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Kapitel 2
Fourierreihen
2.1 Definition und Beispiele fur trigonometrische Reihen
Definition . Wir nennen eine Funktion f : R −→ C periodisch mit der Periode T > 0, wenn
f(x+ T ) = f(x)
fur alle x ∈ R gilt.Wir wollen fur periodische Funktionen f die sog. Fourierkoeffizienten einfuhren. Dazu muss
f ”genugend” integrierbar sein:
Definition. a) Eine Funktion f : [a, b] −→ C wird stuckweise stetig genannt, wenn fur [a, b]eine Unterteilung a < t1 < t2 < ... < tN < b so gefunden werden kann, dass f auf jedem Intervall[tj, tj+1] stetig ist.
b) Ist f : [a, b] −→ M stuckweise stetig, und sind t1 < t2 < ... < tN die unter a) genanntenTeilpunkte, so setzen wir∫ b
a
f(t)dt =
∫ t1
a
f(t)dt+N∑j=2
∫ tj
tj−1
f(t)dt+
∫ b
tN
f(t)dt
Definition: Angenommen, f : R −→ C sei periodisch mit der Periode T > 0 (dabei soll T diekleinste positive Periode sein). Wir nennen f stuckweise stetig, wenn f : [0, T ] −→ C stuckweisestetig ist. In diesem Fall definieren wir fur k ∈ Z als den k.-ten (komplexen) Fourierkoeffizientenc∗k(f) das Integral
c∗(f) =1
T
∫ T
0
f(t)e−j kωtdt,
23
24 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
wobei
ω =2π
Tgesetzt wird.
d) Unter den Bedingungen unter c) sagen wir, der Funktion f werde die komplexe Fourierreihe∑k∈Z
c∗k(f)ejωkt
zugeordnet, in Zeichen
f ∼∑k∈Z
c∗k(f)ejωkt
Man beachte dabei:
Im Augenblick wird die Frage nach der Konvergenz dieser Reihe zuruckgestellt !
Naturlich werden auf diese Frage noch einzugehen haben. Momentan jedoch interessieren wiruns nur fur die Familie der Koeffizienten c∗k(f), welche in jedem Fall wohldefiniert ist.
Bei reellen Funktionen betrachten wir auch reelle Fourierreihen.
2.1.1 Hilfssatz. Hat die T -periodische stuckweise stetige Funktion f : R −→ R nur reelleWerte, so gilt fur die komplexen Fourierkoeffizienten c∗k(f), das folgende:
c∗−k(f) = c∗k(f), k ≥ 0
Ferner istc∗k(f)ejωkt + c∗−k(f)e−j kωt = 2Re c∗k(f) cos(kωt)− 2Im c∗k(f) sin(kωt)
Beweis. Dazu beachten wir
T c−k(f) =
∫ T
0
f(t)e−j kωtdt =
∫ T
0
f(t)ej kωtdt = T c∗k(f)
wenn k positiv und ganz ist.Die zweite Gleichheit rechnet man leicht nach: Es ist
c∗k(f)ejωkt + c∗−k(f)e−j kωt = 2Re(c∗k(f)ejωkt
)= 2 (Re c∗k(f) ) cos(kωt)− 2 (Im c∗k(f) ) sin(kωt)
�Damit bleibt unsere Zuordnung zwischen Funktionen und Fourierreihen konsistent, wenn wir
im Falle reeller Funktionen vereinbaren, dass ihnen die reelle Fourierreihe
c∗0(f) +∞∑k=1
2Re c∗k(f) cos(kωt)− 2Im c∗k(f) sin(kωt)
2.1. TRIGONOMETRISCHE REIHEN 25
zugeordnet sein soll. Wir schreiben wieder
f ∼ c∗0(f) +∞∑k=1
2Re c∗k(f) cos(kωt)− 2Im c∗k(f) sin(kωt)
Nun rechnen wir einige
Beispiele: a) Die Sagezahnfunktion f0(t) := t, wenn 0 ≤ t < 2π und f(x) := f0(x − 2πn),wenn n ganz ist und x− 2πn ∈ [0, 2π).
Im Bild:
-2 π 0 2 4π π
Dann wird T = 2π, ω = 1 und daher
c∗0(f) =1
2π
∫ 2π
0
fdt =1
2π
t2
2
∣∣∣∣∣2π
0
= π
und fur k ∈ Z, k 6= 0:
c∗k(f) =1
2π
∫ 2π
0
te−j ktdt
=1
2π
t
−j ke−j kt
∣∣∣∣∣2π
0
+1
j k
∫ 2π
0
e−j ktdt︸ ︷︷ ︸=0
=
1
2π
2π
−j k=
j
k
So finden wir
f ∼ π +∑
k∈Z\{0}
j
kej kt
Da f reellwertig ist, haben wir weiter
f ∼ π − 2∞∑k=1
sin(kt)
k
26 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
Hier ist das Schaubild der endlichen Summe s4(x) = π − 2∑4
k=1sin(kt)k
zusammen mit demGraphen von f
2 4 6 8 10 12
1
2
3
4
5
6
und hier das von s8(x) = π − 2∑8
k=1sin(kt)k
, zusammen mit dem Graphen von f
2 4 6 8 10 12
1
2
3
4
5
6
b) Die ”pulsierende Funktion” f(x) := f0(x− n), wenn n ∈ Z so gewahlt wird, dass x− n ∈
2.1. TRIGONOMETRISCHE REIHEN 27
[−12, 1
2) wobei
f0(x) :=
{1 wenn 0 ≤ x < 1
2
−1 wenn −12≤ x < 0
(2.1.1)
Im Bild
1/2-1/2 0
Wir berechnen die Fourierkoeffizienten (nun ist T = 1 und ω = 2π)
c∗k(f) =
∫ 1
0
f0(t)e−2πj ktdt
=
∫ 1/2
0
e−2πj ktdt−∫ 1
1/2
e−2πj ktdt
=j
2πk
e−2πj kt
∣∣∣∣∣1/2
0
− e−2πj kt
∣∣∣∣∣1
1/2
=
j
2πk( (−1)k − 1− (1− (−1)k) ) =
j
πk( (−1)k − 1 )
Somit wird
c∗k(f) =
{0 wenn k gerade
− 2jπk
wenn k ungerade
Wir haben also
f ∼ −2j
π
∑k ungerade
e2πj k t
k
Da f reell ist:
28 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
f ∼4
π
∑k ungerade
sin(2πkt)
k=
4
π
∞∑k=1
sin(2π(2k − 1)t)
2k − 1
Auch hier vergleichen wir die endliche Teilsumme s4(t) = 4π
∑3k=1
sin(2π(2k−1)t)2k−1
mit der Funktionf selbst:
-1
1
1
und hier fur s7(t) = 4π
∑7k=1
sin(2π(2k−1)t)2k−1
0.2 0.6 0.8
1
-1
-0.5
0.5
1
c) Der ”zweiweg-gleichgerichtete” Sinus: f(t) = | sin t|.
Schaubild:
2.1. TRIGONOMETRISCHE REIHEN 29
Wir errechnen (mit T = 2π, ω = 1):
2πc∗k(f) =
∫ π
0
sin(t) e−j ktdt−∫ 2π
π
sin(t) e−j ktdt
=1
2j
(∫ π
0
ej (1−k)tdt−∫ π
0
e−j (1+k)tdt
)− 1
2j
(∫ 2π
π
ej (1−k)tdt−∫ 2π
π
e−j (1+k)tdt
)=
1
2j
(1
j (1− k)ej (1−k)t
∣∣∣∣∣π
0
+1
j (1 + k)e−j (1+k)t
∣∣∣∣∣π
0
)
+1
2j
1
j (1− k)ej (1−k)t
∣∣∣∣∣2π
π
+1
j (1 + k)e−j (1+k)t
∣∣∣∣∣2π
π
= −2
(1
k − 1− 1
k + 1
)= − 4
k2 − 1
wenn k gerade ist und c∗k(f) = 0 sonst.
Das fuhrt zu
f ∼ − 2
π
∞∑k=0
1
4k2 − 1e2j kt
d) Der ”einweg-gleichgerichtete” Sinus: f(t) = 12(sin t+ | sin t|).
30 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
t
f(t)
Wir berechnen die Koeffizienten c∗k(f). Zuerst sei k 6= −1, 1.
c∗k(f) =1
2π
∫ π
0
sin(t) e−j ktdt
=1
4πj
(∫ π
0
e−j (k−1)tdt−∫ π
0
e−j (k+1)tdt
)=
1
4πj
(( (−1)k−1 − 1)
−j (k + 1)− ( (−1)k+1 − 1)
−j (k + 1)
)=−1
2π
(−1)k + 1
k2 − 1
Dies zeigt, dass c∗k(f) = 0, fur ungerade k 6= −1, 1 und
c∗k(f) = − 1
π
1
k2 − 1
fur gerades k.Ebenso finden wir:
c∗1(f) =1
4j, c∗0(f) =
1
π, c∗−1(f) = − 1
4j
Damit erreichen wir
f ∼1
π+
1
2sin t− 2
π
∞∑k=1
cos(2kt)
4k2 − 1
Das Bild dazu fur f2(t) = 1π
+ 12
sin t− 2π
∑2k=1
cos(2kt)4k2−1
1 2 3 4 5 6
0.2
0.4
0.6
0.8
1
2.2. RECHNEN MIT FOURIERREIHEN 31
2.2 Rechnen mit Fourierreihen
In diesem Abschnitt sollen alle Funktionen als stuckweise stetig und T -periodisch vorausgesetztwerden. Stets sei ω = 2π
T.
Angenommen, wir bilden aus gewissen Funktionen neue Funktionen. Wie sehen die zugehori-gen Fourierreihen aus?
2.2.1 Hilfssatz (Linearitat). Sind f, g : R −→ C Funktionen wie oben gefordert, so ist
f + g ∼∑
k∈Z( c∗k(f) + c∗k(g) )ej kωt
αf ∼∑
k∈Z αc∗k(f) ej kωt
Beweis. Klar.�
2.2.2 Hilfssatz (Konjugation und Zeitumkehr). Ist f wie oben und f−(t) := f(−t), so habenwir
c∗k(f) = c∗−k(f)
c∗k(f−) = c∗−k(f)
Beweis. Direkt nachrechnen:
c∗k(f) =1
T
∫ T
0
f(t)e−jωktdt =1
T
∫ T
0
f(t)ejωktdt = c∗−k(f)
Die 2. Behauptung folgt aus der Substitutionsregel:
c∗k(f−) =1
T
∫ T
0
f(−t)e−jωktdt =1
T
∫ 0
−Tf(t)ejωksds =
1
T
∫ T
0
f(t)ejωktdt = c∗−k(f)
�
2.2.3 Hilfssatz (Dilatation, Translation, Frequenzmodulation). Angenommen, f sei wie bisherund a > 0.
(i) Dann setzen wirfa(t) := f(at), τaf(t) = f(a+ t)
und erhalten fur die zugeordneten Fourierreihen:
fa ∼∑k∈Z
c∗k(f)ejωakt
32 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
τaf ∼∑k∈Z
(ejωakc∗k(f)
)ejωkt
(ii) (Frequenzmodulation) Wenn f mit ejnωt multipliziert wird, entsteht
ejnωtf ∼∑k∈Z
c∗k−n(f)ejωkt
Beweis. Auch hier benutzen wir die Definition der Fourierkoeffizienten, weiter nichts.(i) Die Funktion fa ist T
a-periodisch, und der zugehorige omega-Wert is ωa = aω.
c∗k(fa) =a
T
∫ T/a
0
f(at)e−jωaktdt
=1
T
∫ T
0
f(t)e−jωktdt = c∗k(f) (2.2.2)
Zur Translation:
c∗k(τf ) =1
T
∫ T
0
f(a+ t)e−jωktdt
=1
T
∫ a+T
a
f(s)e−jωk(s−a)dt = ejωak1
T
∫ a+T
a
f(s)e−jωksdt
= ejωak1
T
(∫ T
0
f(s)e−jωksdt+
∫ a+T
T
f(s)e−jωksdt−∫ a
0
f(s)e−jωksdt
)= ejωak
1
T
∫ T
0
f(s)e−jωksdt = ejωakc∗k(f)
Ahnlich beweist man (ii).�
Gliedweise Differenziation
Wir erinnern uns an den Begriff der Stammfunktion:Ist f : [a, b] −→ C stetig, so kann man mit
F (t) :=
∫ t
a
f(s)ds
2.2. RECHNEN MIT FOURIERREIHEN 33
eine stetig differenzierbare Funktion gewinnen, so dass F ′ = f .Ist nun f stuckweise stetig und beschrankt, so ist F ebenfalls definiert und stetig. Ihre Ab-
leitung existiert dort, wo f stetig ist. Insbesondere ist F stuckweise stetig differenzierbar.
Definition. Die Funktion f : [a, b] −→ C heißt stuckweise stetig differenzierbar, wenn sie inhochstens endlich vielen Stellen nicht differenzierbar ist und ihre Ableitung fur jedes x außerhalbdieser Stellen existiert und stetig von x abhangt. Wir nennen die Ableitung wieder f ′.
Beispiel. Die Funktion f(x) := |x| ist stuckweise stetig differenzierbar und ihre Ableitungexistiert fur alle x 6= 0. Es gilt f ′(x) = 1, wenn x > 0 und f ′(x) = −1, wenn x < 0.
2.2.4 Hilfssatz (Differenziation). Ist f : R −→ C stetig und T -periodisch, so gilt: Ist f stuck-weise stetig differenzierbar, so ist
f ′ ∼ j ω∑k∈Z
kc∗k(f)ejωkt
Man erhalt die Fourierreihe von f ′ durch gliedweises Differenzieren!
Beweis. Wir unterteilen das Intervall [0, T ] in Differenzierbarkeitsbereiche von f , also sind0 < t1 < t2 < ... < tN < T die Stellen, an denen f keine Ableitung hat, so haben wir∫ tj
tj−1
f ′(t)e−jωktdt = f(t)e−jωkt
∣∣∣∣∣tj
tj−1
+ jωk
∫ tj
tj−1
f(t)e−jωktdt
= f(tj)e−jωktj − f(tj−1)e−jωktj−1 + jωk
∫ tj
tj−1
f(t)e−jωktdt
Wenn wir noch setzen t0 = 0, tN+1 = T , so erhalten wir durch Aufsummieren
c∗k(f′) = j ωkc∗k(f)
�
Achtung: Dieser Satz gilt im allgemeinen nicht mehr, wenn f nicht als stetig vorausgesetztwird.
Ist etwa f die Sagezahnfunktion aus Beispiel a), so wird f ′(t) = 1, wo immer f ′ existiert.Damit wird c∗k(f
′) = 1, wenn k = 0 und c∗k(f′) = 0 sonst, wahrend aber c∗k(f) = j
kfur alle k 6= 0.
Das folgende kann als ”Gegenstuck” zum Differenziationssatz angesehen werden:
2.2.5 Hilfssatz (Stammfunktion). Angenommen, f : R −→ C sei T -periodisch und stuckweisestetig. Es sei
F (t) :=
∫ t
0
f(s)ds
34 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
und angenommen, F (T ) = 0. Dann ist auch F periodisch mit Periode T , und ihr ist die Fourier-reihe
F ∼ c∗0(F )− j
ω
∑k∈Z\{0}
1
kc∗k(f)ejωkt
zugeordnet. Hierbei ist
c∗0(F ) = − 1
T
∫ T
0
tf(t)dt.
Die Fourierreihe von f darf also gliedweise integriert werden !
Beweis. Zunachst sehen wir:
F (t+ T ) =
∫ t+T
0
f(s)ds =
∫ T
0
f(s)ds︸ ︷︷ ︸=F (T )=0
+
∫ t+T
T
f(s)ds =
∫ t
0
f(s)ds = F (t)
Damit ist erkannt, dass auch F die Periode T hat. Fur die Fourierkoeffizienten gilt jetzt, da derDifferenziationssatz auf F anwendbar ist:
c∗k(f) = c∗k(F′) = −kω
jc∗k(F ),
wenn k 6= 0. Ferner haben wir
∫ tj
tj−1
F (t)dt = tF (t)
∣∣∣∣∣tj
tj−1
−∫ tj
tj−1
tF ′(t)dt
Dabei haben wieder die tj die Bedeutung aus dem Beweis zum Differenziationssatz (wo wir fdurch F ersetzen). Summieren wir dies auf uber alle j = 0, ...., N + 1, folgt die Formel fur c∗0(F ).
�
Beispiele. Wir konnen mit den oben hergeleiteten Regeln die Fourierreihen solcher Funktionberechnen, die mit schon bekannten ”verwandt” sind.
a) Sei etwa g(x) = 3, wenn 0 ≤ x < 5 und g(x) = −3, wenn −5 ≤ x < 0. Ferner soll dieFunktion mit der Periode T = 10 auf ganz R fortgesetzt werden.
Im Bild:
2.2. RECHNEN MIT FOURIERREIHEN 35g(x)
x0 5-5
3
-3
Ist nun f die ”Pulsfunktion” aus (2.1.1), so haben wir
g(x) = 3f(x
10)
Die Regel fur die Dilatation mit Faktor a = 110
ist anwendbar und liefert uns als zu g gehorigeFourierreihe
g ∼ − 6j
π
∑k ungerade
ej kπ5t
k
oder reell:
g ∼12
π
∞∑k=1
sin(π5(2k − 1)t
)2k − 1
b) Die ”Zackenfunktion” h(x) = x, wenn 0 ≤ x ≤ l2, und h(x) = l − x, wenn l
2≤ x ≤ l.
Dabei ist l > 0 und h wird l-periodisch auf R fortgesetzt.
x
h(x)
0 ll/2
Wir sehen, dass die Ableitung von h außerhalb der Werte m l2, mit ganzzahligen m existiert,
und es gilt
h′(x) = f(x
l),
wo immer h′ definiert ist. Nun ist die Fourierreihe von f(x/l) gerade
f(x
l) ∼ −2j
π
∑k ungerade
ej k2πlx
k
Der Satz von der Fourierreihe fur Stammfunktionen ist anwendbar auf f(xl), da
∫ l0f(x
l)dx = 0.
36 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
Fur k 6= 0 erhalten wir
c∗k(h) = −2j
π
l
2πj k2= − 1
π2
l
k2
Weiter ist
c∗0(h) = − 1
l
∫ l
0
tf(t
l)dt = −l
∫ 1
0
sf(s)ds
= −l
(∫ 1/2
0
sf(s)ds+
∫ 1
1/2
sf(s)ds
)
= −l
(∫ 1/2
0
sds−∫ 1
1/2
sds
)= −l
(1
8−(
1
2− 1
8
))=l
4
Das reell geschriebene Ergebnis lautet nun
h ∼l
4− 2l
π2
∑k>0 ungerade
1
k2cos
(2πk t
l
)
c) Die Funktion
h(t) :=
{cos t wenn 0 < t < π− cos t wenn π ≤ t ≤ 2π
Dann ist T = π, ω = 2.Das Schaubild ist folgendes:
1 2 3 4 5 6
-1
-0.5
0.5
1
Es folgth(t) = f ′2(t), wenn t /∈ Zπ
2.2. RECHNEN MIT FOURIERREIHEN 37
Dabei ist f2(t) = | sin(t)| der 2-Weg-gleichgerichtete Sinus. Da f2 uberall stetig ist, ist der Diffe-renziationssatz anwendbar und liefert wegen
f2 ∼ −2
π
∞∑k=0
1
4k2 − 1e2j kt
nun, dass
h ∼ f ′2 ∼ −2j
π
∞∑k=0
2k
4k2 − 1e2j kt
oder reell:
h ∼4
π
∞∑k=0
2k
4k2 − 1sin(2kt)
Faltung zweier periodischer Funktionen
Definition. Sind die beiden Funktion f, g : R −→ C periodisch und stuckweise stetig (mitPeriode T ), so bezeichnen wir als Faltung von f und g die Funktion
f ∗ g(t) :=1
T
∫ T
0
f(t− s)g(s)ds
Folgende Eigenschaften der Faltung sind wichtig:
2.2.6 Hilfssatz. a) Mit f und g ist auch f ∗ g wieder T -periodisch.b) Ist f stetig differenzierbar, so auch f ∗ g, und es gilt
(f ∗ g)′ = f ′ ∗ g
c) Es gilt f ∗ g = g ∗ f .
Beweis. a) ist klar. Zum Beweis von b) schreibt man den Differenzenquotienten auf
f ∗ g(t+ ε)− f ∗ g(t)
ε=
1
T
∫ T
0
Q(t− s, ε)g(s)ds+ f ′ ∗ g(t)
mit
Q(t− s, ε) =
∫ T
0
(f(t− s+ ε)− f(t− s)
ε− f ′(t− s)
)g(s)ds
Mit Hilfe vonf(t− s+ ε)− f(t− s)
ε− f ′(t− s) −→ 0, wenn ε −→ 0
kann man dann nachweisen, dass 1T
∫ T0
Q(t− s, ε)g(s)ds −→ 0 wenn ε −→ 0.
38 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
c) Wir rechnen fur 0 ≤ t < T aus:
T · g ∗ f(t) =
∫ T
0
g(t− s)f(s)ds
σ:=t−s=
∫ t
t−Tg(σ)f(t− σ)dσ
=
∫ t
t−Tg(σ − T )f(t− (σ − T ))dσ
=
∫ t+T
t
g(σ)f(t− σ)dσ
=
∫ T
t
g(σ)f(t− σ)dσ +
∫ t+T
T
g(σ)f(t− σ)dσ
=
∫ T
t
g(σ)f(t− σ)dσ +
∫ t
0
g(σ)f(t− σ)dσ
= T · f ∗ g(t)
�Der Effekt der Faltung ist also, dass eine nicht differenzierbare Funktion (wie hier das g)
durch Falten mit f ”geglattet” werden kann.
Beispiel. Sei etwa f die ”Pulsfunktion”, also f(x) = 1, wenn x ∈ [0, 1/2) und f(x) = −1,wenn x ∈ [−1/2 , 0). f wird periodisch mit Periode 1 auf ganz R fortgesetzt.
Dann ist zunachst
f ∗ f(s) =
∫ 1/2
0
f(s− t)dt−∫ 1
1/2
f(s− t)dt
Dann gilt fur 0 ≤ s ≤ 1/2:∫ 1/2
0
f(s− t)dt =
∫ s
0
f(s− t)dt+
∫ 1/2
s
f(s− t)dt = s− (1
2− s) = 2s− 1
2
und ∫ 1
1/2
f(s− t)dt =
∫ s+ 12
1/2
f(s− t)dt+
∫ 1
s+ 12
f(s− t)dt = −s+ 1− (s+1
2) =
1
2− 2s
Alsof ∗ f(s) = 4s− 1
Genauso zeigt man fur 12≤ s ≤ 1, dass
f ∗ f(s) = 3− 4s
2.2. RECHNEN MIT FOURIERREIHEN 39
Hier ist das Schaubild:
-1 -0.5 0.5 1
-1
-1/2
0.5
1
Ferner ist, wenn wir g = f ∗ f wahlen
f ∗ g(s) =
{8s2 − 4s wenn 0 ≤ s < 1/2
−8s2 + 12s− 4 wenn −1/2 ≤ s < 0
Der Graph der Funktion f ∗ g hat schon keinen Knick mehr
-1 -0.5 0.5 1
-0.4
-0.2
0.2
0.4
Die Berechnung von f ∗ g eignet sich als Ubungsaufgabe.
40 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
Die Fourierreihe der Faltung periodischer Funktionen
2.2.7 Hilfssatz. Sind f, g : R −→ stuckweise stetige Funktionen mit der Periode T , so ist
f ∗ g ∼∑k∈Z
c∗k(f)c∗k(g) ej kωt
Beweis. Dazu rechnen wir die Fourierkoeffizienten von f ∗ g aus:Zunachst haben wir:
c∗k(f ∗ g) =1
T
∫ T
0
f ∗ g(t)e−jωktdt
=1
T 2
∫ T
0
(∫ T
0
f(t− s)g(s)ds
)e−jωktdt
=1
T
∫ T
0
(∫ T
0
f(t− s)g(s)e−jωktds
)dt
=1
T 2
∫ T
0
(∫ T
0
f(t− s)e−jωk(t−s)dt
)g(s)e−jωksds
Fur jedes 0 < s < T ist aber das innere Integral umzuformen in∫ T
0
f(t− s)e−jωk(t−s)dt =
∫ T−s
−sf(t)e−jωktdt
=
∫ 0
−sf(t)e−jωktdt+
∫ T−s
0
f(t)e−jωktdt
=
∫ T
T−sf(t)e−jωktdt+
∫ T−s
0
f(t)e−jωktdt
=
∫ T
0
f(t)e−jωktdt = Tc∗k(f)
Setzen wir das ein, so finden wir die behauptete Gleichheit.�
2.3 Konvergenz bei Fourierreihen
Wir mussen jetzt 2 Fragen diskutieren:
2.3. KONVERGENZ BEI FOURIERREIHEN 41
• Wann konvergiert eine Fourierreihe∑
k∈Z ckej kωt?
• Wann kann man eine stuckweise stetige Funktion f aus ihrem Spektrum, also der Familieihrer Fourierkoeffizienten wiedergewinnen, kurz wann gilt
f(x) =∑k∈Z
ckej kωt?
Zuerst erinnern wir uns an den Begriff der Konvergenz einer Reihe:
Definition. a) Eine Reihe∑∞
k=0 ak heißt konvergent gegen ein a ∈ C, wenn die Folge derPartialsummen (sn)n gegen a konvergiert, also
sn :=n∑k=0
ak −→ a, wenn n −→∞
Wir schreiben dann∞∑k=0
ak = a.
b) Seien fk : [a, b] −→ C Funktionen. Dann nennen wir die Funktionenreihe∑∞
k=0 fk(x)punktweise konvergent gegen eine Funktion f : [a, b] −→ C, wenn
∞∑k=0
fk(x) = f(x)
fur alle x ∈ [a, b] gilt.
c) Wir sagen, eine Folge (fn)n stuckweise stetiger Funktionen) konvergiere im quadratischen
Mittel gegen eine (ebenfalls stuckweise stetige) Funktion f , wenn∫ ba|fn(t)−f(t)|2dt −→ 0, wenn
n→∞. Entsprechendes gilt fur Funktionenreihen.
d) Angenommen, alle fk aus (b) seien stetig. Dann nennen wir die Reihe∑∞
k=0 fk(x) gleichmaßiggegen f konvergent, wenn
maxa≤x≤b
∣∣∣∣∣n∑k=0
fk(x)− f(x)
∣∣∣∣∣ −→ 0
mit n −→∞.
Anschaulich bedeutet das: Wenn f die Grenzfunktion einer Reihe ist, dann muss zu jedemε > 0 eine Zahl n0 existieren, ab der der Graph von sn =
∑nk=0 fk in dem Parallelstreifen der
Dicke ε um den Graphen von f verlauft.
42 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
a b
ε
ε
x
f(x)
Beispiel. Angenommen, a = 0, b = 1/2. Dann konvergiert die Reihe∑∞
k=0 xk gleichmaßig auf
I = [0, 1/2] gegen f(x) = 11−x .
Denn
n∑k=0
xk =1− xn+1
1− x=
1
1− x− xn+1
1− x
also
max0≤x≤1/2
∣∣∣∣∣n∑k=0
xk − f(x)
∣∣∣∣∣ = max0≤x≤1/2
xn+1
1− x= 2−n −→ 0,
wenn n −→∞.Das folgende Kriterium fur Konvergenz benotigt keinen ”Kandidaten” fur eine mogliche
Grenzfunktion:
2.3.1 Satz. a) Eine Reihe von∑∞
k=0 fk(x) von Funktionen konvergiert punktweise, wenn zujedem x ∈ [a, b] Zahlen ck(x) > 0 existieren, so dass |fk(x)| ≤ ck(x) und
∑∞k=0 ck(x) <∞.
b) Eine Reihe von∑∞
k=0 fk(x) von Funktionen konvergiert gleichmaßig, wenn zu jedem k ≥ 0eine Schranke ck > 0 existiert, so dass
maxa≤x≤b
|fk(x)| ≤ ck
fur alle k und weiter die Reihe∑∞
k=0 ck konvergiert. In diesem Fall ist auch die Grenzfunktion fwieder stetig.
Beispiele. a) Die Reihe∑∞
k=1sin(kx)k2
konvergiert gleichmaßig auf R. (Folgt aus∑
k1k2<∞).
b) Die Reihe∑∞
k=1sin(2π(2k−1)x)
2k−1konvergiert punktweise auf R, aber auf [−1/2, 1/2] nicht
gleichmaßig. Denn sie ist Fourierreihe einer Funktion mit Unstetigkeitsstellen in den ganzenZahlen.
2.3. KONVERGENZ BEI FOURIERREIHEN 43
Die Bessel-Ungleichung
Die folgende Ungleichung sagt etwas uber das Verhalten der Fourierkoeffizienten c∗k(f) aus,wenn |k| −→ ∞, namlich:
2.3.2 Satz. Wenn f : R −→ C stuckweise stetig und beschrankt ist, so gilt
n∑k=−n
|c∗k(f)|2 =1
T
∫ T
0
|f(t)|2dt− 1
T
∫ T
0
∣∣∣∣∣f(t)−n∑
k=−n
c∗k(f)ejωkt
∣∣∣∣∣2
dt
Es folgtn∑
k=−n
|c∗k(f)|2 ≤ 1
T
∫ T
0
|f(t)|2dt Besselsche Ungleichung
Insbesondere muss c∗k(f) −→ 0 gehen, wenn |k| −→ ∞.
Beweis. Wir rechnen ein Integral aus, und zwar∫ T
0
∣∣∣∣∣f(t)−n∑
k=−n
c∗k(f)ejωkt
∣∣∣∣∣2
dt =
∫ T
0
|f(t)|2dt− 2n∑
k=−n
Re c∗k(f)
∫ T
0
f(t)e−j kωtdt
+n∑
k,l=−n
c∗k(f)c∗l (f)
∫ T
0
ej (k−l)ωtdt︸ ︷︷ ︸=0,wenn k 6=l, =T, sonst
=
∫ T
0
|f(t)|2dt− 2Tn∑
k=−n
|c∗k(f)|2 + Tn∑
k=−n
|c∗k(f)|2
=
∫ T
0
|f(t)|2dt− Tn∑
k=−n
|c∗k(f)|2
Daraus konnen wir die Behauptung ablesen.�
Die Partialsummen der Fourierreihen bilden in dem folgenden Sinne eine bestmogliche Ap-proximation an eine stuckweise stetige Funktion f :
2.3.3 Satz (Bestapproximation im quadratischen Mittel). Ist die T -periodische Funktion f :R −→ C stuckweise stetig und beschrankt, und ist P ∗(t) =
∑mk=−m ake
jωkt ein komplexes trigo-nometrisches Polynom, so haben wir fur das quadratische Mittel von f − P ∗ stets
1
T
∫ T
0
|f(t)− P ∗(t)|2 dt =n∑
k=−n
|c∗k(f)− ak|2 +1
T
∫ T
0
|f(t)− sn(f)(t)|2 dt−∑k∈S
|c∗k(f)|2
44 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
wobei S = {−m, ...,m} \ {−n, ..., n} und sn(f) :=n∑
k=−n
c∗k(f)ejωkt.
Beweis. Der Beweis geht ahnlich wie der des vorherigen Satzes.�
2.3.4 Satz (Ungleichung v. Cauchy-Schwarz) Sind f, g : [0, T ] −→ C stuckweise stetig, so gilt∣∣∣ ∫ T
0
f(t)g(t)dt∣∣∣ ≤ (∫ T
0
|f |2dt ·∫ T
0
|g|2dt)1/2
Beweis. Wir nehmen an, es sei Ig :=∫ T
0|g|2dt > 0. Schreiben wir c :=
∫ T0f(t)g(t)dt/Ig, so ist
0 ≤∫ T
0
|f(t)− c g(t)|2dt =
∫ T
0
|f |2dt− |c|2Ig
Durch Einsetzen von c und leichtes Umstellen der Ungleichung folgt die Behauptung.�
Schließlich fugen wir noch die folgende Verbesserung der Besselungleichung hinzu
2.3.5 Satz (Parseval-Vollstandigkeitsrelation). Ist f : R −→ C stuckweise stetig und T -periodisch, so gilt ∑
k∈Z
|c∗k(f)|2 =1
T
∫ T
0
|f(t)|2dt.
Beweis. Ist f : [0, T ] −→ R stuckweise stetig, so finden wir zu jedem ε > 0 eine stetige
Funktion fε : [0, T ] −→ R mit 1T
∫ T0|f − fε|2dt < ε.
Nun benutzen wir den im ersten Kapitel skizzierten Satz, dass fε gleichmaßig durch eineFolge trigonometrischer Polynome (P ∗m)m approximiert werden kann. Dabei hat P ∗m die GestaltP ∗m =
∑mk=−m ake
jωkt .Der Satz uber die Bestapproximation fur fε liefert uns dann
(1
T
∫ T
0
|fε − sn(fε)|2dt)1/2
≤
1
T
∫ T
0
|fε − P ∗m|2dt+∑
n<|k|≤m
|c∗k(fε)|21/2
≤
1
T
∫ T
0
|fε − P ∗m|2dt+∑n<|k|
|c∗k(fε)|21/2
wenn nur m ≥ n. Lassen wir zuerst m→∞ streben, so folgt
1
T
∫ T
0
|fε − sn(fε)|2dt ≤∑n<|k|
|c∗k(fε)|2
2.3. KONVERGENZ BEI FOURIERREIHEN 45
Danach lassen wir n→∞ streben und erhalten die Behauptung zunachst fur fε, denn es ist
1
T
∫ T
0
|fε(t)|2dt−∑k∈Z
|c∗k(fε)|2 = limn→∞
1
T
∫ T
0
|fε − sn(fε)|2dt
Hierin darf man noch ε↘ 0 gehen lassen und erhalt dann die Parsevalgleichung.�
Zur Konvergenz einer Fourierreihe:
Wir erinnern uns an das folgendeBeispiel: Die Sagezahnfunktion f0(t) := t, wenn 0 ≤ t < 2π und f(x) := f0(x − 2πn), wenn
n ganz ist und x− 2πn ∈ [0, 2π), hat die Fourierreihe
f ∼ π − 2∞∑k=1
sin(kt)
k
also hat die rechte Seite bei Null den Wert π, wahrend f(0) = 0 ist. Eine Funktion, die dievon uns bisher gestellten Bedingungen erfullt, wird im allgemeinen nicht durch ihre Fourierreihepunktweise dargestellt.
Man konnte bei dem oben gegebenen Beispiel vermuten, das liege an der Unstetigkeit derSagezahnfunktion. Aber auch, wenn man von der Funktion f die Stetigkeit voraussetzt, kannman nicht schließen, dass sie durch ihre Fourierreihe dargestellt wird. Ein erstes Beispiel hierfurwurde von P. Du Bois-Reymond 1876 gefunden, womit eine alte Vermutung von J. Fourierwiderlegt wurde. L. Fejer fand 1910 noch einfachere derartige Beispiele.
Unter maßvollen Zusatzvoraussetzungen an eine stuckweise stetige Funktion f kann man aberdie Konvergenz ihrer Fourierreihe nachweisen.
2.3.6 Satz. Sei f : R −→ R stuckweise stetig und T -periodisch. Angenommen, es gebe einkleines δ > 0, so dass f auf (t0 − δ, t0) und auf (t0, t0 + δ) differenzierbar ist, und sogar dieGrenzwerte f ′±(t0) := lim
t↘0f ′(t0 ± t) existieren.
a) Ist f an der Stelle t0 ∈ (0, T ) stetig, so konvergiert sn(f)(t0) gegen f(t0).
b) Sei f(t0) :=1
2(f+(t0) + f−(t0)), wobei f±(t0) := lim
t↘0f(t0 ± t). Dann konvergiert sn(f)(t0)
mit n→∞ gegen f(t0).
c) Wenn f stetig und stuckweise stetig differenzierbar ist und eine Schranke M existiert, sodass |f ′| ≤ M uberall dort gilt, wo f ′ definiert ist, so konvergiert ihre Fourierreihe gleichmaßiggegen f .
46 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
Beweis. a) nach P. Chernoff (1980). Die Funktion g(t) := f(t0+t)−f(t0)1−ejωt , mit ω := 2π
Tist ebenfalls
stuckweise stetig, auch in einer Umgebung der 0, denn g(±t) −→ ±f ′±(t0)
jωmit t ↘ 0. Die
komplexen Fourierkoeffizienten von g bezeichnen wir mit dk. Mit der Besselungleichung folgt nundk −→ 0, wenn |k| → ∞. Sei nun τt0f(t) = f(t+ t0). Dann haben wir
τt0f(t) = f(t0) + (1− ejωt)g(t) = f(t0) + g(t)− ejωtg(t)
Fur die komplexen Fourierkoeffizienten bedeutet das mit den Regeln zur Translation und Fre-quenzmodulation
ckejωkt0 = f(t0) + dk − dk−1
und fur die Fouriersummenn∑
k=−n
ckejω(t0+t) = sn(τt0f)(t) = f(t0) +
n∑k=−n
(dk − dk−1)ejωkt
Wahlen wir t = 0, so folgt
sn(f)(t0)− f(t0) = dn − d−n−1 −→ 0 ,
wenn n→∞.
b) Wir arbeiten mit der Maanderfunktion φ(t) := −1, wenn −T2≤ t < 0 und φ(t) := 1, wenn
0 ≤ t ≤ T2. Setzen wir ∆ := f+(t0)− f−(t0), so ist die Funktion f(t) := f(t)− ∆
2φ(t− t0) bei t0
stetig. Es ist f(t0) = f(t0). Nun folgt mit Teil a) fur f statt f , dass sn(f)(t0) −→ f(t0) = f(t0).
Aber sn(φ)(t0) = 0, also ist auch sn(f)(t0) = sn(f)(t0) konvergent gegen f(t0).
c) Der Differenziationssatz ist anwendbar und liefert c∗k(f′) = jωkc∗k(f), also ∑
0<|k|≤N
|c∗k(f)|
2
≤∑
0<|k|≤N
|c∗k(f)|2 ≤ S
∫ T
0
|f(t)|2dt
und damit S =2
T
∞∑k=1
1
k2. Daraus folgt alles.
�
Beispiele
a) Die Sagezahnfunktion f0(t) := t, wenn 0 ≤ t < 2π und f(x) := f0(x − n), wenn n ganzist und x− n ∈ [0, 2π). Der Satz ist anwendbar und sagt, dass sn(f)(t) gegen f(t) strebt, wennt /∈ Z(2π) und sn(f)(2nπ) −→ π fur alle n.
b) Die ”Zackenfunktion” h(x) = x, wenn 0 ≤ x ≤ l2, und h(x) = l − x, wenn l
2≤ x ≤ l. Nun
konvergiert die Fourierreihel
4− 2l
π2
∑k>0 ungerade
1
k2cos
(2πk x
l
)uberall gegen h.
2.3. KONVERGENZ BEI FOURIERREIHEN 47
Mit x = 0 erhalten wir ∑k>0 ungerade
1
k2=π2
8
Nun ist aber∞∑k=1
1
k2=∞∑k=1
1
4k2+
∑k>0 ungerade
1
k2
Also3
4
∞∑k=1
1
k2=π2
8,
∞∑k=1
1
k2=π2
6.
Das Gibbs-Phanomen
Der Mangel an Gleichmaßigkeit im Konvergenzverhalten der Fourierreihe einer Funktion mitSprungstellen lasst sich quantitativ beschreiben:
2.3.7 Satz(Gibbs-Phanomen). Sei f : R −→ R eine (2π)-periodische stuckweise stetige Funk-tion und x0 ∈ (−π, π) sei eine Stelle, so dass fur ein h > 0 die Funktion f sowohl auf (x0−h, x0)als auch auf (x0, x0 + h) Lipschitz-stetig ist. Angenommen, es sei f(x0−) 6= f(x0+), (wobeif(x0±) := limt↘0 f(x0 ± t) der rechts-bzw. linksseitige Limes sein soll). Dann gibt es Stellent+n , t
−n ∈ (x0 − h, x0 + h), so dass
|sn(f)(t+n )− sn(f)(t−n )| −→ |∆|π
∫ π
0
sin t
tdt =
|∆|2· 1.17898... ,
wenn n→∞ und ∆ := f(x0+)− f(x0−).
Dabei ist sn(f)(t) =∑n
k=−n c∗k(f)ejωkt die n.-te Fouriersumme.
Das bedeutet, dass die Fouriersummen bei x0 den Funktionswert um bis zu 17.8 % der halbenSprunghohe ” uberschwingen” konnen.
Wir sehen uns die ”Maanderfunktion” f(x) := −1 auf (−π, 0] und f(x) = 1 auf (0, π) an,welche (2π)-periodisch auf R fortgesetzt wird.
a) Die Fourierreihe von f ist
4
π
∞∑k=0
sin((2k + 1)x)
2k + 1
b) Fur die n.-te Fouriersumme sn(f) gilt
sn(f)(1
n3) −→ 0, sn(f)(
π
2(n+ 1)) −→ 2
π
∫ π
0
sin t
tdt
48 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
Hier sind Schaubilder der Fouriersummen s25(f):
-1.5
-1
-0.5
0
0.5
1
1.5
-3 -2 -1 0 1 2 3
t
sowie s50(f)
-1.5
-1
-0.5
0
0.5
1
1.5
-3 -2 -1 0 1 2 3
t
2.3. KONVERGENZ BEI FOURIERREIHEN 49
und s75(f):
-1.5
-1
-0.5
0
0.5
1
1.5
-3 -2 -1 0 1 2 3
t
Wir wollen nun ein Konvergenzkriterium betrachten, das mit den Fourierkoeffizienten alleinauskommt.
2.3.8 Satz. Angenommen, f : R −→ R sei (2π)-periodisch und stuckweise stetig. Gibt es danneine Konstante C > 0, so dass
|c∗k(f)| ≤ C
|k|fur alle k ∈ Z, k 6= 0, so konvergiert sn(f)(t0) mit n→∞ gegen f(t0), wenn f in t0 stetig ist.
Beweisskizze.
Schritt 1: Wir bilden das Cesaro-Mittel
σ`(f) =s1(f) + s1(f) + ...+ s`(f)
`
und stellen dann fest, dass
σ`(f)(t0) =
∫ π
−πf(t0 − s)F`(s)ds
50 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
wobei F` der Fejer-Kern
F`(t) :=1
2π`
`−1∑m=0
Dm(t)
ist. Es gilt, ahnlich wie beim Dirichletkern
a) F` ≥ 0 und F`(−t) = F`(t)b)∫ π−π F`(t)dt = 1
und zusatzlichc) Fur δ ∈ (0, π) ist F`(t) ≤ 1
`π(1−cos δ), wenn π ≥ |t| ≥ δ.
Hieraus folgt, dass
σ`(f)(t0) −→ f(t0)
Schritt 2: Wir vergleichen s`(f) mit den ”modifizierten” Cesaro-Mitteln
σm,`(f) :=sm+1(f) + ...+ s`(f)
`−m
fur m < `.
Zuerst stellen wir fest, dass
σm,`(f) =(`+ 1)σ`+1(f)− (m+ 1)σm+1(f)
`−mund
σm,`(f)(t) = sm(f)(t) +∑
m<|k|≤`
`+ 1− |k|`−m
c∗k(f)ej kt
Aus der ersten Formel erhalten wir dann mit Schritt 1, dass fur festes p gilt
σpn,(p+1)n(f)(t0) −→ f(t0)
mit n→∞.
Aus der zweiten Formel erhalten wir, dass fur alle k,m, n ∈ N mit kn < m ≤ (k + 1)n gilt
|σkn,(k+1)n(f)(t0)− sm(f)(t0)| ≤ C
k
Beides zusammen liefert uns die Behauptung des Satzes.�
Achtung. Man kann eine (2π)-periodische stetige Funktion konstruieren, bei der die Fourier-reihe in t0 = 0 divergiert. Sie erfullt die Bedingung des obigen Satzes aber nicht.
2.3. KONVERGENZ BEI FOURIERREIHEN 51
Anwendungen der Fourierreihen
a) Der Tiefpassfilter
Dies ist ein Schaltkreis, der aus einem Widerstand R und einem Kondensator mit Kapa-zitat C besteht. Sein Zweck besteht darin, Anteile hoher Frequenz in der Fourierzerlegung derEingangsspannung ”herauszufiltern”, d.h.: Die Fourierzerlegung der Ausgangsspannung enthaltAnteile mit hoher Frequenz nur mit kleinem Gewichtsfaktor.
Tiefpassfilter benutzt man beim Bau von Lautsprechern.
U Ue
R
C(t)(t)
Die Ausgangsspannung U(t) und die Eingangsspannung Ue(t) sind durch die Differentialglei-chung
RC U + U = Ue
miteinander verbunden. Nehmen wir jetzt an, dass Ue stetig, T -periodisch und stuckweise bschranktdifferenzierbar sei, so schreiben wir Ue(t) =
∑k∈Z c
∗ke
jωkt. Setzen wir auch fur U eine Fourierrei-he an, U(t) =
∑k∈Z d
∗ke
jωkt, so entsteht zwischen den Fourierkoeffizienten beider Funktionen dieBeziehung
(jRCωk + 1)d∗k = c∗k, also d∗k =c∗k
1 + jωRCk
Die Faktoren 11+jωRCk
sind die Fourierkoeffizienten der Ubertragungsfunktion:
hT (t) :=T
RC
1
1− e−T/RCe−t/RC , 0 ≤ t ≤ T,
die T -periodisch auf R fortgesetzt ist.Das rechnen wir nach:
1
T
∫ T
0
e−( 1RC
+jωk)tdt =1
T
11RC
+ jωk
−e−( 1RC
+jωk)t
∣∣∣∣∣T
0
=1
T
1− e−T/RC1RC
+ jωk=RC
T
1− e−T/RC
1 + jRCωk
Je großer also der Betrag von k ist, desto kleiner wird∣∣∣ 1
1RC
+jωk
∣∣∣, so dass Anteile von hoher
Frequenz ( d.h. großes ω k) kleines Gewicht erhalten und unterdruckt, also herausgefiltert werden,
52 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
wahrend Anteile mit niedriger Frequenz weniger geschwacht ”durchlaufen”. Daher ruhrt derName ”Tiefpassfilter” fur die oben skizzierte Anordnung.
Eine Anwendung der Faltungsregel lehrt noch, dass auf (0, T )
U(t) =∑k∈Z
c∗k(hT )c∗kejωkt = hT ∗ Ue(t) =
1
T
∫ T
0
hT (s)Ue(t− s)ds
wird.Als Beispiel betrachten wir nun als Input Ue den 2-Weg-gleichgerichteten Sinus, Ue(t) =
U0| sin(ωt)| der Konvergenzsatz ist anwendbar, da Ue stetig ist, und dort, wo U ′e existiert, |U ′e| ≤ 1gilt. Daher wird
Ue(t) = − 2
π
∞∑k=0
1
4k2 − 1e2jωkt
Wir erhalten dann
U(t) = −2U0
π
∞∑k=0
1
(1 + 2jωRCk)(4k2 − 1)e2jωkt
Das ist die Fourierdarstellung zu U .
b) Der Hochpassfilter ist eine Schaltung ahnlich wie der oben Gezeigten, jedoch sind Konden-sator und Widerstand vertauscht, also
U Ue (t)(t)C
R
Ist U die Spannung am Kondensator, so ist die Ausgangsspannung Ua durch Ua = RCUgegeben, und U erfullt die DGL
Ua +1
RCUa =
1
RCUe
Ist dann Ue(t) =∑
k ckejωkt die Fourierzerlegung der Eingangsspannung Ue, so ist
Ua(t) =∑k
jωRC k
1 + jωRC kcke
jωkt
die Fourierzerlegung der Ausgangsspannung.
2.3. KONVERGENZ BEI FOURIERREIHEN 53
c) Temperaturverteilung in einem Stab der Lange L.
L0
x
Ist f : [0, L] −→ R stetig und existieren die 3. Ableitungen uberall auf (0, L) und sind auchin 0 und L stetig fortsetzbar, so hat die Randwertaufgabe fur die Warmeleitungsgleichung
∂u
∂t=∂2u
∂x2
u(t, 0) = u(t, L) = 0u(0, x) = f(x)
eine Losung.Wir setzen f zu einer ungeraden 2L-periodischen Funktion fort, indem wir f auf [L, 2L]
definieren als f(x) := −f(2L− x).
f( x )
L 2L
x
3L
Wir konnen nun f darstellen in der Form
f(x) =∞∑k=1
Ck sin(πk
Lx)
Dabei folgt aus der Annahme uber die 3-malige stetige Differenzierbarkeit von f , dass f ′′ durchdie Fourierreihe darstellbar ist, die aus der von f durch 2-maliges gliedweises Differenzierenentsteht. Diese Fourierreihe konvergiert absolut und gleichmaßig gegen f ′′.
Fur jedes k ≥ 1 erfulltuk(t, x) := e−λ
2kt sin(λkx)
die Gleichung∂uk∂t
=∂2uk∂x2
54 KAPITEL 2. FOURIERREIHEN
und es gilt zusatzlich uk(t, 0) = uk(t, L) = 0, wenn λk = πkL
gewahlt wird. Daher definieren wirdie Funktion
u(t, x) =∞∑k=1
Cke−π
2k2
L2 t sin(πk
Lx)
Aus unseren Annahmen uber f konvergiert aber diese Reihe zusammen mit ihren 1. Zeitablei-tungen und 2. x-Ableitungen gleichmaßig.
Isoperimetrisches Problem
Gegeben sei eine nach der Bogenlange parametrisierte glatte und doppelpunktfreie geschlos-sene Kurve α(s) := (x(s), y(s), fur 0 ≤ s ≤ L. Wie groß kann die von α umschlossene Flachesein? Die Antwort lautet so
2.3.9 Satz (Isoperimetrische Ungleichung). Sei α wie eben und die Leibnizsche Sektorformel
anwendbar. Ist dann A die von α umschlossene Flache, so gilt A ≤ L2
4π. Genau dann ist A =
L2
4π,
wenn α ein Kreis mit Radius R =L
2πwird.
Beweis. Wir schreiben x(s) und y(s) als Fourierreihen
x(s) =1
2a0 +
∞∑k=1
ak cos(kωs) + bk sin(kωs)
y(s) =1
2c0 +
∞∑`=1
c` cos(`ωs) + d` sin(`ωs)
woraus folgt
x′(s) = ω
∞∑k=1
k(− ak sin(kωs) + bk cos(kωs)
)
y′(s) = ω
∞∑`=1
`(− c` sin(`ωs) + d` cos(`ωs)
)Mit den Orthogonalitatsrelationen folgt nun∫ L
0
x′(s)2ds = ωπ
∞∑k=1
k2(a2k + b2
k)
∫ L
0
y′(s)2ds = ωπ
∞∑`=1
`2(c2` + d2
`)
2.3. KONVERGENZ BEI FOURIERREIHEN 55
Folglich, da x′(s)2 + y′(s)2 = 1
L =
∫ L
0
(x′(s)2 + y′(s)2
)ds = ωπ
∞∑k=1
k2(a2k + b2
k + c2k + d2
k)
Ebenso folgt ∫ L
0
x′(s)y(s)ds = −∫ L
0
x(s)y′(s)ds = π
∞∑k=1
k(−akdk + bkck)
Mit der Sektorformel erhalten wir
A = π∞∑k=1
k(−akdk + bkck)
Nun gilt aber
k2(a2k + b2
k + c2k + d2
k)− 2k(−akdk + bkck) = (kak + dk)2 + (kbk − ck)2 + (k2 − 1)(d2
k + c2k)
Summieren wir das uber alle k ≥ 1, folgt
L2
4π− A =
L
2ω− A =
π
2
∞∑k=1
(kak + dk)2 + (kbk − ck)2 + (k2 − 1)(d2
k + c2k) ≥ 0
Das ist die isoperimetrische Ungleichung. Soll hierin Gleichheit bestehen, muss a1 +d1 = b1−c1 =0 und ak = bk = ck = dk = 0 fur k > 1 werden. Dann haben wir aber
α(s) =1
2
(a0
c0
)+
(a1
b1
)cos(ωs) +
(b1
−a1
)sin(ωs)
Das ist ein Kreis.
Anwendung. Eine Stadt werde von einer Mauer von 20 km Lange umschlossen. Dann ist dieFlache dieser Stadt maximal A0 = 100
π= 31, 8km2.