem alle müde waren, entschied man, sich zur Ruhe zu legen. Morgen,in aller Frühe, würde man sich erneut auf die Suche machen. Leonardo undVincenco hatten keine grosse Mühe einzuschlafen. Dass sie für den Schutzdieser Personen verantwortlich waren bereitete Ihnen nicht wirklich Kopfzer-brechen. Walahfrid hingegen war die Sache schon weit weniger angenehm. Ersprach das demütigste Gebet welches ihm einfiel gegen den Himmel. SeineAngst vom kommenden Tag drohte ihn regelrecht aufzufressen und er kugeltesich noch mehr zusammen als es seine Figur von Natur aus sowieso schon tat.Fest in seinen Händen hielt er Jones, welcher wie üblich mit ihm zusammenim Bett schlafen durfte. Kardinal Paulus und Kardinal Thomas beteten nochbis Mitternacht in aller Stille im kleinen Betraum.Stunden später, als schon alle schliefen, kratzte Jones an der Schlafzimmer-türe und miaute so laut wie er nur konnte. Dann sprang er wieder ins Bettvon Walahfrid und fuhr mit seiner rauen Zunge über das ganze Gesicht desAbtes. Endlich erwachte er.

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Was ist nur mit Dir heute los? Ausgerechnet jetzt musst Du mich aufweckenwo doch morgen...ach, was red ich denn mit Dir, Du verstehst ja sowieso keinWort.Und schon war Jones wieder an der Türe und kratzte daran.Ja, ja, schon gut, ich lass Dich raus, dann kann ich wenigstens in Ruhe schla-fen.Beinahe lautlos durchlief Jones den Gang bis zum Zimmer von Kardinal Tho-mas und blieb laut fauchend vor der Türe stehen. Im Zimmer lag KardinalThomas mit offenen Augen in seinem Bett. Teuflisch lachte er vor sich hin.Der Einzige welcher in dieser Abtei misstrauisch ist, ist ein dummer Kater.Nun, dann werd ich Jones auf meine Art willkommen heissen.Schon öffnete sich die Tür einen Spalt, sodass Jones reinschlüpfen konnte.Langsam näherte er sich dem Bett. Und wie er zum Sprung aufs Bett an-setzte, schloss sich die Türe mit einem lauten Knall. Jones zuckte in sichzusammen und im gleichen Moment schoss ein grauenhafter Wolf unterhalbdes Bettes hervor und schnappte nach ihm worauf er augenblicklich Tod war.Der Wolf schleuderte Jones gegen die Wand und verwandelte sich im nächs-ten Moment in Kardinal Thomas zurück.Siehst Du, dass kommt davon wenn man zu neugierig ist.Dann packte er Jones und steckte ihn in eine Schublade des Wandschrankes.Vielleicht kommt mir Dein Tod gar nicht mal so ungelegen. Du könntest mei-ner Sache noch sehr nützlich sein.Am darauffolgenden Tag schneite es kräftig weiter. Aufgrund der Kälte fielder Schnee nun bis in tiefste Lagen. Auf Höhe der Abtei St. Martin war dieSchneedecke auf über 2 Meter angewachsen. Von aussen betrachtet, drohtedass Dach der Abtei unter der Schneelast regelrecht einzubrechen. Als letzterin der Küche erschien an diesem Morgen Walahfrid mit noch recht verschla-fenem Gesicht. Er musste, wie es nunmal bei ihm üblich war, frühmorgensmehrmals Gähnen bevor er zum ersten Satz ansetzten konnte.Morgen. Hat jemand Jones gesehen? Ohhh, ihr habt schon Tee gemacht undwie warm es hier in der Küche ist. Daran könnt ich mich glatt gewöhnen,lachte Walahfrid, währenddessen alle anderen mit finsterer Mine dreinblick-ten. Was ist denn mit Euch los? Man könnte meinen, dass ihr die Geisterschon zu Gesicht bekommen habt.Schweigt, rief ihm Kardinal Paulus zu. Hütet Eure Zunge.Geister? Was für Geister, fragte Vincenco aufgeregt.Ach, das...das war doch nur ein Scherz, sagte Walahfrid mit der Hand ab-winkend.Ich will wissen auf was wir uns hier einlassen, sagte nun auch Leonardo. Ihrmüsst uns unterrichten! Schon Eurer Sicherheit wegen.Ich bin Euch keine Rechenschaft schuldig, konterte Kardinal Paulus.

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Ich teile die Meinung von Kardinal Paulus, sagte Kardinal Thomas. Anderer-seits hat nun Walahfrid dank seiner vorlauten Zunge den Kern des Auftragessowieso schon ausgeplaudert. Sodann sehe ich nicht ein, warum ihr nicht alleKarten auf den Tisch legen solltet. Schliesslich haben wir bis jetzt die besagteTüre nicht gefunden.Kardinal Paulus überlegte kurz. Alle Gesichter in der Küche waren auf ihngerichtet.Nun, ihr habt wohl recht. Wozu die Geheimniskrämerei, wenn der Kern desAuftrages schon bekannt ist.Und wie der Schneefall mehr und mehr nach lies, setzten sich Walahfrid unddie Gesandten des Vatikans am Küchentisch zusammen.Der Schlüssel den ich gestern Walahfrid übergab, sagte Kardinal Paulus lei-se, öffnet angeblich eine Türe in eine für uns unbekannte Welt. Walahfridwird dort von Geistern empfangen, welche Ihm einen Auftrag erteilen wer-den. Über den genauen Inhalt dieses Auftrages ist niemand orientiert. Nichteinmal der Papst. Gemäss einer alten Prophezeiung soll es sich dabei aberum den Heiligen Gral handeln.Den Heiligen Gral, flüsterte Vincenco. Den gibt es also wirklich?Nun, diese Frage wird uns vielleicht schon bald unser lieber Walahfrid be-antworten können.Und wie sie sich noch lange angeregt unterhielten, entstanden über ganzEuropa die ersten Löcher in der so unerwartet entstandenen Wolkendecke.Überall blinzelte die Sonne durch. Es sah aus, als ob es Sonnenstrahlen reg-nen würde zwischen denen noch einige Schneeflocken umhertanzten. Dochdavon nahm man in der Abtei keine Notiz.Wir sollten uns wieder auf die Suche nach der Türe machen, sagte KardinalThomas. Vielleicht existiert irgendwo ein geheimer Keller.Bis spät in den Abend wurde die gesamte Abtei von oben bis unten aufversteckte Räume untersucht. Aber bis auf seltsame Gerätschaften und Fol-terwerkzeuge wurde nichts gefunden welches Walahfrid nicht ohnehin schonbekannt war. Es war nun 23.50 Uhr. Alle hatten sich nun wieder in der Küchezusammengefunden.Warten wir ab, ob um Mitternacht etwas passiert, sagte Kardinal Paulus.Damit aber war Kardinal Thomas absolut nicht einverstanden.Was sollen wir denn hier herum sitzen. Wie müssen die Türe finden. Ich fin-de, wir sollten....wir können doch nicht warten bis es Mitternacht ist und...Plötzlich wurden die Worte von Kardinal Thomas von einem Beben unter-brochen welches die gesamte Abtei zum Zittern brachte. Gefolgt von einemGeräusch, dass sich anhörte als ob jemand eine Türe zuschlagen würde. Imgleichen Moment erlosch das Feuer im Herd.Was war das, fragte Kardinal Thomas.

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Für Kardinal Paulus war sofort klar, dass dieser Zwischenfall im Zusammen-hang mit der Prophezeiung stand. Kardinal Thomas drängte alle nachsehen,was da vor sich ging.Nein, sagte Kardinal Paulus scharf. Ihr wartet hier.Seine innere Stimme riet ihm, nur mit Walahfrid nachzusehen, was da vorsich ging.Walahfrid, ihr kommt mit mir. Wir werden gemeinsam nachsehen was da losist.Walahfrid atmete stark durch. Er nahm nochmals einen kräftigen SchluckWein, mit dem Hinweis, dass er den jetzt brauche, stellte das leere Glas aufden Tisch und sah mit ernster Mine in die Augen von Kardinal Paulus.Also dann. Ich bin bereit!

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Kapitel 5

Drei Geister

Als Walahfrid und Kardinal Paulus die Kellertreppe hinab stiegen sahen sieam Schweller der Kellertüre Licht welches aus dem Kellerabteil strahlte. Undnoch bevor sie unten angelangt waren, war es auch schon wieder verschwun-den. Beiden war die Angst ins Gesicht geschrieben. Walahfrids Herz pochtewie wild. Kardinal Paulus umklammerte sein Kreuz als er vor der Kellertüreangekommen war. Walahfrid versuchte sich hinter Kardinal Paulus zu verste-cken, was natürlich angesichts seiner Körperfülle ein sinnloses Unterfangenwar.Seid ihr bereit, fragte Kardinal Paulus.Walahfrid aber brachte keinen Laut mehr heraus und konnte nur noch mitseinem Kopf ein paar mal nicken. Kardinal Paulus fasste all seinen Mut undstiess die Kellertüre auf. Was sich vor Ihren Augen auftat, verschlug zunächstbeiden den Atem. Das Licht welches der Vollmond durch das Kellerfensterwarf, entsprach genau der Grösse der Türe, welche jetzt auf einmal gut sicht-bar an der Wand vorhanden war. Sie bestand aus sehr sehr altem Holz undwar mit Spinnfäden überzogen und von dickem Staub bedeckt. Und wie sienäher an die Türe herantraten krabbelte aus einem kleinen Loch der Türeeine Spinne hervor. Neugierig betrachtete sie die Beiden sie bestaunendenGesichter. Dann wendete sie sich um 180◦, positionierte ihren Körper pein-lichst genau über dem Loch aus dem sie gekrabbelt kam, streckte ihre achtBeine aus und verwandelte sich in ein grosses, metallenes Türschloss. Wa-lahfrid rieb sich die Augen. Er wollte nicht glauben was er da sah. KardinalPaulus blickte gefasst auf Walahfrid und zeigte auf dessen Seitentasche derKutte in welcher sich der Schlüssel befand.Nun liegt es an Euch, lieber Walahfrid. Ich werde hier auf Euch warten. UndBeten.Walahfrid nickte Kardinal Paulus zu. Er kämpfte mit den Tränen, atmetetief durch und ging langsam auf die Türe zu. Im engeren Sinne war es ja

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gar keine Türe, denn sie reichte bei weitem nicht bis an den Boden. Die Türverschloss einen Durchgang welcher sich ungefähr auf mittlerer Raumhöhean der Kellerwand befand. Walahfrid entfernte zuerst die Spinnweben undden Staub. Dann nahm er den Schlüssel und führte ihn in das Schloss. Erwartete kurz, dann drehte er den Schlüssel einmal nach rechts. Dabei rastetedas Schloss mit einem satten und tiefen Klang ein welches sich ein paar malwie ein Echo wiederholte. Nur mit erheblicher Kraftanstrengung gelang esihm die Türe zu öffnen. Anfangs entstand ein so starker Sog, dass es seineKutte und seine wenigen Haare am Kopf heftig umherwirbelte. Nachdem sichalles wieder beruhigt hatte, schauten Beide mit der Laterne voran durch dieTüre. Einzig ein paar Treppen konnten sie ausmachen. Mehr war nicht zusehen. Es schien so, als ob die Dunkelheit in diesem Raum das Licht auffrass.Ich komme da nicht rauf! Ich pass da nie durch, versuchte Walahfrid verzwei-felt seine Lage zu retten obschon er wusste, dass ihm keine Wahl blieb.Kardinal Paulus nahm sein Kreuz und legte es Walahfrid um den Hals.Ich werde auf Euch hier warten. Geht jetzt. Geht.Walahfrid fasste Kardinal Paulus an den Händen, schaute ihm tief in dieAugen und nickte erneut mit dem Kopf.Schon gut, ich geh ja schon. Ich geh ja schon.Unter grösster Kraftanstrengung und lautem Stöhnen hob Kardinal PaulusWalahfrid hoch und stiess ihn durch die Öffnung.Ich stecke fest! Ich stecke fest, hallte es von der anderen Seite.Und tatsächlich, Walahfrid klemmte im Bereich seines Bauches fest.Gebt mir die Lampe, rief Walahfrid. Ich kann nichts sehen.Wie soll ich Euch die Lampe reichen wenn ihr feststeckt? Das ist jetzt zuspät. Ihr bekommt sie, wenn ich Euch durchgestossen habe.Und nochmal mit aller Kraft presste Kardinal Paulus von hinten auf Walah-frid. Solange, bis dieser, begleitet von einem lauten Pflotsch, durchrutschteund in der Dunkelheit verschwand.Walahfrid! Walahfrid! Alles in Ordnung?Ahhhh, jetzt habe ich eine Beule. Reicht mir endlich die Lampe!Ja! Natürlich. Hier! Hier, bitte.Als nun Walahfrid die Lampe hoch hielt, stockte beiden der Atem als siesahen was sich vor ihren Augen auftat.Erneut von Ängsten heimgesucht klammerte sich Walahfrid an die Hand vonKardinal Paulus.Oh mein Gott, oh mein Gott. Habt ihr das gesehen? Habt ihr das gesehen?Auch diese Worte hallten mehrmals in der Dunkelheit nach. Eine riesigeSteintreppe tat sich vor ihnen auf welche sich spiralförmig weit in die Tiefehinzog und deren Ende von oben nicht erkennbar war. Sie verschwand einfachin der Dunkelheit.

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Oh Gott, so was habe ich noch nie gesehen, sagte Walahfrid. Ich...ich binnicht schwindelfrei. Ich hab solche Angst.Kardinal Paulus schaute Walahfrid tief in die Augen.Seht mich an. Seht mich an! Beruhigt Euch. Ganz ruhig. Ich weiss, Ihr werdetes schaffen. Ich hab vollstes Vertrauen in Euch.Ihr habt gut reden. Auf was hab ich mich da nur eingelassen.Dann beruhigte sich Walahfrid allmählich, lächelte Kardinal Paulus bemüs-sigt zu und ging seinem Schicksal entgegen.Kardinal Paulus schaute ihm noch lange nach bis er selbst das Flackern derLampe nicht mehr erkennen konnte. Auf einmal bewegte sich die Türe. Kar-dinal Paulus stemmte sich mit aller Kraft dagegen aber es nützte nichts, dieTüre schloss sich mehr und mehr. Plötzlich zischte Jones fauchend die Kel-lertreppe hinab und sprang mit einem mächtigen Satz gerade noch durch denoffenen Spalt hindurch, bevor die Türe endgültig geschlossen war.Kardinal Paulus schrie vor Schmerz. Jones hatte ihm nämlich einige tiefeKratzer am Arm zugefügt. Sein Blut tropfte auf den Fussboden wo er zuseinem Entsetzten weitere Blutspuren erkennen konnte. Und auch auf derKellertreppe war Blut erkennbar, welches ganz eindeutig von den Katzenpfo-ten herrührte. Mit seinem Finger nahm er eine Probe und hielt sie in dasMondlicht.Blut, sagte Kardinal Paulus. Das ist eindeutig Blut.Es roch nach Blut und auch die Eigenschaft, im Mondlicht in einem solchenSchwarz zu leuchten, liessen für ihn keine Zweifel offen. Ein unerträgliches Ge-fühl überkam ihn. Er rannte die Kellertreppe hinauf und riss die Küchentüreauf. Was sich vor seinen Augen auftat, kann mit Worten nicht beschriebenwerden. Leonardo und Vincenco waren auf brutalste Art und Weise regel-recht zerfleischt worden. Kardinal Paulus rief nach Kardinal Thomas aber ererhielt keine Antwort. Er lief zu dessen Zimmer und rief immer wieder lautnach seinem Namen. Gerade als er das Zimmer wieder verlassen wollte, saher etwas Blut an der Schublade eines Schrankes. Kardinal Paulus hielt inne,ging auf den Schrank zu und riss die Schublade auf.Oh mein Gott, sagte er leise.Und dann wurde ihm klar, dass die Katze welche Walahfrid nachgesprungenwar nur Kardinal Thomas gewesen sein konnte und dieser somit selbst desTeufels war. Wieder sprang Kardinal Paulus in den Keller um Walahfrid aufirgend eine Weise zu warnen. Aber als er unten angekommen war, gab es dieTüre nicht mehr. Das Licht des Mondes war das Einzige, was sich noch imKeller befand. Von einer Türe an der Kellerwand war keine Spur mehr zusehen. Kardinal Paulus setzte sich völlig erschöpft auf den Kellerboden. Erhielt seine Hände vors Gesicht und musste Weinen.Von all diesen Vorfällen hatte Walahfrid natürlich nichts mitbekommen. Ihm

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kam es so vor, als wollte diese Treppe einfach nicht enden. Und langsamwar an Stelle seiner Angst die Neugierde getreten und er spürte sogar soetwas wie Mut in seinem Inneren. Ein Gefühl, welches Walahfrid früher inkeinster Weise jemals in sich verspürt hatte. Die Worte von Kardinal Paulushatten allem Anschein nach ihre Wirkung nicht verfehlt. Zumindest vorerstnoch nicht. Hie und da fand Walahfrid kleine Steine auf der Treppe, welche erdann in die Tiefe warf. Aber niemals hörte er auch nur das kleinste Geräusch,dass auch nur annähernd darauf hindeutete, dass das Ende der Wendeltrep-pe nicht mehr allzu weit entfernt läge. Mit seiner Lampe in der Hand liefWalahfrid tapfer die Stiegen hinab. Und dann geschah es. Urplötzlich, wieaus dem Nichts, tauchte direkt vor seinen Augen eine riesige Eule auf undwar genauso schnell wieder verschwunden.Ahhhhhhhhhhh! Mein Gott! Was war denn dass?Walahfrid lies vor lauter Schreck die Lampe fallen, welche aber zu seinemGlück weiterhin Licht spendete.Oh Gott, mein Herz ist fast stehen geblieben, redete er schweissgebadet vorsich hin.Eine solch riesige Eule hatte er niemals zuvor, auch nur annähernd so gross,gesehen. Sie war mindestens doppelt so gross wie ein erwachsener Mann, mut-masste er. War das einer der Geister, schoss es ihm durch den Kopf. DieserGedanke beruhigte ihn ein wenig, da er sich mit Tieren sehr gut verstand,wie am Beispiel von Jones jeder sehen konnte. Er nahm die Lampe wieder indie Hand und lief weiter die Treppe hinab.Den Geruch kenn ich doch, schoss es ihm durch den Kopf. Das riecht nacheinem Feuerchen. Ja, genau. Da soll mich do...Immer wieder hielt er seine knorrige Nase in die Höhe.Und nach meinem Lieblingstee riecht es auch noch.Und während er sich noch fragte, was es wohl damit auf sich haben könnte,endete plötzlich die Treppe.Die Treppe ging direkt in einen Weg über dessen Ende sich in der Dunkelheitverlor. Zu seinem Unglück ging’s auch hier auf beiden Seiten in die Tiefe,weshalb er sich streng in der Mitte des Weges bewegte. Nun war’s ihm so,als ob er ein Licht weiter vorne erblickt hätte. Er verdunkelte seine Laterneund ja, er war sich sicher da vorne ist ein Licht.Als er dem Licht näher kam konnte er die Umrisse eines gossen Hauses er-kennen. Die Treppe und das Haus schwebten regelrecht im Raum. Ganz vor-sichtig klopfte er an die Türe und ohne es zu bemerken fing er an am ganzenKörper zu Zittern. Er klopfte nochmals, diesmal ein bisschen fester. Niemandöffnete noch bekam er eine Antwort. Er versuchte etwas zu rufen, doch dieWorte blieben ihm im Halse stecken. Sodann trat er unaufgefordert ins Hausein.

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Ohhhhh, war sein erster Laut.Er fand sich in einem riesigen Saal, in dessen Mitte ein grosser Tisch stand,wieder. Links davon war ein offener Kamin in welchem ein herrliches Feuerbrannte. Zusätzlich beleuchteten Fackeln an den Wänden den riesigen Raum.Fast so gemütlich wie in meiner Abtei, dachte er sich.Als er zum Tisch lief, fielen ihm zwei riesige Bögen auf, welche in die Haus-wände eingemauert waren. Dann sah er wieder nach vorne in Richtung desTisches und konnte eine dampfende Tasse erblicken.Ob das wohl mein Lieblingstee ist?Am Tisch angelangt stellte er fest, dass er Recht hatte. Erst zögerte er noch,dann aber setzte er sich zu Tisch und nahm einen Schluck aus der Tasse.Und noch einen. Er wunderte sich etwas warum an den anderen Plätzen desTisches die Stühle um ein Vielfaches grösser waren. Doch machte er sich da-zu keine weiteren Gedanken. Und wo er wieder einen Schluck aus der Tassetrinken wollte, fiel ihm auf, dass der Tee kleine Wellen schlug. Die Wellenwurden immer grösser. Auch die Flammen im Kamin schossen nun in die Hö-he. Wild peitschten sie durch die Luft. Das ganze Haus erbebte. Die Mauerninnerhalb der Bögen fingen an sich zu bewegen worauf ein Ziegelstein nachdem anderen in die Dunkelheit entschwand. Walahfrid war längst mitsamtseiner Teetasse unter den Tisch gekrochen und hielt die Augen und Ohrenzu. Langsam nahm er die Hände von den Ohren und vernahm keinen Lärmmehr. Dann öffnete er seine Augen und erblickte auf beiden Seiten des Ti-sches riesige Füsse, welche nur noch aus Knochen bestanden. Er hob seinenKopf ein wenig, immer noch unter dem Tisch verharrend und konnte nunauch die Beine erkennen welche zwar in Stofffetzen gehüllt aber ebenfalls nuraus Knochen bestanden.Setzt euch auf Euren Stuhl, rief ihm eine uralte Stimme zu.Immer noch unter dem Tisch kniend, stellte er als erstes die Teetasse auf denTisch und kroch langsam mit gesenktem Haupt hervor. Dabei murmelte eralle erdenklichen Gebete vor sich hin. Dann setzte er sich, immer noch mitgesenktem Haupt und nun wieder mit geschlossenen Augen, auf den Stuhl.Ihr wisst warum wir mit Euch sprechen wollen?Nun, ich...Seht uns an, wenn wir mit Euch reden.Ja! Ja gewiss, stammelte er.Es kostete ihn unendlich viel Überwindung, bis er zu den Häuptern der Geis-ter blickte. Die Köpfe der Geister waren mit einer Kapuze bedeckt. Dies hatteden Effekt, dass er deren Gesichter gar nicht erkennen konnte. Dies beruhigteihn ein wenig. Mit leiser, zitternder Stimme versuchte er eine passende Ant-wort auf die Frage des Geistes zu geben.Nun es geht um die Erfüllung einer Prophezeiung. Der Papst...ich meine

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Kardinal Paulus, also...nein, eigentlich weiss ich nicht warum ich hier bin.Ich...ich dachte zuerst, also...die grosse Eule...ich dachte sie wäre der Geist.Nur Geduld, antwortete Numeris. Sie wird sich uns bald anschliessen - dieEule. Mein Name ist Numeris und dies hier ist mein Bruder Exodis.Walahfrid wischte sich den Schweiss von der Stirn. Er bemühte sich den Geis-tern freundlich zu zulächeln.Nun beugte sich Exodis zu Walahfrid hinab.Hört mir genau zu, Walahfrid. Ich will euch nun den Grund verraten, warumIhr hier seid. Vor ungefähr 2000 Jahren wurde von einem aussergewöhnli-chen Schreiner ein Kelch hergestellt den Ihr in Eurer Welt als den HeiligenGral bezeichnet. Dieser Kelch symbolisiert das Zentrum der Macht des Gu-ten. Tausende Menschen haben sich seitdem auf dass sinnlose Unterfangenaufgemacht in den Besitz dieses Grals zu gelangen. Einzig in der Hoffnungdurch ihn an möglichst viele Reichtümer zu gelangen. Leider wurde dieseGier auch ausserhalb Eurer Welt entfacht und führte zu unzähligen Kriegenin Welten welche sich die Menschen selbst in ihren kühnsten Träumen nichtvorstellen könnten. Diese Kriege verliefen, wie eben immer Kriege verlaufen.Viele Unschuldige mussten ihr Leben lassen. Der Gewinner dieser Kriege wardas Hexenreich Pessora der Hexe Akara. Sie und Ihre Gluonen gingen mitäusserster Brutalität vor. Eines Tages gelang es Akara unbemerkt ins Men-schenreich, auf die Erde, vorzudringen, um den Gral an sich zu reissen. Inletzter Sekunde gelang es uns, ihr Vorhaben, zumindest zum Teil, zu ver-eiteln. Zusammen mit Freunden stellten wir uns dem Kampf. Bei diesemKampf, wurde der Gral in zwei Hälften geteilt.Der Gral wurde zerstört, fragte Walahfrid erstaunt.Nein, zerstört wurde er nicht. Schale und Fuss wurden durch einen Schwert-hieb getrennt. Am Ende des Kampfes, konnten wir eine Hälfte des Grals, dieSchale, zurückerobern. Da Akara im Kampf schwer verwundet wurde schwan-den ihre Kräfte weshalb sie die Erde wieder verlassen musste. Dabei nahmsie aber die andere Hälfte des Grals, den Fuss, ins Hexenreich Pessora mit.Noch bevor sie verschwand verfluchte sie unsere Hälfte des Grals welcher seitdiesem Zeitpunkt, auch für uns, als unauffindbar galt. Wir wussten einzig,dass sich die Schale auf der Erde befinden musste.Mit der Zeit hat Akara ihre Kräfte wieder zurückgewonnen und arbeiteteeinen noch viel teuflischeren Plan aus. Ihr müsst wissen, sprach der Geistweiter, dass sämtliche Niederschriften, Geschichten wie auch Märchen, wel-che die Menschheit mittels ihrem Gedankenreichtum erfunden haben, in einerder Millionen von Welten in diesem Universum Realität werden.Es existieren andere Welten, fragte Walahfrid ungläubig. Die Märchenge-schichten existieren wirklich?Dies würde nämlich sein Weltbild und auch dass vieler anderer Geistlicher

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gehörig durcheinander bringen.Ja, das tun sie. Diese Geschichten, all die Märchen, sie existieren wirklich!Nun aber ist es Akara gelungen, unzählige Märchengestalten, unter einemVorwand in ihr Reich zu locken. Das Ziel von Akara ist es, sämtliche Feen,Zwerge, Zauberer einfach alles was der Mensch in seiner Phantasie erschaffenhat, zu zerstören. Und leider ist sie mit ihrem Vorhaben weit vorangeschrit-ten. Viele Märchengestalten sind bereits ihrer Einladung in ihr Reich gefolgt.Falls es Akara gelingen würde, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, so wäre,als Folge daraus, mit unzähligen Kriegen auf Eurer Erde zu rechnen, wennnicht gar mit ihrem Untergang.Ich versehe nicht, sagte Walahfrid. Warum sollte dies auf der Erde Kriegauslösen?Nun, das ist einfach. Mit dem Tod der Märchengestalten würden auch derenGeschichte sterben. Der Mensch wäre nicht mehr fähig seinen Gedanken frei-en Lauf zu lassen. Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis eine solche Situationzum Chaos führen würde und am Ende zum Krieg. Dann wäre es wahr-scheinlich nicht mehr zu verhindern, dass Akara die Schale an sich reissenund somit die Herrschaft über die Erde, oder was noch von ihr übrig wäre,erlangen würde. Am Ende würde das ganze Universum unter die Herrschaftvon Akara fallen. Wir haben seit dem letzten Kampf gegen diese Hexe nichtsunversucht gelassen, dies zu verhindern. Aber wir mussten einsehen, dass wirihr Vorhaben nicht stoppen konnten. Nun ist es uns aber in der Zwischenzeitgelungen, den Fluch zu brechen und wissen nun, wie sich die auf der Erdebefindliche Hälfte des Grals finden lässt. Dies alles hat uns zu einem äusserstkühnen Plan verleiten lassen. Wir mussten einzig die, durch eine Prophezei-ung angekündigte Geburt der Menschen abwarten, welche Ihr nun aufsuchenwerdet. Zusammen mit diesen Personen werdet Ihr ins Hexenreich Pessoraaufbrechen um die fehlende Hälfte des Gral zurückzuerobern.Was? Ich soll was? Versteht mich bitte nicht falsch, aber ich glaube kaum,dass ich für solch einen Auftrag der Richtige bin.Oh doch, dass seid Ihr. Aber lasst mich nun zu Ende sprechen. Bei diesemUnterfangen ist es unerlässlich die eine Hälfte des Grals welche sich nochauf der Erde befindet mit ins Hexenreich Pessora zu nehmen und ihn mitder anderen Hälfte zu vereinen. Nur so besteht auch die Chance, Akara dasHandwerk zu legen. Wir sind uns der Gefahr bewusst welche dieser Plan mitsich bringen könnte, jedoch überwiegen die Vorteile. Wir sind überzeugt, dassAkara von diesem Vorhaben mehr als nur überrascht sein wird. Ab dem Zeit-punkt, wo Ihr ins Hexenreich Pessora übertretet, werdet Ihr auf euch alleinegestellt sein. Wir können Euch dann nicht mehr helfen. Einzig ein Diener vonuns, welcher sich schon im Hexenreich Pessora befindet, wird Euch, wenn dieZeit gekommen ist, aufsuchen. Mehr braucht Ihr dazu im Moment nicht zu

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wissen.Ich widerspreche Euch ja nur ungern, aber warum holt ihr die fehlende Hälftedes Grals nicht selbst? Ich meine...seht mich doch an! Vor mir hat doch eineHexe keine Angst. Hingegen wenn ich Euch ansehe, dann...Der Gral ist eine Angelegenheit der Menschen, fuhr Exodis scharf dazwi-schen, worauf Walahfrid vor Angst zusammen zuckte. Und nur Menschenoder Lebewesen welche auf der Erde ihr Dasein verbringen, dürfen an derRückeroberung beteiligt sein.Und wie komme ich ins Hexenreich Pessora, fragte Walahfrid fast schonselbstverständlich.Ihr seid nur der Begleiter, antwortete Numeris.In dem Augenblick hörte man von draussen ein leises Flattern und mit einemSchlag wurde die Türe zum Haus aufgestossen. Die riesige Eule trat ein.Ahhh, die Eule, schoss es Walahfrid durch den Kopf. Aber was hat sie dennda im Schnabel? Das ist doch....Und indem er seine Augenlider zusammendrückte um seine Sehschärfe zuerhöhen, holte die riesige Eule ein wenig mit dem Kopf aus, und schleuderteihre Beute auf den Tisch.Jones, schrie Walahfrid laut. Jones! Oh nein, die Eule hat Jones getötet.Und wie er sich auf seine geliebte Katze stürzen wollte hielt ihn einer derGeister zurück.Das ist nicht Eure Katze. Das ist Kardinal Thomas. Ein treuer Gehilfe vonAkara.Was? Aber, aber was ist mit meiner Katze. Wo ist meine Jones, fragte Wa-lahfrid mit leiser Stimme.Sie ist ihm zum Opfer gefallen, sagte Medisis welche sich in der Zwischenzeitvon einer Eule in eine Gestalt, ähnlich jener der zwei anderen Geister, ver-wandelt hatte und nun am anderen Ende des Tisches sass.Es eilt, sagte sie zu Numeris. Die Gluonen von Akara werden in Kürze hiereintreffen. Kardinal Thomas gelang es noch, unseren Standort zu verraten,bevor ich ihn eliminieren konnte.Numeris legte nun ein unbeschriebenes Pergament auf den Tisch.Eure Katze hat Euch doch am Finger verletzt.Ja, aber woher wisst ihr,....ja, hier am Finger.Reicht mir Eure Hand.Er nahm den Finger von Walahfrid, drückte diesen solange, bis genügendBlut hervortrat und lies es dann auf das Pergament tropfen. Vor den Augenaller verteilte sich das Blut auf dem Pergament und es entstand daraus eineLandkarte.Nehmt diese Karte mit, sagte Numeris. Sie wird Euch den Weg zu jenem Ortweisen wo Ihr einen Buben und ein Mädchen treffen werdet.

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Dann zauberte Numeris einen kleinen, schneeweissen Hund unter seinen Stoff-fetzen hervor.Diesen Hund nehmt ihr auch mit. Ihr werdet ihn den Kindern zum Geschenkmachen. Wenn die Zeit gekommen ist, wird auch er seine Aufgabe die ihmnun zuteil wird, erfüllen.Aber wie werde ich diese Kinder erkennen? Wie sehen sie aus? Wie heissen...In Gstaad findet zu dieser Zeit immer das Vorweihnachtsfest statt. Besorgteuch einen Stand. Sorgt dafür, dass die Menschen von ihren jüngsten Er-lebnissen berichten. Der Rest ergibt sich dann von alleine. Nehmt jetzt denHund und geht. Es eilt.Walahfrid nahm den kleinen Hund, die Karte und versteckte beides vorsich-tig im Innern seiner Kutte. Nachdem er sich ein paarmal verabschiedet hatte,nahm er die Laterne, verliess das Haus und machte sich schnellen Schrittesund mit grosser Erleichterung auf den Rückweg. Einzig über das Schicksalvon Jones war er sehr traurig und hoffte, dass Kardinal Thomas zur Strafeeinen schlimmen Tod erleiden musste. Er leuchtet mit seiner Laterne hin undwieder zurück, da ihn das Gefühl nicht losliess, dass er verfolgt würde. Undtatsächlich drangen auf einmal von unten, von oben, von allen Seiten be-ängstigende Laute an seine Ohren. Er lief immer schneller und drehte seineLaterne in alle Himmelsrichtungen und als er wieder zurückblickte konnteer ein affenähnliches Wesen mit einem Rattenkopf und einem Schwert be-waffnet erkennen, welches ihn einzuholen drohte. Mit einem riesigen Schwertbewaffnet kam ihm aus der Dunkelheit einer der Geister zu Hilfe. Mit einemkräftigen Schwerthieb zerschmetterte er das Monster.Lauft! Lauft, riefen die Geister Walahfrid zu, welche sich jetzt zu Dritt gegendie Angreifer stellten und 100-te dieser Monster in den Abgrund schlugen.Endlich sah Walahfrid Licht. Das muss der Ausgang sein, dachte er sich.Gleich hab ich’s geschafft.Mehr und mehr brachen nun Teile der Treppe unter seinen Füssen weg undstürzten ins Unendliche. Walahfrid rannte um sein Leben. Er warf seine La-terne weg um noch schneller zu sein.Kardinal Paulus! Kardinal Paulus! Schnell, helft mir. Kardinal Paulus!Ich komme! Ich komme, rief dieser zurück.Glücklicherweise hatten die furchtbaren Laute, welche auf einmal aus demKeller zu hören waren, Kardinal Paulus dazu veranlasst, sich dorthin auf denWeg zu machen.Ich komme, rief er nochmals mit lauter Stimme.Und schon war Kardinal Paulus im Keller und streckte seine Hand Walah-frid entgegen. Dieser zog während er um sein Leben lief, seine Kette mit demKreuz aus, nahm die Kette in seine Hand und warf das Kreuz in Richtung derausgestreckten Hand. Und gerade als auch noch der Rest der Treppe unter

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60 KAPITEL 5. DREI GEISTER

ihm zusammenbrach, fing Kardinal Paulus das Kreuz auf und zog Walahfrid,unter grösster Kraftanstrengung, zurück ins Kellerabteil. Wieder landete Wa-lahfrid auf dem Kopf. Diesmal aber weil er darauf achtete, dass dem kleinenHund nichts zustiess.Schnell, schliesst die Türe, schrie Walahfrid. Schnell!Kardinal Paulus zögerte etwas und schon drang eines der Monster durch dieKellertüre worauf Walahfrid und Kardinal Paulus auf den Boden geschleu-dert wurden. In selben Moment ergriff einer der Geister die Türe und schlugsie so fest zu, dass das Monster regelrecht zermalmt wurde und als Staub zuBoden fiel.Was war das? Was um Himmels Willen war das, schrie Kardinal Paulus.Wir müssen uns beeilen, sagte Walahfrid völlig ausser Atem. Wir...wir müs-sen uns beeilen. Ich werde es Euch später erklären. Aber warum habt ihr aufeinmal einen Bart?Ihr wart eine Woche weg. Langsam kamen mir Zweifel, ob ihr je wieder zu-rückkehren werdet.Eine Woche, wiederholte Walahfrid ungläubig. Ich war eine Woche weg?Noch während sie ihre Sachen packten, erzählte Walahfrid, was er erlebthatte. Und dass das nächste Reiseziel, Gstaad war. Spontan erklärte sichKardinal Paulus bereit, Walahfrid auf seiner Reise, in die Schweiz, zu beglei-ten.

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Kapitel 6

Die Reise nach Gstaad

Bevor sich nun Walahfrid und Kardinal Paulus auf ihre Reise in die Schweizaufmachten, nahmen sie ein letztes Mal Abschied von ihren Freunden. Kar-dinal Paulus hatte nämlich die Leichen der Leibwächter und auch jenen vonJones gleich hinter der Abtei, neben dem grossen Baum begraben. Natürlichwürden sie dafür sorgen, dass Leonardo und Vincenco noch ein anständigesBegräbnis erhalten würden. Für Jones hingegen sollte dies seine letzte Ru-hestätte bleiben. Walahfrid fand den Platz welcher sich Kardinal Paulus fürseinen Kater auserwählt hatte, geradezu ideal. Zum einen sass er selbst sehroft im Schatten dieses Baumes wenn er ein Buch lass. Zum anderen war ge-nau dies der Platz, wo Jones die meisten seiner Mäuse gefangen und gefressenhatte und darum würde er sich hier sicher wohl fühlen, so die Schlussfolge-rung Walahfrids. Längst war ihm aufgefallen, dass Kardinal Paulus seinenrechten Arm kaum bewegen konnte.Was ist mit Eurem Arm? Lasst mich mal sehen.Nur zögernd zeigte Kardinal Paulus das wahre Ausmass seiner Verletzung.Oh mein Gott. Euer Arm...er ist ja völlig schwarz. Und auch die Schulterscheint angegriffen. Und wie es riecht. Als ob...als ob er verfaulen würde.Ja! Es ist schrecklich. Dies habe ich Kardinal Thomas zu verdanken. Getarntals Jones, verletzte er mich, wo er die Verfolgung von Euch aufnahm. Amersten Tag ging es noch. Am zweiten Tage schmerzte es mehr. Am drittenTag hielt ich es beinahe nicht mehr aus. Ob Sie es glauben oder nicht, abernach diesem dritten Tag sehne ich mich jetzt zurück. Dieser Geschmack derFäulnis ist unerträglich. Ich weiss nicht wie lange ich dies noch aushaltenkann.Als sie nun frühmorgens die Abtei St. Martin verliessen, zeigte sich die Land-schaft von ihrer eisig kalten Schönheit. Der Himmel war wolkenfrei und dieBäume erinnerten Walahfrid irgendwie an die Geister welche er angetroffenhatte. Der Abstieg von der Abtei St. Martin war besonders für Kardinal

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62 KAPITEL 6. DIE REISE NACH GSTAAD

Paulus beschwerlich. Walahfrid langte immer wieder in seine Kutte wo erden kleinen Hund zärtlich kraulte. Als sie im Tal unten angekommen warenhatte sich der Zustand von Kardinal Paulus derart verschlechtert, dass ervon Walahfrid beim Laufen gestützt werden musste.Ihr müsst sofort in ein Krankenhaus.Lasst mich. Geht alleine weiter, ich schaff es nicht mehr.Es ist nicht mehr weit. Zwei Strassen weiter liegt ein Spital.Nein - Ihr dürft mich auf keinen Fall begleiten. Wir dürfen nichts riskieren.Nein, geht nur weiter, geht nur, ich schaff das schon. Nehmt diese Taschemit. Ich brauch sie nicht mehr. Ihr findet darin Geld meine Taschenuhr undsonst allerlei nützliches für Eure Reise. Für mich ist die Reise hier zu Ende.Aber ich kann Euch doch nicht...gibt es jemanden den man unterrichten soll-te?Nein. Geht und erfüllt Euren Auftrag. Geht jetzt. Gott beschütze Euch. Undhier habt ihr mein Kreuz. Es soll Euch auf Eurer Reise begleiten. Verzeihtmir, dass ich Euch nicht begleiten kann.Nach einer letzten innigen Umarmung, einer kurzen Berührung mit dem klei-nen Hund, verabschiedete sich Kardinal Paulus von Walahfrid. Mit letzterKraft schleppte sich dieser zum Spital wo er am Eingang endgültig zusam-menbrach.Walahfrid kaufte sich am Bahnschalter eine Fahrkarte nach Zürich. Gernewäre er Erste Klasse gefahren, aber es galt, nicht aufzufallen. Und ein Abtwelcher Erste Klasse fahren würde, würde eben auffallen. Vor jedem Waggonstand ein Kondukteur. Als er einstieg, übergab er seine Fahrkarte.In Ordnung! Gute Reise.Danke, antwortete Walahfrid knapp.Im Zug machte er sich auf die Suche nach einem leeren Abteil. Wie müde erdoch war. Und auch traurig, über dass was mit Kardinal Paulus und Jonespassiert war. Er verriegelte die Türe, setzte sich und während er noch denkleinen Hund kraulte, schlief er ein. Tief und fest. Derweil setzte sich derZug langsam in Bewegung. Der kleine Hund legte sich nun ebenfalls, auf dergegenüberliegenden Sitzbank, schlafen. Plötzlich, die Augen noch geschlos-sen, stellte der Kleine eines seiner Ohre kerzengerade in die Höhe. Die Augengeöffnet, hob er seinen kleinen Kopf und drehte ihn leicht, jetzt aber mitzwei spitzen Ohren. Er sprang von der Bank auf den kleinen Tisch vor demFenster und blickte neugierig in die langsam erwachende Landschaft indemseine spitzen Ohren mit leichten Bewegungen nach jenem Geräusch suchtenwelches er vorhin vernommen hatte. Da, er hatte es wieder. Es kam aus demWald. Völlig regungslos starrte der Kleine aus dem Zugfenster. Und dannsah er ihn.Einen mächtigen schwarzen Wolf, welcher in sicherem Abstand zum Zug, die-

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sen verfolgte. Furchteinflössend. Seit der Abfahrt aus Italien war ihnen derWolf auf den Fersen. Mit leisem Winseln sah der Hund wieder auf Walahfrid.Dieser aber schlief nach wie vor tief und fest.Zögerlich legte sich nun auch der Hund auf der Sitzbank schlafen, streckteaber, so alle 5 Minuten, ganz automatisch ein Ohr hoch in die Luft. Nachgut 4 Stunden wachte Walahfrid mit lautem Gähnen auf. Schon sass ihm derkleine Hund gegenüber und betrachtete ihn mit grossen Augen und spitzenOhren.Na mein Kleiner, hab ich was verpasst? Komm her. Was bist Du eigentlichfür eine Rasse?Der Kleine sah ihn daraufhin mit einem solch strengen Blick an, dass sichWalahfrid seiner Frage beinahe schämte.Während er den Hund streichelte sah er aus dem Fenster - Zürich 10 km -stand auf einer Tafel.Im nächsten Moment klopfte es an die Abteiltüre.Zürich, nächster Halt Zürich, rief der Kondukteur und war auch gleich wiederverschwunden.In Zürich angekommen musste Walahfrid zuerst was Essen bevor er weiternach Gstaad reiste. Da er neben seiner Muttersprache noch perfekt Deutschund Französisch sprach, gab es keine Verständigungsprobleme.Mal sehen ob wir etwas für uns hier finden können, murmelte er dem Kleinenzu und strich sich mit der Hand über seinen Bauch.Lange mussten sie nicht suchen. Die ganze Bahnhofshalle war ein einzigesSchlaraffenland. Beide genehmigten sich einen Leckerbissen. Walahfrid amund der Kleine Hund unter dem Tisch. Zufrieden verliessen sie die grosseBahnhofshalle und nahmen sich ein Taxi um an ihr Endziel zu gelangen.Er hatte schon viel gehört, von der Schweiz. Aber irgendwie konnte er sichdieses Land einfach nicht vorstellen. Ausserdem, was könnte wohl in einemso winzigen Land schon viel grossartigeres vorhanden sein, als wie in ande-ren Ländern. Doch allein schon die Taxifahrt wurde für Ihn zu einem wahrenAugenschmauss. So viele Tunnels, Täler, verschneite Berge, Flüsse und Tierebekamen seine Augen in so kurzer Zeit zu sehen wie er es sich niemals hättevorstellen können. Ja, hier ist es schön, sagte ihm seine innere Stimme.Aber in meiner Abtei St. Martin ist es doch noch am schönsten, rief er spon-tan und ziemlich laut seinem Hund zu.Diese plötzlichen Worte aus dem Mund von Walahfrid erschraken den Taxi-fahrer so sehr, dass er beinahe von der Strasse abkam. Denn bisher hatte derAbt kein einziges Wort geredet, ausser, dass er nach Gstaad wolle.Was wollen Sie denn in Gstaad?Ohhhh, ich treffe mich mit einigen meiner Brüder. Weihnachten in der Schweiz,wissen Sie....

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64 KAPITEL 6. DIE REISE NACH GSTAAD

Ahhh, ja. Da haben Sie eine gute Wahl getroffen. Sie werden sehen, dieserOrt ist bezaubernd.Walahfrid lächelte freundlich, dachte sich aber, dass er von Zauber schongenug gesehen hätte.Wir sind da! Wir sind da! Wachen Sie auf! Abt!Was, wer...?Wir sind in Gstaad. Wo wollen Sie genau hin?Wir sind schon da?Ja! Sie sind plötzlich eingeschlafen. Dafür leistete mir Ihr Hund ein wenigGesellschaft.Ohhh, gut. Bringen sie mich doch bitte auf den Marktplatz. Da müsste dochjetzt ein Weihnachtsstand sein.Dutzende, gibt es da. Aber erst übermorgen. Wo soll ich sie nun hinbringen?Nun, dann bringen Sie mich doch in eine Gaststätte wo ich ein paar Tageübernachten kann.Nachdem der Taxifahrer bei ein paar Häusern nach einer Unterkunft gefragthatte, wurde er fündig.Kommen sie! Hier ist es gemütlich. Hier können Sie für einige Tage ihre Zelteaufschlagen.Zufrieden nahm Walahfrid seinen kleinen Hund auf den Arm, gab dem Ta-xifahrer ein schönes Trinkgeld und quartierte sich, unter falschem Namen,in der ihm zugewiesenen Gaststätte ein. Seit seinem Abenteuer in der AbteiSt. Martin konnte er sich zum ersten Mal wieder ein wenig erholen. Dochaus dem Wald heraus wurde er ständig beobachtet. Der Wolf war Ihnen bishierher gefolgt. Er lies Walahfrid und seinen kleinen Hund nicht mehr ausden Augen.Inzwischen hatte sich Walahfrid mit seinem Hund, welcher besonders bei denKindern für Aufsehen sorgte, unter die Dorfbevölkerung gemischt. Vielleichtgab es ein Signal. Vielleicht sah man es diesen auserwählten Kindern an,dass sie was Besonderes wären. Nichts. Auch der Hund machte keine ausser-gewöhnlichen Anstalten. Da fiel ihm wieder ein, sich einen Marktstand zumieten. Ja, dass sollte er baldmöglichst erledigen, dachte er sich.Was wollen Sie denn auf dem Stand verkaufen, fragte ihn der ziemlich schrägdreinblickende Gemeindeschreiber, Herr Läuchli.Herr Läuchli hatte seine Stelle schon seit 30 Jahren inne und das merkte manihm auch an. Abgesehen von seinen ungepflegten und schlecht frisierten Haa-ren, fiel seine riesige Brille auf, deren Gestell er mit Klebstreifen notdürftiggeflickt hatte. Sein Gesicht war so hell, als hätte es niemals einen Sonnen-strahl abbekommen und sein Blick verriet, dass er locker noch weitere 10Tassen Kaffee vertragen könnte.Verkaufen? Ich? Nichts!

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Ja aber wozu brauchen Sie denn einen Stand, mein lieber Abt, fragte HerrLäuchli in solch einem urchigen Schweizerdeutsch, welches man selbst in derSchweiz nur selten zu hören bekam.Um zu schenken, antwortete Walahfrid, worauf sein kleiner Hund laut Kläff-te, als wolle er dies so bestätigen. Weihnachten ist ein Fest und kein Geschäft.Dies möchte ich den Menschen wieder in Erinnerung bringen.Ja und was wollen Sie Schenken?Walahfrid schaute etwas verlegen. Herr Läuchli und der Hund blickten ihnfragend an. Dann sah er wie eine Gemeindeangestellte gerade in ein StückLebkuchen biss.Lebkuchen, sagte Walahfrid. Für je eine vorgetragene Geschichte erhält jedervon mir ein Stück Lebkuchen.Für eine Geschichte?Ja genau. Eine Geschichte. Was nunmal die Menschen in den letzten Tagenso erlebt haben.Ein Stück Lebkuchen?Sehr richtig, antwortete Walahfrid. Ich glaube jetzt haben sie es verstanden.Selbst der kleine Hund blickte nun auf Herr Läuchli, als hätte dieser nichtalle Tassen im Schrank.So so, nun dagegen ist nichts einzuwenden. Gut, Sie können Ihren eigenenStand haben. Sie müssen sich aber in dieses Buch eintragen. Die Gebühr be-trägt 120 Schweizer Franken. Pro Tag!Nachdem er die Gebühr bezahlt hatte lief er über die Strasse zur Bäckerei.Dort kaufte er mit seinem restlichen Geld Lebkuchen. Jede Menge Lebku-chen. Zufrieden ging er in die Gaststätte zurück, im Wissen, dass er nun fürden Markt bestens gerüstet war.

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Kapitel 7

Jannis & Leandra

Heute war der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien. Alle Schüler warenanwesend und das Schulzimmer deshalb auch bis zum letzten Platz besetzt.Es fehlte an diesem Tag wohl deshalb niemand, da Frau Steiner, die Lehre-rin, eine besondere Überraschung auf diesen Tag angekündigt hatte. Und wieauch an anderen Tagen starrten einige der Schüler mehr aus dem Fenster alsan die Wandtafel. Ein Benehmen, welches Frau Steiner entsetzlich ärgerteund von ihr keineswegs toleriert wurde.Jannis, an die Tafel. Jannis! Du hast schon wieder nicht aufgepasst. Wenndu weiterhin nur aus dem Fenster starrst dann setze ich Dich in die vordersteReihe.Frau Steiner trug eine dieser bunten Brillen mit achteckigen Gläsern undihr blondes Haar war immer eng zu einem Rossschwanz zusammengebunden.Dies sorgte immer wieder für Gelächter im Klassenzimmer, da die Eltern vomkleinen Jakob, welcher gerade in die erste Klasse gekommen war, einem ihrerKälber den Namen Doris gegeben hatten und das war der Vorname von FrauSteiner. Und der Schwanz der bei Doris, dem Kalb, runterhing, ähnelte ingewisser Weise dem von Frau Steiner. Auf jeden Fall waren sich die Schüler indiesem Punkt einig und dann war das auch so. Natürlich hatte Frau Steinerschon verstanden, warum immer wieder Gelächter zu hören war, als sie ihrenKopf mit einer schnellen Bewegung zur Tafel drehte und so ihr Rossschwanzheftig umherflatterte. Aber sie hütete sich, dass man dies ihr auch nur imentferntesten anzumerken vermochte, würde man sie doch dann erst rechtauslachen. Sie war recht gross und kämpfte ständig mit ihrem Gewicht. Soass sie in der Mittagspause stets nur einen Apfel. Am Abend aber leerte sieden ganzen Kühlschrank und war dann gar nicht mehr gut mit sich selber zusprechen. Als dann Jannis an der Tafel stand fuhr sie mit ihrem Unterrichtin gewohnter Strenge fort.Eine Reihe. Schreib eine Reihe an die Tafel.

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Eine was?Frau Steiner fixierte Jannis mit starrem Blick.Wenn Du eine Antwort möchtest, so stell doch bitte auch eine vernünftigeFrage.Aber ich bin doch erst in der zweiten Klasse. Wir haben Reihen noch garnicht durchgenommen.Ach so, sagte Frau Steiner etwas verunsichert. Na, dann kannst Du Dich wie-der setzten, aber pass in Zukunft besser auf.Tobi komm Du an die Tafel. Du weisst doch sicher was eine Reihe ist, nichtwahr?Nur keine Angst, der Streber weiss das sicher, flüsterte Jannis.Was hast Du gesagt, rief ihm Frau Steiner nach.Ich hab nur laut gedacht! Was wohl eine Reihe sein könnte.Setz Dich, sei still und pass auf. Tobi wird Dir zeigen, was eine Reihe ist,nicht wahr?Vor ein paar Wochen war Frau Kern, eine weitere Lehrerin der Schule, aneiner hartnäckigen Grippe erkrankt, weshalb Frau Steiner vorübergehend alleKlassen zusammen unterrichtete. Und deshalb konnte es schon mal zu solchenVerwechslungen kommen, wie es eben gerade Frau Steiner mit Jannis passiertwar. Doch bei ihr kam es recht häufig zu solchen Vorfällen. Aber daran gabes sowieso nichts zu rütteln da sie zur Zeit die einzige Lehrerin im Dorf war.Ja, sie unterrichtete beinahe alle Fächer. Den Schülern war das nahezu egal,hatten sie sich doch mit dieser Eigenheit abgefunden. Die einzige Ausnahmewar das Fach Religion. Dies unterrichtete einzig und allein Pfarrer Paulus.Inzwischen schaute Jannis wieder durchs Klassenzimmerfenster in die Ferneund gab sich seinen Träumen hin. Noch konnte er ja nicht ahnen, wie baldschon sich so vieles in seinem Leben ändern würde.Leandra, welche in der zweiten Reihe sass, schielte zu Jannis zurück. Es warbekannt, dass Leandra und Jannis die allerbesten Freunde waren und sichnahezu alles miteinander teilten. Aber in der Klasse waren die Buben striktvon den Mädchen getrennt. Frau Steiner erlaubte keine andere Platzordnung,sehr zum Gefallen von Pfarrer Paulus. Als Grund für diesen sonderbaren Ent-scheid gab Frau Steiner an, dass es wissenschaftlich erwiesen sei, dass mitdieser Sitzordnung die Schüler im Unterricht die besten Resultate erzielenwürden.Plötzlich schoss ein Papierflieger an den Kopf von Jannis.An die Tafel schauen, rief ihm Tobi ganz leise zu.Du blöder Streber, schrie Jannis zurück.Ruhe! Ruhe, schrie Frau Steiner in die Klasse. Ich ertrage diesen ständigenLärm nicht. Ich will mich ja nicht als Moralistin aufspielen, aber es ist nunmalwissenschaftlich erwiesen, dass für Euch die vollkommenste und intensivste

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Freude nur darin bestehen kann, welche ihr empfindet, nachdem ihr gearbei-tet habt. Also Ruhe, schrie sie in die Klasse und rückte erneut ihre Brillezurecht.Dann nahm sie ein Stück Kreide in die Hand und drehte sich wieder mal vielzu schnell zur Tafel, sodass ihr Rossschwanz wie wild durch die Luft flog underneut für Gelächter im Klassenzimmer sorgte.Ich schreibe jetzt eine Reihe an die Tafel. Die Aufgabe besteht darin dieSumme von 1 bis 100 auf eine möglichst elegante Art und Weise zu lösen.Wer die Aufgabe über die Weihnachtsferien löst, bekommt in Mathematikeine Aufbesserung um eine halbe Note. Für jene unter Euch deren Lösungam elegantesten ist, gibt’s eine Verbesserung um eine ganze Note. Ausserdemgibt es für jede richtige Lösung ein Stück Schokolade.Die Aufbesserung der Note war den meisten Kindern egal. Aber Schokoladeals Belohnung war eine raffinierte Idee. Selbst die faulsten Schüler bemühtensich nun, die Lösung zumindest von einem Mitschüler abzuschreiben. Dann,endlich, klingelte die Glocke.Stopp! Setzt euch wieder alle hin, ich bin noch nicht fertig, rief Frau Steinerstreng. Pfarrer Paulus erwartet euch alle heute Nachmittag um 15.00 Uhrzur Beichte. Habt ihr gehört - Alle! Bis zum nächsten Jahr also.Jetzt aber waren die Schüler nicht mehr zu halten. Alle stürmten aus demKlassenzimmer raus ins Freie.Schöne Weihnachten euch allen. Grüsst die Eltern und kommt mir gesundwieder! Hört ihr, schrie ihnen Frau Steiner nach, welche selbst ganz froh wardas dieses Jahr endlich geendet hatte.Hey Kleiner, rempelte Tobi den um 2 Jahre jüngeren Jannis an. Hast Dudie Aufgabe schon gelöst? Oder weiss der Kleine immer noch nicht was eineReihe ist?Lachend lief er mit seinen Kollegen ein paar Meter voraus, machte einenSchneeball und schoss ihn Jannis direkt auf die Brust.Verschwindet ihr dämlichen Idioten! Lasst Jannis in Ruhe, schrie Leandra.Jetzt kommt ihm auch noch sein Schwesterchen zu Hilfe.Immer wieder machten sich Tobi und seine Kollegen über Jannis und Lean-dra lustig. Angefangen von ihrem gemeinsamen Geburtstag, ihrer Schwächefür Märchen bis hin zu ihrem verblüffend ähnlichem Aussehen. Als anfangsFrau Steiner die Beiden für Geschwister hielt, konnten sich ihre Mitschülervor Lachen kaum mehr halten. Und seither wurden immer wieder Witze dar-über gerissen. Dass sie sogar zur gleichen Uhrzeit auf die Welt gekommenwaren und sonst noch einige unglaubliche Gemeinsamkeiten hatten, wusstenatürlich niemand, ausser,...,ausser unserer Eule und ihren Verbündeten.Vom Lärm genervt öffnete Frau Steiner das Fenster.Ruhe! Ruhe da unten. Geht sofort nach Hause. Habt ihr gehört?

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Dies reichte auch schon um die Gruppe von Tobi zu vertreiben.Komm, lass uns nach Hause gehen, sagte Leandra und legte ihren Arm umseine Schulter.Lass mich in Ruhe, zischte Jannis gereizt und stiess ihren Arm weg. Warumhilfst Du mir immer? Ich brauch das nicht! Ich wäre mit denen schon alleinefertig geworden.Ja, das hat man gesehen.Leandra war die beste Schülerin ihres Jahrganges obschon sie alles andere alseine Streberin war. Die meiste Zeit über half sie Grossmutter Klara, welcheihrerseits dafür immer wieder aus dem Märchenbuch vorlas und das tat siejetzt zur Weihnachtszeit besonders häufig. Märchengeschichten hörte auchJannis sehr gerne und oft lagen sie vor dem Kamin in Grossmutter KlarasStube und lauschten ihrer Stimme. Nur Grossmutter Klara hatte in den Au-gen der Kinder die Begabung, Märchen so vorzulesen, dass die Figuren darinauch lebendig wurden.Komm, rief Jannis Leandra zu.Die kleine Auseinandersetztung zwischen ihnen schon wieder vergessen, nahmer sie bei der Hand und rannte mit ihr nach Hause.Leandra hatte wunderbar schulterlanges, blondes Haar welches beim Laufenwie verrückt in der Luft umhersprang. Ihre grossen blauen Augen bekamenvon der Grossmutter sogar Namen. Das linke Auge nannte sie Orion und dasrechte Auge Pegasus. Jannis trug seine dunklen Haare meistens ganz wilddurcheinander. Auch war er für sein Alter schon recht gross. Er war beinaheeinen Kopf grösser als Leandra. Trotz seiner vielen Arbeit welche er zuhausezu verrichten hatte, sah er immer recht gepflegt aus. Vor einigen Tagen er-krankten seine Eltern, was ihn aber nicht sonderlich störte. Einziger Nachteilwar, dass er nun doppelt soviel Arbeit zu erledigen hatte. Der Doktor hattebei seinen Eltern eine Lebensmittelvergiftung diagnostiziert und Ihnen einenHaufen Medikamente verschrieben, welche, seinen Eltern zufolge, fürchter-lich schmeckten. Was wohl die Vergiftung hervorgerufen hatte da war sichder Doktor seiner Sache noch nicht sicher. Jedoch fiel der Verdacht auf daserst kürzlich gegessene Huhn. Die Kinder hüteten sich davor, die Geschichteum Mammut zu erzählen. Kein Wort würden sie jemals darüber verlieren,hatten sie sich geschworen. Als Jannis an diesem Nachmittag Tanja fütterte,so hiess die Kuh der Rassl’s, hörte er von weitem, wie Leandra nach ihm rief.Und im nächsten Moment war sie auch schon bei ihm im Stall.Sie kommen, Jannis. Sie kommen! Morgen sind sie hier.Morgen schon?Jannis wusste sofort um was es ging. Um den Weihnachtsmarkt natürlichwelcher auch dieses Jahr um nichts in der Welt verpasst werden durfte. Fürdie Erwachsenen hatte diese Zeit und auch dieser Markt fast schon etwas

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Beklemmendes wo nicht allzuviel gelacht werden durfte. Aber für die Kin-der hatte solch ein Markt sein eigenes Leben. Und das waren Hunderte neueÜberraschungen denen sie mit Freude entgegenfieberten. Damit war der Tagfür Jannis gerettet und er erledigte den Rest der Arbeit zusammen mit Le-andra mit Leichtigkeit.Es ist bald 15.00 Uhr, sagte Leandra.Ja, und?Wir müssen doch zur Beichte!Dass hätte ich jetzt glatt vergessen. Ich geh mich rasch umziehen.Nach wenigen Minuten stand Jannis gekämmt und neu gekleidet vor Lean-dra.Also los, sagte er zu ihr.Als sie in die Kirche eintraten, roch es sehr stark nach Weihrauch. Ihre ganzeKlasse war schon da. Gerade war Tobi an der Reihe seine Beichte abzulegen.Nach ein paar Minuten wurde es ziemlich laut im Beichtstuhl. Man konntePfarrer Paulus deutlich hören wie er sehr streng mit Tobi ins Gericht ging.Dies führte dazu, dass die Jüngeren unter Ihnen noch mehr Angst bekamen,die älteren Semester hingegen das ganze Schauspiel mit schadenfrohem La-chen begleiteten. Mit hochrotem Kopf kam Tobi aus dem Beichtstuhl, krochin die vorderste Bank, kniete sich hin und begann aus dem Gebetbuch zulesen. Nun ging es nicht mehr lange, und schon bald waren Leandra und Jan-nis an der Reihe.Ich weiss gar nicht was ich Beichten soll, flüsterte Jannis.Du hast nichts in diesem Jahr angestellt was Du bereust?Ich glaube nicht. Nein, nichts. Zumindest kann ich mich daran nicht erinnern.Dann erzähl doch einfach die Geschichte über Mammut und Fuzzie.Hmmm, ich weiss nicht so recht ob dass eine gute Idee ist. Ausserdem wolltenwir davon niemandem was erzählen.Aber Du musst Pfarrer Paulus doch etwas sagen.Ja, hmmmm. Ich sag einfach, dass ich gelogen habe.Mach was Du willst.Ja, ich glaube, so werd ich’s machen. Und Du? Was beichtest Du?Ich erzähle eigentlich jedes Jahr dasselbe, nämlich dass ich zu wenig gebetethätte und meiner Grossmutter sicher mehr hätte helfen können.Das ist alles?Immer noch mehr als bei Dir.Und so beichteten beide Ihre Sünden, welche ja gar keine waren. Sie warenwirklich vorbildliche Kinder, so wie man sich diese als Eltern eben wünscht.Auch Pfarrer Paulus sah dies so, denn er kannte in dem kleinen Dorf so ziem-lich alle und wusste nur zu genau, wo eine strengere Hand von Nöten war.Bei Tobi war er sich anscheinend sehr sicher, denn als Jannis und Leandra

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nach ihrem Gebet die Kirche verliessen, kniete Tobi immer noch in der erstenBank und betete fleissig vor sich hin. Wie sich später herausstellte mussteTobi geschlagene 2 Stunden lang aus dem Gebetbuch lesen. Damit war füralle Schüler klar, dass Tobi einige schlimme Sünden bei Pfarrer Paulus zuBeichten gehabt hatte.Am Abend lauschten die Kinder wieder den Märchen aus Grossmutter Kla-ra’s altem Märchenbuch und sanken anschliessend zufrieden in ihren Schlaf.Jannis träumte davon, dass Tobi noch die ganze Nacht in der Kirche be-ten musste, was ihm im Schlaf ein Lächeln auf das Gesicht zauberte. Dannöffnete sich die Türe zum Beichtstuhl und das Gesicht von Jakob kam zumVorschein. Zornig rief sein Vater immer und immer wieder nach seinem Na-men.Dies genügte auch schon, sodass Jannis aus seinem Schlaf gerissen wurde.Jetzt hört der Junge auch schon nichts mehr, klagte sein Vater aus demSchlafzimmer heraus. Jannis zum Kuckuck noch mal. Jannis!Ich bin schon wach!Jannis, es ist schon 5 Uhr und Du schläfst immer noch. Du musst die Tierefüttern, mein Junge. Und das Frühstück bringst Du uns diesmal aufs Zim-mer. Hast Du gehört?Ja!Diesmal war das Aufstehen kein Problem. Er rieb sich den Schlaf aus den Au-gen, wusch sich, ass einen Happen und war auch schon bei der Arbeit. Unddie Stunden verflogen. Als er fertig war, trat er vor seinen Vater, welcherklagend über seine Schmerzen in der Stube lag und eine heisse Bettflascheauf seinen Bauch gelegt hatte. Seinen Morgenmantel hatte er inzwischen nassgeschwitzt. Mit hochrotem Kopf blickte er wütend auf Jannis.Fehlt es Dir an Arbeit?Ich bin fertig. Ich geh nach dem Essen mit Leandra zum Markt.Du gehst nirgendwo hin. Du hilfst Mutter unser kostbares Porzellan zu ver-stauen.Diese Worte hatte aber Maria gehört, welche damit ganz und gar nicht ein-verstanden war.Du willst unserem Tollpatsch unser kostbares Porzellan anvertrauen. Kommtgar nicht in Frage, hörst Du, schrie Maria aus dem Schlafzimmer heraus.Da hörst Du es. Dich kann man wirklich zu nichts gebrauchen. Geh von miraus auf diesen blöden Weihnachtsmarkt - ich brauche jetzt Ruhe.Jannis starrte seinen Vater weiterhin an.Was? Was ist denn noch?Ich wollte fragen ob Du mir etwas Geld mitgibst. Ich kann Dir auch was vomMarkt besorgen.Geld? Himmel, alle wollen Geld von mir. Wenn Du Geld brauchst, dann geh

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Schuhe putzen. Von mir bekommst Du nichts. Und wehe Du fragst Mutter.Damit war dieses Thema für Jannis auch schon abgehackt.Am Nachmittag machte er sich zusammen mit Leandra auf den Weg Rich-tung Dorfzentrum. Sie waren so aufgeregt. Man konnte ihre Spannung förm-lich fühlen.Mein Vater hat mir kein Geld gegeben.Macht nichts. Grossmutter gab mir etwas. Das reicht für uns beide.Aus weiter Ferne, aus dem Wald, wurden die Beiden beobachtet. Beobachtetvon zwei scharfen Augen. Einer alten Bekannten, an die sie sich nicht mehrerinnern konnten. Es war die Eule. Und gerade als sie um die Ecke biegenwollten erblickte Jannis die riesige Eule unter deren Last der Ast auf den siesich gesetzt hatte deutlich zu leiden hatte.Warte, sagte er zu Leandra und rannte nochmals zurück.Was ist denn?Ich hab eine riesige Eule auf der Tanne gesehen! Jetzt ist sie weg.Eine Eule? Unter Tag? Du siehst ja schon Gespenster.Aber der Ast bewegt sich noch. Da war eine Eule!Eulen sind Nachtaktiv. Also dass solltest Du wissen.Ach, Du. Weisst sowieso immer alles besser. Komm, lass uns weitergehen.Doch nicht nur die Eule beobachtete die beiden Kinder. Auch der Wolf,welcher dem Abt und seinem Hund ständig auflauerte, war auf die Kinderaufmerksam geworden. Doch noch hielt er sich zurück. Es schien, als würdeer einen gewissen Augenblick abwarten, bevor er zuschlagen würde.Auf dem Markt angelangt konnten sich ihre Augen nicht satt genug sehen.Überall genossen sie die weihnachtlichen Düfte und Laute mit voller Hingabe.Es glitzerte und leuchtete an allen Orten und es roch nach Lebkuchen, Ge-bäck und anderen Leckereien. Sie befanden sich regelrecht im Paradies. AuchTobi und seinen Kollegen waren auf dem Markt. Doch diesmal hatten sie vorihnen nichts zu befürchten, zu sehr waren diese damit beschäftigt, Neues zuentdecken. Und das konnte man auf diesem Platz in der Tat. In der Mitteerfreute eine riesige Tanne, welche mit unzähligen Kerzen geschmückt war,die Besucher. Als dann auch noch der Schneefall einsetzte verlieh dies demganzen Rummel eine besondere Note. Nachdem sie etliche Stände besuchthatten, kamen sie an den Stand unseres Geistlichen. Es hatten sich schonviele Menschen vor dem Stand versammelt.Auf einer grossen Tafel war zu lesen:

Jederder eine Geschichte zu erzählen weisswelche sich tatsächlich zugetragen hat

bekommt ein Stück Lebkuchen.

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Derzeit stand gerade der kleine Jakob ganz aufgeregt auf der Bühne. DasPublikum staunte nicht schlecht was es da zu Hören bekam. Denn Jakob gabtatsächlich die Geschichte über den Zusammenhang zwischen Frau Steinerund ihrem Kalb, Doris, zum Besten.Abgesehen vom Namen, so der kleine Jakob, hätten er und seine Schulka-meraden herausgefunden, dass ein weiterer Zusammenhang zwischen, Dorisder Lehrerin, und Doris dem Kalb bestünde. Nämlich, dass der Rossschwanzvon Frau Steiner und der Schwanz des Kalbes die gleiche Länge hätten. Nurin der Farbe gäbe es noch einen Unterschied, aber da hätten er und seineSchulkameraden auch schon eine Idee. Denn...Doch dann wurde unser kleiner Jakob mit einem Mal mucksmäuschenstill.Denn seine Augen hatten jemand in der Menschenmenge vor ihm entdeckt,der gemäss den Aussagen seiner Kameraden noch gar nicht hier sein konnte.Doch er wurde, zur Freude seiner Kameraden welche vor lauter Lachen schonnicht mehr stehen konnten, reingelegt. Frau Steiner stand mitten unter demPublikum und ihr Gesicht war noch roter als der Pullover den sie trug. Alsendlich auch Walahfrid realisierte was vor sich ging, schickte er den kleinenJakob mit einem Stück Lebkuchen von der Bühne.Tja...gibt es vielleicht noch jemand, der eine Geschichte erzählen möchte,fragte Walahfrid in die lachende Menge.Er selbst rechnete nach diesem peinlichen Vorfall kaum noch, dass sich je-mand melden würde. Denn das Gelächter war mittlerweile beträchtlich undFrau Steiner stand förmlich unter Schock.Doch nun drängte Leandra Jannis dazu, die Geschichte von der Eule zu er-zählen.Das ist doch keine Geschichte, sagte Jannis. Die erzähl ich nicht! Ausserdemwar die Eule ja beim zweiten Hinsehen schon wieder weg.Gut, dann erzähl ich sie.Niemand mehr, der eine Geschichte erzählen möchte, fragte Walahfrid er-neut.Leandra streckte die Hand weit auf und schnalzte mit den Fingern.Ja, das junge Fräulein möchte was erzählen.Selbstbewusst stand Leandra vor alle Zuhörer und erzählte das Erlebnis mitder Eule, indem sie die Geschichte noch ein bisschen ausschmückte. Sie dachtesich, wenn es Jannis gesehen hat, kann ich ja so tun als ob es mir widerfahrenwäre. Walahfrid war sofort klar, als er die Geschichte hörte, dass er tatsäch-lich die Person gefunden hatte, welche es zu finden galt. Dass es sich dabeium ein so junges Mädchen handeln würde hätte er nicht für möglich gehalten.Er suchte sich ein besonders grosses Stück an Lebkuchen heraus und übergabes Leandra.Wie heisst du denn, fragte Walahfrid neugierig.

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Leandra.Aha. Und, wo wohnst du?Bei meiner Grossmutter.Und schon lief sie wieder von der Bühne.Um keinen Verdacht zu schüren, machte Walahfrid mit der Vorstellung wiebisher weiter. Er notierte sich dass was ihm Leandra sagte, seinem schwachenErinnerungsvermögen wegen, auf der Innenseite seiner Handfläche. Dies tater so unauffällig wie es eben nur ging. Gleich am nächsten Tag suchte Walah-frid in aller Frühe gemeinsam mit dem Hund erneut das Gemeindeamt auf.Sie schon wieder, fuhr ihn Herr Läuchli mit gewohnt schweizerischem Urak-zent und mit tief verschlafenem Gesicht an. Wollen Sie etwa noch einen Standmieten. Rabatt kann ich Ihnen aber keinen gewähren, dass zum Voraus.Der kleine Hund blickte auf den Boden und schüttelte seinen Kopf.Nein, nein. Ich will keinen 2-ten Stand. Ich möchte eine Auskunft.So!Ja, also - können Sie mir die Anschrift der kleinen Leandra geben. Sie wohntbei ihrer Grossmutter.Ja, dass könnte ich.Und wie lautet nun die Anschrift?Was wollen Sie von diesen Leuten?Das ist Privat.Privat! So so. Die Anschrift ist auch privat. Könnte ja jeder kommen.Ja krieg ich nun die Anschrift, oder...Da muss ich mal den Chef fragen.Nach langem Hin und Her erhielt Walahfrid endlich die gewünschten Datenund suchte auch sofort den angegebenen Ort auf.Er nahm den kleinen Hund auf seinen Arm und klopfte ein paarmal an dieTüre. Leandra öffnete und vor ihr stand in seiner ganzen Leibesfülle Walah-frid. Die Augen der kleinen Leandra blickten sofort auf dieses lebendige Dingauf seinem Arm.Der ist aber süss, sagte sie.Schwubs, sprang der Kleine auch schon vom Arm und lief geradewegs in dieStube des Hauses. Als wüsste er, dass dies sein neues Zuhause werden würde.Ja was bist denn Du für einer, rief Grossmutter Klara dem kleinen Gast zu.Leandra! Leandra ein Hund. Ein kleiner Hund ist in der Stube.Ich weiss Grossmutter. Komm schnell, da steht ein Abt vor der Türe.Hätten sie weisse Haare, einen Bart und einem roten Umhang würden sieglatt als Weihnachtsmann durchgehen, sagte Grossmutter Klara als sie Wa-lahfrid erblickte.Oh, endlich jemand mit Humor. Ich mag das, erwiderte Walahfrid lachend.Mein Name ist Walahfrid, ich bin Abt, aber nennen Sie mich einfach Walah-

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frid.Grossmutter Klara bat den Gast in die Stube und versorgte ihn mit Ge-bäck und einer heissen Tasse Tee. Walahfrid gab sich als Reisender aus undtat alles um keinen Verdacht zu erwecken. Spätestens als wieder vom Hunddie Rede war, in welchen sich Leandra inzwischen regelrecht verliebt hatte,und Walahfrid zu Grossmutter Klara sagte, Leandra könne den Hund alsGeschenk für ihre tolle Geschichte behalten, wurde Grossmutter Klara miss-trauisch.Was wollen sie wirklich von uns, hackte sie nach.Und indem sie dies sagte, schaute sie streng in die Augen von Walahfrid.Nun, ich...Ihr habt recht. Ich kann Euch nicht belügen. Es ist nur, ich kannEuch den Grund nicht sagen. Bitte, lasst es so gut sein. Es wurde mir be-auftragt, einzig den Hund, der kleinen Leandra auszuliefern. Glaub mir, ichkomme mit den besten Absichten.Er hütete sich, auch nur die kleinste Andeutung über seinen Auftrag ge-schweige denn über die Geister zu machen. Die ganze Zeit über war Leandramit dem Hund beschäftigt, denn der hatte unglaublichen Hunger nach Spie-lereien, währenddessen Grossmutter Klara Walahfrid weiter löcherte.Wie ist sein Name? Wie heisst er? Ist es ein Weibchen oder ein Männchen,unterbrach Leandra, welche nun wieder mit dem Hund in die Stube gekom-men war.Walahfrid war dies merklich peinlich, denn er wusste es selbst nicht.Ein Männchen! Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, dann sieht manso was auf den ersten Blick, sagte Grossmutter Klara.Walahfrid lächelte etwas.Und der Name, fragt Leandra.Oh, sie hat...Er, er natürlich! Er hat noch keinen Namen. Wenn es DeineGrossmutter erlaubt, kannst du den Hund behalten, denn Du hast heute dietollste Geschichte von allen erzählt.Oh bitte, liebe Grossmutter, bitte, bitte, bitte...ich darf ihn behalten, ja?Schon gut, du kannst ihn behalten, sagte sie und bekam von Leandra prompteinen satten Kuss auf die Wange.Doch dann überkam Leandra ein schlechtes Gefühl, denn nicht Sie sondernJannis hatte ja die Eule gesehen.Was ist denn mit Dir auf einmal, fragte die Grossmutter.Sie merkte immer sofort, wenn etwas mit dem Kind nicht stimmte. Dannerzählte Leandra die Geschichte mit der Eule, so wie sie wirklich abgelaufenwar.Schon gut, lauf jetzt und zeig Deinen neuen Freund Jannis. Der Abt undich haben noch was zu besprechen. Und vergiss nicht, ihm einen Namen zugeben, rief Grossmutter Klara Leandra nach welche mit dem Hund aus dem

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Haus rannte.Grossmutter Klara stand auf, lief zum Küchenkasten, holte 2 Gläser und einegute Flasche Wein.Ich sehe es an Eurer Nase an, dass Ihr dem Wein nicht abgeneigt seid.Ja in der Tat, antwortete Walahfrid. Meine Brüder und ich sagen uns immer,wie schön, angenehm und erfreulich es doch ist, am eigenen Tisch zu sitzen,ein Dach über dem Kopf und einen erprobten Wein im Keller zu haben.Ich weiss nicht wer Euch schickt oder was Ihr im Schilde führt, aber sollteLeandra oder Jannis irgend etwas zustossen so ziehe ich Euch das Fell überdie Ohren, stellte Grossmutter Klara eiskalt klar. Ihr müsst wissen, ich liebeLeandra so sehr, dass ich beinahe nicht darüber sprechen mag. Vorher wussteich nicht, was wahre Liebe ist. Seit aber ihre Eltern gestorben sind, Gott seideren Seele gnädig, und sie nun bei mir wohnt, wurde für mich trotz desVerlustes meiner Tochter die Welt wieder wunderbar, herrlich und gut - weitüber jegliche Vorstellung hinaus. Habt ihr mich verstanden?Ja, ja gewiss, antwortete Walahfrid, und trank mit einem Schluck das ganzeWeinglas leer. Ich selber habe kürzlich einen sehr guten Freund aus dem Va-tikan seinem Schicksal überlassen müssen. Im Moment weiss ich nicht einmalob er noch unter uns weilt. Also glaubt mir, ich kann Euch sehr gut verste-hen. Ich komme mit den besten Absichten.Das sagtet ihr schon.Noch bis in die Nacht hinein unterhielten sich die Beiden, bis Walahfrid An-stalten machte, aufzubrechen.Wo werdet ihr schlafen, fragte Grossmutter Klara.Nun, ich....Wenn ihr wollt, könnt ihr hier im Haus übernachten.Oh, dass ist nicht nötig, ich habe ein Zimmer im Gasthaus.Ach machen sie mir den Gefallen. Ich hab gerne Gäste in meinem Haus. Istja nur für eine Nacht.Wenn das so ist, dann nehm ich Ihr Angebot gerne an.Dann kam Leandra mit dem Hund nach Hause welcher nun den Namen Gö-del bekommen hatte und legte sich, genauso wie ihr neuer kleiner Freund,schlafen. Grossmutter Klara zeigte Walahfrid sein Zimmer.Toilette befindet sich diesen Gang entlang, die letzte Türe. Also dann, GuteNacht, sagte sie und entfernte sich in ihr Zimmer.Ihnen auch eine Gute Nacht. Und nochmals Danke.Wieder alleine setzte sich Walahfrid aufs Bett.Jannis, sagte er zu sich. Jannis muss also die andere Person sein, welche ichfinden sollte. Zufrieden damit, beide Kinder gefunden zu haben, legte er sichSchlafen.Spät in der Nacht, als alles ruhig war, unterbrach etwas vor dem Haus diese

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Stille. Zuerst ertönte ein Schhhhhhh. Dann hörte man ein lautes Papp. Unddann waren Schritte zu hören. Schwere Schritte. Tuk, Tuk, Tuk, Tuk. Walah-frid erwachte, hielt kurz inne und schloss dann auch schon wieder die Augen.Tak, Tak, Tak, Tak, Tak. Jetzt aber war Walahfrid wach und sicher, dass dajemand geklopft hatte.Er hüpfte aus dem Bett und lief auf die Türe zu. Ganz beiläufig blickte erzum Fenster und erschrak aufs heftigste.Oh mein Gott!Riesige Augen blickten durch das Fenster im ersten Stock. Es war die Eule.Sofort öffnete er das Fenster.Ihr seid es! Das freut mich aber. Ihr wisst, man hat Euch gesehen. Ich meinedie Kinder....Ich weiss, antwortet die Eule ruhig. Ihr habt Eure Arbeit bis jetzt zu unserervollsten Zufriedenheit erfüllt. Hört mir nun gut zu. Morgen wird Grossmut-ter Klara die Kinder in den Wald schicken. Ihr werdet Euch den Kindernanschliessen und seht zu, dass sie den Hund mitnehmen. Der Zeitpunkt istgekommen, indem ihr ins Hexenreich Pessora übertreten werdet.Da gibt es aber ein kleines Problem, entgegnete Walahfrid. Wenn ich mit denKindern in das Hexenreich Pessora übertreten werde, dann werden doch...nunja, die Verwandten...die werden doch die Kinder vermissen.Sobald Ihr mit den Kindern im Hexenreich Pessora seid, wird die Zeit auf derErde solange stillstehen, als bis ihr wieder zurückkehrt. Wie könnte es auchanders sein, sagte die Eule belehrend. Sämtliche Märchenfiguren müssen ineinem Raum leben welcher zeitlich von der Erde abgekoppelt ist, ansonstenwürden sie, genauso wie die Menschen, alt werden und sterben.Ah ja, antwortet Walahfrid, obschon er nicht sicher war ob er dies alles sorecht verstanden hatte.Und falls jemandem was zustösst. Was wenn jemand...wenn jemand von unsim Hexenreich Pessora sterben sollte?Falls jemandem von Euch sterben sollte, so ist dies so, als wäre dies in EurerWelt hier passiert. Nur der Körper befindet sich eben im Hexenreich Pessora.Nun ja, ich hoffe ihr versteht mich nicht Falsch, aber genau dass möchte ichvermeiden. Ich bin ein geistlicher Mann und würde es vorziehen...Ich weiss was ihr sagen wollt. Doch keine Angst. Falls Euch tatsächlich waszustossen sollte, so wird man Euch in diese Welt zurückbringen. Dafür istgesorgt.Auch wenn uns allen etwas...Daran wollen wir erst gar nicht denken. Denn sollte dies passieren, so gäbees innert kürzester Zeit keinen Flecken Erde, der nicht entweiht wäre. Akarawürde mit ihrer Streitmacht die ganze Erde einnehmen. Und das wäre erstder Anfang.

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Ich verstehe. Ja. Das...das wird nicht passieren. Dann wäre auch dies ge-klärt.Noch nicht ganz. Akara wird anhand ihrer Zeitorium bemerken, dass sichMenschen in ihr Reich geschlichen haben.Was ist eine Zeitorium, fragte Walahfrid.Nun, eine Zeitorium ist vergleichbar mit einer Uhr wie ihr sie kennt, doch istsie bei weitem komplexer. Sie erkennt jegliche Änderung an einem Planetenim gesamten Universum. Ob sich nun die Zeit, die Bevölkerung, die Tempe-ratur oder sonst was auf einem Planeten ändert. Sie erkennt einfach alles.Dieses Werk war ein Geschenk des Teufels zu ihrem Geburtstag.Des Teufels? Wir...wir werden es doch nicht ihm persönlich zu tun...Nein. Ihm persönlich begegnet ihr nicht. Aber ich will Euch nichts vormachen,es wird Euch viel Schreckliches begegnen. Darauf müsst ihr Euch gefasst ma-chen. Die Schale wird verhindern, dass Euch die Hexe, sobald ihr in ihr Reicheingedrungen seid, entdecken wird. Aber seid auf der Hut. Sobald ihr in dieNähe des Schlosses von Akara gelangt, wird sie Euch aufspüren können. Nurwenn es Euch gelingt, die Schale und den Fuss zusammenzufügen, zum Gral,dann wären die Kinder sogar imstande, Akara ein für alle mal zu erledigen.Aber im Moment ist dies noch Wunschdenken. Predun wird Euch dass allesnoch genauer erklären.Wer ist Predun und woher bekommen wir nun diese Schale?Alles zu seiner Zeit. Also dann, bis Morgen.Und schon entschwand die Eule mit ein paar Flügelschlägen im Dunkel derNacht.Am nächsten Morgen weckte ein herrlich duftender Kaffee Walahfrid aus sei-nem Schlaf. Eins, zwei war er angezogen, wusch sich sein Gesicht und steuertedirekt auf die Küche zu wo seine Gastgeber auf ihn warteten um zusammenmit ihm zu Frühstücken. Gödel war an diesem Morgen kaum zu halten. Erlief immer wieder zur Haustüre.Ich lass ihn raus, er muss vielleicht, naja was Hunde eben müssen, sagte Le-andra.Und schon war der Hund um die Hausecke verschwunden und nahm dieFährte des Besuchers von letzter Nacht auf. Leandra zog sich die Schuhe anund lief Gödel nach. Sie staunte nicht schlecht als sie die grossen Spuren imSchnee ausmachte. Auch Grossmutter Klara war diese Sache nicht geheuer.Nur Walahfrid wies den Spuren keinerlei Bedeutung zu. Dann stiess auchnoch Jannis dazu. In der Hand hielt er ein Stück vom Lebkuchen, welcherLeandra vorgestern ergattert hatte. Zusammen betrachteten sie die gewal-tigen Fusspuren im Schnee. Jannis meinte, dass nicht einmal Walahfrid inder Lage wäre, solche Spuren im Schnee zu hinterlassen. Da musste selbstGrossmutter Klara lachen.

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Walahfrid gefiel sich ausnahmsweise in der Rolle des Clowns, denn so fiel esihm viel leichter seinen wahren Auftrag zu verheimlichen.Meine Eltern schicken mich, sagte Jannis zu Grossmutter Klara. Sie wollennoch mehr von Deinen Kräutern.Was ist denn mit deinen Eltern, fragte Walahfrid. Sind sie krank?Sie liegen seit ein paar Tagen mit starken Bauchschmerzen im Bett. DieMedikamente vom Arzt haben bisher nicht die gewünschte Wirkung erzielt.Aber Leandras Grossmutter hat für jede Krankheit die richtigen Kräuter.Stimmt’s, schaute er fragend Grossmutter Klara an.Ja genau! Ihr müsst wissen, sagte sie zu Walahfrid, gerade wegen meinerArmut bin ich seit vielen Jahren eine fanatische Sammlerin, gleich einemPhilatelisten geworden und habe mir eine mit vielen Opfern zustande ge-brachte herrliche Kräutersammlung angelegt. Ich hol Euch mal eine Probedavon, dann könnt Ihr Euch selbst überzeugen.Doch dauerte es nicht lange wie sie mit einer leeren Kräuterdose in den Hän-den aus dem Haus kam.Ausgerechnet die Kräuter welche Deine Eltern brauchen, sind aufgebraucht.Kinder, geht und holt mir welche aus dem Wald. Ihr wisst Doch noch wo sichdie Kräuter befinden?Ja, antwortete Leandra. In der grossen Höhle, gleich hinter dem hängendenStein.Da realisierte Walahfrid dass das seine Chance war.Ich kann euch begleiten. Ein bisschen Bewegung würde mir sicher gut tun.Prima! Und Gödel nehmen wir auch mit, sagte Leandra.Als sie im Wald angekommen waren, deutete nichts auf etwas aussergewöhn-liches hin. Hier guckte ein Reh hinter den Bäumen hervor und andernortskletterte ein Eichhörnchen einen Baum hinauf. Alles normal, dachte Wa-lahfrid - nichts aussergewöhnliches. Längst wurden sie jedoch vom Megarverfolgt. Und wie sich bald herausstellen sollte, war es kein Wolf im eigent-lichen Sinne sondern eine regelrechte Bestie. Seine Augen waren dunkel wiedie Nacht. Dass Maul mit messerscharfen Zähnen übersäht und aus seinemRachen drang fürchterliches Knurren. Besonders den kleinen Gödel behielter im Auge. Unbemerkt folgte er ihnen auf Schritt und Tritt. Dunkle Wol-ken zogen am Himmel auf. Schneebedeckt leuchteten die Bäume mit demgrauen Himmel als Hintergrund so zauberhaft, dass man das Gefühl hatte,ein Windstoss könnte sie zum Leben erwecken. Es herrschte eine magischeStimmung im Wald. Der kleine Gödel sprang ständig einige Meter nach vorneund dann wieder zurück. Jannis und Leandra warfen ihm Schneebälle zu undGödel sprang ihnen laut kläffend nach. Und dann geschah es. Gödel bewegtesich so unglücklich nahe am Abgrund des Weges, einzig den Schneeball dergeflogen kam im Blickfeld, dass er das Gleichgewicht verlor und die steile

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Böschung hinabstürzte.Gödel !Und genau darauf hatte der Megar gewartet. Mit fürchterlichem Knurrensprang er auf Leandra, Jannis und Walahfrid zu, welche allesamt, als sie dasriesige Monster auf sie zukommen sahen, ebenfalls den Hang hinabstürzten.Schnell Kinder. Da ist eine Höhle, schrie Walahfrid.Schreiend liefen alle drei auf die Höhle zu, krochen hinein und verhielten sichso still wie sie nur konnten. Leandra weinte leise aus Angst um Gödel. Unddann tauchte der Wolf vor der Höhle auf, fletschte seine Zähne, begleitet vonentsetzlichem Knurren.Oh Himmel - was ist das nur für eine Bestie. Zurück Kinder. Zurück mitEuch.Dabei drückte Walahfrid die Kinder noch weiter in die Höhle hinein. LautesGeschrei der Kinder kündigten das nächste Unheil an.Walahfrid drehte sich um und sah wie unzählige Spinnen und anderes Un-geziefer auf sie zugekrabbelt kamen. Ihrem Schicksal überlassend drehte sichder Megar von ihnen ab. Denn an Walahfrid und den Kindern war er garnicht interessiert. Seine Augen konzentrierten sich auf den mit Gödel’s Blutbefleckten Stein. Und wie der Megar auf den Stein zugehen wollte, tauchtewie aus dem Nichts ein riesiger Schatten über ihm auf. Dann konnte mannur noch ein entsetzliches Winseln hören. Und wie Walahfrid aus der Höhlesah war der Wolf verschwunden. Totenstille. Selbst das Ungeziefer war füreinen Moment ruhig. Walahfrid packte die Kinder und kroch mit ihnen ausder Höhle. Draussen war keine Spur mehr vom Megar zu sehen.Gödel! Oh nein - bitte nicht, riefen die Kinder als sie den kleinen leblosenKörper neben einem Stein liegen sahen.Die Kinder weinten fürchterlich. Der Kleine hatte sich das Genick gebrochen.Er prallte auf einen grossen Stein an dem nun Blut von ihm klebte. UnzähligeTränen liefen den Kindern die Wangen hinab als sie vor Gödel kniend, umdessen Tod trauerten. Einige von den Tränen trafen auch den Stein welchesich dadurch mit dem Blut von Gödel vermischten. Darauf bekam der Stein,unbemerkt von den Kindern und Walahfrid, mehr und mehr Risse. Am Höh-lenausgang waren nun all die Spinnen und das Ungeziefer angelangt welchenun mit ihrem Geräusch die ganze Umgebung erfüllten. Selbst das Rauschendes nahegelegenen Baches wurde von ihnen übertönt.Kinder, wir müssen von hier schleunigst weg. Diese Bestie kann jeden Mo-ment wieder auftauchen.Und das tat sie dann auch. Zusammen mit der Eule.Die Eule, rief Walahfrid.Mit ihren Krallen hielt sie den leblosen Körper des Megares, dessen Hals siemit ihrem scharfen Schnabel aufgerissen hatte, fest. In dem Moment, als die

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Eule landete, verstummte erneut das Geräusch des Ungeziefers. Erst jetzterkannten die Kinder und Walahfrid, dass der Wolf nicht wirklich ein Wolfwar. Langsam verwandelte er sich in einen Menschen. Der Kopf war nun ge-nau zu erkennen. Und auch die Hände. Mit einer kräftigen Kopfbewegungschleuderte die Eule ihre Beute vor die Höhle, wo sich nun das Ungeziefermit gewohntem Lärm über den Werwolf hermachte.Walahfrid und die Kinder starrten völlig entsetzt auf die Eule. Jannis warsich absolut sicher, dass dies die Eule war, welche er vorgestern auf der Tannegesehen hatte.Das ist die Eule die ich auf der Tanne gesehen habe, sagte er leise zu Leandra.Das...das war ja gar kein echter Wolf, sagte Walahfrid. Das war...das war einWerwolf. Ich hätte nicht gedacht, dass es sowas tatsächlich gibt.Ich sagte Euch doch, dass alles existiert, was sich die Menschen ausdenken.Die...die kann ja reden! Und wie gross sie ist, sagte Leandra mit Tränen er-füllten Augen.Jannis! Leandra! Endlich. Ihr könnt Euch bestimmt nicht mehr an mich erin-nern, aber ich habe Euch in Eurem ersten Lebensjahr immer wieder besucht.Du bist die Eule, welche ich vorgestern auf dem Baum gesehen habe.Genau. Das war ich. Ich wünschte ich hätte Euch diese unerfreuliche Situati-on ersparen können. Es tut mir so Leid, was mit Gödel passiert ist. Er wurdeein Opfer im Kampf für eine gute Sache.Was für eine gute Sache denn, fragte Leandra wütend.Immer noch liefen ihr die Tränen die Wangen hinab.Ich weiss wie schwer Euch der Verlust von Gödel nahe geht. Aber noch ist ernicht verloren.Dann reichte sie den Kindern mit Ihrem Schnabel ein Pergament welches siezuvor unter ihrem Flügel hervorgeholt hatte.Was ist das? Was sollen wir damit, fragte Leandra genervt.Das wurde von Wesel, einem sehr mächtigen Zauberer, geschrieben. Er batmich, Euch dieses Pergament zu überreichen. Lest es und ihr werdet verste-hen.Im Pergament stand in schönster Schrift, das die Kinder auserwählt wurdenum die fehlende Hälfte des Grals aus dem Hexenreich Pessora zurückzuer-obern. Auch die Konsequenzen wurden beschrieben, falls das Vorhaben miss-lingen würde. Dabei war das Unglück, welches über die Menschheit kommensollte falls das Vorhaben misslingt, für die Kinder weniger von Bedeutung,als dass es keine Märchen mehr geben sollte. Nein, dass ging schon gar nicht.Und Gödel wollten sie auch wieder zurück. Denn laut dem Pergament würdeder Hund von den Toten auferstehen, sollten sie ihren Auftrag erfolgreicherfüllen.Für einen Moment hatte ich das Gefühl, als wollte mir der Werwolf gar nichts

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Böses antun, sagte Walahfrid.Von Euch wollte er auch nichts. Und von den Kindern auch nicht. Er hät-te Euch womöglich getötet, aber abgesehen hat er es auf diesen Stein dort.Besser gesagt auf dessen Inhalt, sagte die Eule.Auf den Stein? Was ist denn daran so Besonders?Nur einen Moment, dann werd ich’s euch erklären. Zuerst will ich aber sichergehen, ob Prof. Amun wirklich Tod ist.Ihr habt diese Kreatur gekannt, hackte Walahfrid nach.Offensichtlich nicht gut genug. Er leitete die Zauberschule in Afrika. Obschonbekannt war, dass er der Schwarzen Magie nicht abgeneigt war, hätte ich nie-mals gedacht, dass er so weit gehen würde. Wenn bekannt wird, dass Prof.Amun für Akara gearbeitet hat, ist es um diese Schule geschehen. Wie konnteer nur? Das ändert natürlich alles. Wir müssen davon ausgehen, dass Akaraüber einen Grossteil unsere Pläne bestens informiert ist. Zumindest erweistes sich nun als Vorteil, dass wir Prof. Amun und seine Kollegen nicht mitjeder Einzelheit, welche diesen Fall betrifft, informiert haben.Heisst das, wir müssen nun nicht mehr in dieses Reich der Hexe übertreten?Nein. Der Auftrag wird wie besprochen ausgeführt. Ich sagte ja schon, dassEuch Schlimmes erwartet.Walahfrid musste kräftig Schlucken.Und warum musste Gödel sterben, wendete er ein. Zumindest den Hund hät-tet ihr den Kindern zuliebe retten können.Nie haben wir ein Leben leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Doch diesmal hat-ten wir keine Wahl. Wir hatten alles versucht um diesen Stein zu öffnen,aber es gelang uns nicht. Darüber hinaus war es nicht ausgeschlossen, dasswir die Schale beim Öffnen beschädigt hätten. Erst das Blut eines zufälligverstorbenen Lebewesens vermischt mit den Tränen dieser auserwählten Kin-der, konnte den Fluch von Akara endgültig brechen. Und der Tod von Gödelmusste nunmal vom Stein herbeigeführt worden sein. Natürlich wusste ich,dass ihr überfallen werdet. Doch hätte ich euch gewarnt, wäre der Überfallnicht mehr zufällig erfolgt. Dann hätte sich der Hund auch nicht am Steinverletzt. Anders war der Fluch nunmal nicht zu brechen.Zusammen gingen sie auf den Stein zu, um die Schale, welche ihnen schonentgegen strahlte, von der Nähe aus zu betrachten.Endlich, sagte sie. Kinder kommt her. Kommt her. Seht doch. Seht doch nur.Zum ersten Mal nach so langer Zeit gibt der Stein den Blick auf die Schalefrei. Jemand von Euch muss die Schale an sich nehmen.Ich mach das schon, antwortete Walahfrid.Nein! Ihr nicht, entgegnete die Eule scharf. Entweder Jannis oder Leandra.Es muss ein Mensch ohne Sünde sein.Walahfrid goutierte dies mit einem verdutzten Lächeln.

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Wird Gödel wieder gesund, fragte Leandra.Das hängt von Eurer Entscheidung ab, sagte die Eule.Wie meinst Du das?Nur der Gral hat die Macht, Leben zu schenken. Allein die Schale kann diesesWunder nicht vollbringen.Energisch trat Walahfrid vor die Eule.Dass sind doch Kinder! Wie sollen sie denn gegen Akara bestehen, wenn esselbst Euch so schwer fällt?Es sind nunmal nicht irgendwelche Kinder. Ihr besitzt Fähigkeiten, sagte dieEule welche sich nun den Kindern zugewandt hatte, welche Euch erlauben,die Gesetze der Natur aus ihren Angeln zu heben. Noch seid Ihr Euch des-sen nicht bewusst. Erst wenn man Euch in Tensora unterrichtet, werdet Ihrverstehen was ich meine.Tensora? Unterricht? Was meinst Du damit, hackte Leandra nach.Tensora ist ein Ort, an welchen nur besonders begabte Schüler Magie in ihrerreinsten Form, erlernen können. Und Ihr gehört zu solch Auserwählten. Ihrwerdet vom grossen Predun unterrichtet, welcher Euch alles beibringen wird,was Ihr für Eure Aufgabe wissen müsst.Wir erlernen Zauberei, fragte Jannis ungläubig.Das hängt von Eurer Entscheidung ab. Wollt ihr Euch auf dieses Abenteuereinlassen, dann zeige ich Euch wie ihr in das Hexenreich Pessora gelangt. Fallsihr jedoch mit dieser Sache nichts zu tun haben wollt, und glaubt mir, nie-mand würde Euch diese Entscheidung übel nehmen, werdet ihr Euch, sobaldich Euch verlassen habe, weder an dieses Gespräch noch an mich erinnern.Der tragische Unfall von Gödel kann dann aber nicht rückgängig gemachtwerden.Und was passiert dann mit dem Gral, fragte Jannis.Inzwischen hielt er die Schale in der Hand und betrachtete das Stück Metallaufs genaueste.Wir müssten uns dann einen anderen Weg überlegen wie wir Akara das Hand-werk legen und die gestohlene Gralshälfte zurückerobern könnten.Mir ist noch etwas unklar, sagte Leandra. Angenommen wir helfen Euch.Wie sollen wir uns denn mit den Märchengestalten verständigen?Darüber macht euch keine Sorgen. Sobald ihr im Hexenreich Pessora seid,wird euch jeder verstehen, selbst eine Maus. Und ihr werdet alle anderenLebewesen verstehen. Alle Sprachen verschmelzen sozusagen zu einer uni-versellen Sprache. Es gibt also keine Verständigungsschwierigkeiten. Im Au-genblick redet ihr ja auch mit einer Eule. Was ja nicht so selbstverständlichist. Leider kann ich Euch keine Zeit geben, Eure Antwort zu überdenken.Die Würfel sind nun schon gefallen. Prof. Amun ist Tod. Akara wird davonschon bald erfahren, und bis dann müssen wir ihr einen Schritt voraus sein.

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Die Entscheidung liegt nun ganz alleine bei Euch. Wollt ihr Euch auf diesesgefährliche Abenteuer einlassen?Die Kinder blickten sich einander in die Augen. Dann drehten sie sich kopf-nickend zur Eule.Einverstanden! Wir machen es. Wir helfen Euch, antwortete Leandra.Die Zeit bleibt hier ja stehen, sagte Jannis. Zumindest Weihnachten dürfenwir nicht versäumen. Aber wohin gehen wir als erstes, wenn wir in diesemHexenreich Pessora angekommen sind?Euer Ziel ist das Schloss von Akara aufzusuchen und den Fuss des Grals zu-rückzuerobern. Sobald ihr Euch im Hexenreich Pessora befindet, tut einfachdass, was Euch Euer Herz rät. Denn ihr beide, wurdet schon vor Eurer Ge-burt auf diese Aufgabe vorbereitet. Vergesst nicht - nur mit dem Herzen siehtman wirklich gut. Während der Zeit welche ihr fort seid, braucht ihr Euchkeine Sorgen um Grossmutter Klara, Gödel noch um sonstwer hier auf derErde zu machen.Ohne dass es die Kinder und Walahfrid bemerkt hatten versammelten sichHunderte Tiere um sie herum. Rehe, Hirsche, Eichhörnchen ja sogar Füchseund Mäuse lauschten den Worten der Kinder.Die Eule wendete sich nun Jannis zu.Geh mit der Schale nun zum Bach und füll sie mit Wasser.Jannis gehorchte. Dann trat er wieder vor die Eule.Sobald ich den Platz verlassen habe, wirfst Du das Wasser gegen den Felsen.Dies wird euch ein Tor ins Hexenreich Pessora öffnen.Und wie kommen wir wieder zurück?Du machst genau das Gleiche was Du jetzt tust. Du suchst Dir irgendwoeinen Felsen und wirfst den Inhalt der Schale dagegen.Und falls kein Wasser vorhanden ist. Was dann?Die Schale wird sich in Zukunft von selbst mit Wasser füllen. Dass Du siejetzt mit Wasser füllen musstest, rührt daher, dass die Schale seit vielen Jah-ren im Schlaf gelegen hat und nun, durch das Flusswasser, wieder erwachtist.Der Herzschlag der Kinder sowie jener von Walahfrid erhöhte sich deutlich.Sie alle waren von sich selber überrascht, wie schnell sie sich doch auf diesesAbenteuer eingelassen hatten. Doch sie blieben dabei.Gut, sagte Jannis. Ich bin bereit.Ich auch, antwortete Leandra.Walahfrid stellte sich hinter die Kinder.Ich auch. Ich bin auch bereit.Ich bin sehr froh, dass ihr so entschieden habt, sagte die Eule. Ich werde dasein, wenn ihr wieder zurück kommt.Dann nahm sie den leblosen Körper von Gödel unter ihren Flügel, verabschie-

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dete sich von allen, und flog davon. Gleichzeitig entfernten sich nun auch alleanderen Tiere.Also los, sagte Leandra.Jannis trat vor den Felsen und schleuderte das Wasser gegen die Felswand.Daraufhin bildete sich ein mächtiges, eisernes Tor. Vergleichbar mit jenen vonuralten Schlössern. Alle drei hielten für einen Moment inne. Jannis ging aufsTor zu und als er danach greifen wollte verschwand seine Hand im Innerndes Tores. Blitzartig zog er sie wieder zurück. Immer noch kein Wort sagendreichte er seine Hand Leandra. Auch Walahfrid nahm eine Hand von Lean-dra und dann liefen sie mit geschlossenen Augen durch das Tor hindurch undverschwanden. Und mit ihnen verschwand auch das Tor. Ab diesem Augen-blick blieb alles auf der Erde stehen. Die Uhren, die Züge, die Autos, ja selbstFlugzeuge und Schiffe bewegten sich nicht mehr. Die Zeit hatte alles einge-froren. Nichts, aber auch gar nichts veränderte sich mehr. Grossmutter Klarablieb erstarrt in ihrem Schaukelstuhl sitzen. Und auch das Feuer in ihremKamin flackerte nicht mehr. Für die Eltern von Jannis kam der Zeitpunkt,an dem die Zeit still stand, zu einem denkbar ungünstigen Augenblick. Dennseine Mutter war gerade damit beschäftigt, ihr geliebtes Porzelangeschirr imKüchenschrank zu verstauen. Noch dazu stand sie auf einer Leiter. Und seinVater, immer noch im Morgenmantel, half ihr dabei.

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Kapitel 8

Das Hexenreich Pessora

Walahfrid und die Kinder hielten sich immer noch an den Händen und ih-re Augen hielten alle noch geschlossen als ihre Ohren vertraute Geräuschewahrnahmen. Sie hörten das Rauschen eines Baches begleitet von Vogelge-zwitscher. Jannis war der Erste welcher die Augen öffnete und nicht schlechtstaunte was er da sah. Vom Winter war keine Spur mehr zu sehen. Die Bäu-me blühten und die Sonne strahlte vom Himmel. Er musste Lachen, als erLeandra und Walahfrid ansah welche ihre Augen immer noch fest geschlossenhielten.Ihr könnt eure Augen öffnen - Angsthasen.Langsam öffneten auch sie ihre Augen und waren sichtlich erleichtert als siedie schöne Landschaft betrachteten.Wie schön es hier ist, sagte Walahfrid.Aber...aber hier sieht es doch genau so aus wie bei uns zuhause, sagte Lean-dra.Erst beim zweiten Hinsehen erkannte auch Jannis, dass Leandra Recht hatte.Walahfrid war dies alles nicht geheuer.Vielleicht ist etwas schief gegangen als wir das Tor passierten, mutmasste er.Wir gehen am besten in Euer Dorf zurück. Womöglich waren wir ja schon indiesem Hexenreich und können uns nur nicht mehr daran erinnern.Aber die Eule hat doch gesagt, dass die Zeit auf der Erde stehen bleibenwürde, entgegnete Leandra. Wie also kann denn nun plötzlich Herbst sein?Falls wir tatsächlich schon in diesem Hexenreich gewesen sein sollten, so ha-ben wir unseren Auftrag nicht erfüllt, sagte Jannis und hielt als Beweis dieSchale in die Höhe. Er fehlt immer noch der Fuss! Ausserdem - wo ist dieEule?Nun, dass weiss ich auch nicht. Aber gehen wir doch mal in euer Dorf zurück.Vielleicht erfahren wir dort, was nun los ist. Gott, ist mir heiss.Einen Teil ihrer Kleider entledigt, sie waren ja noch wie im Winter gekleidet,

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gingen sie zurück ins Dorf. Als sie durch den Wald liefen, bemerkten sie Un-gewöhnliches. Der Wald war gründlichst durchforstet. So hatten sie ihn garnicht in Erinnerung. Und auch sonst war alles irgendwie anders, doch konn-ten sie es nicht in Worte fassen. Als sie die Lichtung des Waldes erreichtenstaunten die Drei nicht schlecht. Von ihrem Dorf war weit und breit nichts zusehen, einzig ein paar alte Hütten aus Holz standen herum. Rauch welcheraus den Kaminen emporstieg, deutete darauf hin, dass sie bewohnt waren.Damit ist wohl klar, dass wir im Reich dieser Hexe gelandet sind. Wir solltennachsehen wer da wohnt, meinte Leandra.Walahfrid und Jannis sahen Leandra etwas verblüfft an. Denn Beide warenob der Unerschrockenheit die Leandra an den Tag legte, geradezu überrascht.Ja! Ja, Du hast Recht, sagte Walahfrid etwas zögerlich.Als der einzig Erwachsene unter ihnen wollte er natürlich keine Schwächezeigen. Und so liefen sie auf die wenigen Hütten zu.Das da sieht aus wie ein Lokal, meinte Walahfrid. Hört ihr die Musik? Sehenwir doch mal nach, was uns da erwartet.Immer herein, schrie ihnen jemand aus dem Inneren des Lokales zu, als Wa-lahfrid kräftig gegen die Türe klopfte.Als Walahfrid die Türe öffnete und mit den Kindern eintrat, stellten siefest, dass es ein Gasthaus war. Musik spielte, und einige Tische waren mitden schillernsten Figuren aus der Märchenwelt besetzt. Schneewittchen sassmit den sieben Zwergen an der hintersten Ecke des Raumes. Auch der Wolfund die sieben Geisslein waren anwesend. Dabei machte der Wolf nicht diegeringsten Anstalten, als ob er eines der Geisslein fressen wollte. Ganz imGegenteil. Er spielte mit ihnen Karten. Und als sie sich so umblickten, be-merkten sie, dass alle ruhig wurden und sie anstarrten.Qrigg’s, schrie Jakob der Wirt, welcher mit 1,20 Meter Körpergrösse selbstneben den Kindern winzig erschien.Daraufhin wurden sie von allen Figuren im Lokal ausgelacht. Ja sogar aus-gepfiffen. Nur unsere Abenteurer brachten keinen Ton raus.Kommt mit mir. Kommt, sprach Jakob und bot ihnen einen Tisch an. Tutmir leid, dass ich so lachte, aber ihr seht tatsächlich wie Qrigg’s aus.Was sind Qrigg’s, fragte Jannis.Hahaha...der war gut, wirklich, Du hast Humor. Jetzt verhaltet ihr euchauch noch so, sagte Jakob, und reckte schnuppernd seine knorrige Nase anden Körper von Jannis. Nein! Ausgeschlossen! Wenn ihr Qrigg’s seid, dannbin ich der Froschkönig, sagte er lachend.Was wollt ihr Trinken?Limonade, sagten die Kinder gleichzeitig.Hört jetzt auf mit diesem Blödsinn. Genug ist genug. Limonade...trinkendoch nur Qrigg’s. Wein oder Wasser, was anderes gibt es nicht.

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Wasser, antwortete Leandra. Bitte!Mir auch.Und Ihr, wendete sich Jakob fragend an Walahfrid.Wein! Bitte!Ha, ich wusste es, als ich eure Nase sah. Wie bei einem Qrigg’s. Wie beieinem Qrigg’s.Und als er dies sagte, strich er sich mit der Hand über seinen spitzen Bartam Kinn welcher mindestens so lang war wie sein Kopf.Und dann war Jakob auch schon wieder verschwunden. Die Tische im Lo-kal hatten alle verschiedene Grössen. Selbst die Mäuse hatten ihren eigenenTisch. Und auf dem machten sie sich gerade über ein riesiges Stück Käse her.Die Musik ist sonderbar, aber irgendwie schön, sagte Walahfrid. Ich hab nochnie einen Esel, einen Hund, eine Katze und einen Hahn zusammen musizierengesehen. Unglaublich.Aber das sind doch die Bremer Stadtmusikanten, sagte Leandra belehrend.Die was?Die Bremer Stadtmusikanten! Also die kennt nun wirklich jedes Kind!Ah ja. Natürlich, antwortete Walahfrid verlegen.Doch gehört hatte er von diesen Musikanten noch nie etwas.Seht doch mal zu den sieben Zwergen, sagte Leandra ganz aufgeregt. Ichglaube die trinken Wein.Der Tisch der sieben Zwerge war mit unzähligen leeren Flaschen übersäht.Und ihrem Gesichtsausdruck nach, mussten dies tatsächlich alles Weinfla-schen gewesen sein. Dass Schneewittchen sich unter solcher Gesellschaft wohlfühlen konnte, stiess bei den Kindern auf Unverständnis. Walahfrid hütetesich einen Kommentar abzugeben, war er doch selber ein bekennender Wein-liebhaber.Bepackt mit 2 Flaschen torkelte Jakob an den Tisch seiner neuen Gäste. Nurmit Mühe gelang es ihm, die Flaschen auf den Tisch zu stellen.Ja, ja, die Gläser kommen gleich, sagte Jakob garstig. Sonst meckert ihr wie-der. Ihr seid ja Qrigg’s. Nicht wahr?Walahfrid und die Kinder waren sich nun im Klaren, dass sie alles sein durf-ten, nur ja keine Qrigg’s.Und schon brachte Gertrude, die Frau von Jakob, die Gläser an den Tisch.Um ihren Kopf hatte sie eine weisse Kappe geschnürt. Sie war etwas kleinerund pummeliger als Jakob dafür aber besass sie ein umso breiteres Lächeln.Hier bitte, die Gläser. Und Essen? Wollt ihr etwas zu Essen? Wir hättenHuhn im Angebot. Na, wie wär’s?Huhn? Danke, aber wir sind nicht hungrig, beeilten sich die Kinder zu ant-worteten.Im Moment konnten sie unmöglich ein Huhn essen. Nicht nachdem was den

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Eltern von Jannis widerfahren war. Auch Walahfrid schüttelte den Kopf.Danke, aber im Moment nicht.Ihr wisst nicht was ihr verpasst, schnatterte Gertrude. Und Du, sagte siekantig zu Jakob, hol das Buch. Ich will das sich diese Herrschaften eintragen.Natürlich Liebes, antwortete Jakob unterwürfig.Zusammen gingen die Wirtszwerge zurück in die Küche. Und schon kam Ja-kob mit einem dicken Buch zurück und legte es auf den Tisch.Eintragen! Ihr müsst euch eintragen. Ihr dürft euch nichts dabei denken, abermeine Frau legt viel Wert darauf, dass sich alle Gäste in dieses Buch hier ein-tragen. Eure Namen und aus welchem Märchen ihr kommt. Sie will das so.Ein Tick von Ihr. Was soll ich machen - sie ist nunmal meine Frau. Bei euchnimmt es mich zum ersten mal selber Wunder, in welchem Märchen solchkomische Gestalten wie ihr es seid vorkommen. Aber zuerst bezahlt ihr mirdie Getränke. Ich bekomme, ähm...10 Thaler.Die Kinder schauten nun Walahfrid an welcher suchend in seine Tasche griffund einen Beutel mit Geldstücken raus nahm welcher er von Kardinal Paulusbekommen hatte. Dann legt er ein Geldstück auf den Tisch, ohne zu wissen,was für Geldstücke sich im Beutel befanden.Ohhhh, Gold, sagte Jakob. Sofort biss er mit seinen Zähnen darauf um dieEchtheit zu prüfen. Zufrieden liess er das Goldstück sogleich in seiner Hosen-tasche verschwinden.Dafür könnt ihr den ganzen Abend Trinken und Essen was ihr wollt. Ihrkönnt sogar hier übernachten. Wenn ich euch einen Tipp geben darf, flüs-terte Jakob, dann solltet ihr das Gold nicht so offen herzeigen. Es sind hierschon schlimme Sachen deswegen passiert.Dann versteht ihr sicher, dass wir uns nicht in das Buch eintragen wollen,antwortete Jannis raffiniert.Ah, ja. Sicher! Ich verstehe, sagte Jakob und verschwand wieder mitsamt demBuch.Nun aber war aus der Küche lautes Geschnatter zu hören, als Jakob seinerGertrude das Buch ohne neuen Eintrag zurück brachte. Erst als er ihr dasGoldstück unter die Nase hielt, wurde sie ruhig.Am Eingangsbereich wartete schon die nächste Überraschung für die Kinder.Seht nur, das ist doch....das ist der gestiefelte Kater, sagte Leandra.Und tatsächlich, auf der Türschwelle stand, unverwechselbar, der gestiefelteKater. Schwarze Stiefel mit schwarzem Hut samt einer weissen Feder und ei-nem rosa Umhang mit Schwert waren sein unverwechselbares Markenzeichen.Aufgeregt kam Jakob an den Tisch unserer Abenteurer gerannt.Habt ihr gesehen? Der gestiefelte Kater ist eingetroffen. Ich kann euch nurraten, achtet auf euer Gold. Der kann dieses Metall nämlich riechen.Und schon eilte er, mit einem breiten Grinsen, auf den gestiefelten Kater zu

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um ihm einen Tisch anzubieten.Nach einer Weile winkte Walahfrid Jakob an den Tisch.Sagt mal, woran erkennt man denn Qrigg’s?Jakob lachte.Am Gestank natürlich. Jeder hier würde einen Qrigg’s sofort riechen. DieErwachsenen stinken sowieso fürchterlich. Kinder hingegen riecht man nichtso gut. Aber glaubt mir, fuhr Jakob fort, diese Rübe hier, und dabei zeigte erauf seine Nase, hat mich noch nie getäuscht. Langsam macht ihr mich schonneugierig in welchem Märchen ihr Drei mitspielt, denn mit allzuviel Gripsscheint ihr ja nicht ausgestattet zu sein. Ja genau, sagte Leandra. Danke,dass Ihr mit uns soviel Geduld habt.Und dann hackte sie gleich nach.Was machen denn all diese Märchengestalten bei Euch?Ihr Drei seid wirklich die dümmsten Gäste die ich je bedient habe. Aber wersoviel Gold mit sich rumträgt den kritisiert man nicht. Alle hier folgen derEinladung von Akara in Ihr Schloss.Dabei zeigte er auf das Plakat welches an der Wand hing.Jeder der etwas auf sich hält, möchte um nichts in diesem Hexenreich jenesrauschhafte Fest verpassen. Noch dazu so kurz vor Weihnachten. Ein Treffenaller Märchengestalten hat es noch nie gegeben. Die Einzigen wo davon aus-geschlossen sind, sind...Nun schaute er Leandra mit fragendem Gesicht an.Qrigg’s, sagte sie zögerlich.Natürlich. Jetzt hast es sogar Du kapiert.Und schon wurde er wieder an den Tisch der sieben Zwergen gerufen.

Niemand konnte "Riechen", dass unsere Freunde tatsächlich Qrigg’s waren.Qrigg’s, also Menschen, waren im Hexenreich Pessora verpönt und mussten,falls entdeckt, sofort Akara ausgeliefert werden. Tod oder Lebendig. Der Gralwar aber selbst in geteiltem Zustand mächtig genug, um zu verhindern, dassunsere Drei Freunde von Jakob und seinesgleichen als Qrigg’s erkannt, oderbesser gesagt, errochen werden konnten.Der Wein schien Walahfrid zu munden, denn er hatte beinahe die halbeFlasche leergetrunken. Und als er erneut das Glas zu seinem Mund führte,bemerkte er, wie ihn die Kinder vorwurfsvoll anstarrten. Vor lauter Verle-genheit lief er im Gesicht beinahe so rot an, wie die Farbe des Weines.Ich glaube wir sollten langsam aufbrechen, sagte er ausweichend und ohneeinen weiteren Schluck dieses so köstlichen Tropfen’s zu geniessen.Als Walahfrid am Tisch vom Gestiefelten Kater vorbeiging, nahm dieser seinSchwert und hielt es Walahfrid entgegen.Oh nein, ich hab’s geahnt, ärgerte sich Jakob welcher das Ganze von seiner

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Theke aus beobachtete.Was habt ihr da, fragte der Kater, indem er mit der Klingenspitze auf dieTasche von Walahfrid deutete.Nichts was von Bedeutung für Euch wäre, antwortete Walahfrid und gingseines Weges.Ich mag Dich nicht und dein Gesicht mag ich auch nicht, schrie ihm der Ge-stiefelte Kater nach. Lass Dich hier bloss nicht mehr blicken.Lässig auf dem Stuhl sitzend, die Beine überkreuzt streifte er langsam mitseiner Pfote über seine Schnurrhaare, und betrachtete Jannis. Sein nächstesOpfer. Seine scharfen Augen erhaschten eine Ausbeulung an der Jackenta-sche von Jannis die ihn neugierig machte. Diesmal aber fragte er nicht lange,sondern schlitzte mit seinem Schwert die Tasche auf, worauf die Schale aufden Boden fiel.Was ist denn das für ein dämlicher Becher, fragte der Gestiefelte Kater. Istder aus Gold?Der Gral! Jannis, der Gral, rief Leandra, worauf es absolut still im Wirtshauswurde.Jannis packte die Schale und rannte mit Leandra und Walahfrid so schneller konnte aus dem Lokal in den angrenzenden Wald. Kurz darauf kamendie Zwerge, der gestiefelte Kater, Jakob ja einfach alle aus dem Wirtshausund machten sich auf die Suche nach den Dreien. Bald schon wurden sie vonden Verfolgern eingekesselt. Zusammengeknäult und ohne Deckung sassen siehinter einem Baum. Jannis betete die Schale an, dass sie ihnen helfen möge.Doch nichts passierte. Der gestiefelte Kater lief, mit gezücktem Degen, direktauf sie zu.Alle Drei schlossen die Augen, in Erwartung, jeden Moment den Degen ander Kehle zu spüren.Doch der Kater lief an ihnen vorbei! Er konnte sie nicht sehen. Niemandkonnte sie sehen. Die Schale hatte den Schleier der Unsichtbarkeit über siegelegt. Noch die ganze Nacht wurde nach den Dreien gesucht. Bis zum Mor-gengrauen.Längst waren unsere Drei Abenteurer Opfer ihrer eigenen Müdigkeit gewor-den und in einen tiefen Schlaf gesunken. Jannis erwachte als erster. Er sahsich um. Doch war alles ruhig. Keine Gefahr drohte. Dann erwachten auchLeandra und Walahfrid.Die Schale hat uns gerettet, sagte Jannis begeistert. Sie konnten uns nichtSehen. Niemand konnte uns Sehen.Gestärkt davon, ihre erste Prüfung so bravourös gemeistert zu haben, mach-ten sie sich auf die Suche nach dem Schloss von Akara. Unterwegs pflücktensie allerhand Beeren. Auch kamen sie laufend an neue Bäche, wo sie ihrenDurst stillen konnten.

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Doch ihr Missgeschick im Wirtshaus blieb nicht ohne Folgen. Jakob hattenoch in der Nacht seinen Falken, Taki, mit einer Botschaft über das Vor-gefallene in das Schloss von Akara entsendet. Mittels ihres Zeitorium hatteAkara längst erkannt, dass sich Menschen in ihr Reich geschlichen hatten.Und obschon Prof. Amun, einer ihrer Topspione, nicht mehr lebte, hatte die-ser ihr soviele Informationen zukommen lassen, dass sie nun wusste, was aufsie zu kam. Sie war sich ihres Sieges sicher. Nur, dass sie die Menschen nichtorten konnte, verärgerte sie. Die Schale besass mehr Kraft, als sie anfangsvermutet hatte. Nun aber, mit der Botschaft von Jakob, hatte sie zumindesterste Hinweise darauf, wo sich die Eindringlinge ungefähr aufhielten.Diese verdammten Erdgeister, schrie Akara als sie durch die Gänge desSchlosses lief. Sie haben meinen Fluch gebrochen. Das werden sie mir nochbereuen. Schon bald. Dafür werde ich sorgen.Selbst Stunden später, hatte sich ihr so schönes Antlitz, unter ihrem Ärger,in eine grässliche Fratze verwandelt was sie nur noch wütender machte. IhreFinger verwandelten sich in Schlangen deren Köpfe so gross wie ihre Finger-nägel waren. Ihre Haut war nun von grossen dunklen Schuppen, gleich einerEchse, überzogen. Die Augen gelb-grün und aus der Stirn wuchs ihr eineriesige Klapperschlange hervor. Ein scheusslicher Anblick, welcher einem dasBlut in den Adern gefrieren liess.Immer noch in Ihrer hässlichen Gestalt, lief sie hinab in die Tiefen ihresSchlosses. Sie betrat ein mit Schimmel und Dreck geschmücktes Verlies des-sen Boden mit Knochen übersäht war und an den Wänden die fürchterlichs-ten Folterwerkzeuge hingen. Akara kniete sich hin, und baute mit der lehmig-klebrigen Masse aus welchem der Boden dieses Kerkers bestand einen riesigenmonströsen Menschen. Die Schlangen an ihren Händen zischten während sieden Körper formten. Die riesige Schlange an ihrer Stirn verfolgte jede Bewe-gung ihrer Kinder aufs Genaueste. Ohne jedes Lebenszeichen stand nun deraus dieser klebrigen Masse geformte Mensch vor ihr. Zufrieden betrachtetesie ihr Werk und wartete nun solange als bis der Vollmond auf ihr Kunst-werk schien. Das Licht des Vollmondes wurde durch mehrere Spiegel bis indie Tiefen dieses Kerkers gelenkt. Dann war es soweit. Die ersten Strahlendes Mondes trafen auf ihr Werk. Daraufhin bewegte sich die riesige Schlangelangsam zurück und schoss dann mit voller Wucht nach vorne und versetztedieser klebrigen Masse einen kräftigen Biss in den Nacken. Dadurch wurdedas Monster zum Leben erweckt. Schreiend vor lauter Schmerz krümmte sichdieses nun am Boden. Unter dem Einfluss des Mondes begann das Monstersich zu verwandeln. Unter höllischen Schmerzen veränderten sich seine Glied-massen und auch das Gesicht veränderte sich aufs entsetzlichste. Knochenbrachen und formten sich wieder neu. Solange, bis sich am Ende das wahreWerk von Akara zu erkennen gab. Mit einem lauten Heulen verkündigte der

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Werwolf, dass seine Verwandlung abgeschlossen war.Wie schön Du bist, sagte Akara. Und so stark.Zähnefletschend verbeugte sich der Werwolf vor seiner Schöpferin.Ich werde Dich Megor nennen. Wenn Du den Auftrag den ich Dir nun ge-ben werde, zu meiner Zufriedenheit erfüllst, so sollst Du als Erster auf derErde nach Beute Ausschau halten dürfen. Von mir aus kannst Du TausendeMenschen töten. Aber zuerst bringst Du mir die fehlende Hälfte des Grals,die Schale, welche die drei Eindringlinge mit sich tragen. Es sind Menschen.Komm, ich zeige Dir eine dieser erbärmlichen Kreaturen.Akara führte nun ihre Kreatur einige Stockwerke höher an ein Verlies, welchesgenauso dreckig und abstossend war, als jenes von welchem sie gekommenwaren. Die Füsse und Hände an Ketten gelegt, war in diesem Verlies eineFrau in einem Käfig eingesperrt.Siehst Du. Das hier ist ein Mensch, sagte Akara.Ohne eine Sekunde zu zögern stürzte sich der Werwolf auf den Stahlkäfig,zerfetzte diesen und packte die Frau an der Gurgel.Hör auf! Ich brauch sie noch. Die anderen kannst du Töten. Die hier gehörtmir. Hast Du gehört? Lass sie sofort los!Nur widerwillig lockerte der Werwolf seinen Griff und schmetterte sein Opferbrüllend in die Ecke.Erfülle nun Deinen Auftrag, sagte Akara. Bring mir die Schale welche dieseEindringlinge mit sich tragen. Dann kannst Du auch mit diesem Menschenhier, dort weitermachen, wo Du jetzt aufgehört hast. Einige meiner Gluonenwerden Dich begleiten. Sie wissen wo sich diese Brut ungefähr aufhält. Gehjetzt. Geh!Brüllend sprang Megor ans Verliesfenster, riss die Gitterstäbe weg, und warauch schon im Dunkel der Nacht verschwunden.Du solltest mir dankbar sein, sagte Akara. Ich habe Dir Dein Leben gerettet.Nun schon zum zweiten Mal.Ihr...ihr hättet mich im Todes...im Todestrakt sterben lassen sollen, sagte dievöllig entkräftete Frau.Bitte, was? Ich verstehe Euch nicht. Ihr müsst schon etwas lauter sprechen.Oder seid ihr etwa selbst dafür zu schwach.Ich...ich verfluche Euch.Nun drehte sich Akara einmal um ihre eigene Achse und sah wieder bezau-bernd schön aus. Mit zuckersüsser Stimme fuhr sie fort.Du verfluchst mich? Tatsächlich? Solche Worte aus dem Mund einer solchgrossen Zauberin wie ihr es mal ward. Das ist bitter. Nicht wahr? Ich habeNeuigkeiten für Euch. Wie ihr aus meiner vorigen Konversation mit meinemneuen Diener unschwer erfahren kontet, haben sich Menschen in mein Reichgeschlichen. Drei, um genau zu sein. Tensora steckt dahinter.

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Tensora! Habt ihr Tensora gesagt?Zum ersten Mal, regte sich so etwas wie ein Funke Hoffnung in den Augendieser bemitleidenswerten Frau.Ihr scheint Euch an diesen Namen zu erinnern. Nach all den Jahren. Dochvon Prinz Tegral ist weit und breit nichts zu sehen. Er hat sich irgendwo aufTensora verkrochen. Glaubt ihr wirklich dass er Euch nach all den Jahrennoch liebt. Gleichgültig seid ihr ihm! Was auch immer zwischen euch gewesenwar - es existiert nicht mehr. Soviel ich weiss, hat er inzwischen eine Geliebte.Er hat Euch vergessen! Arbeitet mit mir zusammen. Ich mach Euch glück-lich. Und ich lehre Euch wahre Zauberei. Jedoch wenn ihr Euch mir weiterverweigert, dann werdet ihr sterben. Dies ist Eure letzte Chance, mein An-gebot zu überdenken. Ich werde Euch Oradess schicken. Dann könnt ihr einBad nehmen. Ihr bekommt auch neue Kleider. Doch dann will ich, dass ihrendlich Einsicht zeigt. Ich hoffe ihr habt mich verstanden, hauchte Akara ihrins Ohr.Und im nächsten Augenblick, war die Hexe auch schon wieder aus dem Raumverschwunden.Ich weiss Du wirst mich retten, sagte Prinzessin Tyadee leise, als sie sich dasGesicht von Prinz Tegral auf ihre Handinnenfläche zauberte. Ich weiss es.Dann verlor sie vor lauter Erschöpfung wie schon so oft zuvor das Bewusst-sein. Akara war sich der Gefahr aber auch der Chance bewusst, welche sichihr nun bot. Niemals hätte sie es für möglich gehalten, dass Eindringlinge dieSchale in ihr Reich bringen würden.Verflucht sollt ihr sein, rief sie mit kreischender Stimme in den Vollmond.Sie wusste dass Ihr Zauber den Eindringlingen noch nichts anhaben konntesolange diese im Besitz der Schale waren.In der Schlossküche war ihr Diener, Oradess, mit dem Zubereiten eines Zau-bertrankes beschäftigt. Mit einem schwarzen Anzug gekleidet, die schwarzenHaare wie bei einem alten Besen zurechtgeschnitten und mit einer Prothe-se an der linken Hand, stand er konzentriert vor dem Hexenkessel. Kröten,Schlangen und Ungeziefer tummelten sich schon darin. Mächtig dampfte derKessel vor sich hin. Mit einem Male erschien Akara.Ihr? Eure Majestät! Ich, ich bin noch nicht soweit, ich.....Wie weit seid Ihr mit dem Trank?Alle Zutaten sind im Kessel. Noch etwa eine Stunde muss die Medizin ko-chen, dann bin ich fertig.Was Ihr nicht sagt. Und ihr habt wirklich alle Zutaten beigemischt?Ja, alle. Genau wie es im Buche steht, antwortete Oradess verängstigt.Nun, ich denke ihr habt aber etwas vergessen, sagte Akara ganz ruhig.Ver...ver...vergessen, i...i...ich...nein, unmöglich, alle Zutaten sind beigemischt,ich...

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Und was ist mit den Fledermausaugen?Die Fledermausaugen. Ja, natürlich...genau, stammelte Oradess. Die hab ichdoch tatsächlich...ich wollte sie noch reingeben, wo hab ich sie denn, ich...Und bevor Oradess den Satz zuende sprechen konnte, packte ihn Akara amHals. Wiederum in Wut versetzt war sie an die 3 Meter gross herangewach-sen. Mit ihren riesigen Schlangen-Hände umschlang sie den gesamten Halsvon Oradess und zog ihn dicht an ihre hässliche Fratze heran.Warum lügst Du Wurm mich an?Aber...aber das war keine Absicht, Hoheit, würgte Oradess aus sich heraus.Mit einer kräftigen Handbewegung schleuderte Akara Oradess gegen dieWand.Verzeiht mir, Hoheit. Verzeiht mir.Verpfuscht mir nicht die Vorbereitungen auf das Fest. Ohne die Fledermaus-augen verfehlt der Trank seine Wirkung. Noch so ein Fehler und ich bereiteDich als Mahl für unsere geschätzten Gäste zu. Ohhh, wie ich diese Gestaltenhasse.Es wird nicht mehr vorkommen, Eure Majestät. Verzeiht mir diesen Fehler.Laufen wenigstens all die anderen Vorbereitungen nach Plan?Bis jetzt schöpft keiner der Gäste auch nur den kleinsten Verdacht. Allesläuft nach Plan, Majestät.Gut! Gestaltet deren Aufenthalt so angenehm wie nur möglich. Übermorgenschon werden sie alle sterben und dann werde ich diese Erde an mich reissen.Ja - das werdet ihr - Hoheit.Du kannst dich doch noch an die Frau erinnern, welche wir im Verlies einge-sperrt haben.Die Frau...die Frau...Die Zauberin, schrie Akara.Oh, ja natürlich. Die Zauberin. Natürlich. Lebt sie denn noch?Sie darf sich waschen. Und zwar gründlich. Und gebt ihr Kleider. Neue Klei-der. Dann führt ihr sie in meine Gemächer. Sollte sie fliehen, verlierst DuDeinen Kopf.Sie wird nicht fliehen, Hoheit. Bei meinem Kopf, dass wird sie bestimmt nicht.Ich sorge dafür.Natürlich wirst Du dass.Und so tat Oradess wie ihm befohlen wurde. Akara schlich noch lange durchdie Gänge ihres Schlosses und je mehr sie über die ganze Sache nachdachte,desto sicherer war sie sich, dass diese Drei Menschen nicht die Einzigen seinwerden, welche in ihr Reich eindringen würden. Insbesondere Predun undPrinz Tegral waren ihr ein Dorn im Auge. Sie wusste, dass Prinz Tegral undPrinzessin Tyadee ein Paar waren. Und sie wusste auch, wozu Liebe fähigist. Sie wusste es aus eigener, bitterer Erfahrung.

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Kapitel 9

Predun

Seit ihrer Flucht aus dem Wirtshaus waren Walahfrid, Jannis und Leandraunerkannt unzähligen Märchengestalten, deren Ziel nur das Schloss von Aka-ra sein konnte, gefolgt. Nachdem sie Dutzende Hügel und Wiesen hinter sichgebracht hatten, gönnten sie sich eine Rast in der Nähe eines Flusses. Siepflückten Beeren und Früchte und stillten ihren Durst mit frischem Quell-wasser. Und wie sie satt waren, ruhten sie sich in der Nähe des Flusses aus.Müde von der langen Wanderung fielen sie alle in einen tiefen Schlaf. DieNacht war nun herangebrochen und der Vollmond leuchtete in seiner vollenPracht vom Nachthimmel herab. Dies aber riss unsere Abenteurer aus ihremtiefen Schlaf. Noch rührten sie sich kaum, einzig ihre Augen begannen sichlangsam zu öffnen. Leandra war erstaunt, wie ruhig es war. Kein Insekt warzu hören. Nur das Rauschen des Flusses drang an ihre Ohren. Der Grundhierfür war, dass sie längst nicht nur vom Vollmond alleine beobachtet wur-den. Inzwischen lauerte ihnen der teuflische Jäger von Akara auf.Jetzt wäre die Gelegenheit günstig, sagte einer der Gluonen zum Werwolf.Hechelnd drehte sich Megor zum Vollmond als wolle er noch etwas Ener-gie tanken. Die Zähne fletschend wirkte er im Angesicht des Mondlichts sofurchteinflössend, dass selbst die Gluonen von ihm Abstand nahmen.Kein Laut von Euch, knurrte Megor.Dann schlich er sich lautlos an seine Opfer heran. Als er noch 100 Meter vonseiner Beute entfernt war, überlegte er sich, welchen Kopf er zuerst abbeissenwürde. Der Speichel rann ihm aus seiner Schnauze.Unvermittelt durchdrang ein lautes Knacken die Stille der Nacht. Einer derGluonen hatte einen Ast abgebrochen als er sich zu sehr aus dem Waldrandlehnte um das Schauspiel besser betrachten zu können. Aufgeschreckt vomlauten Geräusch sahen Walahfrid und die Kinder die teuflisch leuchtend gel-ben Augen des Werwolfes welcher nun mit lautem Gebrüll auf sie zustürzte.In den Fluss, schrie Jannis.

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Getrieben von Angst, rannten sie so schnell wie niemals zuvor in ihrem Leben.Den Werwolf trennten nur noch wenige Meter von seiner Beute, als diese voneinem Augenblick auf den anderen vor seinen Augen verschwand. Der Grunddafür lag darin, dass Walahfrid und die Kinder einen steilen Abhang hinunterstürzten welcher direkt im Flussbeet mündete. Die starke Strömung riss allemit sich und trug sie über einen Wasserfall. Dann, endlich, liess die Strömungnach und sie konnten sich, völlig erschöpft, an Land retten.Jannis tastete seinen ganzen Körper ab.Die Schale! Ich habe die Schale verloren.Meinst du dieses Stück Blech, sagte Megor, indem er aufrechtgehend auf Wa-lahfrid und die Kinder zuging.Die Bestie war ihnen gefolgt. Er war von einer gewaltigen Statur. Die Schalehielt er in seiner mit Krallen übersähten Klaue fest. Geschockt vom Anblickdieses Monster’s liefen Sie wieder in den Fluss zurück. Doch auch dort lauer-te Gefahr. Von beiden Seiten näherte sich die Gluonen mit Schwertern undLanzen bewaffnet.Kommt Kinder, sagte Walahfrid. Kommt zu mir.Er drückte beide gegen seinen Bauch, damit sie dem Tode nicht ins Auge se-hen mussten. Walahfrid wusste, dass wenn jetzt nicht ein Wunder geschehenwürde, er und die Kinder im nächsten Augenblick vor ihrem Schöpfer tretenwürden. Er schloss die Augen und betete. Und zum ersten Mal in seinemLeben, fühlte er, dass er vor dem Tode keine Angst hatte. Er konnte sichnicht erklären warum. Aber er fühlte es.Unterdessen türmte sich, unbemerkt von allen an einer Stelle mitten im Fluss,das Wasser auf. Es formte sich und bildete eine Menschengestalt.Megor warf die Schale zur Seite, fletschte seine Zähne, rannte knurrend losund sprang mit einem mächtigen Satz auf Walahfrid und die Kinder zu.Doch nur einen Moment später durchfuhr ein grässliches Geheule Mark undBein. Selbst die Gluonen gab nun keinen Laut mehr von sich. Als Walahfriddie Augen öffnete, schwebte der Werwolf blutüberströmt direkt vor ihm inder Luft. Vorerst noch unsichtbar, wurde durch das Blut des Werwolfes mehrund mehr sichtbar, was ihn getötet hatte. Eine vorher unsichtbare Lanze,welche aus dem Boden ragte kam zum Vorschein. Der Werwolf hatte sichbeim Sprung auf seine Beute, auf einer Lanze aus purem Silber, aufgespiesst.Im Lichte des Vollmondes erschien dieser Anblick geradezu schauderhaft.Nur ein kleiner Trick, sagte der grosse, geheimnisvolle Mann hinter ihnen,welcher nun auf Walahfrid und die Kinder zulief.Wer...wer seid ihr, fragte Walahfrid perplex.Für die Kinder war die Frage von Walahfrid überflüssig. Für sie war sofortklar dass es sich hier um einen Zauberer handeln musste. Neben den weis-sen Haaren, dem langen Bart und dem blauen von unzähligen glitzernden

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Punkten überzogenem Umhang, welche dem Mann wie er ihnen später ver-raten würde als perfekte Orientierung auf seinen Reisen durch das Universumdiente, war den Kindern noch was ganz anderes, aussergewöhnliches aufge-fallen. Der Mann war der einzige unter ihnen, welcher vom Wasser nicht nasszu werden schien. Doch was war mit seinen Augen geschehen. Es schien alshätte er keine Pupillen. Und wie sonderbar sie im Mondlicht leuchteten. Un-behagen überkam die Kinder.Unterdessen schleichten sich die Gluonen mit gezückten Schwertern an sieheran.Wer seid Ihr, wiederholte sich Walahfrid.Kommt mit mir an Land, sagte der Unbekannte.Ihr, ihr müsst der Diener sein, von welchem mir die Eule berichtete, stam-melte Walahfrid.Doch der Zauberer reagierte auf die Worte von Walahfrid nicht. Er vollführ-te mehrere Handbewegungen worauf ein ohrenbetäubender Lärm entstand.Plötzlich stürzten riesige Sturmfluten mit unzähligen Steinen, Schlamm undGeröll den Wasserfall herunter und rissen alle Gluonen in den Tod.Wir müssen von hier schleunigst weg! Folgt mir! Und...vergesst die Schalenicht.Jannis nahm die Schale wieder an sich und schwor, sie nie wieder zu verlieren.Plötzlich blieb der Zauberer stehen.Was ist mich Euch, fragte Walahfrid.Ruhig...Hört doch...Hört Ihr denn nicht?Ich höre nichts. Kinder, hört ihr was?Doch auch die Kinder konnten nichts aussergewöhnliches vernehmen.Krieger von Akara, sagte der Unbekannte. Sie werden bald hier sein.Am Himmel tauchten auch schon die ersten Späher auf. Wenige Minutenspäter waren sie von allen Seiten eingekesselt. Es gab kein Entkommen.Ruhig blickte sich der alte Mann um sich. Dann hatte er gefunden nach waser suchte.Kommt hier her. Schnell - kommt alle zu mir.Ich glaube die Schale könnte uns...Nicht jetzt Jannis, unterbrach ihn der alte Mann.Dann breitete er seinen Zaubermantel über alle aus, sprach ein paar seltsa-me Worte und augenblicklich fielen Walahfrid und die Kinder in einen tiefenSchlaf. Der Zaubermantel wuchs zu einem Baum heran, welcher in seinemInneren den Verfolgten Schutz bot. Noch Stunden später durchsuchte derGluonen mit Fackeln den Wald. Immer wieder schlugen sie mit ihren Schwer-tern gegen alles was sich in ihrer Nähe befand. Selbst der Baum welcher ihnennun Schutz bot, war nachdem diese Höllenbrut vorübergezogen war, mit un-zähligen Kerben übersäht. Diesesmal hätte die Schale sie nicht beschützen

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können. Predun kannte Akara nur zu genau, um zu wissen, dass sie den glei-chen Fehler nicht zweimal machen würde.Immer noch unter dem Schutz des Baumes verharrend betrachtete der Zaube-rer seine neuen Gefährten aus nächster Nähe. Und dann konnte er sie sehen.Die Schale - wie sie etwas aus der Tasche von Jannis hervorstand.Das ist Deine Chance, sagte er zu sich. Nur der Gral hat die Macht mir meinnatürliches Augenlicht wieder zurückzugeben. Ich muss es jetzt tun.Seine Hand bewegte sich langsam auf die Schale zu. Doch bevor er sie be-rührte zog er seine Hand zurück.Nein! Was tue ich denn?Sofort ging der alte Mann in sich. Er atmete tief durch. Seit er geblendet wur-de musste er sich mit Hilfe all seiner anderen Sinne orientieren. Dies gelangihm, aufgrund seiner ausserordentlichen Zauberkünste, bis zur Perfektion.Trotzdem konnte dies den Verlust des Augenlichtes nicht wett machen. Sogesehen war die Reaktion des Zauberers, nach der Schale zu greifen, nur allzuverständlich. Als von draussen keine Gefahr mehr lauerte, sprach der Zaube-rer erneut ein paar seltsame Worte und schon löste sich sein Zauber in Luftauf.Alles um sie herum war ruhig. Nur der Vollmond leuchtete mit all seinerKraft auf sie herab.Was habt ihr mit uns gemacht, fragte Leandra.Ich habe Euch in Schlaf versetzt. Und zwar solange, bis keine Gefahr mehrbestand. Ich war mir nicht sicher ob jemand von Euch nicht doch unterKlaustrophobie leidet.Die Kinder drehten sich fragend Walahfrid zu.Nun ja, enge Räume bekommen mir nicht sonderlich. Wir verdanken Euchnun schon zum zweiten Mal unser Leben, guter Mann. Ihr müsst...ihr müsstdie Person sein welche wir hier treffen sollten. Die Eule hat von Euch gespro-chen.Medisis ist Euch also als Eule erschienen. So so. Nun, so zeigt sie sich denMenschen am liebsten, wie mir scheint. So ist sie sicher ein angenehmererAnblick als wenn sie sich als ein in Stofffetzen gehüllter Geist zu erkennengibt.Walahfrid nickte zustimmend mit seinem Kopf.Ja, ich weiss. Ihr hattet ja schon das Vergnügen.Wie ist euer Name, fragte Walahfrid.Nun, mein Name ist...Predun, sagte der Mann sichtlich stolz.Diesen Namen hab ich noch nie gehört, sagte Leandra, welche sich ja in Mär-chen einigermassen auskannte.Das kannst Du auch nicht. Von meiner Existenz ist in keinem Eurer Mär-chenbücher etwas zu Lesen. Und wie ihr schon bald selbst feststellen werdet,

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existieren noch viele weitere Wesen, von welchen ihr noch nie gehört odergelesen habt.Kommt mit mir. Hier in der Nähe ist eine kleine Hütte. Da können wir unsunterhalten. Da sind wir in Sicherheit.Die Hütte war etwas ganz besonderes. Vor langer langer Zeit als Predun undAkara eng befreundet waren baute er sich dieses Heim auf. Ganz schlicht ausSteinen und Holz bestehend mit einem grossen Eingangstor.Ich hoffe ihr seid hungrig, sagte Predun als sie zur Hütte gelangten.Und durstig, fügte Walahfrid schnell hinzu.Und wie sie das Tor öffneten standen sie einem riesigen, geflügelten Drachengegenüber. Der Kopf alleine war schon gewaltig. Mindestens so gross wie einerwachsener Mann. Und sein Körper war rundherum beharrt. Die Zähne undKrallen waren so dick wie die Arme eines Mannes. Trotzdem strahlte er etwasfriedliches aus. Er war den Kindern sofort sympathisch. Seine Flügel warenoptisch gesehen zu klein für so ein gewaltiges Tier. Aber wahrscheinlich ver-hielt es sich damit so, wie mit den Flügeln der Hummeln, wo Frau Steinerimmer wieder sagte, es wäre ihr unerklärlich, warum diese Biester, so nannteFrau Steiner eben alles in der Natur, was sie nicht mochte, fliegen könnten.Walahfrid fiel vor lauter Schreck um. Die Hände schützend über seinem Kopfharrte er der Dinge die auf ihn zukamen.Was soll dass? Du erschreckst meine Gäste! Entschuldige Dich, sagte Predunstreng.Ich wusste nicht, dass ihr es seid, antwortete der Drache höflich. Ich hab EureHütte schon die ganze Nacht vor der Armee von Akara verteidigt, Sir.Du hast diesmal aber hoffentlich niemanden gefressen, fragte Predun, indemer Fuhuu streng anschaute.Zwwwe...Drei! Aber die waren alle selber Schuld. Sie wollten die Hütte ab-brennen. Das konnte ich doch nicht zulassen.Ich glaube eher, Du hattest wohl wieder Hunger. Niemand kommt nur schonin die Nähe dieser Hütte wenn er Dich sieht. Würdest Du Dich nun bei un-seren Gästen entschuldigen?Ahhh, ihr müsst die berühmten Zwillinge sein. Unglaublich! Ihr seht euchtatsächlich sehr ähnlich. Es ist mir eine Freude, eure Bekanntschaft zu ma-chen. Fuhuu ist mein Name.Ich bin Jannis.Und ich bin Leandra. Freut mich Dich kennenzulernen.Ohh, die Freude ist ganz auf meiner Seite. Entschuldigt wenn ich euch er-schreckt haben sollte, aber dass war nicht meine Absicht, sagte Fuhuu inRichtung von Walahfrid.Walahfrid lächelte bemüssigt.Schon gut. Langsam gewöhne ich mich an Eure Welt.

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Dann wandte sich Fuhuu wieder den Kindern zu.Ihr müsst wissen, wir alle warten schon seit vielen Jahren auf Euch. Ich...Das reicht, sagte Predun. Ich würde mich gerne mit meinen Gästen alleineunterhalten. Wenn Du erlaubst?Gewiss! Hab schon verstanden. Ich werde hier nicht gebraucht. Verzeihung,sagte er zu Walahfrid welcher vor der Tür stand.Und schon war Fuhuu verschwunden.Walahfrid und die Kinder waren geschockt als sie sich nun innerhalb der Hüt-te umsahen. Es herrschte ein einziges Chaos. Vieles war zerstört. Der Spiegel,die Fenster, der Tisch ja selbst der Kamin. Doch Predun, als ob er von alledem keine Notiz nehmen würde, schritt auf den einzigen noch funktionsfähi-gen Stuhl zu, setzte sich und lächelte zufrieden vor sich hin. Walahfrid unddie Kinder wussten gar nicht wie sie reagieren sollten.Ich hoffe ihr schreckt euch nicht an dem ganzen Chaos, sagte Predun. Nureinen Moment.Mit einer leichten Handbewegung startete er das grosse Aufräumen. Alles imRaum begann sich zu bewegen und setzte sich wieder von selbst zusammen.Der Spiegel, die Fenster und auch die Stühle. Alles sah wieder wie neu aus.Setzt euch. Bitte setzt euch, sagte Predun.Völlig verblüfft setzten sie sich. Nun aber konnten sie dank dem Kaminfeuerwelches den ganzen Raum hell erleuchtete, direkt in die Augen von Predunsehen. Ihr Anfangsverdacht bestätigte sich. Er musste blind sein. Doch wiekonnte er sich trotzdem so gut zurechtfinden, fragten sie sich.Gefällt euch meine kleine Hütte?Ja. Ja, sehr, antworteten die Kinder.Walahfrid nickte zustimmend, während er sich umsah.Die kleine Holzhütte war sehr geräumig. In der Mitte befand sich ein Tischmit vier Stühlen und gleich dahinter war der Kamin. Als einziges weiteresMobiliar, diente ein kleiner Schrank und ein grosser Wandspiegel. Eine Küchewar weit und breit keine auszumachen. Sehr zum Leidwesen von Walahfrid.Doch als könnte Predun Gedanken lesen, zauberte er mit ein zwei Handgriffendas grossartigste Essen auf den Tisch welches ihre Augen je erblickt hatten.Und wie es nur riechte - einfach himmlisch. Walahfrid blickte vergnügt aufdie Speisen, stellte aber zu seinem Bedauern fest, dass doch tatsächlich etwasEntschiedenes fehlte. Und mit einem Fingerschnipp von Predun stand auchschon eine Flasche Wein neben dem Teller Walahfrids, was dieser mit einembreiten Grinsen quittierte.Lieber Walahfrid. Nur weil meine Augen geblendet sind, heisst dass nochlange nicht, dass ich nichts sehen kann.Das...das habe ich auch nicht gedacht.Ihr müsst wissen, dass ich, seit man mir mein Augenlicht genommen hat,

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gelernt habe, die Welt mit anderen Augen zu sehen.Mit anderen Augen? Wie meint ihr dass?Kennt ihr den Ausspruch - Man sieht nur mit dem Herzen gut?Ja, dieser ist mit bekannt. Ausserdem ist er auch wahr! Ich glaube die Eulehat auch davon gesprochen.Seht ihr! Und neben meinem Herzen habe ich auch meine restlichen Sinnenach jahrelanger Übung so sehr geschärft, dass ich mich nun in jeder Um-gebung zurechtfinde. Aber mein Augenlicht fehlt mir dennoch. Die Farben,Walahfrid. Die Farben fehlen mir.Wer hat Euch das angetan? Und Warum?Es gibt in meinem langen Leben Geschichten, die ich nur zu gerne vergessenwürde. Das mit meinen Augen ist so eine Geschichte. Bitte verzeiht mir, aberich möchte darauf nicht zu sprechen kommen. Zu viele alte Wunden würdenwieder aufbrechen. Später vielleicht. Ja, später.Predun erklärte nun den Kindern, dass sie nicht zufällig auserwählt sondernschon seit vielen Jahren erwartet wurden. Nach dem Diebstahl der Grals-Hälfte durch Akara, wurden sämtliche Kinder, welche in einer Vollmondnachtauf der Erde geboren wurden, von einem der 3 Erdgeister aufgesucht. Ge-mäss einer Prophezeiung galt es, ein Junge und ein Mädchen zu finden, diean einer Vollmondnacht, Schlag Mitternacht, das Licht der Welt erblickenwürden.Ha! Das haben doch Hunderte, lachte Walahfrid.Ich sagte, Schlag Mitternacht. Nicht eine Minute früher oder später, lieberWalahfrid! Ausserdem, so Predun weiter, haben Jannis und Leandra identi-sche Fingerabdrücke. Und dass, lieber Walahfrid, ist einzigartig.Ungläubig beschmierten die Kinder ihre Finger mit etwas Holzkohle aus demKamin, pressten sie auf ein Stück Papier, und stellten fest, als sie das Papiergegen das Kaminfeuer hielten, dass ihre Fingerabdrücke tatsächlich identischwaren.Das ist aber noch nicht alles, sagte Predun. Wenn man eure Fingerabdrückenun gegen den Vollmond hält, dann müsste eine Botschaft zu lesen sein.Nun rückten alle nahe um Predun zusammen und hielten vor lauter Span-nung den Atem an.Was steht da? Was steht da, fragte Walahfrid ungeduldig als Predun dasPapier gegen den Mond hielt.Einen Moment, antwortete er indem er nochmals mit einem feinen Pinselüber die Abdrücke fuhr. Jannis, Du schreibst mit. Gut, dann wollen wir malsehen. Also der erste Buchstabe ist ein O, dann ein ↑, dann kommt ein S,eine 7, ein E, ein N, ein

∮, ein M, ein N, ein I, eine 1, eine 8, ein O, ein N,

eine∑

, ein T, ein K, ein L, ein F und noch eine 1. So, dass waren jetzt alle.Seltsam, sprach Predun leise indem er sich wieder auf den Stuhl setzte und

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die Zeichenfolge studierte.Predun ordnete die Folge immer wieder von Neuem, aber es ergab einfachkeinen Sinn. Auch hatte er schon Dutzende Zaubersprüche aufgesagt. Dochkeiner davon vermochte das Geheimnis hinter dieser seltsamen Zeichenfolgezu offenbaren.Hmmm, seltsam. Das ist wirklich seltsam. Ich kann diese Botschaft nichtentschlüsseln. Das ist seltsam, sagte er immer wieder. Äusserst seltsam. MitRaten kommen wir hier einfach nicht weiter. Es gibt zu viele Möglichkeiten.Wieviele denn, fragte Walahfrid.Das ist eine Frage für die Kinder. Könnt ihr Walahfrids Frage beantworten?Sowas haben wir in der Schule noch nicht gelernt, sagte Jannis.Aber Kinder. Ihr hattet doch Mathematikunterricht?Ja schon, antwortete Leandra.Ja. Und weiter?Nun, unsere Lehrerin, Frau Steiner, sie kommt mit dem Stoff nur ganz lang-sam voran.Das ist noch lange kein Grund, sich diesem Tempo anzuschliessen. Das wirdwohl einige Speziallektionen bei Prof. Korrov nach sich ziehen.Prof. Korrov, wiederholte Jannis.Prof. Korrov! Einer meiner Professoren. Wenn man keine Ahnung von Ma-thematik habt, wird man der wahren Zauberei niemals mächtig sein. Wasglaubt ihr denn? Die Sterne, der Lauf der Planeten. Ja unser ganzes Univer-sum wäre ohne Mathematik nicht denkbar. Lektionen bei Prof. Korrov. Ichmuss es mir notieren.Und wie viele gibt es nun, fragte Walahfrid.Wieviele Möglichkeiten?Ja!Es existieren genau "20 Fakultät" verschiedene Kombinationen. Eine unvor-stellbar grosse Zahl!20 was?Fakultät. Ein mathematischer Begriff. Man multipliziert sämtliche Zahlenabwärts. Zwanzig mal Neunzehn mal Achtzehn - bis zur Eins. Eine wahrhaftriesige Zahl.Sagen Sie...der Drache...Fuhuu...Ja. Was ist mit ihm?Er ist doch zahm, oder? Ich muss an die frische Luft. Mit ist vom vielenDenken schwindelig geworden.Sicher. Geht nur. Er tut euch nichts. Unterhaltet euch ruhig mit ihm. Erkennt wahrlich die unglaublichsten Geschichten.Predun liess es keine Ruhe, dass er das Rätsel nicht lösen konnte. Er starteteeinen erneuten Versuch.

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Kommt Kinder. Lasst es uns nocheinmal versuchen.Von Neuem starrten alle Drei auf die Zeichenfolge, welche ihr Geheimnis ein-fach nicht preisgeben wollte.Ach vielleicht bedeutet es auch gar nichts, sagte Leandra.Und wie sie dies sagte, strich sie mit ihrer rechten Hand über die Zeichenfol-ge.Was hast Du gemacht?Wer? Ich? Nichts!Aber die Zeichenfolge hat sich geändert, sagte Predun völlig begeistert. Jetztsteht da O S 7 ↑ E N

∮M I N 1 8 O N

∑T K L F 1. Vorhin lautete die

Zeichenenfolge O ↑ S 7 E N∮

M N I 1 8 O N∑

T K L F 1. Fahr nochmalmit Deiner Hand über die Zeichen.Doch diesmal veränderte sich nichts.Probier es mit Deiner linken Hand.Und tatsächlich. Wieder veränderte sich Die Zeichenfolge. Nun lautete sie ES 7 ↑ N O

∮M I N 1 8 O N T

∑K L F 1.

Jannis - jetzt Du.Und wieder hatte sich die Reihenfolge geändert. Jetzt lautete sie E S 7 ↑ NO M

∮I N F 1 N O T

∑K L 1 8.

Jetzt noch Deine andere Hand.Und wie Jannis mit seiner anderen Hand über die Zeichenfolge strich, erhieltdie Zeichenfolge ihre endgültige Reihenfolge. Sie lautete:E S 7 ↑ N O M

∮I N F 1 N 1 T

∑L O 8 K.

Erst jetzt erkannte Predun, was diese Zeichenfolge tatsächlich bedeuten konn-te.Das darf doch nicht wahr sein, sagte er ganz aufgebracht. Das gibt es dochnicht! Warum ist mir das nicht gleich aufgefallen?Die Kinder sahen ihn fragend an. Denn sie hatten keinen Schimmer was manaus diesem Buchstaben-, Zahlen- und Zeichensalat entnehmen konnte. Ange-lockt von den Äusserungen Predun’s blickten Walahfrid und Fuhuu gespanntdurchs Fenster.Ich glaube das ist ein Zauberspruch, sagte Predun. Ja - ich bin mir sogarsehr sicher.Das soll ein Zauberspruch sein, fragte Leandra enttäuscht. Die hab ich mirganz anders vorgestellt.Keine Angst - Du hast Dir die Zaubersprüche schon richtig vorgestellt, beru-higte Predun. So wie ihr sie in manchen Märchenbüchern zu lesen bekommenhabt, sind sie von der Realität gar nicht mal so weit entfernt. Abgesehen na-türlich was die Aussprache betrifft und noch ein paar Kleinigkeiten. Aberdas wird man Euch schon bald lehren. Doch dieser Zauber welcher hier aufdem Blatt geschrieben steht, kann man nicht lehren. Zumindest sind wir noch

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nicht so weit. Ihr müsst wissen, auch wir Zauberer sind laufend am Forschenund auf der Suche nach neuen Zaubersprüchen. Vor ungefähr 50 Jahren hatein Team aus Zauberern, welches mit Teilnehmern aus allen Zauberschulenbesetzt war, eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht. In den Tiefen vonRussland war man auf Steintafeln gestossen, welche man anfangs für sinn-loses Gekritzel gehalten hatte. Erst mit der Zeit stellte sich heraus, dass essich dabei um Jahrtausend alte, in Vergessenheit geratene, Zaubersprüchehandelte, welcher unserer Zauberei auf allen Ebenen bei weitem überlegenist. Unerklärlich warum dieses Wissen auf einmal verloren ging. Umso bemer-kenswerter ist es, dass man bis Heute mit der Entschlüsselung dieser Tafelnnicht vorangekommen ist. Mittlerweile wissen wir, dass diese Art der Zaube-rei, ein unglaublich hohes Können vom Zauberer abverlangt. Wie ich schonsagte, ist es bis Heute niemandem von uns gelungen, solch einen Zauber zuentschlüsseln geschweige denn anzuwenden. Jedoch hatte sich der Verdachterhärtet, dass ausgerechnet Akara solch einen Zauber auf unsere Grals-Hälfteangewandt hat. Deshalb hatten wir auch solche Probleme mit dem Auffindender Schale. Nachforschungen von mir haben ergeben, dass Akara tatsächlichmit dem Studium dieser Art der Zauberei begonnen hat. Doch genauso wiewir, steht auch sie erst am Beginn der Entschlüsselung des Codes. Der Fluchden sie über die Grals-Hälfte legte, war sozusagen ein erster Anwendungs-versuch von ihr. Denn würde sie diese Art der Zauberei wirklich schon be-herrschen so hätte sie die Erde längst eingenommen. Wir hätten ihr nichtsentgegenzusetzen.Und was sollen wir nun mit diesem Zauber anfangen, fragte Jannis.Dass kann ich Dir im Moment auch nicht sagen. Ich muss das unbedingt mitmeinen Professoren noch besprechen. Die werden Augen machen. Ihr Beidesteckt wohl voller Überraschungen.Walahfrid war nun über diese uralte Kunst der Zauberei neugierig gewordenund lies sich von Fuhuu genauestens darüber informieren.Predun beugte sich zu den Kindern.Ich verrate euch wohl kein Geheimnis, wenn ich sage, dass wir eine gemein-same Freundin haben?Die Eule, antwortete Jannis wie aus einer Pistole geschossen.Genau! Die Eule! Und sie hat mich beauftragt Euch in die Geheimnisse derZauberei einzuweihen.Ihr lehrt uns also tatsächlich Zauberei, rief Leandra ungläubig.Ja! Aber nicht hier - dazu müssen wir nach Tensora. Ihr werdet in Tensoravon mir und meinen Kollegen, alles hervorragende Zauberer, unterrichtet.Erst seit kurzem haben wir angefangen, Tensora wieder auf Vordermann zubringen. Ich...ich konnte nämlich recht lange nicht mehr unterrichten. Akarazerstörte Tensora bis auf die Grundmauern, aus Zorn darüber, weil sie im

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letzten Krieg eine empfindliche Niederlage einstecken musste. Doch das istVergangenheit. Nun will ich Tensora wieder zu dem machen, was es einmalwar. Das Ganze hat aber auch einen Vorteil. Da wir im Moment so gut wiekeine Schüler haben, bleibt den Professoren genügend Zeit, sich um Euch zukümmern. Es dauerte eine Weile bis ich meine lieben Kollegen gefunden hat-te. Sie unterrichteten inzwischen an den besten Hochschulen in Eurer Welt.Prof. Korrov kam erst vor einer Woche aus Cambridge zurück. Frau Prof.Triell kündigte ihre Stelle welche sie in Yale innehatte. Und Prof. Einsteinverliess unter grossem Bedauern seiner Kollegen die ETH-Zürich. Sie alle sindmeinem Ruf gefolgt. Nach all den Jahren, an denen ich abwesend war, habendiese Freunde, sobald ich sie um ihre Hilfe bat, ihre Stelle aufgegeben undsich erneut in meinen Dienst gestellt. Dass, Kinder, dass ist wahre Freund-schaft. Sie alle hätten natürlich auch an einer anderen Zauberschulen einenLehrstuhl einnehmen können, doch gibt es unter uns Zauberern ein unge-schriebenes Gesetz. Hat man sich einmal für eine Schule entschieden, dannbleibt man ihr treu. Ein Leben lang. Als Tensora zerstört war und ich unauf-findbar, sind diese Herrschaften in Eure Welt zurückgekehrt und haben imHintergrund den Kampf gegen Akara weitergeführt. Natürlich sind dies beiweitem nicht alle Professoren, welche an meiner Schule unterrichten werden.Doch es sind ausserordentlich wichtige Leute welche, zusammen mit mir, sichin den nächsten Tagen um euch kümmern werden. Bevorzugt ihr Pferd oderDrache?Pferd oder Drache, fragten die Kinder zurück.Für die Reise - nach Tensora. Aatoss ist ein geflügeltes Pferd. Oder wollt ihrlieber einen Drachen reiten. Ihr dürft wählen.Wie wild kam plötzlich Walahfrid in die Hütte gestürmt.Ein Engel. Da stürzt ein Engel vom Himmel herab. Kommt schnell, dassmüsst ihr euch ansehen. Oh, Himmel was haben wir nur getan.Nun, ich glaube Aatoss ist angekommen, sprach Predun gemächlich. Beru-higt euch. Das ist kein Engel, sondern ein Pferd.Können wir rausgehen, fragte Jannis.Ich würde Aatoss auch gerne zuerst sehen, bevor ich mich entscheide, sagteLeandra.Nur zu Kinder. Seht ihn Euch an.Als die Kinder ins Freie gingen, wartete schon die nächste Überraschung aufsie. Aatoss und Fuhuu krümmten sich vor Lachen. Sie lagen beide auf demRücken und konnten sich beinahe nicht mehr halten. Natürlich lachten sieüber Walahfrid.Ahm, räusperte Predun.Aatoss welcher als erster merkte, dass Predun sie beobachtete, stiess mit sei-nem Fuss in die Bauchgegend von Fuhuu und deutete ihm, dass sie nicht

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alleine waren.Ohhh, Sir. Verzeiht! Es war nur ein kleiner Scherz. Ich wollte niemandenverängstigen, sagte Aatoss welcher sich nun aufrichtete und ganz zahm vorPredun trat. Es tut mir leid, sagte er zu Walahfrid und musste sich das La-chen verkneifen. Ihr nehmt doch meine Entschuldigung an?Natürlich, sagte Walahfrid knapp.Dass ausgerechnet er ein Pferd mit einem Engel verwechselte war ihm äus-serst peinlich. Doch versuchte er dieses kleine Missgeschick so gut es ging zuüberspielen.Doch mit seinen Flügeln und seinem schneeweissen Fell sah Aatoss aus derFerne tatsächlich einem Engel zum Verwechseln ähnlich.Guten Abend, sagte Aatoss zu den Kindern. Es freut mich, Euch kennenzu-lernen. Ich bin Aatoss und stets zu Euren Diensten.Ich bin Jannis.Und ich Leandra.Und, fragte Predun. Wen wollt ihr von den Beiden wählen?Am liebsten beide, sagte Leandra.Fliegt ruhig mit diesem Grobian, antwortete Aatoss diplomatisch. Jedes Kindwünscht sich doch, einmal in seinem Leben einen Drachen zu reiten. Ich wer-de mit Euch mit dem grössten Vergnügen ein paar Runden drehen, wenn wirin Tensora sind.Über diese Worte waren die Kinder sichtlich froh, denn sie wollten tatsächlichmit dem Drachen fliegen. Ausserdem würden sie sich an dem wolligen unddicken Fell sicher gut festhalten können.Irgendwelche Besonderheiten, wendete sich Predun fragend an Aatoss.Ich konnte während meines Fluges nichts Verdächtiges erkennen. Nicht einenFlugdrachen habe ich gesehen. Sonst sieht man diese Monster jedesmal, sagteer und blickte dabei vergnügt auf Fuhuu.Nicht einen Flugdrachen, sagte Predun leise. Sehr verdächtig. Akara weissnatürlich, dass die Kinder nun hier im Hexenreich Pessora sind. Leider istuns dieser Überraschungseffekt nicht so gelungen wie wir uns erhofft hatten.Wer hätte gedacht, dass Prof. Amun die Seiten wechselt. Wir sollten baldaufbrechen.Sir. Welche Route, fragte Fuhuu.Wir werden den Pfad durch die 3 Schluchten wählen. Da wird uns wohl kaumjemand folgen.D..D..D..durch die 3 Schluchten, stotterte Aatoss.Kinder, steigt auf den Rücken von Fuhuu. Ihr auch Walahfrid. Haltet euchgut an seinem Fell fest. Ich werde euch mit Aatoss folgen. Damit auch keinerverloren geht. Die Reise dauert mehrere Stunden. Geniesst sie.Verzeiht meine Neugierde, aber wo befindet sich denn Tensora, fragte Wa-

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lahfrid.Mitten im Ozean. Dem Atlantischen Ozean. In Eurer Welt.Und warum sind wir denn nicht von Gstaad aus nach Tensora gereist. Dasswäre doch einfacher gewesen.Möglich wäre es, doch dann würde die Zeit auf Eurer Welt nicht stehen blei-ben! Nur auf diesem Weg welcher wir nun wählen, gelingt es uns, der Zeit einSchnippchen zu schlagen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass Akara inzwi-schen weit mehr über unsere Pläne weiss als wir vermuteten. Der Verrat vonProf. Amun war für uns alle ein harter Schlag. Sodann wäre die direkte Reisevon Gstaad nach Tensora viel zu riskant gewesen. Wie hätten unweigerlichandere Menschen in Gefahr gebracht. Akara’s Diener gehen sehr unzimper-lich vor um ihren Auftrag zu erfüllen. Auch wenn es Euch im Moment nichteinleuchten mag, ist die Reise nach Tensora aus dem Reich von Akara heraus,sicherer.Ich verstehe, antwortete Walahfrid. Taktik also. Nun denn.Fuhuu schien sich auf die kommende Reise regelrecht zu freuen. Aatoss hin-gegen war die Anspannung deutlich anzumerken.Keine Angst, flüsterte ihm Predun zu. Ich pass schon auf.Ihr passt auf? Aber ich muss doch Fliegen. Ausgerechnet durch die 3 Schluch-ten. Fuhuu soll diesmal sein Tempo drosseln. Ich bin kein fliegendes Monsterso wie er.Walahfrid und die Kinder hatten es sich auf dem Rücken von Fuhuu schonmal gemütlich gemacht. Fuhuu konnte sich kaum noch halten.Können wir los? Können wir los?Ja! Aber keinen neuen Rekord. Hast Du gehört?Ja, Sir!Am Grinsen von Fuhuu konnte Aatoss erkennen, was ihn nun erwartete. Dasser das Wort Monster benutzt hatte bereute er jetzt.Haltet euch gut an meinem Fell fest, schrie Fuhuu.Dann rannte er los, streckte seine Flügel aus und bevor es seine Passagieremerkten hatten sie längst keinen Bodenkontakt mehr. Walahfrid wusste garnicht so recht wie ihm geschah.Gefällt es euch?Oh ja, und wie, antworteten die Kinder.Walahfrid hingegen wurde kreidebleich. Mit aller Kraft krallte er sich am Fellvon Fuhuu fest.Und wie die Kinder zurückschauten, konnten sie Predun und Aatoss sehen,welche ihnen dicht auf den Fersen waren.

Die Erste Schlucht

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Nachdem sie schon eine ganze Weile unterwegs waren, tauchte plötzlich ei-ne dichte Nebelbank vor ihnen auf. Die erste Schlucht. Die Schlucht selbstkonnte man aufgrund des Nebels nur erahnen. Sie musste riesig sein. DerNebel lag schon seit weit mehr als 1000 Jahren über dieser Schlucht. Wer dieOrientierung im Nebel verlor, blieb für immer verloren.Nicht erschrecken, rief Fuhuu und stürzte sich mit vollem Tempo in die Ne-belbank. Wie aus dem Nichts tauchten immer wieder von neuem Hindernisseauf, was Fuhuu aber nicht davon abhielt, mit unverminderter Geschwindig-keit weiterzufliegen. Bäume, Findlinge ja selbst riesige Eiszapfen schwebtendurch die Nebelbank. Fuhuu schien es richtig Spass zu machen.Aatoss hingegen, mochte solche Flüge gar nicht. Predun hätte Fuhuu na-türlich jederzeit bremsen können. Doch ihm selbst gefiel der rasante Flug.Und den Kindern, so dachte er sich, würde es bestimmt auch gefallen. Alssie wieder aus der Nebelbank herauskamen, befanden sie sich in einer völliganderen Umgebung. Selbst das Firmament hatte sich geändert.

Die Zweite Schlucht

Fuhuu steuerte nun auf einen riesigen Wasserfall zu.Festhalten!Um seine Gäste vor dem Wasser zu schützen vollführte er elegant eine Dre-hung um 360◦.Alle noch da, rief Fuhuu seinen Passagieren zu.Die Augen weit aufgerissen nickten alle, worauf Fuhuu wieder an Tempozulegte. Hinter dem Wasserfall, tat sich eine Höhle auf. Die Höhle hatteaufgrund ihrer Besonderheit sogar einen Namen. Man nannte sie Kummer-Massiv. Die erste Besonderheit dieser Höhle war, dass ein jeder der sie betrat,von heftigsten Luftwirbeln erfasst wurde. Flog man zu langsam auf Kummer-Massiv zu, so wurde man durch die Luftwirbel an die Felsen geschleudert.Flog man zu schnell, so hatte man keine Chance den richtigen Eintrittswinkelzu erreichen was man ebenfalls mit dem Leben bezahlte. Die zweite Beson-derheit waren die riesigen Felsen im Inneren der Höhle welche ihr auch denNamen gaben. Kummer-Massiv wurden die zwei gigantischen Felsen genannt,welche den Weg weit im Inneren der Höhle bis auf einen kleinen Spalt ver-sperrten. Selbst von Fuhuu hörte man keine Sprüche mehr. Er flog nun sehrkonzentriert voran. Die vielen Knochen welche die Kinder am Grunde desKummer-Massiv zu sehen bekamen, war ihnen Beleg genug, sich der Gefähr-lichkeit dieser Schlucht bewusst zu werden. Mit einer unglaublichen Präzisionpassierten Fuhuu und Aatoss auch dieses Hindernis mit Bravour.

Die Dritte Schlucht

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Nachdem sie das Kummer-Massiv passiert hatten, flogen sie lange über ei-ne leicht bewaldete Ebene hinweg, bis sich am Horizont die dritte Schluchtzeigte.Sie begann völlig harmlos. Ungefähr einen Kilometer flog Fuhuu ins Inneredieser Schlucht, bis er an die erste Gabelung kam. Nun aber wartete selbstFuhuu auf Predun da er sich alleine nicht mehr getraute weiterzufliegen.Nicht, dass er vor etwas Angst gehabt hätte, doch war er sich bewusst, dasser sich verirren könnte. Das ganze Höhlensystem zog sich nämlich auf über100 Kilometer hinweg. Und nach jedem Kilometer verdoppelte sich die An-zahl der Höhlen. Das ganze System begann also mit einer einzigen Höhle.Doch schon nach einem Kilometer verästelte sich diese. Es existierten ab die-sem Kilometer zwei Höhlen. Nach einem weiteren Kilometer, geschah genaudas Gleiche erneut. Nun existierten vier Höhlen. Bei Kilometer 100, standensomit 2100 Höhlen zur Verfügung. Eine unvorstellbar grosse Anzahl. Die An-zahl Möglichkeiten, auf welche Weise man dieses Höhlensystem durchfliegenkonnte, war aber noch um ein Vielfaches grösser. Nur Predun alleine kannteden Weg durch dieses Labyrinth. Es gab nämlich nur einen richtigen Weg,welcher ans Ziel, nach Tensora führte. Jeder andere Weg führte auf grausameWeise zum sicheren Tod.Endlich waren Predun und Aatoss eingetroffen. Nun flog, deutlich langsamer,Aatoss voran. Manövriert von Predun, kamen sie nach etwa 5 Stunden zurHöhle auf Kilometer 100. Diese galt es noch zu passieren, dann waren sie inTensora. Sobald Predun die letzte Höhle ausgewählt hatte, preschte Fuhuuwieder nach vorn nur um vor Aatoss am Ziel zu sein. Am Ende der Höhleangelangt, mussten sie ihre Tauchkünste unter Beweis stellen. Fuhuu erklärteseinen Passagieren, dass sich der Ausgang der Höhle gut 10 Meter unter demOzean befinden würde.Alle gut festhalten, rief er. Atem anhalten und los geht’s.Schon nach wenigen Sekunden tauchten sie auch schon wieder aus dem Was-ser auf. Fuhuu beschleunigte in Nullkommanix auf die gewohnte Geschwin-digkeit, welches den positiven Nebeneffekt hatte, dass Walahfrid und dieKinder im Nu trocken waren.

Sie flogen noch einige Kilometer über das Meer, welches im Angesicht desSonnenunterganges wie ein Edelstein funkelte, bis endlich am Horizont Ten-sora auftauchte. Die See war ruhig und je näher sie an die Insel heran kamendesto mehr drosselte Fuhuu das Tempo. Spiralförmig, sodass den Kindernund Walahfrid beinahe schwindlig wurde, setzte er elegant zur Landung an.Einige Minuten später traf Predun und Aatoss ein. Die Kinder starrten wiegebannt auf die ganze Pracht von Tensora. Das riesige Schloss, umgeben von

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vielen Gebäuden, stach ihnen als erstes ins Auge. Und überall waren Arbei-ter am Werk. Das Schloss war beinahe fertig und erstrahlte wieder in seinemalten Glanz. Einzig die Fassade würde noch ein paar Handwerkerstundenvertragen. Bei den Nebengebäuden gab es noch eine ganze Menge mehr zutun. Doch es zeigte sich schon jetzt, wie der ganze Campus einmal aussehensollte. Und die Umgebung erst. Sie war zauberhaft schön. Besonders die rie-senhaften Mammutbäume machten auf die Kinder Eindruck.

Sir. Mit Eurer Erlaubnis mache ich mich wieder an die Arbeit.Oh, ja natürlich. Danke für Deine Hilfe.Kinder, es war mir ein Vergnügen.Und noch bevor sich die Kinder bedanken konnten, stürzte sich Fuhuu überdie Klippen in die Tiefe. Er tauchte ins Meer ein und war verschwunden.Wohin ist er gegangen, fragte Jannis. Er kann doch nicht alleine durch dasHöhlenlabyrinth zurückkehren.Das hat er auch nicht vor, sagte Predun. Er ist verantwortlich für die Repe-raturmassnahmen unter Wasser. Auch da wurde meine Insel von Akara argbeschädigt. Sie hat, wenn man so sagen will, ganze Arbeit bei ihrer Zerstö-rung geleistet.Und was, wenn Akara...naja, wenn sie erneut...Wenn sie erneut alles zu zerstören versucht. Nun, dass ist zwar nicht ausge-schlossen. Aber ich hoffe, wir werden dies mit vereinten Kräften zu verhindernwissen. Ihr müsst wissen, dass ich damals, als sie Tensora zerstörte, nicht aufder Insel anwesend war. Leider...Vor dem Schloss standen zwei der Schüler, Delphin und Jerome, für den Emp-fang bereit. Delphin hatte wunderschön gewelltes, dunkles Haar und war vonrecht kräftiger Statur. Sie war etwa gleich gross wie Jerome. Dieser hatte eineMenge Sommersprossen im Gesicht und kurze, dunkelblonde Haare. Predunstellte alle einander vor.Delphin und Jerome gehören zu den wenigen Schülern, welche Weihnachtenauf Tensora verbringen werden. Ich hoffe ihr seid nicht enttäuscht, dass dieProfessoren nicht bereitstehen, aber die Aufgabe welcher ihr Euch zu stellenhabt, bringt einiges an Arbeit für uns alle mit. Schon bald werdet ihr siepersönlich kennenlernen. Dieser Mann hier heisst Walahfrid und ist ein Abt.Und das hier sind die berühmten Zwillinge.Wir sind keine Zwillinge, korrigierte Jannis.Natürlich seid ihr das nicht, sagte Predun. Das ist aber nunmal euer...hmmm,wie soll ich sagen...so steht’s nunmal in allen Zeitungen. Alle kennen eucheigentlich nur unter dem Begriff "Die Zwillinge". Aber keine Angst, eure Na-men wird man sich hier schnell merken. Schon bald wird ein jeder ZaubererEure Namen kennen. Und wenn ihr erst mal berühmt seid, dann werdet ihr

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erkennen, dass das eigentlich nicht nur Vorteile mit sich bringt. Tja, so istdass. Nun also, dass hier ist Mister Rassl und dass hier ist Miss Tranell.Herzlich wurden die Kinder und Walahfrid von Delphin und Jerome will-kommen geheissen. Das erste was den Kindern auffiel, war, dass die SchülerUniformen trugen. Schöne blaue Uniformen, mit einem dazupassenden Um-hang. Der augenfälligste Unterschied zwischen den beiden Uniformen war,dass Delphin einen Rock und Jerome eine Hose trug. Jannis bemerkte sofort,dass Jerome sich irgendwie merkwürdig benahm. Mit geschwellter Brust,beinahe schon verkrampft, stand er vor ihnen. Erst beim zweiten Hinsehenerkannte er den Grund für diese merkwürdige Haltung.

Was ist denn das für ein Abzeichen auf Deiner Brust, fragte Jannis.Auf diese Frage schien Jerome geradezu gewartet haben.Delphin und ich haben vor kurzem erfahren, dass wir unsere Abschlussprü-fungen für das zweite Schuljahr bestanden haben. Für jedes absolvierte Schul-jahr, erhält man, wenn man die Schlussprüfung besteht, eine neue Uniform.Und jede Uniform ist mit einem Abzeichen versehen. Anhand der AnzahlZauberstäbe auf dem Abzeichen kann man ablesen, wieviel Schuljahre derTräger schon absolviert hat. Wie Du sehen kannst sind es bei mir nun zwei.Und wie viele Zauberstäbe werden es sein, wenn ihr mit der Schulausbildungfertig seid, fragte Jannis.Fünf. Fünf Zauberstäbe werden es sein. Und nachher kann man, wenn manwill, Spezialkurse besuchen, welche...Ja, ja, unterbrach Predun. Das hat alles noch Zeit. Ich erwarte Euch in ei-ner Stunde in meinem Arbeitszimmer. Dann könnt ihr Jannis und Leandraderen Unterkünfte für die nächsten Tage zeigen. Ich hoffe ihr seid mir nichtböse, Walahfrid, aber ihr müsst ausserhalb des Schlosses, in einem der Ne-bengebäude, untergebracht werden. Es ist nunmal nur Zauberern erlaubt sichinnerhalb des Schlosses zu bewegen. Für Euch wäre es hier viel zu gefährlich.Am Gesicht von Walahfrid war überdeutlich zu erkennen, dass er mit dieserEntscheidung alles andere als einverstanden war.Kinder, sagte er etwas beleidigt, wenn ihr mich braucht ruft einfach. Nie-mand könnte mich davon abhalten, euch zu Hilfe zu eilen. Niemand, betonteer nochmals in Richtung von Predun was dieser gelassen zur Kenntnis nahm.Ausserdem würde ich bei eurer Zauberei sowieso nicht mitmachen, fügte Wa-lahfrid gekränkt hinzu. Ich glaube an dass was ich hier um meinen Hals trage.Dabei umschloss er mit seiner Hand das Kreuz welches ihm Kardinal Paulusgeschenkt hatte.Das ist die einzige und wahre Magie an welche ich glaube.Es wundert mich, diese Worte aus Eurem Munde zu hören, antwortete Pre-dun. Denn wenn ich mich richtig erinnere, sagte schon der Heilige Augustinus,

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dass er Glauben würde, um zu Verstehen, und Verstehen, um besser zu Glau-ben.Was wollt Ihr damit sagen?Dass ihr zu Bescheiden seid, antwortete Predun diplomatisch.Bescheidenheit ist eine Tugend, welcher ich gerne mein ganzes Leben zu un-terwerfen bereit bin.Auch was den Wein angeht?An den Augen von Walahfrid konnte er ablesen, wie unbedacht doch diesmalseine Worte gewählt waren.Führt mich zur Unterkunft. Ich brauche etwas Ruhe, sagte Walahfrid.Ich wollte nicht...Doch schon wendete sich Walahfrid von Predun ab und machte sich auf denWeg in Richtung der Nebengebäude. Mit heftigem Wiehern, meldete sich nunAatoss zu Wort. Predun war auch sofort klar was dies zu bedeuten hatte.Delphin - würdest Du Bitte Aatoss füttern? Und Du Jerome, sei so nett undbegleite den Abt in seine Unterkunft.Na dann wollen wir mal, sprach Predun und betrat dicht gefolgt von denKindern das Schloss.Anfangs konnten sie gar nichts erkennen, so dunkel war das Innere des Schlos-ses. Doch dann, verschlug es den Kindern die Sprache als sie sahen was sichda vor ihren Augen auftat. Vor ihren Augen tat sich ein Dorf auf, welches inseiner Schönheit alles was sie bisher gesehen hatten in den Schatten stellte.Selbst Gstaad. Ein kleiner See lag dem Dorf zu Füssen und der Himmel er-strahlte in prächtigstem Abendrot. Vom Schloss in dem sie sich ja befandenwar nichts mehr zu sehen. Die Gebäude des Dorfes bestanden aus Holz undStein und leuchteten im Angesicht des Sonnenuntergangs geradezu bezau-bernd.Das ist ja unglaublich, sagte Leandra.Genauso wie sie kam auch Jannis aus dem Staunen nicht heraus.Schön, dass es Euch gefällt - aber es ist noch lange nicht fertig. Es dauertnoch ein paar Monate. Zu Beginn des neuen Semesters - dann, ja dann solltenwir mit den Arbeiten fertig sein.Und während sie nun gemeinsam durch das Märchendorf liefen, fuhr Predunmit seinen Erklärungen fort.Wie ich Euch schon gesagt habe, bin ich seit sehr, sehr langer Zeit mit derEule befreundet. Sie hat mich vieles gelehrt. Und wo sie mich bat, Euchzu unterrichten war dies wohl einer der schönsten Augenblicke welche ich inmeinem Leben erfahren durfte. Wir haben dann lange über Euch diskutiert.Von allen Dingen, die ich mit der Eule besprochen habe, ist mir ein simpelwirkender Satz immer präsent geblieben. Einmal sagte sie zu mir, dass wennder Mensch vertrauensvoll in die Richtung seiner Träume voranschreitet, das

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Leben lebt welches er in seiner Phantasie ausmalt, Erfolge erzielen kann, wel-che er selbst in seinen kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten hätte.Ihr müsst wissen, in Eurem Innern schlummert schier Unvorstellbares. Eswartet nur darauf geweckt zu werden. Es gibt nur wenige Menschen welchenman den Gral anvertrauen würde. Die meisten Menschen würden der un-glaublichen Anziehungskraft des Grals niemals standhalten.Bekommen wir einem Zauberstab und einen Zauberbesen, fragte Leandra.Predun lachte etwas.Ja weisst Du, in manchen Schulen wird tatsächlich das Fliegen mittels einesZauberbesens gelernt. Nicht so in meiner Schule.Warum habt ihr denn Aatoss, wo ihr doch Fliegen könnt, fragte Jannis.Aatoss ist wahrlich einer meiner besten Freunde. Er ist für mich weit mehr alsnur ein Gesprächspartner. Aus meinem Leben ist Aatoss nicht mehr wegzu-denken. Ich reite oder fliege mit ihm so oft wie möglich durch die Landschaft.Im Gegensatz zu früher ist dies für mich heute schöner als selber zu Fliegen.Aber ich bin mir sicher, dass ihr das im Moment noch etwas anders seht.Und das zu Recht.Nun aber zurück zu Deiner Frage, Leandra. In manchen Schulen wird dasFliegen tatsächlich mittels eines Zauberbesens gelernt. Oder aber der Zau-berspruch wird mittels eines Zauberstabes aufgesagt. Aber das ist nicht Zau-berei wie ihr sie in meiner Schule lernen werdet. Stellt euch doch mal vor,ihr müsstet immer einen Besen mit euch herumtragen oder einen Zauberstabdamit euer Zauber eine Wirkung erzielt. Das sind alles Hilfsmittel welche ihrnicht benötigt. Für weniger talentierte Zauberer mag dies nützlich sein. Abernicht für Zauberer von Eurer Klasse.Bevor man mit dem Zaubern beginnt, muss man sich klarmachen auf wel-chem Fundament man sein Können aufbaut. Was ist wohl neben unseremVerstand das wichtigste was wir beim Zaubern benützen?Der Zauberspruch, sagte Leandra.Ja. Das würde ich auch meinen, pflichtete ihr Jannis bei.Noch wichtiger als der Zauberspruch sind unsere Sinne. Ohne die geht garnichts. Ihr kennt doch Eure Sinne, oder?Augen, Ohren, Nase, Zunge und die Hände, antworteten die Kinder, wobeiPredun ein wenig nachgeholfen hatte indem er mit seinem Finger jeweils aufeines seiner Sinnesorgane zeigte.Sehr gut, Kinder. Also wir haben den Sehsinn, den Hörsinn, den Riechsinn,den Geschmackssinn und den Tastsinn. Diese 5 Sinne, zusammen mit unse-rem Verstand bilden die Grundlage von allem was nun auf Euch zukommt.Die Aufgabe besteht darin, diese Sinne und den Verstand so zu schärfen, dasssie alle in perfektem Einklang miteinander arbeiten. Und das lernen wir ausdem Grundlagenbuch der Zauberei.

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Und während sie weiter interessiert den Worten von Predun lauschten, fielihnen anfangs gar nicht auf wie Seltsam das Dorf doch war. Über unzähligeStrassen gelang man immer wieder an neue Kreuzungen mit grossen sowiekleinen Häusern. Und manchmal, nachdem sie an einem Haus vorbeiliefen,verschwand hinter ihnen die Strasse und eine Neue entstand.Wie soll man sich denn hier zurechtfinden, fragte Leandra. Jetzt sind wirschon an so vielen Häusern vorbeigegangen und immer wieder verschwindeneinige Strassen und Neue bilden sich. Und Strassenschilder gibt es auch kei-ne. Das ist ja wie in einem Labyrinth.Das ganze Innere des Schlosses ist weit mehr als ein Labyrinth. Es lebt. Undverändert sich laufend. Dies dient einzig dem Schutz. Jeder ungebetene Gast,würde sich unweigerlich verirren, sagte Predun stolz. Deshalb durfte Walah-frid das Schloss nicht betreten.Das Schloss lebt, fragte Jannis.Ja. Das Schloss hab ich selber entworfen. Natürlich hatte ich beim Bau tat-kräftige Unterstützung von meinen Professoren. Dieser Schutz kommt in ers-ter Linie meinen Schülern zugute. Besonders von Akara und Ihresgleichendroht derzeit Gefahr. Wir müssen sehr vorsichtig sein.Ihresgleichen? Wen meint ihr damit, fragte Jannis.Das was man meinen Augen angetan hat, wurde zwar von Akara befohlen.Ausgeführt wurde es aber von ihren Dienern. Monster welche erst dann einGlücksgefühl verspüren wenn sie anderen Höllenqualen zufügen.Ahh endlich, da kommt ihr ja, sagte Predun. Wo ward ihr denn so lange.Die Kinder trauten ihren Augen kaum. Zwei 20 Zentimeter grosse Feen, tanz-ten Predun wie wild um die Ohren. Sie sprachen, ähnlich einem Vogelgezwit-scher, wild durcheinander auf Predun los, welcher dies alles mit gewohnterGelassenheit über sich ergehen liess. Und wie Predun sich zu den Kinderndrehte und mit dem Finger auf sie zeigte, da wurden die beiden Feen augen-blicklich ruhig. Langsam flogen sie auf die Kinder zu. Flogen um sie herumund begannen erneut lauthals rumzuzwitschern.Beide Feen flogen auf Predun zu und beschimpften ihn förmlich, wie manmit blossem Auge erkennen konnte. Darauf musste Predun dann aber herz-lich Lachen.Kommt Kinder. Kommt her, sagte Predun welcher immer noch Lachen muss-te. Das sind Jyl und Myl.Daraufhin verbeugten sich die Feen vor den Kindern.Die Beiden haben mich gerade beschimpft, weil ihr anscheinend schmutzigwärd und auch nach Drachen riechen würdet. Jyl und Myl sind Eure per-söhnlichen Begleiter, solange ihr hier seid. Sie werden Euch den Weg weisen,damit ihr die Orientierung nicht verliert. Das kann anfangs nur allzu leichtpassieren.

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Und wie verständigen wir uns, fragte Leandra. Ich verstehe kein Wort, vondem was sie sagen.Ohhh, das gibt sich, sagte Predun. Das gibt sich - ihr werdet schon sehen.Ganz vorsichtig setzte sich Myl auf die Schulter von Leandra und Jyl auf dieSchulter von Jannis. Nun lief Predun schnellen Schrittes voran, und erklärteden Kindern im Schnelldurchlauf, wo die Bücherei, der Speisesaal und nochviele andere wichtige Gebäude standen. Doch in dem ganzen Labyrinth ausStrassen, Gassen und Kreuzungen konnten sie sich all die Erklärungen vonPredun ja doch nicht merken und waren froh auf die Hilfe ihrer neuen Freun-de zählen zu können.Nach etlichen Häuserblöcken waren sie endlich am Ziel angelangt. Sie stan-den vor dem Haus von Predun. Auf den ersten Blick erinnerte es sie an diealten Bauernhäuser, welche man noch vereinzelt in den Bergdörfern zu sehenbekommt. Doch dieses hier hatte eine schräge Hausfassade und unterschied-liche Fenster. Einige waren rund, andere eckig und andere wiederum oval.Selbst die Türe stand irgendwie schräg in den Angeln und doch passte allesperfekt zueinander. Als sie eintraten staunten sie über die vielen Bücher dieüberall herumlagen. Und überall standen Kerzen. Es mussten Hunderte sein.Wunderschöne Möbel und Bilder gaben dem Haus die entsprechende Note.Im Arbeitszimmer angelangt, stachen ihnen sofort die sechs Porträts hinterdem grossen Arbeitspult ins Auge.Was sind dass für Leute, fragte Leandra. Eure Vorgänger?Die? Nein! Das sind Vorsteher der anderen Zauberschulen.Und indem er ihnen die Vorsteher vorstellte, fiel den Kindern auf, dass unterjedem Porträt ein Korb stand, in welchem Post lag. Nur unter dem Porträtvon Prof. Amun stand kein Korb.Wozu sind denn die Körbe, fragte Jannis.Üblicherweise erhalten wir genauso wie unsere Schüler unsere Post durch denFeeenExpress. Doch zwischen den Vorstehern der Zauberschulen gibt es ebeneine weitere Art der Postzustellung. Sehr effizient - und sicher. Und in demMoment warf gerade Prof. Riemann einen Brief aus dem Porträt heraus inden Korb.Seht ihr. Jetzt hab ich gerade wieder Post von meinem alten Freund Prof.Riemann bekommen. Seid sie erfahren haben, dass ich wieder im Amt binerhalte ich Hunderte Mitteilungen von ihnen. Jeden Tag!Was ist das für ein sonderbarer Spiegel an der Wand. Er ist...er ist irgendwieanders als ein üblicher Spiegel, sagte Jannis.Und was? Was ist denn anders an diesem Spiegel, fragte Predun neugierig.Einen Moment dachte ich...nun, ich dachte...ich dachte der Spiegel sieht michan.Es ist auch kein gewöhnlicher Spiegel. Es ist...lehn Dich doch mal dagegen.

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Nichts passierte. Jannis zuckte die Schultern. Und?Einen Augenblick, sagte Predun.Er trat vor den Spiegel, sah zu den Kindern und lief direkt in den Spiegelhinein. Predun verschwand! Ein paar Sekunden später trat er wieder aus demSpiegel hervor. Er lächelte die Kinder an welche völlig verblüfft mit offenemMund nicht mehr aus dem Staunen kamen.Wie habt ihr das gemacht, fragte Jannis.Neugierig lief er auf den Spiegel zu und berührte ihn diesmal mit seinerHandinnenfläche. Ein Lichtblitz erleuchtete den Raum worauf eine glasklareStimme zu Hören war.Hallo Jannis!Ja?Du möchtest wohl eintreten.Ja. Also...ich weiss nicht.Noch ist es zu früh für Dich. Du bist noch nicht bereit. Doch schon baldsehen wir uns wieder.Und dann verstummte die Stimme.Leandra? Möchtest Du es auch versuchen, fragte Predun.Deutlich vorsichtiger als Jannis berührte sie mit ihrer Handfläche den Spie-gel. Auch bei Ihr erwachte er zum Leben.Du bist Leandra.Ja!Auch auf Dich hab ich gewartet, weisst Du das?Nein! Warum habt ihr auf mich gewartet?Auch von Dir wird Aussergewöhnliches erwartet. Und wie bei Jannis ist esauch für Dich im Moment noch zu früh in meine Welt einzutreten.Und im nächsten Moment war der Hauch des Lebens aus dem Spiegel wiederverschwunden.Wie geht das, fragten sie Predun. Was machen wir falsch?Nun, ich würde sagen so ziemlich alles. Ihr könnt erst durch den Spiegeltreten, wenn ihr dies als absolut selbstverständlich anseht. Als ob ihr demSpiegel befehlen würdet, dass er euch Eintritt gewähren soll. Wie das Öffneneiner Türe.Das ist alles, fragte Leandra.Nun, wie bei so vielem was ich und meine Professoren Euch noch lehrenwerden, erscheinen einem die Dinge immer dann einfach, wenn man sie be-herrscht. Das Durchschreiten des Spiegels gelingt unseren Schülern erst inden höheren Semestern. Und selbst dann gibt es immer wieder einige welchedaran Scheitern. Dass der Spiegel mit Euch redet ist für sich alleine schonsehr aussergewöhnlich. Beim Durchschreiten des Spiegels tritt man in einepersönliche aber für jeden völlig unbekannte Welt ein.

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In was für eine Welt, fragen die Kinder neugierig.Ihr seht Eure Zukunft. Oder Ihr trefft auf Euer 2-tes Ich. Man beschreitetdie Eigene und doch unbekannte Welt! Die eigene Zukunft macht eine Reisein die Gegenwart. Und wenn sie das tut, so liegt es an uns, diese Zeichenrichtig zu deuten.Warum habt ihr dann nicht verhindern können, dass Tensora zerstört wurde,fragte Jannis.Wie ich schon sagte, man muss die Zeichen richtig deuten. Ansonsten...nunja, bald haben wir alles wieder aufgebaut.Was habt ihr gesehen als ihr eben durch den Spiegel gegangen seid, fragteLeandra.Nichts, was mich mittlerweile noch Erschrecken könnte. Aber seid gewarnt.Die eigene Zukunft zu sehen bringt nicht immer nur Vorteile mit sich. Zeigteuch die Zukunft ein positives Bild, so ist alles in Ordnung. Doch wehe wennsich die Zukunft verdunkelt. Man ist versucht alles zu unternehmen um dasaufkommende Unheil doch noch irgendwie abzuwenden. Doch genau dassbirgt meist noch grössere Gefahren in sich. Denn solche Handlungen sindeben mit der Zukunft verknüpft. Aber dass alles soll Euch nicht zu sehrverwirren. Vielleicht kommen wir darauf nochmals zu sprechen. Wir habengenau 3 Tage Zeit.Für was, fragte Jannis.Das Zauberbuch durchzuarbeiten.Das Zauberbuch, wiederholte Leandra.Ja. Das Grundlagenbuch für Zauberei. Wenn ihr bereit seid, könnt ihr esEuch nun holen.Und woher, fragte Leandra.Predun blickte zum Spiegel.Es wird Euch aus dem Spiegel überreicht.Beiden konnte man nun ihre Nervosität anmerken.Wartet, bis euer Name aufgerufen wird und dann geht zum Spiegel. Egal wasEuch dort begegnen wird, es kann Euch nichts passieren. Hört ihr?Dass Predun nun nicht ganz die Wahrheit gesprochen hatte, konnten dieKinder nicht wissen. Er war sich der Gefahr bewusst, welche nun auf dieKinder zu kam, doch in Anbetracht der gewaltigen Aufgabe welcher sich dieKinder zu stellen hatten, durfte diese kleine Prüfung kein Hindernis für siedarstellen. Nach einigen Minuten des Wartens, welche für die Kinder wie ei-ne Ewigkeit vor kam wurde die Stille durch den Ruf nach dem Namen desMädchens spontan unterbrochen.

Leandra!Geh! Geh nun zum Spiegel und hab keine Angst, flüsterte Predun ihr zu.

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Wie sie nun vor dem Spiegel stand, sich selbst betrachtend, merkte sie, wiesie zitterte, was sie noch nervöser machte. Plötzlich verschwand ihr Spiegel-bild. Der Spiegel umschlang sie und noch bevor sie merkte wie ihr geschahbefand sie sich mitten in einem Dschungel. Völlig alleine. Weder der Spiegelnoch Predun oder Jannis waren zu sehen. Sie hatte Angst. Plötzlich hörtesie ein schrilles Pfeifen. Noch nie hatte sie solch einen Ton gehört. Sie blickteum sich. Konnte aber nichts erkennen. Ihr Herz schlug immer schneller. Dannhörte sie ein Rascheln hinter sich. Sie drehte sich um, konnte aber immer nochnichts erkennen. Erst bei genauerem Hinsehen, erkannte sie etwas, dass ihrden Angstschweiss auf die Stirne trieb. Eine riesige Spinne krabbelte auf siezu. Sie schrie und lief so schnell wie sie nur konnte davon. Immer wieder schriesie nach Predun und Jannis. Die Spinne war ihr dicht auf den Fersen. Dochdann, als sich Leandra wieder umsah, war sie plötzlich verschwunden. Lean-dra lief weiter. Sie kämpfte sich durch das immer dichter werdende Gestrüpp.Und dann passierte es. Sie fiel urplötzlich mehrere Meter in die Tiefe direktin ein riesiges Spinnennetz welches an einer Felswand hing. Die klebrigen,fingerdicken Spinnfäden hielten Leandra gefangen. Mit aller Kraft versuchtesie, sich zu befreien. Zwecklos. Und wieder hörte sie dieses schrille Pfeifenwelches nun aus der Höhle drang um welches das Spinnennetz gewoben war.Mit einem Male kam die riesige Spinne aus der Höhle gekrochen. Sie pla-zierte ihre Füsse auf dem Netz und blieb völlig regungslos stehen. Und wiesich Leandra bewegte krabbelte die Spinne zügig auf sie zu. Leandra schrieund schlug um sich wie noch nie in ihrem Leben. Als die Spinne nun ihreBeine berührte, hatte ihre Angst ein Ausmass erreicht, die eine einzigarti-ge Schutzfunktion in ihrem Körper aktivierte. Mit einem Male durchströmteLeandra ein solch unglaublicher Energiestoss wie sie es noch nie erlebt hatte.Es schien ihr, als würde es ihr die Hände zerreissen. Durch den Energiestosswurde die Spinne an die Felswand geschmettert. Ungläubig sah Leandra aufihre Hände. Sie konnte nicht glauben was eben geschehen war. Und geradeals sie sich in Sicherheit fühlte riss das Spinnennetz und sie fiel abermals indie Tiefe. Kurz vor dem Aufprall erwachte sie und stand mit einem Buch inder Hand vor dem Spiegel. Völlig zerstreut von dem eben erlebten, brachtesie im Moment kein Wort heraus. Sie sah auf das Buch, wischte mit der Handnoch einige Reste von Spinnfäden weg und las den Titel des Buches:

Liber MagicaInductioLeandra

Setz Dich wieder an den Tisch, rief ihr Predun zu.Ohne ein Wort zu sagen, gehorchte sie. Jannis war nun nicht mehr so wohlin seiner Haut als er sah, wie verängstigt Leandra ihn anstarrte. Er hatte

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von alle dem was Leandra erlebt hatte nichts mitbekommen. Nur gerade füreinen kurzen Moment konnte er Leandra nicht sehen, als der Spiegel alleswas sich im Raum befand mit einem hellen Lichtblitz blendete. Und schonrief die Stimme aus dem Spiegel nach seinem Namen.

Jannis !Noch bevor Jannis vor den Spiegel trat, forderte ihn Predun auf, die SchaleLeandra zu übergeben. Ohne Widerrede gehorchte Jannis. Und dann stander auch schon vor dem Spiegel. Er wollte diese Sache so schnell wie möglichhinter sich bringen. Nichts passierte, er sah nur sein Spiegelbild. Plötzlichumschlang der Spiegel auch ihn, genauso wie er dies bei Leandra gemachthatte. Und schon stand Jannis bis zum Hals in trüben Gewässer. Es befandsich mitten in einem See. Mit weit aufgerissenen Augen hielt er sich überWasser. Noch ehe er im Bilde war, was hier eigentlich vor sich ging, vernahmauch er ein seltsames Geräusch. Er drehte sich um und sah, dass sich irgendetwas ins Wasser begeben hatte. Leichte Wellen bewegten sich auf ihn zu.Und dann schwamm etwas direkt unter ihm vorbei. Als er seinen Kopf unterWasser steckte um zu sehen was es war, erfasste ihn blankes Entsetzen. Eineriesige fast 15 Meter lange Seeschlange konnte er erkennen. Jannis versuch-te ruhig zu bleiben, doch die Angst war stärker und so begann er wie wildzu strampeln. Nun aber bewegten sich erneut Wasserwellen auf ihn zu. Erversuchte zu entkommen und schwamm so schnell wie er konnte. Doch hatteer gegen die Seeschlange keine Chance. Sie schlang sich um seinen Körperund presste ihm die Luft aus den Lungen. Jannis drohte zu ersticken. Undauch bei ihm durchfuhren seine Hände urplötzlich eine ungeheure Energie alsseine Angst ein gewisses Mass überschritten hatte. Dies war aber nun auchdas Todesurteil für die Seeschlange. Mit einem Knall, gleich einer kleinen Ex-plosion, zerriss es die riesige Schlange in Tausend Stücke. Jannis trieb halbbewusstlos auf dem See, nach Luft ringend, vor sich hin. Ein lautes Dröhnendrang an seine Ohren und auch die Strömung wurde spürbar stärker. Und wieer realisierte was vor sich ging, war es auch schon zu spät. Mit letzter Kraftversuchte er, gegen die Strömung anzukämpfen doch seine Kräfte reichtennicht mehr aus und der Fluss riss ihn einen monströsen Wasserfall hinunter.Seinem Ende entgegenblickend erwachte auch er wie aus einem Traum, vordem Spiegel stehend als ob nichts passiert wäre. Und in seinen Händen hielter ein Buch. Er wischte mit der Hand die Wassertropfen vom Umschlag undkonnte nun den Titel seines Buches lesen.

Liber MagicaInductio

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Jannis

Jannis, setz Dich wieder an den Tisch, sagte Predun, wohlwissend dass beideKinder fürchterliches erlebt hatten.Etwas benommen torkelte Jannis an den Tisch zurück. Beiden Kindern konn-te man das eben Erlebte von ihren Gesichtern ablesen. Sie befanden sich ineinem regelrechten Schockzustand. Jetzt aber legte Predun jedem der Kinderseine Hand auf die Stirn worauf sie sich sofort zu entspannen begannen. DieAngst war nun aus ihren Augen gewichen.In dem Moment klopften Delphin und Jerome an die Haustüre. Predun batsie, noch einen kurzen Moment zu warten.Dann wendete sich Predun Leandra zu.Leandra, würdest Du, solange ihr beide in Tensora seid, die Schale in die-ser Truhe dort zur Aufbewahrung hinterlegen. Aufgrund der vielen Übungenwelche wir mit Euch unternehmen werden, wäre die Schale nur ein Hindernis.Ich möchte nämlich, dass ihr Euch die nächsten Tage mit nichts anderem alsdem Zauberbuch beschäftigt.Die Truhe da, mit der steinernen Katze obendrauf, fragte Leandra.Ja, genau. Das ist General.Die Steinfigur hat einen Namen, fragte Jannis.Darauf bewegte sich der Kopf der steinernen Katze langsam nach links undnach rechts. Und dann, mit einem heftigen Schütteln welches einiges an Staubaufwirbelte, sass eine Katze so vornehm und stolz auf der Truhe, dass manbeinahe annehmen musste, dass sie von adeliger Abstammung sei. Das Fellsmaragdgrün und um den Hals trug sie ein goldenes Band. Beide Ohren indie Höhe gestellt und Augen mit einer Ausdruckskraft wie sie es noch nie beieinem Tier gesehen hatten.Das rief nun aber Jyl und Myl auf den Plan, welche sich erneut bei Predunüber den unnötigen Staub beschwerten. Dies wäre nämlich der Gesundheitder Kinder gar nicht förderlich.Schon gut, winkte Predun ab. Sie können ja nachher in ihren Zimmern einBad nehmen.Leandra nahm die Schale und trat hinter dem Tisch hervor. Sie blickte aufJannis welcher ihr zunickte.Und die Schale ist dort in völliger Sicherheit, fragte Leandra in Richtung vonPredun.Ganz bestimmt.Aber da ist ja gar kein Schloss an der Truhe.Predun lachte leise und die Pupillen der Katze verengten sich nun zu zweiSchlitzen. Leicht vorwurfsvoll blickte sie, mit ihrem Schwanz wedelnd, aufdie Kinder.

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Solange General aufpasst, braucht ihr Euch um die Schale keine Sorgen zumachen. Ihm vertraue ich alle meine Schätze an.Zögerlich aber am Ende doch einverstanden, legte Leandra die Schale in dieTruhe. Und wie der Deckel der Truhe geschlossen wurde, sprang Generaloben drauf.Zufrieden mit der getroffenen Lösung verabschiedeten sich die Kinder vonPredun. Den ersten Unterrichtstag würden sie mit Prof. Korrov verbringenhatte er ihnen noch mitgeteilt. Unterrichtsbeginn war am kommenden Mor-gen um Punkt 8 Uhr.Vor dem Hause von Predun wurden Jannis und Leandra ungeduldig erwar-tet. Zusammen machten sie sich nun auf den Weg, in ihre neue Unterkunft.Irgendwie kann ich noch gar nicht begreifen was mit mir vor sich geht, sagteLeandra. Ebennoch waren wir in Gstaad und jetzt - hier auf Tensora, in einerZauberschule.Stimmt es, dass ihr bis vor kurzem noch gar nicht wusstet, dass ihr der Zau-berei mächtig seid, fragte Jerome.Ja. Und ich glaube es immer noch nicht. Es ist...ich finde keine Worte. MeinKopf fühlt sich auf einmal so anders an. Als ob eine riesige Last von mirgenommen worden wäre, sagte Jannis. Woher kommt ihr eigentlich?Ich bin in England aufgewachsen, sagte Delphin.Und wie bist Du hier her gekommen? Sind Deine Eltern auch Zauberer?Meine Eltern starben bei einem Autounfall. Das ganze Auto ging in Flam-men auf. Ich habe den Unfall ohne einen einzigen Kratzer überlebt. Ich wardamals noch kein Jahr alt. Daraufhin hat sich Predun meiner angenommenund mich nach Tensora gebracht. Ich glaube meine Eltern wussten gar nicht,dass ich der Zauberei mächtig war. Auf jeden Fall waren sie keine Zauberer.Und ich komme aus Italien, sagte Jerome. Meine Eltern sind von einem Tagauf den anderen verschwunden. 10 Jahre ist dies nun her. Ich war damalserst 3 Jahre alt. In ihrem Leben bedeutete Zauberei alles. Ich habe michoft gefragt, was ihnen wohl zugestossen sein mag, aber nicht einmal Predunkonnte mir eine Antwort darauf geben.Verschwunden? Es gibt keine Spur von ihnen, hackte Jannis nach.Nein, nichts. Aber ich werde nicht aufgeben. Irgendwann werde ich heraus-finden, was mit ihnen geschehen ist.Dann hat wohl auch Dich Predun nach Tensora gebracht?Ich kann mich natürlich nicht mehr erinnern, aber anscheinend hat mich eineEule hierhergebracht. Darum beneiden mich noch heute meine Komilitone.Warum denn, fragte Leandra.Warum? Lest ihr denn keine Zeitung?Ihr habt Eure eigene Zeitung hier?Ja. Die Tensora Times. Diese hier.

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Aber, da stehen ja unsere Namen, sagte Leandra. Jannis sieh doch.Nachdem rausgekommen ist, dass Prof. Amun ein Verräter war, findet mankeine Zeitung, wo nicht über Euch berichtet wird, sagte Delphin.Hier steht etwas über Akara, sagte Leandra.Auf einer ganzen Seite wurde beschrieben, wer Akara war und warum es sichbei ihr um die grösste Gefahr für die Menschheit aber auch für die Zauber-welt handeln würde. Gierig verschlangen sie eine Zeile um die andere. Dannkamen sie zu der Stelle wo geschrieben stand, was Akara nach der verlorenenSchlacht auf der Erde ihren Gegnern, unter denen sich auch Predun befandzurief, bevor sie in ihr Reich zurückkehrte.

Ihr KakerlakenIch werde noch soviel Unheil und Grauen über Euch bringen

Wie es die Welt noch nicht gesehen hatWie - weiss ich auch schon

Und ich verspreche - es wird der Untergang Eurer Welt

Da läuft es einem kalt den Rücken hinab, sagte Jerome. Nicht wahr?Leandra nickte.Langsam frag ich mich, wie wir gegen so jemanden ankämpfen sollen.Das ist doch nur dummes Zeug was da steht, sagte Jannis. Du weisst dochnoch, was Dir vorhin durch den Spiegel widerfahren ist - oder?Ja. Natürlich.Und fürchtest Du dich noch?Nein, eigentlich nicht.Na siehst Du. Mir geht es genau gleich. Das einzige worauf wir uns jetztkonzentrieren sollten, sind unsere Bücher.Moment mal, sagte Jerome. Ihr wollt doch damit nicht sagen, dass ihr EureBücher aus dem Spiegel bekommen habt?Doch! Warum?Nur die Studenten in den höheren Semestern, erhalten ihre Bücher aus demSpiegel. Aus Sicherheitsgründen. Jeder von ihnen erzählt Schreckliches. Washabt ihr erlebt? Sagt schon!Also darüber will ich im Moment nicht sprechen, antwortete Jannis. Aberschlimm war es schon.Und wie war es bei Dir?Vielleicht erzähl ich Dir später einmal darüber. Im Moment bin ich froh, dassich dies hinter mir habe.Diese Worte machten Jerome nur noch neugieriger. Doch sah er ein, dass ermit seiner Fragerei in diesem Thema, zumindest Heute, nicht weiterkam.Ihr Beide seid schon Aussergewöhnlich, sagte Delphin. Noch nie wurde überErstsemestrige im Vorfeld soviel Aufhebens gemacht. Selbst in den anderen

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Zauberschulen wird über jede Kleinigkeit von Euch berichtet. Deshalb freutes uns so sehr, dass ihr hier in Tensora gelandet seid. Aber glaubt ja nicht,dass hier alle Schüler nett und freundlich sind. Schon jetzt sind ein paarIdioten hier. Und wenn an dieser Schule wieder so richtig unterrichtet wird,ich meine wenn wieder alle Klassen voll sind, dann werdet ihr sehen, dass esgewisse Parallelen zu Eurer Schule gibt - in Gstaad. Oder sind alle Schülerin Eurer Klasse nett zu Euch?Natürlich nicht, sagte Jannis. Die Hälfte von denen sind Idioten.Nun aber machten sich Jyl und Myl bemerkbar, welche darauf bestanden,dass den Kindern endlich ihre Unterkunft gezeigt würde, sodass sie ihr Badnehmen konnten. Auch hätten die Kinder ihren Schlaf notwendig. Nur aus-geschlafen könnten sie dem Unterricht von Prof. Korrov folgen. Doch wurdeden Worten der Feen nicht sonderlich viel Beachtung geschenkt. Auch hat-ten inzwischen mehrere Dutzend Feen vom FeenExpress ihren Weg gekreuzt,doch selbst davon hatten die Kinder keine Notiz genommen. Zusehr warensie in ihr Gespräch vertieft, insbesondere als sie nochmals auf die Eule zusprechen kamen.Nur ganz selten zeigt sich die Eule den Menschen, sagte Jerome. Bisher gabes nur ganz wenige Vorfälle, von denen dokumentiert ist, dass es tatsächlichzu einem Kontakt mit der Eule gekommen ist. Sie soll riesig sein wird erzähltund allem Anschein nach soll sie ein Geist...was ist los, warum lacht ihr?Ich glaube wir kennen die Eule, die Du beschreibst, sagte Leandra. Wir ha-ben sogar mit ihr gesprochen.Delphin und Jerome waren fassungslos. Selbst Jyl und Myl waren perplex.Ihr kennt die Eule, fragte Jerome als er sich wieder gesammelt hatte.Ja, sagte Jannis stolz.Ich glaub Euch kein Wort. Das...das kann nicht sein! Die Eule die ich meine,ist mehrere Meter gross!Ja, ich weiss.Erzählt. Erzählt von ihr, sagte Delphin. Wie sieht sie aus. Was spricht sie.Alles. Ihr müsst uns alles erzählen.Doch damit waren Jyl und Myl gar nicht einverstanden. Mit heftigen Hand-bewegungen, und lautem Gezwitscher, gaben sie Jannis und Leandra zu ver-stehen, dass sie den Mund halten sollen.Ich glaube, auch dieses Thema verschieben wir vielleicht auf ein ander Mal,sagte Jannis.Stimmt es dass ihr...nun es heisst, ihr besitzt die eine Hälfte des Grals, sagteJerome.Ja.Habt ihr sie dabei? Kann ich sie sehen?Jetzt dämmerte den Kindern, warum Predun darauf bestanden hatte, die

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Schale in der Truhe zu verwahren. Sie hätten wohl keine Ruhe mehr gefun-den.Nein, antwortete Jannis. Predun hat sie. Wenn Du sie sehen willst, musst Duihn fragen.Jerome lächelte verlegen.In dem Moment flogen völlig unvermittelt Hunderte Bücher um eine Hause-cke in Richtung der Bücherei. Die Kinder blieben fassungslos stehen. Jeromeund Delphin amüsierten sich über die verblüfften Gesichter der Zwillinge.Die...die Bücher können ja fliegen, sagte Jannis völlig erschrocken.Ohh...die können noch viel mehr, antwortete Jerome. Es warten noch vieleÜberraschungen auf Euch.Und wohin Fliegen sie?In die Bücherei. Das geht schon seit Tagen so. Sie wird gerade neu eingerich-tet. Die Bücherei.Wo sind wir hier eigentlich, fragte Leandra. Und was ist denn dass für einriesiges Haus da drüben.Jerome und Delphin besprachen sich kurz.Kommt mit. Dass was ihr nun zu sehen bekommt, habt ihr so bestimmt nochnie gesehen, sagte Jerome. Aber ihr dürft niemandem davon erzählen, hörtihr.Damit waren aber Jyl und Myl gar nicht einverstanden. Mit aller Kraft ver-suchten sie die Kinder am Betreten des Hauses zu hindern was ihnen aberletztendlich nicht gelang.Im Inneren des Hauses angekommen, betraten sie einen wirklich sehr grossen,kreisrunden und völlig leeren Raum. Auffallend war, dass sich keine Fensterim Raum befanden und nur ein paar wenige kleine Lichter an der Deckeden Raum beleuchteten. Genauso leise wie Jerome die Türe geöffnet hatte,schloss er sie wieder. Dann gingen sie in die Mitte des Raumes.Ihr müsst jetzt ganz leise sein, sagte Delphin. Dann hob sie ihre Arme in dieHöhe und sprach, Qumara ex volma.Darauf verdunkelte sich der Raum. Plötzlich spürten sie den Boden unterihren Füssen nicht mehr. Sie schwebten. Vor ihnen tat sich das Universumauf. Sie befanden sich von einer Sekunde auf die andere mitten im Kosmos.Planeten, Sonnen ja selbst Kometen waren auf einmal zum Greifen nah. Jan-nis und Leandra trauten ihren Augen kaum. Ganze Galaxien flogen durchden Raum, mitten durch ihre Körper. Ja - so etwas hatten sie tatsächlichnoch nicht gesehen. Es war unglaublich schön.Erde, rief Delphin.Und schon steuerte ein riesiger spiralförmiger Sternenhaufen auf sie zu, wel-cher sich nun in seiner ganzen Pracht vor ihren Augen langsam drehte.Die Milchstrasse, sagte Jannis begeistert.

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Mehr und mehr tauchten sie in diesen Sternenhaufen ein bis sie auf einenPlaneten zusteuerten. Die Erde. Sie drehte sich langsam vor ihren Augen. Soverletzlich, so wunderschön.Tensora, rief Delphin.Daraufhin steuerten sie direkt auf den Atlantischen Ozean zu. Doch noch be-vor sie an ihr Ziel gelangten wurde die Erde und mit ihr alle Sterne in einenschwarzen Schlund gezogen. Auch die Kinder wurden nun von diesem Mons-ter verschlungen. Schreiend verschwand ein Kind nach dem anderen und allestürzten auf den Boden der Realität zurück. Auf den Fussboden.Das habt ihr nun davon, rief eine Stimme.Etwas benommen erhoben sich die Kinder vom Boden. Jyl und Myl warenausser sich. Wild schrieen sie auf Jerome und Delphin ein. Und dann, voneinem Moment auf den anderen, gaben sie keinen Ton mehr von sich.Ein Mann mit schwarzen Haaren welches streng nach hinten gekämmt warstand unter dem Türrahmen. Die feinen Züge des Gesichtes standen im argenKontrast zur dicken Hornbrille welche er trug und hinter derer seine Augenhervorstachen, als wären sie so gross wie Tennisbälle. Mit einem funkelndenUmhang gekleidet stand er ganz ruhig da und betrachtete die Kinder.Jerome schluckte einmal kurz und kräftig.Das habt ihr nun davon, wiederholte sich der Mann.Wir wollten den Zwillingen nur den genauen Ort von Tensora zeigen - wirdachten...Ihr habt gedacht, erwiderte der Mann. Nun, gegen das Denken hab ich nichtseinzuwenden. Doch gegen die Dummheit sehr wohl. Sag mir doch, was geradeeben passiert ist?Jerome sah fragend um sich.Delphin, sagte Prof. Korrov scharf. Weisst Du was Euch gerade eben wider-fahren ist?Auch sie schüttelte nur den Kopf.Immer wieder das Gleiche. Die Grundlagen, sagte Prof. Korrov und wendetesich Jannis und Leandra zu. Am Ende haben die meisten unserer Schülerimmer die gleichen Probleme. Ich hoffe doch, dass wird bei Euch anders sein.Wir...wir werden uns Mühe geben, Sir, antwortete Jannis.Davon bin ich überzeugt. Was ich aber von den Beiden älteren Semestern indiesem Raum nicht mehr bin. Sagt Euch vielleicht der Begriff Deep Horizonetwas?Ah, ja natürlich, antwortete Delphin.Und Jerome?Ja. Jetzt wo Sie es gesagt haben. Natürlich. Der Ereignishorizont. Aber wiekonnten wir nur so nahe...Ich bin von Eurer Leistung enttäuscht, unterbrach ihn Prof. Korrov. Ihr wer-

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det dieses Kapitel aus dem letzten Semester nochmals durcharbeiten. Ver-standen?Jerome und Delphin gaben darauf ein klares - Ja - zur Antwort.Morgen früh um Punkt 8 Uhr seid ihr mit euren Büchern bei mir, sagte Prof.Korrov zu Jannis und Leandra. Keine Minute später! Und schon war er auchwieder verschwunden.War dass Prof. Korrov, fragte Leandra.Ja, das war er, antwortete Delphin.Hoffentlich ist er jetzt nicht böse auf uns, knurrte Jerome.Warum sollte er denn böse sein, fragte Leandra.Nun, es ist verboten, diesen Raum ohne Begleitung eines Professors zu Be-treten.Wie ist er denn so, fragte Jannis.Manche behaupten, selbst für einen Zauberer lebt er in einer seltsamen Welt,sagte Jerome. Er beschäftigt sich neben der Zauberei intensiv mit Mathema-tik. Selbst Predun sagt, dass er auf diesem Gebiet unschlagbar ist. Prof.Korrov war einer der Professoren, welche diesen Raum entworfen haben. Esheisst, dass es einigen Professoren dieser Schule gelungen ist, bis an die Gren-zen des Universums vorzudringen. Bis heute schweigen sie sich darüber hin-aus, was sie dort gesehen haben. Aber es herrschen die wildesten Gerüchtedarüber.Was für Gerüchte denn, fragte Leandra neugierig. Erzähl schon.Nun es heisst, sie hätten Antworten auf die Frage gefunden, wie das Univer-sum wohl entstanden ist. Versteht ihr was dass heisst - das ist unglaublich -es ist beinahe so, als ob sie wüssten, was mit uns nach dem Tod passiert. Eswerden immer wieder geheime Treffen darüber abgehalten. Niemand weiss,wann endlich dass Resultat was sie dort gesehen haben bekanntgegeben wird.Doch - und so will es das Gesetz - müssen sie ihre Entdeckung innerhalb von5 Jahren allen Zauberern bekannt geben.Und was ist nun ein Deep Horizon, fragte Jannis.Grob gesagt, bezeichnet man damit den Bereich des schwarzen Loches, vondem aus man nicht mehr entkommen kann. Was ein schwarzes Loch ist, wisstihr hoffentlich?Ja, ja. Ein riesiges Objekt im Weltall, was alles verschlingt, was sich ihmnähert. Selbst Licht.Ja, genau. Anscheinend haben wir vorhin etwas falsch gemacht. Dann pas-siert es nämlich, dass man in die Nähe eines schwarzen Loches kommt, woraufdann alles in sich zusammenstürzt. So ein Mist. Das hätte ich wissen müs-sen. Kommt jetzt. Wir bringen Euch nun in Eure Unterkunft. Und verspäteteeuch bloss nicht. Punkt 8 Uhr hat er gesagt.Jyl und Myl schüttelten immer wieder ihre Köpfe. In gewohnt schrillem Ton

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beklagten sie sich, dass wenn man auf sie gehört hätte, dies nicht passiertwäre.Im Haus angekommen wurde jedem der Kinder ein eigenes Zimmer mit Badzugewiesen. Jedes Zimmer der Kinder war sehr schön eingerichtet mit einertollen Aussicht in den nahe gelegenen Wald und auf den See. Als Jannis ausdem Fenster schaute erinnerte er sich an die Zeit zurück als er in der Schulesass, und wie sehr er sich doch gewünscht hatte, dass sich sein Leben ändernwürde. Und nun war er mit einem Male auf einer Zauberschule.Die Kinder nahmen auf Drängen der Feen ein Bad und konnten so richtigEnergie tanken. Da es schon recht spät war, hatten die Feen das Abendes-sen auf die Zimmer der Kinder gebracht. Und sowie die Kinder satt warensanken sie in ihren Betten in ihren wohlverdienten Schlaf. Noch in der Nachtunterrichtete Predun seine Kollegen über den aussergewöhnlichen Zauber-spruch welcher er zusammen mit den Kindern entschlüsselt hatte. Wie vonihm vermutet, sorgte dies für viel Gesprächsstoff. Am darauf folgenden Mor-gen wurden die Kinder durch das herrlich duftende Frühstück welches ihnendie Feen aufs Zimmer gebracht hatten aufgeweckt. Und anstatt ihrer Kleiderlagen wunderschöne Uniformen der Schule für sie bereit. Natürlich ohne einAbzeichen. Doch das störte sie nicht weiter, als sie sich im Spiegel betrach-teten. Es gefiel ihnen was sie sahen.Dann klopfte es auch schon an der Türe von Jannis.Herein!Bist Du fertig, fragte Leandra.Ja.Na, wie seh ich aus. Die steht mir doch, sagte Leandra und drehte sich einmalim Kreis.Ja. Du siehst toll aus. Und wie findest Du meine.Wie ein richtiger Zauberer. Ahh, ich bin ja so glücklich. Komm, lass uns ge-hen. Und vergiss dein Buch nicht!Mithilfe von Jyl und Myl machten sie sich nun auf zum Haus von Prof. Kor-rov. Auf dem Weg dorthin kamen ihnen einige Schüler entgegen welche wieDelphin und Jerome Weihnachten in Tensora verbrachten. Obschon sie nichtangesprochen wurden, fühlten sie, wie deren Blicke sie regelrecht durchlö-cherten. Dann endlich flogen die Feen auf eine Haustüre zu.Bereit, fragte Jannis.Ja. Nach meiner Uhr ist es jetzt genau...Und bevor sie den Satz zuende sprechen konnte, öffnete sich die Türe.Und wie sie eintraten, öffnete sich noch eine Türe. Und dann noch eine. So-lange bis sie ins Arbeitszimmer von Prof. Korrov gelangten.Sieh doch. Das ist doch unser Schulzimmer da vorne, sagte Leandra.Alles war genau so eingerichtet, wie in ihrem Klassenzimmer. Von Prof. Kor-

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rov war aber nichts zu sehen.Jannis, schau doch mal aus dem Fenster. Das ist Gstaad.Freut mich, dass es euch gefällt, sagte Prof. Korrov welcher urplötzlich alswäre er just aus dem Boden gewachsen, direkt hinter den Kindern stand undnun seine Hände auf ihre Schultern legte.Hinterfragt immer, was euch eure Augen als Wirklichkeit verkaufen wollen.Seid kritisch mit euch selber.Und im nächsten Augenblick verwandelte sich die Aussicht in jene von Ten-sora zurück. Und das Klassenzimmer war auch verschwunden. Stattdessenbekamen sie nun das Arbeitszimmer von Prof. Korrov zu sehen. Es war mitsehr dunklem Holz ausgestattet und überall flackerten Kerzen. Und vor denFenstern waren nun Vorhänge gezogen.Gefällt Euch mein Büro, fragte Prof. Korrov. Ich fühle mich nunmal beson-ders in der Dunkelheit wohl.Ja - schon, sagten die Kinder zögerlich.Und gefällt es Euch in Tensora?Ja! Sehr sogar, sagte Leandra. Es ist nur...es ist so vieles passiert in so kurzerZeit. Was wir früher nur aus Märchen kannten ist nun plötzlich Wirklichkeit.Und was ist daran so ungewöhnlich?Weil es in unserer Welt nunmal keine Zauberer gibt.Woher willst Du dass denn so genau wissen? Ihr habt doch die Eule getroffen.Eine sprechende Eule ist doch recht ungewöhnlich, oder etwa nicht?Doch...aber...irgendwie will es mein Verstand nicht wahrhaben, glaub ich.Ja. So ist es auch bei mir noch heute, sagte Prof. Korrov gemächlich. Kommt!Setzen wir uns.Predun hat mir berichtet, dass ihr wohl ein paar Lektionen in Mathematiknotwendig habt. Aber das ist nicht weiter schlimm. Mathematik ist zu 90%Übung und lediglich hinter den restlichen 13% steckt Können.Das sich ihr Lehrer schon beim ersten Beispiel derart verrechnen würde brach-te die Kinder zum Schmunzeln.Ja? Stimmt was nicht?Ihr meint wohl, hinter den restlichen 10% steckt Können, sagte Leandra vor-sichtig.Ohhh - hab ich mich wieder mal verrechnet. Wisst ihr, es gibt drei Arten vonMathematikern. Jene die Rechnen können und jene die es eben nicht können.Nun aber konnten sich die Kinder vor Lachen kaum mehr halten, und damitwar das Eis zwischen ihnen gebrochen, was das eigentliche Ziel von Prof.Korrov war.Ich glaube, dass mit der Mathematik lassen wir erstmal beiseite. Davon wirdim Grundlagenbuch der Zauberei noch nicht allzuviel Aufhebens gemacht.Doch später - in den darauffolgenden Büchern - da müssen wir uns schon

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genauer mit dieser Mutter aller Wissenschaften beschäftigen.Wir werden nun zusammen das Erste Kapitel aus Eurem Buch durchgehen.Jede Seite, jeden Absatz und jede Zeile daraus müsst ihr verinnerlichen. Die-ses Kapitel behandelt in erster Linie Zaubersprüche. Besonders viel Wertwird auf die Aussprache der Worte gelegt. Es ist, als würdet ihr eine fremdeSprache erlernen. Es genügt nicht den Text irgendwie nachzuplappern. BeiZaubersprüchen kommt es auf die Betonung jedes einzelnen Wortes an. Jebesser man dies beherrscht umso wirkungsvoller wird euer Zauber. Beginnenwir. Schlagt das erste Kapitel auf.Und nun lernten sie bis spät in den Abend hinein. Seite für Seite. Ohne Un-terbruch! Angefangen damit eine Kerze nur mit dem Aufsagen eines Zauber-spruches anzuzünden und wieder auszulöschen. Oder kleinere Gegenständein Bewegung zu versetzen ohne sie mit den Händen zu berühren.Besonders das erste Kapitel verlangte nicht nur von den Kindern äusserstviel Geduld ab. Doch die Kinder überwanden sehr schnell, die anfänglichenSchwierigkeiten. Zum Beispiel, wie das Wort ‘Sim‘ auszusprechen wäre, so-dass es seine innewohnende Zauberkraft entfalten konnte. Dazu war unbe-dingt zu beachten, dass sich die Zunge, beim Aussprechen des Wortes, nichtbewegen durfte. Oder beim Ausspruch des Wortes ‘Abra‘ durfte sich dieOber- mit der Unterlippe keinesfalls berühren. In den ersten Stunden lerntensie weit über 100 Begriffe und starteten darauf mit dem Aufsagen von erstenZaubersprüchen. Mit ‘Sim Abra Lux‘ wurde eine Kerze oder ein Feuer imKamin entfacht. Um diesen Vorgang wieder rückgängig zu machen, mussteder ganze Zauber rückwärts aufgesagt werden. Selbstredend, dass auch bei‘Xul Arba Mis‘ die Betonung der Worte entscheidend war. Die Kinder warenverblüfft, wie gut sie sich an alle Zaubersprüche selbst noch nach Stundenerinnern konnten. Jannis konnte kaum fassen, dass ausgerechnet er, wo erdoch solche Mühe in der Schule hatte, sich nun so gut in diesem Unterrichtzurechtfand. Natürlich lag es auch an dem geschickten Unterrichtsstil vonProf. Korrov welcher sich perfekt auf das Treffen mit den Kindern vorberei-tet hatte. Das Tempo mit welchem die Kinder den Stoff verinnerlichten warselbst für ihn geradezu sensationell.Nachdem sie alle 40 Seiten des ersten Kapitels durchgearbeitet hatten, gaber ihnen noch einige Tipps, welche beim Selbststudium zu beachten waren.Insbesondere würden Jyl und Myl an jedem Morgen zusammen mit den Kin-dern das gelernte Kapitel rekapitulieren. Neugierig blätterte Leandra schonauf das nächste Kapitel. Doch wie sie umblätterte, kam erst noch ein kurzerNachtrag zum ersten Kapitel zum Vorschein.Was ist mit diesem Nachtrag, fragte sie neugierig. Der gehört doch noch zumersten Kapitel.Der Nachtrag? Ach ja - Natürlich! Nun den könnt ihr überspringen. Predun

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sagte mir, er hätte mit Euch darüber schon gesprochen.Jetzt wurden die Kinder erst recht neugierig.Ich hätte es mir denken können. Ist erst mal die Neugierde geweckt, dann...naja,wer A sagt muss auch B sagen. In diesem Nachtrag wird auf diese uraltenZaubersprüche hingewiesen, welche nunmal nur aus Zahlen, Buchstaben undirgendwelchen Zeichen zusammengesetzt sind. Interessanterweise tragt ihrsolch einen Zauberspruch an Euren Händen. Ich konnte deswegen die ganzeNacht kein Auge zumachen und bin spätabends noch in den Wald gelaufenum...In den Wald, hackte Leandra nach.Aber natürlich. Zwischen all den Mammutbäumen kann man sich besondersgut konzentrieren. Für Euch ist der Zutritt in diesen Wald auf jeden Fallverboten. Es sind dort schon zu viele unserer Schüler verloren gegangen undwurden bis Heute nicht mehr gefunden. Unerklärliches geht in diesem Waldvor - haltet Euch von diesem Ort fern.Doch wir kommen vom Thema ab. Wisst ihr, der Raum den ihr heute zusam-men mit Delphin und Jerome betreten habt, habe wir nicht nur entwickelt,um damit schöne Reisen durch unser Universum unternehmen zu können. Erdient neben anderem, vor allem einem Ziel.Hinter das Geheimnis dieser uralten Zauberei zu kommen, antwortete Lean-dra spontan.Genau so ist es. In diesem Zusammenhang haben wir eine verblüffende Ent-deckung gemacht. Es ist uns gelungen, mit unserer Apperatur, sehr weit undsehr tief in das Universum vorzudringen. Was wir dort entdeckt haben, kannich Euch noch nicht verraten, denn darauf hab ich einen Eid abgelegt. Dochwissen wir nun, dass die Lösung über das Geheimnis der Entstehung desUniversums in jedem Einzelnen von uns steckt. Doch nur diejenigen, denenes vergönnt ist, das Geheimnis dieser uralten Zauberei zu entschlüsseln, de-nen offenbart sich auch, wie unser Universum entstanden ist. Und wem dassgelingen sollte der wäre dann tatsächlich in die Königsklasse der Zaubereiaufgestiegen. Einem Ziel, welchem jeder Zauberer noch so gerne entgegenfie-bert.Die Kinder lauschten wie hypnotisiert den Worten von Prof. Korrov. DieseWorte waren für sie zusätzlich Ansporn, alles was sie in diesen Tagen zu Hö-ren und zu Lesen bekamen, besonders gut zu verinnerlichen.Anscheinend beherrscht Akara einen Teil dieser uralten Zauberei, sagte Jan-nis. Denn damit hat sie doch die Schale verhext.Das ist richtig. Und auch wieder nicht. Selbst Akara beherrscht diese uralteZauberei noch lange nicht. Wie wissen, dass dieser Fluch den sie über dieSchale gelegt hat, mehr ein Zufallstreffer war, als dass sie dies wirklich sogewollt hätte. Vergleichbar damit, als wenn ich nun den Zauber den ihr an

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Euren Händen tragt auf einen Gegenstand anwende und damit ein Ergebniserziele. Damit hätte ich aber noch lange nicht den wahren Sinn hinter diesemZauber verstanden. Dies war auch der Punkt warum es uns letztendlich ge-lungen ist, die Schale doch noch aufzuspüren. Wie ich Euch schon zu Beginndes Kurses gesagt habe, ist es von grösster Bedeutung, dass der Zauber-spruch bei seiner Aussprache richtig betont wird. Insbesondere gilt dies fürdiese uralte Zauberei. Dass ein Zauber zu 100% umgesetzt wird, ist beinaheunmöglich. Die durchschnittliche Quote bei den Professoren in Tensora liegtbei 83%. Glaubt mir, dass ist ein sehr hoher Wert. Und genau da hat manangesetzt. Nach langem Suchen ist es den Erdgeistern tatsächlich gelungendie Schale zu orten. Der Rest, wie nun der Stein zu öffnen war sodass dieSchale nicht beschädigt wurde, nahm zwar nochmals viel Zeit in Anspruch.Doch war dies keine Hexerei mehr.Da wir nun am Ende des ersten Kapitel’s angelangt sind, möchte ich Euchnoch ein Geschöpf aus dem Hexenreich Pessora zeigen. Mal sehen ob ihr dasGelernte nun auch im Anblick eines solchen Monsters anwenden könnt. KeineAngst. Ich werde gut aufpassen.Dann zog Prof. Korrov eine grosse, schwere Truhe aus der hintersten Eckeseines Arbeitszimmers hervor. Mit seinem Taschentuch wischte er zuerst allden Staub weg. Nun kamen mehrere Gesichter zum Vorschein welche die Tru-he schmückten und nun lebendig wurden. Sie zogen, gleich einem führerlosemSchiff auf hoher See, orientierungslos ihre Kreise auf der Truhe. Prof. Korrovliess dies völlig kalt.Dann wollen wir mal.Jyl und Myl welche während dem Unterricht äusserst ruhig waren wurdennun sehr nervös. Sie flogen hoch bis an die Decke des Raumes und beobach-teten dass, was nun folgte, mit Besorgnis. Der Professor zeichnete mit seinerHand einige Kreise auf die Truhe und sprach dabei seine Zauberworte.Macht Euch nun auf was gefasst, Kinder. Passt gut auf. Versucht dieses Mons-ter zu bändigen. Also los geht’s.Gespannt schauten die Kinder auf die Truhe deren Deckel sich nun langsamöffnete worauf sich keines der Gesichter mehr bewegte.Konzentriert Euch, sagte Prof. Korrov leise.Doch nichts rührte sich. Selbst als Prof. Korrov ein paar Mal mit seinem Fussgegen die Truhe stiess, rührte sich nichts. Vorsichtig beugte er sich nach vorneum nachzusehen was da los war. Doch konnte er nichts erkennen. Er beugtesich mehr und mehr zur Truhe als plötzlich ein schlangenförmiges Monsterauf sein Gesicht zuschoss.Die Kinder schrien vor Schreck. Prof. Korrov gelang es nur mit Mühe demAngriff auszuweichen.Doch im nächsten Moment, fiel das Monster bewegungslos in sich zusammen.

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Was habt ihr gemacht, fragte Jannis.Ich...nichts. Ich hab nichts gemacht, sagte Prof. Korrov.Selbst ihm stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben, obschon er ja wusstewas sich in der Truhe befand. Das Besondere an diesem Geschöpf war, dasses nicht einen sondern zwei Köpfe besass, welche dazu wie Drachenköpfe aus-sahen.Was ist denn das für ein komisches Wesen, fragte Leandra. Das sind ja Dra-chenköpfe.Ja. Ein wirklich seltenes Exemplar. Ich hatte meine Untersuchungen darübernoch nicht abgeschlossen. Doch die sind jetzt überflüssig. Es scheint tatsäch-lich tot zu sein. Nicht zu fassen, sagte Prof. Korrov enttäuscht. Schade!Woher habt ihr es, fragten die Kinder, welche sich nun näher an dieses mitunzähligen Zähnen bewaffnete Monster heran wagten.Akara schleust hin und wieder Informanten ein. Dies war einer von ihnen.Schade, aber die Truhe schien ihm nicht gut getan zu haben. Es war einPrachtstück.Da es schon spät abends war, machten sich die Kinder zusammen mit Prof.Korrov auf in die Mensa, assen etwas und dann ging’s auch schon unter Füh-rung von Jyl und Myl zur wohlverdienten Ruhe in ihre Zimmer.In der Nacht, als alle schliefen, da tat sich im Arbeitszimmer von Prof. Kor-rov erstaunliches. Wosh, das totgeglaubte doppelköpfige Monster, schlängel-te sich aus dem Hause von Prof. Korrov. Auf dem Weg bis vor die Türedes Zimmers von Jannis überlistete Wosh sämtliche Sicherheitsvorkehrungendie wegen der Kinder eingeführt wurden. Ohne weitere Mühe gelang es demMonster in das Zimmer von Jannis einzudringen. Immer wieder die Zungenaus den Mäulern streckend, schlängelte es sich bis an das Bett von Jannisheran. Jannis schlief tief und fest. Vorsichtig kletterte Wosh am Fussteil desBettes hoch. Ganz leise. Oben angelangt, schlängelte sich das Monster aufdie Bettdecke um von dort aus dem Jungen einen tödlichen Biss ins Gesichtzu versetzen. Doch urplötzlich schreckte Wosh zischend zurück. Irgend etwasbefand sich schon auf der Bettdecke. Doch konnte Wosh nicht erkennen, wases war. Und dann öffnete dieses etwas seine Augen worauf zwei grosse leuch-tende Punkte durch die Dunkelheit starrten welche sich nun zu zwei Schlitzenverengten.Hast Du wirklich gedacht, dass es so einfach werden würde? Prof. Korrovkonntest Du täuschen, doch ich hab Dich längst durchschaut. Du warst schonim Hexenreich Pessora hinterhältig. Und Du bist es auch heute noch.Wosh nahm mit seinen Zungen gierig die Botenstoffe aus der Luft auf, welcheihm nun endlich verrieten, was sich auf der Bettdecke von Jannis befand.Jetzt erkenne ich Dich, zischte Wosh. Du muzzzt General zzzein. Dein Rufeilt Dir vorauzzz. Wie gefällt Dir denn dazzz Leben alzzz Katze?

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Danke. Sehr gut! Und als Beweis dafür, werde ich an Dir ein Exempel statu-ieren.Die Kinder zu töten, bereitet mir, ich gebzzz zu, nicht zzzonderlich viel Ver-gnügen. Bei Dir hingegen wird ezzz mir eine helle Freude zzzein, Dir DeinFell über die Ohren zu ziehen.Ich schlage vor, wir klären dies auf der Strasse, sagte General ganz ruhig.Einverzzztanden. Die Kinder kommen eben nachher dran. Du bist zzzchonzzzo gut wie tot.Zusammen verliessen sie, einander nie aus den Augen verlierend, das Haus.General setzte sich mitten auf der Strasse hin, und leckte sich seelenruhig diePfoten.Wosh schlängelte sich nun auf ihn zu. Doch General blieb weiterhin ruhigsitzen. Nur einen Meter von ihm entfernt, erhob sich Wosh beinahe 2 Meterin die Höhe und stürzte sich mit aller Kraft auf General und Biss zu. Gene-ral jedoch hatte sich von einem auf den anderen Moment in puren Marmorverwandelt und blieb somit von der Attacke unverletzt. Aus beiden Mäulernblutend und um einige Zähne ärmer richtete sich Wosh wieder auf doch vonGeneral war keine Spur mehr zu sehen. Und wie sich Wosh umdrehte standGeneral, nun aber in dreifacher Grösse, hinter ihm und versetzte ihm mitseiner Pranke einen derart kräftigen Hieb, dass er Wosh einen der Köpfe ab-trennte. Windend vor Schmerz wälzte sich Wosh am Boden. General stürztesich erneut auf ihn, wohlwissend, wie gefährlich er immer noch war. Es folgteein heftiger Kampf an dessen Ende General als klarer Sieger hervorging.Und jetzt bring ich Dich zu Predun. Du bist uns noch einige Antworten schul-dig, fauchte General.Mit letzter Kraft riss sich Wosh aus der Umklammerung von General. Michverhört niemand, zischte er und Biss sich selbst in den Körper.Diesmal war Wosh tatsächlich Tod. General informierte unverzüglich Predun.Während der ganzen Nacht herrschte helle Aufregung. Einzig die Schüler, al-len voran Jannis und Leandra, bekamen davon nichts mit.General war weit mehr, als nur der Wächter der Schätze von Predun. Nurwenige aus Tensora wussten, wer General wirklich war.Predun war über diesen neuesten Anschlag sehr besorgt. Er hatte die Gefähr-lichkeit dieser Wesen arg unterschätzt. Ab sofort wurden sämtliche gefangengehaltenen Spione von Akara unter die höchste Sicherheitsstufe gestellt. Diesbedeutete aber auch, dass einige dieser Spione sofort getötet werden mussten.Jannis und Leandra hatten natürlich keine Ahnung was in der Nacht vorgefal-len war. Insbesondere dass dieser Vorfall noch weit bis in die Morgenstundenhinein für helle Aufregung um ihre Sicherheit gesorgt hatte. Den Feen konnteman keinen Vorwurf machen, denn diese hatten sich nachts in die Träume derKinder geschlichen und zwar aus einem besonderen Grund, wie sich schon

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bald herausstellen sollte. Frühmorgens wollten die Kinder einfach nicht auf-wachen. Egal was die Feen anstellten, keines der Kinder erweckte auch nurden Anschein, dass es Aufwachen wollte. Somit griffen die Feen zu einem alt-bewährtem Mittel welches noch nie seine Wirkung verfehlt hatte. Jyl flog miteinem Glas Wasser über den Kopf von Jannis und leerte es aus. Myl machtedas Gleiche bei Leandra. Und tatsächlich. Diese, etwas grobe Massnahme,zeigte auch sogleich das gewünschte Resultat. Jannis stürmte regelrecht ausdem Bett.Warum hast Du das gemacht, empörte er sich.Ich versuche Dich schon seit einer Viertel Stunde zu wecken, sagte Jyl. Es istschon 6 Uhr. Das ist ja nicht zu glauben. Wir müssen das erste Kapitel ausdem Buch rekapitulieren.Aber deswegen musst Du mir doch nicht ein Glas Wasser...Moment einmal,ich kann Dich ja verstehen.Natürlich kannst Du das. Was meinst Du wohl was ich in der Nacht gemachthabe, während Du schliefst?Du hast mir im Schlaf Deine Sprache beigebracht.Im Schlaf können Feen sich in die Träume einer bestimmten Person schlei-chen. Das hab ich gemacht und Dir so unsere Sprache beigebracht. Und Myltat das Gleiche bei Leandra.Wofür denn?Wofür...wofür? Sollen wir etwa mit Händen und Füssen kommunizieren? Ichwerde mit Dir das erste Kapitel aus dem Zauberbuch rekapitulieren. Oderwas meinst Du für was ich hier bin. Als Deine Dienerin?Nein...ja, gut also. Beginnen wir jetzt gleich.Natürlich! Zuerst musst Du Dich aber waschen. Und zwar mit kaltem Was-ser. Oder denkst Du ich unterrichte eine Schlafmütze.Im Zimmer von Leandra passierte in etwa das Gleiche. Auch sie war nachder Attacke von Myl hellwach und wurde von ihr zurechtgewiesen.Damit Du es gleich weisst. Ich halte nicht viel vom Unterricht der Professoren.Ich komme immer sofort auf den Punkt. Der einzige und wahre Unterrichtfindet hier bei mir statt.Leandra war richtig perplex ob der geballten Ladung an Energie welche Myl,im Gegensatz zum Tag davor, versprühte. Und auch für Leandra galt es, sichzuerst kalt zu Waschen, bevor Myl mit dem Unterricht loslegte.Und so geschah es dann auch. Beinahe durch das ganze Dorf konnte mandie Schreie von Jyl oder auch von Myl hören, wenn die Kinder einen Fehlermachten. Die Feen schlugen sich dabei die Hände vors Gesicht und schüttel-ten heftig ihren Kopf. Doch nie klangen die Schreie verletzend. Feenschreieklingen niemals verletzend. Eher wie Musik. Die Kinder fanden sogar Ge-fallen daran, sodass sie gelegentlich den einen oder anderen Fehler bewusst

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eingingen.Nach diesem recht strengen dafür aber effizienten Unterricht gingen die Kin-der zusammen mit Jerome und Delphin Frühstücken. Im Gegensatz zu letzterNacht, wo sie praktisch mit Prof. Korrov beinahe alleine in diesem Saal ge-gessen hatten, waren an diesem Morgen deutlich mehr Schüler anwesend.Doch was ihnen am meisten gefiel, war, dass Dutzende von Feen durch dieLuft flogen und den Schülern das Essen servierten. Jyl und Myl legten Wertdarauf, nicht mit diesen Arbeits-Feen verwechselt zu werden. Wie bei denMenschen gibt es auch bei den Feen verschiedene Hierarchiestufen. Jyl undMyl gehörten natürlich zu den oberen Zehntausend. Und dies liessen sie sichauch anmerken. Dass sie am Tag davor, dass Essen den Kinder servierten,war natürlich eine absolute Ausnahme.Mit vollem Magen machten sie sich nun auf den Weg zum 2-ten Professor.Prof. Einstein. Schon alleine der Name machte sie stutzig. Ob es sich hierwohl um den gleichen Einstein handelte, wie jenen, welcher zu Weltruhmgelangte? Doch weder Jerome noch Delphin noch sonst jemand konnte oderwollte Ihnen bei dieser Frage weiterhelfen. Doch der Verdacht lag auf derHand. Denn es war bekannt, dass viele Professoren der Zauberschulen tat-sächlich an Universitäten unterrichtet hatten. Natürlich ohne ihre Zaubereizur Schau zu stellen.Wiederum liefen sie begleitet von den Feen, welche nun wieder zuckersüss zuden Kindern waren, durch das Labyrinth des Dorfes. Und zwar solange bis siean das gesuchte Haus kamen. Neben der Türe stand auf einem fein säuber-lichen Schild der Name des Professors. Prof. Einstein. Die Kinder klopftenan die Türe und im gleichen Augenblick verschwand diese auch. Die Türewar weg. Sie betraten einen kleinen Vorraum und konnten von dort in dasArbeitszimmer von Prof. Einstein blicken. Ein wunderschön eingerichteterRaum, mit Tausenden von Büchern. In der Mitte, an einem grossen Schreib-tisch, sass ein alter, pfeifenrauchender Mann mit wild vom Kopf abstehendemweissgrauem Haar. Wache, von dicken Augenbrauen umrahmte Augen, starr-ten den Kinder entgegen. Der Qualm aus der Pfeife war anfangs das einzigeLebenszeichen, welches sie von dieser Person erhielten. Mit kräftigen Flü-gelschlägen machte eine schneeweisse Eule welche am Fenstersims sass, undanfangs von den Kindern völlig unbemerkt blieb, auf sich aufmerksam.Das ist Piu, sagte Prof. Einstein mit vertrauenserweckender Stimme.Er nahm seine Pfeife aus dem Mund und stand auf.Mein zweites Gehirn. Bitte - kommt rein.Langsam betraten sie dass mit vielen alten Möbeln ausgestattete Zimmer.Prof. Einstein lief ihnen, mit ausgestreckter Hand, entgegen.Ich bin Prof. Einstein. Ich freue mich sehr, euch kennenzulernen.Ich bin Jannis.

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Und ich Leandra.Ja, dass seid ihr. Wahrhaftig.Mit einem kurzen Fingerzeig von Prof. Einstein schloss sich die Türe undeinen Augenblick später fiel auch die Haustüre wieder ins Schloss wie mangut Hören konnte. Er lächelte kurz und wies den Kindern mit der Pfeife inder Hand, ihre Plätze auf einem Sofa zu. Ihnen gegenüber nahm er Platz.Wollt ihr was zu Trinken?Nein, Danke. Wir haben schon gefrühstückt.Hab ich schon gefrühstückt, drehte er sich fragend Piu zu.Ein Ei, mehrere Scheiben Brot, Butter, Marmelade, Honig und ein GlasMilch, antwortete Piu. Wie jeden Morgen.Wisst ihr, fuhr Prof. Einstein fort, ich vergesse manchmal gewisse Sachen.Unbedeutende. Vor allem wenn mein Kopf voll von anderen, wichtigeren Din-gen ist. Und heute ist eben ein solch besonderer Tag.Was ist denn heute so besonders, fragte Leandra.Heute Freue ich mich. Ich bin Neugierig. Ja, wie hab ich mich so auf diesenTag gefreut. So viele Jahre. Und jetzt sitzt ihr mir gegenüber. Ich hab euchbeobachtet als ihr mit Fuhuu angekommen seid. So wie ich euch sah, wussteich, dass wir uns sicher gut verstehen werden. Ich werde mir alle Mühe geben.Ihr kommt also aus der Schweiz. Aus Gstaad. Wie ist es dort? Erzählt mirein bisschen.Hmmm - tja - es ist nur ein kleines Dorf, sagte Leandra. In den Bergen. ImWinter hat es viel Schnee. Und im Sommer übernachten wir so oft wie mög-lich unter freiem Himmel. Und der Wald ist auch sehr schön.Ahhh, ein Paradies also. Darf ich mal eure Hände sehen?Besonders die Fingerkuppen untersuchte er genauestens und nahm ein riesi-ges Vergrösserungsglas zu Hilfe.Aha, Hmmm, Soso, sagte er immer und immer wieder.Dann lehnte er sich wieder in seinen Stuhl zurück und zog kräftig an seinerPfeife.Dann wollen wir mit dem Unterricht beginnen.Und wie die Kinder die Bücher aufschlugen, winkte Prof. Einstein auch schonab.Die brauchen wir nicht, sagte er. Wiederholen werdet ihr dieses Kapitel mitden etwas vorlauten Feen.Das hab ich gehört, beschwerte sich Jyl. Das werde ich Predun melden. Un-sere Leistungen dürfen nicht unterbewertet werden. Klar!Ganz genau, schloss sich Myl den Ausführungen ihrer Kollegin an.Ich wollte Euch nicht zu nahe treten, antwortete Prof. Einstein gemächlich.Ich weiss nur nicht wozu das gut sein soll. Wenn man etwas einmal gehörtund verstanden hat, so muss es einem doch niemand nochmals erklären. Dies

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werde ich nie verstehen. Deshalb werde ich euch dieses Kapitel aus meinerSichtweise erklären.Mit zitternder Stimme ergriff Jannis das Wort.Darf ich Euch etwas fragen?Aber gerne.Seid ihr der grosse Physiker? Seid ihr Einstein? Albert Einstein?Prof. Einstein lachte. Ohhh, diese Frage lass ich lieber unbeantwortet. Undich verrate Euch auch warum. Folgendes Zitat gab dieser Albert Einstein zuseinem Besten.

Zwei Dinge sind Unendlich auf dieser Welt.Das Universum und die menschliche Dummheit.

Aber beim Universum sei er sich noch nicht ganz sicher.

Prof. Einstein lachte genüsslich.Verstehst ihr was ich damit sagen will? Wie könnte ich nur, frei heraus, Euchmitteilen, dass ich tatsächlich dieser Albert Einstein bin. Jemand, der solcheSätze zum Besten gibt. Nein, nein. Aber ich überlasse es gerne Euch, heraus-zufinden, ob ich dieser so berühmte Albert Einstein bin oder eben nicht.Übrigens, sind wir mit dem Namen Albert Einstein auch schon bei einem un-serer Themen angelangt. Die Zeit. Für uns Zauberer hat die Zeit eine ganzbesondere Bedeutung. Gäbe es keine Zeit so gäbe es auch kein Zauber undauch sonst vieles nicht. Das wichtigste an der Zeit ist, dass sie sich relativverändert. Und damit meine ich nicht die unterschiedliche Tageszeit. Nein,die Zeit ist vom Beobachter abhängig. Befindet sich der Beobachter in Ruheoder bewegt er sich. Das ist ein Riesenunterschied. Wusstet ihr dass?Beide Kinder schüttelten ihren Kopf.Ein Beispiel. Angenommen Leandra fliegt mit Fuhuu für ein Jahr durch dieLüfte. Jannis dagegen würde hier bei mir auf Leandra warten. Dann wärenach diesem Jahr Jannis mehr gealtert als Leandra. Vielleicht um eine Se-kunde. Je höher die Geschwindigkeit, mit der sich Leandra fortbewegt, umsogrösser der Altersunterschied zwischen euch beiden. Diese Wechselbeziehungzwischen Raum und Zeit macht Zauberei erst möglich.Ich glaube ich habe dass nicht verstanden was Sie gerade zu erklären versu-chen, sagte Leandra. Du etwa, wendete sie sich fragend an Jannis.Nein. Ich...Dann vergesst bitte, was ich eben gesagt habe. Dann erkläre ich es viel-leicht am besten...ja, genau. Merkt euch einfach folgendes. In einem Zeit-freien Raum kann kein Zauber seine Wirkung entfalten. Vergesst das nie.Meines Wissens hat noch niemand solch einen Raum betreten. Doch bin ichmir absolut sicher, dass es solche Räume tatsächlich gibt. Wisst ihr, für das

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Verständnis einer Sache ist es immer hilfreich, sich zuerst einmal die Grenz-bereiche anzusehen und sich zu fragen, was dort passiert. Übrigens nenntman solche Räume Wipa-Räume.Was ist Zeit überhaupt, fragte Leandra.Das ist eine Frage die ich gerne beantworte. Die Zeit ist genauso wie dasWasser ein Quell des Lebens.Ein Quell des Lebens. Das ist gut. Das merk ich mir. Und was ist mit unserenHänden? Jannis und ich haben dieselben Fingerabdrücke.Das war auch der Grund, warum ich sie mir vorhin so genau betrachtet ha-be. Was Predun uns über Eure Hände berichtete hat uns alle sehr erstaunt.Doch niemandem, nicht einmal der Eule, und damit meine ich nicht mei-ne Piu, gelang es, den Zauber zu entschlüsseln. Schon lange wurde vermutet,dass ein uralter Zauber Eure Hände schmückt. Nun hat sich diese Vermutungbestätigt. Doch wozu dieser Zauber fähig ist, da können selbst wir nur raten.Predun hatte vor einigen Monaten die Idee, euch das Grundlagenbuch derZauberei via dem Spiegel überreichen zu lassen. Eine sehr riskante Entschei-dung, denn der Spiegel bringt die Schüler, in Extremsituationen, bei denenes leider schon zu schlimmen Unfällen kam. Doch Predun hatte wiedermalrecht. Wie immer. Alle Professoren wissen, was euch im Spiegel widerfahrenist. Bei allem Schrecken den ihr durchstehen musstet, hatte das Ganze auchwas Gutes. Wir wissen nun, wozu eure Hände imstande sind. Ob der Zaubernoch mehr bewirken kann, werden wir sicher irgend wann einmal erfahren.Leandra, Du hast doch vorhin von Einstein gesprochen. Er postulierte, dassMaterie äquivalent zur Energie ist. In jedem Gramm Materie steckt unvor-stellbar viel Energie. Und genau diese Tatsache scheinen eure Hände, euerKörper, auszunutzen.Das was uns da im Spiegel zugestossen ist, das war doch nicht real, fragteLeandra neugierig. Oder?Es war so real, als wie ich nun vor Euch sitze. Das war kein Traum. DieSpinne und die Schlange waren real. Hätte Predun euch gewarnt, so hätteder Überraschungsmoment gefehlt. Wir wollten wissen, wie ihr reagiert, wennihr in eine Stressituation geratet. Das wissen wir jetzt.Was wäre denn passiert, wenn ihr Euch getäuscht hättet, was unsere Händeangeht, fragte Jannis.Gute Frage. Dass was ich Euch nun sage, behaltet ihr besser für Euch. Wirhatten schon Schüler welche als Vögel aus dem Spiegel wieder zurückkehr-ten. Oder als Mäuse. Glücklicherweise hielt diese Verwandlung nie länger als2 Tage an. Doch dann mussten sie erneut antreten, als bis sie ihr Buch vomSpiegel überreicht bekamen. Doch einen grossen Unterschied zwischen EuremBuch und jenem Eurer Mitschüler gibt es.Welchen denn, fragte Leandra neugierig.

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Eure Bücher sind nur auf den ersten Blick völlig identisch mit jenen Eu-rer Mitschüler. Doch wurden Eure Bücher von Wesel persönlich geschrieben.Wesel ist der Verfasser aller unserer Zauberbücher. Ein sehr aussergewöhnli-ches und seltsames Wesen. Er war es auch, der Eure Geburt prophezeit hat.Wir werden ein andermal auf ihn zu Sprechen kommen. Eure Bücher sindOriginal Wesel Zauberbücher. Die Eurer Mitschüler sind nur Kopien davon.Eure Zauberbücher sind Echt. Doch solltet ihr dies Euren Mitschülern bes-ser nicht verraten. Noch vor 250 Jahren bekam man nur Originale aus demSpiegel überreicht. Nur die wenigsten schafften es, beim ersten Anlauf mitihrem Buch in den Händen den Spiegel wieder zu verlassen. Viele kamenals Fledermäuse oder als Insekten zurück. Manche von ihnen haben sich bisheute noch nicht zurückverwandelt. Ach, das waren noch Zeiten, sagte Prof.Einstein wehmütig.Und warum wurde dies geändert, fragte Jannis.Es gab immer mehr Probleme von Eltern die ihre Kinder wiederhaben woll-ten. Auch gab es Probleme, weil man die Kinder aufgrund dieser Vorfällenicht mehr in die Zauberschule geben wollte. Deshalb kam es vor 250 Jahrenzu dieser Änderung.Und welchen Vorteil hat das Original gegenüber der Kopie, fragte Leandra.Nur das Erlernen aus dem Originalbuch verleiht einem jene Gabe, durchwelche man es zu einem wirklich grossen Zauberer bringen kann. Das Ori-ginal lebt. Nur mit dem Originalbuch ist es möglich, das notwendige Talentvorausgesetzt, alle Kapitel in nur 3 Tagen durchzuarbeiten. Mit der Kopie be-nötigen durchschnittlich talentierte Schüler ein ganzes Semester. Ihr müsstwissen, ihr seid was ganz Besonderes. Niemand von uns kann euch sagen,wann und wie ihr eure Hände einzusetzen habt. Aber wie so vieles in derNatur, wird sich das von ganz alleine ergeben. Vertraut einfach darauf.Prof. Einstein führte die Kinder mit solch einer Leichtigkeit in die Geheimnis-se des zweiten Kapitels ein, dass auch dieser zweite Tag wie im Flug verging.Und wie die Sonne langsam hinter dem Horizont versank, verabschiedetensich die Kinder von Prof. Einstein und Piu. Beinahe schon ohne die Hilfe vonJyl und Myl fanden sich nun die Kinder in diesem Dorf zurecht. Anfangs be-merkten sie gar nicht, dass die Feen überhaupt noch anwesend waren. Alleserschien ihnen so klar. Es kam ihnen so vor, als wären die Strassen Autobus-se, welche immer zu einem bestimmten Zeitpunkt auftauchten. Und anderewiederum waren wie Taxie’s, welche man rufen konnte, wenn man es beson-ders eilig hatte. So gelangte man besonders schnell an dass gewünschte Ziel.Doch diese Strassen durften sie noch nicht benutzen, da man dafür die ent-sprechende Erlaubnis haben musste.Auf ihrem Weg in ihre Unterkunft wurden die Kinder von einigen ihrer Komi-litonen erwartet. Neugierig geworden von all den Nachrichten welche sie aus

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der Tensora Times entnommen hatten, wollten sie Jannis und Leandra nuntesten. Dies war keineswegs unüblich. Alle Neuankömmlingen hatten sich vonSchülern der höheren Semester einer speziellen Prüfung zu unterziehen. Allenvoran konnte es Hilbert kaum erwarten, die Zwillinge persönlich zu treffen.Von der Hauptstrasse führten Dutzende Nebenstrassen in andere Bereichedes Dorfes. Und in einer dieser Nebenstrassen warteten sie ungeduldig aufdie Kinder. Ein unsichtbarer Draht, welchen sie über die Strasse gespannthatten, hielt einen grossen Eimer, welcher mit Senf gefüllt war und unge-fähr 10 Meter über der Strasse hing, im Gleichgewicht. Diese kleine Fallesollte zeigen ob die Lobeshymnen aus den Tensora Times auf diese Kindergerechtfertigt waren. Würden Jannis und Leandra in die Falle tappen, sowäre zumindest unter einem Teil der Mitschüler der Glaube an diese Wun-derkinder verloren gegangen.Sie kommen, rief einer von Hilbert’s Freunden.Begleitet von den Feen liefen die Zwillinge schnellen Schrittes quer über dieHauptstrasse.Ungeduldig hielt Hilbert Ausschau nach ihnen. Und dann sah er sie.Hey! Kommt doch mal her. Wir wollen euch was fragen.Jyl und Myl merkten sogleich, dass hier etwas nicht stimmte und wollten dieKinder zurückhalten. Doch leider ohne Erfolg. Nichts Böse ahnend gingenJannis und Leandra auf Hilbert zu. Und prompt liefen sie in die Falle. So wieder Draht gerissen war, kippte die ganze Ladung Senf auf ihre Köpfe. DieFeen schlugen sich kopfschüttelnd die Hände vors Gesicht.Ich wusste es, sagte Hilbert zufrieden. Und Ihr wollt was Besonderes sein.Erkennt ja nicht einmal einen simpel gespannten Draht vor eurer Nase.Was ist da los, rief Prof. Triell forsch.Alle erschraken. Die einen weil sie so plötzlich unter ihnen auftauchte, dieanderen wegen ihrem Aussehen. Sie hatte Feuerrote Haare und einem un-heimlich strengen Blick. Darüber hinaus hatte sie eine Nase, die so krummwar wie ein gebrochener Besen. Ein Flugunfall, gab sie zur Antwort, wennman sie darauf ansprach.Würdet ihr mir bitte verraten, was das Ganze hier soll.Immer noch den Senf aus ihren Augen wischend kamen die Kinder erst garnicht dazu, eine Antwort zu geben.Und was ist das hier überhaupt für eine Versammlung?Nun aber ergriffen Jyl und Myl das Wort. Wild gestikulierend berichtetensie Prof. Triell über das Vorgefallene. Und je länger Prof. Triell den Feenzuhörte, desto strenger sah sie Hilbert an.Mister Hilbert. Wie ich hörte, sind Sie bei der letzten Prüfung durchgefallen.Tja, also...ja, bin ich.Dann sind Sie mit mir doch gleicher Meinung, dass es für Sie besser wäre zu

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lernen, als hier dumm rumzustehen.Ja, sicher Prof. Triell, knurrte er.Inzwischen hatten sich Jannis und Leandra einigermassen vom Senf befreit.Mit einem letzten abwertenden Blick auf die Kinder wollte sich Hilbert schonaus dem Staub machen.Mister Hilbert, rief Prof. Triell erneut.Was denn noch? Soll ich mich etwa entschuldigen? Ihr wisst doch, dass diesnunmal Brauch in...Der Senf, Hilbert. Der Senf.Und wie sie dies sagte, schnipste Prof. Triell zweimal mit ihren Fingern. Mitdem ersten Schnips befreite sie Jannis und Leandra von den Resten des un-erwünschten Bades. Der zweite Schnips galt Hilbert und seinen Kameraden.Was habt ihr gemacht, fuhr Hilbert verärgert Prof. Triell an.Die nächste halbe Stunde wirst weder Du noch einer Deiner Kameraden zau-bern können.Und wie sollen wir nun diese ganze Sauerei beseitigen?Mit dem Mob, Hilbert. Mit dem Mob.Dann wendete sich Prof. Triell den Zwillingen zu.Und nun zu Euch Beiden. Wohin wolltet ihr gehen?Wir waren auf dem Weg in unsere Zimmer.In einer halben Stunde gibt es Abendessen. Da lohnt es sich kaum auf EureZimmer zu gehen. Ich würde mich freuen, wenn ihr mich in die Mensa be-gleiten würdet. Auf dem Weg dorthin könnt ihr mir ein bisschen von Eucherzählen. Einverstanden? Ja! Gut. Gehen wir.Es war eine seltsame Angewohnheit von Prof. Triell, dass sie gewisse Fragendie sie einem stellte, selbst beantwortete. In solchen Momenten war es dasBeste, ihr nicht zu widersprechen. Denn dass konnte sie am wenigsten aus-stehen.Im Essaal angekommen waren die Kinder und Prof. Triell bester Laune. Prof.Triell verstand es hervorragend den Kindern Tensora als zweite Heimat vor-zustellen. Und wieder flogen Feen zu Dutzenden durch den ganzen Saal.Plötzlich wurde es ganz ruhig. Prof. Korrov, Prof. Einstein und Predun be-traten den Raum. Mit einem kurzen Wink von Prof. Korrov stellte sich Prof.Triell zu ihren Kollegen. Dann ergriff Predun das Wort.Wie ihr sicher alle schon wisst, weilen derzeit Mister Rassl und Miss Tra-nell in Tensora. Da ich mit diesen Kindern morgen noch das dritte Kapitelim Grundlagenbuch der Zauberei durcharbeiten werde haben wir beschlos-sen, dass es wohl allen Anwesenden nicht schaden könnte ebenfalls einige derÜbungen aus diesem Kapitel zu wiederholen. Prof. Triell wird Euch über dieEinzelheiten nach dem Essen informieren. Wir alle werden uns Morgen Frühum 10 Uhr ausserhalb des Schlosses versammeln.

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Nach dem Essen erfuhren die Kinder was Morgen auf sie zukommen würde.Und dafür konnte die Nacht nicht schnell genug vorüber gehen.Spät in der Nacht, als alle schon schliefen, betrat erneut jemand das Zimmervon Jannis. Leise Schritte bewegten sich auf das Bett zu.Jannis! Jannis, schnurrte jemand durch die Luft.Langsam wachte Jannis auf.Jannis. Wach auf.Wer...Wer ist da?Und mit einem Sprung, landete General auf dem Bett von Jannis.Hast Du mich erschreckt. Was willst Du?Komm mit. Ich muss Dir und Leandra was zeigen. Nimm die Lampe mit.Als sie auch Leandra geweckt hatten schlichen sie sich aus dem Haus wo auchschon eine Strasse auf sie zu warten schien.Wohin führst Du uns, frage Leandra General.In den Wald.In den Wald? Aber dieser Ort ist für uns verboten. Prof. Korrov hat...Ja, das hat er, sagte General kühn. Kommt schon, wir haben nicht die ganzeNacht Zeit.Kaum hatten sie die Strasse betreten, führte diese ihre Passagiere auf demschnellsten Weg in den verbotenen Wald. Von neugierigen Augen welche vonden vielen Bäumen hinunterleuchteten wurden sie auf Schritt und Tritt ver-folgt. Fledermäuse schossen durch die Luft und von allen Seiten drangen selt-same Geräusche an sie heran. General liess dies alles unbeeindruckt. Dannendlich waren sie an ihrem Ziel angelangt. Sie blieben vor einem dieser gros-sen Bäume stehen.Wartet hier, sagte General.Er lief einmal um den Baum herum und versicherte sich, dass sie von keinerSeite beobachtet wurden. Dann zeichnete er ein seltsames Zeichen mit seinerPfote auf die Baumrinde.Folgt mir, sagte General und schon verschwand er im Inneren des Baumes.Hast Du das gesehen, sagte Jannis verblüfft. Er ist im Baum verschwunden.General streckte seinen Kopf aus dem Baum hervor.Kommt ihr, oder was?Jetzt gaben sich die Kinder einen Ruck und liefen genauso wie General aufden Baum zu und verschwanden in seinem Inneren. Sie waren verblüfft, wiegross es im Inneren war. Und genauso verblüfft waren sie über die Unord-nung. Es herrschte ein einziges Chaos. Überall lagen irgendwelche Geräteoder Möbel herum.Ist das Dein Büro, fragte Leandra.Ja!Hier sollte jemand mal aufräumen!

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Wie meinst Du dass?Ach, schon gut. Was sollen wir nun hier?Da hinten müsste es sein, sagte General. Los, räumt das alles weg.Warum zauberst Du diese Sachen nicht einfach zur Seite, fragte Jannis.Mit dem Zaubern ist es wie mit dem Geld in Eurer Welt. Je sparsamer mandamit umgeht, desto mehr hat man am Ende davon. Und jetzt los, wir habennicht die ganze Nacht Zeit.Nach einer Viertel Stunde wo sie allerhand Gegenstände auf die Seite schaff-ten, kam ein nachgebautes Modell eines riesigen Schlosses zum Vorschein.Was ist das für ein Schloss, fragte Leandra. Ist das eine der Zauberschulen?Oh, nein! Keine Zauberschule. Dass, meine Freunde, das ist das Schloss vonAkara.Das ist das Schloss dieser Hexe?Ja! Kommt wir stellen es in der Mitte des Raumes auf.Ich hab’s mir ganz anders vorgestellt.Ja? Wie denn?Nun, ja. Ehrlich gesagt fesselt mich der Anblick geradezu - es ist irgendwiesogar...sogar schön. Nur grösser hab ich es mir vorgestellt.Ohh, ich versichere Euch, es ist riesig. Und ja, es ist schön. Doch lasst Euchdavon nicht täuschen. Die schlimmsten Feinde sind immer diejenigen, welcheeinem anfangs noch freundlich entgegenlächeln. Im Inneren dieses Schlosseshaben schon unzählige Menschen Höllenqualen erlitten. Es ist ein grässlicherOrt. Glaubt mir.Dann erklärte General jeden einzelnen Trakt des Schlosses. Selbst Einzelhei-ten wurden besprochen. Und natürlich, wo sich aller Wahrscheinlichkeit nachdie Grals-Hälfte befinden würde.Die Geometrie des Schlosses zog die Kinder regelrecht in ihren Bann. Dochnutzte General dies zu seinem Vorteil. Aufgrund ihrer Bewunderung merktensich die Kinder jede Einzelheit welche er erklärte.Dann wechselte General das Thema. Er stiess das Modell des Schlosses aufdie Seite, lief in die andere Ecke des Raumes und drehte sich den Kindernzu.Mit einem Augenschlag löschte General das Licht der Lampen. Nun war esstockfinster.Los Kinder. Bewegt euch auf mich zu.Aber...aber wir können nichts sehen, sagte Leandra.Ihr könnt nur deshalb nichts sehen, weil ihr niemals versucht habt, in derDunkelheit etwas zu sehen. Konzentriert Euch und bewegt Euch auf michzu. Na los!Nur mit äussester Mühe und nachdem sie sich an etlichen Gegenständen ge-stossen hatten erreichten sie General.

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Dacht ich’s mir.Schon leuchteten auch wieder die Lampen.Leandra komm zu mir. Leg Dich hin. Schliess die Augen. Du wirst mir nunsagen, wann der Zeitpunkt gekommen ist, indem ich mit meiner Pfote bei-nahe Deine Stirn berühre. Konzentriere Dich.Nichts. Nein, ich spüre...doch, jetzt! Ich spüre einen leichten Druck auf derStirn.Du kannst Deine Augen wieder öffnen.Und tatsächlich. Generals Pfote befand sich direkt vor ihrer Stirn.Gut! Jannis, jetzt Du.Und auch Jannis konnte einen leichten Druck im Bereich der Stirn bemerken,obschon die Pfote von General ihn nicht berührte.Sehr gut. Wie ihr bemerkt habt, könnt ihr Gegenstände wahrnehmen ob-schon ihr eure Augen geschlossen habt. Das gleiche Prinzip wenden wir jetztin der Dunkelheit an. Mit einiger Übung könnt ihr dann sogar erraten wassich vor Eurer Nase befindet ohne es zu sehen.Bevor sie nun mit der Übung starteten, malte General mit seiner Pfote jedemder Kinder ein Zeichen auf die Stirn. Dies, so General, würde ihnen helfen ih-ren Orientierungssinn für die Dunkelheit zu schärfen. Noch über eine Stundeübten die Kinder mit General, bis sie sich tatsächlich ohne weitere Hilfe imDunkeln bewegen konnten.Wozu soll uns denn das nützlich sein, fragte Jannis.Reichlich spät stellst Du diese Frage. Ich kann Euch nicht sagen, was für Ge-fahren Euch im Schloss von Akara erwarten werden. Ich weiss es selbst nichtgenau. Aber ich kann Euch zumindest bestmöglichst darauf vorbereiten.Woher weisst Du soviel über dieses Schloss, fragte Leandra.Erinnerungen an frühere Zeiten. Aber darüber unterhalten wir uns, wenn ihreuren Auftrag ausgeführt habt. Wir werden jetzt noch ins Arbeitszimmervon Predun gehen.Was? Jetzt?Ja! Jetzt! Los, gehen wir.Die Kinder staunten nicht schlecht, wie sie im Inneren des Baumes die Wen-deltreppe bemerkten, welche zur Krone des Baumes hinauf führte. Generalhatte schon die ersten Stufen hinter sich gebracht.Aber wohin gehst Du denn, rief ihm Leandra zu.Eine Abkürzung! Befehl von Predun. Vertraut mir!Die Wendeltreppe war sehr schmal und die Kinder vermieden es tunlichstin die Tiefe zu sehen. Oben angelangt befanden sie sich gut 50 Meter überdem Boden. Ihr braucht jetzt keine Angst zu haben. Genauso wie ihr in denBaum reingegangen seid werdet ihr ihn nun wieder verlassen.Jetzt sollen wir den Baum verlassen, fragte Jannis kritisch. Jetzt wo wir ganz

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oben angelangt sind?Vertraut mir!Wieder zeichnete General mit seiner Pfote ein Zeichen auf das Holz.Wer will zuerst.Leandra schüttelte den Kopf.Also gut, sagte Jannis.Und schon war er auch verschwunden. Schreiend fiel er in die Tiefe und lan-dete auf der Couch im Arbeitszimmer von Predun. Einen Moment späterfolgte Leandra. Auch sie landete schreiend auf der Couch. Als Letzter folgteGeneral. Lächelnd.War nicht schlimm - oder - fragte Predun.Nun aber zeigte sich auch ein Lachen auf den Gesichtern der Kinder welcheseine Antwort überflüssig machte.Wir wollen keine Zeit verlieren, sagte Predun. Kommt! Es ist alles vorbe-reitet. Kinder ihr werdet jetzt durch den Spiegel gehen. General wird euchbegleiten.Was? Sind wir denn dazu schon bereit, fragte Leandra aufgeregt.Erinnerungen an ihr letztes Erlebnis im Spiegel wurden wieder wach.Ich weiss, Kinder. Ich weiss. Aber die Eule will es so. Und wenn sie meint,ihr wärt nun dafür bereit, dann...naja. Punkt 3 Uhr sollt ihr die Schwelle desSpiegels überschreiten.Warum genau um diese Uhrzeit, fragte Jannis.Immer wenn die Uhr eine volle Stunde hinter sich gebracht hat, dann sindfür wenige Augenblicke gewisse Türen geöffnet. Türen die Euch in die ver-schiedensten Welten führen können. Jene Tür welche ihr nun aufstossen wer-det kann nunmal genau um Punkt 3 Uhr in der Früh betreten werden. Ichwünschte ich könnte Euch diesen Weg ersparen, aber ich kann es leider nicht.Wir erhoffen uns, wichtige Hinweise zu erhalten, was Euch in naher Zukunftwiderfahren wird.Predun schloss die Kinder in seine Arme.Warum begleitet Ihr uns nicht, fragte Leandra.Ich? Aber General kommt doch mit Euch.Ja, schon. Aber mit Euch würde ich mich sicherer fühlen.Diese Worte brachten, wenn auch nur für einen kleinen Moment, Predun inVerlegenheit. Die Kinder konnten ja nicht wissen, wer General wirklich war.Darüber hinaus, und darauf war man in Tensora besonders stolz, war Generalblaublütig. Er war ein Prinz. Doch General bestand darauf, dies den Kindernnicht mitzuteilen. Er konnte im Moment keinen Vorteil darin erkennen, wenndie Kinder um seine tatsächliche Herkunft wüssten.Glaubt mir. General wird gut auf Euch aufpassen. Bei ihm seid ihr in Sicher-heit. Hätte ich nur die leisesten Zweifel daran, dass es besser wäre wenn ich

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Euch begleiten würde, so würde ich es tun. Doch vertraut mir. Und vertrautvor allem auf General.Ich werde gut aufpassen, Sir.Gut! Gut, gut, sagte Predun. Dann wollen wir nicht länger warten. Es istbald 3 Uhr.Mit einer gezielten Handbewegung von Predun schob sich der Vorhang ander hinteren Ecke des Raumes zur Seite. Der Spiegel kam zum Vorschein.Doch hatte dieser nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Spiegel, welchensie in Erinnerung hatten. Die Spiegeloberfläche war verkratzt, rauh und vonSpinnweben überdeckt. Nur mit Mühe konnte man sich darin spiegeln. Vonbeiden Seiten wurde der Spiegel nun von 2 Skeletten gehalten. Auf den Schä-deln der Skelette standen riesige Kerzenleuchter.Was ist denn das für ein unheimlicher Spiegel, fragte Leandra. Ich dachte...Es ist der gleiche Spiegel. Lass Dich nicht von Äusserlichkeiten beirren. DerSpiegel ändert während der Tageszeit sein Äusseres. Das bereitet Euch dochkeine Angst?Die Kinder verdrängten ihre Furcht. Doch je länger sie die beiden Skeletteanstarrten, desto mehr kamen sie zur Überzeugung, dass diese lebendig wa-ren. Die Augenhöhlen - das breite Grinsen - alles an den Skeletten kam ihnenunheimlich vor.Nach letzten Vorbereitungen traten die Kinder, mit den besten Wünschenvon Predun, vor den Spiegel. Und wie sie mit dem Betreten des Spiegels zö-gerten, da bewegte sich je ein Arm der Skelette an die Schulter der Kinder unddrängten sie vorsichtig zum Betreten des Spiegels auf. Mit weit aufgerissenenund angsterfüllten Augen entschwanden sie sodann in eine ihnen unbekannteWelt. Mit einem kräftigen Sprung, folgte ihnen General hinterher. Ein unbe-schreibliches Glücksgefühl durchfuhr die Kinder wie sie es nur selten erlebthatten. Innert Sekunden durchliefen sie ihre bislang intensivsten Erlebnisseund Momente in ihrem noch so jungen Leben. Ob es sich nun um eine guteNote in der Schule handelte, oder ein Lob von Grossmutter Klara. Der Duftvon Heu als sie in der Scheune lagen und sich ihren Träumen hingaben. Jaselbst jener Moment schoss ihnen durch den Kopf als sie die Eule zum erstenMal sahen. Und im nächsten Augenblick realisierten sie, dass sie den Spiegeldurchschritten hatten.Wo sind wir, fragte Leandra.Ich weiss nicht. Ich glaub ich hab soeben mein ganzes Leben im Zeitraffervor mir gesehen.Ja. Ist mir auch so ergangen. Wo sind wir bloss?Dass Paradies ist es bestimmt nicht, stellte General klar. Wir müssen auf derHut sein.Rund um sie herum war Gras, so hoch, dass sie nicht darüber hinwegsahen.

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Und Blumen. Riesige und in allen Farben. Der Himmel war strahlend schön.Nur eine einzige Wolke zog so alleine vor sich hin. Jannis bemerkte rasch,als er sich einen Weg durch die Wiese zaubern wollte, dass sein Zauber nichtmehr funktionierte.Ich kann nicht mehr Zaubern!Bei mir klappt es auch nicht mehr, stellte Leandra enttäuscht fest.Euer Zauber ist noch nicht stark genug, sodass ihr ihn auch innerhalb desSpiegels anwenden könnt. Folgen wir der Wolke. Was meint ihr?Ja gut, murmelte Jannis und bahnte sich mit seinen Händen und Füsseneinen Weg durch das hohe Gras.Nach einer halben Stunde gelangten sie auf einen Weg welcher sie direkt ineinen Wald führte. Doch diese Bäume hier bestanden nicht aus Holz. Sie be-standen aus Glas. Selbst die Blätter oder Nadeln. Manche waren Blau andereBraun und wieder andere waren durchsichtig. Sowas hatten weder die Kindernoch General je zuvor gesehen.Ein starker Wind blies durch den Wald und brachte die Bäume mächtig insWanken. Das Knacken war von allen Seiten zu hören. Es klang beinahe so,als versuchte der Wald mit ihnen zu sprechen. Es war unheimlich. Dann be-ruhigte sich die Situation wieder. Doch General spürte, dass es noch nichtvorüber war. Ein erneuter, stärkerer Windstoss erfasste daraufhin den Wald.Lauft Kinder, schrie General. Lauft!Im nächsten Moment zersprang ein Baum nach dem anderen. Sie platztengeradezu. Der Lärm war ohrenbetäubend. Nur mit viel Glück erreichten siedie Lichtung unbeschadet. Selbst General war ausser Atem und musste sicheine Pause gönnen. Derweil beruhigte sich der Wind wieder.Warum hast Du uns nicht beschützt, schrie Leandra. Um ein Haar hätte micheiner dieser Glasbäume erschlagen.Jetzt übertreibst Du aber. Ich hab aufgepasst. Ausserdem kann ich nicht nachbelieben mit Zaubersprüchen um mich schmeissen. Zu sehr würde ich alleswas uns noch begegnen würde, beeinflussen. Das können wir nicht riskieren.Euer Leben hängt davon ab.Unser Leben hängt davon ab? Hast Du nicht gehört was ich gesagt habe? Ichwäre um ein Haar von einem Baum erschlagen worden.Leandra konnte die Haltung von General nicht verstehen.Das gibt es doch nicht, sagte Jannis völlig begeistert. Seht doch nur, diesesDorf da vorne. Es sieht aus wie Gstaad.Sofort liefen die Kinder auf das Dorf zu. Jetzt aber wurde General unruhig.Er konnte die Gefahr förmlich riechen.Je näher sie dem Dorf kamen umso ähnlicher sah es nach ihrem Heimatdorfaus. Und plötzlich erkannten sie sogar Menschen am Dorfeingang welche ih-nen zuwinkten. Die Kinder liefen immer schneller und schneller.

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Bleibt stehen, rief General. Hört ihr denn nicht?Das ist doch...das ist Grossmutter Klara, schrie Leandra.Und jetzt erblickte auch Jannis seine Eltern wie sie ihm zuwinkten.Und während sie rannten was ihre Füsse hergaben und auf 50 Meter an dieDorfbewohner herankamen, bemerkten sie, dass ihre Verwandten ihnen garnicht zuwinkten. Vielmehr wollten sie sie warnen. Sie wollten dass sie stehen-blieben, doch dafür war es schon zu spät. Die Kinder stürzten in eine riesigeSchlucht. Am Grunde der Schlucht bahnte sich ein Strom aus Lava seinenWeg durch das Gestein. Schreiend stürzten die Kinder darauf zu.Ich wusste es, ärgerte sich General.Mit einem mächtigen Satz, sprang er den Kindern nach. Kurz bevor er dieKinder zu fassen bekam, wuchs General auf seine zehnfache Grösse heran.Und auch Flügel wuchsen ihm aus dem Rücken. Mit seinen Krallen griff ervorsichtig nach den Kindern und umschloss sie mit seinen Flügeln, noch bevorsie alle zusammen in den Lavastrom stürzten. Dann erfolgte eine sehr harteLandung auf dem Boden von Preduns Arbeitszimmer. Die Kinder schrieenso laut, dass Predun befürchtete ihnen wäre etwas ernstes zugestossen.Was ist passiert? Seid ihr verletzt?Wir sind in einer Schlucht gefallen, antwortete Leandra völlig entsetzt. Ineinen Strom aus Lava. Wir dachten wir müssten sterben, aber General...woist General?Hier! Ich bin hier.Völlig entkräftet stand General hinter ihnen. Das Fell angesengt und rau-chend.Oh mein Gott. Dein Fell ist verbrannt. Und deine Pfoten. Was ist mit DeinenPfoten.Das ist nur oberflächlich, beschwichtigte General. Nichts ernstes.Auch seine Schnurrhaare waren angesengt.Das war der Zeitpunkt, wo der Zauber eingesetzt werden musste, sagte Ge-neral zu den Kindern.Ich danke Dir, sagte Predun. Und Euch natürlich auch. Ihr beide geht jetztSchlafen. Ihr habt Morgen einen anstrengenden Tag vor Euch. Hier trinktdas.Was ist das, fragte Leandra.Damit seit ihr in der Früh wieder topfit. Trinkt nun.Und wie die Kinder sich in ihre Zimmer aufmachten, berichtete General übersämtliche Ereignisse welche vorgefallen waren.Am nächsten Morgen in aller Früh wiederholten die Kinder das zweite Ka-pitel des Buches mit ihren Feen. Und erneut erhoben sie ihre Stimme gegendie Kinder, sobald sie einen kleinen Fehler machten, sodass man es durchdas ganze Dorf hören konnte. Doch waren die Feen diesmal mit der Leistung

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der Kinder sehr zufrieden. An diesem Morgen konnte das Frühstück für dieKinder nicht schnell genug vorübergehen.Das dritte Kapitel lernten sie mit Predun in Rekordzeit. Sie klebten förmlichan seinen Lippen. Neben weiteren Erklärungen zu Zaubersprüchen behan-delten sie auch das Thema über die Fliegerei. Wie man an Geschwindigkeitzulegt. Wie man in der Luft verharrt. Eben die ganze Theorie darüber. DochPredun war ein Mann der Praxis und daher dauerte es nicht lange, bis er sehrzur Freude der Kinder, das Gelernte in die Tat umsetzen wollte. Dazu gingensie auf den grossen Platz vor dem Schloss. Ungläubig starrten die Kinder inden Himmel als sie sahen, wie mehrere Schüler zusammen mit Prof. Triellüber ihre Köpfe hinwegflogen.Die...die Fliegen ja, sagte Jannis mit leiser Stimme.Ja natürlich. Also dann, sagte Predun als er sich mit den Kindern zusammen,welche nun fast ausschliesslich in die Höhe starrten, an einen Tisch setzte.Hier, schluckt das.Was ist das, fragte Leandra.Das sind Gravatin. Damit unterliegt ihr, sobald ihr zu einem Flug ansetzt,nicht mehr dem Gesetz der Schwerkraft. Solche Tabletten müsst ihr solangeeinnehmen, bis sich Euer Körper umgestellt hat und selbst solche Stoffe pro-duziert, wie sie in diesen Tabletten vorkommen. Das passiert bei manchenfrüher, bei anderen dauert es etwas länger. Die erste Wirkung hält norma-lerweise ein ganzes Semester an. Dann sieht man weiter.Unser eigener Körper stellt Stoffe her, damit wir nicht mehr der Schwerkraftunterliegen, fragte Jannis ungläubig.Wenn ich Dir sagen würde, wozu der menschliche Organismus zu noch allemfähig ist, würdest Du dich noch viel mehr wundern. Man muss ihm anfangseben nur etwas auf die Sprünge helfen. Aber ihr werdet schon noch sehen.Wartet es nur ab.Die Tablette betrachtend zögerten beide kurz um sie dann, mit einem Male,runterzuschlucken. Ihre Erwartung, dass nun spontan etwas passieren würde,wurde enttäuscht. Sie konnten keinerlei Änderung feststellen. Predun hielt dieAugen 5 Minuten lang geschlossen. Dann plötzlich regte er sich.Gebt mir Eure Hände. Schliesst die Augen, konzentriert Euch auf das Flie-gen, wie ich es Euch gelehrt habe...Jannis, ich sagte konzentrieren...Und wieder passierte nichts. Diesmal lag es aber an Leandra. Als Predunihre Hand drückte, gab sie ihm zu erkennen an was es lag. Diesmal lag esam lauten Lachen von Walahfrid und Aatoss. Sie machten sich über ver-einzelte Flugversuche von Schülern lustig, welche zuweilen mit einer hartenBruchlandung endeten. Mit einem kurzen Wink von Predun zogen die zweiStörenfriede wieder ab.Also nochmal, sagte Predun.

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152 KAPITEL 9. PREDUN

Und diesmal klappte es. Predun war natürlich der erste der merkte, dass siein der Luft schwebten.So Kinder, sagte Predun, ihr könnt jetzt eure Augen langsam öffnen.Jannis und Leandra gehorchten und verloren sogleich das Gleichgewicht alssie merkten dass sie knapp über dem Schloss schwebten. Beide stürzten ab.Mit rasender Geschwindigkeit näherten sie sich dem Boden und kurz vor demAufprall fing sie Predun auf. Dies alles passierte unter heftigstem Gelächterder anderen Schüler.Ihr müsst euch einfach mehr Konzentrieren, sagte Predun mit ruhiger Stim-me. Konzentration ist das wichtigste bei der Zauberei! Und beachtet dasGelächter der Anderen nicht. Schon bald fliegt ihr denen um die Ohren.Wieder am Boden angelangt, starteten die Drei einen weiteren Versuch.Konzentriert Euch, wiederholte sich Predun. Konzentriert Euch!Und diesmal klappte es. Als die Kinder die Augen öffneten schwebten sieerneut weit über dem Schloss. Doch diesmal gelang es den Kindern ruhig zubleiben.Ich werde euch jetzt loslassen. Bleibt ruhig und konzentriert euch.Leandra gelang es, die Balance zu finden und sich sicher in der Luft zu hal-ten. Jannis hingegen stürzte erneut ab.Jannis! Er stürzt ab! Ihr müsst ihm helfen.Ha. Ich wusste es, sagte Hilbert welcher alles genüsslich mit seinen Kollegenbeobachtete. Alle beide sind sie nur Grünschäbel.Konzentrier dich, rief Predun Jannis hinterher, welcher sich mit rasender Ge-schwindigkeit dem Boden näherte.In letzter Sekunde streckte Jannis seine Arme aus und flog, 1 Meter überdem Grund, hinaus aufs Meer. Er hatte den Absturz abgefangen. Wie einPfeil schoss er wieder in die Höhe.Komm schon, rief er Leandra zu. Es ist unglaublich. Ich kann Fliegen. Kommschon.Dann fasste auch Leandra allen Mut streckte ihre Arme aus und schloss zuJannis auf. Predun bemerkte sofort, welch grosses Talent beide mitbrachten,denn er hatte alle Mühe mit ihnen Flug zu halten. Nach einer Weile, schlos-sen Hilbert und seine Kollegen zu ihnen auf. Und weiter hinten kam Aatossangeflogen.Lust auf einen kleinen Ausflug, fragte Hilbert.Wohin denn, entgegnete Jannis.Nun aber wandte sich Hilbert an Predun.Ihr habt doch nichts dagegen? Wir fliegen nur noch etwas weiter in den Ozeanhinaus. Auf Sichtweite des Postens von Fuhuu.Ein Posten von Fuhuu, fragte Jannis neugierig.Ja. Rund um Tensora sind mehrere kleine Inseln verteilt. Sie sind mit ein

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Teil des Frühwarnsystems sollte es zu aussergewöhnlich hohen Wasserwellenkommen und dergleichen.Das würde ich mir auch gerne ansehen, sagte Leandra.Von mir aus, lenkte Predun zur Freude der Kinder ein. Aber nur auf Sicht-weite des Postens. Dann kehrt ihr sofort um. Ich möchte Niemanden vonEuch aus dem Ozean fischen müssen. Verstanden?Natürlich traute sich keiner Predun zu widersprechen.Aatoss, Du kommst mir wie gerufen.Sofort schwang sich Predun auf dessen Rücken.In einer Stunde seid ihr alle wieder zurück.Wie Pfeile schossen nun die Kinder hinaus aufs offene Meer.Es wundert mich, dass ihr die Zwillinge diesem Hilbert anvertraut, sagte Aa-toss.Noch ist dieser Junge nicht soweit, dass er irgend einen Schaden anrichtenkönnte. Wir dürfen ihn nicht wegen seinen Eltern verurteilen. Es wird nochdauern, aber ich habe die Hoffnung auf das Gute selbst bei diesem Jungennoch nicht aufgegeben.Zurück in Tensora kritisierten ihn auch seine Kollegen. Niemand hielt es fürrichtig, die Zwillinge mit Hilbert alleine zu lassen. Nicht nachdem herausge-kommen war, das dessen Eltern, Teil eines Geheimbundes für schwarze Magiewaren welcher selbst alles unternahm um an den Heiligen Gral zu kommen.Doch auch hier beruhigte Predun seine Kollegen mit dem Hinweis, dass esdoch seltsam wäre, wenn Hilbert den Kindern was Böses antun könnte.Wie, so fragte er seine Kollegen, sollen die Kinder denn dann je eine Chancegegen Akara haben wenn ihnen Hilbert schon Probleme bereiten würde. DieKinder werden damit leben müssen, dass solange Akara lebt, immer irgendjemand nach ihrem Leben trachten wird.Unterdessen kamen die Kinder in Sichtweite des besagten Postens.Seht ihr, da vorne ist der Posten, sagte Hilbert. Es sind etwa noch 30 Kilo-meter bis dahin. Los, kommt mit.Predun hat uns verboten bis ganz zum Posten hinaus zu fliegen, sagte Lean-dra energisch. Ich kehr hier um.Auch die Kollegen von Hilbert wollten ab hier nicht mehr weiterfliegen.Ach Predun, sagte Hilbert herablassend. Dann flieg doch alle zu ihm zurück.Das ist doch nur noch ein alter Mann. Ohne seinen alten Gaul traut sich derdoch kaum mehr aus seinem Schloss.Dass nimmst Du zurück, schrie Jannis. Oder...Oder was? Du hast doch wie alle anderen keinen Mumm in den Knochen.Flieg ich eben alleine weiter. Tensora ist ein Platz für Idioten.Das nimmst Du zurück, schrie Jannis erneut.Und wenn nicht! Was dann? Bis jetzt hast Du nichts als dumme Drohungen

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von Dir gegeben. Wenn Du Mut hast, dann folge mir.Schäumend vor Wut sah Jannis zu, wie sich Hilbert immer weiter von ihmentfernte.So einfach kommt der mir nicht davon, sagte Jannis und schon nahm er dieVerfolgung auf.Jannis! Wir müssen zurück. Jannis!Doch er konnte Leandra nicht mehr hören. Zu weit war er inzwischen vonIhr entfernt.Gemeinsam mit den Kollegen von Hilbert flog Leandra zurück nach Tensora.Es dauerte nicht lange und Jannis hatte Hilbert eingeholt.Warum redest Du so schlecht über Predun. Was hat er Dir getan?Hast Du es Dir doch anders überlegt. Wenigstens einer der ein Mann ist. Wasder Alte mir angetan hat? Nichts! Er kümmert sich um jeden Müll von mir.Beinahe glaub ich, dass er ein schlechtes Gewissen hat.Ich verstehe kein Wort von dem was Du da sagst. Wovon sprichst Du?Du bist Neu hier. Und ein jeder streut Dir Sand in die Augen. Kein Wunderdass Du nicht siehst was wirklich vor sich geht.So! Na dann lass mal hören!Du kämpfst für die falsche Seite.Du spinnst doch.Ach ja? Was weisst Du denn schon. An Deiner Stelle würde ich wenn ichdieser Hexe...wie heisst sie schon wieder?Akara!Ja genau. Also wenn ich dieser Akara gegenüberstehen würde, wäre ich bereitdie Seiten zu wechseln.Du bist verrückt. Und ein Verräter. Was Du eben gesagt hast, werde ich Pre-dun mitteilen.Werde ich Predun mitteilen - dann tu es doch. Predun weiss über meine Ein-stellung Bescheid. Meine Eltern kämpfen schon seid ich mich erinnern kannfür die dunkle Seite. Eines Tages werde ich mich ihnen anschliessen.Und was machst Du dann in Tensora wenn Dir das alles zuwider ist?Man muss seinen Feind gut kennen, will man ihn besiegen. Deshalb bin ichhier. Nur deshalb.Und deshalb bist Du bei der Prüfung durchgefallen?Vielleicht hab ich ja absichtlich nicht bestanden.Ich denke, wir beide werden keine Freunde.Das kann schon sein. Das schlimmste was einem im Leben passieren kann istdoch, wenn der eigene Freund einen hintergeht. Siehst Du, dass kann bei unsBeiden schon mal nicht mehr passieren.Jannis war geschockt und fasziniert zugleich von der grenzenlosen Offenheitwelche ihm Hilbert entgegenbrachte. Den Rest ihres Fluges bis zum Aus-

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senposten wechselten sie kein einziges Wort mehr. Jannis war froh, endlichwieder festen Boden unter seinen Füssen zu spüren.Und jetzt. Was machen wir hier?Nichts! Ich fliege manchmal an einen der Aussenposten. Nur um alleine zusein. Ich bin gerne alleine.Du bist einsam.Sag das nicht. Ich hab alleine gesagt. Nicht einsam. Ihr Neuankömmlinge legtallesamt zu wenig Wert auf Eure Wortwahl. Einsam bedeutet doch was völliganderes als alleine. Also wirklich.Ich glaube Du bist eigentlich ganz in Ordnung. Du weisst nur nicht für welcheSeite Du Dich entscheiden sollst.Nun lief Hilbert einmal um Jannis herum. Er musterte ihn von Kopf bis Fuss.Ich hab Dich vor meinen Kollegen schlecht gemacht. Hab Dich lächerlich ge-macht. Dass weisst Du doch?Jannis zuckte gleichgültig mit seinen Schultern.Das tut mir jetzt leid. Man sollte jemanden der einem ebenbürtig ist nichtauf solche Weise vorführen.Auf welche Weise denn?Musst Du alles hinterfragen? Entweder lässt man ihn in Ruhe oder...Ja?Oder man löscht ihn aus. Doch noch werde ich Dich in Ruhe lassen. Vorerst.Auch von Dir möchte ich noch lernen. Du und Leandra sollt ja was ganz Be-sonderes sein. Das wird sich ja bald herausstellen. Komm, fliegen wir wiederzurück.In Tensora waren alle Schüler noch mit Flugübungen beschäftigt, als sie ein-trafen. Leandra flog ihnen entgegen.Was habt ihr solange gemacht, fragte sie.Wenn Du mitgeflogen wärst, wüsstest Du es, antwortete Hilbert herablas-send.Jannis erblickte Walahfrid vor dem Schloss, wie er gerade einen Apfel auseiner Schüssel nahm.Kommt, wir schnappen uns den Apfel, sagte Jannis.Gut. Wer sich den Apfel ergattert, hat gewonnen, sagte Hilbert hinterlistig.Alle brausten mit Vollgas auf Walahfrid zu, welcher sich schon auf den erstenBissen freute. Hilbert rammte Jannis von der Seite welcher dadurch, völligaus der Bahn geworfen, chancenlos blieb. Und schon schnappte er sich denApfel Walahfrids welcher erst gar nicht recht realisierte wie ihm geschah.Ich bin der Sieger, triumphierte Hilbert und hielt den Apfel in die Höhe.In dem Moment kam Leandra von hinten herangeschossen und entriss Hilbertseine Beute.Leandra hat gewonnen, rief Predun, welcher mit Aatoss Zeuge dieses kleinen

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Wettbewerbes war.Das...das ist ja unglaublich, was ihr diesen Kindern in so kurzer Zeit allesbeigebracht habt, sagte Walahfrid. Ihr könnt wirklich stolz auf Euch sein.Doch die Augen Predun’s verrieten, dass er mit diesen gut gemeinten Wortenvon Walahfrid nichts anfangen konnte.Aber was habt ihr denn?Bei allem Talent welches diese Kinder mitbringen, können wir nichts weitertun als zu hoffen, dass sie gegen Akara bestehen werden. Ich kenne Akaraund ich weiss, wie mächtig sie ist. Sie besitzt Zauberkräfte, die ihresgleichensuchen. In ihrem Reich hab selbst ich nur geringe Chancen sie zu besiegenund frage mich, wie es diese Kinder ausrichten sollen. Aber die Prophezeiungist eindeutig. Und mit der Hilfe des Grals - wir müssen darauf vertrauen undhoffen...In dem Augenblick landeten die Zwillinge.Was ist mit Euch, fragte Jannis. Ihr schaut so ernst.Nun, plapperte Walahfrid ausweichend, wir...wir sprachen gerade über Aa-toss.Was ist mit ihm?Nun, er.....er ist krank. Stimmt’s, Predun?Ohh, ja. Ja, Aatoss ist krank.Aber Aatoss sieht völlig gesund aus, sagte Leandra welche auf Aatoss zulief.Ich bin auch völlig...Noch bevor Aatoss seine Worte zu Ende sprach, lahmte er nun am hinterenLauf.Völlig verblüfft über das Geschehene, blickte Aatoss zu Predun.Aber...aber das...das ward ih... und stoppte jäh mit seinen Worten, als erin die Augen von Predun blickte. Ja, ja, ja, ja, ich habe eine schlimme Ge-schichte am hinteren Lauf, beeilte er sich den Kindern mitzuteilen.Aber wie konnte dass nur passieren, hackte Leandra nach.Einen Moment nicht aufgepasst und schon...na, ihr wisst doch wie schnellsowas passieren kann. Doctor Miraculus wird sich um mich kümmern - nichtwahr?Gewiss, lächelte Predun. Kommt Kinder, wir haben noch viel Arbeit vor uns.Und wie sie wieder unter sich waren, kam Predun mit ihnen auf gestern Nachtzurück.Als erstes möchte ich mit Euch Euer Erlebnis besprechen, welches Ihr, letzteNacht zusammen mit General, im Spiegel erlebt habt.Um die Kinder nicht zu verunsichern berichtete er ihnen, dass ihm selbstbeim ersten Gang durch den Spiegel etwas ähnliches passiert sei und er erstviel später mit vielen schönen Erlebnissen konfrontiert worden wäre. Dochverschwieg er Ihnen, dass das, was sie erlebt hatten, eine überaus deutliche

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Warnung war. Die Kinder würden schon bald mit dem Tod konfrontiert. Pre-dun wusste, dass er dies umgehend den 3 Erdgeistern mitteilen musste. Andiesem Abend jedoch, wiederholten sie alles, was sie bis anhin gelernt hatten.Beide Kinder waren über sich selber erstaunt, dass sie sich so viel gemerkthatten. An jede Zeile aus dem Buch konnten sie sich ohne Mühe erinnern.Doch was weit wichtiger war, sie hatten auch sämtliche Zusammenhänge er-kannt und verstanden. Das war auch das Ziel, was Predun erreichen wollte.Am nächsten Morgen, war es nun soweit. Der Tag der Abreise war gekom-men. Diesmal war das Frühstück besonders schmackhaft. Selbst Jyl und Mylliessen es sich nicht nehmen, die Zwillinge zu Bedienen und zu Verwöhnen.Sämtliche Professoren wohnten dem Frühstück bei. Noch bevor die Kindermit dem Frühstück starteten, ergriff Predun das Wort. Er stand auf undschlug mit seinem Messer ein paar Mal auf sein Kristallglas worauf es Mucks-mäuschenstill im Essaal wurde.Ähm. Liebe Schüler! Lasst mich noch ein paar Worte an Euch richten, bevorwir mit dem Frühstück beginnen. Wir alle wissen, dass uns entscheidendeZeiten bevorstehen. Was sich im Hexenreich Pessora in den nächsten Tagenzutragen wird, wird auf Jahre hinaus Einfluss auf unser aller Leben nehmen.Ein jeder von Euch kennt Mister Rassl und Miss Tranell. Entweder hattetihr das Glück persönlich mit ihnen ein paar Worte zu wechseln oder aberihr kennt sie aus unseren Zeitungen. Es vergeht ja ohnehin kein Tag an demnicht über unseren neuesten Zugang berichtet wird. Zusammen mit meinenProfessoren hatte ich das Vergnügen, diese Kinder persönlich zu unterrichten.Nicht nur Euer Talent hat uns fasziniert. Vielmehr habt Ihr uns restlos davonüberzeugt, dass Ihr zu Recht für diese schwierige Mission auserwählt wurdet.Unsere Schule ist stolz darauf, Euch in diesen uns Heiligen Hallen empfangenhaben zu dürfen. Wir werden Euch auf Eurer Mission jede erdenkliche Hilfezukommen lassen. Erhebt nun mit mir das Glas und stossen wir auf eineerfolgreiche Zukunft an.Während alle nun ihr Glas emporhoben meldete sich ein Schüler, bewusstdie Regeln brechend, zu Wort. Es war nämlich ein ungeschriebenes Gesetz,dass die Rede des Vorsitzenden von niemandem unterbrochen werden durfte.Schon gar nicht von einem Schüler. Natürlich war es Hilbert der das Wortan sich riss.Bravo! Bravo! Bravo, rief Hilbert und applaudierte laut.Entsetzt starrten sämtliche Schüler auf ihren Kollegen.Ich trinke schon jetzt auf das Scheitern der Mission von Jannis und Lean-dra. Anscheinend bin ich der Einzige in diesen...wie habt ihr gesagt...HeiligenHallen...der sich traut die Wahrheit zu sagen.Rasend vor Wut, schrie ihn Prof. Triell an.Wie kannst Du es wagen, die Rede des Vorsitzenden zu unterbrechen?

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Lass ihn, sagte Predun. Lass nur. Wenn er meint er müsste etwas dazu sagen,bitte.Ihr wisst, fuhr Hilbert fort, dass ich grossen Respekt vor Euch habe. Dochgenauso gut wisst Ihr, dass Akara, Eure einstige Geliebte, diese Kinder tötenwird.Ein heftiges Raunen ging durch den Saal. Die meisten unter Ihnen wussten,dass Predun und Akara sich kannten. Doch dass sie sogar ein Paar gewesensein sollten, dass war für viele schockierend. Auch für Jannis und Leandra.Die Professoren waren entsetzt über die Worte von Hilbert. Nur Predunschien sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Bevor er das Wort ergriff,genehmigte er sich einen Schluck Wein.Bist Du fertig? Ist das schon alles was Du zu sagen hast?Nun starrten wieder alle auf Hilbert. Doch kein Wort kam über seine Lippen.Er schmetterte sein Glas auf den Boden und verliess eiligst den Saal.Seht ihr, sagte Predun, die Geschichte wiederholt sich immer wieder. Sobalddem Gegner die Worte abhanden kommen, reagiert er mit Gewalt. Eine Ein-stellung, von welcher sich auch Hilbert eines Tages verabschieden wird. Nundenn. Wenn niemand was dagegen hat führe ich nun meine Rede zu Ende.Erhebt mit mir Euer Glas und lasst uns auf eine erfolgreiche Zukunft anstos-sen.Erst jetzt, als alle Schüler und Professoren ihr Glas erhoben hatten und ihnendirekt in die Augen schauten, realisierten Jannis und Leandra welch gewalti-ge Hoffnung mit dem Gelingen ihrer Mission verbunden war. Zum ersten Malhatten sie leise Zweifel, ob sie all diesen hoffnungsvollen Augen gerecht wer-den konnten. Predun war diese Verlegenheit der Zwillinge nicht entgangen.Gekonnt rettete er die Situation, indem er nochmals ein paar wenige Wortean die Anwesenden richtete. Darauf nahmen wieder alle Platz und startetenmit dem Frühstück. Natürlich drehten sich nun die Tischgespräche vor allemum das Verhältnis zwischen Predun und Akara. Dass Hilbert davon wusste,war Predun bekannt. Und somit war es nur eine Frage der Zeit, bis dieserdieses kleine Geheimnis ausplaudern würde. Predun hatte es versäumt dieseGeschichte selbst mitzuteilen, was er nun sehr bereute. Aber er wusste auch,dass es einmal eine andere Seite von Akara gegeben hatte. Doch jetzt darüberzu reden, nachdem ihn Hilbert blossgestellt hatte, schien ihm unmöglich. Unddeshalb schwieg er einfach.Nach dem Frühstück war es dann soweit. Vor dem Schloss hatten sich alleSchüler versammelt, während Jannis und Leandra in ihren Zimmern ihre Sa-chen packten. Von Jyl und Myl bekamen die Kinder noch einen dicken Kussauf die Wange. Den Feen war die Trauer über den Abschied ins Gesicht ge-schrieben. Beide verloren darüber sogar einige Tränen. Und wie die Tränenden Boden erreichten entstanden kleine, bunte Feuerwerke.

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Leandra nahm Myl in ihre Hände.Du brauchst nicht traurig zu sein. Wir kommen ja wieder.Myl hielt sich an der Nase von Leandra und blickte ihr tief in die Augen.Dasselbe machte Jyl mit Jannis. Dann verpassten beide Feen ihren Schütz-lingen erneut einen Kuss diesmal aber auf die Nasenspitze und zerplatztendabei wie Seifenblasen. Sie waren verschwunden.Wir werden uns nach Eure Rückkehr wiedersehen, riefen sie den Kindern ausden Gängen des Hauses zu.Nervös begaben sich unsere beiden Zauberlehrlinge zum Arbeitszimmer vonPredun welcher mit General und all den anderen Professoren schon ungedul-dig gewartet hatte. Auch Piu war anwesend.Nervös, fragte Predun.Ja. Schon ein bisschen, antworteten die Kinder.Gut. Das ist sehr gut. Ich bin es auch. Ja, wir alle sind es.Prof. Korrov, Prof. Einstein und Prof. Triell gaben sich alle Mühe um ihreEmotionen in Grenzen zu halten, als sie sich von den Kindern verabschiede-ten. Dann drehten sich die Kinder zu Predun um sich auch noch von ihm zuverabschieden.Aber nein. Nicht doch. Ich werde Euch begleiten. Bis zur Hütte. Dort aberwerden sich unsere Wege trennen. Von da an seit ihr auf Euch alleine gestellt.Leider kann ich Euch ab diesem Zeitpunkt nicht mehr begleiten. Doch kannich Euch schon jetzt verraten, dass auch ich mich ins Schloss von Akara be-geben werde. Ich verspreche euch, dass ich alles unternehmen werde um eureAufgabe irgendwie zu erleichtern.Diese Worte aus dem Munde von Predun riefen bei den anderen Professorenblankes Entsetzen hervor. Das sich auch Predun ins Schloss von Akara bege-ben würde, kam für sie völlig überraschend. Davon hatte er ihnen kein Wortgesagt. Doch hielten sie ihre Bedenken, vor den Augen der Kindern, zurück.Was auch passieren mag, sagte Predun zu den Kindern, nehmt auf keinenFall Rücksicht auf mich. Eure Aufgabe ist es die fehlende Hälfte des Gralswiederzubeschaffen. Nichts anderes. Habt ihr mich verstanden?Ja!Am Ausdruck der Augen von Predun erkannten sie, wie ernst ihm seine Wor-te waren.Prof. Triell musste sich immer wieder die Nase schnäuzen. Eine einzelne Trä-ne lief ihr die linke Wange hinab. Sie wusste, was die Worte von Predunbedeuteten. Denn diesesmal würde Akara keine Milde walten lassen, solltesie ihn in die Finger kriegen. Doch vor allem sorgte sie sich um die Kinder.Die Schale. Wo habt Ihr sie, fragte Prof. Einstein.Sie muss noch im...Hier befindet sich der Schatz, antwortete General.

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Gerade eben hatte er den Gral aus der Truhe entnommen.Dein Fell ist ja wieder wie neu, sagte Leandra.Hab ich es euch nicht gesagt. Die paar Flammen konnten mir doch nichtsanhaben.Die Kinder umarmten General innig und dankten ihm für seine Hilfe.Wenn ihr wieder zurück kommt, gehen wir zusammen auf Mäusejagd.Gekonnt überspielte General seine Enttäuschung darüber, die Kinder nichtbegleiten zu dürfen. Gemeinsam verliessen sie nun das Dorf. Immer wiederdrehten sich die Kinder zurück um noch einen letzten Blick auf dieses Para-dies zu erhaschen. Am Schlossausgang angekommen, konnten sie schon vonweitem Walahfrid erkennen, wie er nervös vor dem Tor hin und her lief. Undwie er die Kinder sah, konnten ihn auch die Worte von Predun nicht mehrhalten, welcher ihm das Betreten des Schlosses ja verweigert hatte. Walahfridstürmte regelrecht auf die Kinder zu und umarmte sie innig.Endlich hab ich Euch wieder. Ich hab Euch richtig vermisst.Wir Dich auch.Dann sahen die Kinder wie sich sämtliche ihrer Komilitone aufgereiht hatten.Auf beiden Seiten des Weges bis weit hinaus zu den Klippen. Dort warteteein vertrauter Freund von Ihnen. Fuhuu. Dieser Anblick zauberte ein Lächelnauf die Gesichter der Kinder. Auch von Jerome und Delphin konnten sie sichverabschieden. Selbst Hilbert hatte sich mit seinen Freunden eingefunden.Wortlos blickte Jannis ihm in die Augen, als er an ihm vorbei lief.Auch Walahfrid verabschiedete sich nun von all den Professoren und bedank-te sich für das vorzügliche Essen, wobei er den Wein besonders hervorhob.Auch versicherte er ihnen, dass sie sich keine Sorgen zu machen bräuchten,denn für die Kinder würde er sein Leben einzusetzen. Wie recht er damithatte, konnte er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ahnen.Wortlos verabschiedete sich Predun von seinen Kollegen. Er übergab Prof.Triell ein Kuvert in welchem geschrieben stand, was zu tun wäre und vorallem wie die Schule weitergeführt werden sollte, falls er nicht wieder zurück-kehren würde. Ein letzter Blick in die Augen seiner Kollegen - und dann ginger seines Weges. Noch bevor Predun und Walahfrid bei Fuhuu angelangt wa-ren, kam aus heiterem Himmel Aatoss angeflogen.Wo hast Du solange gesteckt, fragte Predun.War immer in Eurer Nähe, mein Meister. Immer in Eurer Nähe.Dafür hatte Predun nur ein Kopfschütteln übrig.Dann war es so weit. Predun setzte sich auf Aatoss. Die Kinder und Walah-frid auf Fuhuu. Und im nächsten Moment erhoben sie sich auch schon hinausaufs offene Meer. Nach einer Ehrenrunde über dem Schloss verschwanden sieendgültig hinter dem Horizont. Auf dem gleichen Weg wie sie nach Tensoragekommen waren flogen sie wieder zurück. Doch diesmal stellte Fuhuu keinen

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neuen Rekord durch die 3 Schluchten auf. Er war traurig. Und nicht nur er.Warum will er denn zu Akara, ärgerte sich Prof. Korrov. Dies ist doch nichtseine Aufgabe. Vielleicht wird sie ihn diesmal...Er weiss schon was er tut, konterte Prof. Einstein. Was wäre schon sein oderunser aller Tod im Vergleich zum Tod der Kinder? Nein, Prof. Korrov, dies istsehr wohl seine Aufgabe. Ihr alle wisst, was Akara ihm angetan hat. Genausowisst ihr, welche Vergangenheit er mit Akara teilt. Ich kann seine Entschei-dung nur zu gut verstehen.Warum bringt Fuhuu die Kinder nicht näher zum Schloss von Akara, ärgertesich Prof. Triell.So kurz vor dem Fest hat Akara ihre Wachen sicher verzehnfacht, sagte Prof.Einstein. Da fällt doch alles auf, was sich dem Schloss nähert.Und was ist mit General, hackte Prof. Triell nach. Ich verstehe nicht, warumGeneral die Kinder nicht begleiten durfte.Da habt ihr absolut recht, antwortete General. Aber was soll man machen.Wenn die Erdgeister dies ablehnen so ist das eben so. Sie haben sicher ihreGründe.Dabei seid ihr der Einzige von dem ich weiss, dass er es gegen den Willenvon Akara geschafft hat, lebend aus deren Schloss zu kommen.Ein schwacher Trost. Ich hätte niemals mit meiner Frau dieses Schloss be-treten dürfen, seufzte General. Was war ich doch damals für ein Dummkopf.Ich kann sie nicht vergessen. Es raubt mir noch den Verstand. Ich drehe nochdurch, wenn ich noch länger so untätig bleibe. Falls den Kindern oder Predunwas zustossen sollte, so hält mich nichts mehr auf. Dann werde ich das tun,was ich schon längst zu tun geplant habe. Ja, das werde ich.Auf ihrem Weg zurück ins Hexenreich Pessora überlegte Predun lange, wieer sich von den Kindern verabschieden sollte. Denn er war sich bewusst, dassdies höchstwahrscheinlich ein Abschied für Immer sein würde. Er war hin undher gerissen. Letztendlich entschied er sich, den Abschied so kurz wie mög-lich zu halten. Dies machte er dann auch so. Als erstes verliess Fuhuu unterTränen die Kinder. Natürlich wählte er nun eine andere Route zurück nachTensora. Predun machte zur Sicherheit den Kindern nochmals klar, dass,wenn er jetzt Akara aufsuchen würde, sie sich in dem Schloss wahrscheinlichnicht treffen würden. Und dass sie auch nicht nach ihm suchen sollten. DieKinder und auch Walahfrid versprachen ihm dies. Doch nur Aatoss erkann-te, was dies im Kern bedeutete. Predun ging davon aus, dass er das Treffenmit Akara nicht überleben würde. Doch freundlich und lächelnd wie er sichgab, schöpften die Kinder keinerlei Verdacht. Selbst der Abschied zwischenihnen gestaltete Predun so, als ob sie sich in Kürze in Tensora wieder sehenwürden. Eine letzte Umarmung mit Aatoss und dann waren die Kinder undWalahfrid wieder alleine. Bevor Predun aber in das Schloss von Akara auf-

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brach, machte er sich auf den Weg zu den Erdgeister. Er wollte ihnen nochdie letzten Ereignisse, welche die Kinder im Spiegel erlebt hatten, mitteilen.Es waren nun auch für Aatoss schwere Stunden. Und zum ersten Mal, ja zumaller ersten Mal konnte Aatoss Tränen in den Augen von Predun erkennen.

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Kapitel 10

Das Schloss der Hexe Akara

Vor langer, langer Zeit galt Akara als die schönste Hexe im ganzen Univer-sum. Sie war so schön, dass viele Könige um ihre Hand anhielten. Ihr Haarwar golden und ihre Haut makellos. Manch einer hatte sie damals mit ei-ner Prinzessin verwechselt. Anfänglich freute sie sich an den vielen teurenGeschenken welche sie immer wieder von ihren Verehrern überreicht bekam.Damals schon hatte sie Hunger auf alles, geriet wegen allem in Verzückung,sofern es selten und kostbar war. Sie wollte von allen geliebt werden. AuchPredun war ihrer Schönheit verfallen und machte seine Aufwartung bei ihr.Obwohl er nicht reich war, verliebte sich Akara in ihn und er sich in sie. Ein-zig ihre Gier nach immer mehr Besitz belastete ihre Freundschaft sehr. Eswar ihr völlig egal, von wem die Geschenke kamen. Hauptsache sie waren sel-ten und teuer. Dies missfiel Predun, denn er merkte wie auch ihre Schönheitunter ihrer Gier mehr und mehr litt. Aber Akara konnte sich nicht beherr-schen. Ihre Gier nach mehr Macht und Besitz wuchs von Tag zu Tag und ihreSchönheit schmälerte sich von Tag zu Tag was sie regelrecht in einen Teufels-kreis versetzte. Als endlich auch Predun sie verliess wuchs ihr Hass auf allesLebendige dermassen, dass sie sich ausschliesslich mit dunkler Magie befass-te. Dies wiederum gefiel dem Teufel welcher, so wird sich erzählt, persönlichAkara einen Besuch abstattete und ihr ein Buch über die Schwarze Magiezum Geschenk machte. Bald darauf erlangte Akara ihre verloren gegangeneSchönheit wieder zurück. Jedesmal aber, wenn sie in Wut geriet, zeigte sie ih-re wahre Fratze und versetzte ihre Gegner schon alleine mit Ihrem Aussehenin Angst und Schrecken. Doch sie wollte noch mehr Macht. Und der Teufelwar bereit diese ihr zu übertragen. Der Preis den sie dem Teufel dafür bereitwar zu zahlen, war gross, sehr gross sogar. Sie versprach dem Teufel nichtsweniger als den Heiligen Gral. Für Hass und Zerstörung auf der Erde würdesie auch sorgen so ihr Versprechen. In Tensora war man zur Überzeugunggelangt, dass sich nun die gestohlene Hälfte des Grals sicher verwahrt hinter

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164 KAPITEL 10. DAS SCHLOSS DER HEXE AKARA

den 3 Toren des Todestraktes im Schloss von Akara befinden würde.Tausende von Menschen, welche von Akara’s Spione in ihr Reich gelockt wur-den und sich den Gefahren des Todestraktes aussetzten, wurden nie wiedergesehen.Nicht einmal Predun, welcher nun nach so langer Zeit wieder vor den Torendieses Schlosses stand, hatte jemals den Bereich des Todestraktes betreten.Müde von der langen Reise und auch belastet über die Äusserungen der Erd-geister, stieg er von Aatoss. Diesmal hatten die Erdgeister sehr besorgt aufdie jüngsten Geschehnisse der Kinder reagiert, welche sie in der Welt desSpiegels erlebt hatten.Lauf jetzt, guter Freund, sagte er zu Aatoss und streichelte ihn ein letztesMal am Kopf.Aatoss versuchte Predun’s Entscheidung erst gar nicht in Frage zu stellen.Er wusste, dass dies nichts ändern würde.Ich werde hier in der Nähe auf Euch warten, sagte Aatoss und lief weg.Nun stand er alleine vor den Toren dieses Schlosses. Er erkannte es kaum wie-der. Es kam ihm auf einmal so riesig vor. Ein richtiges Hexenschloss dachte ersich und zögerte einen Augenblick bevor er auf die Tore zuging. Diese öffne-ten sich von Geisterhand und als er eintrat traf er, im riesigen Vorgarten, auflauter fröhliche, lachende und schwatzende Gesichter welche er aus all denMärchengeschichten bestens kannte. Zu Tausenden hatten sie sich versam-melt um das Fest der Feste zu feiern. Den Frieden im Hexenreich Pessora. Ja,so lautete die Botschaft welche Akara auf ihrer Einladung all den Gästen zu-kommen lies. Das dieser Friede mit dem Tode aller geladenen Gäste erreichtwerden soll war die einzige Überraschung welche sich den Gästen auf dieserFeier bieten sollte. Predun trat in die Empfangshalle ein, die so riesig war,dass selbst er mit seinem aussergewöhnlichen Sehsinn Mühe hatte, das ande-re Ende der Halle zu erkennen. Gigantisch waren die Dimensionen. Überallgaben verschiedenste Zauberer aus der Märchenwelt ihre Zauberkünste zumBesten und versetzten so ihr Publikum ins Staunen. Doch wie einige unterihnen Predun erkannten, erstarrten sie beinahe. Predun war selbst in derZauberwelt längst zu einer Legende geworden. Denn er war einer der weni-gen Zauberer welcher sich zwischen den unendlich vielen Welten ungehindertfortbewegen konnte. Ganz zu schweigen von seiner Zauberkunst die ihresglei-chen suchte.Eure Hoheit! Eure Hoheit! Ihr werdet mir nicht glauben, wenn ich Euch sage,wer unter unseren Gästen weilt, sagte Oradess völlig aufgeregt als er Akarain ihrer Hexenhalle aufsuchte. Predun ist gekommen!Ich weiss, antwortete Akara während sie aus dem Fenster starrte.Dass Predun sie aufsuchen würde, nach all dem was Sie ihm angetan hatte,stimmte sie nachdenklich.

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Empfangt ihn! Los! Verschwinde, fauchte sie nun wieder im gewohnt rauenTon.Jawohl, Eure Majestät.Predun! Predun, rief sie ganz leise mit verführerischer Stimme in ihre Kris-tallkugel.Predun konnte seinen Namen, trotz des ganzen Rummels um ihn herum,ganz genau hören. Er lächelte ein wenig.Ich komme Akara. Ich bin gleich bei Dir.Nachdem er genau die Hälfte der riesigen Halle durchschritten hatte, lief erauf ein Tor zu, welches von zwei Gluonen bewacht wurde. Mit Lanzen ver-sperrten sie Predun den Weg.Hier ist kein Durchgang!In diesem Augenblick öffneten sich die Tore und Oradess trat hervor.Nehmt eure Lanzen weg, Schwachköpfe. Wisst ihr denn nicht wer das ist?Predun! Was für eine Freude Euch hier empfangen zu dürfen. Ich bin Ora-dess.Freude, sagte Predun. Ihr kennt Freude?Aber Predun, sagte Oradess, mit grinsendem Gesicht. Kommt doch. Aber sokommt doch. Eine alte Freundin möchte Euch treffen. Folgt mir. Bitte!Predun trat ein und mit einem mächtigen dumpfen Geräusch schlossen sichdie Tore hinter ihm. Nun stand er vor zwei mächtigen Treppentürmen welchein die oberen Etagen führten.Rechts, sagt Oradess. Bitte, die rechte Treppe.Was ist mit der linken Treppe? Früher führte sie noch zum gleichen Ziel?Die Zeiten haben sich geändert. Ich muss Euch davor warnen die linke Treppezu nehmen. Ich glaube, nicht einmal so ein grosser Zauberer wie ihr es seid,würde dass überleben.Lächelnd fügte er hinzu, das fast alle Qrigg’s, die Treppe zu ihrer Linkennehmen würden. Die Antwort auf das Warum blieb er schuldig.Predun wusste natürlich wohin diese Treppe führte. Erste Zweifel überkamenihn, ob ihre Idee, die Kinder an diesen Ort zu schicken, richtig war. Jetzt woer sich selbst in diesen Räumlichkeiten befand, konnte er das Böse nur allzu gut in jedem Winkel des Schlosses erkennen. Er ärgerte sich, dass er erstjetzt, wo es zu spät war, an seinem Plan, Akara zu überlisten, zweifelte.Was ist mit Euch? Wollt ihr mir nicht folgen, fragte Oradess höflich.Doch! Natürlich! Ich war nur etwas in Gedanken.Dass seid ihr Zauberer doch immer. Glaubt mir, ich weiss wovon ich spreche.Entlang der Treppe waren tausende Kerzen angebracht deren Flammen imGleichklang mit der Luftströmung umhertanzten.Es ist nun nicht mehr weit, sagte Oradess als sie oben angekommen waren.Geht bis zum Ende dieses Ganges. Es ist die letzte Türe. Die letzte Türe. Ich

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muss mich hier von Euch verabschieden. Die Gäste warten!Langsam ging Predun den Gang entlang. Er rechnete in jedem Augenblick,dass etwas passieren würde. An der Decke konnte er einiges an Ungeziefererkennen. Spinnen, Würmer, und ähnliches krochen wirr durcheinander. Undhie und da zischten rattenähnliche Tiere über die Wände um gleich wiederim Dunkeln der so zahlreichen Nieschen zu verschwinden.Predun! Predun!Immer wieder hallte sein Name durch den Gang.Geh voran. Ich erwarte Dich, rief ihm eine wunderschöne Frauenstimme zu.Dann ging die Tür vor ihm auf. Er betrat das Zimmer.Ich freue mich, dass du gekommen bist, sagte die Stimme. Aber noch konnteer niemanden sehen.Dann spürte er einen kalten Hauch im Nacken. Er drehte sich um und dastand sie. Akara - so schön wie sie war, als er sie kennenlernte.Du bist zurückgekommen. Nach so vielen Jahren. Wo bist Du gewesen? Washast Du gemacht? Erzähl es mir. Erzähl mir alles, hauchte sie ihm ins Ohr.Du weisst ganz genau wo ich war. Und du weisst auch, warum ich Dich auf-gesucht habe.Das tue ich nicht, sagte sie mit deutlich lauterem Ton.Und schon im nächsten Augenblick sprach sie wieder mit zuckersüsser Stim-me.Lassen wir doch die Vergangenheit vergangen sein. Was passiert ist, kannauch von uns nicht ungeschehen gemacht werden. Komm wieder zu mir. Ichhab all die Jahre auf Dich gewartet.Ich soll wieder zu Dir kommen? Ich hab Dich nicht ohne Grund verlassen.Ausserdem...sieh mich doch an...ich bin jetzt alt und blind, aber Du...Ach Predun. Alles ist Geheimnis, Spuk und Zauberei. Alles strebt seiner Er-füllung zu. Wer schaut schon auf Äusserlichkeiten, sagte sie und legte ihreArme um seinen Hals. Möchtest du denn nicht, dass es wieder so ist wiefrüher? Sehnst Du Dich denn nicht nach diesen Augenblicken zurück?Doch! Ja, das tue ich. Ich bleibe bei Dir, wenn Du mir dafür 2 Wünschegewährst.Ich Höre.Erstens, Du gibst die gestohlene Hälfte des Grals zurück. Und Zweitens, Duschickst all Deine Gäste wieder nach Hause.Nun, dass kann ich nicht, sagte Akara ganz ruhig und drehte sich zum Fens-ter.Du hast Dich nicht geändert, schrie Predun. Du willst alle ermorden, Du....Diese Worte reichten um Akara in rasende Wut zu versetzen. Wie eine Wahn-sinnige stürzte sie sich schreiend auf Predun. Sie würgte ihn und drückte ihnauf den Boden. Predun wehrte sich nicht. Er wusste, dass wenn er sich jetzt

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auf einen Kampf mit ihr einlassen würde, es um ihn geschehen wäre. NachLuft ringend, presste Predun ein paar Worte aus sich heraus.Wie ich sehe, hat Deine Schönheit während all den Jahren doch etwas gelit-ten.Akara blickte in den Spiegel an der Wand und sah ihre Fratze worauf sie solaut losschrie, dass alle Spiegel und Fenster im Raum zersprangen.Du hast mich wütend gemacht, schrie sie und schleuderte Predun in eineEcke.Während sie sich zu beruhigen versuchte, gelang es Predun den Raum zuverlassen. Aber anstatt dass er sich im Gang wiederfand, gelangte er in einenanderen Raum in dessen Mitte eine Glasvitrine mit der gesuchten Hälfte desGral’s stand. Predun ignorierte seine warnende Stimme im Kopf. Mittels ei-nes Zaubers zerstörte er das Glas der Vitrine. Er wartete einen Moment - aberalles blieb ruhig - dann griff er mit beiden Händen nach der Gral’s-Hälfte. Indem Augenblick bildete sich wie aus dem Nichts das Glas der Vitrine erneutund umschloss seine Hände. Predun hatte sozusagen gläserne Handschellenan. Er sprach mehrere Zaubersprüche um das Glas erneut zum Bersten zubringen, doch es war zwecklos. Was er auch unternahm, es zeigte keine Wir-kung.Ach Predun, hauchte Akara ihm ins Ohr und lachte genüsslich vor sich hin.Diese Vitrine ist ein Geschenk des Teufels. Mit Deinen Zaubersprüchen wirstDu dieses Glas niemals zum Bersten bringen. Der Teufel persönlich belegtesie mit einem Fluch. Und solange Du ein Gefangener der Vitrine bist, sindDeine Zauber wirkungslos.Inzwischen erstrahlte Akara wieder in ihrer alten Schönheit.Es freut mich, dass Du Dich wieder beruhigt hast, sagte Predun, welcherdamit über seine aussichtslose Lage hinwegzutäuschen versuchte.Das Glas hatte tief in seine Handgelenke geschnitten. Die Schmerzen warenenorm. Akara lächelte.Siehst Du, jetzt hast Du dich geschnitten. Du solltest mich etwas höflicherbehandeln. Oder weisst Du nicht mehr, wie man sich in Gegenwart einerKönigin benimmt? Ich freue mich schon auf Deine drei Gefährten. Hast DuIhnen etwa gesagt, sie würden die fehlende Hälfte des Gral’s hinter den 3Toren finden.Man konnte ihr die Freude an den Augen ablesen, während sie mit Predunsprach.Ohhhh, Predun, das wird ein Fest. Warum siehst Du mich auf einmal so Bö-se an? Hast Du gedacht ich wüsste über Deine 3 Gefährten nicht Bescheid?Du enttäuscht mich. Aber ich verrate Dir was ich mit diesen 3 speziellenFreunden vorhabe. Walahfrid werde ich gut Würzen und meinen Gästen alsDelikatesse zur Hauptspeise servieren lassen. Auf Leandra wartet mein damp-

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fender Suppentopf und Jannis wird bei lebendigem Leibe erfahren, wie es ist,an einem Spiess mit dem Feuer Bekanntschaft zu machen. Oder soll ich dieKinder als meine Sklaven halten? Was meinst Du? Keine Antwort! Ich werdemich wohl entscheiden müssen. Doch zuerst, wollen wir abwarten für welchenTreppenturm sie sich entscheiden werden.Wenn Du die Kinder anfasst...ich bringe Dich um, ich werde Dich....Was, schrie Akara. Siehst Du - Du bringst mich schon wieder in Rage. Dubist nichts weiter als ein Wurm.Mit einer leichten Handbewegung von Akara stülpte sich die Vitrine überPredun. Nun stand er innerhalb der Vitrine die Handgelenke immer noch imGlas festgeklemmt. Akara nahm die Gral’s-Hälfte vom Podest und hielt siePredun vors Gesicht.Dass hier, ist nur eine billige Kopie des Gral’s. Selbst darauf bist Du wie einSchuljunge reingefallen. Aber bald schon, sehr bald werde ich dank DeinerFreunde dass in Händen halten, wofür Du Dein Leben zu Opfern bereit bist.Wenn du alle tötest, wer bleibt Dir dann noch? Du wirst wieder ganz alleinesein.Wieder falsch! Mir scheint, Du warst zulange unter den Qrigg’s. Ich bin doch- kein Unmensch. Ich werde meine Gluonen, ein paar Diener, Dich und denganzen Abschaum was Du Menschen nennst als meine Sklaven wissen. Wiedu siehst, lieber Predun, werde ich ganz und gar nicht alleine sein. Ich werdeselbst dann, noch genügend Möglichkeiten haben, andere zu quälen.Weisst Du eigentlich, wie krank und verrückt Du bist?Darauf schnitt sich das Glas der Vitrine noch mehr in die Handgelenke vonPredun, welcher vor Schmerz laut aufschrie.Siehst Du, dass kommt davon wenn man dumme Fragen stellt. Schneid ihmdie Hände ab, wenn er sich zu befreien versucht, befahl Akara der Vitrine.Und wo ist dieser Nichtsnutz von einem Diener? Oradess !Einen kurzen Moment später erschien Oradess in gebeugter Haltung.Eure Hoheit! Ihr habt mich gerufen.Leg diese billige Kopie zu Raah. Wir wollen doch die Freunde von Predunnicht enttäuschen. Alle, wirklich alle halten diese Kopie doch tatsächlich fürdie echte Gral’s-Hälfte und laufen mutig in die Falle. Aber es hat auch wasGutes. So bekommt Raah hin und wieder Gesellschaft. Nicht wahr, Oradess?Herrin, ich......Was, fauchte Akara.Ich...Raah hat mir doch...Was? Was hat er? Na los, red schon, wir sind hier unter Freunden, nicht wahrPredun. Komm her! Zieh Deine Prothese aus.Als Oradess seine Handprothese abnahm, sah Predun dass die gesamte linkeHand fehlte. Bissspuren waren zu erkennen. Zurück blieb eine grosse, offene,

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eiternde Wunde.Sieh genau hin, Predun. Das war nicht ich! Dass war Raah! Es ist dem liebenOradess vor gut 7 Jahren passiert, da wagte er sich etwas zu nahe an Raahheran. Die Wunde schmerzt den lieben Oradess heute noch genauso, wie andem Tage, an dem Raah ihm die Hand abbiss. Sieh ihn Dir an. Hörst Duein Klagen von ihm? Und jetzt sieh Dich an. Du jammerst, wegen den paarKratzern und weil Du einen halben Liter Blut verloren hast. Du bist dochein grosser Zauberer Predun - also hilf Dir selber und jammere nicht wie einKind. Und Du, Du bringst diese billige Kopie zu Raah, fauchte sie Oradessan. Er freut sich bestimmt Dich wieder einmal zu treffen. Haaaahahahah.Ohne ein weiteres Wort zu verlieren verliess Oradess den Raum.Keine Angst, lieber Predun, wenn ich Dich Töten wollte hätte ich Dich dielinke Treppe hochsteigen lassen. Du musst mich jetzt Entschuldigen. Ich glau-be ich hab da noch eine nette Verabredung mit zwei Engelsgesichtern undeinem Geistlichen. Hahahahahaaaaaaaaaaaaaaaaa.Geradewegs lief Akara lachend auf die Mauer zu in welcher sie auch augen-blicklich verschwand. Oradess kam nach etwa einer halben Stunde schweiss-gebadet aus dem Todestrakt zurück. Nach Luft ringend steuerte er direktaufs Ausgangstor zu.Wo willst Du hin, schrie Akara welche urplötzlich von der Decke herab aufihn zugeflogen kam.Oradess stürzte vor Schreck die Treppen hinab.Eure Hoheit. Ich...ich wollte nur etwas frische Luft schnappen, ich...Steh auf! Hast Du getan, was ich Dir auftrug?Noch mehr Schweiss drang auf seine Stirn.Ja! Ja Herrin. Einzig der Schrecken über Raah macht mir zu schaffen.Du lügst doch nicht?Eure Hoheit! Nein! Niemals! Ihr könnt euch selbst überzeugen - die Gral’s-Hälfte ist in der Glasvitrine eingeschlossen. Ich...ich...Schweig! Ich werde mich hüten unserem guten Raah einen Besuch abzustat-ten. Am liebsten würde er mich töten, vegetiert er doch schon mehr als 500Jahre in diesem Verlies vor sich hin. Ja, 500 Jahre ist es her, als mir einerdieser nutzlosen Verehrer Raah zum Geschenk machte. Geht jetzt. Geht! Ihrseht zum Kotzen aus.Langsamen Schrittes begab sich Akara in ihre Gemächer. Längst war ihrklar, dass Predun einen entscheidenden Fehler begangen hatte. Denn fallsdie Kräfte dieser Auserwählten stärker sein würden als von ihr befürchtet,könnte sie Predun als Druckmittel einsetzen. So oder so - Sie war sich ihresSieges sicher.

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Kapitel 11

Der Todestrakt

Walahfrid und die Kinder konnten nun endlich, von einer Anhöhe aus, dasSchloss von Akara erblicken. Es war erschreckend schön. Die Ausmasse ge-waltig. Tensora hätte darin wohl 10 mal Platz gefunden. Das Schloss zog allein seinen Bann. Der Strom der Festbesucher zog sich über das ganze Tal hin-weg. Aus dieser Entfernung kam es ihnen so vor, als hätten sich Millionen vonAmeisen in Bewegung gesetzt. Natürlich hätten die Kinder bis in die Nähedes Schlosses fliegen können, doch nahmen sie sich die Worte von General zuHerzen. Sie wollten ihre Zauberei überlegt einsetzen. Ausserdem hätten sieWalahfrid wohl kaum so weit tragen können.Das es so viele Märchengestalten gibt, war mir nie bewusst, sagte Leandra.Unauffällig mischten sie sich, als vermeintliche Festbesucher, unter die Masseund bewegten sich zusammen mit ihr ins Schloss.Wir sollten sie alle warnen, sagte Walahfrid.Ich glaube dass wäre keine gute Idee, entgegnete Jannis.Wer würde uns dieseverrückte Geschichte schon glauben. Ausserdem müssen wir zuerst an unse-ren Auftrag denken.Jannis hat absolut Recht, pflichtete ihm Leandra bei. Im Übrigen hätte Pre-dun längst alle gewarnt, wenn es was bringen würde.Diese Worte der Kinder überzeugten auch Walahfrid. So unauffällig wie nurmöglich bewegten sie sich auf die Empfangshalle zu. In der Halle angelangtbrauchte es eine Weile bis die Kinder fanden nach was sie suchten. Dennimmer wieder wurden sie von den seltsamsten Wesen aus der Märchenweltabgelenkt und gegrüsst. Und als ein einäugiges Monster seine Pranke aufdie Schulter von Walahfrid legte rutschte diesem sogleich das Herz in dieHose. Sie mussten schleunigst aus dieser Halle verschwinden, bevor man sieüberführen würde. Wie von General beschrieben befand sich in der Mitte derEmpfangshalle ein goldenes Tor. Was sie natürlich nicht wissen konnten, war,das nur Stunden zuvor Predun genau dieses Tor passiert hatte.

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172 KAPITEL 11. DER TODESTRAKT

Da müssen wir rein, sagte Jannis.Und was ist mit den Wachen? Wie kommen wir an den Wachen vorbei?Die Kinder lächelten. Sie murmelten ein paar Worte, zogen kleine Handbe-wegungen und schon kam ein Schwarm Bienen angeflogen welcher sich gierigauf die Wachen stürzten. Diese Gelegenheit nutzten sie um durch das Tor zugelangen.Predun, dass musst Du Dir ansehen, rief Akara, als sie mit einer Glaskugelin der Hand den Raum betrat, wo er gefangen gehalten war. Sieh doch...siehdoch nur. Deine Schüler haben meine Wachen ausgetrickst. Hast Du ihnenein paar Zaubertricks beigebracht? Die Glaskugel lass ich Dir hier. Du bistbestimmt genauso neugierig wie ich, wie sich Deine Freunde durchschlagenwerden.Du bist krank. Ich verfluche den Tag an dem ich Dich kennenlernte.Ja was hast du denn auf einmal? Gefällt dir mein Spielzeug nicht? In EurerWelt bezahlen doch die Menschen für eine Liveberichterstattung. Du kannstes ja mit Daumendrücken versuchen, grosser Zauberer. Sieh doch! Jetzt ent-scheiden sie sich für eine der Treppen. Was meinst Du? Links oder Rechts?Wenn sie sich für die rechte Treppe entscheiden, landen sie in meinem Koch-topf. Und wenn...der Geistliche hat entschieden! Links! Sie steigen die linkeTreppe empor. Ohhh - ich ahnte ja gar nicht wie herrlich dieser Tag werdenwürde. Wie soll ich mich nur bei Dir Bedanken. Die Drei werden eine MengeSpass haben, dass kann ich Dir jetzt schon versprechen.Lachend, wie eben nur eine Hexe zu Lachen imstande ist, verschwand Akaraauch schon wieder durch die Schlossmauern.Kehrt um, bettelte Predun auf die Kugel ein. Kehrt doch um.Es brach ihm das Herz, dass er in diesem Moment so machtlos war. Unter denjetzigen Umständen, wo Akara über die Kinder genauestens Bescheid wussteund sich hinter den Toren nur eine Kopie des Gral’s befand, war das Be-treten des Traktes glatter Selbstmord. Aber Walahfrid, Jannis und Leandrawussten von alle dem nichts. Und so liefen sie ihrem Schicksal entgegen.

11.1 Der Limbus

Die Treppe führte sie direkt auf eine massive Holztüre. Schon alleine ihr An-blick war gespenstisch.666, sagte Walahfrid.Fragend drehten sich ihm die Kinder zu.Die Anzahl der Stufen meinte ich - es sind genau 666. Seltsam nicht?Unberührt von den Worten Walahfrid’s, richteten die Kinder ihre Augen wie-der nach vorne.

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11.1. DER LIMBUS 173

Das Mauerwerk rund um die Türe war spröde und seltsamerweise konnten sievon dieser Position aus, die Zwillingstreppe nicht mehr sehen. Einige Stufenzuvor, war sie noch zum Greifen nah. Die Holztüre betrachtend bemerktensie, dass ein Türgriff fehlte. Einzig ein Türklopfer war angebracht. Der Tür-klopfer zierte als Nasenring den menschenkopfähnlichen Beschlag an welchemer befestigt war. Im ersten Moment wirkten sie unentschlossen. Einerseitsschreckten sie sich vor dem Unbekannten dass sie erwartete, andererseits warder Drang nach der tiefen inneren Zufriedenheit, sollte das Vorhaben gelingenriesig. Letzten Endes siegte die Neugierde. Als Walahfrid mit dem Türklopferkräftig gegen die Türe klopfte, erwachte der Menschenkopf zu Leben.Ahhh. Endlich! Gäste! Ich freue mich immer über ein paar neue Gesichter.Willkommen. Ich bin der Wärter des Limbus. Bitte! Eure Namen? Wie lau-ten Eure Namen?Die Türe kann ja sprechen, sagte Jannis völlig verblüfft.Natürlich kann ich dass! Was bist denn Du für einer? Und was ist jetzt mitEuren Namen? Ich brauche Eure Namen. Ihr habt doch welche?Natürlich haben wir Namen. Ich bin Walahfrid.Ich heisse Leandra.Und mein Name ist Jannis.Und ihr seid auf der Suche nach dem Heiligen Gral?Ja! Woher wisst ihr dass, fragte Leandra.Ach weisst Du, eigentlich alle welche meine Schwelle übertreten wollen, su-chen den Gral. Die wenigsten habe ich je wieder gesehen. Um genau zu sein,habe ich noch nie jemanden wieder zu Gesicht bekommen, welcher dieseSchwelle übertreten hat. Ich sag es jedesmal, aber niemand will mir glauben.Was will Euch niemand glauben, hackte Leandra nach.Das eine Tür nicht bloss eine Türe ist. Sie ist, wie eine Seite aus einem frem-den Buch. Man weiss nie, was einen auf der anderen Seite erwartet. Nur wersich dessen bewusst ist, darf passieren.Das ist alles, fragte Jannis. Wir dürfen passieren, wenn wir Euch sagen, dasswir uns bewusst sind, dass eine Türe nicht bloss eine Türe ist?Schlaues Bürschchen. Du hast es erfasst. Aber ich warne Dich, nicht alles wasam Anfang so leicht aussieht, ist es am Ende auch.Walahfrid und die Kinder sahen sich ein wenig verdutzt an.Wir sind uns dessen bewusst, antworteten sie.Um an Euer Ziel zu gelangen, müsst Ihr 3 Tore passieren. Das erste Tor stehtEuch nun offen. Willkommen im Limbus.Und schon öffnete sich die Türe und gab Einblick in eine komplett leere Hal-le, an deren Ende wiederum eine Türe war.Limbus - der Name gefällt mir ganz und gar nicht, sagte Walahfrid.Warum denn nicht, fragte Jannis.

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174 KAPITEL 11. DER TODESTRAKT

Mit Limbus bezeichnet man den äusseren Kreis der Hölle.Ich dachte immer diesen Teil bezeichnet man als das Fegefeuer, sagte Jannis.Also wenn das Pfarrer Paulus gehört hätte! Das Fegefeuer ist ein Teil desHimmels, sagte Leandra belehrend.Sehr richtig, antwortete Walahfrid. Die meisten Menschen verwechseln dies.Wartet hier. Lasst mich zuerst nachsehen.Nachdem sich Walahfrid versichert hatte, dass im Raum nichts ungewöhnli-ches vorhanden war, rief er die Kinder zu sich.Mit einem satten Geräusch, welches in der Halle als Echo mehrmals zu hörenwar, fiel die Türe wieder ins Schloss. Walahfrid zuckte vor Schreck zusammen.Ganz kleine Fenster waren hoch oben in dem aus Steinblöcken bestehendemRaum angebracht. Und die Wände waren spiegelglatt. Dies kam Jannis selt-sam vor. Sonst fiel aber auch ihm nichts aussergewöhnliches auf. Walahfridwar schon fast bei der anderen Türe angelangt, als die Kinder noch nicht ein-mal die Hälfte des Raumes durchschritten hatten. Plötzlich fingen die Wändean zu beben und von der Decke lösten sich vereinzelt Steine. Die Kinder blie-ben sofort stehen.Was geht da vor, schrie Leandra. Was passiert hier?Ich weiss nicht...Kinder ich....Dann wurde es wieder völlig still. Walahfrid wischte sich den Schweiss vonder Stirn.Ich glaube es ist vorbei. Dass war nichts. Kommt jetzt.Doch dann begann das Beben von Neuem. Nur noch stärker und vor denAugen Walahfrid’s tat sich der Boden unter seinen Füssen auf. Der gesam-te Steinboden bekam Risse und erste Teile davon begannen in die Tiefe zustürzen.Zurück Kinder. Zurück! Hier fällt alles in sich zusammen.Die Kinder rannten zurück zur Türe, aber da war keine Türe mehr, sie warverschwunden.Die Türe - Walahfrid - die Türe ist nicht mehr da, schrie Leandra.Dass ist das Ende, dachte sich der Abt. Und schon im nächsten Augenblickstürzte er schreiend in die Tiefe.

Wir müssen ihn retten, schrie Jannis. Zusammen können wir es schaffen.Die Kinder gingen sofort in den Sturzflug über. Mit rasendem Tempo nähertesich Walahfrid einem Sumpf voller Krokodile. Er hielt sein Kreuz und schlossdie Augen wie er seinem Ende entgegensah.Ich hab ihn!Ich auch. Und los!Mit aller Kraft versuchten die Kinder Walahfrid an der Kaputze wieder nachoben zu ziehen. Doch dann riss zu allem Unglück auch noch die Naht der

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11.2. LABYRINTH 175

Kaputze. Worauf Walahfrid abermals in die Tiefe stürzte.Schnell! Zurück, schrie Leandra.Derweil riss ein Krokodil schon mal das Maul auf und auch die anderen Rep-tilien hofften auf eine fette Mahlzeit und brachten sich in Position. In letzterSekunde gelang es den Kindern Walahfrid an den Händen zu fassen und ret-teten ihn vor dem sicheren Tod.Danke Kinder! Danke, sagte Walahfrid völlig ausser Atem. Ihr habt mir dasLeben gerettet. Gott war dass knapp.Die Angst war Walahfrid ins Gesicht geschrieben. Während sie in der Luftschwebten, sahen sie, dass die Türe welche aus dem Raum hinausführte nochexistierte. Die Fenster hingegen waren viel zu klein um durch sie nach aussenzu gelangen. Somit blieb ihnen nur der Weg durch das nächste Tor.

11.2 LabyrinthAls Jannis den Türklopfer der zweiten Türe betätigte erwachte auch hierder metallene Beschlag zu Leben. Und wieder zeigte sich ein Menschenkopf,welcher, abgesehen von den vielen Narben und seinen erschreckend dunklenAugen, eine gewisse Ähnlichkeit mit dem vom ersten Tor aufwies. Langsamund mit tiefer Stimme sprach er folgenden Worte.

Ihr kamt, oh Fremde, nun erst durchs erste Tor.Im Limbus ward ihr freundlich aufgenommen.

Ihr scheint uns wert, ein Tor weiter zu kommen.

Freundlich aufgenommen, schrie Walahfrid. Ich bin fast um mein Leben ge-kommen!Das Tor öffnete sich. Jannis und Leandra konnten endlich Walahfrid abset-zen, dessen Last sie ohnehin nicht länger hätten tragen können. Vor Ihnentat sich ein grosser Wald auf. Ein schmaler Weg führte sie direkt mitten inden Wald hinein. Knapp oberhalb der Baumspitzen, befand sich eine dickeWolkendecke welche sich nicht wegzaubern liess. Fliegen würde sie hier nichtweiterbringen. Was ihnen im Limbus also noch das Leben rettete, nützte ih-nen im Labyrinth nichts. Sie mussten zu Fuss weiter.Und wie sie dem Wald näher kamen, konnten sie Nager, Rehe ja sogar Vögelerkennen. Und mit einem lauten Geräusch kündigte auch diese Türe an, dasssie nun geschlossen war. Und auch diese Türe verschwand im Nichts.Ich habe Angst, sagte Leandra.Da bist Du nicht alleine, antwortete Walahfrid welcher sich inzwischen wie-der gesammelt hatte.Uns passiert schon nichts. Wir müssen nur die nächste Türe finden, sagte

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176 KAPITEL 11. DER TODESTRAKT

Jannis. Er hat von Dreien gesprochen. Zwei haben wir ja schon geschafft.Jannis spürte, dass ihm seine neue Rolle in der er sich nunmal befand, Freudebereitete. Er griff in die Seitentasche und streifte mit seinen Fingern über dieSchale. Er war bereit. Entschlossen lief er voran. Und schon bald befanden siesich mitten in diesem äusserst dichten Wald. Nachdem sie schon eine ganzeWeile unterwegs waren, kamen sie an einen Punkt wo sich der Weg in dreiPfade aufteilte.Und jetzt? Welchen sollen wir nehmen, fragte Leandra.Ich weiss nicht, antwortete Jannis. Mein Gefühl sagt mir, keiner ist ohne Ge-fahr. Nehmen wir den mittleren Pfad. Was meint ihr?Links. Ich bin für den linken Pfad, meinte Walahfrid.Leandra zuckte gleichgültig mit ihren Schultern.Dann also links, sagte Jannis.

11.2.1 Pfad links

Je länger sie auf diesem Pfad entlanggingen, desto unheimlicher wurde er.Überall lagen Knochen. Von Tieren wie auch von Menschen. An Pfählen auf-gespiesste Tierköpfe säumten den Pfad. Nebelfetzen schleichten umher. Im-mer weniger Licht vermochte die dicke Wolkendecke zu durchdringen. Und jetiefer sie, dem Pfad folgend, in den Wald vordrangen, desto trostloser wurdeder Ort.Walahfrid umklammerte das Kreuz welches er von Kardinal Paulus bekom-men hatte.Vielleicht sollten wir doch besser einen anderen Weg nehmen, stammelte er.Noch ist ja nichts passiert, sagte Jannis. Lasst uns weitergehen.Eine ganze Weile später wurde urplötzlich alles still. Selbst die Vögel ver-stummten. Walahfrid und die Kinder blieben stehen. Absolute Stille. Jannisdrehte sich um und sah nach Leandra. Er traute seinen Augen kaum was erdann sah. Eine riesige Spinne sprang von einem Ast eines Baumes direkt aufden Kopf von Leandra.Was ist das Jannis? Sag mir was sich da auf meinen Kopf befindet!Nicht bewegen, schrie Walahfrid. Da...da ist eine riesige Spinne auf DeinemKopf!Nun aber war Leandra kaum noch zu halten. Sie schrie und schüttelte ihrenKopf so heftig wie sie nur konnte aber die Spinne hatte sich festgeklammert.Nacheinander krabbelten und sprangen nun an die Hundert weitere Spinnenvon den Bäumen. Leandra wusste sich fast nicht mehr zu helfen. Endlichrannte Walahfrid auf sie zu, packte die Spinne auf ihrem Kopf und riss sieauseinander.

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Dabei floss all das Blut der Spinne, eine grün-gelbliche Flüssigkeit, über Le-andra’s Kopf. Das Gekreische der Spinnen trieb die Kinder beinahe zumWahnsinn. Doch dann - endlich - gelang es Ihnen ihre Angst zu überwindenund ihre Zauberkräfte zu mobilisieren. Ohne Mühe machten sie sämtlicheSpinnen mitsamt anderem Ungeziefer unschädlich. Der Ort glich nun einemSchlachtfeld. Die wieder eingekehrte Ruhe war allerdings nur von kurzer Dau-er. Erneut drangen aus den Tiefen des Waldes grässliche Geräusche zu ihnenhervor. Schnell näherkommend.Oh nein, flüsterte Walahfrid.Aus dem Inneren des Waldes kamen nun die Muttertiere herangekrabbelt.Noch grösser und vor allem gefährlicher.Zurück. Schnell! Wir müssen sofort zurück zur Weggabelung, schrie Walah-frid.Völlig ausser Atem kamen sie an der Weggabelung an. Glücklicherweise warvon den Spinnen nichts mehr zu sehen.In der Nähe der Gabelung verlief ein Bach. Leandra hielt immer wieder ihrenKopf unter Wasser bis auch der letzte Tropfen des Spinnenblutes aus ihrenHaaren gewaschen war. Erleichtert aber erschöpft setzte sie sich ins Gras.Du kannst mein Taschentuch nehmen um Dir die Haare zu trocknen, sagteWalahfrid. Es ist...es ist ungebraucht.Danke! Und Danke, dass ihr die Spinne von meinem Kopf gerissen habt. Ichbin aus Angst beinahe gestorben.Sichtlich stolz, auch ohne Zauberkräfte einen Beitrag geleistet zu haben, ge-noss Walahfrid die Worte von Leandra. Erneut fasste er nach dem Kreuz. Erwar sich sicher, dass er nur dank Hilfe von höchster Stelle die Kraft hatte,diese unmögliche Situation vorhin zu meistern.

11.2.2 Pfad mitte

Die erste Wahl von Jannis fiel auf den mittlere Pfad, sagte Walahfrid. Wasmeint ihr? Wollen wir den mittleren Pfad wählen?Leandra überlegte kurz.Eigentlich müssten wir jetzt den rechten Pfad wählen.Walahfrid und Jannis sahen Leandra fragend an.Wie kommst Du denn darauf, fragte Jannis.Kannst Du dich nicht mehr erinnern. Das Ziegenproblem. Davon hat unsFrau Steiner einmal erzählt.Ich verstehe kein Wort, sagte Walahfrid.Das Ziegenproblem geht folgendermassen. Einem Kandidaten stehen 3 Türenzur Auswahl. Hinter einer dieser Türen befindet sich eine Ziege. Der Kandi-dat weiss natürlich nicht hinter welcher. Dann wählt der Kandidat eine der

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Türen. Sagen wir die mittlere. Darauf geht der Quizmaster her und öffneteine der anderen Türen hinter welcher sich aber nicht die Ziege befindet. DieFrage lautete nun, wäre es für den Kandidaten von Vorteil wenn er nun vonseiner ersten Wahl abrücken und die andere noch verbleibende Türe wählenwürde.Und, fragte Walahfrid neugierig. Hätte er seine Wahl überdenken sollenoder...Ja, antwortete Leandra. Die Wahrscheinlichkeit dass er richtig liegt verdop-pelt sich, wenn er von seiner Wahl abrückt.Alle Achtung. Solche Dinge hab ich zu meiner Schulzeit nicht gelernt. An-dererseits müssen wir berücksichtigen, dass der mittlere Pfad die erste Wahlvon Jannis war. Hmmm. Ich hab eine Idee. Wir ziehen Strohhalme. WennLeandra gewinnt, machen wir es so, wie sie gesagt hat.Walahfrid nahm zwei Strohhalme in die Hand und Leandra zog einen davon.Als Walahfrid die Hand öffnete und Leandra diesen Halm mit dem ihrigenverglich, war sie ein bisschen perplex.Aber, die sind ja beide gleich lang?Wie? Ach so - ja natürlich. Ausgerechnet mir passiert sowas!Die Kinder mussten darüber herzlich lachen. Walahfrid war die Situationsehr peinlich.Lasst gut sein, sagte Leandra. Ich schliesse mich dem mittleren Pfad an.Also dann, sagte Jannis. Mal sehen was uns hier erwartet.Auch dieser Weg war mit Knochenteilen übersäht. Dichte Nebelschwadenzogen über die Landschaft. Anfangs konnten sie keine 10 Meter weit sehen.Schon bald hatten sie den Wald verlassen was sie aufgrund des Nebels garnicht bemerkten.Lasst mich vorangehen, sagte Walahfrid. Aufgrund der Lage meiner Abtei,musste ich mich schon etliche Male durch den Nebel kämpfen. Ich hab alsoschon etwas Erfahrung damit. Folgt mir einfach, dann kann Euch nichts pas-sieren. Bleibt dicht hinter mir.Zügig lief Walahfrid voran. Der Nebel wurde immer dichter. Die Sicht ver-ringerte sich auf wenige Meter.Erst jetzt fiel den Kindern wieder ein, was sie bei General gelernt hatten.Dass musste doch auch bei diesem dichten Nebel funktionieren. Und tat-sächlich. Sie spürten förmlich wenn sie neben einem Baumstumpf oder einemgrossen Findling vorbeiliefen. Es machte ihnen sogar Spass, was ein paarLacher auf ihre Gesichter zauberte. Walahfrid hingegen war so konzentriertdarauf, sicher durch diese Nebelsuppe zu kommen, dass er dieses Intermezzoder Kinder gar nicht bemerkte. Doch nun wurde es immer düsterer. Es warbeinahe Nacht. Die Nebelschwaden zogen in verschiedensten Farben vor ihrenAugen vorüber. Weisse, dunkelblaue ja sogar grüne Nebelschwaden zeigten

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sich ihnen. Seltsame Geräusche drangen von allen Seiten an sie heran. Undwie sich Walahfrid umdrehte, schien es ihm, als ob sich irgend etwas aufsie zubewegen würde. Davon angetrieben lief nun Walahfrid immer schnellervoran. Mit einem Male wurde der Druck auf die Stirne der Kinder so stark,dass es schmerzte. Sie wussten nicht was es zu bedeuten hatte, aber auf jedenFall war Gefahr im Anzug.Stopp, schrie Jannis.Die Kinder griffen nach Walahfrid und konnten diesen gerade noch vor demSturz in einen riesigen Canyon bewahren. Mit dem halben Körper über derAbrisskante konnten sie ihn nur unter grösster Mühe zurückhalten. Völliggeschockt fiel Walahfrid zu Boden.Oh mein Gott. Das war knapp. Jetzt habt ihr mir schon zum zweiten Maldas Leben gerettet. Oh mein Gott - war dass knapp.Es dauerte einige Minuten bis sich Walahfrid erholt hatte. Inzwischen hattesich der Nebel etwas gelichtet und sie konnten das wahre Ausmass diesesCanyon erkennen. Mit einem Wort. Gewaltig. Sie schätzten dass es von derAbrisskante gegen 1000 Meter in die Tiefe ging. Walahfrid traute sich aufkeine 10 Meter an diese Abrisskante mehr heran. Den Kindern hingegen schi-en der Blick in den Abgrund nichts anhaben zu können.Eines ist auf jeden Fall klar, sagte Walahfrid. Ihr Zwei seid Schwindelfrei.Soviel steht fest.Und wie sich der Nebel weiter lichtete zeigten sich auf einem Felsvorsprungdie ersten Umrisse eines grossen Gebäudes.Eine Kirche, sagte Jannis verwundert.Walahfrid, war nun im Nu wieder auf seinen Beinen. Er wollte kaum glaubenwas er da sah.Ein - Unglaublich - war das einzige Wort, was er in diesem Moment überseine Lippen brachte.Die alten Gemäuer einer Kirche kamen zum Vorschein. Die Erosion hattedem Gebäude schon stark zugesetzt. Doch es war unverkennbar eine Kirche.Sie befand sich auf einem Felsvorsprung welcher weit in den Canyon hinein-ragte. Eine uralte, klapprige, schmale Hängebrücke aus Holz war die einzigeMöglichkeit zur Kirche zu gelangen.Und dann hörten sie Musik. Wunderschöne Chormusik drang an ihre Ohren.Ich...ich kenne diese Musik, sagte Walahfrid. Das...das...das kann kein schlech-ter Ort sein.Das ist eine Falle, rief Jannis. Walahfrid!Doch der Abt lief, hypnotisiert vom Chorgesang, über die Brücke auf dieKirche zu. Selbst der Canyon war plötzlich kein Hindernis mehr.Wir müssen ihm nach, sagte Leandra.Aber das ist eine Falle, wiederholte sich Jannis. Kennst du die Geschichte

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von Odysseus nicht. Auch er folgte dem Gesang der Sirenen und...Hier geht es nicht um Odysseus! Ich lasse Walahfrid nicht alleine.Warte! Leandra! Leandra! Ich komm ja schon.Als sie über die Hängebrücke liefen kamen ihnen erste Zweifel, über ihreangebliche Schwindelfreiheit. Je mehr sie in die Tiefe starrten, desto unwoh-ler wurde ihnen. Vor lauter Aufregung verschwendeten sie keinen Gedankendaran, dass sie dieses Hindernis mittels ihrer Flugkünste problemlos hättenbewältigen können. Endlich waren sie am Felsvorsprung angelangt. Jannisbemerkte sofort, dass der Friedhof geschändet war.Sieh doch! Die Gräber sind geöffnet.Leandra klammerte sich an seine Hand. Und wie sie das Tor zur Kirche öff-neten blieben sie wie angewurzelt stehen. Die Dimensionen der Kirche warengigantisch. Auf dem Altar bewegte sich etwas. Doch konnten sie nicht erken-nen was es war. Die Distanz war zu gross.Psssssst! Kommt her! Schnell! Die Kirche ist entweiht. Die Gräber - sie sindgeöffnet und die Kreuze wurden verkehrt aufgehängt. Die Kirche wurde ent-weiht, wiederholte sich Walahfrid. Wir sollten wieder umkehren. Wir könnenhier nicht bleiben. Wir dürfen hier nicht bleiben. Das ist ein verwunschenerOrt.Doch dann begriff Jannis, dass sie gar keine Wahl hatten als sich auch dieserAufgabe zu stellen.Umkehren? Ich glaube, dass würde nicht viel ändern. Wir werden solange dasdritte Tor nicht finden, als bis wir uns sämtliche Aufgaben gestellt haben.Wir haben keine Wahl. Euer Entscheid, die Kirche zu betreten war richtig.Im Schloss starrte Predun gebannt in die Glaskugel. Er wusste nicht, wasihn mehr schmerzte. Sein Unvermögen den Kindern zu helfen oder aber seinEntscheid, der die Kinder erst in diese missliche Situation gebracht hatte.Schuldgefühle überkamen ihn. Sie drohten ihn innerlich zu zerfressen. Miteinem breiten Grinsen erschien Akara auf der Glaskugel. Sie blühte richtigauf als sie Predun so elend und resignierend vor sich sah.Du schon wieder. Warum bringst Du es nicht zu Ende. Töte mich.Aber warum denn, tapferer Zauberer. Deine Zauberlehrlinge bereiten mirFreude genug. Warum also sollte ich Dich Töten? Hast Du die Worte deskleinen Jannis gehört? Ich bin überwältigt. Wie klug die Kinder doch sind.Was meinst du, wie lange werden sie überleben?Du krankes Miststück. Ich verfluche Dich.Aber Predun, sagte Akara erfreut, Du willst mich doch jetzt nicht wiederärgern. Am Ende verlierst du noch Deine Hände und dann könnte ich Dichselbst als Sklave nicht mehr gebrauchen. Dabei müsste ich Dir eigentlichdankbar sein. Schon lange hatte ich nicht mehr solch einen schönen Tag. Ichbin richtig aufgeregt. Ich kanns gar nicht erwarten, wie die kleinen Racker die

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nächste Aufgabe lösen wollen. Ach, ich würde wirklich zu gerne mit Dir nochlänger Plaudern. Doch die Arbeit ruft. Lange dauert es nicht mehr und dannsind alle Gäste welche ich eingeladen habe, in der Halle versammelt. DieserTag, Predun, dieser Tag wird in die Geschichte eingehen. Also geniesse ihn.Ich tue es auch.

Inzwischen liefen die Kinder undWalahfrid den Gang zwischen den Kirchbän-ken entlang in Richtung Altar. Der Chor war auf beiden Seiten des Kirchen-schiffes aufgereiht. Immer noch sangen sie dieses wunderschöne Kirchenlied.Alle trugen lange graue Mäntel mit Kaputzen welche ihre Gesichter vollstän-dig verdeckten. Je näher sie an den Altar kamen, desto klarer wurde ihnen,dass dies kein Altar sondern ein Opfertisch war. Und nun erkannten sie auch,was auf dem Opfertisch lag. Es war ein Lamm. Die Beine gefesselt, stram-pelte es vor sich hin und schrie jämmerlich.Walahfrid zückte sein Brotmesser, welches für ihn schon manch nützlicheAufgabe gelöst hatte, und schnitt die Fesseln durch.Der Chor, sagte Jannis. Hört ihr?Ich höre nichts, antwortete Leandra.Genau das meine ich ja. Er singt nicht mehr.Inzwischen hatte Walahfrid eine Entdeckung gemacht die ihm das Blut inden Adern gefrieren liess.Was ist mit Euch, fragen die Kinder.Walahfrid zeigte auf drei Särge welche hinter dem Opfertisch aufgestellt wa-ren. Auf den Särgen stand mit fetten Lettern jeweils ein Name geschrieben.Ihre Namen. Unbemerkt von Walahfrid und den Kindern, hatten sich dieChorsänger inzwischen in Vampire verwandelt und schwebten nur wenigeMeter entfernt, über ihren Köpfen.Leandra erblickte als Erste diese Missgeburten aus der Hölle und schrie solaut wie sie nur konnte. Sofort suchten die Drei Schutz hinter dem Opfer-tisch. Walahfrid war so breit, dass er sehr leicht zum Greifen war. Die Vam-pire zerrten ihn als erstes hervor. Schreiend und mit seinen Händen wehrendversuchte er zu entkommen. Vergeblich. Und wie die Vampire zum Biss inseinen Hals ansetzten, wichen sie augenblicklich zurück. Das Kreuz retteteWalahfrid erneut das Leben. Mit voller Wucht wurde er von den Vampirengegen die Kirchbänke geschleudert. Derweil machten sich andere Vampire andie Kinder heran.Was sollen wir machen, fragte Leandra mit zittriger Stimme.Ich weiss es nicht, ich...Was ist mit der Schale?Leandra hat Recht, dachte sich Jannis und nahm die Schale aus seiner Ta-sche. Wann wenn nicht jetzt sollten wir sie verwenden. Aber wie?

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An der Wand entdeckte Leandra ein Gefäss.Vielleicht haben wir Glück und darin befindet sich Weihwasser. Was meinstDu?Gut! In Ordnung. Auf Drei. Eins, Zwei und los.Wie zwei Pfeile schossen die Kinder hinter dem Opfertisch hervor. Leandratauchte ihre Hände in das Gefäss und schleuderte das Weihwasser in die Ge-sichter der drei Vampire welche sich gerade auf sie stürzen wollten. Unterentsetzlichem Geschrei verbrannten diese Monster vor ihren Augen. Jannistauchte nun die Schale ins Weihwasser und konnte die gewaltige Kraft spürenwelche nun von dieser Schale aus, durch seinen Arm, seinen Körper, ja sogardurch den ganzen Raum floss.Er drehte sich um und schleuderte das Weihwasser durch die Luft. Explosi-onsartig verteilte sich die Flüssigkeit im Inneren der ganzen Kirche. Alles wassich darin befand wurde vom Weihwasser benetzt. Dies war das Todesurteilfür alle Vampire.Einige explodierten andere verbrannten. Alle starben einen entsetzlichen Tod.Sodann eilten die Kinder Walahfrid zu Hilfe. Doch abgesehen von einigen,tiefen Kratzern und Blessuren trug er erstaunlicherweise keine ernsthaftenVerletztungen von dem Kampf mit diesen Bestien davon.Als sich alle etwas erholt hatten malte Walahfrid den Kindern und sich selbstein Kreuz mit Weihwasser auf die Stirn. Dann sprach er ein paar Gebete, wel-che, wie er sagte, auch an so einem entweihten Ort wie diesem ihre Wirkungnicht verfehlen würden. Und so verliessen sie die Kirche zusammen mit demLamm welches, nachdem es mit Mühe die Brücke überquerte, sofort in denBüschen verschwand. Somit blieb ihnen nur noch ein Weg zur Auswahl. Le-andra hatte wohl recht mit ihrer Theorie, schoss es Walahfrid immer wiederdurch den Kopf als sie zur Weggabelung zurückliefen.

11.2.3 Pfad rechts

An der Weggabelung angelangt waren alle deutlich von den Vorfällen gezeich-net. Trotz den vielen schrecklichen Ereignissen waren die Kinder erstaunli-cherweise keineswegs entmutigt. Nein, beide merkten wie sich mehr und mehreine innere Stärke aufzubauen begann. Einzig der arme Walahfrid war vonden Vorkommnissen nicht nur äusserlich sondern auch innerlich schwer mit-genommen. Und viel öfter als er es ohnehin schon tat, umklammerte er seinKreuz, welches ihm nun schon zum zweiten Mal das Leben gerettet hatte.Auswahl haben wir jetzt keine mehr, sagte Jannis. Zumindest darüber brau-chen wir uns nicht die Köpfe zu zerbrechen.Sie waren schon sehr lange auf diesem Pfad unterwegs. Immer in Erwartung,dass irgend etwas im nächsten Moment passieren würde. Doch alles blieb

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ruhig. Selbst Nebel war weit und breit keiner auszumachen. Und wie sie denWald verliessen kamen sie an einen Ort der so wunderbar war, wie sie es sichin ihren Träumen nicht ausmalen hätten können. Prachtvolle Landschaftentaten sich vor ihren Augen auf. Es war so, als hätten sie das Paradies betre-ten. Selbst Tensora war - zumindest noch nicht - so märchenhaft, wie dieserOrt hier. Sie kamen zu einem winzigen Häuschen mit einer grossen gedecktenTerrasse und wunderbarem Blick in die märchenhafte Landschaft.Leandra und Jannis konnten sich nicht mehr zurückhalten und setzten zumFlug über diese schöne Landschaft an.Aber nicht zu weit weg, rief ihnen Walahfrid nach.Von oben kam es ihnen erst recht so vor, als befänden sie sich in einer ande-ren Welt. Und was für einer. Die Luft war so rein wie sie es nur sein konnte.Alles wuchs im Überfluss. Auch Walahfrid fand mehr und mehr Gefallen andiesem Ort. Alle seine Wunden konnten mit den Kräutern, welche Leandrabei ihrem Ausflug zusammen mit Jannis gesammelt hatte, geheilt werden.Sie beschlossen, die Nacht in der Hütte zu verbringen. Der von der Terras-se gerahmte Horizont erlaubte einen atemberaubenden Blick in die Sterne,die Wölbung des Himmels und das weite Land mit seinen vielen Seen undFlüssen. Auch Tiere waren vorhanden. Viele Tiere. Kühe, Schafe, Ziegen,Pferde und noch viele andere mehr. Selbst ein Einhorn hatten sie inzwischengesichtet. Es war unglaublich welche Glückseligkeit alle drei an diesem Ortwiderfuhr. Schon am nächsten Tag konnte man an den Wunden Walahfrid’seinen deutlichen Heilungsprozess erkennen. Sie beschlossen, solange abzuwar-ten und in dieser Hütte zu bleiben, als bis die Wunden vollständig verheiltwären. In den darauffolgenden Tagen erlebten sie wunderbare Zeiten. Auchihre Zauberkünste trainierten Jannis und Leandra. Alle verloren durch dieplötzliche Leichtigkeit des Lebens mehr und mehr den Bezug zur Realität.Als Walahfrid eines Morgens aus seinem Bett, welches er sich mit Gräser undMoos hergerichtet hatte, aufstand, schaute er auf seine Uhr und bemerktedass sie rückwärts lief. Der Sekundenzeiger drehte sich tatsächlich gegen denUhrzeigersinn. Hastig durchwühlte Walahfrid seine Tasche und suchte nachjener Uhr welche er von Kardinal Paulus erhalten hatte. Und auch diese Uhrlief rückwärts. Er hatte keine Ahnung was dies zu Bedeuten hatte, aber übereines war er sich nun absolut sicher. Sie mussten diese Hütte - diesen Ort -so schnell wie möglich verlassen. Sofort rief er die Kinder zu sich.Seit dem Zeitpunkt wo wir in dieses Paradies kamen, ist die Zeit rückwärtsgegangen.Als Beweis legte er Ihnen beide Uhren vor.Vielleicht ist die ganze Landschaft, alles was wir gegessen und gesehen haben,bloss ein Produkt aus unserer Phantasie! Wir müssen weiterziehen. Wir sindschon viel zu lange an diesem Ort. Wir müssen den Auftrag zu Ende führen.

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Sofort!Noch nie zuvor hatten die Kinder Walahfrid so überzeugend sprechen hö-ren. Kurze Zeit später waren alle zum Aufbruch bereit. Sie verliessen diesenOrt und gelangten schon bald wieder in einen Wald. Der Wald wurde immerdichter und düsterer und bald schon konnten sie sich nur noch entlang einesschmalen Weges bewegen. Alles wurde wieder unheimlicher. Längst wurdensie von einem teuflischen Jäger verfolgt. Eine riesige schwarze Schlange hatteihre Fährte aufgenommen. Sie schlängelte sich in einen nahegelegenen Bachund tauchte unter. Sobald sie genügend Vorsprung auf Walahfrid und dieKinder herausgeschwommen hatte, tauchte sie wieder auf und kletterte aufeinen Baum. Und zwar so hoch bis sie sich auf Augenhöhe der Kinder be-fand. Dann verharrte sie regungslos. Es dauerte nicht lange bis die Kindermit Walahfrid um die Ecke bogen ohne auch nur den geringsten Verdacht aufdie bevorstehende Gefahr. Einzig Walahfrid war nach wie vor sehr aufmerk-sam und musterte alles, was ihm seltsam vorkam. Näher und näher kamendie Kinder an die Stelle wo die mächtige schwarze Schlange auf sie lauerte.Ihre Zunge nahm gierig die Botenstoffe auf welche die Drei aussendeten. Dervordere Teil ihres Körpers sah jetzt aus wie ein zusammengedrücktes riesiges’S’, an dessen Spitze sich ein mächtiger schwarzer Kopf befand. Walahfridvernahm ein leises Geräusch im Geäst, erblickte die Schlange und warf sichschützend vor die Kinder. Die Kinder merkten erst gar nicht wie ihnen gesch-ah schon lagen sie auf dem Boden. Und wie sie wieder aufstanden sahen siewie sich die Schlange im Hals von Walahfrid festgebissen hatte. Vergeblichversuchte sie sich zu befreien um sich wieder im Geäst zu verkriechen.Mit einer riesen Wut packte Jannis die Schlange am Kopf, riss sie von Wa-lahfrid’s Hals und führte sie vor sein Gesicht. Nun war es aber die Schlangewelche es mit der Angst zu tun bekam. Mit aller Kraft versuchte sich Thrilla,so der Name dieser Bestie, aus dem Griff von Jannis zu befreien - vergebens.Zu Staub sollst Du zerfallen, sagte Jannis wütend, während Thrilla ihn zubeissen versuchte.In nächsten Augenblick, versteinerten sich langsam die Hand von Jannis undmit ihr der Körper von Thrilla. Verzweifelt versuchte sich die Bestie gegenden Zauber von Jannis zu wehren, doch vergebens. Zuletzt versteinerte sichauch noch der Kopf der Schlange. In den letzten Sekunden ihres Lebens konn-te man die Angst in den Augen von Thrilla deutlich erkennen. Doch Jannislockerte seinen Griff nicht. Seine Wut war riesig. Am Ende erinnerte nur nochein kleiner Haufen aus Staub an Thrilla. Sonst blieb nichts von ihr übrig.Die Hand von Jannis hingegen bildete sich in ihre natürliche Gestalt zurück.Akara war über den Verlust ihrer geliebten Thrilla ausser sich.Nneeeiiiiinnn.Dieser Schrei von Akara ging durch das gesamte Gemäuer des Schlosses. Zum

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ersten Mal wurden die Gäste unruhig.Dass wirst Du mir büssen. Diesen Tod werde ich rächen. In diesem oder inmeinem nächsten Leben. Du verdammter Menschenjunge. Ich werde Dich tö-ten.Schnell. Gib mir sein Messer, sagte Leandra. Wir müssen die Wunde auf-schneiden.Doch Walahfrid atmete längst nicht mehr. Auch sein Herz war stehengeblie-ben.Es ist zu spät, sagte Jannis. Wir können ihm nicht mehr helfen. Er ist Tod.Er ist nicht Tod. Was redest Du da? Los, hilf mir lieber.Wortlos tat Jannis alles was Leandra von ihm verlangte. Immer wieder star-tete er mit der Herzmassage. Doch es nützte alles nichts. Letztlich mussteLeandra weinend einsehen, dass Jannis recht hatte.Was sollen wir jetzt machen, schluchzte sie. Wir können ihn doch nicht soliegen lassen.Diesmal hatte Walahfrid das Leben der Kinder gerettet. Doch bezahlte erdiese Heldentat mit seinem Tod. Gemeinsam brachten sie Walahfrid, mitHilfe ihrer Zauberkräfte, zurück in die Hütte, wo es ihm so gut gefiel. Sieschworen sich, wieder zurück zu kommen und ihn von diesem Ort wegzubrin-gen. Zurück in seine Welt. Auf die Erde wo er hingehörte. Die Kinder fühlteneine solche Traurigkeit in sich, dass sie es beinahe nicht mehr aushielten. Sielegten Walahfrid in sein Bett, welches er sich mit soviel Mühe hergerichtethatte. Noch lange blieben die Kinder bei ihm und beteten. Ihnen war, alshätte sich der Tag in seine schwärzeste Nacht verwandelt. Erst nach Stundenfanden sie die Kraft die Suche nach der fehlenden Gral’s-Hälfte wieder auf-zunehmen. Jannis nahm als Erinnerung an seinen Freund, das Brotmesser ansich. Ohne weitere Probleme aber von Trauer gekennzeichnet liefen sie nundem Weg im Wald entlang und kamen tatsächlich an die gesuchte Türe. Dasdritte Tor.

11.3 Die Kammer von Raah

Das dritte Tor wurde von zwei steinernen Drachen bewacht.Vor dem Tor lagen Tausende Knochen. Die Kinder waren sich anfangs nichtsicher ob es sich um menschliche oder tierische Knochen handelte. Doch dannentdeckten sie mehrere Schädel. Hunderte Personen, welche sich auf die Su-che nach dem Gral gemacht hatten, fanden hier ihren Tod. Und gerade alssie auf das Tor zugehen wollten sahen sie, wie eine Ratte auf das Tor zulief.Sie näherte sich dem Tor und wie sie etwa zwei Meter davon entfernt war, daerwachten die Drachen zu Leben, öffneten ihre Mäuler und zwei Feuerstrah-

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le schossen auf die Ratte herab. Einzig ihr Skelett markierte ihren letztenStandpunkt.Nur nicht zu Nahe an das Tor heran, sagte Jannis.Beide liefen sie auf das Tor zu und blieben gut fünf Meter davor stehen. Sieblickten zu den Drachen hinauf, welche aber, zurück in ihrer Ausgangsposi-tion, völlig regungslos verharrten.Was jetzt? Was sollen wir machen, fragte Leandra.Schulterzuckend wendet sich Jannis erneut den Drachen zu.Wir möchten das Tor passieren, schrie er aus voller Brust heraus.Da erwachten die Drachen und wendeten sich mit ihren Köpfen gegen dieKinder, welche vor Schreck auf den Boden fielen. Beide schlossen die Augen,in der Annahme, dass ihnen nun das gleiche Schicksal erfahren würde wieder Ratte.Gelächter war zu hören. Die Kinder öffneten die Augen und sahen wie dieDrachen über sie lachten.Warum lacht ihr, fragte Jannis erzürnt.Wer will das wissen, fragte einer der Drachen.Ich...ich bin Jannis.Und ich bin Leandra.Mein Name ist Romos. Und dass hier ist mein Bruder Ceros. Bitte hört aufmich. Kehrt um. Ihr habt Eure Tapferkeit unter Beweis gestellt. Aber dienächste Kammer werdet ihr nicht überleben.Ganz zu schweigen davon, dass ihr ja noch unser Tor passieren müsst, fügteCeros hinzu.Umkehren? Wie finden wir wieder raus. Alle Türen sind verschwunden bisauf diese hier, sagte Jannis.Das ist nicht unser Problem, antwortete Ceros. Wir verharren hier schon seitJahrhunderten. Ihr könnt uns ja Gesellschaft leisten. Ausserdem hat euchniemand gezwungen diesen Trakt zu betreten. Ihr habt dass freiwillig getan.Die Warnung vom ersten Torwärter habt ihr ignoriert. Eure Fähigkeit zuFliegen rettete euch im Limbus. Eure Zaubersprüche retteten Euch im Laby-rinth. Doch innerhalb dieser Kammer hilft Euch das alles nicht weiter. Kehrtalso um, rat ich Euch.Fehlt bei Euch nicht jemand? Ihr ward anfangs doch noch zu dritt, fragteRomos neugierig.Das geht Euch nichts an, sagte Leandra scharf. Wir haben zwei Kammerngeschafft. Wir werden auch die dritte Kammer schaffen. Los, öffnet das Tor.Alle Achtung. Du bist aber ein temperamentvolles Mädchen, sagte Ceros.Nun, wenn ihr die Kammer betreten wollt, so können wir Euch dass natür-lich nicht verwehren. Ihr müsst aber zuerst ein Rätsel lösen. Erst wenn ihrdas Rätsel gelöst habt, dürft ihr passieren.

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Ein Rätsel?Ein Rätsel! Genau! Bisher haben nur die wenigsten dieses Rätsel gelöst. Umgenau zu sein - gar keiner. Falls ihr das Rätsel nicht lösen könnt, ereilt Euchdas gleiche Schicksal wie vorhin der Ratte.Und wieviel Zeit haben wir um das Rätsel zu lösen, fragte Leandra.Wir schauen nicht auf die Uhr. Nehmt Euch soviel Zeit wie ihr wollt. Wirsind nicht in Eile, antwortete Romos.Was ist das für ein Rätsel, fragte Jannis.Die Drachen lachten.Die Lösung hättest Du wohl auch gerne. Ich sagte schon - kehrt um - es istdas Beste für Euch, konterte Ceros.Nein. Ich muss das Tor passieren, sagte Jannis.Wir müssen das Tor passieren, ergänzte Leandra.Nun gut, wir haben euch gewarnt, sagte Ceros. Hört mir nun gut zu. Tretetdrei Schritte nach vor. Ihr dürft diesen Platz solange nicht verlassen, als bisihr das Rätsel gelöst habt. Tut ihr es dennoch, so werdet ihr Sterben.Jannis und Leandra fackelten nicht lange, und traten gemeinsam vor das Tor.Wir sind bereit, riefen sie den Drachen zu. Gemeinsam stellten Romos undCeros das Rätsel.

Ihr kamt, oh Fremde, nun schon durchs zweite Tor.Zauber, Mut und List werden Euch nicht weiterbringen.

Es sei denn, Ihr findet Euch Aussen wie Innen.

Aussen wie Innen. Findet euch Aussen wie Innen, wiederholte Jannis immerund immer wieder.Nach mehr als einer Stunde hatten die Kinder immer noch keine Ahnung wasdamit wohl gemeint sein soll.Ein Kreis vielleicht, sagte Leandra.Ja - daran hab ich auch schon gedacht. Aber was hat dass mit - findet euchAussen wie Innen - zu tun?Jannis schlugt sich seine Hände vors Gesicht um sich besser auf das Rätselkonzentrieren zu können. Und in dem Moment fiel es ihm wie Schuppen vonden Augen. Er war sich sicher, des Rätsels Lösung hatte er in dem Augen-blick direkt vor seinen Augen. Gebannt starrte er auf seine Hände.Leandra! Ich glaub ich weiss es, schrie er!Nun wurden selbst die Drachen neugierig. Den Kopf gesenkt, warteten sieungeduldig was nun passiert.Was, fragte Leandra hoffnungsvoll. Was? Sag schon!Du hattest Recht mit dem Kreis. Den Kreis müssen wir bilden und die Ver-bindungsstelle zwischen uns sind die Hände. Weisst Du noch was Predunüber unsere Fingerabdrücke sagte?

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Das sie völlig identisch sind!Und mit - findet euch Aussen wie Innen - muss die Schwelle gemeint sein!Überzeugt davon, dass ihre Lösung die Richtige war, freuten sich die Beidenfürs Erste.Haben wir recht, wendete sich Jannis fragend an die Drachen.Doch diese verharrten in Schweigen.Komm, lass es uns versuchen, sagte Leandra. Ich will nicht mehr warten. Ichwill weg von diesem Ort.Fest drückten sie ihre Handflächen gegeneinander.Wer geht zuerst?Du, antwortete Leandra.Langsam gingen sie aufs Tor zu. Und tatsächlich. Es öffnete sich. Die Hand-flächen fest aneinanderdrückend, übertrat Jannis rückwärtsgehend und dasGesicht zu Leandra gewandt, die Schwelle. Und genau zu dem Zeitpunkt alsIhre Handflächen über der Schwelle war, erfasste je ein Lichtstrahl aus denAugen der Drachen die Augen der Kinder. Wie betäubt blieben die Kinderstehen. Sie schrieen vor lauter Angst. Nach einigen Sekunden war alles vor-bei. Dann beugten sich beide Drachen zu den Kindern und sprachen nocheinen letzten Satz.

Seid WillkommenTapfere KriegerTretet nun ein in

Die Kammer von Raah

Die Drachen kehrten in Ihre Ausgangsposition zurück und verharrten wiederin völliger Ruhe. Schnell übertrat nun auch Leandra die Schwelle.Wir habens geschafft. Jannis wir habens geschafft, freute sie sich.Vor ihren Augen tat sich eine Art Tunnel auf, dessen Wände mit Dolchenund Glasscherben bestückt war. Ein Fehltritt und man würde nie mehr einenFuss vor den anderen setzen. Zu allem Übel verlief der Tunnel nicht geradeaus sondern hatte unzählige Kurven.Und auch dieses Tor schloss sich mit einem lauten Donner und verschwandim Nichts. Diesmal standen sie in völliger Dunkelheit. Sie konnten absolutnichts sehen. Einmal mehr kam ihnen die mühsame Arbeit mit General zu-gute. Leandra griff nach der Hand von Jannis.Langsam bewegten sich die Kinder vorwärts. Nach etwa 100 Metern tauch-ten urplötzlich wie aus dem Nichts 2 leuchtende Punkte vor ihnen auf. Siebewegten sich schnell auf die Kinder zu und flitzten vor ihren Augen in denBoden! Dies brachte die Kinder so sehr aus dem Gleichgewicht das beide nachvorne in ein Loch fielen. Sie landeten erneut in einem Tunnel in welchem dieKinder, in völliger Dunkelheit, mit rasendem Tempo abwärts rutschten. Und

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wie sie die ersten Lichtstrahlen erkennen konnten war der Tunnel auch schonzu Ende. Ein riesiger Raum nahm sie in Empfang. Schreiend stürzten sie indie Tiefe. Zu ihrem Glück dämpfte weiches Moos ihren Absturz.Bist du verletzt, fragte Jannis.Nein. Und Du?Mir fehlt nichts.10 Meter über ihnen befand sich der Tunnelausgang aus dem sie gefallenwaren.Ich kann nicht mehr Fliegen, sagte Leandra.Und wie die Kinder gleich darauf feststellten, klappte es mit der restlichenZauberei auch nicht mehr. Es war genau so, wie es ihnen die Drachen vor-ausgesagt hatten.Erst jetzt machten sie sich Gedanken darüber, wo sie eigentlich gelandet wa-ren. Der ganze Raum war riesig. Die Wände blutverschmiert und mit grossen,kreisförmigen Einschlägen übersät. In der Mitte des Raumes stand ein mäch-tiger Turm welcher nach oben hin immer schmaler wurde. Eine Steintreppe,welche sich um den Turm schlang, führte bis ganz hinauf zur Turmspitze woeine Glasvitrine stand. Und aus dem Innern der Vitrine blinzelte ihnen diegesuchte Hälfte des Gral’s entgegen.Endlich, sagte Leandra. Wir haben sie gefunden.Jetzt nur nicht unüberlegt handeln, warnte Jannis. Warum wohl liegt derFuss so ungeschützt auf dem Turm. Komm - sehen wir uns den Raum genau-er an, bevor wir auf den Turm steigen.Vorsichtig tasteten sie sich der Wand entlang. Jetzt entdeckten sie auch denGrund für die zwei leuchtenden Punkte welche sie vorhin so in Schreckenversetzt hatte. Es war eine kleine Eule, welche nun im Raum umherflog umein neues Versteck zu finden. Von der Decke hingen verschiedenste Pflan-zen herunter. An einigen Pflanzen konnte man Bisspuren erkennen. Doch dieKinder hielten dies für unmöglich, da sich die Pflanzen mindestens 4 Meterüber dem Boden befanden. Fahles Licht drang zwischen den Pflanzen in denRaum. Es herrschte beinahe ein tropisches Klima. Dann entdeckten sie ander hinteren Ecke des Raumes, seitlich gut versteckt, einen Höhleneingang.Ich will gar nicht wissen was in der Höhle ist, sagte Leandra.Das brauchen wir auch nicht. Es reicht wenn ich die fehlende Hälfte des Gral’shole. Du wartest hier auf mich.Kommt gar nicht in Frage. Ich komme mit. Ich werde sicher nicht hier untenauf Dich warten.Und so stiegen sie gemeinsam die schmale Treppe des Turms empor. Als sieetwa die Hälfte geschafft hatten und Jannis gerade im Begriff war wieder aufjene Seite des Turms zu steigen, von wo aus die Höhle zu sehen war, trat ertief erschrocken zurück. Fast erstarrt vor Schreck drehte er sich zu Leandra.

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Was ist denn mit Dir los?Da...da steht jemand vor der Höhle der genauso aussieht wie Du.Was?Leandra sah selbst nach, aber sie sah jemand der genauso aussah wie Jannis.Ich sehe einen Doppelgänger von Dir.Dann blickten sie gleichzeitig zur Höhle. Doch nun befand sich niemand mehrdort.Ich hab Dich gesehen, sagte Leandra.Und ich Dich. Wir sehen wirklich schon Gespenster.Und wie sie erneut zur Höhle blickten war sie in Nebel gehüllt. Der ganzeGrund unter ihnen war mit dichtem Nebel bedeckt. Langsam stieg er höher.Der Nebel war jetzt ungefähr bis auf 2 Meter unter ihren Füssen angelangtals urplötzlich die kleine Eule, welcher sie vorhin begegnet waren, daraushervorschoss und direkt auf Leandra zuflog. Dabei erschrak Leandra so sehr,dass sie laut schreiend rückwärts vom Turm in die Tiefe fiel. Jannis versuchtenoch ihre Hand zu greifen - zu spät - sie verschwand in der Nebelbank. Nurihre Schreie konnte er noch hören. Doch auch diese Laute verschwanden voneinem Moment auf den anderen. Dann wurde es wieder absolut still.Leandra! Leandra!Jannis schrie so laut wie er nur konnte, aber er bekam keine Antwort.Er sah nach oben, an die Spitze des Turms, wo die fehlende Hälfte des Gral’szum Greifen nahe lag und dann wieder auf die Nebelbank in welche Leandragefallen war. Er spürte das Verlangen, so kurz vor dem Ziel, endlich die bei-den Hälften zusammenzuführen. Er konnte ja nicht wissen, dass es sich nurum eine Kopie handelte. Er war hin und hergerissen. Und gerade als er weiteran die Spitze gehen wollte um zusammenzufügen was zusammengehört, dahielt er inne.Was mach ich denn? Ich muss zurück. Ich muss sofort zu Leandra zurück,schoss es ihm durch den Kopf.Er stürzte sich die Treppen hinunter und schrie immer wieder ihren Namen.Doch er bekam keine Antwort. Als er unten angelangt war, konnte er kaumetwas sehen so dicht lag der Nebel. Alles war ruhig, absolut ruhig. Immerwieder rief er ihren Namen durch die Nebelsuppe.Leandra! Leandra - kannst du mich hören...antworte...Leandra!Nichts. Keine Antwort. Er suchte nun schon fast eine Stunde nach ihr, aberer konnte sie nicht finden. Auch versuchte er mit den verschiedensten Zau-bersprüchen die er gelernt hatte, den Nebel zu vertreiben. Zwecklos. DerNebel blieb. Er konnte Leandra einfach nicht finden. Sie war verschwunden.Dann hörte er wie Stimmen seinen Namen riefen. Langsam und in die Längeziehend. Immer und immer wieder. Es klang beinahe wie Musik. Er musstean den Chor denken, welcher Walahfrid so in seinen Bann gezogen hatte.

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Und auch an die Geschichte um Odysseus. Dem grossen Seefahrer, der nurmit Hilfe einer List dem Gesang der Sirenen entkommen konnte. Gleichesnun passierte mit ihm. Er schlug seine Hände an die Ohren, doch die Stim-men zogen ihn immer mehr in ihren Bann. Er war den Rufen nach seinemNamen ausgeliefert und ehe er sich versah stand er vor der Höhle. Sie warmindestens 5 Meter hoch. Er dachte sich, vielleicht ist es Leandra ebensoergangen und sie folgte ebenfalls den Stimmen. Und wie er die Höhle betrat,da verschwand das Rufen nach seinem Namen augenblicklich. Je tiefer er indie Höhle vordrang, desto klarer wurde ihm, dass sie bewohnt war. Überallstanden Schränke und Tische. Besonders eine riesige Wanduhr stach ihm insAuge. Sie reichte bis an die Decke der Höhle. Das Pendel alleine war schondoppelt so gross wie Jannis. Doch was ihn beunruhigte war, dass die Uhr beigenau 12:12 Uhr stehengeblieben war. Er erinnerte sich an seinen Religions-unterricht zurück. Pfarrer Paulus erzählte einmal, dass der Teufel die Uhrenum 12:12 Uhr anhalten würde um die 12 Apostel zu verspotten. Als er weiterlief, konnte er leises Wimmern hören. Das muss Leandra sein, schoss es ihmdurch den Kopf. Und gerade als er nach ihr rufen wollte, sah er an einer Eckeeinen riesigen Haufen an Skeletten. Schädel von Menschen wie von Tierenlagen zu Hauf an diesem Ort. Nun hörte er das spezielle Knacken von Holzwelches nur Feuer diesem entlocken konnte. Eine dumpfe Stimme drang ausdem hinteren Teil der Höhle zu ihm. Keine Worte. Nur zusammenhangsloseGeräusche.Leise ging er noch ein paar Schritte weiter. Dann sah er sie. Leandra. Gefes-selt und geknebelt auf einem Tisch liegend. Tränen liefen ihr wie Bäche übersGesicht. Sie zitterte. Es dauerte nicht lange bis Leandra ihren Retter bemerk-te. Schon wollte Jannis ihr zuhilfe eilen da signalisierte sie ihm mit starkemKopfschütteln, dass er sich nicht vom Fleck bewegen soll. Ihm verschlug esden Atem, als er Raah zu Gesicht bekam. Kalt lief es ihm den Rücken runter.Er gab keinen Mucks von sich. Noch nie in seinem Leben hatte er eine auchnur annähernd so grässliche Bestie gesehen.Er war so gross, dass er beinahe an die Decke reichte. Der Kopf riesig undkaum behaart mit weit auseinanderliegenden gelben Augen und Ohren wel-che wie es schien vom Teufel selbst geformt worden waren, so hässlich warensie. Der Körper muskelbepackt und die Haut grün-bläulich und mit 100-tenWarzen übersäht. Seine Hände und Füsse erinnerten an die Klauen von Di-nosauriern. Jannis sammelte all seine Kräfte und konzentrierte sich so starkwie niemals zuvor. Trotzdem gelang es ihm nicht seine Zauberei wiederzuer-langen. Er musste einsehen, dass er so Leandra nicht retten konnte. Langsamzog er sich zurück, was noch mehr Angst, Tränen und Verzweiflung in dasGesicht von Leandra trieb. Sie durchlebte die schlimmste Zeit ihres Lebens.Jannis nahm die Schale in die Hand und flehte sie an ihm zu helfen. Doch

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seine Zauberkräfte wollten einfach nicht mehr zurückkehren. Und dann saher, wie sich die grosse Wanduhr an der Schale spiegelte. Endlich erinnerte ersich an die Worte von Prof. Einstein zurück.Ja, das könnte es sein, sagte er leise zu sich.Ihm wurde nun klar warum sein Zauber nicht funktionierte. Er musste dieUhr wieder in Gang setzen. In einem Zeitfreien Raum würde ihr Zauber nichtfunktionieren, hatte ihnen Prof. Einstein gesagt. Jannis ärgerte sich, warumihm das nicht gleich eingefallen war. Leise schob er einen der Tische vor dieWanduhr. Dann nahm er noch einen Stuhl, stellte diesen auf den Tisch undstieg am Ende selbst auf seine wackelige Konstruktion. Selbst jetzt, als erauf dem Stuhl stand, musste er sich noch strecken um die Uhrzeiger zu er-reichen. Er zog und drehte mit all seiner Kraft an den Zeigern doch dieserührten sich keinen Millimeter. Selbst als er vom Stuhl rutschte und sich mitbeiden Händen am Minutenzeiger hielt, gab dieser keinen Deut nach. Es warverhext. So kam er nicht weiter. Er stieg wieder von seiner Konstruktion undversuchte das riesige Pendel zu bewegen. Er schob den Tisch auf die Seite unöffnete die Türe hinter welcher sich das Pendel der Wanduhr verbarg. Schonalleine der Anblick verriet, dass es mehrere Tonnen schwer war. Er lehntesich gegen das Pendel welches sich aber ebenfalls keinen Millimeter bewegte.Innerhalb der Wanduhr war soviel Platz, dass er rund um das Pendel herumlaufen konnte. Er suchte nach einer anderen Möglichkeit diese tonnenschwereLast in Bewegung bringen zu können. Er fand einen Besenstiel und versuchtediesen als Hebel einzusetzen. Er drückte mit all seiner Kraft. Der Besenstielbog sich immer mehr und mehr, bis er unter lautem Krachen entzwei brach.Vor Schreck hielt Jannis den Atem an. Hoffentlich hatte ihn das Monsternicht gehört, fuhr es ihm durch den Kopf.Dann hörte er etwas. Er blickte zurück und sah einen Schatten an der Höhlen-wand. Der Schatten wurde immer grösser. Dass musste Raah sein. Es bliebenihm nur noch wenige Sekunden. Er drückte erneut mit all seiner Kraft gegendas Pendel. Sein Puls stieg deutlich an. Immer wieder blickte er nach hinten.Der Schatten wurde schnell grösser. Und mit einem Mal sah er, wie Raahum die Ecke gesprungen kam. Sofort, als Raah Jannis erblickte holte er mitseinem Morgenstern zum Schlag aus. Ab diesem Moment verlief für Jannisalles wie in Zeitlupe. Er konnte nun sehen wie die Kugel des Morgensternsauf ihn zuraste. Sein Puls beschleunigte sich noch mehr. Todesangst durch-fuhr ihn. Und dann passierte es erneut. Ein Energiestrom schoss durch seineHände. Und noch bevor der Morgenstern auf ihn niederdonnerte wurde erdurch die Kraft des Energiestosses nach hinten geschleudert. Für ein paarAugenblicke blieb Jannis wie betäubt liegen. Raah schlug derweil alles kurzund klein was sich in seiner Nähe befand. Wieder im Besitz seiner Kräfte sahJannis, dass sich das Pendel bewegte. Es hatte es tatsächlich wieder in Bewe-

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gung gebracht. Obschon die Uhr durch diesen Zwischenfall stark beschädigtwurde, funktionierte sie noch. Und genau wie er vermutet hatte, gelangte ernun wieder in den Besitz seiner Zauberkräfte. Sofort machte er sich mithilfeder Schale unsichtbar und schlich sich, unbemerkt von Raah, zu Leandra.Doch konnte er sie nicht mehr finden. Er durchsuchte den gesamten hinterenBereich der Höhle. Nichts. Von Leandra fehlte jede Spur. Dann sah er einenriesigen Kessel über dem Feuer. Nein, das konnte nicht sein. Das durfte nichtsein. Er lief zum Kessel und wollte nicht glauben was er sah. Raah hatteLeandra zusammen mit Kräutern und Gräsern in den Kessel gestopft. Miteiner Handbewegung löschte er sofort das Feuer unter dem Kessel und zogLeandra raus. Mit dem Brotmesser von Walahfrid durchschnitt er die Fesselnan ihren Händen und Füssen. Unter heftigem Husten kam sie langsam wiederzu sich. Die Kinder fielen sich in die Arme.Ich wusste, Du würdest mich retten.Nichts in der Welt hätte mich davon abhalten können. Wir...wir müssen unsbeeilen. Uns bleibt nicht viel Zeit.Starke Erschütterung im Innenbereich der Höhle kündigten an, dass Raahmit einer riesen Wut im Bauch zurückkam. Sofort legten die Kinder mit Hil-fe der Schale den Schleier der Unsichtbarkeit über sich. Als Raah den leerenKessel sah drehte er vollends durch und zerschlug in den nächsten Minutenalles was sich in der Höhle befand. Derweil flohen Jannis und Leandra ausder Höhle. Da ihre Zauberkünste wieder funktionierten flogen sie nun bis zurSpitze des Turms.Predun sprach die seltsamsten Zaubersprüche auf die Glaskugel ein - selbstjenen den er zusammen mit den Kinder entschlüsselt hatte. Doch seine Wortezeigten keine Wirkung.Was sollen diese Sprüche, zischte Akara als sie urplötzlich hinter Predun auf-tauchte. Was bist Du doch für eine Schande für uns Zauberer. Da hab ichja noch mehr Respekt vor den Kindern. Doch ist es jetzt langsam an derZeit, dass unsere kleinen Freunde von ihren Händen erlöst werden. FindestDu nicht auch?Töte mich. Oder nimm mich als Deinen Diener. Ich werde alles tun, was Duvon mir verlangst. Aber lass die Kinder gehen. Lass sie gehen...Dich hab ich doch schon längst. Du scheinst immer noch nicht zu verstehen.Was ich will ist die andere Hälfte des Gral’s. Egal wie. Am Ende, lieber Pre-dun, kriege ich immer was ich will. So oder so. Wenigstens dass hättest Duwissen müssen.Lass mich mit den Kindern reden. Ich...ich bin mir sicher sie werden einlen-ken und...Zu spät. Du wusstest auf was Du Dich einlassen würdest. Und Du hast Dichfür die falsche Seite entschieden. Jetzt wo Du so hilflos rumbettelst, kann

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ich es Dir ja sagen. Die andere Hälfte des Gral’s befindet sich gar nichtin meinem Besitz. Noch nicht. Anfangs dachte ich, Du und Deine Erdgeis-ter wüssten darüber Bescheid. Doch Eure Ahnungslosigkeit hat selbst michüberrascht.Wo...wo befindet sich...Was soll die Frage? Glaubst Du wirklich ich würde einem Verräter wie Dirsagen, wo sich die andere Hälfte befindet? Was bist Du doch für ein Narr. Ihralle seid Narren. Ausserdem hab ich den Gral dem Teufel versprochen. Undwenn man mit dem Teufel einen Pakt eingeht, muss man eben gewisse Opferin Kauf nehmen. Wenigstens dafür wirst Du doch ein gewisses Verständnisaufbringen, oder? So, pass jetzt gut auf. Du solltest wieder in die Kugel star-ren. Denn jetzt wird es für Deine Freunde aufregend.

An der Vitrine angekommen, dachten die Kinder natürlich, endlich ihr Zielerreicht zu haben.Wir habens geschafft Leandra. Wir habens geschafft! Ich werde das Glaszerschlagen und dann nichts wie weg von hier. Jannis holte mit seiner Gral’s-Hälfte zum Schlag aus.Das Glas der Vitrine zersprang in Tausend Stücke. Sofort griff er nach demFuss. Und da passierte es. Noch bevor ihm bewusst war wie ihm geschah,waren seine Hände vom Glas umschlossen. Nun befand sich auch die Schaleim Inneren der Vitrine. Als Leandra dies sah, und ihre Seite der Vitrine nochoffen war griff auch sie hinein um die beiden Gral’s-Hälften an sich zu reissen.Nein, schrie Jannis.Doch kam diese Warnung zu spät. Auch ihre Hände wurden vom Glas um-schlossen. Beide Kinder waren nun Gefangene. Genau wie Predun. Akarakrümmte sich vor Lachen.Am Ende stehe ich doch immer wieder als Siegerin da. Ich bin die grössteHexe aller Zeiten. Nichts und niemand kann sich mir in den Weg stellen.Da dein Schüler die Uhr zum Laufen gebracht hat, funktioniert der Fluchdes Teufels welcher dieser über diese Vitrinen gelegt hat wieder einwandfrei.Verstehst Du jetzt, Predun? Niemand verlässt die Kammer von Raah lebend.Niemand!Deine Zeit des Selbstlobes wird bald einmal ein Ende haben - verdammteHexe.Aber Predun. Du solltest lernen mit Niederlagen besser umzugehen. Jetztaber kommt der Schlussakt für Deine Zauberlehrlinge. Die Kinder machennun Bekanntschaft mit einer lieben Freundin von mir. Sie heisst Mumme.Was geschieht denn mit der einen Gral’s-Hälfte, fragte Leandra weinend. Sieverwandelt sich! Jannis, sie verwandelt sich.Die Gral’s-Hälfte verwandelte sich langsam in eine Schlange. In Mumme.

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Mit ihren neon-grünen Augen starrte sie die Kinder an. Zischend näherte siesich Jannis.Du! Du hast meinen Bruder getötet. Und jetzt werde ich seinen Tod rächen.Die Kinder schrien so sehr, dass Predun beinahe gestorben wäre. Doch jemehr sich die Kinder ängstigten desto stärker floss ihr Blut durch ihre Adern.Ihr Puls beschleunigte sich. Erneut hatten sie das Gefühl, als würde es ih-re Hände zerreissen vor lauter Energie welche sich nun darin ansammelte.Mumme wich sofort zischend zurück.Was zum...Akara versuchte nun sofort die Hände der Kinder zu durchtrennen. Sie sprachselbst für Predun noch nie gehörte Zaubersprüche. Das Glas schnitt tatsäch-lich noch weiter in die Handgelenke der Kinder. Doch ihr Zauber brachtenicht den gewünschten Erfolg. Ganz im Gegenteil. Jetzt entwich die gesamteEnergie aus den Händen der Kinder worauf das Glas der Vitrine zu vibrierenbegann und im nächsten Moment in tausende Glassplitter zersprang. Mum-me war Tod. Ihr ganzer Körper war von Glassplittern übersäht. Die Kinderjedoch hatten keinen Kratzer abbekommen. Selbst die Wunden an den Hand-gelenken waren verschwunden.Neeeeiiiinnnn!Akara war ausser sich. Sofort verwandelte sie sich in ihre unbeschreiblichgrässliche Gestalt.Was sind das für zwei Teufel. Jetzt haben sie auch noch meine Mumme ge-tötet. Diese verdammten Kinder wollen nicht sterben.Sichtlich am Ende seiner Kräfte blickte Predun lächelnd auf Akara.Dein Ende naht, verdammte Hexe, dein Ende...In dem Moment schoss Akara mit ihrer riesigen Schlangenklaue durch dasGlas der Vitrine und würgte Predun dermassen, dass er keinen Laut mehrvon sich geben konnte. Sie brachte ihn fast um.Willst du schon sterben, Predun, was ist mit Dir? Ich verspreche Dir, Dubekommst keinen schnellen Tod.Mit letzter Kraft, versuchte er etwas zu sagen.Selbst zum Sprechen bist Du schon zu schwach - Elender.In dem Moment betrat Oradess den Raum.Eure Hoheit! Was ist passiert?Kümmert Euch um die Gäste.Viele der Gäste haben das Schloss bereits verlassen. Sie vernahmen eine Ex-plosion und bekamen es mit der Angst zu tun.Explosion? Das war keine Explosion. Schliesst sofort die Tore. Lasst niemandmehr Raus. Wir werden diese verdammten Gestalten gleich jetzt töten.Jawohl, Herrin.Ach, Oradess, sagte Akara und löste dabei ihren Handgriff um Predun’s Hals.

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Ja, Herrin.Dass mit der Vitrine - in der Kammer von Raah - dass war doch Deine Idee.Herrin?Nun, ich werde mich selbst um die Gäste kümmern. Du hingegen wirst nach-sehen ob mit der Vitrine in Raah’s Kammer alles noch in Ordnung ist.Herrin! Bitte. Ich bitte Euch, ich...Akara presste Luft aus ihren Lungen, worauf sich ein Orkan bildete welcherOradess erfasste und zusammen mit ihm im nächsten Moment auch wiederverschwunden war. Predun musste Lachen.Dein Ende naht, sagte er. Dein Ende naht. Die Kinder sind Dir bei weitemüberlegen.Ach Predun, sagte Akara, welche sich von ihrem Wutanfall etwas erholt hatteund nun wieder in ihrer alten Schönheit erstrahlte. Ich werde mich jetzt per-sönlich um die Kinder kümmern. Ich kenne inzwischen die Stärken DeinerSchüler. Ich bin im Vorteil. Wenn Du sie vor dem Tod retten willst, dannbring sie dazu, mir die Schale auszuhändigen. Ansonsten...na Du weisst ja,was sonst passiert.Du...Du kannst wohl die Schale nicht selbst an Dich reissen. Man muss sieDir überreichen. Ist es so?Akara lief wortlos einmal um die Vitrine. Sie nahm die Glaskugel welchedurch den Orkan vorhin weggeschleudert wurde und platzierte sie so, dassPredun ungehinderte Sicht darauf hatte. Er sah nun die Kinder und wie siesich vom Vorgefallenen wieder erholt hatten.Doch die nächste Gefahr lauerte schon auf sie. Raah war aus seiner Höhlegekommen. Er kochte Wut. Der Nebel hatte sich inzwischen vollständig zu-rückgezogen. Plötzlich kam ein sehr starker Wind in der Kammer auf. DerWind wurde immer stärker bis sich eine Windhose bildete. Und aus der Wind-hose wurde Oradess mit voller Wucht gegen den Turm geschleudert. Raahhatte seinen neuen Gast sofort im Visier.Nein. Nein. Neiiiiin!Oradess schrie vor Verzweiflung. Sofort versuchte er sich auf den Turm zuretten und stieg so schnell er konnte hoch, derweil Raah auf den Turm losras-te und mit voller Wucht sein Morgenstern dagegen schleuderte. Die Kinderlegten sich sofort auf den Boden der Turmspitze. Der Turm begann mäch-tig zu schwanken. Immer und immer wieder schlug Raah auf den Turm ein.Solange bis Oradess vom Turm in seine Hände fiel. Mit einem Bissen riss erihm den Kopf ab und schleuderte den Körper vor seine Höhle. Doch dannwurden auch die Kinder von Raah entdeckt. Erneut schlug er mit seinemMorgenstern auf den Turm ein. Solange, bis dieser so stark ins Wanken kam,dass er an die Wand kippte und zerbrach. Beide Kinder wurden vom Turmgeschleudert. Wütend blickte Raah um sich. Doch konnte er die Kinder nicht

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finden.Du musst die Schale benutzen, schrie Leandra. Jannis! Hörst Du mich? DieSchale.Jannis hatte durch den Sturz kurz das Bewusstsein verloren. Die Schreie vonLeandra hatten aber nicht nur er, sondern auch Raah gehört. Dadurch ent-deckte er die Kinder und rannte wild schreiend auf sie los. Inzwischen warJannis wieder im Besitz seiner Kräfte. Als er sah, wie Raah auf ihn undLeandra zugerannt kam, hatte er nur einen Gedanken im Kopf. Wasser. Erdachte nur noch an Wasser.Wasser rief er erst leise. Dann immer lauter und lauter. Bis er aus ganzemHerzen danach schrie.Wasser !Augenblicklich strömte Wasser aus dem Gral. Aber auch aus den Wänden,der Decke und dem Boden der Kammer. Überall schoss Wasser hervor. Raahrutschte und schlug mit voller Wucht auf den Boden auf. Zudem landete dieKugel des Morgenstern’s auf seinem Kopf. Immer mehr Wasser überfluteteden ganzen Trakt. Die Kinder flogen derweil so hoch, dass sie für Raah un-erreichbar waren. Langsam kam Raah wieder zu sich und liess seiner Wutsofort freien Lauf. Wieder und immer wieder schlug er seinen Morgensterngegen die Wände, welche vom vielen Wasser schon ganz spröde waren undauf einmal nach einem erneuten kräftigen Schlag nachgaben. Es entstand einriesiges Loch in der Wand. Das Wasser spühlte nun Raah direkt vor die Toredes Schlosses.Ohne einen Moment zu zögern rannte Raah auf das Schloss zu und schlugmit seinem Morgenstern erneut gegen alles was sich ihm in den Weg stellte.Er war ausser sich. Tausende von Festbesuchern brachten sich in Sicherheit.Sie alle begaben sich so schnell sie konnten wieder dahin zurück von wo siegekommen waren. Die Kinder hingegen näherten sich erneut dem Eingangdes Schlosses.Warte, sagte Jannis.Dann nahm er die Schale, sprach ein paar Zaubersprüche und schon hatte erein täuschend ähnliches Duplikat von der Schale in der Hand.Was willst Du damit?Ich hab einen Plan. Du wirst schon sehen.

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Kapitel 12

Leandra’s Gefangenschaft

Längst hatte Akara die Kristallkugel gepackt und gegen die Wand geschmet-tert. Sie war ausser sich vor Wut. Ihre Schreie drangen durch sämtlichesGemäuer des Schlosses. Die wenigen Festbesucher welche sich noch im Inne-ren des Schlosses befanden hielten sich vor Schmerz die Ohren zu. SämtlicheFensterscheiben zerbarsten. Langsam beruhigte sich Akara wieder. Predunhing regungslos an seinen Handgelenken.Predun! Predun! Was ist mit Dir?Langsam öffnete er seine Augen. Du wirst...Du wirst verlieren, Akara. Duwirst verlieren, sagte er mit einem Lächeln.Darauf schnitt sich das Glas der Vitrine noch tiefer in seine Handgelenke.Predun verbiss sich den Schmerz.Aber warum lachst Du denn nicht mehr. Na los, grosser Zauberer.Du...Du hast die Kinder unterschätzt. Gib auf, solange Du noch die Möglich-keit dazu hast.Aufgeben? Ich? So kurz vor dem Ziel. Ach, Predun, Du wirst es wohl nieverstehen. Aufgeben ist etwas für die Schwachen - die Verlierer. Einem Ziel,dem Deine lächerliche Schule schon sehr nahe gekommen ist. Wieviel ist wohlein Leben wert, Predun? Wieviel ist Dein Leben wert?Mein Leben? In Deinen Augen hat kein Lebewesen einen Wert.Du solltest meine Frage beantworten, denn sie könnte für Deine Freunde ent-scheident sein.Ein Leben ist immer nur so viel wert, als wie es ein anderes Leben in seinerExistenz nicht hindert. Dies ist eine Tatsache, die Du nie begreifen wirst.Lass Taten Deinen Worten folgen, grosser Meister. Ich werde Dein Leben unddass Deiner Freunde verschonen, sofern mir die Kinder die Schale überrei-chen. Jetzt weisst Du wieviel ein Leben in meinen Augen wert ist.Darauf werden die Kinder nie eingehen - alte Hexe.Abwarten. Ich kenne die Menschen. Sie sind schwach. Das waren sie schon

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immer. Du bist ja das beste Beispiel dafür. Ich würde...Doch auf einmal verlor Predun das Bewusstsein. Sein Blutverlust war inzwi-schen enorm.Elender Schwächling!Und wie sie sich zum Fenster drehte, sah sie, wie nun auch ihre restlichenGäste eiligst das Schloss verliessen.In diesem Moment erschütterte sich das ganze Schloss. Teile der Turmspitzebrachen ab. Sofort zauberte sie sich in den grossen Saal.Was geht da vor, schrie sie Botton, den Chef des Gluonen an.Eure Hoheit! Wir...wir wissen nicht was...Und das Wasser? Woher kommt all das Wasser?Eure Hoheit, ich weiss es nicht.Ach, wozu ernähre ich euch. Am Ende...In dem Moment gab es erneut einen lauten Knall. Steinbrocken flogen querdurch die Eingangshalle. Einige Gluonen wurden dabei erschlagen. Als sichder Staub etwas legte kamen die Konturen von Raah zum Vorschein.Du bist also das Problem, sagte Akara leise.Botton wollte nicht glauben was er da sah. Solch eine Bestie konnte es nichtgeben. So etwas durfte es nicht geben. Und doch stand dieses Monster inaller Hässlichkeit kaum 100 Meter von ihm entfernt.Was steht Ihr hier noch rum. Los! Tötet diese Missgeburt.Bewaffnet mit Speeren und Schwertern rannten Botton und seine Kriegermit lautem Geschrei auf Raah zu. Es gab ein furchtbares Gemetzel. Dut-zende Krieger wurden durch den Morgenstern erschlagen. Aber auch Raaherlitt tiefe Wunden am ganzen Körper. Doch dann erblickten seine Augenjene Person welcher er über 500 Jahre Gefangenschaft zu verdanken hatte.Akara. Seine Wut stieg ins unermessliche. Keiner der Krieger traute sich beidiesem Anblick von Boshaftigkeit an das Monster heran. Selbst der Tapfersteunter ihnen, Botton, hielt sich nun zurück. Die hasserfüllten Augen von Raahkonzentrierten sich nur noch auf Akara.Na los doch, rief sie ihm zu. Auf was wartest Du noch. Komm schon.Kraftvoll schwang Raah seinen Morgenstern und stürmte mit aller Kraft dieer innehatte auf Akara zu. Heute wollte er Rache nehmen, für all die qualvol-len Jahre, welche er erlitten hatte. Diesmal würde sie ihm nicht entkommen.Selbst die Speere welche ihm entgegengeschleudert wurden konnten ihn nichtmehr aufhalten. Er schäumte vor Wut. Noch 10 Meter. Ein letztes Mal holteer mit seinem Morgenstern aus und schleuderte ihn gegen Akara. Noch bevorder Morgenstern sie traf, schloss Akara ihre Augen und breitete ihre Händeaus. Darauf öffnete sich der Boden unter den Füssen von Raah. Ein riesiger,kilometertiefer Spalt öffnete sich. Das Schloss wurde dadurch in zwei Hälftengeteilt. Ein Strom aus Lava bahnte sich seinen Weg durch die Tiefen dieser

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Schlucht. Gluthitze stieg empor. Ohne auch nur die kleinste Chance demAbgrund zu entrinnen, stürzte Raah und mit ihm Hunderte Gluonen in dieTiefe. Doch seine Waffe, den Morgenstern, schmetterte er trotzdem gegensein zuvor angepeiltes Ziel. Und tatsächlich. Raah traf. Er hatte Akara vollerwischt.Volltreffer, schrie Botton.Er konnte es nicht glauben. Akara ist Tod, hörte er seine innere Stimme im-mer wieder rufen. Akara ist Tod. Zum ersten Mal in seinem Leben empfander so etwas wie Freude in seinem Inneren.Akara ist Tod. Akara ist Toood, jubelte Botton aus voller Brust heraus.Doch keiner seiner Kämpfer stimmte in seinen Jubel mit ein.Aber...was ist denn mit Euch? Ihr habt sie doch genauso gehasst!Die Augen der Gluonen waren angsterfüllt. Verzweifelt sahen sie ihren Chefan. Erst konnte er sich dieses Verhalten gar nicht erklären. Doch plötzlichvernahm er ein Zischen und realisierte dass Akara in ihrer ganzen Hässlichkeitdirekt hinter ihm stand. Ganz ruhig legte sie ihre Schlangenhände an seinenKopf und drehte diesen mit einem kurzen Ruck um 180◦. Leblos fiel der Kör-per von Botton zu Boden. Akara hatte es wieder einmal geschafft. SelbstRaah konnte ihr nichts anhaben. In ihrer Wut über die Worte von Botton,dass sie von ihren eigenen Leuten gehasst wurde, brachte sie in den nächstenMinuten wahllos mehrere Hundert Gluonen um. Diese Situation nutzen dieKinder und schlichen sich unbemerkt durch die Halle. Diesmal liefen sie denrechten Treppenturm hoch und fanden sich vor einem Labyrinth aus Gängenund Türen wieder.Und jetzt, fragte Leandra. Wie sollen wir uns hier zu recht finden?Jannis nahm die Schale aus seiner Tasche.Wo befindet sich die andere Hälfte des Gral’s? Zeig uns den Weg.Die Kinder warteten. Doch nichts passierte. Jannis versuchte es wieder undwieder. Doch diesmal hatte er keinen Erfolg. Die Schale half ihm im Momentnicht weiter.Dann müssen wir uns eben selber helfen, sagte Jannis.Er suchte sich die erst beste Türe, öffnete sie und trat geradewegs in die Falle.Er fiel beinahe 3 Meter in die Tiefe. Im letzten Moment konnte er sich aberdank seiner Flugkünste noch retten. Spitze Bambusstäbe ritzten an seinemBauch. Mit einigen Schweissperlen auf der Stirn landete er wieder neben Le-andra.Dass war knapp, sagte er erleichtert.Schnell schlug Leandra diese Türe wieder zu.Also das ist definitiv der falsche Raum. Vielleicht sollten wir uns doch aufdie Suche nach Predun machen, sagte sie. Ich habe das Gefühl, er ist nochim Schloss.

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Vorsichtig öffnete Jannis die nächste Türe.Predun! Predun könnt Ihr mich hören, rief Leandra.Keine Antwort. Nur eine grosse alte Holzkiste stand mitten im Raum. Neu-gierig näherten sich die Kinder der Kiste. Plötzlich bewegte sie sich einigeZentimeter was die Kinder vor Schreck erstarren lies.Hast Du das gesehen, fragte Leandra.Ja. Vielleicht...vielleicht ist Predun da eingeschlossen.Lautlos blieben die Kinder neben der Kiste stehen. Sie hofften, falls sich Pre-dun tatsächlich in der Kiste befinden sollte, etwas von ihm zu Hören. Dochsie vernahmen keinen Laut. Nichts. Alles war ruhig.Was machst Du da, fragte Jannis.Na was wohl? Ich entferne die Nägel.Dabei legte sie ihre Hand über einen Nagel und zog ihn, indem sie ihre Handanhob, heraus.Wie...wie machst Du dass? Was für einen Zauberspruch hast Du dafür ver-wendet?Gar keinen. Ich will es einfach, sagte Leandra und zog schon den dritten Na-gel heraus.Daraufhin versuchte es auch Jannis. Zu seinem Erstaunen gelang auch ihmdieses Kunststück. Zusammen zogen sie einen Nagel nach dem anderen her-aus. Es machte ihnen richtiggehend Spass bis nur noch ein Nagel übrig war.Leandra sah Jannis in die Augen. Er nickte ihr zu. Sie legte ihre Hand überden letzten Nagel und zog ihn heraus. Nun waren sämtliche Nägel entfernt.Erst jetzt fragten sich die Kinder, was, wenn nicht Predun, sich sonst in die-ser Kiste befinden könnte. Beide richteten ihre Augen auf den Deckel. Kaumerkennbar, bewegte er sich ein wenig. Und dann noch ein Stück. Die Kindertraten einen Schritt zurück. Sekunden vergingen ohne dass etwas passierte.Predun, rief Leandra leise. Predun, seid ihr da drin? Predun!Im nächsten Augenblick öffnete sich der Deckel noch ein Stück. Und dannnoch mehr bis er endgültig von der Holzkiste fiel. Eine riesige Seifenblasestieg aus der Holzkiste empor. Und innerhalb der Seifenblase befand sich ei-ne Frau mit goldenem Haar und Schmetterlingsflügeln. Die Flügel leuchtetenin allen Farben und brachten den Kindern die Erinnerungen an den Herbstzurück wo sie ihre Körper immer wieder in den farbenprächtigsten Blätterngebadet hatten.Jannis - was ist dass? Wer ist dass?Ich weiss nicht. Sieh Dir doch die Flügel an - Unglaublich.Die Schmetterlingsfrau sah die Kinder mit einem so freundlichen Gesicht an,dass die Kinder nur Gutes in ihr erkennen konnten.Was meinst Du, fragte Leandra. Sollen wir sie befreien. Vielleicht ist es jadoch Predun. Vielleicht hat ihn die Hexe verzaubert.

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Komm, wir zerstören die Seifenblase, sagte Jannis.Auch Leandra begann nun an der Seifenblase zu Ziehen und zu Drücken.Doch sie wollte einfach nicht zerplatzen. Jannis nahm nun das Brotmesservon Walahfrid und stach damit mehrere Male auf die Seifenblase ein. Einfurchtbarer Gestank schlug daraus den Kindern entgegen welche sofort meh-rere Schritte zurückwichen. Dann geschah seltsames. Plötzlich trat hinter derSchmetterlingsfrau noch eine hervor. Und noch eine. Nun befanden sich DreiSchmetterlingsfrauen innerhalb der angestochenen Seifenblase. Dass Lächelnverschwand nun auf ihren Gesichtern. Ihre Köpfe begannen sich unter dementsetzten Blick der Kinder langsam in Löwenköpfe zu verwandeln. Und anihren Fingern wuchsen entsetzlich lange und scharfe Krallen hervor. Unbe-merkt von den Kindern, welche durch den Anblick und vor allem durch dasLöwengebrüll welches nun startete wie angewurzelt dastanden, füllte sich dieSchale, welche Jannis in der Hand hielt, mit Wasser. Im nächsten Momentzerfetzten diese seltsamen Kreaturen die Seifenblase in Stücke worauf die Kin-der zu Boden fielen. Sofort stürzten sie diese Monster auf sie wobei Jannisreflexartig seinen Arm schützend vors Gesicht hielt und dabei das Wasser derSchale diesen Kreaturen entgegenschleuderte. Im nächsten Moment fandensich diese seltsamen Wesen erneut in einer Seifenblase wieder. Dass Gebrüllwelches darauf startete war so fürchterlich dass es noch mehr Angst in dieGesichter der Kinder trieb. Noch bevor die Seifenblase unter der wilden Krat-zerei dieser Monster nachgab konnten sich die Kinder in den Gang hinausretten und wie sie die Türe zuschlugen wurde es augenblicklich ruhig.Wo hast Du die Schale, fragte Leandra genervt. Gib sie mir! Ich werde nichtnochmal einen Raum betreten, ohne dass ich mir nicht sicher bin, dass sichentweder die gesuchte Gral’s-Hälfte oder Predun darin befindet. Führe unszu Predun, flehte sie den Gral an. Bitte! Bitte, führ uns zu ihm.Nun geschah etwas Merkwürdiges. Ein knallroter, gut sichtbarer Lichtstrahlhatte sich gebildet. Leandra bemerkte ihn erst gar nicht, da sie immer nochauf die Schale einredete. Jannis folgte dem Lichtstrahl. Selbst hinter dernächsten Ecke verlief er weiter.Leandra - sieh doch nur.Was...was ist das?Während Du auf den Gral eingesprochen hast, hat sich dieser Lichtstrahlgebildet.Und wie sich Leandra von ihrem Platz wegbewegte, bemerkte sie, dass derLichtstrahl genau an ihrem Ort startete.Ich glaube ich weiss wohin er uns führt, sagte sie. Er wird uns zu Predunführen.Erst langsam, dann immer schneller folgten sie dem Lichtstrahl, quer durchdieses Labyrinth aus Türen, Räumen, Treppen und Gängen. Der Lichtstrahl

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verlief sogar entlang der äusseren Schlossfassade. Die Kinder mussten ihreKletterkünste in schwindelerregender Höhe unter Beweis stellen. An Fliegenwar aufgrund des starken Windes nicht zu Denken. Sie hatten Angst vonihm mitgerissen zu werden. Und dann, auf einmal endete der Lichtstrahl. Erendete aber nicht vor einer Türe oder in einem Raum sonder mitten in einemder unzähligen Gänge des Schlosses. Und wie sie sich umsahen, verschwandder Lichtstrahl genauso spontan wie er gekommen war. Die Kinder warenratlos.Ich verstehe das nicht, sagte Leandra. Warum hört der Lichtstrahl mitten imGang auf. Was sollen wir hier?Ich weiss auch nicht. Wir sollten wieder umkehren.Und wie Jannis sich schon auf den Rückweg machte, blieb Leandra gebanntvor der Wand stehen.Warte, rief sie. Siehst Du dass?Was?Das ist Holz. Die Wand hier besteht aus Holz.Und?Vorsichtig klopfte Leandra das Holz ab. Sie bemerkte sofort, dass sich dahin-ter ein Raum verbergen musste. Nun war auch Jannis hellhörig geworden.Auch er klopfte den Bereich wo sich das Holz befand ab.Vielleicht befindet sich hier irgendwo eine Geheimtüre, sagte Jannis.Zuerst versuchten sie es mit Rufen. Immer wieder riefen sie nach Predun.Doch bekamen sie keine Antwort. Intensiv tasteten sie die Wand ab bis aufeinmal tatsächlich ein Hebel aus der Holzwand hervorschnellte.Und jetzt? Sollen wir...Ich zieh mal daran, sagte Jannis. Mal sehen was passiert.Und wie Jannis den Hebel nach unten zog, öffnete sich doch tatsächlich eineTüre. Und tatsächlich. Sie hatten gefunden nach wem sie gesucht hatten.Freudentränen liefen ihnen die Wangen hinab.Kinder, rief ihnen Predun entgegen. Den Sternen sei Dank. Ihr lebt. Ich kannsnicht glauben. Ihr habt mich gefunden.Ja das haben wir, sagte Leandra völlig aufgelöst. Wir werden Euch befreien.Nein! Lasst mich. Lasst mich zurück und macht dass ihr von diesem verwun-schenen Ort wegkommt. Ihr könnt mich nicht befreien. Lasst mich. Da ichnun weiss, dass es Euch gut geht, bin ich glücklich. Benutzt jetzt sofort dieSchale. Geht in Eure Welt zurück. Sofort!Aber wir haben schon einmal solch eine Vitrine zerstört. Uns ist dabei nichtspassiert, sagte Leandra.Predun überlegte etwas. Einen Versuch wäre es wert, schoss es ihm durchden Kopf.Einen Versuch, sagte er. Wir wagen einen Versuch. Kommt langsam näher.

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Doch je näher die Kinder der Vitrine kamen umso mehr schnitt sich das Glasin die Hände von Predun.Zurück! Kinder, es ist zwecklos. Ich bin verloren. Aber ihr seid es noch nicht.Verlasst diesen verwunschenen Ort. Geht wieder zurück. Berichtet was pas-siert ist und...Dann unterbrachen laute Kratzgeräusche die Worte von Predun. Zwei Händedrangen durch das Gemäuer und stiessen die Mauersteine mit aller Gewaltbeiseite. Akara trat aus dem Gemäuer hervor. Nun stand sie den Kindern undPredun direkt gegenüber. Einzig der tiefe Graben welcher durch das gesamteSchloss verlief, trennte sie voneinander. Verzeiht, dass ich nicht angeklopfthabe. Aber ich dachte mir, ich nehm den direkten Weg. Sieh an, sieh an. Wenhaben wir denn da. Man sollte Kinder niemals unterschätzen, nicht wahr Pre-dun. Wo habt ihr den fetten Abt gelassen? Ist er schon im...Paradies?Jannis hielt inzwischen die gefälschte Gral’s-Hälfte gut sichtbar in seinenHänden. Gierig starrte Akara auf den lang ersehnten Schatz.Ich möchte Dir einen Tausch vorschlagen, sagte sie mit zuckersüsser Stimme.Du gibst mir dieses lächerliche Stück Blech was Du in Deinen Händen hältstund ich verschone das Leben von Dir und Deinen Freunden. Auch Walahfridkönnt ihr mitnehmen. Und vielleicht gelingt es mir sogar, den Abt aus demReich der Toten zurückzuholen. Das ist doch ein fairer Tausch. Was meinstDu?Und Predun? Darf Predun mit uns zusammen das Schloss verlassen.Predun wird Euch zusammen mit seinem alten Gaul begleiten.Und Eure Gäste?Sind alle schon weg. Niemand von ihnen ist zu Schaden gekommen.Und Walahfrid werdet ihr wirklich wieder lebendig machen?Aber sicher. Ich versprech es Dir.Gut. Zuerst aber befreit Ihr Predun. Dann bekommt Ihr den Gral!Eine Weise Entscheidung, hauchte Akara.Und wie sie diese Worte zu Ende gesprochen hatte, war Predun aus den Fän-gen der Vitrine befreit.Verschwindet Kinder, schrie Predun. Verschwindet! Merkt ihr denn nicht, sielügt Euch...Und mit einem Male konnte Predun nicht mehr sprechen. Kein Laut drangmehr aus seinem Mund.Ich kann mich so schlecht konzentrieren, wenn Predun immer dazwischenre-det. Keine Angst Kinder, er bekommt seine Stimme zurück, sobald ihr mirdie Schale überreicht habt.Einverstanden, sagte Jannis.Das sie so einfach an ihr Ziel gelangen würde, war selbst für Akara überra-schend. Doch ihre Gier machte sie Blind.

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Fangt, rief Jannis.Natürlich warf er die Schale nicht direkt in die Hände von Akara. Sonderngenau in die entgegen gesetzte Ecke.Törichter Junge!Während sich Akara auf die Schale stürzte zog Jannis den echten Gral ausseiner Tasche.Jetzt verstand auch Predun was vor sich ging.Schon aber drehte sich Akara wieder zu ihnen, im Glauben den grossen Siegin Händen zu halten und das Versprechen das sie einst dem Teufel gegebenhatte nun erfüllen zu können. Überwältigt von ihrem Glück bemerkte sienicht, dass sie eine Fälschung in Händen hielt.Predun, sprach sie freundlich und gab ihm seine Stimme zurück. Predun,weisst du was das Schlimmste ist, wenn man Freunde hat. Nein? Dann sagich’s Dir. Nicht zu wissen, was mit ihnen geschehen ist und deshalb werdeich Dich und Deinen verdammten Gaul dorthin zurückschicken von wo ihrgekommen seid.Kaum hatte Akara zu Ende gesprochen, entstanden rund um Predun dreiWindhosen. Sein Versuch zu entkommen war aussichtslos. Immer enger zogendie Windhosen ihren Kreis um ihn. Bis sie sich letzten Endes unter ohren-betäubendem Lärm vereinten und sich in Nichts auflösten. Mitsamt Predun.Jannis war längst klar, dass sie unter diesen Umständen chancenlos gegenAkara waren.Jetzt Leandra. Spring!Dabei schleuderte er das Wasser welches sich inzwischen in der echten Schaleangesammelt hatte, gegen die Mauer.Schon bildete sich ein Tor, gleich jenem welches sie ins Hexenreich Pessorageführt hatte. Aus Zorn über den Betrug, zerquetschte Akara die Fälschungin ihrer Hand. Sie sprang über den Graben und riss beide Kinder vom Torweg. Jannis entkam dem Griff von Akara aber die Schale fiel ihm so unglück-lich aus der Hand, dass sie ausgerechnet in die Schlucht fiel. Jannis blickte indie Augen von Leandra, welche in den Krallen von Akara gefangen war unddann sprang er. Er sprang der Schale hinterher.Neeeiiiinnn!Leandra schrie so laut sie konnte. Aus Angst. Aus Verzweiflung.Akara beugte sich zur Schlucht vor und sah wie die Schale alsauch Jannis inder Tiefe verschwanden.Siehst Du, sagte sie zu Leandra. Manche sehnen sich nach nichts anderem,als sich auf eigene Kosten ins Unglück zu stürzen. Daran kann ich nichtsPositives erkennen, ausser, dass Dein Freund erst am Grunde erkennen wird,welch Glück er hatte, als er noch hier oben stand.Er kommt zurück, sagte Leandra tränenüberströmt. Er kommt zurück und

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wird Dich Töten.Dass glaub ich kaum, sagte Akara mit einem Lächeln.Dann sprach sie einige, für Leandra unverständliche Worte worauf sich derGraben wieder verschloss. Geschlossen. Der Graben war geschlossen. Nichtsdeutete mehr darauf hin, dass hier jemals eine Öffnung existierte. Hätte Aka-ra Leandra nicht so fest umklammert, sie wäre auch gesprungen. Ohne zuzögern.19.17 Uhr, sagte Akara lächelnd. Jetzt kennst Du sogar die Todesstunde vonDeinem Freund.Du hast Jannis getötet, schrie Leandra. Du...du...Ja und? Er machte bloss Schwierigkeiten. Jetzt ist er Tot. In diesem Momentmacht er wohl Bekanntschaft mit dem Teufel. Vielleicht hat er Glück undwird nicht weiter gequält. Immerhin überbringt er ihm persönlich die Schale.Eigentlich wäre dies meine Aufgabe gewesen. Aber so ist es mir auch recht.Jetzt müssen die Zenjaden mir nur noch die andere Hälfte des Gral’s über-reichen. In wenigen Jahren bin ich endlich am Ziel angelangt. Es ist nur nocheine Frage der Zeit.Zenjaden? Davon hatte Leandra nie gehört. Doch das war ihr im Momentegal. Der Schmerz welcher sie durchfuhr nahm ihr die Kraft um zu Schrei-en. Sie war wie betäubt. Selbst als sie in die hasserfüllten Augen von Akarablickte, regte sie sich kaum.Was mach ich jetzt mit Dir. Ich glaube ich werde Dich zu meiner Sklavinmachen, fauchte Akara. Wie gefällt Dir das?Leandra kämpfte sichtlich mit ihren Tränen. Nein, vor Akara wollte sie nichtWeinen. Diese Freude wollt sie ihr nicht machen, obschon der Schmerz densie verspürte sogar das Erlebnis mit Raah übertraf.Dann erinnerte sich Leandra wieder an den Zauber auf ihren Fingerkuppenwelcher sie zusammen mit Predun entschlüsselt hatten. Ihre tiefe Traurigkeitwechselte sich in Hoffnung - vielleicht war Jannis doch nicht Tod. Vielleichthatte er das Unmögliche doch noch irgendwie geschafft. Was hatten sie nichtschon alles miteinander erlebt, als dass ihre Hoffnung nicht gerechtfertigt wä-re. Ihre Augen begannen wieder zu leuchten. Nein, aufgeben würde sie jetztnicht - Niemals! Und wie Akara in die Augen von Leandra blickte erlosch ihrschäbiges Gelächter und Unsicherheit überkam sie.Töten sollte ich Dich, so wie Deinen nutzlosen, kleinen Freund, schrie sie.Leandra schwieg.Zeig mir Deine Hände! Abhacken sollte ich sie Dir. Alle Beide. Mal sehenwas der Teufel vorhat. Vielleicht bist Du noch von grossem Nutzen. Ab jetztliegt es an Dir, ob es Dir gut ergehen wird, oder ob Du Qualen erleiden wirst.Und glaube mir, Kinder zu quälen bereitet mir keine schlaflosen Nächte.

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Kapitel 13

Die Auswahl

Nur einen Schritt trennte Jannis und Leandra von ihrer Heimat - von Gstaad.Doch wie so oft im Leben kommen die Dinge im letzten Moment eben dochanders. Nicht noch einmal wollte Jannis die Schale verlieren. Alles möglicheschoss ihm während des tiefen Falles durch den Kopf. Er erlebte seine Jugendim Zeitraffer. Vor seinen Augen sah er Leandra, Grossmutter Klara und sogarseine Eltern. Und dann erinnerte er sich an jenen Moment als er die Eule aufder Tanne sah. Diesmal aber drehte sich die Eule von Jannis weg. Sie flatter-te kräftig mit ihren Flügeln. Und wie sie sich ihm wieder zeigte, trug sie dieFratze von Akara. Dies erschrak ihn so sehr, dass er augenblicklich die Augenaufriss und in die Realität zurückkehrte. Und dann sah er sie. Wenige Meternoch. Ja, dass war die Schale. Gleich würde er sie in den Händen halten. DieHitze des Feuers erschwerte das Atmen. Noch wenige Zentimeter. Geschafft.Er hatte es geschafft. Er hielt die Schale in seinen Händen. Sofort dachte erwieder an Leandra. Ihre angsterfüllten Augen liessen ihn nicht mehr los. DieWut auf Akara welche in ihm nun hochkam versetzte ihm einen solchen Ener-gieschub, dass er endlich seinen Sturz auffing und mit voller Geschwindigkeitzurück flog. Erst jetzt realisierte er, dass sich der Graben schloss. Nur nochwenige Zentimeter. Vorbei. Er verschwand mitten im Erdreich. Im letztenMoment umklammerte er die Schale. Er hielt sie so fest wie er nur konnte.Die Augen hielt er nun wieder geschlossen. Wenn er jetzt sterben würde, sowollte er dem Tod nicht mit offenen Augen entgegentreten. Er wartete undwartete. Nichts passierte. Nicht einmal einen Schmerz konnte er verspüren.Er fühlte, dass er noch bei vollem Bewusstsein war. War dass der Tod? Erwar verwirrt. Wie konnte es sein, dass er jetzt noch denken konnte. So hatteer sich den Tod nicht vorgestellt. Er war immer der Meinung der Tod würdesich wie der Schlaf anfühlen. Man wacht eben nicht mehr auf. Aber er warwach. Er konnte seinen Atem deutlich spüren. Noch immer hielt er die Au-gen geschlossen. Mit einer Hand tastete er die Umgebung ab. Er war nicht

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eingeschlossen. Er konnte kein Erdreich um sich spüren. Nun öffnete er dieAugen. Noch realisierte er gar nicht wie ihm geschah. Ich lebe, ich lebe noch,schoss es ihm immer wieder durch den Kopf.Ich lebe, schrie er aus voller Brust. Danke Schale, danke. Ich...ich dachteschon...aber vielleicht bin ich...nach dem Tod lebt man ja weiter...irgendwie.Was war dass für ein Ort an dem er sich nun befand. Er konnte nichts erken-nen. Einzig eine kleine Laterne stand neben ihm auf dem Boden. Vorne, weitvorne konnte er dann doch noch ein Licht erkennen. Hinter ihm verlief eineTreppe spiralförmig in die Höhe. Er entschied sich, auf das Licht zuzugehen.Und wie er dem Licht näherkam konnte er ein Haus erkennen. Er klopfte andie Türe. Nichts rührte sich. Kein Laut war zu hören.Hallo!Keine Antwort. Dann trat er in das Haus ein. Es war das Haus, in welchemWalahfrid zum ersten Mal auf die Erdgeister stiess. Doch Jannis konnte dassnicht wissen. Er betrachtete den Kamin und lief dann auf den Tisch zu aufdem er eine Tasse mit heisser Schokolade erblickt hatte. Ihn überkam dasVerlangen und er trank die ganze Tasse bis zum letzten Tropfen leer. Undwährend er trank blickte er um sich. Jeden Moment erwartete er, dass etwaspassieren würde. Dann stellte er die leere Tasse auf den Tisch.Danke!Er setzte sich auf den Stuhl. Die Schale hielt er fest umklammert in seinenHänden, und harrte nun den Dingen die auf ihn zukamen.Dann hörte er plötzlich Kratzgeräusche. Er sah sich um, konnte anfangsjedoch nichts erkennen. Die Geräusche wurden immer lauter. Das gesamteHaus bebte. Das Gemäuer innerhalb der Bögen drohte einzustürzen. Unddann, wie nach einem festen Plan, entfernte sich ein Stein nach dem anderenaus den Bögen. Als würde ein riesiger Staubsauger von aussen auf das Hauseinwirken. Dies dauerte solange als bis beide Bögen vollständig offen waren.Ruhe kehrte wieder ein. Und mit einem Male schwebten Exodis und Numerisdurch die Bögen ins Haus. Beide Erdgeister nahmen am Tisch Platz. Jannismerkte wie seine Hände zitterten. Vor lauter Schreck, brachte er keinen Tonüber seine Lippen. Gebannt blickte er auf die Geister. Doch beide verharrtenin Schweigen. Im nächsten Moment öffnete sich die Türe des Hauses, und dieAugen von Jannis begannen zu Leuchten. Erleichterung machte sich in ihmbreit. Es war die Eule. Sofort stieg Jannis vom Stuhl und rannte auf die Eulezu, welche ihn in ihre Flügel nahm.Jannis genoss diesen Moment des Wiedersehens. Er wollte die Eule gar nichtmehr loslassen. Freudentränen liefen ihm die Wangen hinab.Du musst meine Brüder Entschuldigen. Aber sie sind es eben gewohnt durchdas Gemäuer in diese Halle einzutreten. Gewisse Angewohnheiten wird maneben nur schwer los.

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Ihr seid Geschwister?Ja, das sind wir. Komm, setzen wir uns zu Ihnen an den Tisch.Neuen Mutes ging Jannis voran. Als er sich auf seinen Stuhl setzte, hielter kurz inne, denn anstatt der Eule sass nun ebenfalls ein riesiger in Tucheingehüllter Erdgeist am Tisch.Nur keine Angst, sagte Medisis zu Jannis, aber als Eule kann ich mich schlechtauf diesen Stuhl setzen, oder?Ja, lächelte Jannis zurück. Könnt ihr Leandra retten? Sie ist noch bei Akara.Ich, ich konnte nichts tun, ich.....Nun wendete sich Exodis ihm zu. Mit einer Stimme, so tief und hart wie sieJannis noch nie vernommen hatte, begann dieser Geist zu sprechen.Wir wissen, dass Dich keine Schuld trifft. Dir und Leandra ist schon jetztgelungen was Niemand zuvor auch nur annähernd erreicht hat. Das Wich-tigste vorweg - Leandra lebt! Retten kann sie aber von uns Dreien niemand.Keiner von uns kann jene Zauberkraft im Hexenreich Pessora erlangen, dienotwendig wäre, um gegen Akara zu bestehen.Aber ihr habt doch schon einmal gegen Akara gekämpft, erwiderte Jannis.Ja, das haben wir, fuhr Exodis fort. Aber der Kampf fand in Deiner Weltstatt. Das Hexenreich Pessora befindet sich in einer anderen Raum-Zeit Di-mension. Ähnlich einer Parallelwelt.Was mein Bruder meint, unterbrach Medisis, ist, dass es uns nicht möglichist, Akara in ihrem Reich zu besiegen. Zu gross ist inzwischen die Hilfe, wel-che sie aus dem Reich des Bösen erhält.Und wie retten wir nun Leandra?Erzähl uns zuerst was Du alles erlebt hast - es ist wichtig, dass Du alles soschilderst, wie es vorgefallen ist.Jannis erzählte ihnen die ganze Geschichte. Angefangen mit dem Erlebnisim Wirtshaus. Wie sie von Predun gerettet und unterrichtet wurden. DieErlebnisse im Todestrakt und wie Walahfrid ums Leben kam. Auch dass dieGral’s-Hälfte welche in der Vitrine lag, eine Fälschung war. Schlussendlichkam er auf Akara zu sprechen. Er erzählte jedes Detail, bis zu dem Augen-blick wo er gesprungen war.Die drei Erdgeister sahen sich gegenseitig an. Jannis kam es so vor als ob siemiteinander sprechen würden, doch konnte er keinen Laut hören.Wie kommt es eigentlich, dass ihr mich retten konntet?Nun, dies ist uns gelungen, weil wir erfahren haben, was Dir und Leandra imSpiegel widerfahren ist, sagte Medisis. So konnten wir uns vorbereiten. Nurdeshalb konnten wir Dich retten!Ihr wusstet davon?Predun hat uns davon berichtet und so konnten wir uns einen Rettungsplanausdenken. Ohne diese Information wärst Du jetzt womöglich Tod. Und der

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Gral wäre vollends in den Besitz der dunklen Mächte gelangt.Wir sind sehr traurig darüber wie sich das Ganze entwickelt hat, sagte Nu-meris. So hatten wir es uns nicht vorgestellt. Wir sind uns nicht mehr sicher,ob es richtig war, Euch diese Aufgabe zu übertragen. Du fragst, wie wir Le-andra retten können. Ich wünschte ich könnte Dir darauf eine klare Antwortgeben. Aber ich kann es nicht. Es stehen Dir zwei Möglichkeiten offen.Die erste Möglichkeit welche sich Dir bietet ist, Du gibst uns die Schale zu-rück und alles bleibt wie es jetzt ist. Die Märchengestalten sind gerettet undunmittelbar besteht keine Gefahr für die Menschheit. Leandra und Walahfridwerden aber für immer im Hexenreich Pessora bleiben.Und die zweite Möglichkeit, fragte Jannis ungeduldig.Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass Du zurück ins Hexenreich Pesso-ra gehst und versuchst, die fehlende Gral’s-Hälfte doch noch zu finden undLeandra aus den Fängen von Akara zu retten. Falls aber dieses Vorhabenscheitern sollte, so wärst wohl auch Du für immer ein Gefangener dieser He-xe. Und der Gral ginge somit endgültig in die Hände von Akara über. Dieswäre das Schlimmste was passieren könnte.Und was ist mit Walahfrid, fragte Jannis. Kann ihm geholfen werden, oderist er...?Was Walahfrid angeht, so kann er genauso wie Gödel noch gerettet werden.Doch bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Zudem müssten vorher beide Gral’s-Hälften miteinander vereint werden. Denn nur der Gral hat die Kraft, sieaus ihrem Schlaf zurückzuholen. Wir wünschten wir könnten Dir mehr Hilfeanbieten, aber wir können nicht. Nimm Dir nun Zeit für Deine Entscheidung.Jannis lief zum Kamin. Er starrte ins Feuer und versank in Gedanken. Erhatte sich klarere Worte von den Erdgeistern erhofft. Wie sollte er sich nurentscheiden. Dann bemerkte er plötzlich, dass die Flammen seinen Namenriefen.Jannis! Jannis! Jannis, tapferer, junger Mann.Wer...wer bist Du?

Ich bin ein Teil von jener KraftDie in Dir ruht

Und mit Dir schafft

Nun formten sich die Flammen zu einem Engel.Du...Du bist ja ein Engel.Reich mir Deine Hände.Ohne zu zögern, reichte Jannis seine Hände dem Engel. Er verspürte nicht dengeringsten Schmerz. Jannis schloss die Augen und dann konnte er sie sehen.Er konnte Leandra sehen. Völlig alleine stand sie weinend an einem Fenster

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irgendwo in einem der Räume des Schlosses. Auch ihre Stimme konnte erhören.

Träume ich so vor mich hin?Erlebe ich alle Alpträume der Menschheit auf einmal?

Hat mich doch hie und da ein Engel gegrüsst und jetzt - nur noch das Böse!Könnt ich doch wieder bei Grossmutter Klara sein.

Der Zauber welcher in Dir und Leandra steckt ist sehr, sehr alt und nochviel, viel mächtiger als Deine Lehrer vermuten, sagte der Engel. So schnellkann Euch niemand besiegen, geschweige denn Euch Töten. Keiner von EuchBeiden wird sterben, bevor nicht seine Stunde gekommen ist. An diesem Ge-setz kann niemand was ändern, lieber Jannis. Niemand! Leandra gebührt vielLob. Sie hat bis jetzt Schreckliches mitgemacht. Du bist ihre einzige Hoff-nung. Du darfst sie nicht ihrem Schicksal überlassen. Du würdest es DeinLeben lang bereuen. Ich hoffe, der Entscheid fällt Dir nun leichter. Ich habemich sehr über unsere Unterhaltung gefreut.Jannis riss seine Augen auf. Von einem Engel war nichts mehr zu sehen. DasFeuer im Kamin flackerte friedlich vor sich hin. Immer noch hielt er seineArme ausgestreckt. Er war sich nicht sicher, ob das eben erlebte tatsächlichgeschehen war oder ob er sich dies alles nur eingebildet hatte.Er lief zu den Erdgeistn zurück.Habt ihr ihn auch gesehen? Habt ihr den Engel gesehen, fragte er.Dass, was eben passierte, war nur für Deine Augen und Ohren bestimmt,nicht für Unsere, gab ihm Exodis zur Antwort.Ich...ich weiss jetzt wie ich mich entscheide. Ich werde zurückgehen. Ich wer-de Leandra retten.So soll es geschehen, antwortete Numeris. Wir haben noch eine Überraschungfür Dich.In diesem Moment betrat General das Haus.General!Jannis stürzte sich voller Freude auf seinen Freund.Ohhh, nicht so kräftig. Du erdrückst mich noch.Ich freu mich ja so, Dich zu sehen. Was machst Du hier?Was für eine Frage. Hast Du gedacht ich lasse Dich im Stich? Ich bin vonden Erdgeistern gebeten worden, Dich ins Hexenreich Pessora zu begleiten.Na, was hältst Du davon?Was ich davon halte...ich, ich, ohhhh wenn ich gewusst hätte, dass Du mit-kommst, hätte ich wohl nicht solange mit einer Entscheidung ringen müssen.Nun, genau dass wollten unsere Freunde hier wohl vermeiden. Du alleinesolltest die Entscheidung treffen. Ich soll Dir Grüsse von Predun und Aatossausrichten, schnurrte General.

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Wie geht es Predun?Den Umständen entsprechend. Er ist noch etwas geschwächt. Aber er kommtschon wieder auf die Beine.Komm. Wir setzen uns zu den Erdgeistn. Wir haben noch viel zu besprechen.Jannis setzte sich wieder auf seinen Stuhl. General sprang auf den Tisch.Hast Du die Pläne studiert. Gibt es irgendwelche Besonderheiten, fragte Ex-odis.Ja! Ich hab tatsächlich etwas aussergewöhnliches entdeckt.General streckte seine Krallen aus, und ritzte einen Plan des Schlosses in dieTischplatte.Mir ist beim Studium der Pläne etwas bemerkenswertes aufgefallen. Unbe-greiflich warum ich dies nicht schon früher entdeckt habe.Was denn, fragte Jannis neugierig.Ich glaube ich habe den Schlüssel gefunden, der uns zur zweiten Hälfte desGral’s führen wird. Das Geheimnis liegt wohl in den beiden Treppentürmen.Jannis, Du bist doch mit Walahfrid und Leandra den linken Turm hochge-stiegen.Ja.Habt ihr die Stufen gezählt.Walahfrid hat sie gezählt. Ich glaube er kam auf 666 Stufen. Ja, ich bin mirsicher. Er sagte 666.666, wiederholte General. Auch ich habe vor langer Zeit die Stufen des linkenTreppenturms gezählt und bin auch auf 666 Stufen gekommen. Und da bei-de Türme gleich hoch sind, habe ich angenommen, dass beim rechten Turmauch 666 Stufen vorhanden sind.Und das war wohl falsch, fiel ihm Medisis ins Wort.Genau! Der rechte Turm hat 667 Stufen. Genau eine mehr als der linke Turm.Und doch unterscheiden sie sich nicht in der Höhe.Und welche von diesen 667 Stufen ist nun der Schlüssel zur gesuchten Gral’s-Hälfte, fragte Jannis.Ich schätze die Mittlere. Dann bleiben genau 333 Stufen vor und 333 Stufennach der 334 Stufe übrig. Somit ist die 334-te Stufe in die Zahl 666 eingebee-tet. Und die Zahl 666 ist......die Zahl des Teufels. Dass hat uns Pfarrer Paulus beigebracht. Ausserdemhatte ich ein ähnliches Problem mit der riesigen Wanduhr in der Kammervon Raah.Genau, sagte General. Auch darüber hat uns Predun informiert. Wir sindalle sehr stolz darüber, wie Du dieses Problem gelöst hast.Nun drehte sich General den Erdgeistern zu.Wir sollten ihm von den Zenjaden berichten. Wollt ihr...Nein, nein, antwortete Medisis. Bitte, sprich weiter.

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Zenjaden, fragte Jannis. Was ist das? Wer ist das?General drehte sich wieder Jannis zu.Vor vielen, vielen Tausend Jahren haben auf der Erde das Gute sowie das Bö-se einen Pakt geschlossen. Eine Art Kodex. Eine Vereinbarungen an die sichbeide Seiten unter allen Umständen zu halten haben. Diese Vereinbarungbetrifft Schätze von besonderem Wert. So wie es der Gral einer ist. KeineSeite darf sich solch einen Schatz ohne Zustimmung der Zenjaden aneignen.Insbesondere erhält die beraubte Seite die Möglichkeit innert 50 Jahren dasRaubgut bei den Zenjaden zurückzufordern. Will die bestohlene Partei ihrenSchatz zurück, so muss sie sich einer Prüfung unterziehen. Innerhalb dieser50 Jahre kann man soviele Versuche unternehmen wie man will. Ist dieseZeit jedoch einmal verstrichen und niemandem ist es gelungen die Prüfungerfolgreich zu bestehen so geht der geraubte Schatz endgültig in den Besitzdes Räubers über.Das klingt ja gar nicht so schlecht, sagte Jannis. Vor einer Prüfung habe ichkeine Angst mehr.Nun - das Ganze hat aber einen Hacken. Scheitert man bei der Prüfung, sobezahlt man diesen Fehler in der Regel mit dem eigenen Leben.Warum habt ihr mir dies nicht gleich gesagt? Dann wäre Leandra womöglichnicht in diese Situation geraten. Und Walahfrid würde vielleicht auch nochleben.Die Sache ist etwas komplizierter. Akara muss sich nämlich gar nicht an die-sen Kodex halten. Deshalb haben wir von Anfang an die Möglichkeit, dass dieZenjaden in dieser Sache zu entscheiden haben, ausgeschlossen. Doch nach al-lem was wir von Dir und Predun erfahren haben sind wir uns nun sicher, dassAkara nicht wirklich im Besitz der geraubten Gral’s-Hälfte ist. Der Grundhierfür liegt allem Anschein nach darin, da sie mit dem Teufel ein Bündniseingegangen ist. Und der Teufel wiederum ist an den Kodex gebunden.Ich glaube ich kann Dir nicht ganz folgen, sagte Jannis.Um es kurz zu machen. Wir glauben, dass sich die Gral’s-Hälfte welche ge-raubt wurde unter der Obhut der Zenjaden befindet. Die Zenjaden bestehenaus zwei besonderen Vertretern. Einer davon wurde aus dem Reich des Gu-ten, der andere aus dem Reich des Bösen auserwählt. Immer wenn es zubesonders schweren Zwischenfällen kommt, so wie dies nun der Fall ist, kannman innerhalb von 50 Jahren bei den Zenjaden den geraubten Gegenstandzurückfordern.Und wo finden wir die Zenjaden?Gemäss dem Kodex, muss das Raubgut, ab dem Tage wo es gestohlen wur-de, an die Zenjaden übergeben werden. Dem Räuber muss aber jederzeit derZugang zu seinem Raubgut offen stehen. Mit anderen Worten heisst das also,es muss ein Zugang aus dem Schloss von Akara zu den Zenjaden führen. Wir

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sind davon überzeugt, dass die unterschiedliche Anzahl der Treppenstufendamit in direktem Zusammenhang stehen.Zumindest haben wir jetzt einen Anhaltspunkt, sagte Jannis. Worauf wartenwir? Von mir aus, kanns losgehen.Wenn ihr jetzt das Tor durchschreitet, sagte Numeris, findet ihr euch vor derkleinen Holzhütte von Predun wieder. Fuhuu erwartet Euch dort.Fuhuu! Fuhuu ist schon dort, fragte Jannis ganz aufgeregt.Numeris nickte.Dies freute Jannis so sehr, dass er es gar nicht mehr erwarten konnte, erneutins Hexenreich Pessora einzutreten. Seine Augen begannen zu strahlen. Dies-mal würde es Akara an den Kragen gehen.Genauso wie die Erdgeister gekommen waren, verliessen sie die Halle auchwieder. Als letztes ging Medisis aus der Halle. Und wie schon bei der Geburtvon Jannis zwinkerte sie ihm mit einem Auge zu.Ich werde da sein, wenn ihr wieder zurückkehrt. Viel Erfolg auf Eurer Missi-on.Jetzt war auch die Eule in die Dunkelheit entschwunden. Sekunden späterwurde das Haus erneut wie von einem Erdbeben erschüttert. Der Grund da-für war aber schnell ausgemacht. Die Öffnungen unter den Bögen schlossensich wieder. Stein um Stein kehrte zurück an seinen Platz. Jannis betrachte-te das ganze Schauspiel völlig gelassen. Nichts konnte ihn in diesem Momentaus der Ruhe bringen. Und General war sowieso die Ruhe selbst. Darüberhinaus hatte er dieses Intermezzo schon mehrere Male erlebt.Jannis war bewusster denn je, für welch wichtige Sache er in den Kampf ging.Und zusammen mit General und Fuhuu gab es für ihn kein Halten mehr. Erwürde über Akara siegen, weil er siegen musste.

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Kapitel 14

Die Zenjaden

Jannis blickte zum Kamin wo das Feuer wie gewohnt vor sich hin knisterte.Bevor Du gekommen bist, ist mir in den Flammen ein Engel erschienen. Aberich weiss nicht ob ich es nur geträumt habe.Nur in seinen Träumen ist der Mensch wirklich frei, antwortete General be-lehrend. Ein jeder Traum gibt dem Träumer Einblick in seine innere, unbe-kannte Welt. Träume vermitteln oft, was uns in naher Zukunft widerfahrenwird. Deshalb hüte Deine Träume wie einen Schatz. Denn genau dass sindsie auch.Mein Vater sagt immer, nur die dummen Menschen schwelgen in ihren Träu-men. Das sei genauso unsinnig, wie sich zum Geburtstag oder zu Weihnachtenetwas zu wünschen.Dein Vater ist ein sehr einsamer Mensch. Natürlich wird auch er von Träumenheimgesucht, obschon er dies natürlich niemals zugeben würde. Auf unsereTräume kann man nicht Einfluss nehmen. Sie sind das Ergebnis unserer ei-genen Erfahrungen und jener des Universums.Des Universums?Du bist ein Teil des Universums. Du bestehst aus Sternenstaub der so altist, wie das Universum selbst. Alles was Du je in Deinem Leben noch sehenwirst besteht aus Sternenstaub. Jedes Lebewesen ist ein einziger Zufallspro-zess und doch hat dieses Chaos seine Ordnung. Je intensiver die Lebensphaseist, in welcher sich der Mensch befindet desto intensiver sind seine Träume.Das heisst aber nicht, dass wir uns an alle Träume erinnern. An die inten-sivsten und spektakulärsten Träume können sich die meisten Menschen garnicht mehr erinnern, wenn sie aufwachen. Und doch hat ihr Geist in jenerNacht einen Ausflug gemacht. Einen Ausflug bis an die Grenzen des Unvor-stellbaren.Und Du? Träumst Du auch?Aber sicher! Jedes Lebewesen träumt, sagte General und fuhr sich mit seiner

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Pfote über die Schnurrhaare.Wie kommt es, dass Du Dich in all diesen Dingen so gut auskennst. Du kennstdie Pläne des Schlosses. Du hütest die Schätze von Predun und doch...Ja?Und doch scheint mir, dass Dich etwas bedrückt.Ich dachte mir schon, dass es nicht lange dauert, bis Du oder Leandra michdurchschauen würdet. Ich...Tut mir leid, ich wollte nicht...Schon gut, es ist nicht Deine Schuld. Es ist auch nicht so, dass niemand vonmeinem Schicksal weiss. Alle Professoren in Tensora kennen meine Geschich-te. Sie zu erzählen bereitet mir nach wie vor viel Schmerz. Doch Du undLeandra sollt sie erfahren. Aber zu einem passenderen Zeitpunkt. Jetzt ist esan der Zeit ins Hexenreich Pessora überzutreten.Jannis nahm die Schale aus der Tasche welche sich nun erneut mit Wasserfüllte.Bereit?Bereit!Kaum hatte er den Inhalt der Schale an die Mauer des Hauses geworfen, tatsich erneut das Tor ins Hexenreich Pessora auf. Zur Überraschung fanden siesich, nach Durchschreiten des Tores, inmitten eines mächtigen Schneestur-mes wieder. Die Schneedecke war mindestens einen Meter hoch. Mit einemkräftigen Satz sprang General auf die Schulter von Jannis.Du erlaubst doch? Hmmm...anscheinend ist Akara recht wütend.Und wie kommen wir bei diesem Sturm ins Schloss?Das lass mal meine Sorge sein. Sieh doch - unsere Hütte. Ich frage mich, werwohl das Kaminfeuer entfacht hat.Das war doch bestimmt Fuhuu.Fuhuu? Niemals! Nicht jetzt wo wir uns doch mitten in einem Konflikt mitAkara befinden. Sie hat sicher überall in ihrem Reich Wachen postiert. Duwartest hier! Das könnte eine Falle sein.Mit einem kräftigen Satz, sprang General in die Schneedecke hinein undkämpfte sich bis zur Hütte vor.Nun konnte Jannis seinen Freund weder Sehen noch Hören. So langsam mach-te ihm nun auch noch die Kälte zu schaffen. Doch dann tat sich etwas vorder Hütte. Der Schnee erhob sich, gleich einer riesigen Wasserwelle, und be-wegte sich auf Jannis zu. Immer näher und näher kommend. Jannis blieb wieangewurzelt stehen.General? Bist Du dass? General!Ich bin’s, schrie Fuhuu welcher wie eine Rakete aus dem Schnee geschossenkam.Fuhuu! Mann, hast Du mich erschreckt!

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Setz Dich auf meinen Kopf.Du hast also das Feuer im Kamin entfacht, sagte Jannis. General meinte diessei zu gefährlich.Jetzt nicht mehr, antwortete Fuhuu mit einem Lächeln.Und wie Jannis die Hütte betrat, wurde ihm schnell klar, warum Fuhuu vor-hin so verlegen gelächelt hatte.Er hat sie verspeisst, sagte General trocken. Insgesamt sieben Wachen.Du...Du bist ein Kannibale, sagte Jannis.Ich? Ein Kannibale? Aber nicht doch. Nein, was ich gemacht habe war nichtsanderes als meinen Hunger zu stillen.Dann griff sich Fuhuu in den Mund, kaute ein wenig und zog einen ungefährhalben Meter langen Knochen zwischen seinen Zähnen hervor.Das ist ja ekelig, sagte Jannis.Neben dem Kamin konnte er sieben Rüstungen erkennen. Das Einzige wasvon diesen Wachen überiggeblieben war. Abgesehen von ihren Knochen.So ist er nunmal, sagte General resignierend. Jetzt erübrigt sich auch dieFrage wer wohl das Kaminfeuer entfacht hat.Roh schmecken diese Kerle einfach widerlich, verteidigte sich Fuhuu.Ein Geräusch, welches sich wie Gewehrschüsse anhörte, sorgte erneut fürUnbehagen. Die Fensterscheiben wurden von einer Sekunde auf die andereschneeweiss. Im nächsten Moment sank die Temperatur tief unter den Ge-frierpunkt. Selbst das Feuer im Kamin erlosch. Nun begann Jannis erst rechtam ganzen Körper zu zittern.Schnell! Zieh diese Sachen an, schrie Fuhuu. Ich hab Dir ein paar Kleidermitgebracht.Ein dicker Pullover und eine Hose schützten Jannis vor einem weiteren Wär-meverlust. Fuhuu lieferte ihm zusätzlich etwas Wärme mit seinem dickenFell.Ich seh mal nach, was da draussen vor sich geht, sagte General. Hilf mir mal,rief er Fuhuu zu.Die Türe war nämlich völlig vereist. Ein Feuerstrahl von Fuhuu brachte je-doch das Eis im Nu zum Schmelzen und die Türe gleich mit. Es verschlugihnen allen die Sprache, als sie sahen, was sich draussen abspielte. Die ganzeGegend lag nun unter meterdickem Eis. Selbst die Bäume waren von dickemEis umschlossen. Es war bezaubernd schön und beängstigend zugleich. Jetztwar ihnen auch klar woher diese Geräusche kamen. Es war die Kraft des Ei-ses, welches die Hütte zu zerquetschen drohte. Und wie sie genau hinhörten,merkten sie, dass die ganze Natur unter der Last des Eises litt. Die seltsams-ten Geräusche waren zu Hören.Wir müssen sofort weg von hier, sagte General. Wir müssen in die Höhe.Sofort!

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Jannis und Fuhuu sahen ihn fragend an.Kalte Luft ist schwerer als warme, sagte General. Oben fällt uns das Atmenleichter. Unter diesen Umständen ist es in der Höhe wärmer.Los, steigt auf, sagte Fuhuu.Als sie endlich in der Luft schwebten, fiel ihnen das Atmen tatsächlich leich-ter. Es war bei weitem nicht mehr so kalt wie in der Hütte. Dann erzählteihnen General was es mit diesem Eis so auf sich hat.Dieses Eis unterscheidet sich von demjenigen welches wir aus unserer Welther kennen ganz gewaltig. Ich hatte einmal das Vergnügen mich aus solcheinem Eispanzer befreien zu müssen. Es ist möglich, aber unglaublich müh-sam und aufwendig. Wir müssen unsere Kräfte schonen. Ich vermute, dassdas ganze Schloss von diesem Eispanzer umgeben ist.Und wie sie in die Tiefe sahen, konnten sie erkennen, wie die Hütte vomEispanzer zerquetscht wurde. Die gesamte Landschaft erstrahlte nun in tiefs-tem Blau.Wir müssen einen anderen Weg ins Innere des Schlosses wählen, sagte Gene-ral. Wir werden durch den Wald gehen.Durch den Zauber...das kannst Du unmöglich ernst meinen. Ich meine...Duwillst mit Jannis durch den Wald?Was ist mit dem Wald?Dieser Wald ist kein gewöhnlicher Wald, sagte General. Es ist ein Zauber-wald. Wenn Akara ihr ganzes Schloss hinter einem Eispanzer verbarikatiertso ist der Zauberwald die einzige vernünftige Möglichkeit um ins Schloss zukommen.Vernünftig? Aus diesem Wald ist noch nie jemand lebend zurückgekommen!Aus dem Todestrakt doch auch nicht! Und doch hat es Jannis geschafft. UndLeandra lebt auch noch. Ausserdem hab ich den Wald früher einmal selbstdurchschritten.Du warst schon einmal im Zauberwald, fragte Fuhuu verblüfft. Davon weissich ja gar nichts.Und wie gelangen wir durch den Wald ins Schloss, fragte Jannis.Im Wald gibt es eine Stelle von wo aus ein alter Brunnen ins Schloss führt.Und warum soll denn ausgerechnet dieser Zugang offen sein? Das macht dochkeinen Sinn?Oh doch. Es macht schon einen Sinn. Jetzt dient der Brunnen als Frischluft-zufuhr für das Schloss. Das eigentliche Hindernis um an den Brunnen zukommen ist jedoch ein Wesen welches sich im Wald umhertreibt. Ypps!Ypps? Wer ist Ypps?Ein Monster, antwortete Fuhuu. Man sagt, er tötet alles Lebende was nichtaus seinem Wald entsprungen ist und esse dann deren Herzen. Ich denke,wir sollten Predun über diese neue Situation unterrichten, bevor wir etwas

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unternehmen.Ich will nicht länger warten, sagte General, weil ich nicht länger warten kann.Du hast sicher Recht und wir sollten Predun kontaktieren. Aber ohne mich.Ich muss dass nun zu Ende bringen. Ich will Leandra und Prinzessin Tyadeeaus den Fängen von Akara retten. Und zwar jetzt. Jede Stunde zählt. JannisDu kannst gerne mit Fuhuu zu Predun zurückkehren und ihn um Rat fragen.Vielleicht ist das sogar das Beste für Dich. Fuhuu hat ja Recht - die Situationist nun äusserst schwierig.Wer ist Prinzessin Tyadee, fragte Jannis.Ich...sie ist jemand den ich gut kenne. Doch...ich glaube Fuhuu hat Recht.Ihr Beide solltet zu Predun zurückkehren. Ihr könnt dann immer noch nach-kommen.Kommt gar nicht in Frage. Wenn Du gehst, dann geh ich auch. Ich will nichtlänger warten. Ich will Leandra retten. Jetzt!Dann komme ich auch mit, sagte Fuhuu. Euch kann ich doch nicht alleinelassen. Wir werden gemeinsam in den Zauberwald gehen.Du weisst wie gefährlich es für Dich werden kann, sagte General.Aber wieso denn, fragte Jannis.Seine Spezialität sind Drachenherzen, antwortete Fuhuu. Aber ich werde jetztnicht kneifen. Nein, wenn ihr weitergehen wollt, dann geh ich mit Euch. Kei-ne Widerrede, sagte er scharf. Was auch passieren mag, oberstes Ziel ist undbleibt die Befreiung von Leandra und Prinzessin Tyadee sowie die Suche nachder fehlenden Hälfte des Gral’s. Darauf legen wir jetzt unseren Eid ab.Und so taten sie es auch. Sie alle legten ihren Schwur darauf ab, dass, egalwas passieren möge, sie alle für diesen Auftrag ihr Leben einsetzen wollten.Natürlich war ihnen zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst, wie balddies schon der Fall sein würde. Mit kräftigen Flügelschlägen steuerte Fuhuudas neue Ziel, den Zauberwald, an. Durch die Kälte konnten sie selbst dieweit entferntesten Berge noch gut erkennen. Es war ein herrlicher Anblick.Dies barg aber auch eine Gefahr in sich. Denn auch sie konnte man von wei-tem erkennen. Insbesondere Fuhuu war nicht zu übersehen.Jetzt kannst Du mir Deine Geschichte erzählen, sagte Jannis zu General. Ichglaube, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt dafür. Ich würde sie gerne hören.Meine Geschichte?Ja! Warum kennst Du Dich so gut im Schloss dieser Hexe aus? Warum warstDu schon im Zauberwald? Und wer ist Prinzessin Tyadee?Jetzt bin ich mal gespannt, sagte Fuhuu, welcher mit weit gespreizten Flügendurch die Lüfte segelte.Du weisst doch alles über mich, konterte General. Redet ihr denn nicht übermich?Ohhhh, hin und wieder, antwortete Fuhuu etwas verlegen.

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Mein wirklicher Name ist Prinz Tegral. Schon seit vielen Jahren unterrichteich nun in Tensora. Lange bevor Du und Leandra geboren wurdet, habensich schon viele den Kopf zerbrochen wie es wohl möglich wäre, die gestoh-lene Hälfte des Gral’s zurückzuerobern. So auch meine Frau und ich. Ichwar damals noch so ein Dummkopf. Meine Frau, Prinzessin Tyadee, undich schmiedeten einen Plan. Wir lehrten in jeder Sekunde unserer FreizeitSchwarze Magie. Wir dachten damals, wir könnten Akara mit ihren eigenenWaffen schlagen. Niemand, nicht einmal Predun wusste von unserem Vorha-ben. Und dann, vor 15 Jahren, als wir uns stark genug fühlten es mit Akaraaufzunehmen, betraten wir das Hexenreich Pessora. Wir taten dies nicht, umRuhm zu erlangen auf dass wir in den Geschichtsbüchern verewigt würden.Nein! Wir taten es, weil wir es für richtig hielten. Als ich mit meiner Frau imSchloss angekommen war, lief anfangs alles wie am Schnürchen. Das alleinehätte uns schon Warnung genug sein müssen. Aber wie so oft, wenn man sei-nem Ziel so nahe ist, wird man unvorsichtig. Wir betraten also das Schloss.Nur wenig später fanden wir uns vor unserem ersten Ziel. Den Treppentür-men. Wir machten uns Skizzen und Pläne, um mit System an die Suche nachder Gral’s-Hälfte heranzugehen. Zuerst liefen wir die rechte Treppe hoch undkamen an ein Labyrinth mit unglaublich vielen Räume. Seltsamerweise wa-ren alle Räume wie wir sie betraten leer. Als wir mit unseren Aufnahmenüber diese Räume endlich fertig waren stiegen wir die linke Treppe empor.Als wir oben angelangt waren, bliess ein Windstoss sämtliche Planskizzenaus meiner Hand. Ich seh meine Frau jetzt noch vor meinen Augen als ichzu ihr sagte, sie solle warten, während ich die Pläne einsammeln würde. Esdauerte etwas, bis ich alle Blätter gefunden hatte. Und wie ich die Treppewieder emporstieg, sah ich, wie meine Frau mit dem Tor sprach. Das Tor gingauf und meine Frau ging hinein. Dann schloss sich das Tor wieder. Das wardas letzte Mal als ich sie gesehen habe. Ich hab ihr noch zugerufen, doch siereagierte nicht. Ohhh, niemals hätte ich sie alleine lassen dürfen. Niemals!Das Tor. Sie hat mit dem Tor gesprochen? Das haben wir auch, sagte Jannisaufgeregt.Und so auch ich. Ich bin auf das Tor losgerannt, aber es liess sich nicht mehröffnen. Plötzlich erschien ein Menschenkopf an der Türe. Was ich auch sag-te, es wurde mir am Ende doch kein Einlass gewährt. Und dann, mit einemMale, verschwand die Türe vor meinen Augen. Weg. Einfach so. Ich war ver-zweifelt.General hielt etwas inne, und wischte sich mit der Pfote eine Träne aus denAugen.Plötzlich ist sie dann erschienen, fuhr er fort. Akara. Ich habe mich erst garnicht gross gewehrt als mich ihre Diener festnahmen. Ich bat sie, meine Fraufreizulassen. Dafür war ich sogar bereit mich in ihren Dienst zu stellen. Doch

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meine Verzweiflung amüsierte sie. Tagelang wurde ich gefoltert. Sie versuchteEinzelheiten über Dich und Leandra in Erfahrung zu bringen. Doch ich habenicht geredet. Die Schmerzen waren unerträglich und es gab Augenblicke woich mir den Tod gewünscht habe. Doch eines Tages, als ich unbeaufsichtigtwar, konnte ich mich befreien, indem ich mich in ein anderes Lebewesen ver-wandelte. Doch waren meine Kräfte inzwischen so geschwächt, dass ich denZauber nicht in seiner völligen Klarheit ausgesprochen und ausgeführt habe.Das Resultat daraus ist nun, dass ich erst in 250 Jahren wieder derjenigesein werde, der ich einmal war. Bis dahin, werde ich mich als Kater durchdie Welt schlagen müssen.Du warst einmal ein Mensch, fragte Jannis verblüfft.Ja! So wie Du einer bist.Und Du? Bist Du echt oder...Und wie ich Echt bin, antwortete Fuhuu fast schon beleidigt. Durch unddurch. Aber lassen wir General seine Geschichte fertig erzählen. Wie bist Duentkommen?Wie gesagt, ich musste mich entscheiden in welches Lebewesen ich mich ver-wandeln wollte. Ein Vogel war mein erster Gedanke. Doch in diesem Verlies inwelches mich Akara einsperren lies, gab es kein Fenster. Am Ende entschiedich mich eben für die Katze. Es schien mir in diesem Moment die richtigeEntscheidung zu sein. Immerhin heisst es doch, dass eine Katze 7 Leben hat,lächelte General.Ja und dann, fragte Jannis neugierig. Wie ging es weiter.Ich konnte mich tatsächlich aus dem Raum schleichen, als einer der Wachendie Türe öffnete. Lautlos bewegte ich mich durch die Gänge. Ich hatte beina-he schon aufgegeben, da fand ich doch noch einen Ausweg. Ganz unscheinbarstand am Ende eines Ganges ein grosses Wasserbecken. Es befand sich nurnoch wenig Wasser darin. Eine Art Tunnel befand sich an dem einen Endedes Beckens. Mir war sofort klar, dass dies meine Fahrkarte in die Freiheitwar. Es stellte sich heraus, dass es ein Seitenschacht eines Brunnens war wel-cher mich hinaus in den Zauberwald führte.Und Prinzessin Tyadee, fragte Jannis. Hast Du niemehr von ihr gehört.Es war vor gut einem Jahr. Piu kam mit letzter Kraft und entsetzlich zuge-richtet von einem seiner Erkundungsflüge nach Tensora zurück. Es dauerteWochen bis Piu sich wieder erholt hatte. Er erzählte uns, dass er vor den To-ren des Schlosses von Akara von einem riesigen Flugsaurier attackiert wurde.Nur kurz vor der Attacke hatte er eine Botschaft aufgegriffen die jemand ander Aussenfassade des Schlosses plaziert hatte. Eine Botschaft die mir neueHoffnung zu geben vermochte, dass meine Frau vielleicht...Vielleicht doch noch lebt, beendete Fuhuu den Satz.Ja. Diese Hoffnung habe ich. Doch weiss ich auch, dass ich meine Wünsche

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in diesem Moment nicht über diejenigen von Leandra und dem Gral stellendarf.Was stand denn in dieser Botschaft, fragte Jannis.Tausend Mal hab ich diesen Brief schon gelesen. Eigentlich ist es ein Ge-dicht. Doch ich weiss, dass es von meiner Frau stammen muss. Jede Zeiledavon hab ich mir gemerkt. Jeder Buchstabe davon hat sich tief in meinGedächtnis gebrannt. Folgendes stand in diesem Brief geschrieben.

Meine Träume sind so düster gewordenDass mich nichts mehr hält

Wie glücklich war ich einst in jungen JahrenUnd nun - gefangen - in einer mir fremden Welt

Nur manchmal schenkt die Natur mir ein Stück von ihrem GlückSehe wie eine Wolke Deinem Gesicht so sehr gleicht

Dann kehrt die Hoffnung zurückAuf ein Wiedersehen - eines Tages - Vielleicht.

Und am Ende dieser Zeilen stand der Name Adell.Adell, wiederholte Fuhuu.Ja. Adell. Dass war der Name den ich meiner Frau gegeben habe, sagte Ge-neral. Ein Kosename.Und wieder lief ihm eine Träne die Wangen hinab.Ein Name, den ich nur verwendete wenn wir unter uns waren. Sie wollte, dassniemand anderer ausser mir sie so nannte. Und deshalb bin ich mir sicher,dass diese Zeilen von ihr stammen. Sie muss also noch leben. Und ich werdesie befreien. Das hab ich mir geschworen. Aber zuerst befreien wir Leandraund holen uns auch die fehlende Gral’s-Hälfte zurück.Dann senkte General sein Haupt und schloss die Augen. Niemand sagte inden nächsten Minuten auch nur ein Wort. Bis endlich am Horizont ihr Zielauftauchte.Der Zauberwald, sagte Fuhuu. Wir sind gleich da.Jannis blickte neugierig nach vorne und sah mitten in der mit Eis bedecktenLandschaft einen Wald. Nicht eine Schneeflocke, geschweige denn Eis, warauf den saftig grünen Baumkronen zu erkennen. Als hätte sich der Wald eineeigene Welt im Hexenreich Pessora geschaffen. Und wie sie über den Waldhinwegflogen sah es für einen Moment so aus, als ob ihnen die Bäume zuwin-ken würden.Festhalten, schrie Fuhuu.Zwei Flugsaurier hatten ihnen aufgelauert. Gierig schnappten sie mit ihrenriesigen Mäulern nach Jannis und General. Fuhuu wurde so sehr an einemseiner Flügel verletzt, dass er die Flugbahn nicht mehr halten konnte.

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Festhalten, schrie Fuhuu erneut. Ich geh runter.Mit lautem Gekrache stürzte Fuhuu in den Wald. Mehrere Bäume wurdenentwurzelt und nach einem lauten Aufprall kehrte wieder völlige Ruhe ein.Selbst nach einer halben Stunde fielen, aufgrund des Absturzes, vereinzelteBlätter von den Bäumen. Als erstes kam General wieder zu sich. Er schüttel-te sich den ganzen Staub aus dem Fell und machte sich auf die Suche nachseinen Gefährten. Um Fuhuu zu finden brauchte er nicht lange zu suchen. Erlag 50 Meter weiter vorne in einem Graben.Bist Du in Ordnung, rief General. Fuhuu bist Du...Was? Wer?...Ja - ja mir geht’s gut. Mein linker Flügel ist im Eimer. Das wirddauern bis das wieder verheilt ist. Aber er ist nicht gebrochen. Der Kopf drehtsich mir noch. Wo ist Jannis? Hast Du Jannis gesehen?Jannis! Jannis!General und Fuhuu riefen so laut wie sie nur konnten. Nach langem Suchenentdeckten sie ihn endlich. Jannis lag bewusstlos in den Ästen eines Baumes.Lass mich dass machen, sagte Fuhuu.Er stemmte sich gegen den Baum und brachte ihn langsam zu Fall. Generalprüfte vorsichtig, ob Jannis noch atmete.Jannis! Jannis wach auf. Oh bitte, wach doch auf.Was ist mit ihm, fragte Fuhuu.Hoffentlich hat er sich nicht ernsthaft verletzt. Jannis, wach...Lass mich mal, drängte Fuhuu. Jannis Du wachst jetzt sofort auf! Hörst Du?Jannis! Ich sagte, Du...Wo...wo bin ich, sagte Jannis leise und öffnete langsam seine Augen.Siehst Du, so macht man dass.Bei allen Zauberern und Feen - er lebt, sagte General erleichtert. Wir sindabgestürzt. Erinnerst Du Dich?Abgestürzt? Mir brummt der Schädel. Ja - jetzt erinnere ich mich wieder.Hast Du Dich verletzt?Nein. Ich glaube nicht.Und wie Jannis sich selbst abtastete bemerkte er, dass etwas fehlte.Die Schale. Die Schale fehlt. Ich habe die Schale verloren!Sofort machten sie sich auf die Suche. Doch auch nach Stunden konnten sienichts finden. Unterdessen machte Fuhuu einen grausigen Fund.Kommt her. Kommt schnell hier her. Dass müsst ihr euch ansehen.Hinter einem dichten Gestrüb und mit Zweigen bedeckt hatte Fuhuu diebeiden Flugsaurier gefunden. Beide waren harpuniert und beiden fehlte dasHerz. Es wurde ihnen regelrecht herausgerissen.Das ist seine Handschrift. Das kann nur er gewesen sein.Ypps, fragte Jannis leise.Ja! Ypps! Jetzt ist mir auch klar, warum es so ruhig ist.

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Wie gut kennst Du ihn?Kennen tue ich ihn nicht wirklich. Er wollte mich damals Fressen. Aber dazukam es nicht. Ich hab ihm ein Auge ausgekratzt. Dann konnte ich fliehen.Davon hast Du uns nie etwas erzählt, beklagte sich Fuhuu.Warum denn auch? Dann hätte man sich doch nur noch mehr das Maul übermich zerrissen.Und warum hast Du Ypps nicht verzaubert, fragte Jannis.Probier doch mal zu Fliegen.Erst jetzt merkte Jannis, dass es ihm nicht möglich war, so sehr er sich auchbemühte, sich in die Lüfte zu erheben.Ich verstehe das nicht?Unsere Zauberei wird uns in diesem Wald nicht weiterhelfen, sagte General.Dieser Wald neutralisiert jeglichen Zauber. Das ist auch der Grund, warumAkara in diesem Teil ihres Reiches nichts zu sagen hat.Und was sollen wir jetzt tun, fragte Jannis.Wir werden sein Zuhause aufsuchen. Wenn ich nur noch wüsste wo seineHütte war.Ich glaube ich könnte trotz meines angeknacksten Flügels einen Flugversuchstarten. Von oben ist die Hütte sicher einfacher zu finden.Wir Laufen besser. Ich möchte nicht, dass er am Ende auch noch Dich harpu-niert. So oder so frage ich mich, warum er uns nicht getötet hat. Es wäre fürihn ein leichtes gewesen. Auf jeden Fall bin ich mir sicher, dass er die Schalehat. Er will dass wir ihn aufsuchen. Hätte er es nur auf die Schale abgesehen,wären wir jetzt alle Tod. Wenn ich nur wüsste, wo sein Haus stand. Hier hatsich alles so verändert. Es ist alles...Und auf einmal tat sich vor ihren Augen ein Weg mitten durch den Waldauf. Die Bäume traten sozusagen auf die Seite und deuteten mit ihren Ästendass sie diesen Weg beschreiten sollen.Es sieht so aus, als würden wir schon erwartet, sagte General. Bleibt engzusammen.Und wie sie entlang des Weges schritten strichen die Bäume mit ihren Äs-ten immer wieder über ihre Köpfe. Ganz leicht und beinahe schon liebevollwurden sie vom Wald auf seine Weise begrüsst. Auch der Wind schien allein seinen Bann ziehen zu wollen. Sanft strich er ihnen um die Ohren. Wie-der und immer wieder. Die Baumkronen beugten sich, als ob sie so bessersehen konnten wer hier des Weges entlang lief. Und immer wieder wurde dasLaub, welches überall und üppig auf dem Waldboden lag, umhergewirbelt.Ein zauberhaft schöner Anblick. Selbst Steine wälzten sich auf die Seite umihnen den Weg freizumachen. Wenn die Bäume auf die Seite wichen, klanges so, als würde man dicke Äste entzwei brechen. Alle Drei waren sehr aufder Hut. Doch das Einzige was geschah war, dass ihnen die Natur einen Weg

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durch den dichten Wald freigab. Und dann - endlich - kamen sie zu einerBlockhütte. Aus dem Kamin stieg Rauch auf.Das ist sie. Das ist die Hütte von welcher ich euch erzählt habe.Na dann wollen wir Ypps nicht länger warten lassen, sagte Fuhuu.Wartet, sagte Jannis. Wie sieht er denn aus? Ich meine, wenn ich weiss wieer aussieht dann...Er hat keine Gestalt, antwortete General. Und er hat jede Gestalt. Mal nimmter die Gestalt Deines besten Freundes an um Dich im nächsten Augenblick inGestalt Deines grössten Feindes zu erschrecken. Wir müssen uns also über-raschen lassen. Gehen wir.An der Hütte angelangt, klopfte Jannis an die Tür.Wer klopft zu dieser Stunde an meine Tür, erklang eine klapprige, alte Män-nerstimme.Ihr wisst wer wir sind, antwortete General.Was führt Euch zu mir?Ihr selbst. Ihr habt uns bestohlen!Bestohlen? Gerettet hab ich Euch.Dürfen wir eintreten?Der Grosse bleibt aber draussen.Darauf öffnete sich die Türe. Innerhalb der Hütte herrschte beinahe völligeFinsternis. Es dauerte etwas, bis sich ihre Augen daran gewöhnt hatten undsie Ypps erkennen konnten. Ein steinalter Mann mit silbernem Haar welchesbeinahe bis zum Boden reichte und einem ebenso langen, ungepflegtem Bartzeigte sich ihnen. Sein Gesicht war mit zahlreichen Narben übersäht. Undseine Fingernägel waren lang und scharf. Er bewegte sich nur sehr langsam.Beinahe zerbrechlich. Und wie Jannis und General die Hütte betraten wür-digte er sie keines Blickes. Er stand am Herd und rührte mit einer hölzernenKelle langsam in seinem Kochtopf aus dem mächtig Dampf aufstieg.Von allen unbemerkt war auch Piu auf Geheiss von Prof. Einstein in denZauberwald aufgebrochen. Piu war sich sicher, dass, wenn er sich beeilenwürde, er seine Freunde am Brunnenschacht einholen würde. Natürlich warihm der Zugang über den Zauberwald ins Schloss von Akara aus seinen frü-heren Erkundungsflügen bekannt. Und in Anbetracht der Lage in HexenreichPessora sowie auf Geheiss von Prof. Einstein wählte Piu genauso wie Generaldiesen Zugang ins Schloss. Es dauerte nicht lange, bis Piu den Eingang zumBrunnen gefunden hatte. Er konnte ja nicht wissen, dass seine Freunde vonYpps aufgehalten wurden. Und im nächsten Moment war er auch schon insInnere des Brunnenschachtes entschwunden.Ypps rührte immer noch mit seiner Kelle im Kochtopf.Setzt Euch. Habt ihr Hunger?Jannis wollte aufgrund des verführerischen Geschmacks welcher aus dem

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Kochtopf aufstieg schon zusagen da fiel ihm General ins Wort.Danke! Aber wir sind nicht wegen des Essens hier sondern wollen das zurückwas ihr von uns genommen habt. Ausserdem haben wir es sehr eilig.Eilig? Die besten Mahlzeiten kann man nur dann zubereiten wenn man sichZeit lässt. Im Leben ist dass genauso. Wer hetzt, versäumt das Beste. AmEnde merkt man, dass einem die Eile nicht nur weit weniger gebracht, son-dern, dass man sein Leben gar nicht gelebt hat. Doch dann ist es für diemeisten zu spät. Falls ihr es jetzt immer noch eilig habt. Bitte, ihr könntgerne eures Weges gehen. Reisende soll man nicht aufhalten.General hat es nicht so gemeint, sagte Jannis. Stimmt’s General?General hat es nicht so gemeint, wiederholte Ypps verachtend. Bist Du si-cher? Natürlich nicht. Woher denn auch.Ypps rührte mit seiner Kelle noch ein wenig bevor er eine Kostprobe nahm.Hmmmm...Hervorragend. Ihr wollt wirklich nichts? Nein? Nun, ihr könnt esEuch noch überlegen.Dann nahm er einen Teller zur Hand und füllte ihn mit seinen Leckereien ausdem Kochtopf. Und wie er mit seinem Teller zum Tisch lief blickte er Jannisin die Augen.Du und Deine Freundin seid also der Grund für diesen ganzen Durcheinanderin Pessora. Ich hoffe doch, Euch ist bewusst, wie mächtig Euer Gegner ist.Jetzt konnten Jannis und General sehen was sich Ypps im Kochtopf zu-bereitet hatte. Es war eines der Herzen welches er von den Flugsaurierernentnommen hatte. Das Herz schlug immer noch als es nun auf seinem Tellerlag.Meine Lieblingsspeise! Dabei hatte ich noch die Befürchtung, sie würdenEuch nicht bis in den Wald folgen. Aber Ende gut, alles Gut. Dank euchgibt’s heute mal keine Ratten oder Spinnen. Ich freue mich sehr über dieAbwechslung.Mit seinem Messer schnitt er das Herz in der Mitte durch. Blut spritzte inalle Richtungen bis weit über den Tellerrand hinaus. Genüsslich leckte er sichseine Finger ab. Jannis musste sich beinahe übergeben.Was wurde Euch gestohlen, fragte Ypps indem er sich den ersten Bissen vomHerz genehmigte.Die Schale! Die Schale des Heiligen Gral’s wurde uns gestohlen, sagte Generalscharf.Des Heiligen Gral’s. Soso. Und ihr wisst wo sich die andere Hälfte des Gral’sbefindet?Wisst ihr es, fragte General.Vielleicht.Was wollt ihr wirklich von uns?Akara. Ich will dass ihr diese Hexe für mich tötet.

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Für einige Sekunden wurde alles ruhig im Raum.Ihr wollt, dass wir Akara töten. Warum?Meine Beweggründe gehen Euch nichts an. Habt ihr etwa Mitleid mit dieseralten Hexe?Und was kriegen wir dafür?Die Schale! Noch ist sie in meinem Besitz - doch dauert es wohl nicht mehrlange, als bis die Zenjaden an meine Türe klopfen. Auch verrate ich Euch woihr die fehlende Gral’s-Hälfte findet. Und drittens kann ich Euch sagen wosich Leandra befindet.Ihr wisst wo sich Leandra befindet? Wie geht es ihr, fragte Jannis.Wie es ihr geht, fragst Du. Dafür hab selbst ich keine Worte. Den Tod wünschtsie sich. Ein Wunsch den ich bei Euch Menschen so gar verstehen kann. Mitallen Mitteln versucht ihr euer erbärmliches Leben zu verlängern. Und amEnde, wenn der Sensenmann Euch besuchen kommt, seht ihr es endlich ein,dass der Tod das Beste für Euch ist. Nicht wahr, Prinz Tegral.Ypps genoss den Augenblick, als ihm die Augen von General signalisierten,wie sehr es ihn verletzte wenn man ihn mit seinem wahren Namen anredete.Seit dem Verlust seiner Frau, hatte ihn niemand mehr so ansprechen dür-fen. Er wollte es nicht. Und zwar solange, als bis er seine Frau befreit habenwürde. Sie sollte die Erste sein, die ihn mit seinem Namen, seinem richtigenNamen, ansprach.Wo sich die Gral’s-Hälfte befindet, wissen wir inzwischen selbst, sagte Gene-ral.Ich hatte schon befürchtet, ihr wollt nochmal im Todestrakt nachsehen. Ichseh es Dir an, flüsterte Ypps. Du fragst Dich, ob ich auch etwas über Prin-zessin Tyadee weiss.Diesen Gedanken zu erraten erfordert kein besonderes Talent.Dein Schmerz von ihrer Trennung hat sich bei Dir bis heute nicht verringert.Ganz im Gegenteil. Hast Du Dir nicht manchmal gewünscht, es wäre ambesten gewesen Du hättest bei mir den Tod gefunden? Dies hätte Dir all dieJahre viel Kummer und Schmerz erspart.Warum wollt ihr, dass wir Akara töten. Was hat sie Euch getan, unterbrachJannis.Wärs Dir lieber ich würde Dich töten? Oder Euch alle? Ihr habt ja keineAhnung. Ihr Menschen immer mit Euren Fragen. Auf alles wollt ihr eineAntwort. Warum? Weshalb? Ich hasse diese Worte. Ich habs doch vorhinklar und deutlich gesagt. Meine Beweggründe gehen Euch nichts an. Aber daDu ja noch ein Kind bist will ich Dir soviel verraten. Ohne Akara könnte ichendlich wieder den Sonnenuntergang geniessen. Ich bin es leid, eine solcheNachbarin zu haben. Was?Ich hab nichts gesagt, antwortete Jannis.

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Aber Du hast doch gerade eben an etwas gedacht, oder?Ja, also...Na, los. Nur zu. Raus damit.Warum...warum seid ihr auf General nicht wütend. Er hat Euch doch einAuge...Wütend? Weil er mir ein Auge nahm. Ist man wütend so zeigt man seineSchwächen, diesen Rat geb ich Dir gratis. Vielleicht sollte ich froh sein, dasser mir nicht noch Schlimmeres angetan hat. Wer weiss. Doch kommen wirjetzt auf Generals Frau, Prinzessin Tyadee, zurück. Sie lebt. Zumindest tutsie dass noch zu diesem Augenblick.Sie lebt! Wo? Wo finde ich meine Frau? Rede!Zuerst musst Du mir versprechen, dass Du Akara tötest.Ich versprechs. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun um sie zu töten.Das reicht noch nicht. Du musst bereit sein auch dein eigenes Leben zu op-fern. Bist Du dazu bereit?Ja! Ja, dazu bin ich bereit.Nun, dann sind wir im Geschäft. Nur eins noch. Der Drache, bleibt bei mir.Als Pfand sozusagen. Wenn Ihr Akara nicht tötet, so landet sein Herz inmeinem Kochtopf.Das kommt nicht in Frage, erwiderte General energisch. Es geht hier nur ummich. Ich habe Euch mein Wort gegeben.Worte. Wenn Du so alt wärst wie ich, dann wüsstest Du, dass Worte soschnell gebrochen werden wie sie ausgesprochen wurden. Der Drache bleibthier!Einverstanden, rief Fuhuu durch die offene Türe. Falls General die Hexe nichttötet, so sollt ihr über mein Leben verfügen.Nein, schrie Jannis. Was redest Du da?Ich vertraue Dir, sagte Fuhuu zu General. Wenn es jemand schaffen kann,dann Du zusammen mit Jannis und Leandra.Hört, hört, sagte Ypps. Das nenn ich ein Wort. Sind wir uns nun einig?Fuhuu nickte General zuversichtlich zu.Also gut, sagte General. Wir sind uns einig.Eine weise Entscheidung.Ypps stand auf, ging rüber zum Kochtopf und griff mit seiner Hand in daskochende Wasser. Und als er sie wieder rauszog, hielt er die Schale in derHand.Hier Jannis. Fang!Reflexartig fing Jannis die Schale und wunderte sich im nächsten Moment,dass er sich die Hände daran nicht verbrannte.Sie ist ja gar nicht heiss, sagte er überrascht.Du hast ja auch nicht einen gewöhnlichen Becher in der Hand. Reich mir nun

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Deine Hand.Jannis streckte ihm seine Hand entgegen.Mach eine Faust. Deine Hände sind wirklich eine bemerkenswerte Waffe. Nalos jetzt, eine Faust hab ich gesagt. Am Ende bringst Du mich noch zur Stre-cke. Wir brauchen etwas Blut von Dir. Halt jetzt still.Ypps schnitt ihm mit einem seiner Fingernägel eine 5 cm lange Wunde inden Oberarm. Jannis verzerrte das Gesicht vor Schmerz. Doch gab er keinenLaut von sich.Es scheint wir haben es hier mit einem Mann zu tun.Dies nun gefiel General gar nicht. Sofort sprang er auf den Tisch.Treib es nicht zu weit, alter Mann. Wenn das hier nur eine Deiner überflüs-sigen Vorstellungen wird dann...Nur Geduld. Entspann Dich. Ich wundere mich, dass Du und Deine Freundenicht selber hinter dieses Geheimnis gekommen seid. Pass gut auf.Ypps liess reichlich Blut von Jannis in die Schale fliessen und dann als er derMeinung war dass er nun genug von diesem kostbaren Saft hatte, spuckte ereinmal kräftig auf die Wunde des Jungen und verrieb die Spucke.Drück Deine Hand drauf.Jannis gehorchte. Ypps stellte die Schale in die Mitte des Tisches.Leg Deine Hände an die Schale, Junge.Und wie Jannis seine Hand von der Wunde nahm, war diese auch schonwieder verschlossen. Solche Kunststücke konnten ihm mittlerweile nur nochwenig Eindruck machen.Als er seine Hände an die Schale legte, begann sich die Schale, ganz vonalleine, mit noch mehr Blut zu füllen. Das Blut quoll über und breitete sichauf dem ganzen Tisch aus. Dann gab ihm Ypps zu verstehen, dass er seineHände wieder wegnehmen konnte.Woher wisst ihr so gut über den Gral Bescheid, fragte General.Die Antwort auf Deine Frage liegt doch auf der Hand. Hast Du geglaubt,die nächtelangen Beschwörungen von Akara sind mir entgangen. Sie spieltedie Rituale Abend für Abend an einer Kopie des Gral’s durch. Inzwischenhabt ihr wohl selbst rausgefunden, dass Akara gar nicht im Besitz der echtenGral’s-Hälfte ist. Zumindest noch nicht. Kommt sie aber in den Besitz derSchale, so wäre es wohl um Euch geschehen. Euer zugegebenermassen sehrkühne Plan, mit der Schale ins Hexenreich Pessora zu kommen ist sehr mu-tig. Alle Achtung. Damit riskiert ihr, alles zu verlieren. Wie heisst es doch.Angriff ist die beste Verteidigung. Nun, wie auch immer. Ihr könnt nun genauzwei Fragen stellen.Jannis sah zu Ypps.Nicht mir, antwortete er genervt. Der Schale! Ihr müsst Eure Fragen derSchale stellen.

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Nachdem sich Jannis mit General über die Fragen geeinigt hatte wendete ersich der Schale zu. Er atmete nochmals kräftig durch, dann war er soweit.Wo genau befinden sich Leandra und Prinzessin Tyadee?Feine Wellen zeigten sich auf dem Blut. Im nächsten Moment waren sie auchschon wieder verschwunden. Dann bildeten sich Blasen. Ähnlich denen, wel-che sich bilden wenn Wasser überkocht. Die Blasen zerplatzten worauf eineArt Nebel den Tisch überzog, welcher wie ein Wasserfall die Tischkanten run-terstürzte. Schon bald war der gesamte Raum von diesem Nebel eingehüllt.Für Fuhuu war nun der Blick ins Innere der Hütte versperrt. Doch für Jannisund General lichtete sich der Schleier. Vor ihren Augen bildete sich aus denNebelschwaden das Schloss von Akara. Und als würden sie auf einem flie-genden Teppich sitzen, startete nun eine Erkundungsreise durch das Schloss.General konzentrierte sich wie nie zuvor in seinem Leben. Er merkte sich jedeTreppe, jeden Raum und jede Türe welche sie auf ihrer Reise passierten. Unddann - endlich - verlangsamte sich ihr Flug als sie auf eine streng bewach-te Türe zusteuerten. Und als sie auch diese Türe hinter sich liessen, konnteGeneral zum ersten Mal nach so langer Zeit seine Frau sehen. Selbst nach sovielen Jahren Gefangenschaft tat dies ihrer Schönheit keinen Abbruch. Ihrblond-braunes Haar und ihre blau-grünen Augen leuchteten wie eh und jeh.Doch strahlten ihre Augen nicht Freude sondern tiefe Trauer aus. Sie sass aufdem Boden. Neben ihr Leandra welche sie in ihren Armen hielt. Überwältigtvon seinen Gefühlen brachte General nur ein einziges Wort über seine Lip-pen. Er sprach es so leise, dass es niemand sonst hören konnte.Adell!Völlig regungslos genoss General diesen lang ersehnten Augenblick. Freu-dentränen brachten seine Augen zum Leuchten. Jannis streckte seine HandLeandra entgegen. Nur noch wenige Zentimeter trennten sie voneinander.Doch kurz bevor er sie berühren konnte, begann sich der Nebel zu verflüch-tigen. Und damit auch Leandra und Prinzessin Tyadee. Erst ihre Gesichter,dann ihre Körper und am Ende war auch das Schloss nicht mehr zu erkennen.Gleich einer Seifenblase die mit einem Mal zerplatzt, war der Nebel aus derHütte auch schon wieder verschwunden. Nachdem sich Jannis und Generalwieder gefasst hatten, war es nun an General seine Frage zu stellen.Wie kann ich Akara töten?Erneut zeigten sich kleine Wellen auf dem Blut. Doch diesmal bildete dasBlut keine Blasen sondern es formierte sich und bildete einen Satz.Was...was ist das für eine Sprache, sagte General erstaunt. Das ist weder La-tein noch...das...das ist Aramäisch. Oh nein! Ich...ich beherrsche diese Spra-che nicht. Ich...bitte, Ypps ihr müsst uns...Ich kann es lesen, fuhr Jannis dazwischen. Ich kann lesen was da steht.Aber das ist Aramäisch. Wie in aller Welt...

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Ich...ich weiss es auch nicht. Aber ich kann diese Schrift lesen.Na wenn das so ist. Bitte! Lies vor.

Akara töten kann nur derjenigeDer imstande istIhr ohne Furcht

In den Tod zu folgen

Trifft dies auf mich zu, fragte General.Doch anstatt eine Antwort zu bekommen, floss nun all das Blut wieder in dieSchale zurück.Ich sagte doch, ihr könnt genau 2 Fragen stellen. Ihr hättet Euch besser ab-sprechen müssen. In 24 Stunden könnt ihr es nochmals probieren, doch dannwird es wohl für Eure Freunde zu spät sein, sagte Ypps und genehmigte sicheinen weiteren Bissen.Zumindest wissen wir jetzt, wo sich Leandra aufhält, sagte General. Das an-dere ergibt sich schon irgendwie. Wir wollen nun keine Zeit mehr verlieren.Wir brechen sofort auf.Fragend sah Jannis zu Ypps als er nach der Schale greifen wollte.Nur zu. Sie gehört Dir.Und wie gelangen wir nun ins Schloss, fragte Jannis.So wie ihr mich gefunden habt, gelangt ihr auch an den Brunnen der Euchins Schloss führen wird.Kaum hatten sie die Hütte verlassen, bahnte sich erneut ein Weg mittendurch den dichten Wald. Noch ein letztes Mal wendete sich General zu Ypps.Wehe Dir, wenn Fuhuu etwas zustösst.Was soll dass? Willst Du mir Drohen? Spar Dir lieber Deine Kräfte, denn Duwirst sie noch gebrauchen. Erfülle Deinen Auftrag, dann wird Fuhuu auchkein Haar gekrümmt.Jannis verabschiedete sich von Fuhuu indem er dessen Kopf fest umarmteund an sich drückte. Ein letztes Mal noch vergrub er sein Gesicht im weichenFell bevor er von ihm ablies.Mach Dir keine Sorgen um mich. Mir wird schon nichts zustossen.General und Fuhuu sahen sich tief in die Augen. Beide wussten um die fastaussichtslose Situation. Akara zu töten, war so gut wie unmöglich.Auf bald mein alter Freund, sagte General.Auf bald.Einen Moment noch, rief ihnen Ypps zu.Was, rief General verärgert zurück. Soll ich vielleicht den Kopf von ihr alsBeweis ihres Todes mitbringen.Ypps lächelte etwas.Der Brunnen liefert nicht mehr viel Wasser. Am Anfang werdet ihr aber auf

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eine noch immer recht tiefe Pfütze stossen.Und?Ihr solltet darin Baden bevor ihr Euch in den Tunnel begebt. Badet Euchreichlich.Wozu soll das gut sein?Sonst werdet ihr das Schloss nie erreichen. Zum anderen wird Euch dieseHexe so nicht sofort aufspüren können.Blödsinn! Ich habe diesen Schacht schon einmal durchschritten. Ohne einSchlammbad zu nehmen!Damals habt ihr das Schloss auch verlassen. Jetzt wollt ihr in das Schlosseindringen. Das ist was ganz anderes. Also! Vergesst meine Worte nicht!Sobald Jannis und General ausser Sichtweite waren, verfinsterte sich dasGesicht von Fuhuu. Er wusste, dass es ein Wunder brauchte, um aus die-ser Situation noch lebend zu entkommen. Noch lange sah er seinen beidenFreunden hinterher, als sie schon nicht mehr zu sehen waren. Er rührte sichkeinen Zentimeter, als ihm Ypps mehrere Fesseln anlegte. Fuhuu blieb nichtsanderes übrig, als den Dingen zu harren, welche nun auf ihn zukamen.Jannis konnte sich nur schwer mit dem Entscheid, Fuhuu zurückzulassen,abfinden.Ich seh es Dir an, sagte General.Was? Was siehst Du mir an?Das Du mit dem Entscheid, Fuhuu zurückzulassen, ganz und gar nicht ein-verstanden bist.Wir waren zu Dritt! Wir hätten diesen blöden, alten Knacker überwältigenkönnen.Überwältigen? Ihn? Weisst Du, bevor Akara sich dieses Reich Untertan mach-te, bewohnten neben Ypps noch viele weitere Zauberer so wie er dieses Land.Doch alle - alle bis auf Ypps wurden von ihr getötet. Ich weiss nicht wie er esgeschafft hat, aber er ist nunmal der Einzige in diesem Reich, dem es gelang,sich gegen Akara zu behaupten. Er ist alt, aber alles andere als blöd. EinZauberer der alten Schule. Genau wie Akara.Und wie General noch weitere Einzelheiten über Ypps erzählte, verging dieZeit wie im Flug. Als sie ungefähr eine Stunde unterwegs waren, wich plötz-lich keiner der Bäume mehr auf die Seite. Sie befanden sich sozusagen ineiner Sackgasse. Jannis blickte um sich, konnte aber weder einen Brunnennoch etwas ähnliches ausfindig machen.Wo sind wir hier?Am Ziel!Am Ziel? Aber wo ist denn hier ein Brunnen? Wo ist der Schacht?Er müsste sich da drüben befinden.Jannis konnte nichts erkennen. Er lief noch etwas weiter nach vorne.

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Hier? Aber hier ist doch...Und noch bevor Jannis seinen Satz zu Ende führen konnte fiel er in ein tiefesmit Zweigen bedecktes Erdloch.Jannis! Jannis! Bist Du in Ordnung?Ja. Mir ist nichts passiert. Du sagtest doch, der Brunnenschacht wäre weiterhinten!Hab mich wohl etwas verschätzt, rief General lächelnd zurück. Tut mir leid.Hier ist alles verwachsen. Der ganze Schacht ist mit Wurzeln und Gräsernübersäht. Wie weit ist es von hier bis zum Schloss?Das Schloss befindet sich gleich hinter dieser Bergkette. Das sind so um die5000 Meter.Mit einem kräftigen Sprung landete General ein paar Meter neben Jannis.Der Schacht ist im besseren Zustand als ich erwartet habe. Sieht so aus,als könnten wir uns problemlos durch das ganze Wurzelwerk durchkämpfen.Bleib dicht hinter mir.Warte!Was?Siehst Du die Pfütze da? Genau wie Ypps gesagt hat.Du hast recht. Das hätte ich doch tatsächlich vergessen.Und? Was machen wir jetzt?Abwechselnd sah General auf den Schacht und dann wieder auf die Pfütze.Er will, dass wir Akara töten. Vielleicht sollten wir doch lieber seinen WortenGlauben schenken.Langsam lief General auf die Pfütze zu und tauchte ganz vorsichtig seinePfote in den Schlamm. Mit einem Gesichtsausdruck des Ekels drehte er sichweg.Uaahhh, das stinkt vielleicht.Wir springen gemeinsam hinein, sagte Jannis.Bist Du Dir sicher?Ja! Zuvor aber leg ich meine Sachen ab.Beiden wurde es beinahe schwindelig solch ekliger Geruch schlug ihnen ausder Pfütze entgegen. Doch Jannis liess sich von seinem Entscheid nicht mehrabbringen.Bist Du bereit? Und los!General kam gar nicht mehr dazu etwas zu sagen, da war Jannis schon ge-sprungen. Er war tatsächlich mitten in der Pfütze gelandet. Widerwillig nahmletzten Endes auch General ein Bad. Der Schlamm war so dickflüssig, daser auf der Oberfläche laufen konnte. Doch Jannis kannte kein Pardon unddrückte General bis zum Hals in diese ekelig riechende und klebrige Masse.Dies war aber auch schon der Zeitpunkt für General sich wieder aus diesemSchlammbad zu verabschieden. Und oh Wunder, es blieb kein einziges Teil-

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chen dieser ekeligen Masse an ihm kleben wie er aus der Pfütze stieg. Genaudas gleiche geschah bei Jannis. Als ob sie in Wasser gebadet hätten. Doch daskümmerte General wenig. Er wollte nun so schnell wie möglich den Schachtpassieren.Ohne Probleme brachten sie die ersten 2000 Meter des Schachtes hinter sich.Absolute Dunkelheit herrschte vor. Für General war dies natürlich kein Pro-blem. Als Katze fühlte er sich jetzt erst recht in seinem Element. Und Jannis?Jannis bemerkte erst gar nicht, dass seine Fähigkeiten, welche er bei Generalgelernt hatte, inzwischen fast zur Perfektion herangereift waren. Mühelos undsicher bewegte er sich vorwärts. Plötzlich wurde General unruhig. Er bliebstehen.Was ist los?Zurück! Zurück, fauchte er.General machte einen Buckel und Fauchte wie dies Jannis so noch nie beiihm weder gehört noch gesehen hatte. Jetzt wurde auch Jannis klar, was loswar. Der Schacht wurde lebendig. Die Wurzeln griffen gierig nach den beidenEindringlingen. Sie versuchten sich mittels eines Zaubers zu Wehren. Dochauch um ihren Hals schlang sich blitzschnell eine Wurzel und nahm ihnendie Möglichkeit zum Sprechen. Auch die Schale konnte Jannis nicht mehrerreichen. General versuchte sich mit aller Kraft loszureissen. Doch am Endemusste auch er sich geschlagen geben. Er brachte keinen Ton mehr heraus.Nichts. Beide drohten zu ersticken. Es blieben ihnen nur wenige Sekunden.Ungeziefer krabbelte von beiden Seiten des Schachtes auf sie zu. Doch kaumangelangt liessen sie augenblicklich von ihnen ab. Sie verkrochen sich genausoschnell wieder dorthin, von wo sie gekommen waren. Endlich lösten sich dieFesseln an ihren Extremitäten. Doch jene um ihren Hals zog sich unvermin-dert weiter zusammen. Beiden wurde nun Schwarz vor ihren Augen. Da kamwie aus dem Nichts ein Hase angehoppelt. Ein schneeweisser Hase mit riesi-gen Ohren. Hastig knabberte er sich durch die Wurzeln und befreite Jannisund General aus ihrer misslichen Lage. Noch während beide nach Luft ran-gen, zog der Hase eine Karotte aus einem seiner Ohren hervor und knabbertedaran. Ein letzter Blick auf die Geretteten und schon hoppelte der Hase, alswie wenn nichts gewesen wäre in Richtung Zauberwald zurück.Wer...wer war das, würgte Jannis immer noch nach Luft ringend aus sichheraus.Weiss nicht. Aber ohne ihn wären wir jetzt wohl nicht mehr am Leben.Ich verstehe dass nicht, sagte Jannis. Wie konnte das passieren? Hat unsYpps belogen?General überlegte kurz. Und tatsächlich fand er eine plausible Erklärung.Wir haben unsere Köpfe nicht in die Pfütze gesteckt. Alle Fesseln haben sichvon selbst wieder gelöst. Nur jene um unseren Hals nicht.

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Ohne den Hasen wären wir jetzt...vielleicht wurde der Hase von Ypps ge-schickt? Womöglich war er es selbst.Gute Frage. Aber ich weiss es nicht. Komm, wir müssen jetzt weiter. Beeilenwir uns.Zügig gingen sie voran. Immer wieder kamen ihnen seltsame, schleimige Un-geziefer entgegen, doch keines von denen war auf einen Angriff aus. Endlichzeigten sich die ersten Lichtstrahlen welche das Ende des Schachtes verkün-deten.Du wartest hier, sagte General. Ich bin gleich wieder zurück.Lautlos schlich er voran. Er erwartete dass sich mehrere Wachposten vor demSchachtausgang befinden würden. Doch konnte er niemanden erkennen. Viel-mehr stellte er zu seinem Erstaunen fest, dass sämtliche Wächter Tod waren.Allem Anschein nach standen sie einem mächtigen Gegner gegenüber, dennkeiner von ihnen kam dazu, seine Waffe zu ziehen.Piu? Piu bist Du hier?General gab nun Jannis ein Zeichen, dass er nachrücken solle. Unterdessensegelte Piu geradewegs aus seinem Versteck an der Decke auf General zu.Hätt es mir denken können, dass ich Dich nicht überraschen kann.Ein Blick auf die Wachen genügt. Das ist Deine Handschrift.Piu! Was machst Du denn hier?Nicht so laut. Es wimmelt hier nur so von Wachen. Was ich hier mache?Nun, Prof. Einstein hat mich geschickt. Er war der Meinung, wenn ich michbeeilen würde, könnte ich Euch am Brunnen einholen. Und wie ich niemandauch nur in der Nähe davon gesehen habe, dachte ich, ihr seid womöglichschon durch den Schacht gestiegen. Also hab ich mich auf den Weg gemacht.Du bist durch den Schacht gekommen, fragte General neugierig.Ja natürlich. Was denn? Warum seht ihr mich so an?Nun ja, sagte Jannis. Ist Dir denn nichts passiert als Du im Schacht warst?Ach so. Jetzt verstehe ich. Du sprichst von diesem Dreckloch am Anfang desBrunnenschachtes. Seid ihr etwa auch hineingefallen?Du bist...hineingefallen, fragte General verwundert.Ja. Bin ich. Als ich den Brunneneingang gefunden hatte, war ich mir nichtsicher, ob ihr schon durch den Schacht gestiegen ward. Ich hab angenom-men ihr habt all die Zweige über dem Brunnen platziert, um keine Spurenzu hinterlassen. Ich hab mich dann mittels eines kleinen Zaubers ins Inneredes Brunnenschachtes gezaubert. Leider hatte ich mich etwas verschätzt. Ichfand mich nämlich in dieser blöden Pfütze wieder. Könnt ihr Euch das vor-stellen?Jannis und General waren fassungslos. Piu hatte ja keine Ahnung welch Glücker hatte.Hast Du die Wachen so zugerichtet, fragte Jannis.

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War leider nicht zu vermeiden. Aber, was soll diese ganze Fragerei wegendem Brunnenschacht?Ruhe! Seid ruhig, sagte General. Hört ihr denn nicht? Schnell! Folgt mir!Im letzten Moment gelang es Ihnen, sich vor den heraneilenden Wachen inSicherheit zu bringen. Sofort wurde mit einem Horn Alarm geschlagen, alswie sie ihre Kollegen Tod vorfanden.Ich glaube es ist besser, wenn wir uns trennen, sagte General.Was? Trennen? Kommt gar nicht in Frage, entgegnete Piu. Zusammen sindwir stärker.Gegen Akara reicht es ja doch nicht. Wenn wir sie besiegen wollen, müs-sen wir sie überlisten. Ich werde die Aufmerksamkeit der Wachen auf michlenken. Dann werden sie mir folgen. Unterdessen macht ihr Euch auf zumrechten Treppenturm. Die 334 Stufe muss der Schlüssel zur fehlenden Hälftedes Grals sein. Ich werde später nachkommen. Ich finde Euch schon. Einver-standen?Einverstanden, antwortete Jannis. Wenn Du meinst das es so am besten ist,hab ich keine Einwände.Piu ringte etwas mit seinem Entscheid. Doch am Ende lenkte auch er ein.Also dann, sagte General. Und seid Vorsichtig.Laut fauchend sprang er auf die Wachen zu. Sobald er genügend Aufmerk-samkeit auf sich gelenkt hatte, verschwand er in einem der Korridore und dieWachen ihm hinterher.Piu flatterte mit den Flügeln und hob sich in die Lüfte.Fliegen kannst Du hoffentlich noch?Ja! Natürlich.Na dann los. Folge genau meiner Flugbahn. Hörst Du?Wozu denn?Wozu? Überleg doch! Willst Du das man uns entdeckt? Ich weiss wie mandurch solche Hallen und Gänge fliegen muss, um nicht erkannt zu werden.Das habe ich schon zur Genüge in Tensora geübt. Wir müssen sehr vorsichtigsein.Noch bevor Jannis auf die Schale zu sprechen kam, welche ihnen ja die ge-wünschte Unsichtbarkeit liefern konnte, flatterte Piu los. Jannis überlegtenicht lange, steckte die Schale weg und folgte der Flugbahn von Piu. Um zuden Treppentürmen zu gelangen, mussten sie mehrere Hallen passieren. ImFlug wurde ihnen der Gigantismus dieses Schlosses erst recht bewusst. Ei-nige der Fenster waren unglaublich gross. Sie erreichten beinahe die Grössevon Fussballfelder. Auch konnten sie den Eispanzer der das Schloss fest inseinem Griff hatte gut erkennen. Bläulich schimmerte das Licht hindurch,sodass das Innere des Schlosses wie ein funkelnder Diamant erstrahlte. DieTore zwischen den Hallen waren 20 Meter hoch - aus massivem Lerchenholz

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und mindestens einen halben Meter stark. Vor allen Toren waren Wachenpostiert. Es war ihnen also nicht möglich die Tore zu öffnen ohne dass es dieWachen bemerkt hätten. Jannis staunte nicht schlecht, auf welche Weise Piudieses Problem löste. Noch bevor sie zum ersten dieser Tore gelangten, setztesich Piu auf die Schulter von Jannis und befahl ihm, ganz nah ans Tor zufliegen.Näher. Noch näher. Stopp! Also dann.Für einen Augenblick wurde es Jannis Schwarz vor den Augen. Und wie erwieder sehen konnte, bemerkte er, dass sie auf der anderen Seite des Toreswaren.Wie hast Du das gemacht?Ich bin ein Teleporter, antwortete Piu stolz.Ein was?Nicht so laut. Am Ende hilft uns alle Zauberei nichts, wenn Du nur rum-schreist. Ein Teleporter bin ich. Ich kann jeden und alles von einem Ort zueinem bis zu 5 Metern davon entfernten Ort bringen, ohne dabei den physischdazwischenliegenden Raum zu durchqueren. So habe ich mich auch in denBrunnenschacht befördert.Jannis war darüber derart begeistert, dass er erneut laut wurde. Darauf knall-te ihm Piu einen seiner Flügel vor den Mund.Sei still, flüsterte er ihm ins Ohr. Wenn die Wachen uns hören dann...Jannis nickte heftig mit seinem Kopf sodass Piu von ihm abliess.Ich...ich...es tut mir leid. Ich gebe keinen Ton mehr von mir.Eiligst flogen sie weiter und es dauerte nicht mehr lange als sie endlich zuden Treppentürmen gelangten.Piu zählte die Stufen wie sie den rechten Treppenturm emporflogen....332, 333, 334. Das ist sie.Sofort starteten sie mit der Suche nach einem Hinweis welcher sie zu denZenjaden und letztendlich zur Gral’s-Hälfte führen sollte. Sie untersuchtendie Stufe, doch konnten sie nichts aussergewöhnliches feststellen. Doch dannentdeckte Piu seltsamen Schriftzeichen an der Mauer gleich neben den Trep-penstufen.Sieh doch nur. Hier...ich glaube das sind Zeichen. Ja...Schriftzeichen. Viel-leicht ein Code.Piu wirbelte mit seinen Flügeln einigen Staub auf worauf einige HundertSchriftzeichen zum Vorschein kamen.Das muss es sein, sagte Piu. Wir müssen diesen Code entschlüsseln.Piu machte sich sofort an die Arbeit. Hastig flatterte er von einem Schrift-zeichen zum nächsten. Auch Jannis bemühte sich, das Rätsel zu lösen. Im-mer wieder streifte er mit seinen Händen über die Zeichen, doch es geschahnichts. Er hoffte auf einen ähnlichen Effekt, wie bei der Entschlüsselung der

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Schriftzeichen an ihren Händen. Auch Piu hatte so seine Mühe mit der Ent-schlüsselung des vermeintlichen Codes. Unbemerkt ragte die Schale immerweiter aus der Tasche von Jannis bis sie ihm endgültig aus der Tasche fielund mit lautem Klirren auf den Treppenstufen aufschlug.Die Schale!Jannis rannte sofort hinterher und hatte sie auch schon bald eingeholt. Undwie er sie aufheben wollte, da sah er zwei seltsame Zeichen auf einer Trep-penstufe.Piu! Piu! Komm her. Sieh Dir dass an.Schon landete Piu auf der Schulter von Jannis. Und wie er das Zeichen sah,hüpfte er auch gleich auf die Treppenstufe. Ganz Links und ganz Rechts aufdieser Stufe, waren zwei Zeichen angebracht.Hmmm. Seltsam, sagte Piu.Diese Zeichen sehen aus wie zwei Wasserwellen.Wasserwellen, fragte Piu etwas erstaunt zurück. Hattest Du nie Physikunter-richt?Doch! Natürlich!Dann solltest Du aber wissen, dass das hier auf der Linken Seite eine SinusSchwingung und auf der Rechten Seite eine Cosinus Schwingung ist. Mal se-hen ob ich diese Schwingungen auch an der Mauer finden kann.Jannis hingegen blieb stehen und betrachtete beide Zeichen genauestens. Wä-re ihm die Schale nicht aus der Tasche gefallen, hätten sie diese Zeichen wohlnicht entdeckt. Da musste noch mehr dahinterstecken. Er kniete sich vor dieSinus Schwingung und streichte mit seiner Hand darüber. Wie ein Lichtblitzleuchtete sie einmal kurz auf. Die Sinus Schwingung glühte nun regelrecht.Was hast Du gemacht?Ich bin mit der Handfläche über diese Welle gefahren. Das war alles.Schwingung! Nicht Welle! Was ist mit der anderen Schwingung. Hast Du esdort auch versucht?Jannis holte tief Luft und kniete sich vor die andere Schwingung. Und auchhier passierte gleiches wie er mit seiner Hand über die Cosinus Schwingungfuhr. Auch sie leuchtete wie ein Blitz einmal kräftig auf. Beide Schwingungenglühten nun vor sich hin.Und jetzt?Abwarten. Vielleicht...Und noch bevor Piu den Satz beendete, bewegten sich die beiden Schwin-gungen aufeinander zu und vereinten sich.Ich werd verrückt. Das ist das Unendlichkeitszeichen, sagte Piu.Was für ein Zeichen?Das Unendlichkeitszeichen. Die liegende Acht. Das ist das Zeichen für Un-endlich.

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Das Zeichen leuchtete noch ein letztes Mal kräftig auf worauf es dann völligverschwand. Und dann begann sich die Stufe 334 zu bewegen. Jannis undPiu hielten die Luft an. Hatten sie tatsächlich den Zugang zu den Zenjadengefunden? Nachdem die Stufe 334 verschwunden war, begannen sich nochandere Stufen zu bewegen. Auch sie verschwanden und legten dabei einenGang frei.Ich glaube...ich glaube wir haben’s geschafft, sagte Piu erleichtert. Das mussder Zugang zu den Zenjaden sein.Sollen wir auf General warten?Auf General warten? Ich bin ja schon froh, dass uns bisher niemand entdeckthat. Nein, warten sollten wir nicht. Wir sollten die Gelegenheit wahrnehmenund diesen Geheimgang betreten, solange er noch offen ist. Meinst Du nichtauch?Hmmmm...Also gut. Sehen wir nach, wohin uns dieser Gang führt.Das waren Worte, welche Piu hören wollte. Zufrieden flog er einmal um Jan-nis herum und tauchte dann in den von ihnen entdeckten Gang ein. Völligunbekümmert flog er die ersten Meter des Ganges entlang. Doch wurde seinWeiterflug abrupt beendet. Eine plötzlich auftretende Feuerwand schlug ihmentgegen. Piu fiel geschwärzt zu Boden. Er hatte sich einige seiner Federngehörig verbrannt.Hast Du Dich verletzt? Piu! Was ist mit Dir?Nichts. Alles in Ordnung. Jetzt hab ich aber Glück gehabt. Was bin ich nurfür ein Dummkopf. Wäre auch zu einfach gewesen.Jannis erinnerte sich wieder an sein Erlebnis mit dem Engel aus dem Ka-minfeuer. Er verspürte damals keinen Schmerz als er seine Hände ins Feuerlegte. Ob dies auch bei diesem Feuer der Fall sein würde?Was machst Du? Was machst Du denn? Du wirst Dich verbrennen.Doch Jannis hörte nicht auf ihn. Er trat vor die Feuerwand und hielt seineHände hinein.Doch nun geschah etwas mit dem auch Jannis nicht gerechnet hatte. DasFeuer wich sofort zurück. Er bekam das Feuer gar nicht zu Fassen. Und wieer nun in die Feuerwand lief entstand ein Tunnel durch den er ungefährdetschreiten konnte.Siehst Du. Das Feuer kann mir nichts anhaben.Piu sah sich verwundert die Hände und den Kopf von Jannis an. Nicht diekleinste Verbrennung konnte man erkennen.Das ist unglaublich. Ich kenne nur wenige Zauberer denen selbst das Feuernichts anhaben kann. Wie machst Du dass bloss?Ich glaube, wenn ich mir darüber im Klaren wäre, würde es nicht mehr klap-pen. Ich steck Dich unter meine Jacke. Dann bist Du vor dem Feuer geschützt.Einen Moment, sagte Piu. Ich bin ein Teleporter. Ich kann solch eine Feuer-

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wand mit Leichtigkeit überwinden.Und was, wenn diese Feuerwand mehr als 5 Meter breit ist? Na los, schlüpfschon unter meine Jacke.Piu musste einsehen dass Jannis in dieser Sache wohl Recht hatte.Gemeinsam durschritten sie dieses Flammen-Tor und fanden sich in einemmit Fackeln beleuchteten Raum wieder.Sind wir durch? Sind wir durch, fragte Piu ungeduldig.Doch er bekam keine Antwort. Vorsichtig streckte Piu seinen Kopf hervor.Jetzt wurde ihm klar warum er keine Antwort erhielt. Sie hatten tatsächlichdie fehlende Hälfte des Gral’s gefunden. Von grossen, schwebenden Kerzenumgeben lag sie auf einem Podest. Und vor dem Podest sassen zwei aus-sergwöhnlich grosse Katzen. Deren Hals sowie deren Beine waren mindestensdoppelt so lang wie notwendig und ihre Felle schimmerten smaragdgrün.Völlig regungslos sassen sie da und hielten ihre Augen auf Jannis und Piugerichtet.Die Zenjaden, sagte Piu mit zitternder Stimme. Los, verbeug Dich.Vor den Katzen?Das sind die Zenjaden, wiederholte sich Piu. Los! Verbeug Dich.Piu senkte den Kopf und Jannis tat es ihm gleich.Ich verstehe immer noch nicht was das soll, sagte Jannis.Piu holte tief Luft, schluckte kräftig und fuhr mit zitternder Stimme ehr-furchtsvoll fort.Ich habe schon viel über Euch gehört und auch gelesen. Und ich...ich...ichkann im Moment gar nicht zum Ausdruck bringen, wie es mich freut, Euchzu treffen.Durch den Klang Deiner Stimme, bringst Du es zum Ausdruck, sagte eineder Katzen.Wie lauten Eure Namen, fragte Jannis unerschrocken.Ich bin Myris.Und ich bin Tyris.Piu wendete sich nun Jannis zu.Du musst wissen, einer von Ihnen wurde vom Himmel, der andere von derHölle entsendet.Und welcher der Beiden kommt nun vom Himmel, fragte Jannis.Das weiss man nicht. Und sie sagen es Dir auch nicht. Darüber hinaus sinddie Aufgaben denen man sich stellen muss, von Beiden verfasst.Ich hab keine Angst. Ich werde mich der Aufgabe stellen, sagte Jannis selbst-sicher.Nicht so voreilig. Es ist besser wenn ich es zuerst versuche. Wenn ich Erfolghabe, so geht die Gral’s-Hälfte in unseren Besitz über. Und falls ich keinenErfolg habe. Naja, dann liegt es an Dir. Du wirst ja sehen was mit mir dann.

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Und warum hat sich Akara dieser Aufgabe noch nicht gestellt, fragte Jannis.Sie muss sich dieser Aufgabe gar nicht stellen. Es reicht, wenn sie einfachabwartet. Wir sind es, die uns den Aufgaben der Zenjaden stellen müssenum an die Gral’s-Hälfte zu kommen. Ansonsten geht sie für immer in denBesitz von Akara über. So einfach ist dass. Jeder der sich dieser Aufgabestellt, hat genau einen Versuch. Und wenn man mit seiner Antwort falschliegt dann...tja dann...ich werde schon nicht falsch liegen. Und falls doch,hängt alles weitere von Dir ab. Verstanden?Ja! Soll ich hier warten?Ja. Schau mir einfach nur zu.Piu schritt auf die Zenjaden zu. Beide Katzen musterten ihn mit ihren wun-derschönen, grossen, leuchtenden Augen.Ich bin Piu. Ich bin der Assistent von Prof. Einstein welcher in Tensora un-terrichtet und möchte mein Recht einfordern mich Eurer Aufgabe stellen zudürfen.Du möchtest also den Fuss des Heiligen Gral’s an Dich nehmen, sagte Tyris.Ja das möchte ich. Ich habe ein Recht...Natürlich hast Du dass, unterbrach ihn Myris. Andernfalls wäre es Dir nichtmöglich gewesen diesen Raum zu betreten. Selbst wenn Du dafür die Hilfedeines Begleiters in Anspruch genommen hast. Du bist Dir über die mögli-chen Konsequenzen für Dich bewusst, falls Du unsere Aufgabe nicht lösenkannst?Dass bin ich!Nun übergab Myris das Wort an Tyris.Gut. Dann werde ich Dir nun die Aufgabe stellen. Für die Lösung hast Dugenau solange Zeit, wie sie Dir diese Sanduhr zur Verfügung stellt.Tyris nahm eine Sanduhr hervor und stellte sie auf den Boden. Wir habenuns für Dich folgende Aufgabe ausgedacht. Hör gut zu. Nach welchem Gesetzsind folgende Zahlen angeordnet und benenne das nächst folgende Glied.Nun ritzte Tyris mit einer seiner Krallen folgende Zahlen in den Boden, wobeidas Fragezeichen für die zu findende Zahl stand.

1, 2, 5, 29, 853, ?

Das kann ich lösen, sagte Piu zu sich selbst. Ich muss es lösen können.Derweil fielen die ersten Sandkörner durch die Sanduhr.Ganz ruhig, sprach Piu zu sich selbst. Er ging die Zahlen mit allen möglichenKombinationen durch. Doch er konnte keine Gesetzesmässigkeit erkennen.Immer wieder sah er auf die Sanduhr. Und als schon etwa dreiviertel der Zeitverstrichen war, schoss Piu ein Lösungsweg durch den Kopf.Primzahlen, schrie Piu. Das sind ja alles Primzahlen. Warum hab ich dasnicht gleich erkannt. Ich muss die Quadrate bilden und die darauf folgende

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Primzahl gibt die Lösung. 1 zum Quadrat ist 1 und die darauf folgende Prim-zahl ist 2. 2 zum Quadrat ist 4 und die darauf folgende Primzahl ist 5. 5 zumQuadrat ist 25 und die darauf folgende Primzahl ist 29. 29 zum Quadrat ist841 und die darauf folgende Primzahl ist 853. 853 zum Quadrat ist....hmmm,das ist...707291...Nein...707281. So jetzt die nächste Primzahl davon.Immer wieder blickte Piu auf die Sanduhr, welche unerbittlich weiterlief. Undnoch bevor das letzte Sandkorn fiel, gab Piu seine Antwort auf die ihm ge-stellte Frage.

707299

Schade, sagte Tyris. Aber die Antwort ist falsch.Was? Falsch! Wie kann dass sein? 707299 ist doch eine Primzahl?Ja, dass ist sie. Aber zwischen 707281 und 707299 befindet sich eine weiterePrimzahl. Die Lösung wäre 707293 gewesen. Du warst nah dran, aber DeineAntwort ist falsch.Tyris nahm die Sanduhr wieder zu sich worauf im selben Augenblick Piuverschwand.Piu! Wo bist Du? Was habt ihr mit ihm gemacht?Die Zenjaden drehten ihre Köpfe zur Gral’s-Hälfte. Nun sah auch Jannis woPiu gelandet war. Er befand sich zusammen mit dem Gral und den Kerzen ineiner Glasvitrine. Erschwerend kam hinzu, dass die Kerzenflammen nun umein vielfaches grösser waren als zuvor. Allzu lange konnte dies für Piu nichtgutgehen. Man konnte ihm ansehen, dass ihm die Hitze schon jetzt schwerzu schaffen machte.Nun wendeten sich die Zenjaden wieder Jannis zu.Hallo Jannis, sagte Myris. Auch Tyris grüsste ihn freundlich.Ihr wisst wer ich bin?Aber natürlich, antwortete Myris. Sobald jemand das Flammentor durch-schreitet erfahren wir alles über ihn. Und genau danach formulieren wir auchdie Frage.Dann wisst ihr schon, welcher Frage ich mich zu stellen habe?Ja. Es liegt aber an Dir, Dich dieser Aufgabe zu stellen. Noch hast Du Dichja nicht entschieden.Was habt ihr mit Piu gemacht?Er hat sich der Aufgabe gestellt und sie nicht zu lösen vermocht. Lange wirder hinter den Flammen nicht überleben. Der Sauerstoff ist viel zu knapp.Ausserdem ist es erdrückend heiss. Wenn Du die Aufgabe löst, so geht nichtnur die Gral’s-Hälfte in Deinen Besitz. Du würdest auch Piu das Leben ret-ten.Es reicht, rief Jannis. Ich will nicht noch mehr Zeit verschwenden. Stellt mir

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Eure Frage.Eines müssen wir Dir aber noch mitteilen, sagte Tyris. Wenn Du die Fragenicht beantworten kannst, dann wirst Du zusammen mit Piu sterben. UndDeine Gral’s-Hälfte geht in diesem Fall sofort in den Besitz von Akara über.Ist Dir das bewusst?Jannis nickte.Ja. Das ist mir bewusst. Lieber sterbe ich, als meine Freunde im Stich zulassen.Ich werde Dir nun die Aufgabe erklären, sagte Myris.Zuerst strich sie sich mit ihrer Pfote sanft über ihre Schnurrhaare. Dannnahm ihr Gesicht ernstere Züge an und sie donnerte ihre Pfote kräftig aufden Boden. Der gesamte Raum wurde dadurch erschüttert und im nächstenAugenblick war auf der Linken Seite der Vitrine alsauch auf der Rechten jeeine Türe vorhanden. Vor der linken Türe sass nun Myris und vor der rechtenTyris.Wenn man eine der Türen öffnet, sagte Myris, so wird ein Mechanismus inGang gesetzt. Bei einer Türe bringt der Mechanismus die Flammen der Ker-zen zum Erlöschen. Bei Öffnen der anderen Türe jedoch verwandelt sich dieVitrine in eine Flammenhölle. Dies hätte den Tod von Piu alsauch von Dirzur Folge. Die Frage ist also, welche der beiden Türen bringt die Kerzenflam-men zum Erlöschen.Tyris und Ich wissen, welche Türe Du öffnen müsstest um Piu zu retten.Du darfst nun genau eine Frage entweder an Tyris oder an mich richten,um herauszufinden, welche der Türen Du öffnen solltest. Doch es gibt dabeieinen Hacken. Einer von uns Beiden, ich sage nicht wer, wird auf Deine Frageimmer mit der Wahrheit antworten der andere jedoch mit der Unwahrheit.Hast Du die Aufgabe verstanden?Ja. Hab ich.Gut. Die Zeit läuft ab jetzt.Und wieder diente als Zeitmessung die Sanduhr. Jannis erstarrte beinahe alser sah, wie ein Sandkorn ums andere in die Tiefe fiel. Es gab nun kein zurückmehr.Eine Frage nur. Egal an wen, wiederholte Jannis leise.Doch er wusste sich keinen Rat. Die Sanduhr lief unerbittlich weiter. Wiesollte er dieses Rätsel nur lösen. Er setzte sich auf den Boden doch es wollteihm keine Lösung einfallen. Und je intensiver er nachdachte, desto schläfrigerwurde er, bis er dann tatsächlich einschlief.Was sagt man dazu, meckerte Myris. Jetzt hab ich ihm die Aufgabe so guterklärt, und was tut er? Piu scheint ihm nicht viel zu bedeuten! Das wirdBöse enden.Tyris quittierte diese Worte mit einem leisen Fauchen. Myris verstand diese

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Geste sofort. Sie gab vorerst keinen Laut mehr von sich.Jannis fiel in einen sehr tiefen Schlaf. Und er träumte davon, dass die Zenja-den der Eule die gleiche Aufgabe stellten. Die Eule erklärte nun, dass dieseAufgabe am besten mit folgender Frage gelöst werden kann. Nebenbei be-merkte sie, dass es völlig unbedeudent sei, an wen von den beiden Katzenman diese Frage stellen würde. Sodann wendete sich die Eule Myris zu.

Was würde mir Tyris antworten, wenn ich ihn fragen würde, ob mit demÖffnen Deiner Türe die Flammen der Kerzen erlöschen werden.

Falls nun, fuhr die Eule in ihrer Erklärung fort, Myris die Wahrheit sagt undfalls ihre Türe tatsächlich die Flammen zum Erlöschen bringen, so würde sieauf meine Frage mit Nein antworten.Falls ihre Türe aber die Flammen nicht zum Erlöschen bringt, so würde My-ris auf meine Frage mit Ja antworten.Umgekehrt, so die Eule weiter, falls Myris die Unwahrheit sagen würde, sowürde ihre Antwort Nein lauten, wenn ihre Türe die Flammen zum Erlö-schen bringt und Ja, falls dies eben nicht der Fall wäre.Zusammengefasst heisst das also, egal an wen von beiden Du diese Fragestellst, sofern die Antwort auf die Frage Nein lautet, kannst Du die ent-sprechende Türe ohne Bedenken betreten. Falls die Antwort aber Ja lautet,dann wähle einfach die andere Türe. Daraufhin wachte Jannis aus seinemSchlaf auf. Anfänglich musste er sich zuerst klar machen wo er überhauptwar. Rasch war er sich seiner Situation wieder voll bewusst. Er drehte sichzur Sanduhr und sah dass ihm nur noch wenige Sandkörner verblieben bevordie Zeit verstrichen war.Ist er endlich aufgewacht, sagte Tyris. Viel Zeit bleib Dir nicht mehr, Kleiner.Jannis sah in die Augen von Tyris und stellte nun seine Frage.Was würde mir Myris antworten, wenn ich sie fragen würde ob mit dem Öff-nen Deiner Türe die Flammen der Kerzen erlöschen werden.Nein, gab Tyris zur Antwort.Gut! Dann wähle ich Deine Türe.Ohne eine Mine zu verziehen, trat Tyris auf die Seite. Anfänglich zögerteJannis noch, doch dann öffnete er mit geschlossenen Augen die Türe undwie erhofft erloschen sämtliche Flammen. Und auch die Glasvitrine war nunplötzlich verschwunden. Piu lag völlig erschöpft am Boden.Wasser, bettelte er. Ich brauche Wasser. Bitte.Sofort nahm Jannis die Schale aus der Tasche doch wollte sie sich diesmalnicht mit Wasser füllen. Was auch immer Jannis sagte, die Schale blieb leer.Erneut wandte sich Piu an Jannis.Du musst...Du musst zuerst zusammenfügen was zusammengehört.Aus lauter Kummer um Piu hatte Jannis die gesuchte Hälfte des Gral’s gar

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nicht mehr beachtet. Nun stand er dem Schatz direkt gegenüber. Wie eineKrone war sie auf einem kleinen Podest aufgebahrt. Sein Herz begann wiewild zu pochen. Dann nahm er allen Mut welcher in ihm steckte und griffnach der gesuchten Gral’s-Hälfte. Deutlich konnte er die Anziehungskraftzwischen den beiden Gral’s-Hälften spüren. Es war ihm, als hielte er zweistarke Magnete in den Händen.Also dann. Ich füge jetzt zusammen, was zusammengehört.Und als er die beiden Gral’s-Hälften langsam aufeinander zu bewegte, tratenHunderte Lichtblitze aus ihrer Trennstelle hervor. Je näher sich die beidenHälften kamen, desto greller waren die Lichtblitze. Und wie sich die beidenHälften vereinten, wurde der Raum dermassen stark erleuchtet, als hätte dieSonne unter ihnen Platz eingenommen. Begleitet wurden die Blitze anfangsvon leichtem Donner. Am Ende jedoch, als beide Gral’s-Hälften sich verein-ten, erschütterte ein Donner nicht nur das gesamte Schloss. Nein, das ganzeLand wurde erschüttert, so gewaltig ertönte dieser Donner. Für einen Mo-ment hatte Jannis das Gefühl, als wäre der Gral genauso lebendig wie er.Und dann wurde es wieder Dunkel. Einzig das spärliche Licht der Fackelnerleuchtete noch den Raum. Plötzlich durchdrang ein grässlicher Schrei Markund Bein. Selbst als Jannis seine Hände schützend an die Ohren hielt, brachtedies keine Besserung. Die Wände bebten. Endlich beruhigte sich die Situa-tion wieder. Er konnte sich nicht erklären was es damit auf sich hatte, dochinteressierte ihn dies im Moment auch nicht. Er beeilte sich, endlich Piu zuhelfen. Doch wie er nach ihm sah, bemerkte er, dass dieser sich nicht mehrrührte.Oh nein. Bitte nicht. Piu! Piu! Wasser! Ich brauch jetzt Wasser. Bitte lieberGral, füll Dich mit Wasser. Bitte!Und im nächsten Moment, verwandelte sich der metallene Gral in einen ein-fachen Holzbecher. Einen Holzbecher, welcher nun bis zum Rand mit Wassergefüllt war. Vorsichtig gab Jannis Piu daraus zu Trinken. Dann stellte er denGral auf die Seite und wartete. Nichts tat sich. Erste Tränen liefen Jannis dieWangen hinunter. Er befürchtete das Schlimmste. Doch dann - ein leichterFlügelschlag. Und noch einer. Piu öffnete ganz langsam seine Augen.Du lebst! Ich hatte schon befürchtet, dass...egal, Hauptsache Du lebst!Natürlich lebe ich noch. Was war mit mir los? Ich kann mich gar nicht erin-nern was passiert ist. Ich weiss noch, dass ich mich der Aufgabe der Zenjadengestellt habe, aber...aber wo sind sie denn?Erst jetzt realisierte auch Jannis, dass sich die Zenjaden nicht mehr im Raumbefanden. Sie waren alleine. Alleine mit dem Gral. Jannis erklärte Piu wasgeschehen war und wie er die Aufgabe gelöst hatte.Du hast mir aus dem Gral zu Trinken gegeben?Ja!

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248 KAPITEL 14. DIE ZENJADEN

Wasser?Jannis fuhr mit dem Zeigefinger in den Kelch und nahm eine Probe.Ja! Wasser! Das ist Wasser.Wasser - der Ursprung allen Lebens, sagte Piu nachdenklich. Ich fühle michgenauso wie immer...nein, sogar noch etwas besser. Nicht stärker...einfach...einfachgut. Wie soll ich Dir nur Danken?Indem Du mir nun hilfst, Leandra zu retten.Natürlich. Das versteht sich von selbst.Leise! Hörst Du?Ja! Da kommt jemand.Jannis und Piu gingen etwas in Deckung. An der Wand war nun ein Schattenzu erkennen welcher immer grösser und grösser wurde.Wenn das Akara ist, flüsterte Piu, dann werd ich mich auf sie stürzen. Dunutzt diesen Augenblick und verschwindest mit dem Gral und befreist Lean-dra.Aber...Kein Aber. Achtung jetzt kommt sie gleich um die Ecke.Wo seid ihr denn? Jannis! Piu!Und im nächsten Moment betrat General den Raum.Ohhh...hast Du uns erschreckt, sagte Jannis. Wir dachten schon...Sieh dochnur. Wir haben es geschafft. Der Gral. Beide Hälften sind vereint.Grundgütiger. Ihr habt es tatsächlich geschafft. Ich hab’s geahnt, als ich Aka-ra schreien hörte, dass etwas Grossartiges passiert sein musste. Bei allem wasmir Heilig ist. Ein Kind hat vollbracht, was Tausenden vor ihm versagt war.Auch ich hab eine gute Nachricht. Ich hab den Raum gefunden. Der Raumwo Leandra und meine Frau eingesperrt sind. Wir wollen keine Zeit verlieren.Lasst sie uns befreien.Wie bist Du denn durch das Flammentor gekommen, fragte Piu neugierig.Welches Flammentor?Schnell wurde klar, dass mit dem Verschwinden der Zenjaden auch dieserSchutzmechanismus weggefallen war.Und wie sie nun diesen Raum verliessen, kam innerhalb des Schlosses ein ge-waltiges Unwetter auf. Blitze und Donner verwandelten das Schloss in einenwahren Hexenkessel. Es regnete aus Kübeln. Ihr Vorankommen innerhalb desSchlosses wurde dadurch erheblich behindert. Fliegen war aufgrund der heftigaukommenden Windböen viel zu gefährlich. Zum Teil mussten sie schwim-men, so hoch war das Wasser inzwischen angestiegen. Immer wieder tauchtenSchlangen, ja sogar Krokodile, in den Wassermassen auf. Der Regen peitschteihnen mit voller Wucht entgegen. Und nicht selten kamen ihnen die seltsams-ten und widerlichsten Kreaturen, welche durch den Wind und den Regen ausden Wänden und Nischen gespült wurden, entgegengeflogen. Trotz diesen

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Widrigkeiten kämpften sie sich, mit General an der Spitze zu ihrem Zieldurch. Endlich hatten sie jene Türe erreicht, hinter welcher sich seine Frauund Leandra befanden. Doch General war nun sehr verwirrt.Was ist mit Dir, fragte Piu.Vorhin standen hier noch Wachen. Seltsam. Jannis - hör mir nun gut zu. Esist gut möglich, dass sich neben meiner Frau und Leandra auch Akara indiesem Raum befindet. Egal was sie tun wird, Du darfst ihr den Gral aufkeinen Fall übergeben. Hast Du gehört! Und vergiss nicht. Die Hände vonDir und Leandra sind Waffen vor denen sich auch Akara in Acht nehmenmuss. Ich weiss nicht, wie ihr sie einsetzen müsst, aber...nun ja - wir werdensehen. Und noch was...Ja?Falls wir unterliegen werden, dann...Nein. Das werden wir nicht, unterbrach ihn Jannis energisch. Wir werdengewinnen!General lächelte etwas.Du hast Recht. Wir werden siegen, weil wir siegen müssen. Ich weiss Du wirstdas Richtige tun. Gut. Seid jetzt bitte ruhig.Seine Ohren wie Antennen in die Höhe gestellt stand General bewegungslosund ganz nah an der Türe. Trotz des Unwetters gelang es ihm Geräusche ausdem Inneren des Raumes wahrzunehmen.Seltsam, flüsterte er. Ich höre leises Wimmern. Also dann. Wir werden unserneut aufteilen. Ich habe vorhin noch einen anderen Weg gefunden welcherin diesen Raum führt. Falls Akara im Raum ist, soll sie uns Drei nicht aufeinmal zu Gesicht kriegen. Viel Glück. Und schon verschwand General lautloshinter der nächsten Ecke.Dann öffnete Jannis die Türe, welche nun laut knarrend mehr und mehr denBlick in das Innere des Raumes freigab. Im selben Moment verzog sich dasGewitter. Schnell wurde klar, warum General ein Wimmern gehört hatte.In der Mitte des Raumes stand tatsächlich Akara. Ihr linker Arm ruhte aufder Schulter von Leandra und ihr rechter Arm auf der Schulter von Prinzes-sin Tyadee. Akara hatte ihr bezaubernstes Lächeln aufgesetzt. Doch in denGesichtern ihrer Gefangener konnte man den Schrecken ablesen, welche sieimstande war zu verbreiten.Als Jannis Leandra erblickte, konnte er sich kaum zurück halten.Wo ist der Kater, fragte Akara herablassend.Der Kater? Ich weiss nicht wen Du meinst, antwortete Jannis.Wenn Du schon lügst, dann tue es so, dass man es nicht merkt. Vielleichtfällt es Dir wieder ein, wenn ich Deiner kleiner Freundin die Augen auskratze.Ich weiss, dass er irgendwo hier umherstreift.Im nächsten Moment zauberte sie Leandra, Prinzessin Tyadee und Piu in

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einen Käfig welcher in der Luft schwebend nur von einem dünnen Fadengehalten wurde. Unter dem Käfig befand sich ein Kochtopf mit siedendemWasser.Lass sie sofort wieder frei, sonst...Sonst was? Was willst Du machen? Der Gral kann Dich vor mir nicht be-schützen.Ach, tatsächlich? Und warum nimmst Du ihn Dir dann nicht?Du wirst mir jetzt dieses Stück Blech geben, oder...Oder was?Akara lachte etwas. Sie musste sich sehr zusammenreissen, damit sie sichnicht vor lauter Wut in ihre hässliche Gestalt verwandelte.Soweit ich mich erinnern kann, bist Du mir die Schale schuldig geblieben. Duhast mir eine Kopie zugeworfen.So wie Du eine Kopie in der Glasvitrine hinterlegt hast.Ich habe nie behauptet, dass sich dort das Original befinden würde. Für dieDummheit Deiner Lehrer darfst Du mich nicht zur Verantwortung ziehen. Dusolltest mir nun den Gral überreichen. Ich verspreche, ich lasse dann Dichund Deine Sippe gehen wohin ihr wollt. Aber wenn Du mir nicht augenblick-lich dieses Stück Blech überreichst, dann werden Deine 3 Freunde lernen, wases heisst, einen Märtyrertod zu sterben. Und ich werde ganz bestimmt nichtauf 3 zählen. Hast Du mich verstanden?Jannis wusste nicht so recht, was er nun tun soll. Erst ein Blick auf Piu, gabihm wieder Gewissheit.Du wirst den Gral von mir nicht bekommen. Hast Du mich verstanden?Du bist genauso stur wie Predun. Nun denn. Du hast es so gewollt.Mit einem Fingerschnips von Akara riss der Faden an dem der Käfig befestigtwar und fiel nun direkt in den Kochtopf.Ich hatte Dich gewarnt, sagte Akara.Vor was denn?Diese kaltschnäuzige Frage von Jannis machte Akara rasend. Sie ging zumKochtopf rüber, griff in das siedende Wasser und zog den Käfig wieder raus.Doch der Käfig war leer. Dies brachte sie zur Weissglut. Im nächsten Momentwurde Jannis Zeuge der Verwandlung von Akara. Er blieb wie hypnotisiertstehen. Akara packte den Käfig und schleuderte ihn mit voller Wucht inRichtung des Knaben. Im letzten Augenblick sprang General auf Jannis undbrachte ihn zu Fall. Nur um Haaresbreite verfehlte der Käfig sein Ziel undzerschellte an der Mauer.Steh auf, Jannis. Steh auf!Wo...wo sind die anderen?In Sicherheit. Bist Du in Ordnung?Ja! Wo ist...

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Hör mir zu. Du musst nun sofort von hier verschwinden - benutze denGral...ich versuche die Hexe zu Töten. Ich weiss nicht wie Du mir helfenkönntest. Also, nimm den Gral und verschwinde von hier. Um die Anderenkümmert sich Piu.Nein! Ich werde Dich nicht alleine lassen. Zusammen können wir sie besiegen.Aber...Ich werde Dich nicht alleine lassen!Inzwischen stand Akara vor der Türe. Sie öffnete sie und zum Vorschein ka-men Dutzende ihrer Wachen.Habt ihr sie?Ja, Majestät. Wir haben sie. Genau wie ihr vorausgesagt habt.Ein Lächeln überzog die Fratze von Akara. Leandra, Piu und Prinzessin Tya-dee waren direkt in den Händen der Wachen gelandet. Zufrieden drehte siesich Jannis und General zu.Spielt Ihr Schach? Was ist? Keine Antwort? Hat Euch meine Schönheit dieSprache verschlagen. Euer Plan geht wohl nicht so ganz auf. Würdet ihrSchach spielen, dann wüsstet ihr, dass man immer mehr als nur einen Zugvorausdenken muss, um das Spiel zu gewinnen. Die Teleport-Fähigkeiten vonPiu sind ganz nett. Mehr nicht. Du gibst mir nun die Schale und ich versiche-re Dir, dass ich Euch allen einen schnellen Tod bereiten werde. Ansonsten...Halt endlich Dein Maul - alte Hexe, fauchte General. Du bist so hinterhältigund verlogen, dass sich selbst die Hölle Deiner Schämen muss.Ha! Was weiss so ein reudiger Strassenkater schon von der Hölle. Aber ichwerde es Dich schon bald wissen lassen. Denn in wenigen Sekunden wirst Dudich dort wiederfinden. Zusammen mit diesem Haufen von Missgeburten, dieDu Deine Freunde nennst. Krieg ich den Gral nun freiwillig, oder...Wenn Du uns alle Töten könntest, hättest Du es schon längst gemacht, altesWeib, stichelte General weiter. Solange Jannis...Dein albernes Gerede ist zum Kotzen. Na gut, Ihr habt es nicht anders ge-wollt. Wachen...Genau auf diesen Moment hatte General gewartet. Gerade als sich Akarazur Seite drehte, um ihren Wachen einen Befehl zu erteilen sprang er miteinem kräftigen Satz auf sie zu und zerkratze mit seinen scharfen Krallen ihrGesicht. Grünes Blut floss aus den Wunden. Akara schrie entsetzlich. Auchgelang es General, einige der Schlangen an ihren Händen abzutrennen. Dochdann biss die riesige Schlange auf der Stirn von Akara zu. Sie biss Gene-ral direkt ins Genick. Höllenschmerzen durchfuhren ihn in diesem Moment.Diesmal hatte er den richtigen Moment verpasst, um sich zu verwandeln.Jannis, schrie General. Bitte! Hilf mir - es tut so weh.Und gerade als Jannis General zu Hilfe eilen wollte, worauf Akara nur warte-te, da geschah Seltsames. Alles um ihn herum erstarrte. Weder General noch

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Akara noch ihre Wachen noch die Freunde von Jannis konnten sich bewegen.Bis auf Leandra. Sie war von diesem Phänomen genauso wenig betroffen wieJannis. Es brauchte einige Sekunden bis die Kinder sich der Situation be-wusst wurden. Leandra befreite sich aus der Umklammerung der Wache undlief sofort zu Jannis.Ohh, Jannis!Die Kinder fielen sich gegenseitig in die Hände.Was hast Du gemacht? Warum rührt sich auf einmal niemand mehr?Keine Ahnung. Ich...ich hab nichts getan.Zusammen versuchten sie General aus den Fängen von Akara zu befreien,doch hatte sich die Schlange zu sehr festgebissen. Auch fühlte sich der Kör-per von General wie auch jener von Akara eiskalt an. Sie liefen zu PrinzessinTyadee und durchschnitten die Fesseln an ihren Händen. Doch auch sie be-wegte sich nicht. Genau das Gleiche bei Piu. Ihm wurden die Flügel zusam-mengebunden. Auch hier schnitt Jannis mit dem Messer von Walahfrid dieFesseln durch. Doch auch er rührte sich nicht. Plötzlich hörten sie wie jemandnach ihren Namen rief. Wieder und immer wieder. Die Rufe kamen aus demRaum wo sich General und Akara befanden. Die Kinder liefen in den Raumzurück, doch konnten sie anfangs niemanden sehen. Dann bemerkten sie, wiedas Feuer unter dem Kessel wild vor sich hin flackerte. Nun erhob sich eineEngelsgestalt aus dem Feuer. An die 2 Meter gross. Und mit Flügeln welchesogar noch grösser waren. Der Engel bestand nur aus Feuer. Der Anblick warüberwältigend.Du, sagte Jannis überrascht.Wer...wer ist dass, fragte Leandra.Ich...ich glaub ich kenn Dich. Du bist doch der Engel welcher zu mir gespro-chen hat. Im Haus der Erdgeister. Oder?Ohne ein Wort zu sagen schwebte der Engel auf die Kinder zu. Er beugtesich zu den Kindern und flüsterte ihnen etwas ins Ohr. Darauf nahm Jan-nis den Gral aus seiner Tasche und hielt ihn dem Engel entgegen. Diesmalhatte sich der Gral in einen Kelch aus Stein verwandelt. Der Engel zupftenun eine Feder aus seinem Flügel und liess sie in den Gral fallen. Er machtedies mehrere Male. Die Kinder waren wie hypnotisiert. Was ihre Augen zusehen bekamen war so wunderschön und einzigartig wie sie etwas vergleich-bares noch nie gesehen hatten. Jedesmal wenn eine der Feuerfedern in denGral fiel, entstand ein kleines Feuerwerk welches in den herrlichsten Farbenleuchtete. Dann beugte sich der Engel nochmals zu den Kindern und flüs-terte ihnen erneut etwas ins Ohr. Dann legte er seine Hände auf die Köpfeder Kinder und sah ihnen tief in die Augen. Daraufhin tauchte Jannis seinerechte Hand in den Gral und sprach kaum hörbar die Zeichen auf seiner Handnach. Das gleiche wiederholte er mit seiner linken Hand. Dann übergab er

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den Gral Leandra welche genau das gleiche Ritual wiederholte. NebelartigerDampf stieg nun aus dem Gral empor. Die Blicke der Kinder richteten sichauf diese Quecksilber ähnliche Flüssigkeit welche sich nun im Gral befand.Und wie sie wieder zum Engel blickten war dieser verschwunden. Sie drehtensich nach allen Seiten, doch der Engel war weg. Nun traten die Kinder in dieMitte des Raumes und drehten sich General und Akara zu. Leandra hielt denGral in den Händen und man konnte ihr ansehen, man konnte beiden Kin-dern ansehen, dass sie ganz genau wussten was sie als nächstes tun würden.Und schon befanden sie sich wieder mitten im Geschehen. Mitten im Kampfzwischen General und Akara. Die Schmerzen verdrängend, wiederholte Ge-neral seine Worte.Jannis! Bitte - unternimm etwas. Jetzt!Ohne es eigentlich zu wollen, öffneten sich die Münder von Jannis und Lean-dra und laut sprachen sie die Zeichen des Zaubers welcher ihre Hände zierte.Darauf erschütterte sich nun das gesamte Schloss. Die Berge im HexenreichPessora bebten. Und allerorten zersprang das meterdicke Eis. Die Flüssigkeitinnerhalb des Gral’s fing an zu kochen worauf Leandra den gesamten Inhaltgegen Akara warf. Jetzt erst wurde Akara bewusst, was vor sich ging. IhrAussehen wechselte in Millisekunden von einer Gestalt in die Andere. Siehielt General schützend vor sich wie sie sah, was da auf sie zukam.Ihre Schreie welche sie nun ausstiess, waren so entsetzlich, dass Leandra denGral fallen lies und sich die Ohren zuhielt.Doch es war zu spät. Schon traf die Flüssigkeit ihren Körper. Und danngeschah Unglaubliches. Unmengen von Wasser umschlossen nun Akara. Ge-neral hatte noch versucht, sich in Sicherheit zu bringen doch konnte er sichnicht mehr befreien. Auch er wurde von den Wassermassen eingeschlossen.Inzwischen hatten einige Wachen den Raum betreten. Auch Prinzessin Tya-dee und Piu sahen was nun geschah. Das Wasser bildete eine Art Würfelin welchem nun Akara und General vollständig eingeschlossen waren. Wildumherschwimmend versuchten beide ihrem Schicksal zu entkommen. Doches war zwecklos. Der Würfel hielt sie gefangen. Piu und Prinzessin Tyadeeversuchten verzweifelt General zu retten. Doch es war unmöglich. Sie konn-ten die Wasserwand einfach nicht durchdringen. Jannis und Leandra bliebengeschockt mit weit aufgerissenen Augen stehen.In ihrer unendlichen Wut bündelte Akara noch ein Mal ihre Kräfte und ver-suchte die Kinder zu verfluchen. Noch bevor sie ihre ersten Worte aussprechenkonnte wechselte das Wasser seinen Aggregatzustand. Es ging vom Flüssigenin den Festen Zustand über. In glasklares Eis. Der Wechsel verursachte Ge-räusche die erahnen liessen, welch riesenhafte Kräfte hier am Werk waren.Prinzessin Tyadee kamen die Tränen, als sie so hilflos zusehen musste, wasmit General geschah. Akara und General konnten sich nun keinen Millimeter

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mehr bewegen. Der Anblick von Akara war schauderhaft. General hingegenzeigte selbst in der Stunde seines Todes keine Schwäche. Seine Augen strahl-ten Würde und Zufriedenheit aus. Es war fast so, als ob er lächeln würde. Alsob er seinen Freunden einen letzten Gruss zukommen lassen wollte. LautesKrachen kündigte erneut eine Verwandlung des Eisblockes an. Es musstennun enorme Kräfte auf den Eisblock einwirken, denn er verwandelte sichlangsam in einen Felsbrocken. Akara und General waren nun nicht mehr zusehen. Völlig perplex über das wovon alle im Raum Zeuge geworden waren,sahen sie sich gegenseitig an. Ruhe herrsche. Absolute Ruhe. Doch dann bil-deten sich erste Risse auf dem Boden.Zurück Kinder! Zurück!Piu drängte die Kinder vom Felsblock weg.Durch das immense Gewicht des Steines entstanden Risse auf dem Bodenwelche immer grösser wurden. Und dann, von einem Moment auf den ande-ren gab der Boden nach und der Stein fiel in die Tiefe.Neeein, schrie Prinzessin Tyadee.Sie war völlig verzweifelt. Völlig aufgelöst.Bitte nicht - Nein...Was haben wir nur getan, sagte Jannis. Ich...ich..Zurück! Alle zurück, schrie Piu immer wieder. Jannis! Leandra! Komm jetzt.Beide Kinder reagierten nicht. Erneut versuchte Piu sie zur Vernunft zu brin-gen.Ihr habt mit dem was mit General passierte am wenigsten Schuld. OhneEuch, wären wir alle nicht mehr am Leben.Endlich bewegten sich die Kinder vom Abgrund weg.Oh Jannis, sagte Leandra und fiel ihm in die Arme. Ich kann - nein ich willnicht glauben was eben passiert ist. Was ist das nur für ein Ort hier. Bittebring mich weg von hier. Ich will weg von diesem scheusslichen Ort. Ich willnach Hause.Ja. Ich auch. Wir werden nach Hause gehen. Ich verspreche es Dir.Dann ging Jannis auf Prinzessin Tyadee zu.Es tut mir so leid. Ich wünschte ich könnte es rückgängig machen.An Prinzessin Tyadee’s Augen war ihre grenzenlose Trauer über den Verlustvon General abzulesen. Der Schmerz den sie fühlte überstieg sogar die Qua-len welche sie all die Jahre bei Akara über sich ergehen lassen musste.Es ist weder Deine Schuld noch die von Leandra, sagte sie tief traurig. Ihrhabt doch alles getan um uns zu helfen. Die Schuld trägt einzig und alleinAkara. Mir ist als würde ein Feuer in meiner Brust lodern. Ich habe ihn sosehr geliebt. Und jetzt...jetzt möchte ich am liebsten ihm in den Tod folgen.Doch nun trafen sie sogleich auf das nächste Hindernis. Die Wachen. Sie allehatten ihre Schwerter gezückt.

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Männer, legt die Waffen nieder ertönte ein Befehl zwischen ihren Reihen.Diese Worte genügten und alle steckten ihre Waffen wieder weg. Zwischenihnen trat ihr Anführer hervor. Ein beinahe 2 Meter grosser Krieger.Ich warne Euch, sagte Piu und stellte sich schützend vor seine Freunde. Wennihr...Halt! Ihr braucht uns nichts zu beweisen. Was ich eben gesehen habe genügtmir. Das war...das war einfach unglaublich. Ich habe nicht annähernd so et-was gewaltiges selbst bei Akara gesehen. Und glaubt mir, da gab es vieledunkle Momente. Aber nun ist sie Tod. Akara ist Tod. Wir alle hier stehenin Eurer Schuld. Auch wir mussten unerträgliches Leid erdulden. Ihr brauchtEuch vor uns nicht zu Fürchten. Wir wollen euch kein Leid zufügen. Ihr könntgehen wohin ihr wollt. Macht Platz Männer.Nacheinander traten die Wachen zur Seite und verbeugten sich, als Jannismit seinen Freunden den Gang entlangliefen.Wartet! Wartet, rief ihnen der Krieger nach. Ihr seid doch durch den Brun-nenschacht gekommen - oder? Da müsst ihr nicht mehr durch. Jetzt, woAkara Tod ist, wirkt ihr Zauber nicht mehr. Seht doch, das Eis welches dasSchloss umschliesst - es schmilzt. Es dauert nicht lange bis auch der Restgeschmolzen sein wird. Dann könnt ihr das Schloss durch den Haupt...Wasist mit Euch? Gefällt Euch mein Vorschlag nicht?Völlig entsetzt blickten sich Jannis und Leandra an.Walahfrid, schrieen beide. Wir haben Walahfrid vergessen!Walahfrid? Wer ist dass?Ein Abt, antwortete Leandra. Er ist Tod. Er befindet sich noch im To-destrakt.Wir müssen ihn da rausholen, sagte Jannis. Wir haben es ihm versprochen.Wenn ihr einverstanden seid, würde ich Euch gerne helfen, sagte der Krieger.Ich finde schon einen Weg, um Euren Abt da rauszuholen.Jemand muss aber zurück in den Zauberwald, sagte Piu. Wir müssen Yppsmitteilen, dass Akara Tod ist. Fuhuu ist immer noch in Gefahr. Wir dürfenihn nicht auch noch verlieren.Du hast recht, sagte Jannis. Am besten Du gehst mit Prinzessin Tyadeezurück. Ihre Befreiung ist der Beweis, dass Akara Tod ist. Er muss Fuhuufreigeben. Und wenn er ihm auch nur ein Haar gekrümmt hat, dann...wirwerden so schnell wie möglich nachkommen.Und was machen wir wegen General, fragte Prinzessin Tyadee in ihrer tiefenTrauer. Wir können ihn doch nicht einfach so zurücklassen.Das werden wir auch nicht, sagte Jannis. Aber ich glaube es ist das Bestewir informieren zuerst Predun über das Geschehene. Immerhin befindet sichauch Akara in dem Stein. Er soll entscheiden, wie wir General da rausholenkönnen.

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256 KAPITEL 14. DIE ZENJADEN

Mit diesem Vorschlag waren alle einverstanden. Piu und Prinzessin Tyadeewollten nicht länger auf die Eisschmelze warten und verliessen das Schlossdurch den Brunnenschacht in Richtung Zauberwald. Jannis und Leandra hin-gegen begaben sich erneut auf den Weg Richtung Todestrakt.

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Kapitel 15

Die Macht des Gral’s

Ohne Probleme gelangten Piu und Prinzessin Tyadee an das andere Endedes Brunnenschachtes. Dies nicht zuletzt dank den scharfen Augen von Piu.Zudem hatten sie innerhalb des Schachtes nichts zu befürchten. Denn beimVerlassen des Schlosses, widerfuhr einem kein Unglück. Zurück blieben alsodie Kinder zusammen mit der einst so gefürchteten Leibwache von Akara.Es stellte sich bald heraus, dass der Krieger welcher sie zuvor angesprochenhatte, der neue Anführer dieser Leibwache war. Er war der Nachfolger vonBotton welcher ja auf so tragische Art und Weise ums Leben kam.Männer! Hört her! Ich werde die Kinder zum Todestrakt begleiten. In derZwischenzeit werdet ihr die Einsturzstelle sichern. Und findet mir diesenStein. Also los!Es war schon erstaunlich, dass sich die Kinder innert so kurzer Zeit einemihrer Gegner anvertrauten. Doch wer könnte ihnen jetzt noch was anhaben.Wie heisst Du eigentlich, fragte Jannis.Mein Name ist Ganmoc.Wie kommt es, dass jemand wie Du unter Akara gedient hat?Jemand wie ich?Ja. Ich kann nichts Böses in Deinen Augen erkennen. Aber warum hast Duunter solch einer bösen Hexe gedient?Weil ich es mir nicht aussuchen konnte. Was hätte ich denn machen sollen?Wir hatten nunmal keine Wahl. Entweder man unterwirft sich, oder...na ja.Trotzdem kann ich von mir selbst nicht gerade behaupten, dass ich dass binwas ihr in Eurer Welt Gut nennt. Doch was Akara mit einigen ihrer Gefange-nen gemacht hat, entzieht sich jeder Beschreibung. Endlich ist Schluss damit.Ich weiss zwar nicht was genau Ihr mit Akara angestellt habt, aber dass warmit Sicherheit der eindrücklichste Zauber den ich je zu Sehen bekommen ha-be. Schade nur um Euren Kater.Sein Name war General, sagte Jannis bedrückt.

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Längst war den Kinder aufgefallen, doch konnten sie es sich nicht erklären,dass irgend etwas in ihrem Inneren sie daran hinderte, beim Gedanken anGeneral in allzu tiefe Trauer zu verfallen. Schon bald sollte sich dieses Rätselvon selbst lösen.Sagt mal, was ist eigentlich dem Abt zugestossen?Er wurde von einer Schlange gebissen, antwortete Leandra.Einer Schlange?Ja!Während die Kinder nun über ihre Erlebnisse aus dem Todestrakt sprachen,näherten sie sich diesem mit jedem Schritt aufs Neue. Unterdessen hattenPiu und Prinzessin Tyadee endlich das Ende des Schachts erreicht. Von einererfrischenden Prise Wind, welche neugierig ihre Körper abtastete, wurdensie in Empfang genommen. Schon bald liess sie wieder von ihnen ab. Unddann bahnte sich wie von Geisterhand gelenkt, ein Weg durch den dichtenBlätterwald. Hunderte Bäume gaben sodann den Weg zur Hütte von Yppsfrei. Und auch hier säumten Tausende von Blätter den Weg. Noch dazu inden herrlichsten Farben, als ob der Wald wüsste, dass eine Prinzessin ihnbetreten hatte. Auch zeigten sich hie und da einige Tiere. Selbst Rehe liessensich von der Prinzessin streicheln. Und für kurze Zeit schaffte es der Waldtatsächlich, den Schmerz über den Verlust von General aus den Köpfen vonPrinzessin Tyadee und Piu zu verdrängen. Dann, endlich, hatten sie ihr Zielerreicht. Sie konnten nun die Hütte deutlich erkennen und sie sahen auch,wie sich Ypps und Fuhuu angeregt miteinander unterhielten.Bei Andromeda. Er lebt, sagte Piu. Fuhuu! Fuhuu!Immer wieder schrie Piu nach seinem Freund. Er war ausser sich vor Freudeund schoss wie eine Gewehrkugel auf seinen Freund zu. Prinzessin Tyadeehingegen überkam nun von Neuem die Trauer.Das ist doch...das ist...ja, aber natürlich...das ist Piu, stammelte Fuhuu. Piu!Piu!Und schon landete Piu auf der Nase seines grossen Freundes.Ich bin so froh Dich wieder zu sehen.Wo sind die Kinder? Und wo ist General? Und wer ist...aber, das ist doch...dasist...Prinzessin Tyadee, sagte Piu. Doch was General angeht...ach Fuhuu, ich weissgar nicht wie ich es Dir sagen soll...General hat’s nicht geschafft.Nicht geschafft? Was soll das heissen? Was ist passiert? Piu! Was ist mitGeneral geschehen? Er ist doch nicht...oder doch?Piu weihte Fuhuu und Ypps in alle Einzelheiten ein, von welchen er Zeugewurde. Ypps nahm die Neuigkeiten erleichtert auf. Fuhuu hingegen wollteund konnte einfach nicht glauben, dass einer seiner besten Freunde nun Todwar.

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Du! Du bist Schuld daran, dass er nun Tod ist, wendete sich Fuhuu wütendgegen Ypps.Wäre es Dir lieber gewesen, wenn alle Tod wären? Denn genau das wäre pas-siert, wenn General nicht mit seinem letzten Einsatz gegen Akara gekämpfthätte. Ich hab’s gesehen. Ich hab’s vorausgesehen.Du hast er vorhergesehen? Und uns nicht gewarnt!Wenn Du das Leben so gut kennen würdest wie ich es tue, dann wüsstestDu, dass Warnungen ja doch meistens nur das Gegenteil bewirken. Es warnicht zu verhindern. Klar!Hört auf zu streiten, rief ihnen Prinzessin Tyadee zu.Prinzessin Tyadee, sagte Fuhuu. Endlich! Wie hab ich Euch all die Jahrevermisst. Es tut mir so leid, was mit Eurem Mann geschehen ist. Ich...ich...Danke für Deine Worte. Du warst ihm immer ein treuer Freund. Dies wirdDir helfen über seinen Verlust hinwegzukommen. Aber wir dürfen jetzt nichtin Trauer verfallen. Dafür bleibt uns später noch genügend Zeit. Die Kindersind noch im Schloss. Ihnen gilt nun unsere volle Aufmerksamkeit.Irgendwie hab ich kein gutes Gefühl, hier auf Leandra und Jannis zu warten,sagte Fuhuu. Vielleicht brauchen sie unsere Hilfe. Piu hat mir etwas über die-se Wache erzählt mit der sie jetzt unterwegs sind. Ich kann mir nicht helfen,aber ich trau dieser ganzen Sache nicht.Das darf doch nicht wahr sein, sagte Piu.Was denn, fragte Fuhuu neugierig.Du wirst nicht glauben wer da auf uns zufliegt.Wo? Ich seh nichts. Sag schon. Wer ist es?Aatoss!Wer?Aatoss! Sieh doch selbst.Mit dieser blöden Kette am Fuss, kann ich mich kaum bewegen. Ihr könntsie mir abnehmen, schrie Fuhuu wütend in Richtung von Ypps. Aatoss hastDu gesagt? Bist Du Dir sicher?Nur schon vom Anblick, wie Aatoss auf sie zugeflogen kam, wurde Prinzes-sin Tyadee erneut von Trauer heimgesucht. Erinnerungen an eine Zeit alsnoch alles so schön und einfach war schossen ihr durch den Kopf. Prinzes-sin Tyadee schloss die Augen. Erneut liefen ihr einzelne Tränen die Wangenhinab. Sie versuchte sich zu wehren, doch trugen ihre Gedanken sie in diesewunderschöne Zeit zurück welche sie zusammen mit ihrem Mann in Tenso-ra verbringen durfte. Sie erinnerte sich wieder an jenen Augenblick, als ihrMann nach einer langen Reise zurückkehrte. Er kam auf Aatoss angeritten,ihren Namen rufend und mit Blumen in seiner Hand.Während Prinzessin Tyadee von ihren Erinnerungen überwältigt wurde, setz-te Aatoss zur Landung an.

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Du? Was machst Du denn hier, fragte Fuhuu.Auch Piu hämmerte sofort mit seinen Fragen auf Aatoss ein. Dass nun Yppsdamit anfing, einen Teil der Fesseln von Fuhuu abzunehmen ging bei derganzen Aufregung fast schon unter. Aatoss liess sich erst gar nicht auf einGespräch mit seinen Freunden ein. Nur ein kurzes Nicken und ein kaum hör-bares - Hallo - gab er von sich und lief direkt auf Prinzessin Tyadee zu.Was ist denn mit Dir los, bohrte Piu weiter. Was ist passiert? Sag schon!Aatoss!Nicht jetzt! Du wirst es noch früh genug erfahren.Ypps beobachtete die ganze Szenerie genauestens. Er hatte so eine Vorah-nung - doch noch hielt er sich bewusst im Hintergrund.Als nun Aatoss direkt vor Prinzessin Tyadee stand, hielt diese ihre Augenimmer noch geschlossen.Prinzessin Tyadee! Prinzessin Tyadee! Ich...ich hab eine dringende Nachrichtfür Euch. Prinzessin Tyadee!Erst jetzt bemerkte die Prinzessin, dass nicht ihr Mann, sonder jemand an-derer ihren Namen rief. Etwas erschrocken riss sie die Augen auf und sah nundirekt in das Gesicht von Aatoss.Ohhh, Aatoss. Ich habe viel an Dich gedacht, als ich in Gefangenschaft war.Und jetzt stehst Du vor mir. Immer noch so schön. Als wäre keine Zeit ver-gangen.Ich kann Euch gar nicht sagen wie sehr ich mich Freue Euch in Freiheit zusehen. Ich hab eine wichtige Nachricht für Euch. Predun schickt mich.Predun, sagte die Prinzessin und schloss dabei erneut ihre Augen.Man konnte richtig spüren, wie gut es ihr tat, nur schon diesen Namen zuhören. Der Name ihres Lehrers - ihres Doctor Miraculus.Predun sagst Du. Mein guter, alter Freund Predun. Bitte sprich. Was füreine Botschaft sollst Du mir von ihm überbringen.Ich darf sie nur Euch mitteilen. Bitte kommt mit mir. Steigt auf.Aber...wohin willst Du mit mir?Dorthin wo uns niemand hören kann, sagte Aatoss und warf einen Blick aufYpps. Wartet hier, sagte er zu Fuhuu und Piu bevor er mit der Prinzessindavonflog. Wir sind gleich wieder zurück.Immer diese Geheimniskrämerei, ärgerte sich Ypps.Nur zu gerne hätte er gewusst, was so dringendes besprochen werden muss-te. Aatoss flog mit Prinzessin Tyadee bis über die Grenzen des Zauberwaldeshinaus. Dort, wo der Einfluss von Ypps nicht mehr vorhanden war. Nun konn-te Aatoss der Prinzessin berichten was es zu Berichten gab. Wieder zurückwendete sich Prinzessin Tyadee sofort an Piu und Fuhuu.Wir müssen uns sofort auf die Suche nach den Kindern machen, sagte sie.Sie sind in Gefahr.

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Die Wache! Ich wusste dass das keine gute Idee von Euch war, stammelteFuhuu.Ypps bemerkte sofort, dass das nicht die ganze Wahrheit sein konnte.Ich glaube Euch kein Wort, sagte er zu Prinzessin Tyadee.Was fällt Euch ein, fuhr Fuhuu scharf dazwischen. Du sprichst mit einer Prin-zessin!Lass nur, sagte Prinzessin Tyadee. Ihr habt Recht. Es geht nicht um die Wa-che. Aber ich kann Euch nicht sagen um was es sich handelt. Bitte, lasst unsgehen.Ich wusste es, murmelte Ypps vor sich hin.Heftig gestikulierend und mit Worten um sich schmeissend, welche keinerverstand, ging er zurück in seine Hütte. Mit einem riesigen Messer kam erwieder und lief schnurstracks auf Fuhuu zu. Schon wollten sich alle auf ihnstürzen, da nahm er den Strick in die Hand, an welchem Fuhuu noch fest-gebunden war und schnitt diesen durch. Hastig entfernte Fuhuu die Schlingevon seinem Hals.Einer Prinzessin kann selbst ich keinen Wunsch abschlagen. Du bist frei, sag-te er verärgert zu Fuhuu. Ich weiss nicht was Euch der alte Gaul mitgeteilthat. Doch seid gewarnt. Wenn ihr mich hintergeht, so werd ich nach Rachesinnen. Und erst Ruhe geben, bis ich meinen Hass gestillt habe. Ich hattenämlich eine Abmachung mit Deinen Freunden.Genug! Ihr sollt den Inhalt der Botschaft erfahren. Jedoch unter einer Be-dingung.Und die wäre?Ihr verschont all meine Freunde. Und falls ihr dennoch auf ein Opfer besteht,dann bin ich gerne bereit mein Leben in Eure Hände zu legen.Was...was redet Ihr da, sagte Fuhuu entsetzt.Auch Aatoss und Piu stellten sich nun schützend vor Prinzessin Tyadee.Hmmmm...mir scheint, dass könnte Probleme mit sich bringen, beklagte sichYpps. Nun gut. Sagt also, was hat Euch Predun’s alter Gaul wichtiges mit-geteilt?Prinzessin Tyadee trat nun direkt vor Ypps.Ihr dürft das nicht tun, flehte Aatoss.Doch Prinzessin Tyadee liess sich von ihrem Entscheid nicht abbringen.Ihr seid also mit meiner Bedingung einverstanden?Hmmmm...Ja! Warum nicht. Also, wie lautet die Botschaft die man Euchzukommen lies.Der Stein, den die Wachen im Schloss gefunden haben, ist...er ist geöffnet!Geöffnet? Und was ist mit Akara?Wir wissen es nicht!Und General?

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Auch von ihm fehlt jede Spur!Dann fliegt diese verdammte Hexe also immer noch hier in der Gegend her-um. Ahhh, wie ich sie Hasse. Grüsst Euren Mann von mir, falls er denn nochleben sollte. Und richtet ihm aus, dass er bei mir noch eine Rechnung offenhat. Und jetzt, lasst mich in Ruhe!Was wollt ihr nun tun? Wollt ihr mich...Hierbehalten? Eine Prinzessin! Da würde ich wohl nicht nur Deine Freundegegen mich aufhetzen. Es ist doch immer das Gleiche. Wenn man es nichtselber in die Hand nimmt, kommt was Verkehrtes heraus. Ich hätt’s wissenmüssen.Ihr werdet mich also gehen lassen, fragte Prinzessin Tyadee. Uns alle?Wenn ihr noch länger Dumm herum steht, überleg ich’s mir nochmal. Dochein Versprechen nehm ich Euch ab. Sollte Akara mir weiter Schwierigkeitenbereiten, so werdet ihr mir im Kampf gegen diese Hexe beistehen, sofern ichdas verlange. Und General ist dazu auch herzlich eingeladen, sofern er nochlebt. Habt ihr das verstanden?Ja! Aber ich kann nur für mich alleine sprechen. Ich werde Euch helfen wennihr dies verlangt. Doch was meine Freunde angeht...Euer Versprechen reicht mir schon. Wenn ihr mir zu Hilfe eilen müsst, so wer-den Eure Freunde Euch sicher nicht alleine gehen lassen. Geht jetzt. Geht!Gut, sagte Fuhuu. Damit wäre dass geklärt. Lasst uns aufbrechen.Prinzessin Tyadee nahm auf dem Rücken von Aatoss Platz. Mit einigen kräf-tigen Flügelschlägen prüfte Fuhuu ein letztes Mal die Funktionstüchtigkeitseiner Flügel und stellte zufrieden fest, dass alles in bester Ordnung war.Zufrieden drehte er sich zu Ypps.Bevor wir dich jetzt verlassen, fällt mir noch ein...Ja, ja - schon klar, winkte Ypps ab. Falls die Kinder hier auftauchen werdich Euch in geeigneter Form einen Hinweis zukommen lassen. Dass ist nunmein Versprechen.Also dann, sagte Fuhuu. Vielleicht sehen wir uns eines Tages ja wieder. Aa-toss, bist Du bereit?Ja! Von mir aus kann’s losgehen.Piu?Bereit!Ein paar Sekunden und ein paar kräftige Flügelschläge später erhoben sichAatoss, Fuhuu und Piu in die Lüfte und waren nur wenig später von derHütte aus kaum mehr zu sehen.Schon bald werden wir uns wiedersehen, sagte Ypps leise, während er ihnenhinterhersah.Inzwischen waren Jannis, Leandra und Ganmoc am Eingang zum Limbus an-gelangt. Noch gab die massive Eichentüre mit ihrem üppigen Beschlag kein

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Lebenszeichen von sich.Leandra fackelte nicht lange und griff nach dem Türklopfer.Ahhh. Endlich! Gäste! Ich freue mich immer über ein paar neue Gesich...aber...aberEuch zwei kenn ich doch. Jannis und...Leandra. Richtig?Richtig!Wo habt ihr denn euren Begleiter gelassen. Wie war doch sein Name noch-mal...Walahfrid!Ja, genau. Walahfrid! Ein sonderbarer Name. Was ist mit ihm?Er wurde von einer Schlange gebissen als wir das dritte Tor suchten, sagteJannis.Ich hab euch gewarnt. Ich sag es jedesmal, aber die Leute wollen nie aufmich hören. Zu meiner Überraschung habt ihr diese Tortour anscheinendunbeschadet überstanden. Das ist...das ist unglaublich. Um ehrlich zu sein,seid ihr die Ersten, welche ich ein zweites Mal zu Gesicht bekomme. Unddass will was heissen. Es muss schon eine Menge Holz gewachsen sein seidich diesen Posten angenommen habe. Nicht eine Reklamation wurde an michherangetragen. Alle waren bisher sehr zufrieden mit mir. Und ich war es auchmit mir. Ich hoffe Euer Erscheinen ist kein böses Omen für mich. Was wolltihr hier? Wollt ihr etwa ein zweites Mal...aber, was hast Du denn da in derTasche? Das ist doch nicht....Nein! Unmöglich!Doch. Das ist der Gral, antwortete Jannis.Du hast ihn tatsächlich. Bitte zeig ihn mir. Zeig ihn mir doch. Keine Angst,ich hab ja keine Hände. Ich werd ihn Dir schon nicht wegnehmen.Warum sollte ich Dir trauen. Du hast uns auch nicht vor all den Gefahrengewarnt welche uns im Trakt erwarteten. Ansonsten wäre Walahfrid noch amLeben.Oh, nein. So stimmt das nicht. Ich hab euch gesagt, das eine Tür nicht blosseine Türe ist. Dass sie wie eine Seite aus einem fremden Buch ist. Man weissnie, was einen erwartet. Dass hab ich gesagt. Ausserdem, hätte ich euch vorjeder einzelnen Gefahr gewarnt, hätte mich Akara aus den Angeln gerissenund auf den Scheiterhaufen geworfen. Die Bewachung des Heiligen Gral’s isteine heikle Aufgabe. Zumindest bis jetzt. Nun habt ihr mir meinen Schatz,den ich mit soviel Stolz all die Jahre bewachte, geraubt.Geraubt! Ihr habt bloss eine Kopie bewacht. Nichts weiter, antwortete Lean-dra.Was redest Du da? Eine Kopie? Und was bitte ragt nun aus der Tasche desJungen? Ist das jetzt der Gral, oder was?Leandra sagt die Wahrheit. Ihr habt all die Jahre nichts weiter als eine Kopiebewacht. Und das hier, ist der Heilige Gral.Das ist doch...eine Lüge. Ihr lügt...

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Die Kinder sagen die Wahrheit, fuhr Ganmoc scharf dazwischen.Aber...ihr seid doch...jetzt erkenne ich euch...ihr seid einer von Akara’s per-sönlicher Leibgarde. Was macht ihr denn hier? Warum seid ihr nicht beiAkara?Sie ist Tod, antwortete Leandra trocken.Tod? Aber...Wer? Wie? Warum? Ihr habt sie doch nicht...oder etwa doch?Doch haben wir, antworteten die Kinder.Akara ist...ich...ich kann das nicht aussprechen. Was...was wollt ihr dann nochhier?Walahfrid. Wir wollen ihn aus diesem Trakt holen, sagte Jannis.Ahhh. Ja natürlich. Jetzt verstehe ich. Darf ich wohl jetzt einen Blick aufden Gral werfen.Jannis zögerte. Doch dann holte er den Gral doch noch aus der Tasche.Ohhhh, wie schön er ist. Endlich bekomme ich ihn zu Gesicht. Wie hab ichmich nach diesem Augenblick gesehnt.Können wir jetzt passieren, fragte Jannis ungeduldig.Was? Wie? Ohhh, ja natürlich. Wenn ihr Walahfrid holen wollt, müsst ihrEuch erneut allen Gefahren stellen.Das werden sie nicht, antwortete Ganmoc wütend.Wie könnt ihr es wagen, den Hüter des Gral’s zurechtzuweisen.Hüter des Gral’s? Was Du behütet hast, war nicht mehr wert, als das Holzdieser Türe an welche Du schon seit Jahren genagelt bist. Entweder lässt Duuns gefahrenfrei passieren, oder ich werde Dich persönlich auf den Scheiter-haufen werfen.Nun das genügt mir als Beweis. Kein Wächter von Akara würde so sprechenwenn sie noch leben würde - ausser er wäre lebensmüde. Seid ihr lebensmüde?Treib es nicht zu weit, oder...Schon gut, man wird doch wohl noch fragen dürfen. Zustände sind dass. Aberauch ich muss mich absichern. Könnte ja sonst jeder kommen. Wartet hiereinen Augenblick. Ich bin gleich wieder zurück.Versuch ja keine Tricks. Hast Du gehört, rief Ganmoc.Das sagt mir ausgerechnet jemand, mit Deiner Vergangenheit. Wartet hierKinder, ich bin gleich wieder zurück.Und schon war der Menschenkopf verschwunden. 5 Minuten später erschiener wieder.Meine Brüder und ich...Brüder, fragte Leandra.Oh, ja. Die Wächter der anderen beiden Tore sind meine Brüder. Nun, ichhab ihnen Eure Geschichte erzählt. Jetzt ist uns auch klar, warum im Inne-ren des Traktes auf einmal so merkwürdige Veränderungen aufgetreten sind.Dies rührt wohl daher, dass der Zauber von Akara seine Wirkung verliert.

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Meine Brüder und ich haben entschieden, dass ihr gefahrenfrei durch denTrakt gehen könnt. Solange keines der Tore sich schliesst, solange wird Euchim Trakt nichts Böses widerfahren.Woher wollt ihr wissen, dass uns nichts passieren kann, nur weil die Toreoffen bleiben, hackte Ganmoc nach.Ganz einfach. Jedes Mal wenn ein Diener von Akara den Trakt betrat, muss-ten die Tore offen bleiben. Die meisten von ihnen kamen tatsächlich wiederLebend zurück. Bis auf ein paar Ausnahmen. Diese Ausnahmen betrafen aberausschliesslich die Kammer von Raah. Und soweit müsst ihr ja gar nicht vor-dringen. Nur mit einem Problem müsst ihr selber fertig werden.Und das wäre, fragte Leandra ungeduldig.Welche Konsequenzen das Schwinden des Zaubers von Akara innerhalb desTraktes haben wird, da sind selbst wir überfragt. Wir wissen es nicht.Gehen wir, sagte Ganmoc. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Und Dusorg dafür, dass Du nicht in das Schloss fällst.Werd ich nicht. Keine Sorge. Pass Du bloss auf die Kinder auf.Vorsichtig betraten sie den Limbus. Der Schrecken ihres letzten Besuches,steckte den Kindern immer noch in den Knochen. Doch diesmal passiertenichts Aussergewöhnliches. Die zweite Türe, zum Labyrinth, stand sperran-gelweit offen. Und wie schon davor führte sie ein Weg durch den Wald zurWeggabelung. Sie wählten den rechten Pfad. Zügig liefen sie weiter. Sie warenso sehr darauf konzentriert, Walahfrid zu finden, dass ihnen gar nicht auffiel,dass sich diesmal Weit und Breit kein einziges Lebewesen zeigte.Fuhuu und seine Freunde hatten inzwischen einen Zugang ins Schloss durchden Eispanzer entdeckt. Der Zugang durch den Brunnen war ihnen verwehrtgeblieben, denn weder Aatoss noch Fuhuu passten hindurch. Die Schwächendes Eispanzers deuteten zumindest darauf hin, dass, selbst wenn Akara nochleben sollte, sie noch nicht zu ihren alten Zauberkräften zurück gefundenhatte. Auch zeigten sich erste Risse in der Wolkendecke, durch die sich nunvereinzelt Sonnenstrahlen kämpften, und das Hexenreich in eine wahrlich,zauberhafte Landschaft verwandelte. Das Eis verdampfte unter der Kraftder Sonne, was ein atemraubendes Bild der Landschaft abgab. Sobald siesich ins Innere des Schlosses gekämpft hatten durchflogen sie mehrere derriesigen Hallen. Überall waren deutliche Spuren des Gewitters zu erkennen.Das Wasser tropfte noch immer von den Wänden. Endlich erreichten sie dieHalle, wo sich die beiden Treppentürme befanden. Sofort flogen sie den linkenTreppenturm hoch.Riecht ihr auch was, fragte Fuhuu.Ja! Riecht nach verbranntem Holz, antwortete Aatoss.Oben am Treppenturm angekommen, wurde auch sofort klar, was den Flam-men zum Opfer gefallen war. Das Tor zum Limbus brannte lichterloh.

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Piu löschte das Feuer, indem er mit unzähligen Flügelschlägen einen eiskal-ten Windstoss erzeugte. Nur noch verkohlte Holzstücke und der schmideiser-ne Beschlag zeugten davon, dass sich hier einmal eine Türe befunden hatte.Und wie sie in den Limbus blickten, sahen sie, dass auch die Türe zum La-byrinth brannte.Möglicherweise waren dass die Kinder, sagte Piu.Ja. Vermutlich hast Du recht, antwortete Aatoss. Doch irgendwie gefällt mirdies ganz und gar nicht.Wir sollten keine Zeit verlieren, sagte Fuhuu. Machen wir uns auf den Weg.Danke!Wofür denn, fragte Fuhuu.Ich? Warum siehst Du mich an? Ich hab nichts gesagt, antwortete Aatoss.Erneut hörten sie ein Danke einer jämmerlich klingenden Stimme. PrinzessinTyadee war es, welche als erste erkannte, woher die Stimme kam.Die Türe! Seht doch! Sie spricht.Piu trat an den immer noch glühenden Menschenkopf heran. Erneut flatterteer mit seinen Flügeln und senkte dadurch die Temperatur des Menschenkop-fes aufs Erträgliche.Danke! Danke!Was ist hier passiert? Habt ihr hier 2 Kinder durchlaufen sehen?Was mit mir passiert ist, seht ihr doch. Ich hab es geahnt...ein böses Omen...dashab ich nun davon...ja, ich hab sie gesehen. Jannis und Leandra. Nette Kin-der.Was ist mit ihnen? Wo sind sie?In Gefahr! Sie sind in Gefahr! Ihr müsst...ihr müsst...Rede! Na los! Ihr sollt mit mir...Ihr müsst im zweiten Trakt den Pfad zu Eurer Rechten wählen. Den rech-ten...Ich glaub der ist hinüber, urteilte Piu. Zweiter Trakt. Rechter Pfad. Wohlunwahrscheinlich, dass er uns in seinem Zustand angelogen hat.Das glaub ich auch, pflichtete ihm Aatoss bei. Jannis hat sein Erlebnis inallen Einzelheiten den Erdgeistern erzählt. Und er hat von einem zweitenTrakt berichtet. Und auch von einer Gabelung.Ohne weitere Zeit zu verschwenden, setzten sie ihre Rettungsaktion fort.Unterdessen waren die Kinder tatsächlich an der kleinen Holzhütte angelangt.Alles sah noch genauso aus, als wie sie es beim letzten Mal vorgefunden hat-ten. Sie waren so sehr mit ihren Gedanken bei Walahfrid, dass sie immer nochnicht bemerkten, dass sich ihnen bislang kein einziges Lebewesen innerhalbdes Traktes gezeigt hatte.Wartet hier, sagte Ganmoc als sie an der Türe des Hauses angelangt waren.Ganmoc zückte sein Schwert und stiess die Türe langsam auf. Vorsichtig be-

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trat er, mit dem Schwert voran, die Hütte. Die Türe fiel wieder ins Schlossund versperrte so den Kindern die Sicht ins Innere. Und dann geschah Selt-sames. Es startete mit dem plötzlichem Erklingen des kleinen Glockenspielswelches aussen an der Hauswand hing. Ein Wind, welcher wie aus dem Nichtszu kommen schien, wehte das viele Laub welches sich auf der Terrasse an-gesammelt hatte durch die Luft. Dann zog er deutlich erkennbar durch dieumliegenden Wälder und brachte sämtliche Blätter welche noch an den Bäu-men hingen zu Fall. Und genauso plötzlich wie der Wind gekommen warverschwand er auch wieder. Nun aber passierte schier Unglaubliches. Mit ei-nem Male änderten sich die Lichtverhältnisse. Und es wurde auch deutlichkühler. Die Kinder blickten zur Sonne und trauten ihren Augen kaum. Einerabenschwarze Wolke zog an der Sonne vorüber. Und wie sie vorübergezogenwar, hatte sich die Sonne in den Vollmond verwandelt. Es war, als ob derTag sterben und die Nacht auferstehen würde.Jannis was geht hier vor, fragte Leandra ängstlich. Und was sind dass fürleuchtende Punkte dort? Sie kommen immer näher.Schreiend sprangen die Kinder ins Innere der Hütte. Die Türe die sie dabeiaufschlugen traf Ganmoc genau an der Nase. Aufgrund der seltsamen Vor-gänge welche sich ereigneten wollte er ins Freie um selber nachzusehen wasda los war. Nun lagen sie alle Drei auf dem Boden.Was zum...was ist denn da draussen los, fragte Ganmoc verärgert.Da ist irgend etwas auf uns zugeflogen...und die Sonne...die Sonne hat sichin den Mond verwandelt, antwortete Leandra verängstigt.Ganmoc wischte sich das Blut von der Nase, nahm das Schwert in die Handund stand auf.Dann wollen wir mal sehen was...Heftige Klopfgeräusche am Haus brachten Ganmoc abrupt zum Schweigen.Und dann hörten sie Stimmen. Mehrere.Hallo! Ist jemand da? Leandra! Jannis!Wer kann das sein? Da ruft jemand Eure Namen. Wer ist da?Und dann knallte die Türe ein zweites Mal an die Nase von Ganmoc woraufes ihn erneut zu Boden warf und auch die Kinder aus Angst zu schreien be-gannen.Keine Angst Kinder! Ich bin’s - Fuhuu!Fuhuu?So wahr ich hier stehe.Jetzt traten auch Aatoss, Piu und Prinzessin Tyadee in den Raum ein.Aatoss! Ohhh Aatoss, rief Leandra. Wie kommst Du denn hierher?Wie schön, dass wir Euch gefunden haben. Predun hat mich geschickt. Wirmüssen von hier weg. Jetzt! Sofort! Seltsames geht da draussen vor. Ihr seidin grösster Gefahr.

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Solange ich in der Nähe der Kinder bin, brauchen sie sich nicht zu fürchten,gab Ganmoc zur Antwort. Ich...Seid ruhig, fauchte Fuhuu.Dies reichte auch schon und Ganmoc gab keinen Laut mehr von sich.Es beginnt, sagte Aatoss indem er von der Terrasse aus den Himmel beob-achtete. Die Sternenbilder verändern sich. Wir müssen sofort von hier ver-schwinden.Walahfrid muss zuerst aus dem Gral trinken, sagte Jannis.Wir sollten wirklich...Ohne Walahfrid gehen wir nicht von hier weg, konterte Leandra.Die Kinder haben Recht, fuhr Piu dazwischen. Geht nur. Tut was ihr tunmüsst.Sofort liefen die Kinder zu Walahfrid welcher noch genauso in seinem Bettlag, als wie sie ihn verlassen hatten.Beeilt Euch, rief ihnen Piu zu. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.Und wie Jannis den Gral aus seiner Tasche nahm, hielt er einen einfachenHolzbecher in seinen Händen. Und dieser füllte sich nun bis an den Rand mitWasser. Leandra öffnete vorsichtig den Mund von Walahfrid. Jannis nahmden Gral und goss etwas Wasser in den Mund.Geschickt fasste Leandra den Nacken von Walahfrid, worauf das Wasser biszum letzten Tropfen in dessen Magen landete. Jannis leerte nun auch denRest in den Mund des Abtes. Dann warteten sie. Nichts passierte. Dochplötzlich - ein kleines Zucken an den Fingern. Und dann die Augenlider. Siebewegten sich leicht. Jannis erblickte etwas, worauf er Leandra auf seine Sei-te winkte. An der Stelle am Hals, wo Walahfrid von Thrilla gebissen wurde,lief nun eine pechschwarze Flüssigkeit raus.Das ist das Gift, sagte Leandra. Das muss das Gift der Schlange sein.Und dann öffnete Walahfrid seine Augen. Keiner brachte in dem Momentauch nur einen Ton heraus. Er bewegte seinen Kopf ein bisschen und erhobsich mit einem kräftigen - Hau Ruck - aus seinem Bett. Die Hände in dieHöhe streckend gähnte er so stark, dass alle tief in seinen Rachen blickenkonnten.Hab ich gut geschlafen, lies er bestens gelaunt alle wissen.Allmählich bemerkte er, dass nicht nur die Kinder vor ihm standen.Was macht ihr denn hier, sagte er als er Fuhuu, Aatoss und Piu erblickte.Und wer seid ihr?Ich bin Prinzessin Tyadee. Und ich bin Ganmoc.Eine Prinzessin? Ich...ich weiss gar nicht wie ich Euch begrüssen soll...nun...aberwarum seht ihr mich so seltsam an? Was?Du lebst, sagte Jannis. Erinnerst Du Dich denn nicht, was passiert ist?Passiert? Was denn?

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Die Kinder sahen sich erst verblüfft an fielen jedoch im nächsten AugenblickWalahfrid um den Hals. Die Geschichte über das Vorgefallene welche sie nunWalahfrid erzählten, riefen bei ihm blankes Entsetzen hervor. Ehrfurchtsvollbeäugte er den Gral.Du kannst ihn anfassen. Dies muss für einen Geistlichen wie Du es bist einbesonderes Erlebnis sein.Ja! Nein! Kinder, nein. Ich werde mich am Gral sattsehen. Dazu muss ichihn nicht berühren. In euren Händen ist er gut aufgehoben. Wisst ihr, jetztverstehe ich auch die Eule warum sie wollte, dass ihr die Schale aus demStein entnehmen solltet und nicht ich. Ja, jetzt hab ich es verstanden.Ich kann euch gar nicht sagen wie sehr ich mich freue euch wiederzusehen,sagte Aatoss. Aber wir müssen sofort aufbrechen. Sofort!Warum? Was ist denn los?Es eilt, gab ihm Ganmoc zur Antwort. Ihr seid in grosser Gefahr.Und wie diese Worte ausgesprochen waren, wurde es stockdunkel. Nun warauch der Mond verschwunden. Nur noch die Sterne am Firmament spendetenihr spärliches Licht. Doch selbst mit ihnen geschah nun seltsames. Im Freienangelangt, konnten unsere Freunde erkennen, wie nun selbst die Sterne anfin-gen sich völlig orientierungslos am Firmament zu bewegen. Es herrschte einegespenstische Stimmung. Der Wind startete erneut einen Angriff, wirbeltedie Blätter durcheinander und brachte das Glockenspiel auf der Terrasse er-neut zum Erklingen. Doch diesmal spielte sich das Ganze im Dunkeln ab,was nun selbst Fuhuu nicht ganz geheuer war.Was passiert hier, fragte Walahfrid. Was geht hier vor?Wer hat den Gral, fragte Aatoss?Ich hab ihn, antwortete Jannis.Gut. Wir werden uns jetzt einen Felsen suchen und...Ruhe, hauchte Prinzessin Tyadee mit ihrer bezaubernden Stimme in denWind.Fragend blickte Aatoss auf Prinzessin Tyadee.Da kommt etwas auf uns zu.Was? Wo denn?Bitte, seid alle ruhig. Hört ihr denn nicht?Einige Sekunden später, konnten sie tatsächlich Hoppelgeräusche ausmachen.Hoppelgeräusche wie es für einen Hasen typisch war. Und nur wenige Augen-blicke später, hoppelte tatsächlich ein Hase aus der Dunkelheit an sie heran.Das wenige Licht der Sterne genügte, um ihn zu erkennen. Schneeweiss undmit Ohren die viel grösser waren als sein ganzer Körper stand er mit ku-gelrunden Augen und riesigen schneeweissen Schneidezähnen sichtlich ausserAtem geraten vor ihnen.Endlich...endlich hab ich Euch gefunden.

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Wer...wer seid ihr, fragte Piu.Du bist doch...ich kenne Dich. Du hast General und mir geholfen als wir imSchacht in Schwierigkeiten geraten sind. Dass warst doch Du, oder?Ja! Und ich versichere Euch allen, ich will Euch nichts Böses. Mein Name istMoppel.Moppel, wiederholte Piu. Und weiter? Was wollt ihr von uns?Ich überbringe Euch einen Brief. Für Predun.Einen Brief für Predun. Von wem? Von Euch?Das tut jetzt nichts zur Sache. Er ist nur für Predun bestimmt. Für niemandanderen!Gut! Gebt ihn mir. Ich werde ihn gerne überreichen.Nein. Nicht ihr. Wo ist das Mädchen? Leandra!Das bin ich.Mit seiner linken Pfote langte nun Moppel so tief in sein linkes Ohr, dassbeinahe seine gesamte Pfote darin verschwand. Nach längerem Suchen zoger tatsächlich einen mit einem roten Siegel versehenen blütenweissen Briefhervor.Du und nur Du darfst diesen Brief berühren. Gerät er in andere Hände, sowird sein gesamter Inhalt unleserlich. Du übergibst diesen Brief so bald wiemöglich Predun. Hörst Du?Leandra versprach es, worauf Moppel ihr den Brief entgegen hielt.Ich weiss nicht so recht, fuhr Fuhuu etwas ungehobelt dazwischen. Du hastzwar General und Jannis geholfen, aber sonst wissen wir nichts von Dir. Viel-leicht führst Du was im Schilde?Diese Worte schienen Moppel gar nicht zu gefallen. Heftig pochte er mit ei-nem seiner Läufer mehrmals verärgert auf den Boden während Fuhuu sprachund verschränkte dabei seine Vorderläufe.Nun, falls Du mir nicht glaubst, so ist dass Dein gutes Recht, schäumte Mop-pel und hielt immer noch die Vorderläufe verschränkt. Doch Euch bleibt wohlnichts anderes übrig. Nehmt es oder lasst es. Und noch was. Euch bleibt nichtmehr viel Zeit. An Eurer Stelle würde ich mich so schnell wie möglich aufden Weg zurück in Eure Welt machen.Und im nächsten Moment war Moppel mit einem lauten Knall verschwun-den. Nur noch eine kleine weisse Rauchwolke erinnerte an ihn und der Briefwelcher durch den Knall in die Höhe katapultiert wurde landete direkt in denHänden von Leandra.Ein sonderbarer Kerl, urteilte Aatoss.Piu beäugte kritisch das Firmament. Er spürte, dass sich Seltsames weitdraussen im All abspielte, doch konnte er noch nicht sagen was ihn so sehrbeunruhigte. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass sich inzwischen bedeudentweniger Sterne am Himmel befanden als noch kurz zuvor. Nur wenige Augen-

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blicke später wurde er selbst Zeuge seiner Vermutung. Er sah wie sich einigeder Sterne in Nichts auflösten. Sie waren mit einem Male weg. Verschwun-den! Je länger Piu dieses Schauspiel beobachtete, desto klarer wurde ihm wasda auf sie zukam. Ein Monster. Eine Kraft, welches alles ihm bekannte beiweitem überstieg. Ein schwarzes Loch raste mit gewaltiger Geschwindigkeitauf das Hexenreich Pessora zu. Obschon die Nacht beinahe schwarz war undnur von den wenigen Sternen erleuchtet, war dieses Schwarz noch 1000 fachdunkler. Ein Stern nach dem anderen verschwand als würden sie einem riesi-gen Wasserstrudel zum Opfer fallen. Beginnend als kleiner schwarzer Punkt,nahm dieses Monster inzwischen einen Drittel des Himmels in Anspruch undwurde laufend grösser.Bei all meinen Vorfahren, so etwas ist gegen die Physik, schrie Piu. So schnellkann so etwas nicht näherkommen.Nun meldete sich auch der Wind wieder zurück. Mit einem leisen Säuselnbeginnend, wurde er immer stärker. Fasziniert von dem Schauspiel dass sichihnen am Himmel bot, verloren unsere Freunde wertvolle Sekunden.Prinzessin Tyadee, Aatoss, Piu, Ganmoc und auch Fuhuu starrten wie ge-bannt auf dieses Nichts welches sich ihnen unaufhaltsam näherte und alleszu verschlingen schien, was sich ihm in den Weg stellte. Es schien als wä-ren die Kinder die Einzigen die sich dieser Hypnose entziehen konnten. DerWind legte an Kraft zu und schon brachen die ersten Äste von den Bäu-men. Laub, Staub und sogar Steine wurden durch die Luft gewirbelt. WieGeschosse schlugen die Steine auf das Hüttendach ein. Inzwischen verdecktedieses schwarze Monster beinahe die Hälfte des Himmels. Was die Kinderauch unternahmen, sie konnten ihre Freunde nicht aus ihrem Schockzustandzurückholen. Sie alle waren in eine Art Trace verfallen. Selbst heftige Schlä-ge der Kinder brachten keinen Erfolg. Wenn ihnen nicht bald was einfallenwürde, so wäre es um sie geschehen. Inzwischen war der Wind so stark daser erste Dachziegel von der Hütte riss. Und auch Bäume fielen ihm nun zumOpfer. Leandra hielt Piu fest in ihren Händen. Ansonsten wäre es um ihnlängst geschehen. Verzweifelt versuchten die Kinder ihre Zauberkräfte ein-zusetzten und ihre Freunde zu einem nahe gelegenen Felsen zu bringen, wosie dann mittels des Gral’s in ihre Welt übertreten konnten. Doch zeigtenihre Zauberkräfte keine Wirkung mehr. Das schwarze Loch hatte inzwischenschon einen zu grossen Einfluss auf die Zeit. Doch dann, im letzten Augen-blick hatte Leandra den rettenden Einfall. Sie hatte bemerkt, dass sie sichalle auf einem Felsen befanden. Sie standen darauf. Auch Jannis war nunsofort klar, dass dies ihre Chance war. Vorausgesetzt der Gral würde seinenDienst nicht verweigern. So wie ihre Zauberkräfte. Die Kinder fassten sichan den Händen. Jannis nahm den Gral aus der Tasche, welcher sich, nun immetallenen Zustand, tatsächlich wieder mit Wasser füllte.

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Hoffen wir dass es klappt.Dass wird es, sagte Leandra und schloss ihre Augen.Jannis schleuderte nun den Inhalt des Gral’s auf den Boden worauf sich tat-sächlich ein Tor unter ihren Füssen bildete durch welches nun die Kindersowie ihre Freunde augenblicklich hindurchfielen. Jannis und Leandra hattenes tatsächlich geschafft. Sie hatten das Schier Unmögliche fertiggebracht undden Heiligen Gral zurück in ihre Welt gebracht. Dorthin, wo der Gral auchhingehörte. Doch bei aller Freude, die sie beim Fall durch das Tor verspürten,bedrückte sie die Ungewissheit, was nun mit General geschehen war. Lebteer noch? Oder war er Tod? Die Antwort darauf hielt Leandra längst in ihrenHänden.

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Kapitel 16

Rückkehr nach Gstaad

Der Sturz durch das Tor endete für alle, mit dem Gesicht voraus, im Schnee.Der Sturm fegte noch etliches Laub und Geäst hintennach. Für die Kinderwar dieser Moment eines der schönsten Erlebnisse seit langem. Und für ih-re Freunde war der plötzliche Temperaturschock genau das Richtige um sieaus ihrem Tracezustand herauszureissen. Eine riesige Erleichterung verspür-ten sie alle, als ihnen bewusst war, dass sie sich nun in Sicherheit befanden.Ironischerweise hatten nun ausgerechnet die Kinder, welche es eigentlich zuretten galt, allen anderen das Leben gerettet. Und als die Kinder die Eule mitweit ausgespreizten Flügeln sahen brachen sie vor Freude in Tränen aus. Siewar da. Genauso wie sie es versprochen hatte. Sofort stürzten sie sich in dasflauschige Federkleid. Die Freude war auf beiden Seiten riesig und liess siefür einen Moment den schweren Verlust von General vergessen. Während dieKinder die Eule beinahe erdrückten, begrüsste diese den Rest der tapferenMitstreiter. Selbst Ganmoc begrüsste sie, welcher aber gar nicht so genauwusste, was er von der ganzen Situation zu halten hatte. Dann machte sieWalahfrid auf die neuen Kleider aufmerksam, welche sie vorsorglich für ihnund die Kinder mitgebracht hatte. Ein Blick in die Augen von PrinzessinTyadee verriet ihr, wie sehr die Prinzessin unter der Ungewissheit litt, wasnun mit ihrem Mann geschehen war.Zieht euch nun die neuen Sachen an die ich Euch mitgebracht habe, sagtedie Eule zu den Kindern.Dann lief sie auf Prinzessin Tyadee zu und nahm auch sie in ihre Flügel.Prinzessin Tyadee konnte nun ihre Emotionen nicht mehr zurückhalten undweinte sich zum ersten Mal seit dem Beginn ihrer Gefangenschaft so richtigaus. Die Eule wusste, wie gut dies der Prinzessin tat. Es war ein Zeichen ihrerunerschütterlichen Freundschaft, dass beide kein einziges Wort zu wechselnbrauchten und trotzdem wussten, was im Anderen vor sich ging.Ich danke Euch, sagte Prinzessin Tyadee. Ich weiss, dass ihr unermüdlich für

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meine Befreiung gekämpft habt.Unseres Gleichen überlassen wir nie sich selbst. Jeder einzelne Tag den ihrin Gefangenschaft verbringen musstet, war eine Qual für mich und meineBrüder.Wisst ihr was mit meinem Mann geschehen ist?Du musst noch etwas Geduld haben. Doch dauert es nicht mehr lange. Baldschon wirst Du erfahren, was genau mit Prinz Tegral geschehen ist.Fuhuu und Piu informierten die Eule über die wichtigsten Einzelheiten. Ins-besondere die Begegnung mit Moppel interessierte die Eule. Alle Details die-ser Begegnung wollte sie wissen. Dann drehte sie sich wieder den Kindern zu.Sie langte unter einen ihrer Flügel und legte den kleinen leblosen Körper vonGödel vorsichtig auf den Boden.Gödel!Sofort knieten sich die Kinder zu ihrem Hund nieder. Bevor Jannis nach demGral griff, blickte er fragend zur Eule hinüber welche ihm sogleich ihr Ein-verständnis gab.Leandra war ganz aufgeregt.Bitte, gib mir den Gral. Ich...ich möchte ihm das Wasser reichen.Ohne zu zögern übergab Jannis den Gral an Leandra. Und auch bei ihr füll-te sich der hölzerne Kelch bis an den Rand mit reinem Wasser. Vorsichtigöffnete Jannis das Maul von Gödel. Dann leerte Leandra nach und nach dengesamten Inhalt des Kelches in dessen Maul. Dann warteten sie auf eine Re-aktion des kleinen Hundes. Sie warteten und warteten. Doch nichts geschah.Leandra biss sich auf die Lippen. Auch Jannis wurde zusehends nervöser.Die Kinder waren sich sicher, dass zu diesem Zeitpunkt Walahfrid schon ers-te Lebenszeichen von sich gab. Doch Gödel rührte sich nicht. Selbst die Eulewurde nun etwas ungeduldig.Ich glaube wir sind zu spät gekommen, sagte Leandra unter Tränen.Dass...dass kann nicht sein - dass darf nicht sein, sagte Walahfrid aufgebracht.Der Hund ist doch höchstens seit einer Stunde nicht mehr am Leben. Ihr habtdoch gesagt, dass hier die Zeit stehen bleiben würde, rief er in Richtung derEule. Wenn es also bei mir geklappt hat, dann doch erst recht bei diesemHund.Vorsichtig nahm er Gödel in seine Hände und schüttelte ihn etwas. Dannlegte er ihn wieder hin und fuhr ihm mit seiner Hand über dessen Bauch.Immer und immer wieder.Komm schon Kleiner, sprach er auf Gödel ein. Komm schon.Und von einer Sekunde auf die andere riss Gödel tatsächlich seine Augenli-der auf und benahm sich als wäre nichts passiert. Selbst die Blutflecken aufseinem Fell waren nun verschwunden. Er bellte vor Aufregung, wedelte mitseinem Schwanz und sprang Walahfrid an die Brust um sein Gesicht abzu-

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lecken. Und wie er die Kinder sah, sprang er, laut kläffend, auf sie zu. DieKinder waren ausser sich.Stimmt es, dass wenn man aus dem Gral trinkt, ewiges Leben erhält, wendetesich Walahfrid fragend an die Eule.Das wird sich zeigen.Wie...wie meint ihr dass?Ihr seid der Erste, neben Gödel und Piu, von dem ich weiss, dass er durchden Gral zu neuem Leben gekommen ist. Ob ihr nun ewig lebt, oder auchnicht - lebt euer Leben. Dass ist es worauf es ankommt.Mein Leben leben? Ja, ja das werd ich tun. Das hab ihr schön gesagt!Vielleicht probiert ihr es mit etwas weniger Wein, sagte die Eule mit einemAugenzwinkern.Weniger Wein? Nun ja...ich werd’s versuchen, antwortete er und lächelte ver-legen.Mit dem Gral in der Hand ging nun Jannis auf die Eule zu. Er und Leandrahatten sich diesen Schritt wohl überlegt. Und vor allem hatten sie sich diesenAugenblick sehnlichst herbeigewünscht.Den Gral würden wir nun gerne Dir übergeben, sagte Jannis überglücklich.Leandra und ich wären froh, wenn wir ihn aus den Händen geben könnten.Nur...eine Frage hab ich noch.Ja?Warum ändert der Gral laufend sein Äusseres? Einmal bestand er aus Metall,dann aus Stein und dann wieder, so wie jetzt, aus reinem Holz!Er ändert sein Äusseres entsprechend der Aufgabe die an ihn herangetragenwerden. Immer wenn es darum geht, Verstorbene zurückzuholen so verwan-delt er sich in einen Kelch aus Holz. Holz bedeutet Leben. Und aus Holzwurde er anfangs auch geschaffen. Doch der Gral steht noch für soviel mehr.Ich denke Du und Leandra habt inzwischen eine gewisse Vorstellung davon,wovon ich rede.Entschuldigt, wenn ich unterbreche, sagte Walahfrid. Aber ich kenn da nochjemanden, welcher...Ihr meint wohl Kardinal Paulus?Ja, genau. Woher wisst ihr...nun natürlich wisst ihr davon. Könnte auch ihmder Gral helfen. Was meint ihr?Ich weiss wie viel Freude es Dir bereiten würde, Kardinal Paulus aus seinemSchlaf zurückzuholen. Doch haben seine Geister diese Welt schon lange ver-lassen. Zuviel Zeit ist inzwischen verstrichen. In seinem Falle könnte selbstder Gral keine Wunder mehr vollbringen.Zuviel Zeit verstrichen? Wollt ihr es denn nicht versuchen?Glaub mir, er ist sehr glücklich an dem Ort, an welchem er nun ist. Mehrkann und will ich Euch dazu nicht sagen. Es tut mir Leid.

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Und was ist mit General, hackte Walahfrid nach.Bitte, ihr müsst Geduld haben. Ihr alle. Bald - schon bald bekommt ihr eineAntwort darauf, was mit General passiert ist!Obschon es noch Hoffnung für General gab, konnte und wollte sich die Euledazu nicht äussern zumindest solange nicht, als bis die Botschaft von Mop-pel entschlüsselt war. Der Eule war längst klar, dass der Inhalt des BriefesAufschluss über den Verbleib von General geben würde. Was die Eule aberihren Freunden verschwieg, war, dass sie Moppel kannte. Sie kannte ihn sogarBestens. Dann wendete sie sich wieder den Kindern zu.Ich weiss gar nicht wie ich Euch Beiden Danken soll. Oder vielleicht doch?Morgen ist der 22. Dezember. Euer Geburtstag! Den werdet Ihr natürlichzuhause Feiern. Doch in der Nacht auf den 23. Dezember, werde ich Euchbesuchen kommen und Euch nach Tensora bringen. Fragt nicht - es soll eineÜberraschung werden.Wird Predun auch anwesend sein, fragte Leandra.Sie hatte ja noch den Brief welcher sie ihm übergeben musste.Ja. Predun wird auch anwesend sein. Du fragst sicher wegen dem Brief?Woher...Woher ich dies weiss. Nun dazu bedurfte es keiner Zauberei. Deine Freundehaben es mir verraten. Noch etwas. Wenn ihr jetzt in Euer Zuhause zurück-kehrt, dann vergesst nicht, dass ihr für die Menschen im Dorf erst seit einerStunde abgängig seid. Verschweigt ihnen gegenüber euer Abenteuer. Abgese-hen davon würden es die Menschen sowieso nicht glauben. Und vergesst dieKräuter für Grossmutter Klara nicht.Die Kinder versprachen es. Und auch Gödel bestätigte die Worte der Eulemit kräftigem Bellen als ob er alles verstanden hätte. Dann breitete die Euleihre Flügel über den Köpfen von Jannis und Leandra aus und sprach ein paarZauberworte.Was hast Du mit uns gemacht, fragte Jannis.Nur zu Eurem Schutz. Ihr wollt doch sicher nicht wegen Euren Zauberküns-ten in Konflikt mit den Menschen geraten welche nicht über diese Fähigkeitenverfügen. Der Schock für sie wäre einfach zu gross.Dann können wir also nicht mehr Zaubern, fragte Leandra.Oh doch, das könnt ihr nach wie vor. Jedoch wird euer Zauber wirkungsloswenn ihr von Menschen dabei beobachtet werdet. Ausser es geht dabei umeuer Leben. Ich werde euch jetzt verlassen und freue mich schon auf Morgen.Prinzessin Tyadee, Aatoss, Piu und Fuhuu - ihr werdet mich nun begleiten.Keine Sorge Kinder, ihr werdet sie alle Morgen wieder antreffen.Und was ist mit mir, fragte Ganmoc etwas unbeholfen.Das liegt in Deiner Hand, gab ihm die Eule zur Antwort. Wenn Du willstkannst Du in dieser Welt bleiben. Wir würden Dir helfen eine neue Zukunft

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aufzubauen. Oder aber ich bringe Dich nach Pessora zurück.Existiert meine Heimat überhaupt noch? Was wir vorhin dort erlebten warUnglaublich. Und was ist mit Akara?Dieses Ereignis welches über Euch gekommen ist, hat sich längst wieder ge-legt. Im Hexenreich Pessora blüht es wieder an allen Orten. Das ganze Eisist inzwischen geschmolzen. Und deine Freunde sind alle wohl auf. Was aberAkara angeht, so kann ich Dir keine zufriedenstellende Antwort geben.Ganmoc ging auf die Kinder zu und kniete sich vor sie hin.All die Jahre welche ich in Pessora verbracht habe, verspürte ich kein einzigesMal diesen Schmerz in meiner Brust, welcher ich nun in mir fühle. Ihr Beideseid mir so sehr an mein Herz gewachsen, dass ich mich nur ungern von Euchverabschiede. Ich hoffe, nein, ich weiss ihr versteht mich wenn ich Euch nunsagen muss, dass ich nach Pessora zurückkehren möchte. Dort sind nunmalmeine Freunde. Da bin ich aufgewachsen. Ich würde mich in Eurer Welt jadoch nie Zuhause fühlen.Nicht nur die Kinder waren von diesen Worten berührt. Immerhin sprachhier einer der gefürchtetsten Wachen welche unter Akara gedient hatte. DieKinder verabschiedeten sich von ihm auf ihre Weise. Nämlich indem sie ihmum den Hals fielen, als Dank dafür, dass er bereit war sein Leben für sieeinzusetzten.Man konnte Ganmoc ansehen, dass er solch eine Geste der Freundschaft wohlnoch nie erhalten hatte. Auf jeden Fall verschlug es ihm glatt die Spracheso gerührt war er. Dann war es soweit. Ganmoc nahm auf dem Rücken vonFuhuu Platz und genoss nun zum ersten Mal einen Flug auf einem Drachen.Prinzessin Tyadee machte es sich auf dem Rücken von Aatoss gemütlich. Einletzter Abschiedsgruss und dann flogen sie unter heftigem Kläffen von Gödelgegen den wolkenverhangenen Himmel. Walahfrid und die Kinder winktenihnen selbst dann noch nach als sie schon lange nicht mehr zu sehen waren.Kommt her Kinder, sagte Walahfrid und drückte sie an seinen Bauch. Niehätte ich mir erträumen lassen, was ich mit euch Beiden zusammen erlebthabe. Ich bin so stolz auf Euch. Und auch ein bisschen auf mich. Lasst unsjetzt die Kräuter einsammeln.Die Taschen mit den Kräutern vollgepackt machten sie sich nun auf den Wegzurück in ihr Heimatdorf. Zurück nach Gstaad.Sorgenfrei liefen sie den Waldweg entlang, als plötzlich Gödel unruhig wurdeund stehen blieb. Seine Nase hatte eine Fährte aufgenommen und glitt nunhaarscharf über den Schnee hinweg, als würde sie von einem Magneten an-gezogen.Er hat eine Fährte aufgenommen, sagte Leandra.Immer noch mit der Nase knapp über dem Boden lief Gödel zügig den Wegentlang. Walahfrid und die Kinder hatten regelrecht Mühe mit ihm Schritt

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zu halten. Und dann, von einem Moment auf den anderen blieb er regungslosstehen. Seine Ohren in die Höhe gestreckt starrte er auf die Lichtung. Wa-lahfrid und die Kinder wollten nicht glauben was sie dort zu sehen bekamen.War es ein Wolf oder doch bloss ein Hund welcher sie beobachtete. UnguteErinnerungen an ihre letzte Begegnung in diesem Wald wurden wieder wach.Von der Gestalt her schien er gross und kräftig zu sein. Aufgrund der Lich-verhältnisse konnten sie nur die Umrisse erkennen. Walahfrid stellte sich vordie Kinder als er bemerkte, dass sich der Vierbeiner ihnen näherte. Leandraholte sofort Gödel zu sich. Dann tauchte auch noch eine menschliche Gestaltan der Lichtung auf. Auch diese bewegte sich zügig auf sie zu. Gödel sprangnun von Leandra’s Arm und stellte sich demonstrativ vor die Kinder undWalahfrid als wollte er damit signalisieren, bis hierher und nicht weiter.Hallo Kinder, rief ihnen eine vertraute Stimme entgegen.Erst jetzt realisierten sie, dass sie es mit dem Jäger zu tun hatten. Es warDavid mit seinem Hund Bello. Aufgeregt und mit leichtem Knurren beschnüf-felten sich Gödel und Bello. Den Kindern und Walahfrid fiel ein Stein vomHerzen. Gemächlich nahm David seine Pfeife aus dem Mund.Ihr habt wohl Kräuter für Grossmutter Klara gesammelt. Stimmt’s?Ja, sagte Leandra erleichtert. Gehst Du auf die Jagd?Auf die Jagd? Nun, eigentlich mag ich dieses Wort nicht besonders. Wenn,dann erlege ich sowieso nur die alten und kranken Tiere. Das ist keine Jagd!Ein Jäger welcher nicht jagd, ist etwas aussergewöhnlich, wenn ich mal sosagen darf, entgegnete Walahfrid.Dürft ihr, dürft ihr. Ich kenne alle Leute hier im Dorf, aber Euch hab ichnoch nie hier gesehen. Wer seid ihr wenn man fragen darf?Mein Name ist Walahfrid. Ich bin Abt und habe hier am Weihnachtsmarktmeinen Stand. Dabei habe ich diese Beiden aussergewöhnlich netten Kinderkennengelernt.Natürlich. Der Weihnachtsmarkt. Da kommen ja jedesmal so viele Leute hier-her...ja, ja.Aber zurück zu meiner Frage. Ihr geht nicht auf die Jagd? Hab ich das richtigverstanden?Ja. So kann man es sagen. Wisst ihr, seid einem sehr aussergewöhnlichemErlebnis vor vielen, vielen Jahren...Kinder wie alt seid ihr?Wir? Morgen werden wir 11 Jahre alt.Morgen? Dann sind es nun genau 11 Jahren her. Ja natürlich - es ereignetesich in der Thomasnacht. Wenn ich euch die Geschichte...ach, dass bringtnichts. Diese Geschichte ist so verrückt, die hat mir schon damals niemandso recht geglaubt. Warum sollte ich also Euch damit belästigen.Jetzt habt ihr mich aber neugierig gemacht. Was geschah damals, in jenerNacht?

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Glaubt ihr an Geister, fragte David.Walahfrid sah ihn jetzt mit grossen Augen an. Er wusste nicht so recht waser antworten soll.Natürlich nicht, fuhr David fort. Aber um meine Geschichte zu verstehen,muss man beinahe an Geister glauben. Ich wollte damals einen Sechzehnererlegen. Ich lag ihm schon seit Stunden auf der Lauer. Ich erinnere mich, alswäre es gestern gewesen. Ich hatte ihn direkt in meinem Visier. Und wisstihr was passierte als ich abdrückte.Was denn, fragte Leandra.Nichts! Ein Blindgänger. Ich hatte doch tatsächlich einen Blindgänger imLauf. Viele haben sich damals lustig über mich gemacht. Besonders...Nun sah David in die Augen von Jannis, in welchen er aber so gar nicht dieAugen des Vater’s erkennen konnte. David hielt kurz inne und entschied, sichvor den Kindern nicht negativ über Jakob zu äussern.Naja, fuhr David mit seiner Geschichte fort. Es gab damals jemand im Dorf,der es nicht besonders Gut mit mir meinte. Auf jeden Fall konnte ich nachdiesem Erlebnis nie mehr ein gesundes Tier erlegen. Ich hab mich nur nochauf die alten und kranken Tiere beschränkt. Ich wünsche mir, dass ihr auchmal so ein eindrückliches Erlebnis habt, dann wisst ihr, wovon ich spreche.Aber wie gesagt, dass ist schon so lange her. Bello, bei Fuss. Also dann Kin-der. Abt!Weidmans Heil, rief ihm Walahfrid nach, worauf David sich umdrehte undseinen Hut ein wenig zog.Seht ihr Kinder, sagte Walahfrid. Selbst wenn wir unsere Erlebnisse den Men-schen erzählen würden, erginge es uns nicht anders als diesem Mann. Er tutmir beinahe leid. Denn ich bin mir sicher, dass seine Geschichte die er unseben erzählt hat, stimmt. Lasst uns zur Sicherheit einen Schwur darauf able-gen, dass wir mit Niemandem über unsere Erlebnisse sprechen wollen, aussernatürlich mit unseren neuen Freunden.Und so legten sie ihre Hände aufeinander worauf Walahfrid einige Wortegegen den Himmel sprach und immer wieder ein Kreuz in die Luft malte.Dann aber liefen sie weiter. Endlich kamen sie an der Lichtung des Waldesan und konnten ihr Dorf sehen. Schöne Holzhütten mit rauchenden Kaminenblickten ihnen entgegen. In der Mitte des Dorfes der Kirchturm und gleichdaneben war die Schule zu sehen. Ja, dass war Gstaad. Erneut machte sichErleichterung in den Kindern breit. Es dauerte nicht lange bis sie vor Gross-mutter Klara’s Haus standen. Ein den Kindern sehr vertrautes Geräusch ausdem Stall war das Erste was sie vernahmen. Mammut. Sie steckte ihren Kopfaus der Scheune und pickte fleissig Körner vom Boden auf begleitet von lei-sem Gackern. Und dann ging die Türe auf und Grossmutter Klara stand vorihnen.

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Na endlich. Ich dachte ihr kommt schon nicht mehr. Diesmal habt ihr fasteine halbe Stunde länger gebraucht als auch schon.Die Kinder umarmten Grossmutter Klara wie schon lange nicht mehr.Was ist denn mit euch los? Und wo ward ihr solange?Wir haben noch David im Wald angetroffen, sagte Leandra.Aber ihr ward über eine Stunde weg!Es lag sicher an mir, sagte Walahfrid. Ihr müsst wissen, ich bin zu Fuss nichtder Schnellste.Was sind denn das für Sachen. Woher habt ihr diese Jacken?Die...die kommen von mir, sagte Walahfrid. Ein Geschenk. Ich hoffe ihr seiddamit einverstanden.Ein Geschenk? Hmmm...erst der Hund jetzt auch noch Kleider. Ihr verwöhntdiese Beiden noch. Naja, morgen habt ihr ja Geburtstag. Und die Kräuter?Hier, sagte Leandra.Wunderbar. Ich werde sie gleich zubereiten. Es dauert nicht lange, dannkannst Du sie Deinen Eltern bringen, sagte sie zu Jannis.Gödel folgte Grossmutter Klara in die Küche. Walahfrid blickte zufrieden indie Zukunft. Bewusst atmete er diese wunderbare Bergluft tief in sich hinein.Ein wunderbares Gefühl. Dann streckte er sich kräftig, gähnte und wie erseine Augen gegen den Himmel richtete erschrak er aufs Heftigste.Da...da fliegt ein Drache auf uns zu! Kinder!Das ist doch kein Drache, antwortete Jannis. Das ist...Das ist Aatoss! Und Predun, rief Leandra entzückt.Gewohnt elegant flog Aatoss zwischen den Wolken hindurch und landete miteinem kräftigem Schnauber direkt vor dem Haus von Grossmutter Klara.Predun! Aatoss!Die Kinder riefen die Namen so laut, dass sie durch das ganze Dorf schallten.Predun stieg von Aatoss und empfing die Kinder mit ausgestreckten Armen.Ohhhhh, was seid ihr nur für Kinder. Ihr hab es geschafft. Ich kann euch garnicht sagen wie sehr ich mich freue euch in den Händen zu halten. Ich bin jaso Stolz auf Euch. Auch Dir lieber Walahfrid - Herzlichsten Dank!Dass...war doch nichts. Hab ich doch gerne getan, erwiderte er mit einembreiten Grinsen und leicht erröteten Wangen.Auch Aatoss fielen die Kinder um den Hals.Du solltest immer bei uns sein, sagte Leandra spontan.Ja - darüber könnte man noch Reden. Ihr wohnt hier wirklich an einem aus-sergewöhnlich schönen Ort.Wisst ihr nun was mit General passiert ist, wendete sich Leandra fragend anPredun. Prinzessin Tyadee tut mir so Leid.Nun...wir arbeiten daran. Noch ist es zu früh, um eine gesicherte Aussagemachen zu können.

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Jannis traute seinen Augen nicht, als er sah wie Frau Steiner zusammen mitPfarrer Paulus gerade um die Ecke geschossen kam.Oh nein! Da kommt unsere Lehrerin. Und unser Pfarrer ist auch noch dabei.Wenn die uns hier sehen, dann...Keine Sorge, sagte Predun. Im Moment können sie Dich weder sehen nochhören. Uns alle nicht. Beachte sie einfach nicht. Leider kann ich nicht langebleiben. Jetzt wo sich der Gral endlich wieder in Sicherheit befindet, müssennoch andere wichtige Vorhaben bearbeitet werden die nur allzulange aufge-schoben wurden. Lieber Walahfrid ich möchte Euch bitten mich zu begleiten.Jetzt gleich?Ja!Aber ich muss mich doch noch um den Stand kümmern.Darüber macht Euch keine Gedanken. Dafür ist schon gesorgt. Leandra!Ja!Wolltest Du mir nicht etwas überreichen?Natürlich! Beinahe hätt ich’s vergessen.Sofort zog sie den Brief hervor.Diesen Brief hat mir ein Hase mit dem Namen Moppel gegeben.Soso. Von Moppel also - ich Danke Dir!Wer ist Moppel, fragte Leandra. Woher...Ein Freund. Ein sehr, sehr, alter Freund. Mal sehen was da geschrieben st...Als Predun die ersten paar Zeilen des Briefes gelesen hatte, wurde er ganzstill.Was ist? Schlechte Nachrichten, fragte Jannis.Das ist ja...das ist ja unglaublich. Ich muss diese Nachricht sofort überprü-fen. Wenn das stimmt, was hier geschrieben steht, dann...ich muss Euch aufMorgen vertrösten. Das ist unglaublich....Morgen...ja, Morgen werde ich euchmehr darüber berichten. Walahfrid bitte seid so nett und begleitet mich nun.Die Kinder seht ihr Morgen wieder.Nur äusserst ungern liess sich Walahfrid dazu überreden, die Kindern zu ver-lassen. Die Augen von Aatoss wurden ganz gross und er ging etwas in dieKnie, als sich Walahfrid mit einem kräftigen - Hau Ruck - auf seinen Rückenschwang.Alles in Ordnung, fragte Jannis.Aatoss lächelte etwas.Bis morgen Kinder, sagte Predun. Ich freue mich schon jetzt darauf.Walahfrid umklammerte mit seinen Armen Predun welcher dies gelassen übersich ergehen liess.Aatoss holte tief Luft und musste sich deutlich anstrengen bis er sich mitseiner schweren Last in die Lüfte hob. Predun und Walahfrid winkten denKindern noch lange zu. Und die Kinder winkten ihnen zurück, selbst als sie

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schon lange zwischen den Wolken verschwunden waren. Zumindest waren dieKinder beruhigt darüber, dass der Brief allem Anschein nach, keine schlechteNachrichten enthielt.Was soll dass? Wem winkt ihr denn hinterher, fragte Grossmutter Klara wel-che auf dem Schweller ihres Hauses stand.Wir...also...Walahfrid, er ist gegangen, antwortete Leandra.Was! Er ist schon gegangen. Dabei hat er sich bei mir noch gar nicht verab-schiedet. So sind die jungen Leute von Heute. Ihr müsst noch eure Aufgabenmachen - für die Schule.Können wir das nicht Morgen tun, fragte Leandra.Morgen habt ihr Geburtstag, da kommt ihr mir dann wieder mit einer an-deren Ausrede - ihr werdet die Aufgaben Heute erledigen. Du bringst schonmal die Kräuter zu Deinen Eltern. Dann nimmst Du Deine Schulsachen undkommst sofort wieder zurück. Hörst Du?Ja!Bei seinen Eltern angekommen, merkte er schnell, dass etwas nicht stimmte.Und wie er in die Küche kam, sah er, dass seine Eltern gerade dabei waren,unter grossem Gejammere das Porzellan aufzusammeln, welches Maria fallengelassen hatte.Was stehst Du so Dumm hier herum, fuhr ihn sein Vater an.Soll ich Euch helfen?Nein! Es ist schon genug Schaden angerichtet, klagte sein Vater. Verschwin-de!Diese Worte aus dem Mund von Jakob kamen ihm wie gerufen. Denn somusste er ihn erst gar nicht fragen ob er zu Grossmutter Klara durfte. Bevorer jedoch wieder zu Leandra zurückging, sah er zur Sicherheit noch bei seinenTieren vorbei, stellte aber zufrieden fest, dass alle bestens versorgt waren.Gemeinsam mit Leandra erklärte er nun Grossmutter Klara, dass sie sämtli-che Zahlen von 1 bis 100 addieren mussten.Von 1 bis 100, sagte sie erschrocken. Das kann ja dauern. Ich werde euch eineheisse Schokolade machen. Derweil macht ihr euch schon mal daran dieseAufgabe zu lösen. Und Konzentriert euch.Grossmutter Klara hat recht. Das kann Stunden dauern bis wir alle Zahlenzusammengezählt haben, sagte Jannis.Vorausgesetzt wir machen keinen Fehler beim Addieren.Bei 100 Additionen macht doch jeder einmal einen Fehler. Es muss eineneinfacheren Weg geben um auf dieses Ergebnis zu kommen.Jannis spielte etwas mit seinem Stift. Und ohne es gross zu wollen, brachteer den Stift dazu, dass er in der Luft schwebte.Was machst Du denn? Wenn dass Grossmutter sieht!Ich weiss auch nicht. Aber es geschieht fast ohne mein Hinzutun. Probier’s

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doch auch.Erst zögerte Leandra noch, doch dann liess auch sie ihren Stift in der Lufttanzen.Augenblicklich fielen die Stifte auf den Tisch, als Grossmutter Klara denRaum betrat und die heisse Schokolade brachte.Und...kommt ihr voran?Ja...es geht, antworteten die Kinder.Na dann will ich Euch nicht länger stören. Ich werde noch die restlichenKräuter verpacken. Diesmal habt ihr unglaublich viele eingesammelt.Wieder alleine mussten die Kinder erst einmal leise Lachen. Darüber wiespontan ihre Stifte auf den Tisch fielen als Grossmutter die Stube betrat.Genau wie es die Eule vorausgesagt hatte.Warum befehlen wir nicht einfach dem Stift, dass er uns die Lösung für un-sere Aufgabe aufschreibt, sagte Jannis.Dass klappt doch nie. Oder, meinst Du etwa...Wenn wir es nicht ausprobieren, werden wir es nie erfahren.Jannis wünschte sich nun, dass der Stift die einfachste Lösung ihrer Rechen-aufgabe aufschrieb. Und als wäre es das selbstverständlichste auf der Weltkritzelte der Stift tatsächlich einige Zahlen auf das Blatt Papier welches vorihm lag. Im Handumdrehen war der Stift mit seiner Aufgabe fertig.Was...was steht da, fragte Leandra neugierig.Beide sahen sich das Papier mit weit aufgerissenen Augen an. In schönsterSchrift stand folgende Lösung geschrieben.

1 + 2 + 3 + 4 + 5 ... + 49 + 50 ... + 96 + 97 + 98 + 99 + 100 =(1 + 100) + (2 + 99) + (3 + 98) + (4 + 97) + (5 + 96) + ... + (50 + 51) =

101 + 101 + 101 + 101 + ... + 101 = 101*50 = 5050.

Die Lösung war so klar, dass Jannis und Leandra sie sofort verstanden.Wir haben’s, schrie Jannis. Wir haben die Lösung.Und schon kam Grossmutter Klara in die Stube zurück.Lösung? Was hör ich da. Ihr habt die Aufgabe gelöst?Ja, haben wir, erwiderte Leandra zufrieden.Lasst mal sehen...hmmmm...die Lösung gefällt mir. Sie scheint richtig zusein, soweit ich das beurteilen kann. Wer von euch beiden hat denn auf ein-mal solch eine schöne Schrift?Ohh, das war ich, sagte Jannis etwas verklemmt. Ich hab mir besonders vielMühe gegeben.Ist mir ja noch nie aufgefallen. Nun, wenn ihr keine weiteren Aufgaben mehrhabt, dann könnt ihr jetzt mit Gödel spielen gehen. Und seht nach den Tieren.Gebt ihnen genügend zu Fressen. Sie sollen ruhig merken, dass Weihnachteneine besondere Zeit ist.

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284 KAPITEL 16. RÜCKKEHR NACH GSTAAD

Dürfen wir mit Gödel zum Weihnachtsmarkt, fragte Leandra.Zum Weihnachtsmarkt? Ja, von mir aus. Dann geb ich Euch noch etwas Geldmit. Ihr könnt mir ein paar Sachen mitbringen.Nachdem sie die Tiere erneut gefüttert hatten, machten sie sich, mit demGeld und dem Einkaufszettel in der Tasche auf den Weg zum Weihnachts-markt. Schnell wurde Gödel selbst zu einer kleinen Attraktion. Vor allem,dass dieser kleine Knirps so gut auf die Kommandos von Jannis und Lean-dra hörte verblüffte nicht nur Pfarrer Paulus und Frau Steiner welche sie aufihrem Weg durch den Markt antrafen. Frau Steiner schien sich vom Schockden sie von der Geschichte des kleinen Jakob davongetragen hatte, inzwischenwieder erholt zu haben. Immer wieder gaben die Leute Gödel ein Stück Leb-kuchen zum Fressen, sofern er Sitz und Platz machte. Und natürlich mussteer am Ende immer wieder seine Pfote reichen. Aber solange es dem HundSpass machte, hatten die Kinder nichts dagegen einzuwenden. Und wie sie sovon einem Stand zum nächsten schlenderten, fiel ihnen auf, dass Frau Steinerzusammen mit ein paar Schülern an einem Wetttisch stand. Sie spielten dassbekannte Hütchenspiel indem der Kassierer mit geschickten Handbewegun-gen ein Kügelchen unter eines der Drei Hüte brachte und der Spieler erratenmusste unter welchem Hütchen sich die Kugel am Ende befand. An jenemTag wo sie zum ersten Mal Walahfrid trafen, hatten die Kinder noch selbstan diesem Tisch gespielt und etwas von ihrem Geld verloren. Doch diesmalwurde ihnen schnell klar, dass der Kassierer ein Betrüger war. Ihre Sinnewaren nämlich so geschärft, dass sie den flinken Bewegungen des Kassierersmühelos folgen konnten. Sie bemerkten, dass der Kassierer die Kugel immerin seinen Händen behielt. Erst wenn die Einsätze gesetzt waren, plazierte erdie Kugel unter das für ihn vorteilhafteste Hütchen als er dieses gerade an-hob. So konnte er nie verlieren. Nur bei geringen Einsätzen liess der Kassiererseine Spieler gewinnen um ihre Gier anzustacheln. Es dauerte nicht lange, bisFrau Steiner und Tobi ihre Einsätze verspielt hatten. Jannis blickte Leandrain die Augen.Das ist das Geld von Grossmutter, sagte sie. Wenn wir es verlieren, dannstecken wir ganz schön in der Klemme.Wir werden es nicht verlieren. Du hast doch jetzt selber gesehen, wie er esgemacht hat. Früher wäre uns das nie aufgefallen. Wir zaubern uns die Kugeldorthin, wo wir sie haben möchten. Ganz einfach.Die Eule sagte doch, dass wir unter Menschen nicht Zaubern können?Aber sie werden es gar nicht bemerken. Er versteckt die Kugel ja die ganzeZeit!Aber der Kassierer wird es merken.Er ist ein Betrüger. Probieren wir es doch einfach. Wenn es nicht klappt,dann wissen wir es zumindest. Wir müssen ja nicht alles Geld setzen. Sieh

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doch, Pfarrer Paulus geht nun auch an den Wetttisch. Wir setzen einfach aufjenen Hut welcher Pfarrer Paulus auswählt. So merken die Leute bestimmtnicht, dass wir unsere Finger im Spiel haben.Leandra überlegte etwas. Dann sah sie zu Gödel hinunter welcher zustim-mend bellte und somit auch sie zum Einlenken brachte.Also gut. Aber nur ein paar wenige Spiele.Einverstanden!Neben Pfarrer Paulus standen noch Frau Steiner, Tobi und einige weiterePersonen vor dem Wettstand. Niemand ausser Pfarrer Paulus und die Kin-der trauten sich noch zu setzten.Ja wen haben wir denn da, sagte Pfarrer Paulus. Jannis und Leandra. Wieheisst Euer neuer Freund nochmal?Gödel!Ja - Gödel - schöner Name.So, ihr schon wieder, piepste Frau Steiner. Habt ihr die Hausaufgabe schongemacht?Aber Frau Steiner, fuhr Pfarrer Paulus dazwischen. Wer wird denn so kurzvor Weihnachten noch an Schulaufgaben denken. Vor allem, wenn man nochdazu morgen Geburtstag hat.Mit dieser Antwort von Pfarrer Paulus hatte Frau Steiner sichtlich nicht ge-rechnet. Etwas beleidigt verzog sie ihren spitzen Mund und gab keinen Lautmehr von sich.Was ist nun? Wollt ihr jetzt setzen oder was, sprach der Kassierer unwirschdaher.Tobi setzte ein Grinsen auf, von dem man ablesen konnte, dass er hoffte, dassdie Kinder so wie er ihr Geld verspielen würden.Von mir aus können sie loslegen, sagte Pfarrer Paulus freundlich.Unglaublich schnell bewegte der Kassierer seine 3 Hütchen. Immer wiederschob er sie von der einen auf die andere Seite. Und tatsächlich behielt er dieKugel in seiner Hand, als er die Hütchen nicht mehr vertauschte.Jetzt könnt ihr setzen, sagte er mit einem breiten Grinsen. Unter welchemHütchen befindet sich die Kugel?Ich setze 10 Franken auf die goldene Mitte, sagte Pfarrer Paulus.Und ihr zwei, fuhr der Kassierer die Kinder an ohne sie dabei anzusehen.Wir setzen auch 10 Franken auf die goldene Mitte, genau wie Pfarrer Paulus,sagte Leandra welche schon jetzt ihr Lachen kaum zurückhalten konnte.Derweil sorgte Jannis dafür, dass die Kugel aus der Faust des Kassierers unterdas mittlere Hütchen kam. Dazu waren nur wenige Zauberworte notwendig.Als der Kassierer bemerkte, dass er die Kugel nicht mehr in seinen Händenhielt, wurde er sehr nervös. Er blickte auf den Boden, doch konnte er sie dortauch nicht finden.

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Was ist, sagte Pfarrer Paulus. Wollt ihr das Hütchen nicht anheben?Ja...natürlich.An den Augen des Kassierers konnten die Kinder sehen, wie überrascht erwar, als er seine Kugel wiederfand.Gewonnen! Gewonnen, schrie Pfarrer Paulus. Ich spiel gleich nochmal.Wir auch, gab Leandra erfreut bekannt.Erneut verschob der Kassierer die Hütchen untereinander und erneut setztenPfarrer Paulus und die Kinder ihr Geld auf den mittleren Hut. Der Pfarrerwie auch die Kinder setzten diesmal je 20 Franken. Und wieder sorgte Jannisdafür, dass sich die Kugel unter dem mittleren Hut befand was erneut fürFreundenschreie unter den Gewinnern sorgte. Die Sorgenfalten des Kassiererswurden zunehmend grösser. Fast schon mit einem bösen Blick betrachtete erPfarrer Paulus. Frau Steiner und vor allem Tobi war der Neid an ihrer Na-senspitze abzulesen. Der Kassierer hatte inzwischen einen leicht roten Kopfbekommen.So, dass war’s für mich, sagte Pfarrer Paulus. Man soll das Glück nicht her-ausfordern.Drei zu Eins, erwiderte der Kassierer.Was? Ich verstehe nicht?Wenn Sie und die Kinder nochmals den gesamten Betrag setzen, wette ichDrei zu Eins gegen sie. Wenn sie also erneut gewinnen, zahle ich ihnen dasDreifache ihres Einsatzes aus.Pfarrer Paulus überlegte etwas. Immer wieder murmelte er leise ein paar Sät-ze vor sich hin. Dann hatte er sich entschieden.Gut! Einverstanden. Kinder, ihr solltet jetzt vielleicht besser nicht weiterspielen. Dreimal hintereinander bei diesem Spiel zu gewinnen, ist recht un-wahrscheinlich. Aber ich will es versuchen. Ich könnte mir von dem Geld einpaar neue Schuhe kaufen. Aber ihr müsst selber entscheiden. Ich werde eswagen, sagte Pfarrer Paulus selbstsicher.Und was ist mit Euch, wendete sich der Kassierer den Kindern zu.Wir gehen mit, gab ihm Leandra zur Antwort.Während nun der Kassierer die Hütchen versetzte, bildeten sich einzelneSchweisstropfen auf seiner Stirn. Er konnte und wollte nicht glauben wasihm nun zweimal vorher passiert war. Inzwischen standen Dutzende Men-schen rund um den Wettstand herum. Als der Kassierer mit dem Versetzender Hütte fertig war, fuhr er mit einer Hand in welcher er die Kugel hieltunter den Tisch und versicherte sich nun mit einem Blick darauf, dass er dieKugel tatsächlich in den Händen hielt.So, jetzt aber, sagte er zufrieden. Jetzt könnt ihr Setzen.Aller guten Dinge sind Drei, sagte Pfarrer Paulus und setzte erneut sein Geld,inzwischen waren es 40 Franken, auf den mittleren Hut. Und die Kinder taten

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es ihm gleich.Ein Lächeln überzog das Gesicht des Kassierers. Alle Menschen um den Standherum starrten gebannt auf die Drei Hütchen.Diesmal habt ihr...Und noch bevor der Kassierer den Satz zu Ende gesprochen hatte, bemerkteer, dass er keine Kugel mehr in seiner Hand hielt. Er konnte einem fast schonLeid tun, doch hatte er es nicht anders verdient. Mit zitternder Hand hob erden mittleren Hut, worauf sofort ein richtiger Jubelschrei durch die Mengeging. Nun hatten der Pfarrer wie auch die Kinder innert 5 Minuten aus 10Franken 120 Franken gemacht.Genug jetzt, sagte Pfarrer Paulus zufrieden. Er bedankte sich beim Kassiererund bei den Kindern und ging wieder seines Weges. Von der Gier nach demschnellen Geld angesteckt, drängten unter anderem Frau Steiner sowie Tobierneut an den Wetttisch. Jannis wollte schon gehen, da hielt ihn Leandrazurück.Ich werde nochmals 10 Franken setzen, sagte sie.Aber warum denn? Sie werden am Ende merken, dass etwas nicht mit rechtenDingen zu und hergeht wenn Du wieder gewinnst.Aber das will ich doch gar nicht.Jannis konnte Leandra vorerst nicht folgen.Diesmal nahmen sehr viele Leuten am Spiel teil. Ein jeder wollte setzten. Vorjedem Hütchen lagen nun eine Menge Geldscheine. Am wenigsten aber aufdem mittleren Hut. Das nun zum vierten Mal die Kugel unter dem mittlerenHut liegen würde, war dann doch den meisten Menschen zu unwahrscheinlich.Frau Steiner und Tobi warteten darauf, bis Leandra ihr Geld gesetzt hatteund taten es ihr dann gleich. Sie setzten ihr letztes Geld auf den mittleren Hutund hofften von der Glückssträhne der Kleinen profitieren zu können. Diesmalwollte der Kassier die Kugel tatsächlich unter dem mittleren Hut platzieren,da dort am wenigsten Geldscheine lagen, doch machte ihm diesmal Leandraein Strich durch die Rechnung. Zwar verlor sie die 10 Franken, doch war sienun jeglichen Verdacht der Manipulation losgeworden. Und Pfarrer Paulus,so lautete die einhellige Meinung der Leute, war nunmal eine höhere Machtzur Seite gestanden. Frau Steiner und Tobi machten sich mit leeren Taschenauf den Weg nach Hause. Und der Kassierer schloss seinen Wetttisch für die-sen Tag. Später sagte man, dass er völlig betrunken im Wirtshaus gesehenwurde.Erfreut über ihren Erfolg, kauften die Kinder sämtliche Waren ein, welcheihnen Grossmutter aufgeschrieben hatte. Gödel bekam einen besonders le-ckeren Knochen und auch die Kinder vergnügten sich mit einem Teil ihresGewinns an den vielen Ständen des Marktes bevor sie nach Hause gingen.Den nächsten Tag konnten sie kaum noch erwarten. Nicht so sehr wegen

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ihrem Geburtstag, sondern was sie wohl am Abend erwarten würde. Ihren11-ten Geburtstag feierten sie ausgelassen und glücklich bei Grossmutter Kla-ra. Die Eltern von Jannis hatten den Geburtstag ihres eigenen Sohnes völligvergessen. Doch dies berührte ihn nicht sonderlich. Eigentlich konnte er sichgar nicht mehr recht erinnern, wann er das letzte Mal zusammen mit seinenEltern Geburtstag gefeiert hatte. Der Abend rückte näher und näher. Ohnedass es Grossmutter Klara bewusst war, galt die Aufregung die die Kinderan den Tag legten nicht ihrem Geburtstag sondern dem was in dieser Nachtnoch auf sie zukam.

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Kapitel 17

Der Brief von Moppel

Spät in der Nacht, als sich alle Gstaader schon längst ihren Träumen hinga-ben, klopfte die Eule an die Schlafzimmerfenster der Kinder. Da Beide ohne-hin kein Auge zugemacht hatten hüpften sie schon beim ersten Geräusch ausdem Bett. Schnell und vor allem leise zogen sie ihre Sachen an und trafensich mit der Eule in Grossmutter Klara’s Scheune.Ich konnte kein Auge zumachen, sagte Leandra. Ich bin mindestens 50 malans Fenster gelaufen um zu sehen ob Du schon da bist.Was erwartet uns in Tensora, fragte Jannis.Nur Geduld. Gleich werdet ihr es erfahren. Zuerst möchte ich Euch zu Eu-rem 11-ten Geburtstag gratulieren. Und hier habe ich für jeden von Euch einGeschenk.Die Eule übergab den Kindern je ein kleines, in Geschenkpapier eingewickel-tes Paket.Mit den besten Wünschen von mir und meinen Brüdern. Versteckt es hierirgendwo. Ich möchte, dass ihr es erst Morgen öffnet.Die Kinder bedankten sich mit funkelnden Augen und mussten sich sehr be-herrschen, so gross war die Neugierde was sie wohl von den Geistern zumGeburtstag bekommen hatten. Sorgsam verstauten sie ihre Geschenke hinterdem Schlafplatz von Mammut.Wir werden uns nun für eine Weile nicht mehr sehen. Aber ich werde mitmeinem Herzen immer bei Euch sein. Ich kann Euch Beiden gar nicht sagenwie Stolz alle auf Euch sind.Ihr werdet uns heute nicht begleiten, fragte Leandra.Nein! Weder meine Brüder noch ich begeben uns zu solchen Anlässen. AberPredun und seine Freunde warten schon ungeduldig auf Euch. Kommt jetztganz nah zu mir. Drückt eure Körper an mich. Wir wollen uns nun zum Ab-schied ein letztes Mal fest umarmen.Dann umschloss die Eule mit ihren Flügeln die Kinder und wie sie die Flü-

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gel wieder öffnete befanden sich die Kinder an einem anderen Ort. Anfangskonnten sie gar nichts erkennen, denn Hunderte von Kerzen versperrten ih-nen die Sicht. Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Kerzen, gleich einemVorhang welcher zur Seite geschoben wurde, die Sicht freigaben. Sie fan-den sich auf einem riesigen Platz wieder. Direkt vor dem Eingangsportaleines märchenhaften Schlosses. Die ganze Gegend war zauberhaft schön be-leuchtet im Dunkel der Nacht. Es brauchte einen Moment bis die Kindererkannten, dass sie sich tatsächlich auf Tensora befanden. Und zwar inner-halb des Hauptschlosses - im Dorf. Bei ihrem ersten Besuch war ihnen diesesSchloss noch gar nicht aufgefallen. Und wie sich dann herausstellte war esein Geschenk der Erdgeister an Tensora für deren herausragenden Rolle undintensiven Bemühungen den Gral zurückzuerobern. Erbaut wurde es an nureinem Tag. Dem Tag, als der Gral wieder zurückerobert wurde. Es besass einriesiges Eingangstor und grosse Fenster. Darüber hinaus liess sich die gesam-te Dachkonstruktion des Schlosses vollständig öffnen was einem besonders inder Nacht einen atemberaubenden Blick in die Sterne eröffnete. Und Kerzen.Überall flackerte Kerzenlicht. Durch die Lüfte flogen unzählige Feen, welchemit ihren Laternen das Innere des Schlosses zusätzlich ausleuchteten.Die Ruhe welche anfangs vorherrschte wurde von den Fahnen sämtlicher Zau-berschulen, die in einer Reihe vor dem Schloss aufgereiht waren und nun vomWind hin und her gepeitscht wurden, jäh unterbrochen. Tausende von Blu-men schmückten die Anlage. Grosse rote Teppiche waren bis ins Innere desSchlosses ausgerollt und Hunderte von geladenen Gästen starrten neugierigauf Jannis und Leandra. Der Teppich auf dem sie standen, reichte bis anan den grossen und besonders schön geformten Pult heran welcher sich anprominenter, leicht erhöhter Stelle innerhalb des Schlosses befand. An die-sem Pult sassen Predun, Piu, Prinzessin Tyadee, Prof. Korrov, Prof. Triellund Walahfrid. Nur Prof. Einstein konnten sie nirgends ausmachen. Hingegenwaren Prof. Comte, Prof. Platinov, Prof. Katana, Prof. Riemann und Prof.Zermelo, die Vorsteher der anderen Zauberschulen, anwesend. Sowie anderewichtige Personen welche um nichts in der Zauberwelt, sich diesen Momentnehmen lassen wollten. Sie alle bildeten die Creme de la Creme der Zaube-rer. Sämtliche Schüler welche Weihnachten in Tensora verbrachten, wurdenfür diesen Abend auf den Zauberberg, nach Davos, gebracht. Predun wollteunbedingt vermeiden, dass in Anbetracht des gewaltigen Aufwandes welcherfür diese Kinder betrieben wurde, Neid unter den anderen Schülern aufkam.Neugierig wurden die Kinder von Kopf bis Fuss beäugt. Einzig ein - Aha -oder ein - Soso - sowie Räuspern war aus den Reihen der Anwesenden zu ver-nehmen. Besonders Prof. Riemann konnte man die Freude an seinen Augenablesen. Er freute sich nämlich gleich dreifach. Erstens, dass die Kinder ausseinem Europa kamen. Zweitens, dass diese Kinder den Gral zurückerobert

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hatten. Und drittens, dass er endlich mit Predun über die vergangenen Jahresprechen konnte. Ja, er war sehr, sehr glücklich.Walahfrid blickte mit einem breiten Grinsen auf die Kinder. Man konnteeinen gewissen Stolz in seinen Augen erkennen. Darüber hinaus hatte er eineAuszeichnung erhalten, wie die Kinder schon bald erfahren würden. Direktvor dem Pult standen zwei Stühle. Erst jetzt realisierten die Kinder, dass dieEule längst nicht mehr unter ihnen war.Setzt euch, rief ihnen Predun zu und zeigte auf die beiden Stühle vor demPult.Begleitet von leisem Gemurmel schritten die Kinder den roten Teppich ent-lang, ins Innere dieses aussergewöhnlich schönen Schlosses. Sehr zu ihrerFreude hatten sich auch Fuhuu und Aatoss eingefunden. Und wie sie sichauf die Stühle setzten wurde es augenblicklich mucksmäuschenstill. Sie sas-sen nun direkt Predun gegenüber dem die Freude von seinem Gesicht abzu-lesen war. Kein Wort trat über seine Lippen. Er schwieg und lächelte. DieSpannung welche sich nun aufbaute, war nicht nur für die Kinder beinaheunerträglich.Dann, endlich, ergriff Predun das Wort. Er stand auf, hob die Arme undbegann mit seiner Rede.

Dem Rätsel des LebensDem Rätsel der NaturDer Tor sucht vergebens

Kommt ihm nicht auf die Spur

Doch ist man sich mächtigDer Magie - der Zauberei

Alle Rätsel lösen sich prächtigDer Natur und dem Leben ist’s einerlei

Dieser unser Leitspruch begleitet uns, liebe Freunde, nun schon das ganzeLeben. Es ist mir eine ganz besondere Freude Euch zu diesem Anlass will-kommen zu heissen. Bevor wir mit der Zeremonie beginnen, lasst uns eineSchweigeminute für all jene einhalten, welche unter der fürchterlichen Herr-schaft von Akara zu Leiden hatten oder gar zu Tode kamen.Dann wurde es wieder ganz still. Vereinzelt konnte man ein Schluchzen ver-nehmen. Prinzessin Tyadee hingegen, strahlte eine Eleganz und Würde ausdie für sich alleine schon magisch wirkte. Irgendwie irritierte dies die Kinder,erwarteten sie doch, dass Prinzessin Tyadee noch lange um General trauernwürde. Nicht nur die Kinder waren froh, als diese nicht enden wollende Mi-nute aus Schweigen, endlich vorüber war. Dann fuhr Predun mit seiner Redefort.

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292 KAPITEL 17. DER BRIEF VON MOPPEL

Schon oft, meine lieben Freunde, haben wir uns hier, an diesem Platz versam-melt, um neue Mitglieder in unsere Reihen aufzunehmen. Heute ist es wiedersoweit. Endlich, nach so vielen Jahren, welche ich nicht unter Euch weilenkonnte, ist mir die Ehre zuteil geworden, diesen Anlass zu präsidieren. Es istdeshalb ein besonderer Tag, weil wir es hier nicht mit üblichen Kandidatenzu tun haben. Heute stellt sich in erster Linie nicht uns die Frage, ob wir diehier anwesenden Personen, Miss Leandra Tranell und Mister Jannis Rassl inunseren Kreis aufnehmen wollen sondern vielmehr ob sich diese Personen unsanschliessen möchten.Bevor ich also zur Abstimmung kommen werde, frage ich hiermit in Namenunseres Verbandes den hier anwesenden Jannis Rassl, möchtest Du in denKreis der Zauberer und Magier aufgenommen werden.Jannis wusste gar nicht so recht was er antworten soll. Anfangs brachte erkeinen Ton heraus.Prof. Korrov lehnte sich etwas über den Pult.Du musst mit - Ja - antworten, falls es Dein Wunsch ist, dass wir Dich wei-terhin in die Geheimnisse der Zauberei einweihen sollen.Prof. Triell war sichtlich schockiert, dass einer ihrer Kollegen es wagte, dieZeremonie zu stören. Mit ihrem Ellbogen versetzte sie Prof. Korrov einen klei-nen Schubser gegen die Rippen. Für sie war diese in ihren Augen überflüssigeBemerkung des Kollegen nicht hinnehmbar. Zusätzlich strafte sie ihren Kol-legen mit einem besonders strengen Blick. Prof. Korrov jedoch schickte ihrdaraufhin einen etwas gleichgültigen Blick zurück. Mit einem breiten Lächelnzog er seinen Umhang zurecht und lehnte sich in seinen Stuhl zurück.Nun, fragte Predun. Wie lautet Deine Antwort?Ich würde sehr gerne in Euren Kreis aufgenommen werden, vorausgesetztdass Leandra ebenfalls aufgenommen wird.Heftiges Raunen zog nun durch die Reihen. Denn dass ein Kandidat, Bedin-gungen stellen würde war unerhört.Ruhe, rief Predun. Ruhe!Sogleich beruhigte sich die Menge wieder. Jannis war nun etwas unsicher ge-worden, doch ein Blick auf Predun, welcher nach wie vor lächelte, beruhigteihn.Dann sollten wir Leandra Fragen was sie dazu meint, lautete die Antwortvon Predun.Erneut ging ein Raunen durch die Menge, denn zumindest einen Verweis fürden Jungen hatten einige von ihnen erwartet.Diesesmal aber bat Predun die Menge nicht mehr um Ruhe, sondern blicktenur noch in die Augen der Personen welche mit seinem Entscheid nicht ein-verstanden waren. Rasch kehrte die gewünschte Ruhe zurück.Schön. Dann kann ich ja fortfahren. Also, dann stelle ich die gleiche Frage

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an Dich, Leandra Tranell. Möchtest auch Du in unseren Kreis aufgenommenwerden.Ja! Ja, sehr gerne.Erfreut lächelte Predun den Kindern entgegen. Dann wendete er sich wiederdem Publikum zu.Ihr alle habt es gehört. Dann kommen wir nun zur Abstimmung. Ich erinneredaran, dass ihr mit einem - Ja - Euer Einverständnis zu der am Ende durchdas Wesel Magicum gefällten Entscheidung gebt. Ihr könnt Eure Zettel jetztausfüllen.Nun wurde es wieder recht laut. Alle füllten ihre Zettel aus und warfen sie ineinen der Behälter welcher von den Feen umhergereicht wurde. Walahfrid undPiu waren dazu auserwählt, die Zettel durchzusehen und das Abstimmungs-resultat bekanntzugeben. Erwartet wurde, dass sich 100% der Abstimmendenhinter den Entscheid des Buches, dem Wesel Magicum, stellen würden. Dochkam es anders. Predun bemerkte sofort, dass das Resultat zu Reden gebenwürde als er sah, dass Piu ein zweites Mal alle Abstimmungszettel durchsah.Dann endlich stand Walahfrid auf um das Resultat zu verkünden. Jannis undLeandra verfolgten das Ganze mit Hochspannung.Ruhe, liebe Freunde. Ruhe, rief Predun. Bevor ich nun Walahfrid bitten wer-de uns das Ergebnis bekanntzugeben möchte ich dem Abt zu seiner Beförde-rung gratulieren. Er wurde noch gestern Abend, vom Papst persönlich, in denRang eines Sondergesandten des Vatikans befördert. Darüber hinaus wurdedem Wunsch von Walahfrid entsprochen, weiterhin im Dienste der Abtei St.Martin stehen zu dürfen.Heftiger Applaus wurde Walahfrid gespendet, welchen er wohlwollend ent-gegennahm. Und dann wurde es wieder still. Jetzt kam der Augenblick, andem die Resultate der Abstimmung von ihm verlesen wurde.Tja, also dann, begann Walahfrid etwas nervös mit seiner Ansprache. Insge-samt sind 100 Stimmzettel verteilt worden und...äh...ja, 100 sind auch wiederzurückgegeben worden. Von den 100 abgegebenen Stimmen haben genau 98mit - Ja - und nur 2 mit - Nein - gestimmt.Anstatt Jubelschreie wie dies Walahfrid nun erwartet hatte, wurde es erneutsehr still. Predun beugte sich etwas nach vor und warf einen Blick auf denZettel welcher Walahfrid in den Händen hielt. Dann sah er zu Piu hinüberwelcher aber zustimmend nickte. Allgemein war mit einer 100%-igen Zustim-mung gerechnet worden. Predun beriet sich sofort mit den Vorstehern der an-deren Zauberschulen. Man musste kein Prophet sein, um zu sehen, dass jedervon ihnen seine Verwunderung über das Abstimmungsresultat zum Ausdruckbrachte. Doch konnte es genauso gut sein, dass diese 2 Gegenstimmen von 2Vorstehern abgegeben wurden. Unmut machte sich breit. Jeder beäugte denanderen. Predun trat nun erneut an das Rednerpult um eine Stellungnahme

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abzugeben.Ruhe! Bitte! Bitte beruhigt Euch. Natürlich habe ich wie die meisten unterEuch mit keiner Gegenstimme gerechnet. Nun ist es aber so wie es ist. Dochdas ändert nichts daran, dass wir genau so weiterfahren werden, wie wir esgeplant hatten.Erneut wurde sein Publikum unruhig. Einige verlangten sogar, dass ein jedervor den Pult treten solle und sein Abstimmungsentscheid öffentlich bekannt-gab. Doch dies kam überhaupt nicht in Frage, denn die Abstimmung warnun einmal geheim abzuhalten und daran wollten die Verantwortlichen nichtrütteln. Eigentlich kam Predun diese unerwartete Situation gar nicht mal soungelegen. Denn er war sich natürlich im Klaren, dass Akara’s Spione immernoch aktiv waren. Unabhängig davon, ob Akara noch am Leben war odereben nicht. Insbesondere hatte der Fall um Prof. Amun gezeigt, wie weit ihrEinfluss gehen konnte. Und dass sie nun, so unerwartet, erneut an diesenUmstand erinnert wurden, fand er letztendlich nicht das Verkehrteste.Bevor wir nun zum eigentlichen Ritual übergehen, lasst uns Jannis und Le-andra zu ihrem Geburtstag anwünschen. Sie sind heute auf den Tag genau11 Jahre alt geworden.Quer durch alle Reihen riefen ihnen bekannte sowie unbekannte GesichterGlückwünsche zu. Sie klatschten und jubelten was das Zeug hielt. Selbst Fu-huu rief mit lautem Brummen seine Glückwünsche den Kindern zu. Da konn-te sich natürlich auch Aatoss nicht mehr zurückhalten. Im nächsten Momentöffnete sich das Dach des Schlosses und gab den Blick auf das Firmamentfrei. Nun fielen Tausende Sterne während des Jubelgeschreis vom Himmel.Leandra nahm einen der Sterne aus ihrem Haar und war von diesem zauber-haftem Funkeln überwältigt. Und dann, im nächsten Moment, verwandeltesich der Stern in eine Fee. Und auch all die anderen Sterne verwandeltensich in Feen. Sie alle leuchteten nun in den buntesten Farben. Einige davonflogen eiligst aus dem Schloss. Und schon im nächsten Moment tauchten siemit zwei riesigen Geburtstagstorten wieder auf. Die Torte von Jannis warmit 11 Blauen jene von Leandra mit 11 Roten Kerzen bestückt. Unter sicht-lich grosser Mühe die Balance zu Halten stellten die Feen die Torten auf dengrossen Pult. Die Torten waren mindestens so gross wie jedes der Kinder.Und wie sie richten. Nicht einmal Grossmutter Klara vermochte in ihrer Kü-che einen solch verlockenden Duft hervorzuzaubern. Und erneut kamen Feenins Schloss geflogen. In ihren Händen hielten sie Teller, Gläser und Besteck.Rasch deckten sie für jeden der Gäste den Tisch. Bei den Kindern gaben siesich besonders viel Mühe. Dabei gerieten sich die Feen beinahe in die Haare,den alle wollten deren Tisch decken. Ein Verweis von Predun genügte umOrdnung in das kurzfristige Durcheinander zu bringen.Jetzt seid ihr an der Reihe, sagte Predun. Die Kerzen! Ihr müsst sie ausbla-

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sen. Und...vergesst nicht...ihr dürft euch was wünschen.Jannis und Leandra schritten zur Tat und pusteten unter dem Applaus derAnwesenden, mit einem Male je 11 Kerzenlichter aus.Habt ihr auch den Wunsch nicht vergessen, fragte Predun.Nein, haben wir nicht.Na dann los, schrie Fuhuu aus der hintersten Reihe hervor.Noch ehe die Kinder begriffen, was damit gemeint war, zauberte ein jederder anwesenden Personen zwei Geschenke hervor. Ein blau eingepacktes, fürJannis und ein in rot eingepacktes Geschenk für Leandra. Das verschlug denKindern regelrecht die Sprache. Nun trat ein jeder der anwesenden Personenpersönlich hervor und übergab seine Geschenke den Kindern. Die Feen nah-men jedes Geschenk den Kindern wieder ab, und bauten mit ihnen direktvor dem Schloss zwei Türme. Am Ende überragte jeder der Türme Fuhuu.Vor lauter Freude liefen den Kindern Tränen die Wangen hinab. Sie konn-ten nicht glauben wie ihnen geschah. Zuletzt überreichte ihnen Predun seinGeschenk. Die Kinder versuchten sich zu bedanken, brachten aber vor lauterÜberwältigung keinen Ton heraus.Schon gut Kinder. Ein Blick in Eure Augen reicht um zu wissen wie sehr ihrEuch freut. Ein Grossteil dieser Geschenke deckt alles Notwendige ab, wasihr für das Studium der Zauberei benötigt.Sollen wir sie jetzt auspacken, fragte Leandra leise und schluchzend.Dafür werdet ihr später noch genügend Zeit haben. Die Feen werden Euchdie Geschenke in Euer zukünftiges Zimmer bringen. Doch dazu müssen wirwissen, auf welcher Schule ihr eingeschrieben werdet.Wir werden nicht hier bei Euch Zauberei erlernen, fragte Jannis.Nun, dass werden wir bald erfahren.In dem Moment kam Prof. Einstein wie ein Verrückter ins Schloss gerannt.Ich hab’s! Ich hab’s, schrie er immer wieder. Hallo Kinder...achso, ja, allesGute zu Eurem Geburtstag. Predun es tut mir Leid dass ich einfach so rein-platze, aber...Ihr hab die Koordinaten entschlüsselt?Nicht nur das, antwortete Prof. Einstein erfreut und blickte mit einem Lä-cheln auf Prinzessin Tyadee.Nun aber legte Prinzessin Tyadee ihre Zurückhaltung ab. Sofort trat sie zuProf. Einstein heran.Ihr habt ihn gefunden, nicht wahr? Ihr habt ihn gefunden?Moppel ist ein Genie, fuhr Prof. Einstein fort. Die Koordinaten beziehen sichauf einen Punkt im All fernab unserer Galaxie. Und wenn es stimmt wasMoppel geschrieben hat, dann sollte an diesem Punkt...nun ja, dann liegt esan Euch, Doctor Miraculus.Inzwischen war es so ruhig geworden, dass man die Spannung fühlen konnte,

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mit der den Worten von Prof. Einstein gelauscht wurde.Und er lebt noch, fragte Prinzessin Tyadee mit zitternder Stimme. Bitte sagtes mir.Er lebt ! Er lebt, schrie Prof. Einstein. General lebt !Prinzessin Tyadee fiel Prof. Einstein um den Hals. Tränen flossen ihr in Strö-men die Wangen hinab. Und dann umarmte sie unter dem Jubel der Gästeauch die Kinder.Dann liegt es nun an mir, sagte Predun leise zu Prof. Einstein. Ihr seid zumgleichen Schluss gekommen, wie ich?Ja! Die Übereinstimmung mit Teilen des Zaubers welche die Kinder an ihrenHänden tragen ist offensichtlich.Gut. Gut, gut, sagte Predun etwas aufgeregt. Und ist Prinz Tegral tatsäch-lich...?Ja! Es sieht ganz so aus. Er ist nun ein - Wandler.Was ist ein Wandler, fragte Leandra welche dieses Wort sogleich aufge-schnappt hatte.Ein Wandler, sagte Prof. Einstein, ist ein Zauberer, der sich jederzeit in einanderes Objekt verwandeln kann. Nur wenigen Zauberern ist es vergönnt,diese Kunst sich anzueignen. Es scheint so, als ob die Prozesse welche Eueraussergewöhnlicher Zauber hervorgerufen, diese Macht an Prinz Tegral über-tragen hat. Damit gehört sein jahrelanges Martyrium der Vergangenheit an.Wie weit seid ihr mit den Vorbereitungen, fragte Predun.In einer halben Stunde bin ich soweit.Gut. Sehr gut. Prof. Korrov. Prof. Triell. Piu. Ihr begleitet Prof. Einstein.Helft ihm wo ihr nur könnt. Prinzessin Tyadee, ich glaube es ist das Bestewenn auch ihr Prof. Einstein begleitet. Der Rest von uns wird sich Euch spä-ter anschliessen. Zuerst wollen wir das zu Ende bringen, was wir begonnenhaben, sagte Predun und blickte hocherfreut auf die Kinder.Eiligst begaben sich Prof. Einstein und seine Helfer ins Planetarium. Inzwi-schen war das Aufnahmeprozedere und die Geburtstagsfeier für die Kinderzu einem wahren Fest für alle versammelten Gäste geworden.Nun denn, sagte Predun. Wir alle wissen, was diese Kinder geleistet haben.Auch wenn sie noch nicht regulär in einer unserer Schulen aufgenommenwurden, so wurden sie doch von mir und auch meinem Lehrpersonal in dieGrundlagen der Zauberei eingeführt. Ich möchte anmerken, dass ich bis heu-te noch nie begabtere Schüler unterrichtet habe. Ich werde nun zusammenmit den Vorstehern der anderen Zauberschulen das Wesel Magicum aus demZauberwald holen. Bis wir wieder zurück sind könnt ihr Euch alle schon malüber den Geburtstagskuchen der Kinder hermachen. Und so geschah es dannauch. Eins - Zwei zerschnitten die Feen die Torten und brachten allen einStück davon. Nur die Kinder konnten vor lauter Aufregung, was wohl nun

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auf sie zukommen würde, keinen Bissen davon essen. Endlich kehrte Predunmit seinen Kollegen zurück. Nach einem kurzen Disput, trat Prof. Katanavor die Kinder.Also dann, sagte sie freundlich lächelnd. Ihr könnt euch nun in das WeselMagicum eintragen.Darauf zog sie ein dickes, schweres Buch unter ihrem Umhang hervor wel-ches mit einem grossen Schloss versiegelt war, sodass der Band nicht geöffnetwerden konnte und legte es auf den Tisch. Der Umschlag des Buches bestandaus Gold und war mit Hunderten von mathematischen Formeln, Zahlenreihenund anderen kryptographischen Zeichen verziert. Von der Schule her kanntendie Kinder Π, die Zahl Pi, welche das Verhältnis des Umfanges eines Krei-ses zum Durchmesser wiedergab oder aber die Zahl e, die Eulersche Zahl,welche einen Grenzwert einer wichtigen mathematischen Folge angibt. Mitden meisten anderen Symbolen auf dem Umschlag, wie etwa

∫,∑, ζ, usw.

konnten sie nichts anfangen.Wer will sich zuerst eintragen, fragte Prof. Katana.Mutig machte Leandra einen Schritt nach vorn.Ich!Sie konnte es wahrlich kaum erwarten zu erfahren, auf welcher Schule sie indie Geheimnisse der Zauberei eingeweiht werden sollte.Inzwischen war es wieder absolut still geworden. Einzig das Flattern der Fah-nen meldete sich hin und wieder zu Wort.Also dann, sagte Prof. Katana. Du musst Deinen vollen Namen sagen unddann legst Du eine Hand auf den Umschlag. Und sprich Deinen vollen Namenklar und deutlich aus.Leandra trat an das Buch heran, sagte ihren vollen Namen und legte ihreHand auf den Umschlag.Leandra Tranell, rief darauf eine Stimme aus dem Inneren des Buches. DieStimme klang unheimlich und magisch. Als ob Tausende Glasscherben Ant-wort gaben.Dann versank ihre Hand langsam im Buch bis sie nicht mehr zu sehen war.Im nächsten Moment schoss ein Blitz aus dem Himmel hervor und schlug indas Buch ein. Ein heftiger Donner folgte. Leandra wäre beinahe umgefallenvor Schreck, doch das Buch hatte ihre Hand fest im Griff. Durch den Blitzwurde das Schloss für einen Moment wie am Tage erleuchtet.Hmmm...schwierig, ertönte es aus dem Buch. Was für eine Hand. Phantas-tisch. Noch bist Du zu jung um Deine wahren Fähigkeiten zu kennen. Aberdas wird sich ändern. Das wird sich ändern. Hmmmm, schwierig, schwierig.Dein Eintrag im Buch ist Dir sicher, aber auf welche Schule soll ich Dichbloss schicken.Die Augen geschlossen, sprach Leandra leise vor sich hin.

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Auf die gleiche Schule wie Jannis. Bitte, auf die gleiche Schule wie Jannis.Auf die gleiche Schule wie Jannis, sprach das Buch. Mal sehen. Ich gebe Dei-ne Hand jetzt wieder frei. Dann darf mich nun Jannis besuchen kommen.Im nächsten Moment war Leandra wieder in vollem Besitz ihrer Hand. Sieblickte zu Jannis, welcher zuerst einmal kräftig schluckte und dann vor dasBuch trat. Auch er sprach seinen Namen laut und deutlich aus und legteseine Hand auf den Umschlag.Jannis Rassl, rief auch bei ihm eine Stimme aus dem Buch.Und auch seine Hand verschwand im Inneren des Buches. Die Augen halbgeschlossen drehte er seinen Kopf so weit es ging vom Buch weg. Aus Angstvor dem Blitz welcher auch tatsächlich nun zum zweiten Mal in das Bucheinschlug. Gefolgt von einem mächtigen Donner.Nochmals eine so junge und aussergewöhnliche Hand. Hmmm! Schwierig,schwierig. Ihr beide tragt aussergewöhnliche Fähigkeiten in Euch. Es wäreim Moment nicht richtig Euch auf nur eine Schule zu schicken. Alle Zauber-schulen haben ihren Reiz. Leandra möchte auf die gleiche Schule gehen aufwelche ich Dich schicken werde. Doch zwei so grosse Talente nur auf eineSchule zu schicken wäre wohl ein Fehler. Die anderen Schulen müssen auchberücksichtigt werden.Diese Worte aus dem Buch rief bei den Vorstehern der Zauberschulen wohl-wollendes Kopfnicken hervor.Nun sprach auch Jannis ganz leise vor sich hin.Bitte...bitte trenn uns nicht.Ich soll euch nicht trennen, meinst Du. Aber ich kann Euch nicht nur aufeine Schule schicken. Deshalb entscheide ich, dass Leandra Tranell und Jan-nis Rassl zusammen jede der Zauberschulen für genau ein Semester besuchenwerden. Damit werden alle Schulen berücksichtigt und eurem Wunsch istauch gedient. Beginnen werdet ihr mit Tensora. Auf welcher Schule ihr dasdarauffolgende Semester absolvieren werdet, wird Euch vom Direktorium derentsprechenden Schule frühzeitig mitgeteilt. So soll es geschehen.Und im nächsten Moment gab das Buch die Hand von Jannis wieder frei.Sichtlich erleichtert fielen sich die Kinder, unter dem Jubel der versammel-ten Magier, in die Arme.Aussergewöhnlich! Aussergewöhnlich, kommentierte Prof. Katana immer wie-der den Entscheid des Buches.Und in der Tat, dieser Entscheid war wirklich aussergewöhnlich. Er erlaubtees den Verantwortlichen, die Kindern in jedem neuen Semester auf die für sieam besten geeignetste Schule zu schicken. Und natürlich hatte jede der Schu-len ihre Vorzüge. Selbst Predun konnte nur erahnen, dass dieser Entscheiddurch das Buch nicht nur wohlüberlegt sondern geradezu vorbestimmt war.Schon bald würde sich zeigen, dass die Schulen mehr denn je auf die Hilfe

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dieser Kinder angewiesen waren. Doch davon wussten die Kinder natürlichnoch nichts. Sie freuten sich in diesem Moment über den Entscheid des Bu-ches unendlich.Wir bleiben zusammen. Wir werden zusammen sämtliche Zauberschulen be-suchen, sagte Leandra. Ich bin ja so glücklich.Ja. Wir haben’s geschafft Leandra. Wir haben’s geschafft. Einen Momentdachte ich schon...aber egal...wir sind jetzt Zauberschüler. Ich kann’s nochgar nicht richtig fassen. Wenn dass Tobi und Frau Steiner wüssten.Alle Anwesenden wollten nun als Erste den Kindern zu ihrer Aufnahme indie Welt der Zauberei gratulieren.In der Zwischenzeit kam Piu aufgeregt auf Predun zugeschossen.Wir sind soweit. Es kann losgehen.Sofort traten die Vorsteher der anderen Zauberschulen an die Seite von Pre-dun.Ist es soweit, fragte Prof. Platinov neugierig.Predun nickte.Und die Kinder?Jetzt wollen wir sie nicht stören. Wir werden sie...überraschen. Gehen wir.Unbemerkt verliessen Predun und Piu zusammen mit den Vorstehern deranderen Zauberschulen das Schloss in Richtung Planetarium. In der Mittedes Planetariums stand ein Pult mit unzähligen Instrumenten darauf. Hinterdem Pult sass Prof. Einstein mit einer Pfeife im Mund. Und vor dem Pulthing eine grosse, weisse Kugel.Seid bitte vorsichtig, sagte Piu. Die Kugel darf von niemandem berührt wer-den. Von niemandem. Es ist das Herzstück der ganzen Anlage.Wenn Du bereit bist, sagte Predun zu Prof. Einstein. Dann bitte. Lass unsbeginnen.Darauf hatte Prof. Einstein nur gewartet. Endlich konnte er das Meisterwerk,welches unter seiner Leitung und mit Hilfe seiner Kollegen gebaut wurde, ei-nem hochrangigen Publikum vorführen.Ich erkläre Euch jetzt, was wir nun machen werden, sagte Prof. Einstein stolz.Wir werden sogleich in den Weltraum eintauchen und exakt den Punkt imUniversum ansteuern, welcher uns von Moppel mitgeteilt wurde. Dann istes an Predun. Er muss den Zauber welcher im Brief von Moppel vermerktist aussprechen und anschliessend den Brief in die weisse Kugel werfen. Die-se Kugel verwandelt sich nämlich schon bald in eine Sonne. Tja...und dannmüssen wir einfach abwarten, was passiert.Nun begann Prof. Comte heftig den Kopf zu schütteln.Was? Seid ihr damit nicht einverstanden, fragte Predun.Ich will Euch nicht zu nahe treten, aber wie ich vernommen habe, handelt essich hier um einen dieser uralten Zaubersprüche. Niemandem von uns ist es

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bisher je gelungen, solch einen alten Zauber fehlerfrei auszusprechen. SelbstEuch nicht. Ich meine, was passiert mit Prinz Tegral wenn Euch ein Fehlerunterläuft.Wir haben nunmal keine andere Alternative, entgegnete Prof. Einstein. Pre-dun ist überzeugt, dass er den Zauber mit Hilfe der Notizen welche Moppelangefügt hat, fehlerfrei aussprechen kann. Ich finde wir sollten - nein, wirmüssen dieses Risiko eingehen.Prinzessin Tyadee sollte in dieser Angelegenheit das letzte Wort haben, sag-te Predun. Schliesslich geht es hier um ihren Mann. Der Einwand von Prof.Comte ist nicht von der Hand zu weisen. Falls irgend ein Fehler passiert,weiss keiner von uns, was mit Prinz Tegral passieren wird. Prinzessin Tyadee- was meint ihr? Es ist nun an Euch.Mein Mann hat genauso wie ich immer auf Euch vertraut. Und wir sind nie-mals enttäuscht worden. Falls nun etwas schief gehen sollte - so trägt niemandvon uns Schuld. Ich bin sicher, dass mein Mann möchte, dass wir diesen Ver-such unternehmen sollten. Und ich will es auch.Gut, antwortete Predun.Er legte seine Hand auf die Schulter von Prof. Einstein und bat ihn, die Appe-ratur zu starten. Und schon tauchten sie in das Universum ein. Erst war allesSchwarz bis plötzlich grosse, leuchtende Schneeflocken auf sie zukamen. Vonallen Seiten. Zumindest sah es für die Nichtexperten unter ihnen wie Schnee-flocken aus. Doch Prof. Einstein erklärte ihnen, dass dies alles Sterne unsererGalaxie, der Milchstrasse, waren. Das Ganze war von solch unglaublicherSchönheit, dass alle Professoren in dessen Bann gezogen wurde. NebelartigerSternenstaub in allen Farben zog an ihnen vorbei. Einfach zauberhaft schön.Nun verliessen sie die Milchstrasse und durchkreuzten noch viele, viele an-dere Galaxien, bis sie zu dem von Moppel angegebenem Punkt Mitten imUniversum kamen. Prof. Einstein drehte sich nun zu Predun.Jetzt ist es an Euch. Wartet bis sich die weisse Kugel in eine Sonne verwan-delt hat.Nach einigen nicht enden wollenden Minuten des Wartens, begann sich nundie weisse Kugel tatsächlich in einen Stern zu verwandeln. Dies bedeutetedass sie exakt an dem von Moppel angegebenem Punkt angekommen warenvon wo aus der Zauberspruch von Predun ins All gesprochen werden soll. Nunzog Predun den Brief von Moppel hervor und begann den Zauber Zeichenfür Zeichen auszusprechen. Am Ende warf er, wie verlangt, das Pergamentin die kleine Sonne.Man konnte die Spannung fühlen, welche nun unter den Zauberern vor-herrschte. Ein jeder von ihnen wartete darauf, was wohl als nächstes pas-sieren würde. Und dann rührte sich tatsächlich etwas.Zuerst leuchtete die kleine Sonne vor ihnen nochmals kräftig auf, bevor sie

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vollends ihre Leuchtkraft verlor. Und auch die Galaxien um sie herum, verän-derten sich. Einige von ihnen drifteten auseinander und andere drehten sichmit einem Male in die entgegengesetzte Richtung. Und im nächsten Momentwurde es absolut schwarz um sie herum. Kein Licht. Nichts. Es herrschteabsolute Dunkelheit.Ist die Apperatur abgestürzt, fragte Predun.Nein! Wir befinden uns immer noch mitten im Universum. Keine Ahnungwas dass nun zu bedeuten hat, gab ihm Prof. Einstein zur Antwort.Und auf einmal kamen ihnen Tausende Blitze aus dem Weltall entgegen wel-che letzten Endes die Apperatur tatsächlich zum Absturz brachten.Ihr habt ihn verloren, sagte Prof. Comte. Auch Prof. Platinov zeigte sichbesorgt.Abrupt hatten sie nun ihre Reise durchs All beendet. Wieder festen Bo-den unter den Füssen, sahen sich alle enttäuscht in die Augen. Ungewissheitherrschte vor.Ich - ich habe wohl versagt, waren die ersten Worte welche über die Lippenvon Predun kamen.Prinzessin Tyadee schlug sich die Hände vor’s Gesicht und wollte am liebstenim Boden versinken. Da spürte sie plötzlich wie etwas um ihre Füsse schleich-te.Das kann nicht sein, sagte sie mit tränengetränkter Stimme als sie zum Bo-den sah. Das kann nicht sein.Aber natürlich - und ich versichere Dir - dass nun ist kein Traum - meineLiebe.Nun starrten auch alle anderen völlig verwundert auf den Kater welcher sichmitten unter ihnen befand.General, fragte Predun zögerlich. Bist Du es wirklich?Nun aber setzte sich der Kater hin, schloss die Augen und im nächsten Mo-ment stand Prinz Tegral vor ihnen. Stark, grossgewachsen und mit braunen,schulterlangen Haaren lachte er allen im Raum entgegen. Jetzt brachte erstrecht niemand mehr ein Wort über die Lippen. Dann endlich, drehte sichPrinz Tegral seiner geliebten Adell zu, die ihn anstarrte, als würde sie immernoch nicht begreifen, dass es Predun tatsächlich geschafft hatte. Er hatte denZauber bis auf die kleinste Silbe in voller Perfektion ausgesprochen und so,Prinz Tegral zurück nach Tensora geholt. Sie konnte es einfach nicht fassen.Endlich fielen sie sich in die Arme. Beide genossen diesen Augenblick so sehr,dass sie alles um sich herum vergassen.Predun wurde von seinen Kollegen über diese aussergewöhnliche Leistungbeglückwünscht. Diese Glückwünsche galten insbesondere auch für Prof. Ein-stein, welcher sein Herzblut in dieses Projekt investiert hatte.Prinz Tegral wendete sich nun Prof. Einstein und Predun zu.

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Danke! Danke, dass ihr mich gerettet habt. Die Vorstellung, sich völlig allei-ne auf einem fremden Planeten zu befinden, ist...ich weiss auch nicht wie ichsagen soll...es war grauenhaft.Aber dafür haben wir das Planetarium doch gebaut, sagte Predun stolz. Umdie unendlichen Weiten des Alls zu erforschen. Und es funktioniert.Was ist mit den Kindern. Haben sie es geschafft. Sind sie...Ja, antwortete ihm Prinzessin Tyadee mit einem breiten Lächeln. Sie habenes geschafft. Und sie sind hier.Wo? Wo sind sie?Kommt mit, sagte Predun. Kommt alle mit. Ich bin mir sicher, dass wirdeine tolle Überraschung.Vor dem Schloss angekommen, stellte sich Prinz Tegral als letzter in die Rei-he der Gratulanten welche sich vor den Kindern gebildet hatte. Es dauerteein Weilchen, bis er endlich an die Reihe kam.Ich...ich habe im Moment leider kein Geschenk für Euch.Das macht nichts, antwortete Leandra und schüttelte ihm die Hand. Wir ha-ben so viele Geschenke bekommen, dass wir aufgehört haben zu zählen. Aberes freut mich Euch kennenzulernen.Auch Jannis bedankte sich für sein Kommen und seine Gratulation. Und alssie ihn nach seinem Namen fragten, musste Prinz Tegral Lachen.Ihr erkennt mich natürlich nicht mehr.Jetzt wurde Jannis stutzig. Die Stimme kam ihm irgendwie bekannt vor.Doch wusste er nicht, mit wem er es zu tun hatte.Ich vergesse selten ein Gesicht, antwortete Leandra. Wer seid ihr? Woherkennen wir uns?Nun, dass will ich Euch gerne verraten. Passt gut auf.Prinz Tegral trat einen Schritt zurück, verschränkte die Arme, schloss dieAugen und verwandelte sich vor den Augen der Kinder in einen Kater.Du bist...Du bist General, fragte Leandra leise.Zu Euren Diensten, antwortete er galant.Und dann stürzten sich die Kinder auf ihn. Sie umarmten ihn und wolltenihn nicht mehr loslassen.Oh, wie ich mich freue, euch zu sehen, sagte General.Du hast es geschafft, sagte Jannis überglücklich. Du bist zurückgekommen.Ja, dass bin ich.Aber wie kommt es, dass Du Dich wieder verwandeln kannst?Dass hab ich Euch zu verdanken. Als ihr den Inhalt des Gral’s über Akaraund mich geworfen habt, habt ihr mich in einen Wandler verzaubert.Einen Wandler, fragte Jannis erstaunt.Nun verwandelte sich General in Prinz Tegral zurück.Das ist ein Wandler. So hab ich ausgesehen, bevor ich mich in einen Kater

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verwandelt habe. Nun hab ich die Gabe, mein Erscheinungsbild wie es mirbeliebt zu wählen. Ohne dabei einen besonderen Zauberspruch aussprechenzu müssen.Nun traten auch die anderen Gäste ehrfurchtsvoll vor Prinz Tegral. Schon vielhatten sie von einem Kater gehört, welcher in Tensora unterrichten würde,doch nie hätten sie dass für möglich gehalten, wovon sie nun mit ihren eige-nen Augen Zeuge wurden. Um die Fähigkeiten eines Wandlers zu erreichen,musste man sich zuvor üblicherweise Hunderte von Jahren in die Geheim-nisse der Zauberei einarbeiten. Von diesem Alter war Prinz Tegral noch weitentfernt. Und jetzt dass. Sie hätten es alle nicht geglaubt, wenn sie es nichtmit ihren eigenen Augen gesehen hätten. Nun hatten sie einen Grund mehr,bis in alle Früh hinein zu Feiern.Prof. Triell war nicht entgangen, dass Predun den Eindruck machte, als wäreer wieder einmal mit seinen Gedanken längst woanders.Was ist mit Euch?Mit mir? Nichts!Nichts? Dafür kenne ich Euch schon zu gut. Macht Ihr Euch Gedanken wegender Abstimmung? Wegen den 2 Gegenstimmen?Diese 2 Gegenstimmen stören mich keineswegs. Es war zu erwarten, dassnoch in manchen Reihen Anhänger von Akara sitzen. Doch ausrichten kön-nen diese Zauberer, welche den Verlockungen der Schwarzen Magie erlegensind, nichts. Zu gross ist unsere Übermacht. Doch frage ich mich, was wohlmit Akara passiert ist. Lebt sie noch? Wird sie zurückkehren? Und falls ja,werden wir es frühzeitig genug erkennen. Denn falls sie lebt, und davon müs-sen wir ausgehen, dann wird sie nach Rache sinnen. Rache für diese Schmach,dass sie nun zum 2-ten Mal unterlegen ist.Aber nicht Heute, lieber Predun. Heute wollen wir unseren Sieg feiern. Nichtwahr?Ja. Ihr habt recht. Heute werden wir feiern. Und auch morgen noch. Ja, dasswerden wir tun. Denn dazu haben wir allen Grund.Am folgenden Tag wachten die Kinder in ihren Betten wieder auf. Sie hattenkeine Ahnung wer sie nach Gstaad zurückgebracht hatte. Auf ihrer Bettdeckefanden sie einen Brief vor in welchem offiziell ihre Aufnahme nach Tensorabestätigt war. Unterschrieben von Predun. Wie sie Grossmutter Klara undvor allem den Eltern von Jannis klarmachen würden, warum sie die Som-merferien nicht zuhause verbringen konnten, darüber machten sie sich nochkeine Gedanken. Und dies brauchten sie sich auch nicht denn dafür war schonlängst gesorgt. Vielmehr interessierten sie sich dafür, was ihnen wohl die Eu-le zum Geschenk gemacht hatte. Gemeinsam liefen sie an diesem Morgen inaller Frühe in die Scheune und öffneten ihre beiden Geschenke. In der Schach-tel von Jannis befand sich ein blauer und in der Schachtel von Leandra ein

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roter Stern. Und wie die Kinder die Sterne in ihre Hände nahmen, verwan-delten sich diese unter ungläubigem Staunen von Mammut, in Jyl und Myl.Stundenlang sassen die Kinder mit den Feen zusammen und sprachen überalles was sie erlebt hatten und konnten ihr Glück so gar nicht fassen. Dass dieGeister die beiden Feen den Kinder zum Geschenk machten, hatte aber einenbesonderen Grund. Welchen, verraten wir Euch gerne in unserem nächstenBuch. Hier endet nun unsere Geschichte. Und eine Neue beginnt.

ACAREA

Als sie zuhause sind und im Bett aufwachen - dachten die kinder anfangs- war es nur ein Traum - doch der brief auf d. bettdecke entdecken sie dann

Moppel ist ein Stern mit Namen BettyAls die Vorsteher der anderen Schulen auf Merlin treffen am ende der

geschichte - diesen Teil mit prof. fröhlich noch einbauen. Er trifft ja seinenalten Freund nach so langer Zeit wieder!!!

Im Kapitel 1: Die Kinder beschreiben?jannis und leandra: die antwort auf harry potter aus der Schweiz.Wer ist Moppel - den kindern erklären.Was ist am Rande des Universum - Frage lautet was ist das Univer-

sum: Antwort: Wir finden zu uns selbst: Mikroskop Handfläche gleich demUniversum: sind wir selbstsüchtig, geldgierig so wie Akara so sind wir daskrebsgeschwür - hingegen wenn wir dem notleidenden helfen so sind wir dasmedikament gegen den krebs.: Stellt euch das universum wie einen riesigenmenschen vor - und jeder von uns ist ein teil davon. das ist es

Idee: general befindet sich in der Nearby Barnards Galaxy (NGC 6822) ,ausserhalb der Milchstrasse;oder im virgohaufen auf messier 87;

Was war zuerst da - das Ei oder das Huhn? das Huhn natürlich - oderhat jemand jemals ein Huhn ein Ei essen sehen

Unser Weltall ist ein bisschen wie unser Gehirn. Alles hat seinen Platz.Deshalb haben auch die Märchenfiguren irgendwo, jedes für sich eine Galaxie.

Freundschaft ist ein zu kostbares Gut als das man sie mir nicht dir nichtsjedem anbieten sollte

Kinder sind am 21. Dez. geboren. thomasnacht. längste nacht, kürzestertag

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In mythen, märchen, horror spielt der wolf den bösewicht und doch ent-wickelte sich im laufe der zeit aus ihm des menschen bester freund - der hund

Not A. Einstein -> nur Prof. Einsteinalle professoren bei der begrüssung der kinder vor dem schloss anführen

- auch general.

beim zweiten anlauf: janis und general gehen zu akara - general zerkratztihr gesicht - janis wirft wasser - schlange beisst general

general nur darum nicht beim ersten mal mitgeschickt - erdgeister be-fürchten general nimmt rache - gefährdet den auftrag -> idee: general zer-kratzt das gesicht von akara - schlange beisst ihn, er ist nicht aus marmorund ruft zu janis, jetzt wasser - generalt wird mitsamt akara in stein einge-schlossen und fällt in die tiefe -> schicksal ungewiss

Kap.11.3: janis klettert in die uhr, etc, komplett umschreiben

Warum befindet sich general auf einer so weit entfernten Galaxie. -> weiler durch den zauber von jannis dorthin gebracht wurde.

zauberschule amerika befindet sich im yellowstonepark, in europa im Jura

es fehlt in Kap. 9: als der drache die kinder wieder zurückbrachte insholzhaus - was redeten sie, etc...

merlin wird von schlange überrascht als er nach dem gral greift - dienerbringt ihn zu raah

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306 KAPITEL 17. DER BRIEF VON MOPPEL

messer von abt nach dessen tod zu janis?

profb zu kinder: wir können die vergangenheit nicht ändern, aber wir kön-nen aus ihr lernen

als jannis zum zweiten mal im limbus war, brüder sind auch die 2 drachenDie Gegend ist schön, hier waren sie aufgewachsen und darum liebten sie

dieses Land

girl bekommt von grossmuter kleine musicbox mit dem lied debussy - dasaquarium

Kann uns der Zauber in der realen Welt nicht verraten. Nein, denn ge-nau deshalb und wegen anderem werdet ihr in die strenge Magie Schule desVatikans gelangen.

Kirche soll Kinder in die Zauberschule aufnehmen. Hauptsächlich nurVerwandte von Geistlichen und Reiche.

einhorn im paradies

Janis fragt: Was ist das für ein Spiegel in der hütte - am Ende der ge-schichte.

Abt tot, janis nimmt das messer zu sich.

Idee: Es existieren mehr Geister.

hier endet die geschichte und eine neue beginnt.

Idee: Beim Zauberbuch-der Lehrer soll an einer Tafel stehen und alleserklären. Zaubersprüche - wie man sie ausspricht usw.

Idee:Von Merlins Hütte gelangen sie an einen geheimen Ausbildungsortauf der Erde - seine eigene hexenschule mit hunderten Kinder - aufgrund be-sonderem wunsch von merlin werden sie in die schule aufgenommen. merlinist der direktor

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Idee: Hexe sagt zu merlin als er gefangen in der Vitrine war, ich habe eineVitrine zu raah bringen lassen. gefüttert mit ein paar händen

Idee: Er beendete seine Sätze welche er Leandra vorhin zurief.Ja, Leandra, wir werden unter allen Umständen zusammensein, ich werdeDich finden und für Dich leben, weil Du mein Leben bist, ohne dass ich esDir je sagte...

Idee: Kinder Geburi - 21 Dez.Idee: Drache stribt bei 2tem Anflug auf das SchlossIdee: Abt erörtert den Unterschied zwischen Limbus und FegefeuerIdee: Fargo, Einstein, Grigori Kolmogorov, Krakov, RenoroIdee: Das Märchen vom Engel (pflückt Blumen wo das Kind so gern

spielte)- einbauen als Grossmutter aus dem Buch vorliest geniesse die schön-heiten des lebens welche mich in einen regelrechten rauschzustand versetzten