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Jürgen Janovsky/Bijan Khashabian/David Pilarek (Hrsg.)

Management-Kompetenz durch Fallstudientechnik

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Jürgen Janovsky/Bijan Khashabian/David Pilarek (Hrsg.)

Management-Kompetenzdurch Fallstudientechnik

Talente erkennen und entwickeln

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Bibliografische Information Der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

1. Auflage Mai 2006

Alle Rechte vorbehalten© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006

Lektorat: Ulrike M.Vetter

Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.www.gabler.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver-wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zu-stimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere fürVervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherungund Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werkberechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen imSinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und dahervon jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, WiesbadenDruck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, HeusenstammGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.Printed in Germany

ISBN-10 3-8349-0212-8ISBN-13 978-3-8349-0212-2

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Inhaltsverzeichnis 5

Inhaltsverzeichnis

Einleitung..................................................................................................................................9

Teil I Fallstudienmethodik.................................................................................................. 11

Fallstudien im Management-Training und in der Personalauswahl ........................................13

Entwicklung und Durchführung einer Fallstudie ....................................................................21

Checklisten für die Entwicklung einer Fallstudie ...................................................................55

Übersicht zu den Fallbeispielen ..............................................................................................62

Teil II 25 Fallstudien ...............................................................................................................71

Expansionsstrategie der BioCure AG David Pilarek ..........................................................................................................................73

Die strategische Neupositionierung der Gulliver.com Jürgen Seitz .............................................................................................................................82

Strategieentwicklung bei der Pro-Beratung GmbH Stefan Kerpen ..........................................................................................................................89

Erstellung einer Balanced Scorecard für die Beispielbank AG Monika Heiler .......................................................................................................................101

The prioritization of strategic projects with Ms International Madhwendu Shekhar............................................................................................................. 111

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6 Inhaltsverzeichnis

Die Entwicklung einer Produktionsstrategie bei der Infanutri AG Andreas Beisswenger............................................................................................................ 120

Entwicklung einer Markteintrittsstrategie TVoverDSL bei der Telekom Fiktivland AG Gregor Schmitter .................................................................................................................. 130

Die Entwicklung von Technologiestrategien bei der Med-Tech AG Jürgen Janovsky ................................................................................................................... 140

Die Positionierung der Addiplus AG auf dem chinesischen Markt Roman Maisch / David Pilarek............................................................................................. 149

Die Positionierung der Cerbuena SA auf dem deutschen Markt Jürgen Janovsky / Bettina Wikarski ...................................................................................... 157

Ethikmanagement bei Küchentechnik Müller GmbH & Co. KG Bernd Noll / Tim Ortmann .................................................................................................... 168

Der Turnaround bei der Weberei Tuch GmbH Oliver Gaess ......................................................................................................................... 176

Die Sanierung des russischen Unternehmens DEFO Rainer Stoff ........................................................................................................................... 186

The development of a new business model for the Infodotal Software GmbH Reavis Hilz-Ward .................................................................................................................. 195

Die Neugestaltung des Customer Care-Bereichs bei der Internet AG Dominik Büscher .................................................................................................................. 203

Lieferanten-Integration bei der CardTech AG Marcel Hlawatsch / Steffen Zorn .......................................................................................... 213

E-Procurement bei der Logi AG Norbert Fischer .................................................................................................................... 220

Flexibilisierung im Produktionssystem der ARTEGO AG Marc Simon .......................................................................................................................... 229

Entwicklung eines neuen Vertriebssystems bei der RecruIT AG Peter Kolb ............................................................................................................................ 237

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Inhaltsverzeichnis 7

Gestaltung des Preissystems bei der Merck Ltd. Heinz Landau / Tobias Roder ................................................................................................244

Internationale Vertriebssteuerung und -controlling bei der Spezialchemie AG Stefan Holler / Torsten Schmidt.............................................................................................253

Erstellung einer Due Diligence bei der Virtualis Biometrie AG Hannelore Zachmann............................................................................................................268

Internationales Management der Informationsverarbeitung bei der PharmaChem Group Andreas Seibert .....................................................................................................................282

Risiko- und Qualitätsmanagement bei der LKB GmbH Heinz Kremers.......................................................................................................................291

Projektplanung bei der Star AFC Bijan Khashabian..................................................................................................................303

Die Herausgeber....................................................................................................................313

Die Autoren...........................................................................................................................315

Literaturverzeichnis ..............................................................................................................321

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Einleitung 9

Einleitung

Jürgen Janovsky / David Pilarek / Bijan Khashabian

„Management ist der wichtigste Massenberuf der modernen Gesellschaft, aber er ist ein Beruf ohne Ausbildung“, stellte Fredmund Malik auf seine pointierte Art in einer Kolumne jüngst fest.1

Wie wird man ein erfolgreicher Manager? Systematische Qualifizierungsmaßnahmen, etwa in Studium und beruflicher Weiterbildung, spielen häufig allenfalls eine indirekte Rolle. Wichti-ger ist vielmehr die persönliche Erfahrung im Umgang mit Management-Problemen.2 Man folgt damit gewissermaßen dem „Trial & Error-Prinzip“. Erfolg ist so bisweilen mehr von Zufälligkeiten als von individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten abhängig.

In einer zunehmend komplexen, dynamischen und globalisierten Unternehmenswelt hat sich das Anforderungsprofil des Managers stark gewandelt. Gebraucht werden heutzutage in erster Linie die folgenden Talente:

Durchsetzungsvermögen und Sensibilität vor allem im Team

Analytische Schärfe, die Fähigkeit zur eigenständigen Ableitung kreativer Konzepte und deren konsequente Umsetzung

Sicherheit auf internationalem Parkett und die Fähigkeit, die Stärken fremder Kulturen und Systeme zu identifizieren und für die eigene Organisation zu nutzen

Angesichts dieser Rahmenbedingungen sucht eine beachtliche Zahl von Unternehmen ge-genwärtig intensiv nach neuen Mitteln und Wegen, die Management-Kompetenzen des aktu-ellen und künftigen Führungs-Personals systematischer, professioneller und konsistenter zu entwickeln.

Nach wie vor stellt die Identifikation, Konzeption und/oder Umsetzung eines anforderungs-gerechten Entwicklungsprogramms die Personalentwickler vor große Probleme. Der Weiter-bildungsmarkt ist intransparent und entbehrt verlässlicher Qualitätsstandards, die für eine zielsichere Auswahl unter den zahlreichen Leistungsanbietern erforderlich wären.

1 Malik, F.: „Manager – Massenberuf ohne Ausbildung“ 2 Z. B. Kriegesmann, B.: „Unternehmerische Orientierung und Innovation“

J. Janovsky et al. (Hrsg.), Management-Kompetenz durch Fallstudientechnik,DOI 10.1007/978-3-8349-9115-7_1,© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006

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10 Jürgen Janovsky / David Pilarek / Bijan Khashabian

Zudem adressieren viele Angebote in inhaltlicher, methodischer und organisatorischer Hin-sicht selten den spezifischen Qualifizierungsbedarf im Unternehmen. Aus Sicht der nachfra-genden Unternehmen sollte ein Programm gerade die nachfolgenden Voraussetzungen erfül-len:

Schulung der Sozialkompetenz und der Fähigkeit, Fachwissen effizient und zielgerecht einzusetzen

Ausrichtung auf konzeptionelle Kreativität, Umsetzungskonsequenz und interkulturelle Sensibilität

Orientierung an den konkreten Bedürfnissen des Unternehmens, ohne auf mittlere Sicht den Einsatz hochbezahlter externer Trainer zu erfordern

Nutzung als bereichsübergreifendes Netzwerk und Wissensplattform

Vorbeugung gegen überzogenes Anspruchsdenken der Teilnehmer (etwa in puncto Ge-haltszuwachs und Beförderung)

Höchstmögliche Kosteneffizienz

Die in diesem Buch vorgestellte Fallstudienmethodik wurde konsequent im Hinblick auf diese Anforderungen entwickelt. Im Zentrum unseres Ansatzes steht die Simulation konkreter Problemlösungsprozesse zu diversen betriebswirtschaftlichen Sachverhalten. Damit gehen wir deutlich über die in Assessment-Centern üblichen knappen Case Questions oder die vor allem durch amerikanische Management-Programme bekannten deskriptiven Case Studies hinaus.

Mithilfe eines kriterienbasierten Vorgehensmodells können Fallstudien zielgerichtet für den jeweiligen Trainingsbedarf entwickelt, durchgeführt und ausgewertet werden. Dazu werden wesentliche kritische Erfolgsfaktoren, Fallstricke sowie Beispiele angeführt.

Bewusst verzichten wir auf die Konstruktion eines komplexen Theoriegebildes und beschrei-ten stattdessen einen umsetzungsnahen Weg für den Praktiker im Unternehmen. Wir schlie-ßen das Buch mit einer Sammlung an ausgewählten Fallstudien, entwickelt von erfahrenen Managern aus Industrie und Beratung.

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11

Teil I

Fallstudienmethodik

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Fallstudien im Management-Training und in der Personalauswahl 13

Fallstudien im Management-Training und in der Personalauswahl

Jürgen Janovsky / David Pilarek / Bijan Khashabian

Im einführenden Kapitel haben wir bereits auf die aktuellen Trends und Probleme in der Gestaltung von Weiterbildungsmaßnahmen für Management-Kräfte und in der Personalaus-wahl hingewiesen. Das in diesem Buch vorgestellte Instrument soll Organisationen unterstüt-zen, die Entwicklung und Auswahl ihrer Humanressourcen effektiver und effizienter zu ges-talten. Wir werden keine grundsätzlicheren Betrachtungen zum weiten Feld des Management-Trainings und der Personalauswahl anstellen. Hier sei auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen.3 Eine kurze Definition für die weiteren Ausführungen soll daher an dieser Stelle ausreichen:

Unter Management-Training wollen wir im Folgenden alle Aktivitäten verstehen, die Fähigkeiten und Talente der potenziellen und gegenwärtigen Leistungsträger einer Organi-sation gezielt fördern. Wir fokussieren mit diesem Verständnis unserer Methode bewusst auf die Zielgruppe mit überdurchschnittlichem Leistungs-Potenzial. Zudem fordert diese Definition eine konsequente Ausrichtung der Personalentwicklung an vorab bestimmten (Unternehmens-)Zielen.

Personalauswahl soll in unserem Kontext die Rekrutierung von jungen Potenzialträgern für das Unternehmen, aber auch die interne Auswahl für Führungspositionen, Aus-landseinsätze und/oder Entwicklungsprogramme sein.

In den USA wurden Fallstudien bzw. Case Studies schon während der 40er Jahre zur Förde-rung der Kreativität in Management-Lehrgänge eingeführt. Die wörtliche Übersetzung und der Anglizismus existieren inzwischen im deutschen Sprachgebrauch synchron. In Deutsch-land kamen Fallstudien während der 70er Jahre in Mode. Dem Trend haben sich lediglich die meisten Hochschulen entzogen, die gegenüber Neuerungen jeglicher Art stets eine gewisse Resistenz zeigten. Fallstudien waren in privatwirtschaftlichen Unternehmen schon lange „in“, als sie bei vielen Hochschulen noch als „terra incognita“ galten. Je mehr der Terminus Ein-gang in die Wirtschaftswelt fand, desto breiter wurde das Spektrum an Varianten zum Ver-ständnis dieses Ausdrucks. Allen folgenden Überlegungen wollen wir deshalb zunächst eine

3 Z. B. Mintzberg, H.: „Managers not MBAs: A Hard Look at the Soft Practice of Managing and Management

Development”

J. Janovsky et al. (Hrsg.), Management-Kompetenz durch Fallstudientechnik,DOI 10.1007/978-3-8349-9115-7_2,© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006

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14 Jürgen Janovsky / David Pilarek / Bijan Khashabian

Definition des Begriffs Fallstudie voranstellen. In den uns interessierenden betriebswirt-schaftlichen Zusammenhängen wird der Begriff insbesondere für folgende Aktivitäten ver-wendet:

Analyse zur Entwicklung bzw. zum Entscheidungsverhalten einer Organisation (im Fol-genden als Unternehmensanalysemodell bezeichnet)

Sammlung von Ideen zur Lösung eines realen oder fiktiven Problems (im Folgenden als das Ideenfindungsmodell bezeichnet)

Simulation eines Problemlösungsprozesses zu einem betriebswirtschaftlichen Sachverhalt (im Folgenden als Problemlösungsmodell bezeichnet)

Der detaillierten Erörterung der drei Typen soll ein kurzer Vergleich bezüglich deren Eignung für das Management-Training und die Personalauswahl vorangestellt sein:

(Potenzieller) Beitrag zur Personalentwicklung und -auswahl

(Kom

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Problemlösungs-modell

Unternehmens-analysemodell

Ideenfindungs-modell

Abbildung 1: Klassifizierung von Fallstudientypen

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Fallstudien im Management-Training und in der Personalauswahl 15

Diesem Schema liegen die in Tabelle 1 aufgeführten Kriterien zugrunde:

Kriterium Beschreibung Komplexität Konzeptionelle Schwierigkeit für die Entwicklung der Fallstudie

Ansprüche an die Steuerung des Bearbeitungsprozesses Anspruch an themenspezifische Fachkenntnisse des Leiters

Risiko Risiko, dass die Teilnehmer zu keinem zufrieden stellenden Er-gebnis gelangen und Lerneffekte nicht wahrnehmen Risiko, dass die Übung keinen Aufschluss über Teilnehmerprofile ermöglichtÜberforderung des Leiters in der Steuerung des Prozesses

Beitrag zurPersonalentwicklung

Entwicklung und Verbesserung folgender Fähigkeiten und Fertig-keiten: Anwendungskompetenz, analytische Sicherheit, konzepti-onelle Kreativität, Geradlinigkeit und Effizienz, Präsentation, Füh-rungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen, Teamfähigkeit und interkulturelle Sensibilität

Beitrag zurPersonalauswahl

Ermittlung und Einschätzung oben genannter Fähigkeiten und Fertigkeiten

Tabelle 1: Kriterien zur Klassifizierung von Fallstudientypen

Das Unternehmensanalysemodell besteht im Wesentlichen aus einer Beschreibung zur Entwicklung der betreffenden Firma und einem Frageteil, in dem der Leser aufgefordert wird, die wichtigsten Inhalte zusammenzufassen und zu diskutieren. Diese Variante der Fallstudie kommt in der Literatur am häufigsten vor.4 Abhandlungen zu Firmen wie Elektrolux, Toshiba oder Procter & Gamble sind geradezu zu Klassikern der Fallstudienarbeit geworden. Zu einigen Firmen gibt es ganze Bücher (z. B. Aldi, Cisco oder General Electric5). Man findet hierzu gleichermaßen „Success Stories“ wie Fehlschlaganalysen. Erstere suggerieren biswei-len, dass man nur genauso verfahren muss wie die betreffende Firma, um erfolgreich zu sein. Gerade dabei aber sind folgende Risiken zu berücksichtigen:

Keine Fallstudie vermag ein absolut akkurates Bild zum Innenleben und den realen Hand-lungsbedingungen einer Firma zu vermitteln.

Die so genannten Erfolgsfaktoren werden oft erst dann aufgelistet, wenn der Erfolg bereits eingetreten ist und dann nicht mehr in ihrer tatsächlichen Kausalität und in ihrem Zusam-menspiel mit weiteren Faktoren hinterfragt.

Drittens werden Fallstudien meist nicht aktualisiert. Sie geben vielmehr den Zustand eines Unternehmens zu einem weit zurückliegenden Zeitpunkt wieder. Im Extremfall kann das dazu führen, dass das, was im Fallbeispiel als Erfolgsfaktor hervorgehoben wird, sich ins Gegenteil verkehrt hat. Der langjährige Führungsstil innerhalb des Disney-Konzerns, die hohe Dezentralisierung von Philips oder der Abbau zentraler Einheiten bei ABB sind hier-für recht eindrucksvolle Beispiele.

4 Z. B. das Archiv des Harvard Business Review unter www.hbr.org 5 Z. B. Slater, R.: „Jack Welch & the GE Way: Management Insights and Leadership Secrets of the Legendary

CEO”; Paulson, E.: „Inside Cisco: The Real Story of Sustained M&A Growth”; Brandes , D.: „Die 11 Ge-heimnisse des Aldi-Erfolgs”

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16 Jürgen Janovsky / David Pilarek / Bijan Khashabian

Der Teilnehmer wird bei diesem Fallstudientyp vor allem passiv der Präsentation folgen, den Fall im Plenum oder Team diskutieren oder aber den Fall selbst präsentieren. Dennoch be-steht durchaus die Möglichkeit, bei derartigen Übungen vom Teilnehmer genuine Eigenleis-tungen abzuverlangen. Denkbar wäre, dass er die Aufgabe erhält, zusätzliche Informationen einzuholen. Dies könnte beispielsweise die Entwicklung des Unternehmens seit der redaktio-nellen Fertigstellung des Fallbeispiels oder die Situation von Wettbewerbern betreffen. Hier sieht sich der Teilnehmer rasch einer praxisnahen Herausforderung gegenüber – dem Sam-meln und Bewerten oftmals schwer zugänglicher Informationen über Märkte, Wettbewerber und Kunden. Der damit verbundene Lerneffekt kompensiert in aller Regel den nun stärker spekulativen Charakter der Fallstudie. In puncto Kreativitätsförderung kommt diesem Modell der Fallstudie nur eine begrenzte Wirkung zu. Der Teilnehmer wird zwar motiviert, sich mit den Trainings-Inhalten auf eine kognitiv bereichernde Art und Weise auseinander zu setzen, dabei wird ihm der Problemlösungsprozess indes nicht in seiner vollen Komplexität präsen-tiert.

Trotz all dieser Einschränkungen werden Fallstudien nach diesem Muster von den Teilneh-mern meist zunächst positiv aufgenommen. Die Teilnehmer erhalten einen, wenn auch ober-flächlichen Einblick in andere Organisationen und deren Handlungsmuster und -strategien.

Für den Leiter ist diese Art der Fallstudie relativ risikofrei. Der Ablauf lässt sich ziemlich genau antizipieren, und es ist auch nicht damit zu rechnen, dass man mit der Aktivierung der Teilnehmer plötzlich in eine Sackgasse gerät (wie etwa im Falle einer Fallstudie, die mit hohen Ansprüchen hinsichtlich Problemlösungskompetenz und Teamfähigkeit verbunden ist). Schwierigkeiten können natürlich dann auftreten, wenn ein Teilnehmer auf Grund tieferer Einblicke in die behandelte Firma feststellt, dass das vom Leiter verwendete Material die Realität nicht adäquat reflektiert. Dadurch kann der gesamte Fallstudienprozess in Frage gestellt werden.

Bei der zweiten Variante, dem Ideenfindungsmodell, handelt es sich um eine Kreativitäts-übung zur Auflockerung eines Seminars. Als Ausgangspunkt stellt der Leiter den Teilneh-mern Leitfragen, wie beispielsweise:

Welche Werbemaßnahmen könnten das Image der Firma verbessern?

Wie sollten die Mitarbeiter auf den Auslandsaufenthalt vorbereitet werden?

Was kann eine Organisation tun, um die Mitarbeiter besser zu motivieren?

Den Teilnehmern stehen für die Entwicklung von Antwortmöglichkeiten meist 30-60 Minu-ten zur Verfügung. Da sie somit keine Zeit haben, den Kontext genauer so analysieren, nimmt die Übung den Charakter eines Brainstormings an. Den Teilnehmern wird damit nur ein klei-ner Ausschnitt realen Problemlösungsverhaltens vermittelt. Zwar ist die Kreativitätsphase mitunter der attraktivste Part eines Lösungsprozesses, realiter aber weitaus kürzer als etwa die gründliche Analyse des gegebenen Problems, die müheselige Arbeit zur Entwicklung einer soliden und konsensfähigen Konzeption und die Schaffung von operativen Vorausset-zungen für deren Umsetzung.

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Fallstudien im Management-Training und in der Personalauswahl 17

Entscheidend für die Akzeptanz und die Effektivität dieser Variante ist daher:

Das qualifizierte Feedback des Leiters auf die Vorschläge der Teilnehmer mit entsprechen-dem Rückgriff auf theoretische Lerninhalte

Eine ohne detaillierte Vorkenntnisse zu bewältigende Aufgabenstellung

Die Beschränkung des Anteils dieser Übung im jeweiligen Lehrmodul, um das Gesamtni-veau nicht zu gefährden

Auch für Fragen der Personalauswahl erscheint dieser Fallstudientyp nur von begrenzter Eignung. Bei einer zeitlichen Begrenzung von 30-60 Minuten, im Zusammenhang mit einer konfliktfreien Aufgabe, lassen sich nur wenige Anhaltspunkte über die Persönlichkeits- und Fähigkeitsprofile individueller Teilnehmer gewinnen.

Am anspruchsvollsten ist als dritte Variante das Problemlösungsmodell. Die vom Teilneh-mer dabei zu bearbeitenden Aufgabenelemente lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Analyse eines Texts zu einem Unternehmen

Erarbeitung einer Diagnose zu den wichtigsten Problemen

Festlegung von Handelungsimperativen für die Zukunft

Entwicklung von Lösungsvarianten

Bewertung und Auswahl der verschiedenen Optionen

Definition eines Konzepts

Hier werden vom Teilnehmer also gleichermaßen analytische, kreative und konzeptionelle Anstrengungen verlangt. Gleichzeitig ist das Konfliktpotenzial in der Gruppe höher als bei den vorangegangenen Varianten. Das bedeutet auch, dass die Teamfähigkeit der Teilnehmer gefordert wird. Darüber hinaus ist das Instrument geeignet, die Professionalität in der Vorbe-reitung und Gestaltung von Präsentationen zu prüfen. Da umfassendere und anspruchsvollere Aufgaben zu bewältigen sind, wird nicht zuletzt auch das Zeit-Management eine wichtige Rolle spielen. Alles in allem sind von dieser Variante bedeutendere Effekte bezüglich der Personalentwicklung und zuverlässigere Perspektiven in Fragen der Personalauswahl zu erwarten als von den beiden anderen Alternativen.

Gleichzeitig wird allerdings auch das Fehlschlagsrisiko höher sein. Angesichts des Zeitdrucks und der Komplexität schaffen es die Teilnehmer nicht immer, ein überzeugendes und ausge-reiftes Lösungsmodell zu entwickeln. Kommt es zu einem derartigen Misserfolg, so ist dies oft mit einem entsprechenden Frustrationseffekt verbunden. Nicht selten entstehen Aggressi-onen gegenüber dem Trainer oder die Teilnehmer beginnen gar, sich selbst zu stark in Frage zu stellen.

Das Problemlösungsmodell stellt an den Einsatz des Leiters damit auch deutlich höhere An-forderungen als die beiden anderen Varianten. Viele Trainer schrecken vor dessen Anwen-

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18 Jürgen Janovsky / David Pilarek / Bijan Khashabian

dung daher zurück. Dies ist angesichts der Potenziale des Modells bezüglich der Entwicklung und der Identifikation von Fähigkeiten und Fertigkeiten der Teilnehmer bedauerlich.

Die nachstehende Übersicht fasst die Vor- und Nachteile der drei Varianten sowie deren Eig-nung in Fragen von Personalauswahl und -entwicklung nochmals zusammen.

Unternehmensanalysemo-dell

Ideenfindungsmodell Problemlösungsmodell

Vorteile Zahlreiche Beispiele in Literatur Reale Firma Geringes Risiko

Einfach einzubauen in Lehr-Modul Geringes Risiko Auflockerung des Seminars

Höchstes Potenzial für Lerneffekte Umfassendstes Spektrum für Perso-nalanalyse

Nachteile Mangelnde Validität vorhandener Daten Diskrepanz gegenüber aktueller Situation Potenzielle Geschichts-klitterung

Geringe Adäquanz gegenüber Realität Oberflächlichkeit Weder analytische noch konzeptionelle Anforderungen

Hohe Anforderung an Trainer Hohes Fehlschlags-risikoWenig Vorlagen in vorhandener Litera-tur

Tabelle 2: Übersicht der Vor- und Nachteile der Fallstudientypen

Exkurs: Fallstudien als Kreativitätstechnik zur realen Problemlösung

Vor dem Hintergrund der Stärken des Typs Problemlösungsmodell lässt sich dessen Einsatz-spektrum um die Anwendung auf reale Problemstellungen im Unternehmen erweitern. Die Fallstudie verlässt damit die Ebene der Entwicklungs- und Auswahlmaßnahme und wird zum praktischen Lösungsinstrumentarium.

Eine solche Erweiterung erfordert zwei entscheidende zusätzliche Schritte. Zum einen die einleitende Abstraktion des realen Problems in ein Fallstudienthema und zum anderen die Rückführung der erarbeiteten Handlungsstrategien auf das zu Grunde liegende Problem. Aufgrund der methodischen Herausforderung und des Aufwands in der Vorbereitung, Durch-führung und Planung sollte eine Fallstudie nur als Kreativitätstechnik zur Lösung bedeutsa-mer und komplexer Sachverhalte zur Anwendung kommen.

Damit gegenüber konventionellen Mitteln der Problemlösung überhaupt ein qualitativer Unterschied eintreten kann, gilt es, das ursprüngliche Problem durch Abstraktion vom realen Fall zu entfremden und idealerweise einem neu zusammengesetzten Personenkreis in einem von alternativen Spielregeln bestimmten Kontext zur Lösung vorzulegen. Dieser Schritt dient auch dazu, eine häufig auftretende Betriebsblindheit der unmittelbar betroffenen Akteure sowie deren Interaktionsmuster aufzubrechen.

Abstraktion des Problems für die Fallstudie

Zunächst muss das tatsächliche Problem sauber beschrieben werden. Dies mag sich trivial anhören, fordert von den Beteiligten in der Realität aber stets eine beachtliche Transferleis-tung. Zum einen müssen aus den vorliegenden oft widersprüchlichen Informationen die rich-

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Fallstudien im Management-Training und in der Personalauswahl 19

tigen Schlüsse gezogen werden und zum anderen müssen Ursachen klar von Wirkungen getrennt werden, um das jeweilige Kernproblem zu identifizieren.6

Ist dieser Schritt abgeschlossen, gilt es das Problem zu verfremden. Dies dient zum einen dazu, den realen Fall für die Teilnehmer zu verkleiden, denn schließlich sollen die Teilnehmer nicht schon durch mögliche vorherige Informationen in ihrer Kreativität eingeengt werden. Zum anderen sollten die zu Grunde liegenden Probleme in der Regel möglichst diskret einem neuen Teilnehmerkreis zugeführt werden, ohne die ursprünglich Verantwortlichen zu beschä-digen.

Die Verfremdung sollte auf zwei Ebenen erfolgen. Erstens sollten Namen, Abteilungsbe-zeichnungen, Strukturen etc. dahingehend abstrahiert werden, dass Rückschlüsse auf reale Personen nicht mehr möglich sind.7 Zweitens sollte das Problem modellartig skizziert und abstrahiert werden. Dies unterstützt unter anderem die Überwindung etwaiger gedanklicher Barrieren bei der Lösungssuche. Nicht zuletzt kann der Prozess der Abstrahierung wie auch die vorherige Problembeschreibung und Analyse einen erheblichen Kenntnisgewinn bringen.

Design und Durchführung der Fallstudie

Generell wird man sich auch bei dieser Variante der Fallstudie an dem in diesem Buch zu vorgestellten Design- und Durchführungsschema orientieren. An dieser Stelle können einige allgemeine Bemerkungen ausreichen:

In diesem Kontext wird die Fallstudie in erster Linie eine technische Übung mit einem klaren Fokus auf inhaltliche Fragen sein. Dies kann beispielsweise durch die Aufgliederung der Fallstudie in abgegrenzte Aufgabenpakete erreicht werden.

Es empfiehlt sich, einen möglichst heterogenen Teilnehmerkreis vorzusehen, da dies in aller Regel den notwendigen kreativen Prozess unterstützt. Als Leiter bzw. Moderator sollte dage-gen ein Fachexperte fungieren, der auf Adäquanz der erarbeiteten Lösung hinwirkt.

Eine Abwägungsfrage ist die Information der Teilnehmer im Vorfeld. Sicher setzt eine effek-tive Lösungsentwicklung voraus, dass die Teilnehmer nicht vollkommen unvorbereitet in die Fallstudienübung gehen. Allerdings sind es gerade der unverstellte Blick von außen und eine gewisse Unvoreingenommenheit der Teilnehmer, die zu den kreativsten Lösungen führen.

Der Dokumentation der Ergebnisse ist hier nun besondere Aufmerksamkeit zu schenken, um sie im folgenden Schritt zur Lösung Ursprungproblems heranzuziehen.

Rückführung der Ergebnisse auf das reale Problem

Dieser Schritt ist im Wesentlichen die Umkehrung der zuvor beschriebenen Abstraktion. Entscheidend sind in dieser Phase die sorgfältige Analyse und Interpretation der Lösungs-strukturen sowie deren sinngemäße Anwendung auf den realen Fall. Es gilt also zunächst die

6 Im seltenen Fall zweier gleichbedeutender Kernprobleme sollten auch zwei parallele Fallstudien daraus

entwickelt werden. 7 Dies wird sich natürlich nicht immer vollständig vermeiden lassen; zumal dann, wenn das reale Problem

bereits einem größeren Personenkreis im Unternehmen bekannt ist.

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erarbeiteten Lösungen detailliert auf ihre Machbarkeit zu prüfen und anschließend die Prinzi-pien der als realisierbar eingestuften Ergebnisse auf das ursprüngliche Problem zu übertragen.

Ob eine Fallstudienlösung für die in der Realität verwendbar ist, hängt von verschiedenen Kriterien ab. Wesentlich sind dabei vor allem die Erfolgsaussichten und die Nachhaltigkeit der Lösungsansätze. Zudem gilt es Aspekte wie Implementierungskosten, Ressourcenbedarf, Zeithorizont der Umsetzung, Zielkonflikte und Passung zur Unternehmenskultur zu prüfen.

In diesem Kontext ist es sehr sinnvoll, bereits bei der Fallstudienübung die Teilnehmer dafür zu sensibilisieren, realistische Lösungen zu suchen ohne dabei deren Kreativität zu stark beschränken zu wollen. Hierbei spielt der zuvor gewählte Abstraktionsgrad eine bedeutende Rolle. Je stärker der Fall abstrahiert wurde, desto breiter wird auch die inhaltliche Streuung der Lösungsansätze sein und umso größer auch das Risiko der Unverträglichkeit mit den Gegebenheiten des realen Problems. Allerdings sollte die Ablehnung eines Lösungsansatzes mit Verweis auf reale Gegebenheiten, Rahmenbedingungen oder auch Firmenkultur stets mit Vorsicht betrachtet werden. Es liegt in der Natur kreativer Lösungen, dass sie solche Bedin-gungen in Frage stellen und als veränderbar ansehen. So liegt doch die große Chance solcher Kreativitätstechniken darin, auch zum Denken „out-of-the-box“ anzuregen.

Es ist unabdingbar, wie auch bei der Abstraktion, auf eine sorgfältige Auswahl der Ausfüh-renden zu achten. Es hat sich als effektiv erwiesen, hier kleinere Teams von 2-4 Personen mit entsprechender Fach- und Veränderungskompetenz einzusetzen. Durch die Rückkopplung zwischen mehreren Akteuren erhält dieser Prozess nicht nur stärkere kreative Impulse, son-dern wird auch zu einer wesentlich kritischeren Bewertung und Umsetzung der Ergebnisse führen.

Die tatsächliche Anwendung und deren konkrete Ausgestaltung stellen dann eine eher techni-sche Übung dar, die mit den notwendigen Projekt- und Change Management geleistet werden kann. Es sollte nicht verwundern, wenn diese Ausgestaltung in ihrer Qualität sogar weit über die abstrakten Ergebnisse der Fallstudie hinausgeht, die ja unter sehr viel engeren zeitlichen Restriktionen erarbeitet wurden.

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Entwicklung und Durchführung einer Fallstudie 21

Entwicklung und Durchführung einer Fallstudie

Jürgen Janovsky / David Pilarek / Bijan Khashabian

In diesem Kapitel beschreiben wir die wesentlichen Elemente und Erfolgsfaktoren in der Entwicklung und Durchführung einer Fallstudie. Fallstudien des von uns für Fragen des Management-Trainings und der Personalauswahl empfohlenen Typs sind in ihrem Anspruch und ihrer Komplexität nicht frei von Risiken. Unser Text ist konsequent auf eine Vermeidung der damit verbundenen Gefahren ausgerichtet.

1. Konzeption und Vorbereitung

Bei Fallstudien gilt zunächst einmal der gleiche Grundsatz wie für alle anderen Formen von Seminar-Veranstaltungen: je besser die Vorbereitung, desto erfolgsträchtiger die Durchfüh-rung. Die folgenden Abschnitte werden den Praktiker dementsprechend in der Vorbereitung einer Fallstudie unterstützen. Dabei gehen wir auf die in Tabelle 3 aufgeführten Elemente ein. Einige typische Fallstricke werden wir an der jeweiligen Stelle besonders hervorheben und konkrete Gegenmaßnahmen vorschlagen.

1.1 Ziel und Zweck

In der Praxis werden Fallstudien oft nur zur Auflockerung von Seminar-Veranstaltungen eingesetzt. Eine weitere Ziel- bzw. Zweckbestimmung erfolgt nicht. Positiv ist dies allenfalls,

wenn derartige Übungen nicht zu häufig angesetzt werden und der Zeitaufwand jeweils sehr eng begrenzt ist (30-60 Minuten),

wenn die Aufgaben einerseits nicht zu banal sind und die Teilnehmer andererseits nicht zu intensiv gefordert sind.

J. Janovsky et al. (Hrsg.), Management-Kompetenz durch Fallstudientechnik,DOI 10.1007/978-3-8349-9115-7_3,© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006

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Element Inhaltliche Fragen Ziel/Zweck Einordnung der Fallstudie in die jeweilige Weiterbildungsaktivität

Festlegung der über die Übung zu ermittelnden bzw. zu bewer-tenden sozialen, methodischen und fachlichen Kompetenzen

Thema Festlegung der fachbezogenen Aspekte Ablaufdramaturgie Einführung der Teilnehmer

Organisation von Gruppenarbeit Einbau von Interviews Gestaltung von Präsentationen Durchführung von Feedback

Leiterrolle Formen des Aktivierungsgrades Leiterprofil Fach- und Methodenkompetenz

Externe versus interne Besetzung der Leiterposition Hierarchische Stellung

Teilnehmergruppe Heterogenität und Homogenität Qualifikationen Hierarchische Unterschiede Kulturelle Disparitäten

Teilnehmerrolle Generelles Rollenspektrum Fachbezogene und funktionsbezogene Aufgaben

Arbeitsunterlagen Hinweise zum Unternehmen Anhänge und Teaching Notes

Auswertung/Feedback Generelle Regeln Festlegung des Gegenstands Ablauf Spezielle Hinweise zur Personalbeurteilung

Dokumentation Hinweise für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung

Tabelle 3: Elemente der Fallstudienkonzeption

Je weniger diese Voraussetzungen erfüllt sind, desto intensiver werden die Teilnehmer jedoch nach Ziel und Zweck der Übung fragen. Fallstudien vom Typ Problemlösungsmodell erstre-cken sich über mindestens einen vollen Tag und bringen die Teilnehmer mitunter an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Schon aus diesen Gründen sollten Ziel und Zweck sehr viel näher bestimmt werden.

Beim Management-Training sollte deutlich werden, wie die Fallstudie sich in die Lernzie-le der jeweiligen Weiterbildungsaktivität einordnet.

Wird eine Fallstudie zur Personalauswahl eingesetzt, so sollte dem Teilnehmer angezeigt werden, welche Leistung über die Übung abgefragt wird.

Ein Vorteil der Fallstudienarbeit im Management-Training gegenüber anderen didaktischen Methoden liegt zweifelsohne im breiten Spektrum der geforderten bzw. geförderten Kompe-tenzen. Die Arbeit in Gruppen, die Spiegelung theoretisch erworbener Kenntnisse an realen Unternehmenssituationen, die Konfrontation mit komplexen Wirkungszusammenhängen und die explizite Lösungsforderung ermöglichen den Teilnehmern, diverse methodische und soziale Kompetenzen zu entwickeln und zu verbessern. Dabei kann es insbesondere um Ver-besserungen folgender Fähigkeiten und Fertigkeiten gehen:

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Entwicklung und Durchführung einer Fallstudie 23

Anwendungskompetenz hinsichtlich fachspezifischen Wissens

Analytische Sicherheit in der Durchdringung und Strukturierung von Problemen

Konzeptionelle Kreativität in der Entwicklung, Erprobung und Verfeinerung von Problem-lösungsansätzen

Geradlinigkeit und Effizienz in der Zusammenführung von Informationen und Vorschlä-gen zu logischen Lösungsmodellen

Überzeugende Anwendung von Stilmitteln zur Prozesssteuerung und Ergebnispräsentation

Führungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen

Teamfähigkeit durch das effektive Zusammenspiel in der Arbeitsgruppe

Hohe (interkulturelle) Sensibilität durch das gemeinsame Vorgehen mit Teilnehmern ver-schiedener Kulturkreise, Disziplinen oder Funktionen

Diese Aufzählung lässt bereits einige potenzielle Zielkonflikte erkennen, die bei Fallstudien typischerweise zu Tage treten, wie etwa zwischen Durchsetzungsvermögen und Sensibilität, zwischen analytischer Substanz und Effizienz oder auch zwischen inhaltlicher Substanz und Visualisierungsqualität. Derartige Konflikte lassen sich nie ganz aufheben – entscheidend ist hier die deutliche Prioritätensetzung durch den Initiator der Fallstudie und die Ausrichtung aller weiteren Ziele an dieser Festlegung.

Zudem sollte explizit bestimmt werden, ob bei den angestrebten Personalentwicklungseffek-ten der Schwerpunkt eher auf methodischen oder auf sozialen Kompetenzen liegen soll bzw. ob beide Dimensionen gleich relevant sind. Das Spektrum der hier gegebenen Optionen ist in Abbildung 2 visualisiert.

B e d e u t u n g m e t h o d i s c h e r K o m p e t e n z

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• P r ü f u n g b z w . S i c h e r u n g v o n F a c h w i s s e n

• A n w e n d u n g s k o m p e t e n z• A n a l y t i s c h e S i c h e r h e i t• K o n z e p t i o n e l l e K r e a t i v i t ä t• P r ä s e n t a t i o n s t e c h n i k

Abbildung 2: Zielsysteme im Management-Training mithilfe der Fallstudienarbeit

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Fallstudien lassen sich entsprechend diesem Schema in vier Zielkategorien einteilen:

A – hier kommt es ausschließlich auf die Entwicklung sozialer Kompetenzen an. Das inhaltliche Ergebnis ist weniger wichtig als der Interaktions-Prozess zwischen den betei-ligten Personen. Bei der Entwicklung der Fallstudie ist demnach darauf zu achten, dass gewisse Konfliktsituationen antizipiert werden, anhand derer die sozialen Kompetenzen trainiert werden.

B – bei diesem Typ Fallstudien steht erstens die Prüfung der Frage, ob der Teilnehmer das zuvor vermittelte Wissen verstanden hat im Vordergrund. Zweitens wird ein zusätzlicher Memorasierungseffekt gegenüber diesem Wissen erzielt. Derartige Fallstudien nehmen oft den Charakter von Kapiteln mit Kontrollfragen ein.

C – die Fallstudie ist hier in erster Linie eine technische Übung. Durch eine entsprechende Organisation des Teams wird das Konfliktpotential minimiert (etwa über die Aufgliede-rung der Fallstudie in separate Arbeitspakete), so dass die Beteiligten sich auf inhaltliche Fragen und Aspekte der methodischen Effizienz konzentrieren können.

D – hierbei handelt es sich um den anspruchsvollsten Typ von Fallstudien. Die Qualitäten von Ergebnis und Prozess (in sozialer wie methodischer Hinsicht) sind von gleicher Be-deutung. Derartige Fallstudien sollten inhaltlich sehr anspruchsvoll sein und gleichzeitig den Ansprüchen von Kategorie A gerecht werden.

Auch der Einsatz der Fallstudie als Instrument der Personalauswahl beinhaltet verschiedene Vorteile:

Von den Teilnehmern wird ein konkretes und intensives Engagement gefordert. Der ge-zeigte Einsatz schlägt sich denn auch unmittelbar im Bewertungsergebnis nieder.

Es wird ein wesentlich breiteres Kompetenzspektrum betrachtet als bei jeder anderen Form der Personalauswahl.

Die praxisnahe Situation erlaubt valide Rückschlüsse auf das Verhalten der Kandidaten in ähnlichen Situationen in der Unternehmensrealität.

Angesichts der Breite des überprüfbaren Kompetenzspektrums ist es wichtig, dass vor der Fallstudie explizit festgelegt wird, welche Qualifikationen beim Teilnehmer erfasst werden und wie deren Ausprägung jeweils gemessen werden soll. Grundsätzlich kommen hier die gleichen Kategorien wie bei der Anwendung im Management-Training in Betracht.

Fallstrick: Vorzeitige Überlagerung des Zielsystems durch pragmatische Überlegungen und Kontextbedingungen

Viele Firmen und Trainer halten Fallstudien als Instrument des Management-Trainings bzw. der Personalauswahl prinzipiell für geeignet, zögern jedoch mit dessen Anwendung, da ihnen der damit verbundene Aufwand und das Fehlschlagsrisiko zu hoch erscheinen. Aus dieser Konstellation entstehen oft halbherzige Kompromisse. Der Beitrag zur Personalentwicklung und -auswahl ist entsprechend begrenzt. Ist die konsequente Anwendung der Fallstudien-übung nicht möglich, wird es besser sein, auf das Instrument vorerst zu verzichten.

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Entwicklung und Durchführung einer Fallstudie 25

Fallstrick: Unklare Auflösung der Zielkonflikte

Bei der Gestaltung von Fallstudien wird die Bedeutung einer gründlichen gedanklichen Aus-einandersetzung mit dem Ziel oft unterschätzt. Als Folge davon werden potenzielle Zielkon-flikte nicht erkannt und das Ziel auch nicht explizit festgelegt. Daraus ergibt sich wiederum die Gefahr, dass die Teilnehmer die Anliegen der Fallstudie recht unterschiedlich interpretie-ren. Das Verfolgen eines strukturierten Entwicklungspfades wie er in diesem Buch vorgestellt wird, trägt entscheidend zur Vermeidung von Zielkonflikten bei. Darüber hinaus erweist es sich stets als hilfreich, die entwickelte Fallstudie mit einer neutralen Person zumindest theo-retisch durchzuarbeiten.

1.2 Thema

Grundsätzlich erscheinen alle betriebwirtschaftlichen Fragestellungen für Fallstudien geeig-net. Dabei sind allerdings folgende Überlegungen und Restriktionen zu berücksichtigen:

Management-Training – das Thema sollte sich möglichst eng an die inhaltliche Ausrichtung der Weiterbildungsaktivität anlehnen, innerhalb derer die Übung abgehalten wird. Fallstudien sind in erster Linie dazu da, die Anwendung des zuvor erworbenen Wissens zu schulen;8 das heißt, dass notwendige Fachkenntnisse vor der Übung bereits vorhanden sein sollten. Die Frage, ob man für eine Fallstudie überhaupt theoretisches Wissen benötigt, lässt sich durch-aus kontrovers diskutieren. Wie in der beruflichen Praxis lassen sich die in Fallstudien zu behandelnden Probleme oft mit gesundem Menschenverstand und Erfahrung lösen. Doch Veranlagungen als auch Erfahrungen werden oft erst in Verbindung mit theoretischem Wissen ökonomisch eingesetzt. Wenn eine Fallstudie ohne jede theoretische Vorkenntnisse der Teil-nehmer durchgezogen wird, dann ergibt sich rasch die Gefahr der Beliebigkeit und Ober-flächlichkeit im Problemlösungsverhalten. So gesehen sollte eine Fallstudie stets als Ergän-zung eines theoretischen Teils konzipiert werden.

Personalauswahl – idealerweise wird die Fallstudie thematisch in dem Bereich angesiedelt sein, für den der Kandidat zur Auswahl steht. Ist dies nicht möglich oder sinnvoll,9 dann empfiehlt sich ein sehr allgemeines Thema, bei dem jeder mit betriebswirtschaftlichem Grundverständnis ohne weitere Einarbeitung mitarbeiten kann.

Fallstrick: Fallstudienthema mit hoher fachlicher Spezialisierung

Überforderungen in fachlicher Hinsicht lassen sich auch durch eine hohe Ausgangsmotivati-on der Teilnehmer bei der Bearbeitung der Fallstudie nicht kompensieren. Als Folge treten Frustrationseffekte auf, die die gesamte Übung zum Kippen bringen können. Die Gefahr ist

8 Unabhängig vom darüber hinaus verfolgten Zielsystem 9 Z. B., wenn der Interviewer nicht firm im Fachgebiet ist, der Bewerber unterschiedliche Fachaufgaben er-

füllen soll oder das Fachgebiet im Recruiting eine untergeordnete Rolle spielt

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besonders groß, wenn während der Bearbeitung der Fallstudie ein hohes Maß an Spezialwis-sen verlangt wird. Spezialisierung wirkt sich im Sinne der Teamentwicklung vor allem dann fatal aus, wenn die Teilnehmer im jeweiligen Fachgebiet über ein individuell stark unter-schiedliches Kompetenzniveau verfügen. Es wird daher stets zu überlegen sein, wie tief die Fallstudie in fachlicher Hinsicht wirklich gehen muss. Meist wird es reichen, wenn man sich auf stärker generalistisch angelegte Themen konzentriert. Eine Ausnahme stellt naturgemäß der Einsatz einer Fallstudie für ein Personalauswahl-Verfahren dar, bei dem es um die Über-prüfung von Spezialwissen geht.

Fallstrick: Unzureichende Ausrichtung an Vorkenntnissen der Teilnehmer

Wie mehrfach dargelegt, ist eine Fallstudie als primäres Instrument der Wissensvermittlung nur bedingt geeignet. Aus diesem Grund ist eine Fallstudie entweder einzubetten in ein Semi-nar mit anderen Elementen der Wissensvermittlung (z. B. Fachvorträge) oder an den Vor-kenntnissen der Teilnehmer auszurichten. Ansonsten treten ähnliche negative Effekte wie bei zu hoher Spezialisierung auf. Für Personalauswahlverfahren gilt die dementsprechende Aus-nahme.

1.3 Ablaufdramaturgie

Unter der Überschrift Ablaufdramaturgie fassen wir die verschiedenen Phasen während der Durchführung einer Fallstudie zusammen.

E in f ü h r u n g G r u p p e n -a r b e i t

Z w is c h e n -p r ä s e n t a t io n

A b s c h lu s s -p r ä s e n t a t i o n

G r u p p e n -a r b e i t F e e d b a c k

~ 4 5 m in ~ 9 0 m in ~ 6 0 m in ~ 1 2 0 m in ~ 6 0 m in ~ 6 0 m i n

Abbildung 3: Phasenmodell einer Fallstudie

Im Folgenden soll die Konzeptionierung der einzelnen Schritte näher beschrieben werden. In der Erörterung der Durchführung einer Fallstudie werden sie erneut aufgegriffen werden. Die Feedback-Phase wird ob ihrer Besonderheiten in einem separaten Abschnitt diskutiert.

Fallstrick: Stark vorstrukturierter und unflexibler Zeitplan

Bei Fallstudien kommt es immer wieder zu unvorhersehbaren Ereignissen. Dies kann dazu führen, dass striktes Festhalten am ursprünglich festgelegten Zeitplan Qualitätsverluste indu-ziert. Geringe Modifikationen im Zeitplan, die ad hoc durch den Trainer bestimmt werden, sollten daher immer möglich sein. Allerdings sollten derartige Modifikationen nicht häufiger als ein- bis zweimal pro Tag erfolgen, da ansonsten bei den Teilnehmern der Eindruck der Konzeptlosigkeit entstehen könnte.

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Entwicklung und Durchführung einer Fallstudie 27

Einführung – Dem warming-up kommt im Sport eine physische und mentale Bedeutung zu. Das heißt, nicht nur der Bewegungsapparat, sondern auch die Hirnfunktionen sollen auf die bevorstehende Belastung vorbereitet werden. Dieser Aspekt der geistigen Einstimmung lässt sich durchaus auf die Fallstudienarbeit übertragen. Gerade bei Gruppenarbeiten ist ein sorg-fältiger Einstieg entscheidend, um Frustrationseffekte zu vermeiden und behutsam das Inten-sitätsniveau steigern zu können. Um bei der Analogie zum Sport zu bleiben: Es gilt Zerrun-gen – hier mentaler Natur – zu vermeiden.

Die Einführung hat daher eher eine psychologisch-didaktische als eine inhaltliche Funktion und beinhaltet die folgenden Schwerpunkte:

Vorstellung der Ziele und des Ablaufs der Fallstudie

Zusammenfassung des Falls und der zentralen Aspekte

Präsentation weiterer Hintergrundinformationen zum Unternehmen, zur Branche etc.

Vorstellung einer möglichen Methode, mit der sich der Fall bearbeiten lassen könnte

Beantwortung etwaiger Fragen der Teilnehmer

Einschließlich der abschließenden Frage-Antwort-Runde empfehlt es sich, den Einführungs-vortrag auf 30 bis maximal 90 Minuten zu beschränken (auch in Abhängigkeit vom Thema und den Vorkenntnissen der Teilnehmer) und nach einer sehr knappen Pause in die Gruppen-arbeiten einzusteigen.

Fallstrick: Einführung länger als 45 Minuten

Wenn die Teilnehmer längere Zeit in der Rolle des Zuhörers verbleiben und dabei eine Fülle an Stoff aufnehmen müssen, dann fehlt ihnen meist der Schwung zu Beginn der Fallstudien-arbeit. Ein schleppender Start provoziert häufig Effizienz- und Motivationsverluste, die den gesamten Prozess des Tages beeinträchtigen. Die Einführungsveranstaltung sollte daher grundsätzlich mehr als Instrument der mentalen Einstimmung dienen, denn als ein Versuch, umfassende Wissensgrundlagen für die Fallbearbeitung zu vermitteln.

Gruppenarbeit – Die wesentlichen analytischen und konzeptionellen Leistungen werden in der Gruppenarbeit erbracht. Bei längeren Fallstudien (in unserem Fall bis zu acht Stunden) wird die Gruppenarbeit auf zwei Blöcke zu jeweils ca. 90-120 Minuten10 aufzuteilen sein. Nach dem ersten Block sollten die Teilnehmer ein kurzes Feedback zu ihren Zwischenergeb-nissen erhalten. Die infrastrukturellen Rahmenbedingungen sollten auf jeden Fall separate Räume für die Gruppen und eine flexible Disposition über Arbeitsmaterialien (z. B. Flip-charts) erlauben.

10 Wobei die Gruppen selbständig festlegen können, ob, wie oft und wann sie Pausen einlegen. Fix sind nur

die Präsentationstermine.

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Innerhalb der Gruppenarbeitsphase kann ein Interview mit einem Darsteller im Fallsystem eingebaut werden. Damit sollen mehrere Zwecke verfolgt werden:

Sammlung zusätzlicher Informationen für Analyse und Diagnose

Überprüfung des Lösungsvorschlags

Höhere Dynamik und Flexibilitätserfordernisse

Realistischere Abbildung der Unternehmenspraxis

Integrierte Steuerungsmöglichkeit für den Leiter

Die Rolle des Darstellers (oftmals die eines Auftraggebers oder ein Kunden) übernimmt in der Regel der Fallstudienleiter. Von den Teilnehmern wird verlangt, sich auf das Interview gut vorzubereiten, um die damit verbundenen Chancen für eine effektivere Lösung zu nutzen. Gleichzeitig müssen die Teilnehmer damit rechnen, dass der Interviewpartner bewusst Irrita-tionen auslöst oder dem weiteren Verlauf der Fallstudie überraschende Wendungen gibt. Es ist empfehlenswert, den Zeitpunkt der Interviewübung frühzeitig verbindlich anzukündigen und im Rahmen des Feedbacks dezidiert auf diese Sequenz einzugehen.

Fallstrick: Gruppenphasen von weniger als 90 Minuten

Die Gruppen haben bei einer Fallstudie des von uns vorgestellten Typs gleich zu Beginn höchst unterschiedliche Anforderungen simultan zu bewältigen: Sie müssen sich mit der Technik vertraut machen, Inhalt und Aufgabe verstehen, die wichtigsten Informationen aufbe-reiten und einen Mechanismus zur Teamarbeit entwickeln. Alles benötigt seine Zeit, und wenn eine dieser Aufgaben aufgrund eines übertriebenen Zeitdrucks suboptimal gelöst wird, dann wirkt sich dies meist negativ auf das weitere Arbeitsklima und die Ergebnisse in der Fallstudie aus. Ein Zeitbudget von 90 Minuten erweist sich vor diesem Hintergrund meist als Untergrenze, um den Anforderungen gerecht werden zu können. Ein kürzeres Zeitbudget erfordert gut eingespielte Teams oder Aufgaben von sehr geringer Komplexität.

Zwischenpräsentation – Der Einbau einer Zwischenpräsentation ist mitunter entscheidend für Effektivität und Effizienz einer Fallstudienübung. Deren positiver Beitrag liegt vor allem begründet in:

Erhöhtem Leistungsdruck während der Gruppenarbeit

Möglichkeiten für den Leiter frühzeitig steuernd auf den Verlauf einzuwirken

Damit einhergehenden Lerneffekten und Reorientierungen

In der Zwischenpräsentation sollten die Gruppen vortragen, wie sie die Aufgabe verstehen und zu welchen Ergebnissen sie in der Analyse gelangt sind.

Der Leiter sollte die Zwischenpräsentationen bzw. die inhaltlichen Ergebnisse kritisch kom-mentieren und auch den restlichen Teilnehmern die Möglichkeit zu Fragen und Feedback geben. Wichtig ist, vorab zu betonen, dass die Visualisierungsform nebenrangig in dieser

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Übung ist. Erfahrungsgemäß wird sonst zu viel Zeit für die Gestaltung verwendet, was un-weigerlich zu Lasten der inhaltlichen Substanz gehen würde.

Grundsätzlich ist eine Zwischenpräsentation erst nach einer Arbeitsphase von 90-120 Minu-ten sinnvoll. Mehr als nur ein Test dieser Art erweist sich bei einer Gesamtdauer der Fallstu-die von acht Stunden meist nicht als empfehlenswert, da die Teilnehmer sonst zu viel Zeit für die Vorbereitung von Präsentationen verlieren und der Effekt der Trainerintervention sonst verpufft.

Fallstrick: Zwischenpräsentation ohne Schwächenanalyse

Aus der Zwischenpräsentation sollten die Teilnehmer neue Impulse für die weitere Gruppen-arbeit vermittelt bekommen. Wenn die Teilnehmer in diesem Abschnitt nur Lob erhalten, dann ist dies zwar einerseits ermutigend, andererseits führt es jedoch meist zu Leistungsver-lusten in den folgenden Etappen. Bei konkurrierenden Teams zeigen oft die Gruppen mit vermeintlich hervorragenden Zwischenergebnissen die schlechteren Endergebnisse und vice versa.

Abschlusspräsentation – In der Abschlusspräsentation geben die Gruppen einen kompakten Überblick ihrer Analyse, stellen ihre Schlussfolgerungen dar und substantiieren ihr Lösungs-modell. Wir erachten hierbei die folgenden Leitlinien für wesentlich:

Die Teilnehmer konzentrieren sich auf inhaltliche Fragen. Aspekte der Visualisierung sind zweitrangig, wenn auch wichtiger als während der Zwischenpräsentation. Damit wird auch vermieden, dass Visualisierungstechnokraten die Präsentation dominieren.

In der Darstellung der Analyse geht es weniger um präzise Wiedergabe einzelner Details, als vielmehr um eine konsistente und logische Diagnose. Teilnehmer sollen beweisen, we-sentliche Aspekte zu fokussieren und schlüssig in den Gesamtzusammenhang einordnen zu können.

Die Schlussfolgerungen und das Lösungsmodell verlangen immer eine genuine Eigenleis-tung der Teilnehmer. In der Abschlusspräsentation sollte diese konzeptionelle Kreativität hinreichend dargestellt werden.

Es ist nicht grundsätzlich erforderlich, sämtliche Teilnehmer einer Gruppe aktiv in die Präsentation einzubeziehen, spätestens jedoch wenn die Präsentation mit einer Personal-beurteilung (etwa im Zuge des Auswahlverfahrens) verknüpft wird, wird die umfassende Einbindung der gesamten Gruppe zwingend.

Die Abschlusspräsentation endet mit dem Feedback durch den Leiter und andere Zuhörer.

Fallstrick: Abschlusspräsentation mit negativer Gesamtwertung

Ein Scheitern am Ende führt fast immer zu Frustrationen. Nur selten erkennen Teilnehmer in derartigen Situationen eine Chance des Lernens. Der Leiter hat daher zum einen die Aufgabe, das Risiko eines derartigen Ergebnisses durch eine entsprechende Steuerung spätestens in der Gruppenarbeitsphase vor der Abschlusspräsentation zu verhindern und den positiven Elemen-

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ten in der Abschlusspräsentation entsprechend Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Das bedeutet keinesfalls, dass nicht auch auf die Schwachstellen explizit eingegangen wird.

Fallstrick: Zu hohe Gewichtung von Aspekten der Visualisierung

In Anbetracht des geringen Zeitbudgets gehen hohe Ansprüche an die Visualisierungsqualität fast immer zu Lasten der inhaltlichen Substanz. Bei allen Fallstudien, bei denen präsentati-onstechnische Anforderungen nicht im Zentrum des Zielsystems stehen, sollte der Aspekt der Visualisierung daher explizit in den Hintergrund gerückt werden.

1.4 Leiter der Fallstudie

Der Leiter ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für das Gelingen einer Fallstudienübung. Gerade in der eigentlichen Durchführung kommt dem Leiter große Verantwortung für Effek-tivität und Effizienz zu. Dazu zählen beispielsweise:

die antizipative Steuerung des Prozesses

die Sicherstellung der Lerneffekte und des Lerntransfers zwischen den Gruppen

die kritische Kommentierung analytischer und konzeptioneller Beiträge

Im folgenden Abschnitt werden Rolle und Qualifikationsprofil des Trainers, bzw. des Leiters der Fallstudienübung diskutiert. Abschließend wird die Entscheidung zwischen internem (dem Unternehmen zugehörig) und externem Leiter sowie dessen hierarchische Stellung erörtert.

Mit der Einnahme einer oder mehrerer Rollen nimmt der Leiter wesentlichen Einfluss auf die Fallstudienarbeit. Das mögliche Rollenspektrum lässt sich am Aktivierungsgrad des Trainers darstellen. Die Auswahl der Rollen wird sich dabei zum einen an den vorab definierten Zielen der Fallstudie orientieren und zum anderen am Profil der Teilnehmer. Häufig muss der Leiter verschiedene Rollen gleichzeitig oder im Wechsel während der Übung wahrnehmen. Dies kann mitunter zu Rollenkonflikten führen, die nur von erfahrenen Leitern sicher gehandhabt werden können.

In Tabelle 4 beschreiben wir die einzelnen Rollen detailliert und skizzieren einige Vor- und Nachteile der jeweiligen Rolle:

Eine allgemeingültige Empfehlung bzw. Präferenz ist aufgrund der vielfältigen inhaltlichen und prozesstechnischen Gestaltungsmöglichkeiten einer Fallstudie nicht möglich. Grundsätz-lich gilt indes:

Bei Betonung eines reibungslosen und effizienten Ablaufs eine aktivere Leiterrolle (Mode-rator oder Darsteller) vorzusehen und den Prozess gegebenenfalls zu reorientieren.

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Bei Betonung des Lernzuwachses eine eher passive Rolle (Berater oder Beobachter) ein-zunehmen, Ineffizienzen hinzunehmen und systematisch zu analysieren.

Bei Betonung von Zielen der Personalauswahl eine äußerst passive Leiterrolle (Bewerter) einzuplanen und eine neutrale Bewertung zu ermöglichen.

Insgesamt eher Zurückhaltung zu üben und die Teilnehmer selbständig arbeiten zu lassen, da dies realen Situationen näher kommt.

Beschreibung Vorteile/Chance Nachteile/Risiken Bewerter Sehr passiv mit

Konzentration auf abschlie-ßende Bewer-tung der Ergeb-nisse

Qualifiziertes Feed-back und Basis für Leistungsbeurteilung Klare Trennung der Verantwortlichkeit zwischen Leiter und Teilnehmer

Evtl. zu späte InterventionEffizienz- und Qualitätsver-luste

Beobachter Passiv mit Kon-zentration auf Diagnose und Bewertung des Prozesses Bleibt im Hinter-grund

Rasche Identifizie-rung von Fehlent-wicklungen Prozessanalyse erlaubt Lerneffekte Simultane Vorberei-tung von Feedback Teilnehmer arbeiten selbständig

(Zu) hohe Verantwortung für Teilnehmer Zielkonflikte bezüglich Inter-ventionserfordernis Leiter wirkt als Fremdkörper im Prozess

Berater Eher aktiv mit punktuellen In-terventionenBezieht sich auf inhaltliche und prozesstechni-sche Aspekte

Unmittelbarer Hin-weis auf Schwach-stellen Effizienz- und Quali-tätsverbesserungen

(Zu) starke Dominanz Unklare Verantwortlichkeiten zwischen Leiter und Teil-nehmerBewertungsschwierigkeiten

Moderator Aktive Rolle mit Steuerung ohne Besetzung in-haltlicher Positi-onen

Erhöhte Zielorientie-rung der Teilnehmer Hohes Maß an Ko-operationSchnelle Konfliktlö-sung

Mangelnde Selbständigkeit der Teilnehmer (Zu) starke Dominanz Bewertungsschwierigkeiten

Darsteller Stark aktive Rolle durch Si-mulation einer Figur im Fallsys-tem

Hohe Intensität und Realitätsnähe Kognitive Bereiche-rung der Teilnehmer Spielerischer Einbau von Interventionen

Mögliche Irreführung der Teilnehmer Evtl. als lächerlich empfun-denUnklare Trennung von Rolle und Person Bewertungsschwierigkeiten

Tabelle 4: Beschreibung der Leiterrollen

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Fallstrick: Häufiger Wechsel der Leiterrolle

Wenn der Leiter ständig die Rolle wechselt, etwa zwischen passivem Zuhörer und aktivem Berater der Gruppe, dann wird dies den Teambildungsprozess der Gruppe mit Sicherheit beeinträchtigen. Das Team hat dann Schwierigkeiten, die eigene Rolle im Aufgabensystem richtig einzuordnen. Es sollte stets klar sein, welche Rolle(n) der Leiter prinzipiell einzuneh-men gedenkt. Wechsel (etwa wenn der Leiter einen Firmenvertreter „spielt“) sollten nicht häufiger als einmal am Tag erfolgen.

Fallstrick: Kontinuierliche Einbindung des Leiters in den Gruppenarbeitsprozess

Wenn der Leiter für die Gruppe permanent abrufbar ist oder sich von sich aus ständig ein-mischt, dann wird die Verantwortlichkeit der Gruppe erheblich eingeschränkt. Dies hat fast immer negative Konsequenzen bezüglich des Einsatzes der einzelnen Teammitglieder zur Folge. Der maximale Lernerfolg ist daher bei wenigen spezifischen Interventionen des Lei-ters wahrscheinlich.

Fallstrick: „Helikopter-Problem“

Dieser Ausdruck wird verwendet für das plötzliche Auftreten einer externen Person in einem Team, die dabei „viel Staub aufwirbelt“ und dann ebenso rasch wieder verschwindet. Im Teambildungsprozess führt dies fast immer zu einem Kontinuitätsbruch, der mit Motivations-verlusten verbunden ist. Zwar kann ein solcher Auftritt auch neuen Schwung und Perspekti-ven in die Gruppenarbeit bringen, sollte aber nur in Ausnahmesituationen eingesetzt werden (z. B. wenn die Gruppe in ihrer Diskussion in einer Sackgasse gelandet ist).

Das Qualifikationsprofil des Organisators der Fallstudie sollte sich zunächst einmal aus 3 Komponenten zusammensetzen:

Die generelle Kompetenz für Personalentwicklung bzw. Personalbeurteilung und -auswahl

Die in Abhängigkeit vom Zielsystem der Fallstudie erforderliche Fach- oder Methoden-kompetenz

Kenntnisse und Erfahrungen in der Durchführung von Fallstudien

Zum letztgenannten Punkt seien folgende Erläuterungen festgehalten: Fallstudien beinhalten sicher bedeutendere Chancen für eine adäquate Personalentwicklung und -beurteilung als viele andere Instrumente. Gleichzeitig gibt es jedoch auch viele potenzielle Einflussfaktoren, die die Entfaltung individueller Leistungen behindern und damit dem Bewerter den Blick für die Beurteilung der einzelnen Teilnehmer verstellen können. Insgesamt sind Fallstudien ein recht komplexes Instrument, dessen sachgerechte Anwendung eine gewisse Kompetenz in Entwicklung und Durchführung erfordert. Eine vorausgehende Train-the-Trainer-Übung sollte, neben den hier geschilderten theoretischen Kenntnissen, weniger erfahrenen Leiter an die Durchführung des Instrumentariums heranführen.