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Kernfusion Berichte aus der Forschung Folge 2

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Page 1: Kernfusion - Berichte aus der Forschung · 2014. 2. 17. · (siehe Abschnitt: Plasmaheizung). Die Plasmadichte kann zunächst von außen durch Nachfüllen von Gas, aber auch durch

KernfusionBerichte aus der

Forschung

Folge 2

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Zum Titelbild (von oben nach unten):Plasmagefäß der Fusions-anlage ASDEX Upgrade,Arbeiten für WENDELSTEIN7-AS, Computerstudie fürWENDELSTEIN 7-X,Testkryostat von WENDEL-STEIN 7-X,Hochfrequenzheizung anASDEX Upgrade,Blick in das Plasma vonASDEX Upgrade.(Fotos: IPP, Peter Ginter)

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Vorwort

Energieforschung ist Zukunftssicherung:Über neunzig Prozent des Weltener-giebedarfs wird heute aus fossilen

Energiequellen gedeckt. Die gegenwärtige Ver-sorgungssicherheit lässt leicht vergessen, dassdrohende Klimaschäden und begrenzte Brenn-stoffvorräte auf längere Sicht einen Umbauunseres Energiesystems verlangen. Das Pro-blem wird verschärft durch die schnell wach-sende Erdbevölkerung und den global stei-genden Energiebedarf. Um die Versorgungkünftiger Generationen zu sichern, müssendeshalb alle Alternativen untersucht werden,die Kohle, Erdöl und Erdgas ersetzen können.Die Auswahl an ergiebigen Energiequellen istjedoch begrenzt: Neben Kernspaltung undSonnenenergie bleibt als dritte Möglichkeitdie Fusion. Ziel der Fusionsforschung ist die Gewinnungder Energie, die bei der Verschmelzung vonWasserstoffkernen zu Helium frei wird. ZumZünden des Fusionsfeuers muss der Brenn-stoff - ein Wasserstoff-Plasma - in Magnetfel-dern eingeschlossen und auf hohe Tempera-turen aufgeheizt werden. Da die für denFusionsprozess nötigen Grundstoffe in nahe-zu unbegrenzter Menge vorhanden und überdie ganze Welt verteilt sind, könnte dieKernfusion einen nachhaltigen Beitrag zurEnergieversorgung der Zukunft leisten. Die Fusionsforschung hat sich seit ihren An-

Das Max-Planck-Institutfür Plasmaphysik aufdem ForschungsgeländeGarching.

fängen in den 50er Jahren in kontinuierlicherDetailarbeit auf ihr anspruchsvolles Ziel zubewegt. Inzwischen können die ehemals kri-tischen Probleme - die Heizung, Wärmeisola-tion und Reinhaltung des Plasmas sowie dieEnergieauskopplung - als gelöst gelten. Es istgelungen, Fusionsleistungen von mehrerenMegawatt freizusetzen. Diese Ergebnisseerlauben die Planung eines Testreaktors, dererstmals ein für längere Zeit energielieferndesPlasma erzeugen soll. Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik(IPP) in Garching und Greifswald ist einesder großen Zentren für Fusionsforschung inEuropa und beschäftigt sich mit den physi-kalischen Grundlagen der Kernverschmel-zung. Die vorliegenden „Berichte aus der For-schung“ wollen in allgemeinverständlicherForm einen Einblick in Grundlagen sowieaktuelle Themen der Fusionsforschung ge-ben, wie sie im IPP untersucht werden. Auf-bauend auf einer Einführung in die physika-lischen und technischen Grundlagen und diehistorische Entwicklung werden der gegen-wärtige Stand des Wissens ebenso wie nochoffene Fragen dargestellt. Darüber hinaus ver-mitteln die Berichte einen Eindruck von denvielfältigen physikalischen, technischen,handwerklichen und verwaltungstechnischenDisziplinen, die zur Organisation des For-schungsprozesses zusammenwirken.

Das IPP-Teilinstitut in Greifswald

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IMPRESSUM

Kernfusion - Berichte aus der Forschung Folge 2

Herausgeber:

Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP)

Boltzmannstraße 2

85748 Garching bei München

Telefon 089-3299-01

[email protected]

www.ipp.mpg.de

Redaktion: Isabella Milch

Gestaltung: Dagmar Aalden

Grafik: Karin Hirl, Monika Treske

Druck: Steinmeier, Nördlingen

Copyright 2002 Max-Planck-Institut

für Plasmaphysik, Garching und Greifswald

ISSN 0172-8482

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Vorwort 3

Einführung in dieFusionsforschung 7

Grundlagen der Kernfusion 8Experimenttypen 15Elemente der Fusionsexperimente 19Das Fusionskraftwerk 29Kernfusion - eine internationaleGemeinschaftsaufgabe 37

Fusionsforschung im IPP 43

Tokamak-Experimente 44Stellarator-Experimente 55Allgemeine Arbeiten zur Fusion 67Kooperationen 82Wissenschaftliche Infrastruktur 88

Anhang 93

Verwaltung und Allgemeine Dienste 94Stabsstellen der Geschäftsführung 95Wissenschaftlich-Technisches Büro 95Organisatorischer Aufbau des IPP 100

Literaturhinweise 103Wegweiser 104

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Inhalt

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Fusions-

indie

forschung

Einführung

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Grundlagen derKernfusion

Fusionsreaktionen

Quelle der Fusionsenergie ist die innereBindungsenergie der Atomkerne. Die

Kernbausteine sind von einer Atomsorte zuranderen verschieden stark aneinander gebun-den. Je fester sie verbunden sind, desto mehrEnergie muss aufgewandt werden, den Kernzu spalten. Umgekehrt wird umso mehrEnergie frei, wenn der Kern aus seinen Bau-steinen gebildet wird. Die stabilsten Kernebesitzen die chemischen Elemente Eisen,Kobalt, Nickel oder Kupfer (Maßzahlen fürihre Masse: etwa 60). Aus Kernumwand-lungen kann man deshalb Energie entwederdurch Spaltung schwerer Kerne wie Uran -

Maßzahl für seine Masse ist 235 - oder durchVerschmelzung (Fusion) leichter Kerne wieWasserstoff und seine Isotope Deuterium undTritium - Massenzahlen 1, 2 und 3 - gewinnen(siehe Abbildung).

Atomkerne sind positiv geladen und stoßensich daher gegenseitig ab. Sie können abernur dann miteinander verschmelzen, wenn siesich sehr nahe kommen. Dann erst können dieanziehenden Kernkräfte, die nur in der unmit-telbaren Umgebung der Kerne wirken, dieabstoßenden elektrischen Kräfte überwiegen.Um ihre gegenseitige Abstoßung zu überwin-den, müssen zwei Kerne mit großer Geschwin-digkeit aufeinander zufliegen.

Die erforderlichen hohen Geschwindigkei-ten erhalten die Teilchen bei hoher Tempe-ratur. Die Atome eines Gases sind dann in ihreBestandteile - Elektronen und Kerne - zerlegt:Ein Atom, dem ein oder mehrere Elektronenzu seiner Neutralität fehlen, nennt man „Ion“,und ein Gas, dessen Atome in ihre Bestand-teile aufgetrennt sind, „ionisiert“. Ein solchesGas weicht in seinen Eigenschaften stark vonnormalen Gasen ab und wird deshalb miteinem eigenen Namen „Plasma“ bezeichnet.Alltagsbeispiele sind die Plasmasäule in einerNeonröhre, ein elektrischer Funke oder derPlasmafaden eines Blitzes. Ein Plasma istelektrisch leitend, seine Bewegung lässt sichdaher durch elektrische und magnetischeFelder beeinflussen. Dies macht man sich inden Fusionsanlagen zunutze, wo man das

Die Kernbausteinesind von einer

Atomsorte zur anderenverschieden stark

aneinander gebunden.Durch Umordnung der

Kernbausteine in fester verbundene

Gruppierungen - ent-weder durch die Spal-

tung schwerer Kerneoder durch die Ver-

schmelzung leichterKerne wie Wasserstoff -

können große Energie-mengen freigesetzt

werden.

In einem Gas sind die Elektronen an die Atomkerne gebunden, in einem Plasma dagegensind Elektronen und Kerne (Ionen) voneinander getrennt.

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heiße Plasma in einen „Magnetfeldkäfig“ ein-

schließt und so von materiellen Wänden fern-

hält, die ansonsten das Plasma abkühlen kön-

nten.

Von allen möglichen Paaren leichter Atom -

kerne, die verschmelzen können, liefert die

Reaktion zwischen den beiden schweren Vari -

anten des Wasserstoffs - Deuterium und Tri -

tium - die größte Energieausbeute bei der

nied rigsten Plasmatemperatur. Je ein Deu -

terium- und Tritiumkern verschmelzen dabei zu

einem Heliumkern. Dabei wird ein schnelles

Neutron frei, das achtzig Prozent der ge -

wonnenen Ener gie mit sich trägt. Da diese

Reaktion unter allen möglichen bei weitem

am leichtesten zu verwirklichen ist, wird man

sich trotz ihrer Nachteile - Tritium ist radioak-

tiv, die bei der Fusion entstehenden schnellen

Neutronen aktivieren die umgebenden Reak -

torteile - zunächst dieses Verfahrens bedienen.

Hinzu kommt, dass Deuterium in nahezu uner -

schöpf licher Menge in den Weltmeeren vorhan-

den ist; Tritium kann aus dem ebenfalls reich-

lich verfügbaren Element Lithium mit Hilfe der

beim Fusionsprozess entstehenden Neutronen

im Kraftwerk hergestellt werden.

Bei den gegenwärtigen Experimenten

verzichtet man meist auf Tritium und

arbeitet lediglich mit einfachem Wasserstoff

oder Deuterium. Da Tritium radioaktiv ist,

würde seine frühzeitige Verwendung die

Experimente unnötig erschweren. (Lediglich

das europäische Experiment JET sowie das

inzwischen stillgelegte amerikanische Expe ri -

ment TFTR in Princeton haben bisher mit

Tritium gearbeitet.) Auch mit einfachem

9

Wasserstoff oder Deuterium lässt sich näm-

lich überprüfen, ob bei Einsatz von Tritium

ein Zustand erreicht werden kann, bei dem

das Plasma „zündet“: Dann laufen gerade so

viele Fusionsprozesse ab, dass die Energie der

dabei erzeugten Heliumkerne ausreicht, die

Temperatur des Plasmas aufrechtzuerhalten.

Das Plasma brennt ohne äußere Energie zu -

fuhr weiter, die Heizung von außen kann abge -

schaltet werden.

Für die Zündung sind vor allem drei Eigen -

schaften des Plasmas von Bedeutung: die

Temperatur, die Plasmadichte und die

Energieeinschlusszeit. Letztere ist ein Maß

für die Güte der Wärmeisolation des Plasmas

und darf nicht mit der Entladungszeit, d.h. der

Gesamtdauer der Entladung, verwechselt

werden. In einem Fusionskraftwerk muss das

Produkt aus diesen Werten eine Mindestgröße

besitzen. Die günstigsten Bedingungen für

Einschluss zeit und Dichte erhält man bei

einer Tempe ratur von etwa 100 Millionen

Grad. Dann fordert die Zündbedingung Ener -

gieein schlusszeiten von ein bis zwei Sekun -

den und Dichten von etwa 1014 Ionen pro

Kubik zentimeter. Wegen dieser extrem nied -

ri gen Dichte - 250 000fach dünner als die Luft -

Fusionsreaktionen

D + T → 4He + n + 17,58 MeVD + D → 3He + n + 3,27 MeVD + D → T + p + 4,03 MeVD + 3He → 4He + p + 18,35 MeVp + 11B → 3 4He + 8,7 MeV

Brutreaktionen in Lithium

7Li + n → 4He + T + n - 2,47 MeV6Li + n → 4He + T + 4,78 MeV

Verschiedene Fusionsreaktionen. Das fürdie Deuterium-Tritium-Fusion nötige Tritiumkann im Kraftwerk durch die Fusions -neu tronen aus Lithium erzeugt werden.

Beim Zusammenstoßeines Deuterium- undeines Tritiumkernsbildet sich über einenheliumartigenZwischenkern einHeliumkern und einNeutron. Beide Reak-tionsprodukte besitzenhohe Bewegungs ener-gie, die zur Plasmahei -zung und zur Energie -produktion im Kraft -werk genutzt werdenkann.

Rea

ktio

nsw

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nlic

hkei

t (cm

3 /se

c)

10–22

3He + D

D+ D

T+ D

p +11B

10 100 1000Temperatur (Millionen Grad)

10000

10–20

10–18

10–16

Die Wahrscheinlich -keiten verschiedenerVerschmelzungsreaktio -nen: Die Deuterium-Tritium-Fusion (D-T)besitzt über einengroßen Ener giebereicheine weitaus größereWahrscheinlich keit alsalle anderen Reaktio -nen. Prozesse wie dieProton-Bor-Reaktion (p-B), bei denen keinNeutron entsteht - oftals „reine“ Fusionbezeichnet - erforderneine viel höhereTemperatur, bis sie mitähnlicher Häufigkeitablaufen wieDeuterium-Tritium-Verschmelzungen.

Zündbedingungen

Neutron

n np

Tritium

Deuterium

pn

pnnp

n

nnn

p

p

Helium

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hülle der Erde - besitzt ein gezündetes Plasmatrotz der hohen Temperatur eine kaum größereLeistungsdichte als eine normale Glühbirne.

Inzwischen hat sich die Fusionsforschungnahe an die Zündung herangearbeitet (sieheAbbildung oben). Die weltweit besten Werteliefert das europäische Gemeinschaftsexperi-ment JET (Joint European Torus), das nurnoch um einen Faktor sechs von den Zünd-bedingungen entfernt ist. Mit den erarbeitetenKenntnissen wird die Hochrechnung aufKraftwerksverhältnisse möglich, was sich inden Plänen für den internationalen Experimen-talreaktor ITER niederschlägt.

Die zur Zündung notwendige Temperaturdes Plasmas wird durch Heizung von außenerzeugt. Dazu wurden mehrere Verfahren -Heizung durch Strom, schnelle neutraleAtome oder Hochfrequenzwellen - entwickelt(siehe Abschnitt: Plasmaheizung).Die Plasmadichte kann zunächst von außendurch Nachfüllen von Gas, aber auch durchandere Methoden erhöht werden, allerdingsnur innerhalb bestimmter Grenzen (sieheAbschnitt: Brennstoffnachfüllung).

Die nötige Energieeinschlusszeit scheint amschwierigsten zu erreichen zu sein. Wird dieEnergie zu schnell aus dem Plasmazentrumnach außen abgeführt, kann die Temperaturdes Plasmas nicht aufrechterhalten werden undder Brennvorgang erlischt. Der brennende Kerneines Plasmas muss also genügend gut wärme-isoliert sein gegenüber der Wand des Plasma-gefäßes. Da das Plasma aus geladenen Teilchenbesteht, bietet ein magnetisches Feld eine be-sonders günstige Möglichkeit, das Plasma zuisolieren und einzuschließen.

Geladene Teilchen - Ionen und Elektronen -werden in einem Magnetfeld bei Bewe-

gungen senkrecht zur Magnetfeldrichtung aufKreis- und Schraubenbahnen um die Feldliniengezwungen. Die Teilchen sind auf diese Weisean die Feldlinien angebunden. In Längsrich-tung der Magnetfeldlinien können sie sich da-gegen unbeeinflusst bewegen. In einem geeig-net geformten Magnetfeldkäfig kann einPlasma daher eingeschlossen und von materi-ellen Wänden ferngehalten werden.

Um zu vermeiden, dass die Teilchen an denPolen des Magnetfeldes entweichen, benutztman Magnetfelder, die ringförmig (toroidal)in sich geschlossen sind. Diese toroidalenFelder allein reichen jedoch nicht aus, um die

Zündbedingungen

Plasmatemperatur 100 - 200 Millionen Grad

Plasmadichte ca. 1014 Teilchen proKubikzentimeter

Energieeinschlusszeit 1 bis 2 Sekunden

Zündbedingungen fürein Deuterium-Tritium-

Plasma.

1.000.000

10.000

1.000

100

10

1 10 100 1.000200

Temperatur (Millionen Grad)

Fus

ions

prod

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500

100.000

T 10

ISAR 1WENDELSTEIN

7-A

WENDELSTEIN

ASDEX

Pulsator

JT 60

TFTR

ALCATOR

ASDEX

JET

JT 60-UJET

T 3

T 3

TFTR(DT)JET

(DT)

ToreSupra

geplant

bis 2002

bis 1986

bis 1977

bis 1965

ZündungITER

TFTR

ASDEX Upgrade

WENDELSTEIN 7-AS

LHD

DIII-D

Ein Deuterium-Tritium-Plasma zündet, wenn

das Fusionsprodukt ausPlasmadichte,

Plasmatemperatur undEnergieeinschlusszeit

einen bestimmtenMinimalwert über-schreitet. Wie die

Abbildung zeigt, sindim Verlauf der

Fusionsforschung dieExperimente dem

angestrebten Ziel - derKurve oben rechts -

bereits sehr nahegekommen.

ALCATOR: Boston, USAASDEX: Garching, DASDEX Upgrade: Garching, DD III-D: San Diego, USAISAR 1: Garching, DJET: Culham, GBJT 60, JT 60-U: Naka, JapanLHD: Toki, JapanTFTR: Princeton, USATore Supra: Cadarache, FT 3, T 10: Moskau, RusslandWENDELSTEIN 7-AS: Garching, DWENDELSTEIN 7-X: Greifswald, D

Der magnetischeEinschluss

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Durch einen Kranz vonringförmigen Spulenlässt sich ein in sichgeschlossenesMagnetfeld ohne offeneEnden herstellen.

Die von den Magnet-feldlinien aufgespann-ten magnetischenFlächen - hier dasMagnetfeld einesTokamaks. Die Feld-linien auf den innerenFlächen drehen sichöfter um die Seele -die zentrale Ringlinie -als Feldlinien auf denäußeren Flächen:Das Feld hat eineVerscherung.

Teilchen wirklich einzuschließen. Weil ineinem Toroidalfeld die Feldstärke aus geome-trischen Gründen nach außen hin absinkt, wür-den die Teilchen sehr schnell an die Wandgetrieben. Die Feldstärkeänderung verursachtnämlich eine Drift der Teilchen über die Feld-linie hinweg nach oben oder unten entspre-chend der positiven oder negativen Ladung derTeilchen. Diese Ladungstrennung wiederum er-zeugt ein elektrisches Feld und dieses zusam-men mit dem Magnetfeld eine Kraft, die dieTeilchen nach außen an die Wand führt.

Deshalb werden zum Einschluss des Plas-mas Felder benutzt, deren Feldlinien nicht nurkreisförmig um die Torusachse laufen, son-dern sich schraubenförmig um die Seele desTorus - die zentrale Magnetfeldlinie - winden.Teilchen, die diesen Feldlinien folgen, empfin-den zwar weiterhin eine Drift. Solange sichdie Feldlinien bei ihrem schraubenförmigenVerlauf in der oberen Hälfte des Plasmatorusbefinden, bedeutet eine Drift nach unten zu-gleich eine Drift auf die Torusseele zu; fürFeldlinien in der unteren Hälfte bedeutet dieDrift nach unten dagegen eine Drift von derTorusseele weg - und umgekehrt. Nach einemganzen Umlauf eines Teilchens hat sich damitseine Entfernung von der Seele nicht geän-dert. Durch die Verdrillung der Feldlinien wirdalso ein dauerhafter Einschluss des Plasmasmöglich.

Die umlaufenden Feldlinien spannen dabeisogenannte „magnetische Flächen“ auf, dieman sich wie die ineinander liegendenJahresringflächen in einem Baumstammvorstellen kann. Feldlinien, die in einem„Jahresring“ starten, behalten während ihresschraubenförmigen Umlaufs um die Seele desTorus „ihren“ Jahresring bzw. ihre magneti-sche Fläche bei (siehe Abbildung oben).Dieses Fehlen einer radialen Feldkompo-nente, welche die Magnetfeldlinien und damit

die Plasmateilchen nach außen führen würde,ist Voraussetzung für den magnetischenPlasmaeinschluss. Die verschiedenen toroi-dalen Konfigurationen, deren HauptvertreterTokamak und Stellarator im folgenden be-schrieben werden, nutzen unterschiedlicheMethoden, um die magnetischen Flächen auf-zuspannen.

Ein Plasma erzeugt wie ein heißes Gaseinen erheblichen Druck, der durch Plasma-dichte und -temperatur bestimmt ist. In einembrennenden Plasma führen die genanntenZündbedingungen zu einem Plasmadruck von5 bis 10 bar. Dieser Druck muss durch dasMagnetfeld aufgefangen werden, das über dieBindung der Teilchen an die Feldlinien einenGegendruck ausübt und so das Plasma ein-schließt; die Gefäßwände verspüren davonnichts. Der Druck des Magnetfeldes ist durchdas Quadrat seiner Feldstärke bestimmt. DasVerhältnis von Plasmadruck zu Magnetfeld-druck, genannt Beta, sollte nicht zu klein sein,weil die Erzeugung starker Felder technischaufwändig und kostspielig ist. Eines derwichtigen Ziele der Fusionsphysik ist daherdie Untersuchung der Bedingungen, die Beta-Werte von mindestens einigen Prozentengarantieren.

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Stöße undVerunreinigungen

Stöße der Ionen im Plasma untereinandersind eine wichtige Voraussetzung für die

Fusion: Nur bei einem Zusammenstoß zweierIonen kann eine Verschmelzung stattfinden.Die allermeisten Stöße führen allerdings nichtzur Fusion, sondern nur zu einer Änderungvon Richtung und Geschwindigkeit der auf-einanderprallenden Ionen. Dadurch wirdderen Bindung an die Feldlinien kurzzeitigaufgebrochen. Jeder Stoß versetzt die Ionenauf eine neue Feldlinie in der Nachbarschaftder früheren. So können Plasmateilchen nachzahlreichen Stößen, auch wenn sie zunächstim Inneren des Plasmas eingeschlossen waren,nach außen und schließlich auf die Wand desPlasmagefäßes gelangen.

Bei diesen Stößen wird abgesehen von denTeilchen auch Energie nach außen trans-portiert. Diese Energietransportprozesse be-stimmen die Wärmeisolation, d.h. bei gegebe-ner Heizleistung den Energieinhalt des Plasmasund die Fusionsausbeute in einem späterenKraftwerk. Dabei wird der Einschluss der Wär-meenergie des Plasmas bei gegebener Isola-tionsfähigkeit um so besser, je dicker die iso-lierende Magnetfeldschicht ist, d.h. je größerdie Fusionsapparaturen sind. Dies hat zurFolge, dass ein Fusionskraftwerk unter einerbestimmten Mindestgröße nicht funktioniert.Eine wichtige Aufgabe der gegenwärtigen Ex-perimente ist es, hier die erforderliche Daten-basis zu beschaffen.

Typische Energieeinschlusszeiten in großenExperimenten reichen bis etwa eine Sekunde.Die modernen Fusionsanlagen erreichendamit beachtliche Wärmeisolationswerte vonmehreren Millionen Grad pro Zentimeter Mag-netfelddicke. Trotz dieser hohen Einschluss-güte ist der Einschluss ein Problemfeld, dasdie Fusionsforschung stark beschäftigt. Dennneben den stoßbedingten, sogenannten „klassi-schen“ und - in toroidalen Anlagen - „neo-klassischen“ Verlusten gibt es weitere auf-grund der turbulenten Natur des Plasmas.Während die stoßbedingten Transportanteilesich beschreiben und verstehen lassen, habendie diagnostischen und theoretischen Schwie-rigkeiten auf dem Gebiet starker Turbulenzein genaues Verständnis des „anomalen“ Trans-ports bislang verhindert.

Stöße sind auch die Ursache dafür, dassTeilchen, die sich ursprünglich am Rand desPlasmas befanden, bis in das Innere vordrin-

gen. Auf diese Weise können auch Wand-atome, die durch Plasmateilchen aus derWand des Plasmagefäßes herausgeschlagenwurden, in das Plasma eindringen. Die schwe-ren Atome der Elemente Eisen, Nickel,Chrom, Sauerstoff, o. ä. sind jedoch - andersals der leichte Wasserstoff - auch bei denhohen Fusionstemperaturen nicht vollständigionisiert. Je höher die Ladungszahlen dieserVerunreinigungen sind, desto mehr Elek-tronen sind noch an die Atomrümpfe gebun-den. Umso stärker entziehen sie dem PlasmaEnergie und strahlen sie als Ultraviolett- oderRöntgenlicht wieder ab. Auf diese Weisekühlen sie das Plasma ab, verdünnen es undverringern so die Fusionsausbeute. Oberhalbeiner bestimmten Verunreinigungskonzen-tration kann ein Plasma überhaupt nicht mehrzünden. Die zulässige Konzentration ist fürleichte Verunreinigungen wie Kohlenstoffund Sauerstoff mit einigen Prozent relativ

Die für die Zündung und das Brennen einesFusionsplasmas maximal zulässigenKonzentrationen verschiedener Verunreini-gungen. Je höher die Ordnungszahl derElemente, desto niedriger muss ihre Konzen-tration im Plasma sein.

1 2 5 10 20 50 100Ordnungszahl

10–4

10–3

10–2

10–1

100

100 Mio Grad

O

Fe W

Ni

Mo

C

200 Mio Grad

Maximal zulässigeVerunreinigungskonzentration

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hoch. Sie sinkt jedoch mit zunehmender Ord-nungszahl der Elemente und beträgt für me-tallische Verunreinigungen wie Eisen, Nickeloder Molybdän gerade noch wenige Promille.Die Kontrolle der Wechselwirkungen zwi-schen dem heißen Plasma und der Wand zurErzeugung „sauberer“ Plasmen ist daher eineder großen Aufgaben der Fusionsforschung.

Der Plasmaeinschluss wird außer durchStöße vor allem durch Instabilitäten

behindert. Instabil nennt man einen Vorgang,bei dem eine anfangs geringe Störung eineKraft hervorruft, die diese Störung verstärkt.Die Abbildung gibt zwei Beispiele: Der obereTeil der Abbildung zeigt ein Plasma, in demein elektrischer Strom fließt. Sein Magnetfeldhält das Plasma in einem geraden zylindri-schen Schlauch zusammen; die Magnetfeld-linien liegen wie Ringe um den Schlauch.Wenn sich der Plasmaschlauch durch einezufällige kleine Störung nach oben aus-buchtet, dann verdichten sich die Feldlinienan der unteren Einwölbung. Der damit ver-bundene höhere Magnetfelddruck drückt dasPlasma noch weiter nach oben. In der Abbil-dung unten hat sich der Plasmaschlauchzufällig an einer Stelle zu einem etwas gerin-geren Durchmesser verengt. Die von einemStrom am Plasmarand erzeugte Magnetfeld-stärke ist aber umso größer, je kleiner der Plas-maradius ist. Also wird dort das Magnetfeldund damit sein Druck stärker und presst denSchlauch infolgedessen weiter zusammen.Unter Umständen wird auf diese Weise derStrom unterbrochen und damit auch der Plas-maeinschluss zerstört. Instabilitäten dieserArt lassen sich verhindern, wenn der Strom ineinem Längsmagnetfeld fließt. Dieses Feldübt dann zum Beispiel beim Zusammen-drücken einen Gegendruck aus.

Die Anzahl möglicher Instabilitäten ist sehrgroß. Die Ursache der verschiedenen Instabili-täten zu erkennen und Gegenmaßnahmen zufinden, war eines der Hauptarbeitsfelder inden Anfängen der Fusionsforschung. Es erfor-dert in den meisten Fällen lange Experiment-reihen und eine intensive Zusammenarbeitvon Experimentalphysikern und Theoretikern. Aktuelle Beispiele sind die Beta-Grenze fürden Plasmaeinschluss sowie die Stromab-bruchinstabilität der Tokamaks.

Bis zur Zündung muss das Plasma von außengeheizt werden. Dafür stehen mehrere Me-thoden zur Verfügung.

Die Stromheizung

Das Plasma ist elektrisch leitfähig und be-sitzt wegen der Stöße seiner Teilchen

einen Widerstand. Wird daher ein elektrischerStrom durch das Plasma geschickt, erzeugt er- wie in einer elektrischen Kochplatte - überden Widerstand Wärme im Plasma. Da dieStöße der Teilchen und damit der Widerstanddes Plasmas mit zunehmender Temperatur ab-nehmen, ist diese Methode nur zur Anfangs-heizung des Plasmas geeignet.

Der Strom wird im Plasma am einfachstenüber einen Transformator erzeugt, bei demdas leitende Plasma die Aufgabe der Sekun-därwicklung übernimmt: Solange in der Pri-märwicklung des Transformators der Stromansteigt, wird auch im Plasma ein Stromgetrieben. Da der Plasmastrom seine Rich-tung nicht umkehren und nicht verschwindensoll, kann immer nur eine Halbwelle derinduzierten Wechselspannung ausgenutztwerden. Der von einem Transformator ge-triebene Strom fließt daher nur pulsweise. InASDEX Upgrade können bis zu 2 MillionenAmpere erzeugt werden; JET kann fürmehrere Sekunden einen Strom von 7 Milli-onen Ampere aufrechterhalten. Für ITER sind

Zwei Beispiele fürInstabilitäten in einemstromdurchflossenenPlasma: In der Abbil-dung oben hat sich derPlasmaschlauch zufäl-lig nach oben ausge-buchtet. Dadurch ver-dichten sich die Feld-linien an der unterenEinwölbung. Der damitverbundene höhereMagnetfelddruckdrückt das Plasmaweiter nach oben. Inder Abbildung untenhat sich der Strom-querschnitt an einerStelle verengt. DasFeld und damit derDruck an der Ver-engung ist also größerals im übrigen Teil unddrückt das Plasmaweiter zusammen.

Magnetfeld-linien

Strom-richtung

Druck

DruckInstabilitäten

Plasmaheizung

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Stromstärken von 15 Millionen Ampere fürmindestens 300 Sekunden geplant.

Die HochfrequenzheizungDie Ionen und Elektronen eines Plasmasführen im Magnetfeld verschiedene Eigen-schwingungen aus, die von außen durch Ein-strahlung einer elektromagnetischen Welleder richtigen Frequenz resonant angeregt wer-den können. Dabei nehmen die TeilchenEnergie aus dem Feld der Welle auf und ge-ben sie über Stöße an die anderen Teilchenweiter. Besonders geeignete Resonanzenbieten zum Beispiel die oben beschriebenenKreisbewegungen der Ionen und Elektronenum die Magnetfeldlinien. Die Kreisfrequenz(Zyklotronfrequenz) der Ionen liegt bei denüblichen Magnetfeldstärken zwischen 10 und

100 Megahertz, die der leichteren Elektronenzwischen 60 und 150 Gigahertz.

Die NeutralteilchenheizungDie Neutralteilcheninjektion ist ein seit vielenJahren bewährtes Verfahren, um Energie undTeilchen in Plasmen einzukoppeln. Teilchenhoher Bewegungsenergie, die in das Plasmahinein geschossen werden, geben über Stößeihre Energie an die Plasmateilchen ab undheizen sie auf (Abbildung rechts): In demNeutralteilcheninjektor werden zunächst ineiner Ionenquelle positiv geladene Ionenerzeugt, dann durch ein Beschleunigungsgitter

abgesaugt und auf die gewünschte Geschwin-digkeit beschleunigt. Damit die schnellenIonen durch den Magnetfeldkäfig nicht abge-lenkt werden und ungehindert in das Plasmaeindringen, müssen sie vorher wieder neutra-lisiert werden. Da dies nur bei einem Teil derIonen gelingt, werden die nicht neutralisiertenIonen mit einem magnetischen Ablenksystemaus dem Strahl entfernt. Sie werden in einenIonensumpf gelenkt, wo ihre Energie aufge-nommen - später vielleicht auch zurückgewon-nen wird. Die neutralisierten Teilchen dagegenschießen mit einer Geschwindigkeit von eini-gen 1000 Kilometern pro Sekunde in dasPlasma hinein und werden dort durch Stößewiederum ionisiert. Sie sind nun als schnelleIonen im Magnetfeld gefangen und geben überweitere Stöße ihre Energie an die Plasma-teilchen ab.

Stromheizung:Ein relativ kleiner

Strom, der in vielenWindungen um den

Eisenkern einesTransformators geführt

wird, kann in der„Sekundärwicklung“,

dem Plasmaring, einengroßen Strom treiben.

Hochfrequenzheizung: Wenn eine elektro-magnetische Welle die gleicheDrehfrequenz hat wie ein Ion bzw. Elektronim Magnetfeld, kann das Teilchen aus demelektrischen Feld der Welle Energieaufnehmen.

Wellenleiter der Ionen-Zyklotron-Resonanzheizung an ASDEX Upgrade

Fot

o: P

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Gin

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Experimenttypen

Neutralteilchenheizung:In dem Injektor werdenin einer IonenquelleIonen erzeugt, dannbeschleunigt und neu-tralisiert. Die schnellenTeilchen dringen in dasPlasma ein, wo sie ihreEnergie über Stöße andie Plasmapartikelweitergeben.

Die Teilchen können um so tiefer in dasPlasma eindringen, je schneller sie sind. Daaber mit wachsender Geschwindigkeit der Neu-tralisationsgrad der positiven Ionen abnimmt,sinkt auch der Wirkungsgrad der Heizung.Für große Plasmaexperimente wie ITER, beidenen große Eindringtiefe erwünscht ist, sindpositive Ionenstrahlen daher ungeeignet. Manwill deshalb negative Ionen nutzen, deren Neu-

tralisationsgrad energieunabhängig ist. IhreHerstellung ist allerdings schwieriger als diepositiver Ionen, weil das zusätzliche Elektrondes negativen Wasserstoff-Ions nur schwachgebunden ist. Injektoren mit negativen Ionenwerden an mehreren Laboratorien entwickelt,unter anderem für ITER in einer Zusammen-arbeit zwischen CEA Cadarache und IPP.

Die Fusionsforschung konzentriert sich gegen-wärtig auf zwei verschiedene Experimenttypen,den Tokamak und den Stellarator, die beide imMax-Planck-Institut für Plasmaphysik unter-sucht werden.

Um die magnetischen Flächen des Mag-netkäfigs aufzubauen, schließen in

einem Tokamak zwei sich überlagerndeMagnetfelder das Plasma ein: erstens ein toroi-dales Feld, das durch äußere Spulen erzeugtwird, und zweitens das Feld eines im Plasmafließenden Stroms. Dessen Feldlinien schlie-ßen sich kreisförmig um den Strom. In demkombinierten Feld laufen die Feldlinien dannschraubenförmig um die Seele des Torus, diezentrale Magnetfeldlinie. Auf diese Weise

wird die zum Einschluss des Plasmas nötigeVerdrillung der Feldlinien und der Aufbaumagnetischer Flächen erreicht.

Wenn sich die Feldlinien auf den ineinandergeschachtelten Flächen bei einem Umlauf umden Torus alle gleich oft um die Seele drehen,nennt man das Feld verscherungsfrei. Ein Toka-makfeld weist stets eine Verscherung auf. Hierdrehen sich die Feldlinien auf den innerenMagnetfeldflächen öfter um die Seele als aufden äußeren (siehe Abbildung Seite 11).

Außer dem Toroidalfeld und dem Feld desStromes benötigt der Tokamak noch ein drit-tes, vertikales Feld, das die Lage des Stromesim Plasmagefäß fixiert. Obwohl der Strom imTokamak vorwiegend benötigt wird, um daseinschließende Magnetfeld zu erzeugen, hater noch eine zweite Funktion: Er sorgt auchfür eine wirksame Anfangsheizung des Plas-mas (siehe Abschnitt: Stromheizung).

Der Plasmastrom wird durch eine Trans-

Der Tokamak

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formatorspule induziert, die in der Achse desTorus angeordnet ist. Wegen des Transforma-tors arbeitet ein Tokamak nicht kontinuier-lich, sondern gepulst: In einem Transformatorkann nur für eine beschränkte Zeit ein anstei-gender Strom in der Primärwicklung erzeugtund damit ein Strom im Plasma getriebenwerden. Danach muss der Transformator„entladen“ und der Strom von neuem hochge-fahren werden. Bei einem späteren Tokamak-kraftwerk kann man sich Pulszeiten von etwa

einer Stunde vorstellen. Da jedoch ein Kraft-werk aus technischen Gründen kaum gepulstbetrieben werden darf, werden Methodenuntersucht, einen kontinuierlichen Strom -zum Beispiel durch Hochfrequenzwellen oderden sogenannten „Bootstrap-Strom“, derdurch Druckunterschiede im Plasma entsteht -zu erzeugen.

Stellaratoren können - anders als Tokamaks- von vorneherein im Dauerbetrieb arbei-

ten: In einem Stellarator wird die schrauben-förmige Verdrillung der Feldlinien um dieTorus-Seele ausschließlich durch äußereSpulen erzeugt. Ein Stellarator kommt alsoohne einen Längsstrom im Plasma und damitohne Transformator aus. Er kann daher imPrinzip stationär arbeiten. StromgetriebeneInstabilitäten (Plasmaabbrüche) können nichtauftreten und auch ein Vertikalfeld - wie beimTokamak - zur Lageregelung des Plasma-stroms ist nicht nötig. In einem Stellaratorwird der magnetische Käfig durch ein einzi-ges Spulensystem erzeugt. Der Verzicht aufden ringförmigen Plasmastrom bedeutet je-doch die Aufgabe der bei den Tokamaks vor-handenen Axialsymmetrie; Plasma und Mag-netspulen besitzen eine kompliziertere Form.Durch die Aufgabe der Axialsymmetrie ge-winnt man aber auch zusätzliche Freiheiten, dasMagnetfeld zu formen und damit seine Eigen-schaften zu optimieren. Für ein Fusionskraft-werk könnten Stellaratoren eine technischeinfachere Lösung sein als Tokamaks. Auftheoretischem Wege ist diese Frage nicht zubeantworten, sie experimentell zu entschei-den, ist das Ziel der WENDELSTEIN-Expe-rimente des IPP.

Auch das Magnetfeld des Stellarators be-sitzt magnetische Flächen und kann mit undohne Verscherung erzeugt werden. Die soge-nannte „Rotationstransformation“ gibt an,wie oft sich eine Feldlinie bei einem Umlaufim Gefäß um die Seele gedreht hat. Ist dieseine rationale Zahl, bedeutet dies, dass dieFeldlinie wieder in sich zurückläuft. Beispiels-weise bedeutet eine Rotationstransformationvon 1/3, dass die Feldlinie nach drei Umläu-fen um den Torus in sich zurückläuft. Ist dieRotationstransformation nicht rational, laufendie Feldlinien beliebig oft auf ihrer magneti-schen Fläche um, ohne jemals wieder andieselbe Stelle im Torus zu kommen. In

Die Skizze einesTokamaks zeigt die

Transformator-,Toroidalfeld- und

Vertikalfeldspulensowie den Plasma-

strom, die zusammendas Magnetfeld-

system einesTokamaks erzeugen.

Die schematische Skizze eines Stellarators zeigt ein System aus nicht-ebenen Einzelspulen. Ihre spezielle Form bewirkt die Drehung derFeldlinien um die Seele, ohne dass ein Strom im Plasma fließen muss.

Der Stellarator

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einem Magnetfeld ohne Verscherung hättenalle Feldlinien die gleiche Rotationstrans-formation und schlössen sich bei einem ratio-nalen Wert nach der gleichen Zahl von Um-läufen mit sich selbst.

Es zeigt sich, dass der Plasmaeinschlussstark von der Rotationstransformation desFeldes abhängt. Gutes Einschlussverhaltenstellt sich ein, wenn man niedrige rationaleWerte der Rotationstransformation wie 1/2,1/3, 2/3, 1/4, ... vermeidet. Wesentliche Bei-träge zur Klarstellung dieses Sachverhalteslieferten die WENDELSTEIN-Anlagen desIPP. Für Experimente dieser Art ist zumBeispiel der Stellarator WENDELSTEIN 7-AS mit zusätzlichen Toroidalfeldspulen aus-gerüstet, mit denen die Feldverdrillung verän-dert werden kann.

Die Fusionsexperimente in der gegenwär-tigen Phase der plasmaphysikalischen

Grundlagenforschung arbeiten mit kurzenPlasmaentladungen von 1 bis 20 SekundenDauer. Während dieser Zeit haben sich diewesentlichen Vorgänge im Plasma eingepen-delt, so dass ein weitgehend unveränderlicherZustand erreicht ist. Längere Entladungenwürden - wegen des hohen Stromverbrauchsder Magnetspulen - die Experimente unnötigverteuern. In einem spä-teren Tokamakkraftwerkrechnet man jedoch mit Ent-ladungsdauern bis zu einerStunde, ein Tokamak mitnicht-induktivem Strom-trieb bzw. ein Stellarator-kraftwerk würden im Dau-erbetrieb arbeiten. DieseAnlagen werden dann abersupraleitende Magnetspulenbesitzen, die wesentlichweniger Leistung verbrau-chen als die heute über-wiegend genutzten normal-leitenden Kupferspulen.

Der Ablauf eines Expe-rimentiertages orientiertsich an einem vorher fest-gelegten wissenschaftli-chen Programm. Experi-mentleiter und technischeMannschaft sorgen zusam-men mit den zuarbeitendenGruppen für die Stromver-

sorgung, Plasmaheizung und Datenaufnahmedafür, dass die geplante Folge von Plasma-entladungen abgearbeitet wird. Die zahlrei-chen Physiker, die die Plasmadiagnostikenbetreuen, sind für das Sammeln möglichstumfangreicher Daten verantwortlich, die zu-nächst zwischengespeichert werden. Die end-gültige Archivierung und vor allem die Aus-wertung geschieht erst im Anschluss an dieexperimentelle Arbeit.

Ablauf einer TokamakentladungDer typische Ablauf einer Tokamakentladungim Experiment ASDEX Upgrade ist in derAbbildung unten dargestellt. Sie zeigt diezeitliche Entwicklung wichtiger physikalischerGrößen - Transformatorstrom, Umfangs-spannung, Plasmastrom, Plasmadichte, Plas-maheizung, Energieinhalt des Plasmas undPlasmatemperatur: Vor der Entladung herrschtim Plasmagefäß ein Hochvakuum von 10-8

Millibar. Durch Einschalten der Stromversor-gungen wird zunächst das äußere Magnetfeldaufgebaut sowie der Strom in der Transfor-matorspule hochgefahren, die später im Plasmaden Plasmastrom induzieren soll. Kurz vorBeginn der Entladung wird Wasserstoffgas indas Gefäß eingelassen, der Druck steigt aufeinige 10-5 Millibar. Anschließend wird derTransformator entladen, d.h. der Strom lang-sam heruntergefahren. Die damit verbundenemagnetische Flussänderung induziert eineUmfangsspannung von etwa zehn Volt, die

Plasmaentladungen

Ablauf einer typischenEntladung in einemTokamak: Gezeigt istdie zeitliche Entwick-lung von Transformator-strom, Umfangsspan-nung, Plasmastrom,Plasmadichte, Plasma-heizung, Energieinhaltund Plasmatemperatur.

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Plasmadichte (1019m–3)

Plasmastrom (MA)

Heizung (MW)

Umfangsspannung (V)

Transformatorstrom (kA)

Elektronentemperatur (Mio Grad)

Plasmaenergie (MJ)

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die Entladung startet: Das Wasserstoffgaswird ionisiert und verwandelt sich in einPlasma, das durch feedback-kontrollierte Re-gelung der Plasmalage, des Plasmaquer-schnitts und des Plasmastromes aufgebautwird. Der Stromaufbau geschieht langsam,um Instabilitäten zu vermeiden. Angepasst anden Stromanstieg wird auch die Plasmadichtedurch Gaseinlass von außen auf den gewünsch-ten Wert gebracht. An die Phase des Strom-aufbaus schließt sich die Plateauphase mitkonstantem Plasmastrom an, in der mit Be-ginn der Plasmaheizung die eigentlichenExperimente ablaufen.

Das Ende der Entladung ist i.a. bestimmt

durch den Transformator, der den Plasma-strom erzeugt. Ist dort das Stromminimumerreicht - in der Abbildung nach vier Sekun-den - dann ist keine weitere Flussänderungmehr möglich: der Strom im Plasma wirdheruntergefahren. In der Wartezeit zwischenzwei Entladungen - rund zehn Minuten - wer-den die stromliefernden Generatoren wiederaufgeladen.

Ablauf einer StellaratorentladungIn einer Stellaratorentladung (siehe Abbil-dung unten) wird zunächst - durch Ein-schalten des Spulenstroms - das Magnetfeldaufgebaut, das seine Einschlusseigenschaftenbereits ohne Plasma besitzt. Wie beimTokamak wird kurz vor der Entladung Wasser-stoffgas in das leere Gefäß eingelassen. DasPlasma wird jedoch nicht durch Induktioneiner Umfangsspannung und daraus folgen-dem Plasmastrom erzeugt, sondern durchEinstrahlung hochfrequenter elektromag-netischer Wellen. Die Hochfrequenzwellenbeschleunigen und heizen die Elektronen imWasserstoffgas bzw. im entstehenden Plasma,die dann durch Stöße das Gas vollständigionisieren.

Da im Unterschied zum Tokamak derlangsame und kontrollierte Stromaufbau ent-fällt, bestimmt nur der Dichteaufbau dieAnfangsphase der Entladung, so dass raschdie für die Plasmaexperimente entscheidendePlateauphase erreicht wird. Zur Regelung istlediglich auf die richtige Gas-Nachfüllrate zu

achten, um die Plasmadichte stabilzu halten. Um kleine, vom Plasmaselbst erzeugte Ströme - den soge-nannten „Bootstrap-Strom“ - zukompensieren, benutzen einigeStellaratoren, zum Beispiel auchWENDELSTEIN 7-AS, noch einenTransformator. Vollständig opti-mierte Anlagen wie WENDEL-STEIN 7-X können jedoch auf dieseSteuerung verzichten. Allein dieDauer der Heizung bestimmt dasEnde der Entladung, was im Prinzipden Dauerbetrieb möglich macht.

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Zeit [s]1.0 1.5

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Elektronentemperatur (Mio Grad)

Plasmaenergie (kJ)

ECRH-Heizung (kW)

Plasmadichte (1019 m–3)

Gas (1018 Teilchen/s)

Typische Stellarator-Entladung: Gezeigt istdie zeitliche Entwick-lung von Gasfüllung,

Plasmadichte, Plasma-heizung, Energieinhalt

und Plasmatemperatur.Ein Plasmastrom ist

nicht notwendig.

Kontrollraum derFusionsanlage WEN-DELSTEIN 7-AS. Von

hier aus wird derAblauf der Experimente

gesteuert.

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Elemente derFusionsexperimente

Plasmagefäß getroffen werden. Anders ist dies bei Expe-rimenten wie JET, das bereits mit Tritiumexperimentiert, oder dem geplanten Testreak-tor ITER, der mit einem brennenden Deu-terium-Tritium-Plasma arbeiten wird. Hierwerden an das Gefäß besondere Anforde-rungen gestellt, zum Beispiel Doppelwandig-keit.

Damit bei einem Tokamak der Transfor-mator den Strom im Plasma und nicht in derGefäßwand induziert, muss die Leitfähigkeitdes Gefäßes sehr gering sein oder der Torusdurch einen Isolatorspalt getrennt sein. We-gen der hohen Beanspruchung durch Druckund magnetische Kräfte, die durch lokal indu-zierte Ströme hervorgerufen werden können,kommt als Gefäßmaterial vor allem Edelstahlin Frage. Für Diagnostiken, Heizungen undSteuerungen benötigt das Gefäß zahlreicheÖffnungen und Stutzen. Im Fall von ASDEXUpgrade sind dies 115 Öffnungen, das Plasma-gefäß von WENDELSTEIN 7-X wird mehrals 300 Öffnungen besitzen, die vakuumdichtangeschweißt oder über Metalldichtungen mitdem Gefäß verbunden werden.

Blick in dasPlasmagefäß vonASDEX Upgrade. DieWände sind vollständigmit Graphitziegelnbedeckt. DieKohlenstoffplattensollen während desExperimentierens dieGefäßwand vor demheißen Plasma undumgekehrt das Plasmavor metallischenVerunreinigungen ausder Wand schützen.

Obwohl das Plasma durch ein Magnetfeldeingeschlossen wird, muss es in einem

Gefäß erzeugt werden, das sowohl dasEindringen von Luft als auch das Austretendes Brennstoffs - Wasserstoff und Deuterium,später das radioaktive Tritium - verhindert.Schon geringe Mengen eindringender Luftwürden ein brennendes Plasma sofort zumErlöschen bringen. Ein Fusionskraftwerk istauch aus diesem Grund inhärent sicher gegenein „Durchbrennen“ bei einem Schadensfall.Das Gefäß muss vakuumdicht sein und aufeinen Druck unter 10-8 Millibar - also Ultra-hochvakuum - ausgepumpt werden können.Das ist nur möglich, wenn für das Gefäß aus-schließlich Materialien mit niedrigem Dampf-druck verwendet werden, die auch bei hohenTemperaturen von 100 bis 300 Grad ausge-heizt werden können.

Da für die Experimente im IPP kein Tritiumbenötigt wird, müssen hier keine Vorkeh-rungen gegen das Entweichen von Tritium

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Das Blanket - ein Bauteil, das in heutigenFusionsexperimenten noch nicht benö-

tigt wird - wird in ITER und einem späterenFusionskraftwerk eine wichtige Rolle spielen.Dort wird es in rund einem Meter Dicke dieinnere Wand des Plasmagefäßes bedecken.Die aus dem Plasma kommenden schnellenFusionsneutronen werden im Blanketmaterialabgebremst. Ihre Bewegungsenergie wandeltsich dabei in Wärme um, die durch ein Kühl-

mittel über einen Wärmetauscher und Dampf-erzeuger zur Stromproduktion weitergeführtwird. Außerdem erzeugen die abgebremstenNeutronen im Blanket aus Lithium den Fu-sionsbrennstoff Tritium (siehe Seite 9). Einean der Rückwand des Blankets angebrachteAbschirmung schließlich schirmt die Magnet-spulen und äußere Teile der Anlage vor denNeutronen ab.

Das Blanket ist hohen Belastungen ausge-setzt: Dies sind zum einen die Einwirkungendes Plasmas, die sich jedoch nur auf eine rela-tiv dünne Schicht der Ersten Wand auswirken:Teilchen und elektromagnetische Strahlungaus dem Plasma verursachen thermo-mecha-nische Belastungen sowie hohe Wärmefluss-dichten - bis zu 10 Megawatt pro Quadrat-meter auf den relativ kleinen Flächen desDivertors und etwa 0,2 Megawatt pro Qua-dratmeter auf der übrigen Wand. Aktiv gekühl-te Bauteile, die Spitzenwerte von 20 Mega-watt pro Quadratmeter kontinuierlich abfüh-ren können und extremen thermo-mechani-schen Belastung standhalten, wurden bereitserfolgreich erprobt. Hinzu kommt die Erosionvon Wandmaterial, das durch das Plasmaabgetragen wird. Dadurch kann einerseits die

Wand geschädigt werden, andererseits verun-reinigen die aus der Wand erodierten Materi-alien das Plasma. Methoden, dem entgegen-zuwirken, werden auf Seite 68 beschrieben.Für das Materialverhalten im Kraftwerk amwichtigsten ist die Belastung durch dieenergiereichen Fusionsneutronen. Sie dringenin die Erste Wand und das Blanket ein undgeben dort ihre Energie ab. Dabei aktivierensie die Baustoffe und können - je nach Material- Störungen hervorrufen wie Schwellen, Krie-chen, Verfestigung und Versprödung.

Es ist die Aufgabe der Materialforschung,neue Materialien für die speziellen Bedingun-gen in Fusionsanlagen herzustellen und wei-terzuentwickeln. So werden im IPP für beson-ders beanspruchte Stellen des Plasmagefäßeswie Divertor und Erste Wand Materialien undBeschichtungen entwickelt, die hitzebestän-dig sind gegen physikalische und chemischeErosion. Außerdem Ziel der Entwicklungs-arbeiten - in Deutschland vor allem im For-schungszentrum Karlsruhe - sind widerstands-fähige und zugleich niedrig-aktivierbareWerkstoffe. Ihre Zusammensetzung soll zueiner möglichst geringen und rasch abklingen-den Aktivierung führen und damit eine ein-fache Wiederverwendung oder Entsorgungmöglich machen.

Die Wechselwirkung von Plasma undGefäßwand wird in heutigen Experimentenwie ASDEX Upgrade und JET intensivstudiert. Dies kann mit ITER unter kraftwerks-relevanten Plasmabedingungen fortgesetztwerden. Dagegen spielen Neutronenschädenin ITER wegen der vergleichsweise kurzenEntladungen und der geringen akkumuliertenNeutronenfluenz von 0,1 Megawattjahren proQuadratmeter in zehn Jahren Betrieb nochkeine große Rolle. Die Entwicklung neutro-nenbeständiger Materialien muss daher paral-lel zu ITER vorangetrieben werden. Teilweisekönnen die zu erwartenden Neutronen-schäden an Beschleunigeranlagen oder Spalt-

Das Blanket

Aufbau einesFestkörper-Blanket-

Moduls

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Kügelchen aus keramischem Lithiumoxid(Li4SiO4, Durchmesser rund 0,5 Millimeter)

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reaktoren simuliert werden, wo in umfangrei-chen Testreihen unterschiedliche Materialiengeprüft werden. Zur endgültigen Qualifi-zierung der Materialien ist jedoch eine Neu-tronenquelle erforderlich, in der Proben imreaktorrelevanten Energiebereich mit Neutro-nen bestrahlt werden können. Eine solche„International Fusion Materials Irradia-tion Facility“ (IFMIF) wird zur Zeit ininternationaler Zusammenarbeit ge-plant. Die Ergebnisse aus dem Betriebvon ITER und aus der parallel laufen-den Materialentwicklung liefern danndie Grundlagen für den Demonstrations-reaktor DEMO, in dem Materialienund Komponenten in Langzeitver-suchen erprobt werden können.

Weltweit werden verschiedensteBlanketkonzepte mit unterschiedlichenKühlmitteln und Strukturmaterialienuntersucht. Im Rahmen des europäis-chen Fusionsprogramms werden für dasDEMO-Blanket zwei unterschiedlicheKonzepte entwickelt: das Feststoff- und dasFlüssigmetall-Blanket. Beide bestehen ausniedrig-aktivierbarem Stahl als Struktur-material und werden mit Helium gekühlt. Zurbesseren Austauschbarkeit ist das Blanket auseinzelnen Segmenten aufgebaut.

Der wesentliche Unterschied beider Kon-zepte ist der benutzte Brutstoff zum Erzeugendes Tritiums: Flüssigmetall-Blankets nutzeneine Mischung aus geschmolzenem Lithiumund Blei (Schmelzpunkt 235 Grad Celsius).Das Blei dient dabei als Neutronenver-vielfacher (hauptsächlich: 208Pb + n → 207Pb +2n), da ansonsten die aus dem Plasma kom-menden Neutronen nicht genügend Tritium er-zeugen würden. Zur Tritiumabtrennung undReinigung wird das flüssige Metall langsamnach außen umgewälzt. Die von den Fusions-neutronen im Blanket abgeladene Wärmeener-gie wird durch Helium abtransportiert, das beihohem Druck und hoher Temperatur durch vonder Schmelze umgebene Kanäle strömt.

Feststoff-Blankets dagegen setzen Lithium-haltige Keramiken als Brutmaterial ein. Hiernutzt man Beryllium als Neutronenverviel-facher entsprechend der Reaktion: n + 9Be →2 4He + 2n. Brutmaterial und Beryllium wer-den in fester Form, als kleine Kügelchen, indie Blanketsegmente eingeschüttet.

Ein Feststoff-Blanket ist folgendermaßenaufgebaut (siehe Abbildung links oben): Eindruckfestes stählernes Gehäuse umhüllt dieeinzelnen Segmente, aus denen das Blanketaufgebaut ist. Das Innere eines jedenSegments ist durch waagrechte Platten

unterteilt, in denen Kühlkanäle verlaufen.Dazwischen befinden sich Kugelschüttungenabwechselnd aus dem Brutmaterial Li4SiO4und dem Neutronenvervielfacher Beryllium.Das im Brutmaterial erzeugte Tritium wirddurch Helium ausgespült und abgeführt. Dazuströmt das Gas durch kleine Rohre in die

Kugelschüttungen und von dort zur Rück-wand, wo es durch Sammelleitungen aus demBlanket abgeleitet wird. Die Fusionsenergie der Neutronen wird ineinem getrennten Kühlkreislauf wiederumdurch Helium weitergeleitet. Das KühlmittelHelium strömt zunächst durch Kanäle direkthinter der Ersten Wand, dem Bereich höchsterLeistungsdichte. So vorgewärmt, strömt esdurch die Kanäle in den Platten durch dasBlanketinnere auf die Rückwand zu. Hierführen Kanäle mit größerem Querschnitt dasinzwischen auf 500 Grad Celsius erhitzteHelium in Richtung Dampferzeuger ab. Beidieser Temperatur wird ein thermischerWirkungsgrad von rund 37 Prozent erreicht.

Mit Hilfe von Teststücken sollen beideKonzepte in ITER erprobt werden. Insgesamtkönnen hier bis zu sechs unterschiedlicheBrutblanket-Module getestet werden. Geprüftwird dabei die elektromechanische Belastbar-keit der Bauteile bei Magnetfeldänderungenbzw. Stromabbrüchen, die thermo-mechani-sche Belastbarkeit, d.h. die Festigkeit gegenVerformungen, die durch thermische Aus-dehnung hervorrufen werden könnten, dieNeutronenfestigkeit, das Erzeugen, Abtren-nen und Migrieren des Tritiums sowie dieKühltechnik.

Da Wirkungsgrad und Leistungsdichte desBlankets wesentlich den Gesamtwirkungs-grad eines Fusionskraftwerkes bestimmen,wird intensiv an Materialien geforscht, diehöhere Temperaturen und damit einenhöheren Anlagenwirkungsgrad erlauben undzudem die Verfügbarkeit, Sicherheit undZuverlässigkeit des Bauteils noch verbessern.

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Für ITER ist in derersten Betriebsphase einAbschirmblanket vorge-sehen; erst später sollenauch Module desBrutblankets erprobt werden. Um die Herstell-barkeit des Abschirm-blankets zu prüfen, wur-den zwei Module inOriginalgröße gefertigt.Hier einer der Prototypen.

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Die Magnetspulen eines Fusionsexperi-mentes, die den magnetischen Käfig für

das Plasma erzeugen, müssen hohen Belas-tungen gewachsen sein, da nach dem Einschal-ten des Spulenstroms starke magnetischeKräfte zwischen den Spulen wirken. DieSpulen müssen daher hohe mechanischeFestigkeit besitzen und dürfen sich währenddes Experimentierens nicht unzulässig verfor-men. Mit Magnetkräften entsprechend einerGewichtskraft bis zu 1600 Tonnen drückt zumBeispiel jede der 16 Hauptfeldspulen vonASDEX Upgrade in das Zentrum. Aufge-fangen werden solche Kräfte entweder vondem Gesamtverband der Spulen selbst, diesich gegeneinander gewölbeartig abstützen,oder durch massive Stützstrukturen.

Die meisten Fusionsexperimente besitzenheute noch normalleitende Magnetspulen ausKupfer. Die 2,5 Meter hohen Hauptfeldspulenvon ASDEX Upgrade zum Beispiel wurdenaus massiven handbreiten Kupferschienengefertigt. Zur Kühlung sind sie von Boh-rungen durchzogen, durch die Kühlwasserfließt. Die Schienen wurden in Einzelwin-dungen in die gewünschte Spulenform vorge-

bogen, zusammengesetzt und verlötet. MitGlasfaserbändern isoliert und mit Kunstharzvergossen, erhalten die Windungen ihreVerbindung untereinander und die Spule dienötige mechanische Festigkeit. Die anspruchs-voll geformten Spulen für Stellaratorex-perimente werden etwas anders als dieflachen Tokamakspulen hergestellt. Stattsteifer Kupferschienen benutzt man hierleichter biegbare Kupferlitze, die in Wickel-formen eingelegt wird. Wiederum sorgenGlasfaserbänder und Kunstharz für die Festig-keit.

Nur wenige der heutigen Experimente, zumBeispiel der französische Tokamak ToreSupra und der japanische Stellarator LHD(Large Helical Device) arbeiten bereits mitsupraleitenden Spulen. Wegen des hohenStromverbrauchs wird ein späteres Kraftwerkjedoch mit supraleitenden Magneten aus-gerüstet sein müssen. Auf tiefe Temperaturenabgekühlt, verbrauchen diese Spulen nachdem Einschalten keine Energie mehr; derSpulenstrom fließt verlustlos. Lediglich diewesentlich geringere Energie zum Kühlen derSpulen ist aufzuwenden. Für Fusionsmagnetekommen vor allem zwei supraleitende Materi-alien in Frage: Spulen aus Niob-Titan (NbTi)können bei einer Betriebstemperatur von vierKelvin (minus 269 Grad Celsius) Magnetfel-der bis etwa neun Tesla erzeugen; weiter abge-kühlt auf 1,8 Kelvin sogar Felder bis 12 Tesla.Höhere Felder bis zu etwa 15 Tesla werdenmit Niob-Zinn (Nb3Sn) erreicht. Anders alsNiob-Titan, das mechanisch gut bearbeitbarist, ist Niob-Zinn jedoch spröde und daherweniger leicht zu verarbeiten. Entwicklungenhin zu nochmals höheren Feldstärken, diehöhere magnetische Energiedichten und kom-paktere Geometrien ermöglichen, haben mitanderen Materialien - zum Beispiel (NbTi)3Sn- begonnen.

Supraleitende Spulen aus Niob-Titan sindzum Beispiel für den IPP-Stellarator WEN-DELSTEIN 7-X mit seiner relativ geringenMagnetfeldstärke von sechs Tesla (gemessenauf den Spulen, d.h. drei Tesla auf derMagnetfeldachse) vorgesehen. Das supra-leitende Material ist in dünnen Fasern inKupferdrähte eingebettet, die zu einem einZentimeter dicken Kabel verseilt werden.Flüssiges Helium zum Abkühlen auf vierKelvin fließt zwischen den Einzeldrähtendurch die Hohlräume des Kabels. Dazu ist dasKabel von einer heliumdichten Hülle umge-ben, die außerdem - zusammen mit Glasfaser-und Kunstharzverstärkung - auch für dieFestigkeit der Spule sorgt. Hierfür wurde ein

Querschnitt durch eineWicklung aus dem

Supraleiterkabel fürWENDELSTEIN 7-X:

Man erkennt dierechteckigen Kabel-

Windungen, die durchharzimprägnierte

Glasfaser gegeneinan-der elektrisch isoliert

sind. Eine Aluminium-Hülle umschließt

jeweils das Seil aussupraleitenden

Standard-Drähten.Durch die Hohlräume

zwischen den Drähtenfließt Helium zum

Kühlen auf Tieftempe-raturen nahe dem

absoluten Nullpunkt.

Magnetspulen

1 cm

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Kunstharz und schließlich das Verbinden derverschiedenen Lagen - folgten nach der Wär-mebehandlung. In einer Testanlage inNaka/Japan geprüft, zeigten Supraleiter undModellspule schließlich alle verlangtenEigenschaften.

Mit dem Hauptfeldspulen-Modell wollteman vor allem die komplexere Windungs-technik dieses Spulentyps entwickeln: Hierfürwurde ein anderes Stabilisierungs-Konzeptgenutzt. Das Niob-Zinn-Kabel wurde in eindünnes Hüllrohr eingezogen, in Form gebo-gen, dann erhitzt und isoliert. Zur mechani-schen Unterstützung wurden die Windungendann in die spiralförmigen Rillen einer mas-siven Stahlplatte eingelegt. Fünf dieser beid-seitig belegten Platten wurden in einemstützenden Stahlgehäuse zusammengefasst.Die fertige Spule wurde in der TestanlageTOSKA im Forschungszentrum Karlsruhe ineinem realistischen magnetischen Umge-bungsfeld getestet. Bei Temperaturen von vierKelvin flossen verlustlos Ströme bis zu 80Kiloampere - die höchste jemals in einer supra-leitenden Magnetspule erreichte Stromstärke.

Das Magnetfeld, das das Plasma ein-schließt, erfüllt den gesamten Raum des

Plasmagefäßes. Infolgedessen breitet sichauch das Plasma so weit aus, bis es die Ge-fäßwände berührt (siehe Abbildung Seite 22).Die Wand übernimmt dabei - abgesehen vonder Strahlung - an den Berührungsstellen die

Test der supraleitenden ITER-Modellspuleim Forschungszentrum Karlsruhe

Die Transformator-Probespule für deninternationalenExperimentalreaktorITER

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Plasmabegrenzung

besonderes Hüllenmaterial - eine Aluminium-legierung - gewählt, das während des Wickel-prozesses weich und biegbar ist und nachherdurch Erwärmen ausgehärtet werden kann. Sokönnen die Erfahrungen beim Wickeln dernormalleitenden Kupferspulen des Vorgän-gers WENDELSTEIN 7-AS direkt übernom-men werden.

Der für den Testreaktor ITER vorgeseheneLeiter aus Niob-Zinn soll ein Magnetfeld von11,8 Tesla (an der Spule, d.h. 5,3 Tesla auf derMagnetfeldachse) erzeugen. Die supraleiten-den Fasern sind in Kupferdrähte eingebettetund mit einem Edelstahlmantel umhüllt,innerhalb dessen das flüssige Helium zirku-liert. Nachdem zunächst Musterstücke geprüftwurden, sollten zwei komplette Modellspulen -je ein verkleinertes Modell für die Transforma-torspule und eine der 20 Hauptfeldspulen - dasVerhalten des Supraleiters im Verbund testenund die wesentlichen Herstellungsschrittezeigen. Das Modell für die Transformator-spule besteht aus zwei ineinander gestecktenModulen. Da Niob-Zinn ein sprödes Materialist, wurden in den ursprünglichen Fasern diebeiden Komponenten zunächst getrennt ineine Kupfermatrix eingebettet. In diesemZustand konnte das Kabel problemlos bear-beitet und gebogen werden. Erst nach einer200stündigen Wärmebehandlung bildete sichdann der supraleitende Verbund. Alle tempe-raturempfindlichen Arbeitsschritte - wie dieelektrische Isolierung, die Imprägnierung mit

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Blick in dasPlasmagefäß des

Experimentes ASDEX,das 1990 stillgelegt

wurde: Auf beidenSeiten ist ein Limiter

angebracht, der an dasPlasma herangefahren

werden kann. Dieengen Schlitze oben

und unten führen in dieDivertorkammern. Auf

diese Weise konnten inASDEX sowohl Limiter-

als auch Divertorent-ladungen ablaufen.

ganze Energie, die aus dem Inneren desPlasmas nach außen transportiert wird. Da siedafür normalerweise nicht geeignet ist, mussman für eine kontrollierte Begrenzung desPlasmas sorgen. Hierfür gibt es verschiedeneMöglichkeiten:

LimiterDie einfachste Methode, das Plasma einzu-grenzen, ist der Einbau von „Begrenzern“(Limiter) in das Plasma-gefäß, die aus der Ge-fäßwand in das Plasmahinein ragen. Sie sindso ausgelegt, dass siedie zu erwartendenEnergiemengen unge-fährdet aufnehmen kön-nen. Trotzdem ist esunvermeidlich, dass beidem Kontakt des Plas-mas mit Wand undLimitern Atome - zumBeispiel der ElementeEisen, Nickel, Chromoder Sauerstoff - her-ausgelöst werden undin das Plasma eindrin-gen. Je höher die La-dungszahlen dieser Ver-unreinigungen sind,desto mehr Elektronensind noch an die Atom-rümpfe gebunden. Um-so stärker entziehen siedem Plasma Energieund strahlen sie als für

die Fusion nutzloses Licht wiederab. Um dieses Problem zu ent-schärfen, werden Limiter dahermöglichst aus Materialien mitniedrigen Ladungszahlen herge-stellt, zum Beispiel aus Kohlen-stoff.

Magnetischer LimiterLeistungsfähiger als Limiter sindAnordnungen, die den direktenKontakt des eingeschlossenenPlasmas mit Wand oder Limitervermeiden. Dies wird möglich,wenn das Magnetfeld so gestaltetwird, dass auf eine geschlosseneäußere Magnetfläche - den letztengeschlossenen „Jahresring“ - nurnoch offene Magnetflächen folgen,deren Feldlinien auf die Wand tref-fen. Die letzte geschlossene

Magnetfläche wird „Separatrix“ genannt; siesepariert das Gebiet des guten Einschlussesinnen von einem nicht eingeschlossenenGebiet außen. Weil nur die äußeren Zonen derFelder die Wand oder Limiter-ähnlicheStrukturen berühren, laufen die meistenVerunreinigungen auf die Wand, bevor sie indas Plasma eindriften können. Weil das guteingeschlossene Plasma durch die Form desMagnetfeldes begrenzt ist, spricht man von

Zwei Querschnitte durch das ASDEX-Gefäß und die magnetischenFlächen des Feldes: rechts mit Limiter, links mit Divertor. DerLimiter begrenzt das Plasma und fängt alle Teilchen auf, die überdie letzte geschlossene Magnetfläche hinausgehen. Im Divertor-betrieb werden die Teilchen, die die Separatrix nach außen über-queren, in den Divertor geführt und dort auf den Prallplatten neu-tralisiert.

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Querschnitt durch dasPlasma-Gefäß vonASDEX Upgrade unddurch die magnetischenFlächen des Feldes.Hier liegen die dasDivertorfeld erzeugen-den Spulen - wie ineinem späterenKraftwerk - außerhalbdes Gefäßes. Daher istder Divertorraum nichtmehr - wie bei ASDEX -durch enge Schlitzevom Hauptraumgetrennt, sondernweit offen.

einem „magnetischen Limiter“. Da hier dasgut eingeschlossene Plasma nicht in direktemKontakt mit der Wand steht, kann derPlasmarand viel heißer sein, als bei materi-eller Limiterbegrenzung. Dies erklärt auchdie beobachtete Verbesserung des Ein-schlusses in solchen Experimenten.

DivertorDen besten Schutz des Plasmas erhält man,wenn die Feldlinien jenseits der Separatrixnicht direkt auf die Wand treffen, sondern inangemessener Entfernung vom heißen Plasma-zentrum auf speziell ausgerüstete Plattengelenkt werden, die die Plasmateilchen auf-fangen und neutralisieren. Das vor diesenPlatten entstehende Neutralgas baut einengegenüber dem Plasmahauptraum höherenDruck auf und kann dadurch leichter abge-pumpt werden.

Die im IPP am Experiment ASDEX(Axialsymmetrisches Divertorexperiment)mit Divertor ausgeführten Experimente habennicht nur zu besonders sauberen Plasmengeführt, sondern überraschend auch Plasmenmit hohen Einschlusszeiten ermöglicht, die inLimiter-Entladungen nicht erreichbar sind.Daher geht man inzwischen davon aus, dassein Divertor auch für ein späteres Fusions-kraftwerk notwendig ist. So wird der interna-tionale Testreaktor ITER mit einem Divertorausgerüstet sein. Um dies vorzubereiten,untersucht der ASDEX-Nachfolger ASDEXUpgrade die Funktion des Divertors unterkraftwerksähnlichen Bedingungen.

Ein über Divertoren begrenztes Plasmaverliert ständig Plasmateilchen, die -

zusammen mit den Verunreinigungen - vonden Divertorpumpen entfernt werden. Beieinem späteren Fusionskraftwerk wird aufdiese Weise auch die „Asche“ des Fusions-prozesses, das Helium, entfernt. Zum Nach-füllen gibt es verschiedene Methoden:Gaseinlass vom Gefäßrand, Neutralteilchen-injektion oder Pelletinjektion. Neben demGaseinblasen erscheint die Pelletinjektion alsbesonders geeignete Nachfüllmethode. Dabeiwird Deuterium - später eventuell auchTritium - so stark abgekühlt, bis es gefriertund Kügelchen (Pellets) von wenigenMillimetern Durchmesser geformt werden

können. In Gaskanonen oder Zentrifugenbeschleunigt, werden sie in das heiße Plasmahineingeschossen, wo sie wieder verdampfenund die einzelnen Atome ionisiert werden.

Da die Pellets den Brennstoff tief imPlasmainneren abladen, kann man mit dieserNachfüllmethode auch das Dichteprofil desPlasmas vorteilhaft verändern sowie - ineinem späteren Fusionskraftwerk - das Aus-waschen der Fusionsasche Helium aus dembrennenden Plasma verbessern. Die anASDEX Upgrade installierte und im IPPentwickelte Pelletzentrifuge kann Serien vonbis zu 80 Pellets pro Sekunde mit einerMaximalgeschwindigkeit von 1200 Meternpro Sekunde - vierfache Schallgeschwindig-keit - in das Plasma schießen. Dabei kann miteinem einzigen der etwa ein Milligrammschweren Pellets bis zu ein Drittel desPlasmas nachgefüllt werden.

Die Plasmadichte in ASDEX Upgrade kannvollständig über den Pelleteinschuss geregeltwerden. Ziel ist es, auf diese Weise nicht nurden zeitlichen sondern auch den räumlichenVerlauf der Plasmadichte zu modellieren:Wird das Plasma mit schnellen Pellets imZentrum nachgefüllt, spitzt sich die zentralePlasmadichte zu. Damit verbunden ist eineVerbesserung des Teilchen- und Energieein-schlusses im Magnetfeld, d.h. ein Anstieg derWärmeisolation der heißen Plasmamitte. Aufdiese Weise ließe sich in einem Deuterium-Tritium-Plasma die Zündung erleichtern.

Brennstoff-nachfüllung

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Nach der Zündung ist ein spitzes Dichteprofiljedoch weniger günstig, weil dann beiverbessertem Teilcheneinschluss auch dasVerbrennungsprodukt Helium zu lange fest-gehalten wird und den Brennstoff verdünnt.Erwünscht wäre nun ein flaches Dichteprofil,an dessen steilen Flanken das Helium nach

außen in die den Pumpen zugänglicheRandschicht gespült würde. Dies lässt sichmit kleinen, langsamen Pellets erreichen, dienur wenig in das Plasma eindringen. DiePellets werden so zu einem wichtigenSteuerinstrument für das Plasma, dessenMöglichkeiten - insbesondere im Hinblick aufden Testreaktor ITER - an ASDEX Upgradeim Detail studiert werden. Dort weisen jüng-ste Experimente sogar darauf hin, dass die fürden Betrieb von ITER nötigen Plasmadichtennur durch kombiniertes Nachfüllen perGasblasen und Pelletinjektion erreicht werdenkönnen.

Die extremen Bedingungen in einemFusionsplasma erfordern besondere

Messmethoden, um seinen Zustand zu diag-nostizieren. Generell versucht man, dieEigenschaften des Plasmas zu erkunden, ohnees zu stören, indem man die Wirkungen des

Blick in das Plasmavon ASDEX Upgrade.Die helle Spur links

oben ist die Bahn einesPellets aus gefrorenemDeuterium, das geradeim Plasma verdampft.

Kleines Bild: Blickvon oben auf die

Divertorplatten. Mansieht die Spuren von

drei kurz hintereinan-der in das Plasma

geschossenen Pellets.

Plasmadiagnostik

Plasmas nach außen untersucht. Diese Wir-kungen äußern sich in magnetischen oderelektrischen Feldern, durch die Aussendunggeladener oder neutraler Teilchen sowiedurch Strahlung im gesamten Bereich desFrequenzspektrums. Theoretische Arbeitenstellen den Bezug dieser Wirkungen zu denPlasmaeigenschaften her.

Neben diesen „passiven“ Methoden werdenauch aktive Verfahren eingesetzt, sofern mansicher sein kann, dass sie das zu untersuchen-de Plasma nicht verändern. Besonders ergie-big ist die Einstrahlung von Laserlicht oderMikrowellen, die durch das Plasma beein-flusst werden und so über seine EigenschaftenAuskunft geben können. Auch Teilchenstrah-len werden zur Diagnose verwendet.

Messung der ElektronentemperaturDie Temperatur der Elektronen äußert sicheindeutig in ihrer Geschwindigkeit. DieTemperaturmessung ist daher eigentlich eineGeschwindigkeitsmessung, die ähnlich funk-tioniert wie die Radar-Geschwindigkeits-messung an Automobilen: Ein intensives

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Lichtstrahlbündel einer festen Frequenz wirdvon einem Laser in das Plasma eingestrahlt.Das Licht wird an den bewegten Elektronengestreut (Thomsonstreuung) und erleidetdabei eine Frequenzänderung, die der Ge-schwindigkeit der Elektronen entspricht. Auseiner genauen Frequenzmessung des gestreu-ten Lichtes kann man so die Temperatur derElektronen berechnen.

Eine andere Methode benutzt die vomPlasma ausgesandte Elektronen-Zyklotron-strahlung. Die Plasmaelektronen, die sich mitder Zyklotronfrequenz auf Spiralbahnen umdie Magnetfeldlinien bewegen, strahlen dabeiWellen dieser Frequenz und deren Ober-wellen ab. In normalen Fusionsplasmen hängtdie Intensität der zweiten Oberwelle dieserStrahlung nur von der Temperatur ab, die aufdiese Weise messbar wird. Außerdem kannman aus der Frequenz der Strahlung auf dieMagnetfeldstärke und hieraus auf den Ent-stehungsort der Strahlung schließen. Aus derMessung von Intensität und Frequenz kannalso die Verteilung der Temperatur im gesam-ten Plasma bestimmt werden.

Messung der ElektronendichteMit Hilfe der Thomsonstreuung lässt sichnicht nur - aus der Frequenzänderung desLichtes - die Temperatur der Elektro-nen, sondern aus der Intensität desgestreuten Lichtes auch deren Dichtebestimmen. Mit geeichten Detektoren,die das Streulicht des Laserstrahls vonverschiedenen Orten des Plasmas auf-sammeln, erhält man so ein Profil derElektronendichte über dem Plasmaquer-schnitt. Da das benötigte Laserlichtgepulst erzeugt werden muss, ist dieBeobachtung des Plasmas mit dieserMethode nur während der kurzenPulszeiten möglich. Eine hohe Wieder-holungsfrequenz des Lasers ist daherwünschenswert. Der an ASDEX Up-grade eingesetzte Laser kann bis zu 120Impulse pro Sekunde feuern und er-laubt damit eine Messung von Elektro-nentemperatur und Plasmadichte mitguter Zeitauflösung.

Eine Methode der Dichtemessung, diepraktisch stationär arbeitet, nutzt dieVeränderung der Lichtgeschwindigkeitim Plasma. Ein Plasma verhält sich wieein Dielektrikum mit einem von derFrequenz abhängigen Brechungsindexfür elektromagnetische Wellen. ZurMessung der Plasmadichte wird eineMikrowelle gesplittet und der eine Teil

durch Luft, der andere Teil durch das Plasmageschickt. Bringt man die beiden Teilwellenwieder zusammen, kann man aus dem entste-henden Interferenzmuster auf die Änderungder Wellen-Geschwindigkeit im Plasma unddaraus auf die Plasmadichte schließen. Aufdiese Weise erhält man ein stationäres Signalüber die gemittelte Dichte. Da das Plasma ins-gesamt neutral ist, ist die Dichte der Wasser-

Auf den Monitoren imKontrollraum erschei-nen die von denPlasmadiagnostikengewonnenen Mess-daten.

Das Fusionsexperiment WENDELSTEIN 7-AS,umringt von Diagnostiken und Heizapparaturen.

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stoffionen praktisch identisch mit der Dichteder Elektronen, weshalb eine eigene Messungder Ionendichte nicht nötig ist.

Messung der IonentemperaturBei genügend hoher Plasmadichte kann manmeistens davon ausgehen, dass die Ionen diegleiche Temperatur besitzen wie die Elek-tronen. Da aber die verschiedenen Heizme-thoden entweder die Ionen oder die Elektro-nen heizen, können sich bei Fusionsplasmendeutliche Temperaturunterschiede ergeben.Da die Ionen eine sehr viel größere Massebesitzen als die Elektronen, kann man ihreTemperatur nicht mit der Thomsonstreuungmessen. Die Ionen des Plasmas entreißenallerdings, wenn sie bei einem Stoß einemneutralen Atom nahekommen, diesem gele-gentlich sein Elektron und werden dadurchselbst neutral (Umladungsneutrale). Dadurchsind sie nicht mehr im Magnetfeld gebundenund können das Plasma verlassen. Misst mandie Energien dieser neutralen Teilchen, kannman auf die Temperatur der Ionen im Plasmazurückrechnen.

Eine andere Methode zur Messung derIonentemperatur benutzt das Licht, dasVerunreinigungsatome im Plasma ausstrah-len. Die Wasserstoffatome sind im Plasmavollständig ionisiert und leuchten daher nichtmehr. Verunreinigungsatome mit vielenElektronen sind jedoch noch nicht völlig ioni-siert. Ihre Elektronen strahlen Licht festerWellenlängen ab, die sogenannte Linienstrah-

lung, die für die jeweilige Ionen- oderAtomsorte charakteristisch ist. Diese Frequen-zen ändern sich in Abhängigkeit von derGeschwindigkeit, mit der sich die Ionen rela-tiv zum Beobachter bewegen. Aus einergenauen Frequenzmessung kann man also aufdie Geschwindigkeit und damit die Tempe-ratur der Teilchen schließen.

Messung von Plasmaverunreinigungen Über die Analyse der charakteristischen Linien-strahlung aus dem Plasma können auch diePlasmaverunreinigungen identifiziert undihre Konzentration im Plasma festgestelltwerden. Vergleicht man die so gewonnenenP r o f i l eder Verunreinigungskonzentration mitTransportmodellen, so lässt sich auchAufschluss über Transportprozesse im Plasmagewinnen.

Da die von einer Ionensorte ausgesandteLinienstrahlung stark von der Temperaturabhängt, überstreicht die Strahlung aus einemverunreinigten Plasma einen weiten Frequenz-bereich. Zum Beispiel sind leichtere Atomewie Sauerstoff im heißen Plasmazentrumvollständig ionisiert und senden dort daherkeine Linienstrahlung aus. Nur schwereAtome - wie Metalle - geben auch noch imPlasmazentrum Linienstrahlung ab. Mit zu-nehmendem Abstand vom heißen Zentrumsind die Sauerstoffionen jedoch immer weni-ger ionisiert und befinden sich in tieferenEnergiezuständen, was sich in der niedrigerenFrequenz ihrer Linienstrahlung widerspiegelt.Vom kalten Plasmarand kommt daher vor-wiegend Licht aus dem sichtbaren Teil desSpektrums, während in den weiter innenliegenden Zonen Ultraviolett-Licht und vonhochgeladenen Ionen im Plasmazentrumsogar Röntgenstrahlung ausgesandt wird.Daher benutzt man jeweils verschiedenespektroskopische Techniken, um dieLinienstrahlung in den unterschiedlichenFrequenzbereichen zu messen.

Messung des MagnetfeldesVeränderungen der Magnetfelder werden mitkleinen Spulen beobachtet, die in dasPlasmagefäß eingebaut sind. Ein sich verän-derndes Magnetfeld induziert nämlich eineSpannung in den Spulen, die gemessen wird.Aus Messungen an vielen derartigen Spulenoder Drahtschleifen können die Stärke desPlasmastroms, die Position der Plasmasäuleim Gefäß und Informationen über Lage undStruktur der magnetischen Flächen abgeleitetwerden.

Hohlleiter der ECE-Diagnostik an ASDEX

Upgrade. Sie leiten dieZyklotronstrahlung der

Plasmaelektronen zuDetektoren, die die

Elektronentemperaturbestimmen.

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Das Fusionskraftwerk

Aufbau undFunktion

Kernstück eines Fusionskraftwerksist eine ringförmige Brennkam-

mer. Sie enthält das heiße Deuterium-Tritium-Plasma, das durch Magnetfeldervon der innersten, sogenannten „erstenWand“ ferngehalten wird. Bis zurZündung führt eine Startheizung demPlasma für einige Sekunden eineLeistung von etwa 50 bis 100 Mega-watt zu. Die schnellen Heliumkerne,die bei den nun einsetzenden Fusionsre-aktionen entstehen, sind als geladeneTeilchen im Magnetfeld gefangen undgeben ihre Energie über Teilchenstößean das Plasma ab. Schließlich kann dieäußere Heizung abgeschaltet werden;das Plasma brennt selbständig weiterund hält die hohen Fusionstemperaturen perSelbstheizung aufrecht. Über den Divertorwerden die entstehenden Heliumteilchen - zu-sammen mit Verunreinigungen aus denGefäßwänden - laufend aus dem Plasma ent-fernt, um ein Erlöschen des Fusionsfeuers zuverhindern. Die Fusionsneutronen dagegenkönnen den Magnetfeldkäfig wegen ihrer elek-trischen Neutralität ungehindert verlassen.

Das Plasmagefäß ist umgeben von einemlithiumhaltigen Mantel, dem „Blanket“. Hiererzeugen die einfallenden Fusionsneutronenaus Lithium den Fusionsbrennstoff Tritium.Er wird aufgesammelt und über Zwischen-speicher dem brennenden Plasma zusammenmit dem zweiten Brennstoffmaterial Deu-terium wieder zugeführt. Etwa 20 GrammTritium pro Stunde verbraucht ein Kraftwerkvon 1000 Megawatt elektrischer Leistung. Im

Blanket wird außerdem die Energie der ein-fallenden Neutronen aufgenommen: Dieschnellen Teilchen werden im Blanketmaterialabgebremst, das sich auf diese Weise erwärmt.Diese Wärmeenergie wird dann über Kühl-mittel, Wärmetauscher, Dampferzeuger undTurbogenerator in elektrische Energie umge-wandelt. Das Blanket wiederum ist von einerabschirmenden Hülle umgeben. Sie hält Strah-lung und Neutronen aus dem Plasma von densupraleitenden Magnetspulen, den Heizappara-turen und der übrigen Umgebung weitgehendfern. Den gesamten Kraftwerkskern umgibtschließlich eine äußere Sicherheitshülle. EinenÜberblick über typische Daten eines Tokamak-Kraftwerks gibt die Tabelle (zum Stellarator-Kraftwerk siehe Seite 66).

Wie alle Kraftwerke soll auch ein Fusions-kraftwerk die freigesetzte Wärmeenergie mit

möglichst hohem Wirkungsgradin elektrische Energie umwan-deln (oder direkt als thermischeEnergie nutzen). Dabei muss dieEnergiebilanz auch den Eigen-bedarf des Kraftwerks berück-sichtigen. Ein Teil der erzeugtenelektrischen Bruttoenergie wirdnämlich zur Deckung des elektri-schen Eigenbedarfs benötigt, d.h.zum Betrieb der Hilfssysteme desKraftwerkes verwendet. Hierzugehören die Plasmaheizung, das

Großer Plasmaradius: 9 MeterPlasmahöhe: 10 MeterPlasmabreite: 6 MeterPlasmavolumen: 760 KubikmeterMagnetfeld: 7 TeslaMaximaler Plasmastrom: 28 MegaampereStartheizung und Stromtrieb: 234 MegawattWandbelastung durch Neutronen: 1,8 Megawatt pro m2

Fusionsleistung: 3400 MegawattBrenndauer: Dauerbetrieb

Charakteristische Daten eines Tokamak-Kraftwerks (Quelle: D. Maisonnier et al., Power Plant Conceptual Study, 2002)

SchematischeDarstellung einesFusionskraftwerks

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Sicherheits- und Umwelt-eigenschaften der Fusion

Magnetsystem, das System zum Stromtrieb(bei einem Kraftwerk vom Tokamak-Typ),Pumpen, Kühlung und die Anlagen zurTritiumabtrennung. Da auch die Hilfssystemenicht verlustfrei, sondern mit Wirkungsgra-den ηn, ηh und ηp arbeiten, taucht nur ein Teilder zu ihrem Antrieb verwendeten Energie inder insgesamt vom Kraftwerk abgegebenenWärmeenergie wieder auf. Diese Gesamt-energie wird in der thermischen Energie-wandlung, zum Beispiel in einem Dampfturbi-nenprozess, mit dem Wirkungsgrad ηth in dieelektrische Bruttoenergie Eb umgewandelt.Die nutzbare elektrische Energie En ergibtsich daraus nach Abzug des Eigenbedarfes Eedes Kraftwerkes (siehe Abbildung oben).

ThermischeEnergie-

wandlungηth

Fusions-reaktor

Magneteηm

Heizungηh

Pumpen, Kühlung, etc.

ηp

Ee Eth Eb En

Vereinfachtes Energieflussdiagramm einesFusionskraftwerks. Dabei ist:Ee = energetischer Eigenbedarf des

KraftwerksEth = thermische FusionsenergieEb = elektrische BruttoenergieEn = nutzbare elektrische Nettoenergieηm = Wirkungsgrad der Magneteηh = Wirkungsgrad der Plasmaheizungηp = Wirkungsgrad der Pumpen, Kühlungηth = Wirkungsgrad der thermischen

Energiewandlung

Aussagen über Sicherheit und zu erwar-tende Umwelteinflüsse eines späteren

Fusionskraftwerks werden durch Kraftwerks-entwürfe möglich, die in den letzten Jahrennahe an die Praxis herangerückt sind. DieFusionsanlagen der nächsten Generation -zum Beispiel der Internationale Experimental-reaktor ITER - sollen Fusionsleistungen vonmehreren hundert Megawatt liefern und ent-sprechen insofern beinahe schon einem Leis-tungsreaktor.

Auf Grundlage dieser Arbeiten kann maneinem Fusionskraftwerk die folgenden günsti-gen Eigenschaften zusprechen:• In einem Fusionskraftwerk ist ein Unfallmit katastrophalen Folgen unmöglich.• Es gibt es keine Kettenreaktion oder ähn-

liche Leistungsanstiege, die zum „Durch-gehen“ des Kraftwerks führen könnten. • Die auftretenden radioaktiven Substanzen- Tritium sowie aktivierte Bauteile - haben einrelativ niedriges biologisches Gefährdungs-potential. • Langfristig sieht man die Möglichkeit,Menge und Aktivität der entstehenden radio-aktiven Stoffe durch geeignete Materialent-wicklung ganz erheblich zu vermindern.Nahezu vollständiges Rezyklieren des Abfallskönnte möglich werden.• Es werden bei der Energieerzeugung kei-ne Treibhausgase freigesetzt, ebensowenigStick- oder Schwefeloxide.

Weder die von außen zugeführten Roh-brennstoffe - Deuterium und Lithium - nochihr Reaktionsprodukt Helium sind radioaktiv.Sicherheitsüberlegungen werden jedoch nötigim Zusammenhang mit dem im Kraftwerkerzeugten radioaktiven Tritium. Hinzu kommtdie Aktivierung der plasmanahen Bauteile -

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insbesonders Brennkammerwand und Brut-mantel - durch die bei der Fusion freigesetz-ten energiereichen Neutronen. Wie intensivdiese Aktivierung ausfällt, hängt sehr starkvon den Materialien ab, auf die die Neutronenauftreffen. Anstelle der heute einsetzbarenStahlsorten werden für die erste Wand unddas Blanket spezielle Materialien mitniedrigem Aktivierungspotential entwickelt.Dabei arbeitet man an Stählen ohne störendeBeimengungen, wie zum Beispiel Nickel,Kobalt und Molybdän, an Vanadiumlegie-rungen oder an nichtmetallischen Materialienwie Silizium-Carbid. Durch die Entwicklunggeeigneter Baumaterialien und die Verrin-gerung der im Kraftwerk vorhandenenTritiummenge kann man deshalb bei derFusion die Gefahr durch radioaktive Stoffebeeinflussen und ganz wesentlich reduzieren.Dies ist anders im Falle der Kernspaltung, wodie anfallende Radioaktivität durch dieSpaltprodukte naturgesetzlich mit der erzeug-ten Energie verknüpft ist und zwangsläufigentsteht.

Tritium, die schwerste und einzige radioak-tive Variante des Wasserstoffs, besitzt eineHalbwertszeit von 12,3 Jahren. Durch dieHöhenstrahlung entstehen auf natürliche Wei-se ständig geringe Mengen an Tritium; dasWeltinventar wird auf etwa sieben Kilo-gramm geschätzt. Eine europäische Richt-linie, die radioaktive Stoffe nach ihrerSchadenswirkung in vier Klassen - sehr hoheRadiotoxizität, hohe, mäßige und niedrige - ein-teilt, ordnet Tritium in Klasse vier ein:niedrige Radiotoxizität. Seine radioaktiveStrahlung - Beta-Strahlung, das heißt Elektro-nen - ist zu energieschwach, um menschlicheHaut durchdringen zu können. Für Lebe-

wesen wird sie schädlich, wenn das Tritiumdurch Einatmen, Essen, Trinken oder Diffu-sion durch die Haut vom Körper aufgenom-men wird. Einmal in den Körper gelangt,besitzt Tritium dort eine effektive biologischeHalbwertszeit von etwa zehn Tagen. ImÖkosystem verdünnt sich Tritium schnell(siehe Abbildung unten) und kann Landstrichenicht für längere Zeit kontaminieren. Ebenso-wenig gibt es Anzeichen für eine Tritiuman-reicherung in der Nahrungskette.

Radioaktive Belastung im NormalbetriebDa das sehr flüchtige Tritium erst an Ort undStelle im Brutmantel aus Lithium-haltigenMaterialien erzeugt wird, läuft der Brennstofffür die Fusion nur im Inneren des Kraftwerksum. Sicherheitstechnisch ist dies von Vorteil.Insgesamt wird ein Fusionskraftwerk einigeKilogramm Tritium enthalten, wovon ein

Experiment zum Verhal-ten von Tritium in derUmwelt: Freigesetztwurden zehn Milli-gramm Tritium. Die imBoden in einer Tiefevon 0 bis 20 Zentimetergemessenen Tritium-Konzentration nahmenim Laufe eines Jahresschnell ab.

(Quelle: R.M. Brown et al., Field Studiesof HT Oxidation and Dispersion in theEnvironment II. The 1987 JuneExperiment at Chalk River; CanadianFusion Fuels Technology Project,CFFTP-G-88007, Ontario Hydro,Canada, October 1988.)

Zeit (Tage)

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Hintergrund

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10

1

0,10

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0,10 1 10 100 1000

In der Fusionsneutronen-quelle FNS in JAERI,Japan, wird unterNeutronenbestrahlungdie Aktivierung undNeutronenabschirmungvon Fusionsmaterialienuntersucht.

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großer Teil fest in Speichern und Metallengebunden ist. Sicherheit und Umwelteinflüssehängen entscheidend von der Rückhaltungdes Tritiums im Kraftwerk ab. Hierzu dientein System von mehrfach überwachten, inein-ander geschachtelten Umhüllungen. Nachbisherigen technischen Erfahrungen nimmtman an, dass im Normalbetrieb etwa einGramm Tritium pro Jahr aus dem Kraftwerkentweichen kann.

Die von den Fusionsneutronen aktiviertenStrukturmaterialien besitzen Halbwertszeitenim wesentlichen zwischen einigen Monatenund einigen Jahren. Sie sind alle als festeMetalle in die innere Kraftwerkskonstruktioneingebunden. Auch Korrosionsprodukte spie-len hier keine große Rolle, so dass dieaktivierten Bauteile im Normalbetrieb wenigzur Freisetzung von Radioaktivität an dieUmwelt beitragen.

Die von allen Freisetzungen an Tritium undaktiviertem Strukturmaterial hervorgerufeneradioaktive Belastung führt zu einer Dosisvon weniger als einem Prozent der natür-lichen radioaktiven Belastung von etwa 2

Millisievert pro Jahr in Deutschland. Sie liegtdamit deutlich unterhalb der Dosisschwan-kung der natürlichen Radioaktivität von Ortzu Ort. Berechnet wurde dies für eine Person,die sich ständig in einem Kilometer Entfer-nung vom Kraftwerk aufhält und alle Nah-rungsmittel aus unmittelbarer Kraftwerksum-gebung bezieht.

StörfälleZukünftige Fusionskraftwerke lassen einegroße Sicherheit vor Unfällen erwarten, diedie Umgebung gravierend belasten könnten:

Die Brennstoffmenge in der Plasmakammerist - mit etwa einem Gramm - sehr klein undreicht nur für rund eine Minute Brenndaueraus. Ebenso sind die Leistungsdichten imPlasma und Blanket mit etwa drei bzw.zwanzig Watt pro Kubikzentimeter gering.Sie entsprechen in etwa der Leistungsdichtenormaler Glühbirnen.

Ein unkontrollierter starker Leistungsan-stieg ist nicht möglich, denn jede Änderungder Betriebsbedingungen bringt über Plasma-instabilitäten den Brennvorgang sehr schnellzum Erlöschen. Auch die Nachwärme nach Abschaltung desKraftwerks reicht nicht aus, um ganze Bau-teile zu schmelzen (siehe Abbildung oben).Das gleiche gilt für die restlichen in derAnlage gespeicherten Energien, wenn mandaran festhält, als Brutmaterial kein reinesLithium in flüssiger Form zu verwenden.

Die wichtigste Folgerung aus diesen natur-gesetzlich gegebenen Eigenschaften ist: EinFusionskraftwerk kann so konstruiert werden,dass es keine Energiequellen enthält, die seineSicherheitshülle von innen zerstören könnten.Konstruktionsziel kann es damit sein, dieFolgen eines Störfalls auf das Innere derAnlage zu beschränken.

In Studien zu möglichen Störfällen undihren Folgen werden diese grundsätz-lichen Eigenschaften genauer unter-sucht, insbesondere auch im Rahmendes internationalen ITER-Projekts.Viele technische Details des zukünfti-gen Kraftwerks sind heute noch nichtfestgelegt. Die Analysen, deren Ergeb-nisse die Planung fortwährend beein-flussen, sollen zunächst dazu dienen,mögliche Störfallursachen zu erkennenund durch passive Mechanismen auszu-schalten: Eine Gefahrensituation wäregegeben, wenn durch einen UnfallTritium oder auch aktiviertes Materialder Bauteile - als Metallstaub oder nachlängerem Ausfall der Kühlung als

Zeit nach dem Unfall (Sekunden)

0

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(°C

)

101 102 103 104 105 106 107

500

1000

1500

2000

1 Monat1 Woche1 Tag

Temperaturverlaufnach einem Unfall -

vollständiger Strom-ausfall, d.h. Verlust

der gesamten Kühlung- im Innern eines

Fusionskraftwerks (ausniedrig aktivierbaremStahl). Die Tempera-

turen bleiben stets weitunterhalb des Schmelz-

punktes von Stahl(etwa 1400 °C).

Querschnitt durch einFusionskraftwerk.

Pläne ähnlicher Artliegen den System-

und Sicherheitsstudienzugrunde.

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flüchtige Oxide - innerhalb des Gebäudesfreigesetzt würden. Es ist heute noch nichtgenau bekannt, wieviel festes Material aufdiese Weise mobilisiert werden könnte. GrobeAbschätzungen ergeben mehrere KilogrammMetallstaub. Genauere Daten hierzu soll dasITER-Experiment liefern. Die freisetzbareTritiummenge will man vor allem durch dieReduktion des insgesamt in der Anlagevorhandenen Tritiums begrenzen sowie durchdessen Unterteilung in getrennte Teilinven-tare.

Da das Kraftwerk seine Sicherheitshüllevon innen nicht durchbrechen kann, hättendiese Unfälle geringe Auswirkungen nachaußen. Für die schwersten Unfälle in derAnlage ergeben detaillierte Abschätzungenmaximale Dosiswerte in der Höhe der natür-lichen radioaktiven Belastung. Die inDeutschland geltenden Richtwerte sowohl fürdie Genehmigung der Anlage als auch für dieEinleitung von Evakuierungsmaßnahmennach einem Unfall würden also deutlich unter-schritten. Für die Anlagengenehmigung gilt inDeutschland ein Dosisgrenzwert von 50Millisievert für die sogenannten „Ausle-gungsstörfälle“. Dabei wird die sich in fünf-zig Jahren ergebende Gesamtdosis der meist-belasteten Person durch alle Einwirkungs-möglichkeiten, d.h. Bestrahlung, Einatmenund Nahrungsaufnahme, unter den ungünstig-sten Wetterbedingungen zugrunde gelegt.Eine Evakuierung ist zu erwägen, wenn dieGesamtdosis der am meisten belastetenPerson durch Bestrahlung und Einatmenwährend einer Woche am Ort der höchstenBelastung 100 Millisievert übersteigt.

Auch äußere Einwirkungen - zum BeispielErdbeben oder Flugzeugabsturz - werdendurch die Sicherheitshülle abgefangen. Esbleibt jedoch eine verschwindend kleine, aberdennoch denkbare Wahrscheinlichkeit, dasseine äußere Katastrophe extremer Stärke ein-tritt, zum Beispiel ein unvorhersehbar starkesErdbeben, das die Sicherheitshülle beschä-digt. Auch für diesen äußersten, auslegungs-übergreifenden Störfall wurden Abschät-zungen gemacht: Schadensobergrenze indiesem Fall wäre etwa ein Kilogramm Tri-tium, das in die Umgebung freigesetzt würde.Bei ungünstigen Wetterbedingungen - d.h.Wind, der konstant aus einer Richtung bläst -könnte dann in einem in Windrichtung orien-tierten, etwa zwei Quadratkilometer großenLandsektor in der Nähe der Anlage dieBelastung bis zu 450 Millisievert betragen(Gesamtdosis der am meisten belasteten Per-son durch Bestrahlung und Einatmen während

einer Woche). Jenseits dieses Bereiches liegtdie Belastung wieder unter dem Evakuierungs-richtwert von 100 Millisievert. Angesichtsdieser moderaten Werte ist davon auszugehen,dass die von der äußeren Einwirkung in derUmgebung hervorgerufenen Schäden die durchdas Fusionskraftwerk hinzugefügten Schädenum ein Vielfaches übertreffen würden.

AbfallWährend der etwa 30jährigen Lebenszeit derAnlage werden der Divertor, die erste Wandund das Blanket aufgrund der hohen Belas-tung und des Abbrandes mehrfach ausge-tauscht werden. Zusammen mit den aktivier-ten Bauteilen, die nach Betriebsende zurück-bleiben, erzeugt ein Fusionskraftwerk je nachBauart insgesamt zwischen 65 000 und 95 000Tonnen radioaktiven Materials. Ein Fusions-kraftwerk würde damit etwa das gleiche bisdoppelte Volumen an radioaktivem Abfall er-zeugen wie Spaltreaktoren vergleichbarer Ener-gieerzeugung - je nachdem, ob der Spaltabfallendgelagert oder wieder aufgearbeitet wird.(Keine Entsprechung bei der Fusion gibt esfür die pro Spaltkraftwerk anfallenden 1,5Millionen Kubikmeter Erzreste aus dem Uran-abbau. Sie müssen sorgfältig abgedeckt wer-den, weil sie sonst längerfristig größere Men-gen des radioaktiven Gases Radon und radioak-tive Stäube freisetzen.)

Die Umwelteigenschaften von Fusions-und Spaltabfall sind jedoch sehr verschieden:So sind die Halbwertszeiten der wesentlichenFusionsrückstände bedeutend kleiner - ein bisfünf Jahre gegenüber 100 bis 10 000 Jahren

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Kohleasche

DruckwasserreaktorFusion (Vanadium)Fusion (Stahl, He/Be)Fusion (Stahl, H O/LiPb) 2

Radiotoxischer Inhaltverschiedener Kraft-werkstypen gleicherelektrischer Energieab-gabe, bezogen auf dieNahrungsaufnahme(Ingestion). Aufgetra-gen ist in relativenEinheiten die zeitlicheEntwicklung der Radio-toxizität nach Still-legung der Anlage(einschließlich ausge-tauschter Bauteile):1) Fusionskraftwerkaus niedrig aktivierba-rem Stahl und wasser-gekühltem Blanket,2) Fusionskraftwerkaus niedrig aktivier-barem Stahl und heli-umgekühltem Blanket,3) Fusionskraftwerkaus einer Vanadiumle-gierung,4) Druckwasserreaktorund 5) Kohlekraftwerk.

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im Falle der Kernspaltung. Das biologischeGefährdungspotential oder der radiotoxischeInhalt der Fusionsabfälle klingt rasch ab undist im Vergleich zu Spaltabfall nach hundertJahren bereits mehr als tausendfach geringer.Nach hundert bis fünfhundert Jahren ist esvergleichbar mit dem Gefährdungspotentialder gesamten Kohleasche aus einem Kohle-kraftwerk gleicher Energieerzeugung. (Kohle-asche enthält stets natürliche radioaktiveStoffe wie Uran, Thorium und ihre Toch-terelemente, allerdings in wesentlich verdünn-terer Form.)

Von der Gesamtmasse des Fusionsabfallskönnen 30 bis 40 Prozent sofort und unbe-schränkt freigegeben werden. Weitere 60Prozent können nach fünfzig bis hundertJahren fernbedient rezykliert und in neuenKraftwerken wiederverwendet werden (sieheAbbildung oben). Längerfristig gelagert wer-den müssten nach heutigem Wissen lediglichwenige - ein bis einige - Prozent des Mate-rials. Gemäß derzeitiger EU-Regelung müsstedas Endlager wegen der vergleichsweisegeringen Radiotoxizität wohl nicht tiefer alsetwa 50 Meter sein.

Da die Recyclingtechnik für Fusionsabfallnoch nicht entwickelt und ihre Wirtschaft-lichkeit daher gegenwärtig nicht prüfbar ist,wurden trotz der Möglichkeit, die Materialienwiederzuverwenden, auch ihre Eigenschaftenin einem Endlager untersucht. Hier wäre diegeringe Nachwärme von Vorteil, da sie einegrößere Packungsdichte ermöglicht. Die maxi-male Nachwärme pro Kilogramm Fusions-abfall ist hundert mal niedriger als bei Spalt-abfall. Der Platzbedarf ist also wesentlichgeringer.

Es ist noch unbekannt, ob es langfristiggelingen kann, anstelle der Deuterium-Tri-tium-Fusion andere Fusionsreaktionen wieDeuterium-Deuterium, Deuterium-Helium-3oder Proton-Bor (siehe Seite 9) technischnutzbar zu machen. Hier würde die Tritium-herstellung im Kraftwerk und die Neutronen-aktivierung noch einmal vermindert werdenoder nahezu ganz verschwinden.

Auch wenn es bis zur technischen undwirtschaftlichen Einsatzbereitschaft von

Fusionskraftwerken noch einige Zeit dauernwird, ist schon heute zu fragen, welche Eigen-schaften diese Anlagen besitzen und wie siesich im Vergleich zu anderen Energiewand-lungstechniken darstellen werden. Dabei istganz allgemein zu berücksichtigen, dass Ener-gie einer der zentralen Produktionsfaktorender modernen Volkswirtschaften ist und inihrer guten oder mangelhaften Verfügbarkeitden Lebensstil einer Gesellschaft grundlegendprägen kann.

Analysen dieser Art sind die Aufgabe derSERF-Aktivitäten (Socio-Economic Researchon Fusion), die 1998 im Rahmen des Euro-päischen Fusionsprogramms ins Leben gerufenwurden. Dazu muss zunächst ein realistischesBild eines Fusionskraftwerks entwickelt wer-den. Sodann ist zu beschreiben, wie die zukünf-tige Energiewirtschaft insgesamt aussehenkönnte und welche Rolle insbesondere Um-welt- und Sicherheitseigenschaften darinspielen.

Die Eigenschaften eines künftigen Fusions-kraftwerks werden in Systemstudien unterden verschiedensten Fragestellungen, insbe-sondere Kosten und Umweltaspekte, unter-sucht. Da das ITER-Experiment einemspäteren Kraftwerk bereits sehr nahe kommt,folgen auch aus den Planungen für ITERwesentliche Informationen.

Kosten des FusionsstromsDie Stromgestehungskosten der Fusion lassensich vorerst nur mit großen Unsicherheitenangeben. Die Grundlagen dafür liefernSystemstudien sowie die für den TestreaktorITER abgeschätzten Kosten. Letztere sindbesonders aussagekräftig, weil sie in engemZusammenwirken mit der Industrie erarbeitetwurden. Zudem werden die Kosten derFusion stark von den physikalischen und

Sozio-ökonomischeArbeiten zur Fusion

Nicht-aktiver Abfall

Einfache Rezyklierung (< 2 mSv/h)

Komplexe Rezyklierung (2 - 20 mSv/h)

Endzulagernder Abfall (> 20 mSv/h)

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Kraftwerksmodell

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Verwertungsmöglich-keiten des Fusions-abfalls für verschie-dene Kraftwerksmo-

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legierung (1),wasser-gekühltes Blanket ausniedrig aktivierbarem

Stahl (2),Heliumgekühltes

Blanket aus niedrig-aktivierbarem Stahl (3).

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technischen Fortschritten beeinflusst werden,die in den nächsten Jahrzehnten erzielt wer-den können.

Die Stromgestehungskosten eines jedenKraftwerks setzen sich zusammen aus denInvestitionskosten, den Betriebs- und Brenn-stoffkosten sowie den Kosten für den Abbauder Anlage und die Lagerung der Abfälle.Eine Abschätzung der Investitionskosten fürdie wesentlichen Elemente eines Fusions-kraftwerks gibt die Abbildung unten.Zugrunde gelegt sind dabei Annahmen, diemit den heute erreichten Werten gut inEinklang zu bringen sind. Zugleich sind diephysikalischen Grenzen bei weitem nochnicht ausgeschöpft, so dass für die ZukunftRaum für Verbesserungen bleibt.

Der Vergleich der Kraftwerkskosten mitden entsprechenden Kosten bei ITER zeigteine gute Übereinstimmung. Neben denBrennstoffkosten - die bei der Fusion ver-nachlässigbar niedrig sind - und den reinenBetriebskosten gehören dazu die Kosten fürden Austausch des Blankets und derDivertorplatten, die während der Betriebszeitdes Kraftwerkes mehrfach ausgetauscht wer-den müssen. Die Anlagenkosten sind jedochnicht statisch, sondern sinken mit der Zeitdurch sogenannte Lerneffekte. Auch dieAnlagengröße spielt eine Rolle: Die spezifi-schen Kosten sind umso niedriger je größerdie Anlagen sind, ebenso wenn zwei Anlagensich die Infrastruktur teilen. Damit dürften dieStromgestehungskosten der Fusion - dieBrennstoffgewinnung, Bau, Betrieb undAbbau des Kraftwerks sowie Lagerung derRückstände berücksichtigen - beider zehnten Anlage ihrer Artzwischen sechs und zehn Cent proerzeugter Kilowattstunde liegen.

Die Fusion in der künftigenEnergiewirtschaftDie zukünftige Entwicklung derEnergiewirtschaft ist aller Wahr-scheinlichkeit nach durch einedeutlich steigende Nachfragevon Energie gekennzeichnet.Gründe sind vor allem das An-wachsen der Weltbevölkerungund das stetige Wachstum derwirtschaftlichen Aktivitäten welt-weit, das sich wohl über dasganze Jahrhundert erstreckenwird. Steigerungen der Energie-nachfrage auf das Drei- bisVierfache des heutigen Wertesscheinen dabei durchaus realis-

tisch zu sein; die Nachfragesteigerung beielektrischer Energie wird nochmals deutlicherausfallen.

Wie diese Nachfrage unter verschiedenenRandbedingungen befriedigt werden könnte,untersuchte eine detaillierte SERF-Studie desniederländischen Energieinstitutes ECN(Energieonderzoek Centrum Nederland) überdie Entwicklung des europäischen Energie-marktes. In einem Rechenmodell wurden An-nahmen über die künftige Energienachfragegemacht, über die Entwicklung der Energie-ressourcen, über die Entwicklung der Ener-gietechnologien sowie über weitere Faktoren,die den Energiemarkt beeinflussen. Fusions-kraftwerke standen in diesem Modell ab demJahr 2050 zur Verfügung. Die Dynamik desModells wird durch eine Optimierung be-stimmt, die die Gesamtkosten des Systemsminimiert. Dabei werden Kosten, die erst inZukunft anfallen, diskontiert.

Die Ergebnisse der Berechnungen zeigen,dass Fusion als neue und kapitalintensiveTechnologie nur dann in den europäischenMarkt eindringen kann, wenn eine Randbe-dingung der Energiewirtschaft ist, dass derAusstoß des Treibhausgases Kohlendioxiddeutlich reduziert werden soll. Dann könnteFusion im Jahr 2100 etwa 20 bis 30 Prozentdes europäischen Strombedarfes decken.Hauptkonkurrenten der Fusion sind dabeiKohle und Kernspaltung. Während ein starkerAusbau von Kohle- oder Kernspaltenergie dieAusbreitung der Fusion verhindern würde,entwickeln sich Fusion und ErneuerbareEnergien parallel, was sich durch die sehr

Abschätzung derInvestitionskosten fürdie wesentlichenElemente einesFusionskraftwerks.(Quelle: T.C. Hender et al., FusionTechnology, Vol. 30, 12/1996).

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unterschiedliche Charakteristik der Technikenerklärt: Fusion bedient in erster Linie dieGrundlast, wofür Wind- und Sonnenkraft-werke wegen ihrer intermitterenden Leistungs-abgabe nicht geeignet sind, solange nichtSpeicher mit großer Kapazität zur Verfügungstehen.

Die ECN-Studie zeigt, dass Fusion dort diemeisten Marktanteile gewinnen wird, wo diegeforderte Reduktion der Treibhausgase amstriktesten ist. Zwar werden kurz- und mittel-fristig Kohlendioxid-Einsparungen möglich,indem Kohle durch Gas ersetzt wird. In derzweiten Jahrhunderthälfte müssen die Gas-kraftwerke aber ersetzt werden, wofür sichdie Fusion anbietet. Im globalen Blickwinkelwird die Bedeutung der Option Fusion nochdeutlicher: In Ländern wie Indien und Chinasind in den nächsten Jahrzehnten fast nurKohlekraftwerke geplant. Kraftwerke undInfrastruktur sind auf Lebenszeiten von 30 bis

40 Jahren ausgelegt - zu dieser Zeit soll dasFusionsdemonstrationskraftwerk DEMO mitder Stromerzeugung beginnen.

Fusion in einer nachhaltigen Energie-wirtschaftWie lassen sich die Umwelt- und Sicher-heitsaspekte eines Fusionskraftwerks (sieheSeite 28) mit den Umwelt- und Sicher-heitseigenschaften anderer Energiewand-lungstechniken vergleichen? Einen mögli-chen Ansatz liefert das europäische „Ex-ternE“-Projekt, das mit der Bestimmung dersogenannten „externen Kosten“ unterschied-licher Technologien eine erste Vergleichs-grundlage schafft. Dabei versteht man unterexternen Kosten all jene, die nicht von deneigentlichen Marktteilnehmern getragen wer-den. Zum Beispiel ist in dem Preis für einFlugticket, das ein Fluggast kauft, keineEntschädigung für die Anwohner desFlughafens wegen Lärmbelästigung enthal-ten. Ebenso verursachen die Emissionen vonKraftwerken möglicherweise erheblicheGesundheitsbeeinträchtigungen, die zwarvom Gesundheitswesen, nicht aber von denStromkunden bezahlt werden.

Die ExternE-Methode versucht nun, alleNebenwirkungen einer Energiewandlungs-technik aufzuspüren, ihre Auswirkungen zubeschreiben und schließlich monetär zu be-werten. Als Beispiel können die Schwefel-emissionen eines Kohlekraftwerks dienen:Zuerst ist zu analysieren, wie viel Schwefel-dioxid den Schornstein des Kraftwerkes ver-lässt, wie sich die Substanz ausbreitet und wosie niedergeht. Sodann werden die Auswir-kungen - Gesundheitsschädigung beim Men-schen, Schäden an Fassaden, Auswirkungenauf die Ernte oder einen Wald, etc. -

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Externe Kosten für dieErzeugung von Fusions-

strom. Mit wenigenTausendstel Euro pro

erzeugter Kilowatt-stunde liegt die Fusion

im Bereich erneuer-barer Energietechniken

wie Sonne und Wind.

(Quelle: T. Hamacher et al., FusionEngineering and Design 56-57, 2001,

Seite 95-103)

Leistungsvermessungan einem Solarkraft-

werk. Die Stromerzeu-gungskosten neuerEnergiequellen wie

Photovoltaik oderFusion liegen etwas

höher als dieheutiger Techniken.

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analysiert. Im letzten Schritt werden dieseSchäden dann monetär bewertet. Für dieBeeinträchtigung der Ernte ist dies einfach:der Geldwert des Ernteverlustes. Schwierigerist es, Auswirkungen auf den Menschen oderein Biosystem zu bewerten. In einem pragma-tischen Ansatz versucht man den „Wert“ einesmenschlichen Lebens abzuschätzen, indemman untersucht, was Menschen bereit sindauszugeben, um die Wahrscheinlichkeit einestödlichen Unfalls herabzusetzen. Ebensountersucht man Gehaltsstrukturen vonArbeitsplätzen mit erhöhtem Unfallrisiko umso herauszufinden, wie viel Geld einArbeitnehmer als Ausgleich für ein höheresTodesrisiko verlangt.

Um die verschiedenen Kraftwerksarten -Kohle, Erdgas, Kernspaltung, Biomasse,Wasser-, Wind- und Solarenergie sowieFusion - zu vergleichen, wurden alle Auswir-kungen im Brennstoff- und Lebenszyklus derjeweiligen Anlagen untersucht. Für dieFusion erstreckte sich diese Analyse von derGewinnung der Rohbrennstoffe Deuteriumund Lithium über die eigentliche Betriebs-phase des Kraftwerks bis zur Lagerung derradioaktiven Reststoffe. Die Ergebnisse für

Kernfusion - eine internationaleGemeinschaftsaufgabe

die Fusion - externe Kosten im Bereichweniger Zehntel Cent pro erzeugter Kilowatt-stunde - sind vielversprechend (siehe Abbil-dung links). Bezüglich der externen Kostenkann die Fusion damit leicht mit erneuerbarenEnergietechniken wie Sonne und Wind kon-kurrieren.

In Deutschland liegt der Schwerpunkt derFusionsforschung bei der „Entwicklungs-

gemeinschaft Kernfusion“. Von dem Max-Planck-Institut für Plasmaphysik und demForschungszentrum Karlsruhe gegründet,werden hier arbeitsteilig Plasmaphysik (IPP)und Fusionstechnologie (FZK) untersucht.Seit 2000 ist auch das ForschungszentrumJülich Mitglied. Die drei Institute sind zudemim „Programm Kernfusion“ der Helmholtz-Gemeinschaft organisiert. Beiträge zum deut-schen Fusionsprogramm liefern außerdemzahlreiche Universitäten.

Die deutsche Fusionsforschung ist seit

Fusionsforschungin Europa

ihren Anfängen Teil eines europäischenForschungsverbundes, in dem die Fusions-zentren der Europäischen Union und derSchweiz mit etwa 2000 Wissenschaftlern undIngenieuren zusammengefasst sind. Koordi-niert von der Europäischen Atomgemein-schaft EURATOM mit Sitz in Brüssel, stellendie Partner das europäische Programm auf,beteiligen sich an seiner Finanzierung undkontrollieren seine Ausführung in den arbeits-teilig forschenden nationalen Laboratorien(Abbildung Seite 39). Zusätzlich betreibt Eu-ropa seit 1983 ein gemeinsames Großexperi-ment, den „Joint European Torus“ (JET) imenglischen Culham. Dieses weltweit größteFusionsexperiment hat die Aufgabe, ein Plasmain der Nähe der Zündung zu untersuchen.

Neben dem europäischen Fusionspro-gramm existieren weltweit noch drei weitere

Mit der ExternE-Metho-de versucht man,Nebenwirkungen einerEnergiewandlungs-technik - hier der Land-schaftsverbrauch durchdie Braunkohlegewin-nung - monetär zubewerten und so ver-gleichbar zu machen.

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eigenständige große Programme in den USA,in Japan sowie in der Gemeinschaft Unab-hängiger Staaten (GUS). In kleinerem Um-fang betreiben auch andere Länder - so Austra-lien, China und Südkorea - Fusionsforschung.Zwischen den Programmen gibt es zahlreicheWechselwirkungen. Herausragend ist dabeidie seit 1988 bestehende Zusammenarbeit dergroßen Fusionsprogramme, die gemeinsamden nächsten großen Schritt in der Fusions-forschung, den internationalen TestreaktorITER planen, der erstmals ein längere Zeitenergielieferndes Plasma erzeugen soll.

1929 vermuteten Atkinson und Houtermans,dass Verschmelzungsreaktionen leichterAtome die Energiequelle von Sonne undSternen seien. Als die Teilchenbeschleunigergenügend hohe Energien erreichen konnten,um im Laboratorium leichte Kerne zur Reak-tion zu bringen, gelang es 1934 Rutherford,die Fusion von Deuteronen nachzuweisen.1939 waren die Kenntnisse bereits so weitgediehen, dass Bethe und Weizsäcker einequantitative Beschreibung des Fusionszyklusder Sonne geben konnten. Erste Untersu-chungen mit dem Ziel, die Kernverschmel-zung zur Energiegewinnung auf der Erdenutzbar zu machen, begannen Ende der 40erJahre, vor allem in den USA, Russland undGroßbritannien.

Blickt man von einem der modernenFusionsexperimente zurück in diese Vergan-genheit, so nehmen sich die Anfänge derFusionsforschung sehr bescheiden aus: DiePlasmen der ersten Experimente waren mit

wenigen Litern klein, dieMagnet- und Vakuumtech-nik war nicht entwickelt,experimentelle Erfahrungund theoretisches Ver-ständnis des Plasmaver-haltens fehlten ebensowie leistungsfähige Heiz-apparaturen, ausgefeilteMessverfahren zum Be-obachten und schnelleComputer zum Berech-nen des komplexen Plas-maverhaltens. Es ist daher wenig ver-wunderlich, dass dieersten Einschätzungen

des physikalisch-technischen Problems derAufgabe nicht gerecht wurden: Wenige Jahrehielt 1952 das für Fusion zuständige amerika-nische Kontrollgremium für ausreichend, umzu entscheiden, ob die Kernfusion realisierbarsei. Nur vier experimentelle Schritte sah dasFusionsprogramm des amerikanischen Fu-sionsforschers Lyman Spitzer in Princetonvor: Der Erfinder des Stellarators wollte miteinem ersten Experiment, Modell A genannt,ein eine Millionen Grad heißes Stellara-torplasma untersuchen. Die kleine Anlage, dieauf einem Labortisch Platz fand, ging 1952 inBetrieb. Auf die jeweils größeren und lei-stungsfähigeren Modelle B und C sollteModell D folgen, das bereits energielieferndeFusionskraftwerk. Im Unterschied zu demambitionierten Princetoner Programm warman andernorts bescheidener. In Los Alamoszum Beispiel war bereits der Name des dortgeplanten Experiments - Perhapsatron („Viel-leicht-Maschine“) - Ausdruck dieser Vorsicht.

Tatsächlich zeigten sich bald massiveSchwierigkeiten und die Hoffnung auf einenschnellen Durchbruch musste aufgegebenwerden. Neben normalen technischen Rück-schlägen zeigten sich grundlegende Pro-bleme: Zum Beispiel waren die Plasmendurch Wandmaterial stark verunreinigt; dieerwarteten Gesetze der klassischen stoßbe-dingten Diffussion galten überraschend nicht,d.h. die Plasmateilchen verließen den Magnet-käfig wesentlich schneller, als vorhergesehenund überdies zeigten sich eine ganze Reiheverschiedenster Instabilitäten, die den magne-tischen Einschluss zerstörten. Ende der 50erJahre setzte sich daher die Erkenntnis durch,dass zur Entwicklung der Fusion ein Lang-zeitprogramm mit intensiver Grundlagen-forschung nötig sei. Die theoretischen undexperimentellen Arbeiten wurden nun sehrbreit angelegt und mit einer Vielzahl vonAnlagentypen - lineare und ringförmigePinche verschiedenster Bauart, Stellaratoren,Multipole, Spiegelmaschinen, usw. - experi-mentiert. Schwerpunkt war zunächst dieSuche nach geeigneten Magnetfeldkäfigen,die ein Plasma stabil und wärmeisolierteinschließen können. In Deutschland began-nen Überlegungen zu einer Ausweitung derFusionsforschung Ende der 50er Jahre.

Trotz beachtlicher Kenntnisfortschritteblieben die experimentellen Resultatewährend der 60er Jahre weltweit unbefriedi-gend: Fast alle Anlagentypen litten unterInstabilitäten und zeigten einen zu starkenTeilchenverlust - die berüchtigte Bohm-Diffussion. Eine der wenigen Ausnahmen war

HistorischerÜberblick

WENDELSTEIN 1a,der erste Stellaratorim IPP, ging 1960 in

Betrieb (vorne),rechts hinten:

WENDELSTEIN 1b,links: WENDELSTEIN 4.

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9Stockholm

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10Helsinki

11

12Berlin

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1

1 Niederlande- Instituut voor Plasmafysica, Nieuwegein - NRG (Energy Research Foundation ECN - KEMA) 2 Culham Laboratory, United Kingdom Atomic Energy Authority (UKAEA),Abingdon, Großbritannien3 Irland- Universität Dublin, Irland - Dublin Institute for Advanced Studies - University College Cork,4 EFDA - The European Fusion Development Agreement, Garching,Deutschland5 ITER - Europan Joint Work Site, Garching, Deutschland6 Belgien- Ecole Royale Militaire, Plasma Physics Laboratory, Brüssel- Université Libre de Bruxelles - Centre d'étude de l'Energie Nucléaire, Mol7 Le Commissariat à l'Energie Atomique (CEA), Departement de Recherchessur la Fusion Controlée, Cadarache, Frankreich8 Ente per le Nuove tecnologie, l'Energia e l'Ambiente (ENEA), Italien- Centro Ricerche Energia, ENEA, Frascati - Istituto di Fisica del Plasma, CNR, Mailand - Consorzio RFX, Padua9 Naturvetenskapliga Forskningsradet, Stockholm, Schweden- Royal Institute of Technology, Alfvén Laboratory, Stockholm - Chalmers University of Technology, Göteborg10 National Technology Agency (TEKES), Helsinki, Finnland11 Risø National Laboratory, Roskilde, Dänemark12 Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Deutschland- Garching - Teilinstitut Greifswald

- Bereich Berlin13 Forschungszentrum Jülich GmbH, Institut für Plasmaphysik, Jülich, Deutschland14 Forschungszentrum Karlsruhe GmbH, Programm Kernfusion, Karlsruhe, Deutschland15 Ecole Polytechnique Federale de Lausanne, Schweiz16 Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Wien- Technische Universität Wien - Universität Innsbruck - Österreichisches Forschungszentrum, Seibersdorf- Technische Universität Graz 17 Centro de Investigaciones Energéticas Medioambientales y Tecnológicas (CIEMAT),Madrid, Spanien 18 Instituto Superior Técnico, Technische Universität Lissabon, Lissabon, Portugal.19 Griechenland- National Technical University of Athens, Athen - Demokritos, National Centre for Scientific Research, Athen - The University of Ioannina, Greece - Foundation for Research and Technology - Hellas20 The Hungarian Academy of Sciences, Budapest, Ungarn- Budapest University of Technology and Economics, Budapest21 Tschechien- Academy of Sciences of the Czech Republic, Prag - Czech Technical University, Prag - Charles University Prag- J. Heyrovsky Institute of Physical Chemistry, Prag22 Agentia Nationala pentru Stiinta, Tehnologie si Inovare, Rumänien

Fusionslaboratorien in Europa

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der kleine WENDELSTEIN-Stellarator inGarching, das „Munich mystery“. Ende der60er Jahre meldeten dann sowjetische Fusi-onsforscher außerordentlich gute Ergebnisseihres Tokamak-Experimentes T3. Die russi-sche Erfindung sollte wesentlich bessereEinschluss- und Stabilitätseigenschaften besit-zen als alle bisherigen Konfigurationen. Auchdie erreichten Plasmatemperaturen warenerheblich höher. Nach anfänglichen Zweifelnan den russischen Angaben bestätigte ein eng-lisches Team, das nach Russland gereist warund nachgemessen hatte, die Angaben. Die-sem Wissenschaftlerteam stand ein damalsneues Hilfsmittel zur Bestimmung vonTemperatur und Dichte im Plasma zurVerfügung - ein leistungsstarker Laser. DieBestätigung war der Auslöser für ein weltwei-tes Tokamak-Fieber. Schnell entstanden über-all neue Tokamaks. Auch das bisherigeStellaratorzentrum der USA, Princeton, stell-te sich um und verwandelte seinen glücklosenC-Stellarator in einen Tokamak.

Die gewonnenen Erfahrungen führtenschließlich in den 70er Jahren zu einer

Konzentration der Arbeitsgebiete und zugrößeren, leistungsstärkeren Experimenten.Der Tokamak setzte sich dabei als weltweitführender Experimenttyp durch. Mit seinerHilfe wurden zunächst die zentralen physika-lischen Fragen - insbesondere Einschluss undAufheizung eines Fusionsplasmas - unter-sucht. Ein wesentlicher Erfolg war 1982 dieEntdeckung des H-Regimes - ein Plasma-zustand mit besonders guter Wärmeisolation -am Tokamak ASDEX in Garching. GroßeTokamakexperimente wurden während derfolgenden Jahrzehnte in den USA, Japan undvor allem in Europa gebaut, wo JET, der JointEuropean Torus, 1983 in Betrieb ging. 1991gelang es hier, in einem zunächst noch „ver-dünnten“ Deuterium-Tritium-Plasma über einMegawatt an Fusionsleistung zu erzeugen.Zum zweiten Mal gelang dies Ende 1993 mitdem amerikanischen FusionsexperimentTFTR (Tokamak Fusion Test Reactor) inPrinceton, das rund sechs Megawatt Fusions-leistung freisetzte und sich später auf zehnMegawatt steigern konnte. 1997 schließlichgelang JET die Erzeugung von 14 Megawatt

Experiment

JET

TEXTOR-94

TORE SUPRA

FT-Upgrade

ASDEX Upgrade

WENDELSTEIN 7-AS

WENDELSTEIN 7-X(im Bau)

ITER (geplant)

Typ

Tokamak

Tokamak

Tokamak

Tokamak

Tokamak

Stellarator

Stellarator

Tokamak

Laboratorium

EuropäischesGemeinschafts-unternehmen

Forschungszentrum Jülich (D)

CEA Cadarache (F)

ENEA Frascati (I)

IPP Garching (D)

IPP Garching (D)

IPP-TeilinstitutGreifswald (D)

InternationalesGemeinschafts-unternehmen

Aufgabe

Plasmaphysik in derNähe der Zündung

Plasma-Wand-Wechsel-wirkung

Test supraleitenderSpulen, stationärerBetrieb

Plasmaphysik beihohen Dichten

Plasmaphysik unterkraftwerksähnlichenBedingungen,ITER-Vorbereitung

Test der Prinzipiendes „AdvancedStellarator“

Test der Kraftwerks-tauglichkeit des„AdvancedStellarator“

Testreaktor, brennen-des Plasma,Technologie-Erprobung

Betriebs-beginn

1983

1982

1988

1989

1991

1988

ca. 2010

ca. 2014

Wichtigste laufendeund geplante Fusions-

experimente desEuropäischen

Fusionsprogramms

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Fusionsleistung für zweiSekunden; 65 Prozent derzum Heizen aufgewandtenLeistung wurden dabei perFusion zurückgewonnen.

Neben den Tokamakswurde in geringerem Um-fang auch mit anderen Ex-perimenttypen gearbeitet,von denen sich in den letz-ten Jahren der Stellaratorals besonders leistungs-fähig erwiesen hat. Nach dem schwerenRückschlag für die Stellaratoren in den 60erJahren konnte 1980 das Experiment WEN-DELSTEIN 7-A weltweit zum ersten Mal dasStellaratorprinzip erfolgreich mit einemheißen Plasma demonstrieren. „Garchingshows stellarators may be good after all“,meinte damals die Zeitschrift „PhysicsToday“: „Stellarators appear to be back inbusiness.“ Aufbauend auf diesen Erfolgenwird im IPP das Experiment WENDEL-STEIN 7-AS betrieben, das 1988 in Betriebging. Der verbesserte Nachfolger WENDEL-STEIN 7-X, der die Kraftwerkstauglichkeitder Stellaratoren zeigen soll, entsteht gegen-wärtig im IPP-Teilinstitut Greifswald. Er solldie Stellaratoren als leistungsfähige Alterna-tive auf das Niveau der bislang bevorzugtenTokamaks heben. Gelingt dies, dann könntedas Demonstrationskraftwerk, das auf den ininternationaler Zusammenarbeit ge-planten Tokamak-ExperimentalreaktorITER folgen soll, auch ein Stellaratorsein.

Nachdem die großen Fortschritte derPlasmaphysik in den letzten Jahren diephysikalischen Probleme eines Fu-sionskraftwerks als lösbar erscheinenlassen, wird die Bearbeitung technischerFragestellungen verstärkt. Schlüssel-probleme sind hier Materialentwicklungund Konzeption der „ersten“, das Plas-ma unmittelbar umgebenden Wand,die Entwicklung geeigneter Blanket-materialien und der Tritiumtech-nologie sowie der Bau großer supralei-tender Magnete. Ebenso wichtig ist dieErforschung der Sicherheits- und Um-weltfragen der Fusion. Diese technologischenFragen werden in Europa in einem eigenenTechnologieprogramm bearbeitet sowie inZusammenhang mit der weltweiten ITER-Zusammenarbeit. ITER soll zeigen, dass esphysikalisch und technisch möglich ist, durchKernverschmelzung Energie zu gewinnen.

Parallel zu ITER wird an der Verbesserung

des zugrundeliegenden Tokamakkonzeptes -vor allem in Hinblick auf den Dauerbetrieb -gearbeitet. Zusammen mit den Ergebnissender Stellaratorforschung werden diese Arbei-ten sowie die experimentellen Erfahrungenmit einem brennenden Plasma, die ITER lie-fern soll, dann in die Planung des Demon-strationskraftwerks DEMO einfließen. Er sollbereits alle Funktionen eines energiegewin-nenden Kraftwerks erfüllen, ohne allerdingswirtschaftlich arbeiten zu müssen. Falls dieFusionsforschung nach diesem Plan voran-schreitet, könnte - angesichts der für ITERund seinen Nachfolger DEMO nötigenPlanungs-, Bau- und Betriebszeit - dieFusionsenergie etwa in der Mitte des Jahr-hunderts wirtschaftlich nutzbar sein.

41

Die Struktur desEuropäischenFusionsprogrammes

A

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ITER

Konzeptverbesserung

TechnologieMaterialentwicklung

DEMOExp

erimente in den

JET

Zeitplan der Fusions-forschung beginnendmit dem Baubeschlussfür ITER über DEMObis zum erstenFusionskraftwerk

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Fusions-im

IPPforschung

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Fusionsexperimente vom Typ Tokamak,Anfang der 50er Jahre in der Sowjetunion

entwickelt, wurden bald weltweit zum füh-renden Experimenttyp der Fusionsforschung.Schwerpunkt der Tokamak-Aktivitäten desMax-Planck-Instituts für Plasmaphysik ist dasExperiment ASDEX Upgrade. Es ging 1991in Betrieb, nachdem ein Jahr zuvor derVorgänger - das „Axialsymmetrische Divertor-Experiment“ ASDEX - nach zehnjähriger,überaus erfolgreicher Experimentierzeit still-gelegt worden war. ASDEX hatte das Ziel, mitHilfe eines Divertors saubere Plasmen zuerzeugen und seine Bedeutung für ein zukün-ftiges Fusionskraftwerk zu prüfen. Tatsächlichkonnte das Experiment zeigen, dass einDivertor das Plasma nicht nur sauberhaltenkann, sondern auch zu einer bedeutenden Ver-besserung der Energieeinschlusszeiten führt.

Der Nachfolger ASDEX Upgrade soll denDivertor in einer Form untersuchen, wie erauch in einem Kraftwerk einsetzbar wäre.Von der Divertor- und Randschichtphysik hatsich das Arbeitsfeld von ASDEX Upgrade imLaufe der Zeit auf das Plasmazentrum aus-gedehnt. Aufbau und wesentliche Plasma-eigenschaften der Anlage sind einem späterenKraftwerk angepasst. Sie ist damit insbeson-

Tokamaks

Blick in dasPlasmagefäß des

FusionsexperimentsASDEX Upgrade

dere zur Vorbereitung des in weltweiter Zu-sammenarbeit geplanten Testreaktors ITERgeeignet. Das Arbeitsprogramm für ASDEXUpgrade wird durch ein europäisches Pro-grammkomitee aufgestellt, so dass Forscheraus ganz Europa die Anlage für ihre Experi-mente nutzen können.

Abgesehen von der Zuarbeit durch ASDEXUpgrade wirken Wissenschaftler des IPP auchdirekt an der Vorbereitung des internationalenExperimentalreaktors ITER mit. Der Toka-mak soll erstmals ein energielieferndes Plasmaerzeugen und zugleich technische Kompo-nenten eines Fusionskraftwerks untersuchen.Seit 1988 ist das IPP in Garching Gastgeberder internationalen ITER-Planungsgruppe.

Daneben beteiligt sich das IPP intensiv andem wissenschaftlichen Programm des Toka-maks JET (Joint European Torus), dem euro-päischen Gemeinschaftsexperiment im engli-schen Culham. Das Plasma dieser weltweitgrößten Fusionsanlage kommt in vielem bereitseinem Kraftwerksplasma nahe. Im Deuterium-Tritium-Betrieb hat JET 1997 kurzzeitig eineFusionsleistung von 16 Megawatt erzeugt unddabei 65 Prozent der zur Plasmaheizung ver-brauchten Energie als Fusionsenergie zurück-gewonnen.

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Das Tokamakexperiment ASDEX Upgrade,die gegenwärtig größte Fusionsanlage in

Deutschland, ging 1991 im IPP in Betrieb.Eine der Aufgaben des Experiments ist es, dieWechselwirkung zwischen dem heißenPlasma und den Gefäßwänden unter bereitskraftwerksähnlichen Bedingungen zu unter-suchen. Obwohl der heiße Plasmaring imInneren des Gefäßes von magnetischenKräften in Schwebe gehalten wird, gerät dasPlasma an seinem Außenrand dennoch inKontakt mit den umgebenden Wänden. Dieskann zur Folge haben, dass Material von derWand abgetragen wird, in das Plasma ein-dringt, es verunreinigt und abkühlt.

Weiterhin wird an ASDEX Upgrade diegleichzeitige Optimierung der zentralenPlasmaeigenschaften wie Isolationsgüte undStabilität unter Berücksichtigung der Teil-chen- und Wärmeabfuhr untersucht. Obwohlnämlich moderne Tokamakexperimente diefür ein Kraftwerk notwendigen Isolations-und Stabilitätseigenschaften punktuell bereitsdemonstrieren konnten, gelingt ein „integrier-tes“ Szenario, das alle Anforderungen gleich-zeitig erfüllt, noch nicht. Zu diesem Zweckuntersucht ASDEX Upgrade zwei möglicheEntladungstypen, das sogenannte „ELMy H-mode-Szenario“, das einen konventionellenAnsatz für den Betrieb eines Fusions-kraftwerks darstellt, sowie das fortschrittliche

„Advanced Tokamak-Szenario“, das auf langeSicht die hauptsächliche Beschränkung derTokamaks, den gepulsten Betrieb, aufhebensoll.

Einen Weg, Teilchen- und Energieabfuhraus dem Plasma zu kontrollieren, zeigte dasExperiment ASDEX (AxialsymmetrischesDivertor-Experiment), das von 1980 bis 1990im IPP betrieben wurde. Spezielle Spulenerzeugten hier ein zusätzliches Magnetfeld,das Divertorfeld. Es lenkt („divertiert“) diegesamte äußere Randschicht des Plasmas ineinen separaten Bereich des Plasmagefäßes,den Divertor. Eine geschlossene Magnetfeld-fläche, die Separatrix, verhindert den Kontaktdes inneren, heißen Plasmas mit der Gefäß-wand und trennt den inneren Einschlussbe-reich vom äußeren offenen Plasma (sieheAbbildung Seite 24. Die Plasmateilchen desoffenen Bereichs werden in den Divertorgelenkt. Sie treffen dort abgekühlt und vomheißen Plasmazentrum entfernt auf Prallplat-ten auf und werden abgepumpt. Ebenso kön-nen störende Verunreinigungen - in einem bren-nenden Plasma auch die „Fusionsasche“Helium - aus dem Plasma entfernt werden.Zugleich wird die Gefäßwand geschont.

Überraschend wurde mit ASDEX auch einAusweg für ein grundlegendes Problem desmagnetischen Plasmaeinschlusses entdeckt,nämlich die an allen Experimenten beobach-tete Abnahme der Energieeinschlusszeit mitzunehmender Heizleistung: Unvermeidbarhat die Annäherung der Temperatur an dieZündbedingungen ein Absinken der Wärme-isolation zur Folge. 1982 wurde nun mit Hilfe

FusionsexperimentASDEX Upgrade

Aufbau von ASDEXUpgrade (aufgeschnitten)mit Plasmagefäß,Hauptfeldmagneten,Poloidalfeldspulen undStützgerüst.

Vertikalfeld-spulen

Stützgerüst

Transformator-spule

Vertikalfeld-spulen

Magnetspule

Plasmagefäß

Divertorplatten

Öffnungen fürHeizung,Messgeräteund Pumpen

Plasmarand

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Plasma

Stützgerüst

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der Divertoranordnung an ASDEX einPlasmazustand mit guter Wärmeisolation desBrennstoffes entdeckt. Er wurde H-Regime(High Confinement Regime) getauft. DiesesEntladungsszenario ist auch heute noch dieGrundoption für den Betrieb eines zukünfti-gen Fusionskraftwerks.

Das Divertor-Konzept erwies sich als soleistungsfähig, dass mittlerweile alle moder-nen Fusionsexperimente das ASDEX-Prinzipübernahmen oder entsprechend modifizierten.Nicht zuletzt wurde das europäischeGemeinschaftsexperiment JET für Divertor-betrieb umgestaltet. Die größten Erfolge hattedie Fusionsforschung mit JET, seit es in derDivertorkonfiguration und im H-Regimearbeitet. Diese Betriebsweise ist auch für dengeplanten Internationalen Testreaktor ITERvorgesehen.

Die von ASDEX erfolgreich begründeteDivertorlinie des IPP wird seit 1991 mit demNachfolger ASDEX Upgrade fortgesetzt, indem das einfache Divertorkonzept vonASDEX den Erfordernissen eines Fusions-kraftwerks angeglichen wurde. Im Gegensatzzum Vorgänger sind dabei auch wesentlichePlasmaeigenschaften, vor allem die Plasma-dichte und die Belastung der Wände, denVerhältnissen in einem späteren Kraftwerkangepasst. Durch genügend hohe Heizleis-tung wird dafür gesorgt, dass die Energie-flussdichten durch die Randschicht des

Plasmas denen im Fusionskraftwerk ent-sprechen. Außerdem wurde das Experimentso dimensioniert, dass in der auf Kraft-werksmaße vergrößert gedachten AnlageBlanket und erste Wand innerhalb derMagnetspulen Platz fänden. Damit kannASDEX Upgrade trotz seiner kleinerenAbmessungen wesentliche Randschichteigen-schaften ausreichend simulieren, die in ITERsowie in einem Kraftwerksplasma auftretenwerden.

Die unmittelbare Übertragung der bewährtenBetriebsweise des H-Regimes auf ITER istwegen der hohen Fusionsleistungen jedochnicht problemlos: Von der insgesamt imKraftwerk erzeugten Fusionsleistung wird zwarder Hauptteil von den entstehenden Fusions-neutronen großflächig auf den Wänden desPlasmagefäßes abgeladen. Die eng gebündelt inden Divertor strömenden Plasmateilchen brin-gen aber dennoch wesentlich mehr Leistung aufdie begrenzte Fläche der Divertorplatten, alsdiese ohne Zerstörung aushalten können.

Eine mögliche Lösung dieses Problems hat- nach Vorarbeiten am Jülicher TEXTOR-Experiment - ASDEX Upgrade 1994 vorge-führt: Damit nicht die gesamte Energie inForm von Plasmateilchen auf die Diver-torplatten einprasselt, wurden in die Rand-schicht des Plasmas gezielt Verunreinigungen- Atome des Edelgases Neon - eingeblasen.Durch den Kontakt mit dem heißen Plasma

werden sie zum Leuchtenangeregt und schaffen so dieEnergie auf sanfte Weise undüber die ganze Gefäßwandverteilt als Ultraviolett- oderRöntgenlicht aus dem Plasma.Anders als im heißen Plasma- zentrum, wo diese abkühlendeWirkung vermieden werdenmuss, sind Verunreinigungen amRand des Plasmas äußerst nütz-lich: Bevor die Plasmateilchenauf den Divertorplatten ankom-men, haben sie ihre Energie be-reits an die Neonatome verloren.Die Wärmeisolation dieses Plasma-zustandes entspricht außerdem

Radius der Anlage (über alles): 5 MeterHöhe (über alles): 9 Meter Gewicht: 800 TonnenGroßer Plasmaradius: 1,65 MeterPlasmahöhe: 1,60 MeterPlasmabreite: 1,00 MeterPlasmavolumen: 13 KubikmeterPlasmagewicht: 0,003 GrammAnzahl der Toroidalfeldspulen: 16Spulenstrom: 84 KiloampereMagnetfeld: max. 3,90 TeslaPlasmastrom: max. 1,4 MegaampereEntladungsdauer: bis 10 SekundenHeizleistung:- Neutral-Injektion: 20 Megawatt- Ionen-Zyklotronheizung: 8 Megawatt- Elektronen-Zyklotronheizung: 2 Megawatt

Charakteristische Datendes Experimentes

ASDEX Upgrade

Die verschiedenenDivertoranordnungen von

ASDEX Upgrade

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annähernd den günstigen Werten des H-Regimes. Ein zusätzlicher Vorteil: Im H-Regime wirkenRand-Instabilitäten des Plasmas, sogenannteELMs (Edge Localized Modes) besondersbelastend für die Divertorplatten, weil siePlasmateilchen und -energien gebündelt undschlagartig auf die Platten werfen.Andererseits sorgen sie damit auch für dasAusschleudern von Verunreinigungen ausdem Plasma. Statt der starken ELM-Ein-schläge des H-Regimes wünscht man sichdeshalb schwächere und dafür häufigereELMs. Genau dies ist in Experimenten mitstrahlender Randschicht festzustellen. Aller-dings zeigten Versuche, dieses Regime auch amderzeit größten Fusionsexperiment JET inCulham zu verwirklichen, dass sich die günsti-gen Wärmeisolationseigenschaften nicht ohneweiteres auf künftige Experimente übertragenlassen. Daher werden an ASDEX Upgradeauch andere Möglichkeiten der sanftenTeilchen- und Leistungsauskopplung unter-sucht.

Eine weitere Möglichkeit, die auf die Prall-platten auftreffende Leistung zu handhaben,ist nämlich die bessere Gestaltung desDivertors selbst. Durch eine optimiertegeometrische Form und Anordnung derPrallplatten kann man das Neutralgas in derDivertorkammer so steuern und an derenergieführenden Schicht des Plasmaskonzentrieren, dass ein Teil der Leistung vonden neutralen Atomen absorbiert undgroßflächig verteilt wird. Dadurch werden diePrallplatten spürbar entlastet. Außerdem kön-nen Strömungen so aufgebaut werden, dassdie Verunreinigungen im Divertorbereichkonzentriert werden und bevorzugt dortEnergie abstrahlen. Solche Überlegungen,unterstützt durch aufwändige Computersimu-lationen, führten zur Ausarbeitung einesneuen Divertorkonzepts für ASDEXUpgrade. Dieser sogenannte „Divertor II“wurde im Sommer 1996 in die Anlage einge-baut und im Herbst 2000 als „Divertor IIb“ somodifiziert, dass Plasmaquerschnitte miterhöhter Dreieckigkeit in den Divertor einge-passt werden können (Abbildung Seite 46).Mit diesem Konzept konnte die Belastung derDivertorplatten deutlich verringert werden.Der Erfolg erhöht auch die Glaubwürdigkeitder verwendeten Computerprogramme imHinblick auf die Modellierung zukünftigerAnlagen.

Zusätzlich untersucht man an ASDEXUpgrade unterschiedliche Wandmaterialien,die den Leistungs- und Teilchenflüssen in

einem Kraftwerk standhalten können. Nebendem an vielen Fusionsanlagen eingesetztenKohlenstoff, der sich durch hervorragendethermische und mechanische Eigenschaftenauszeichnet, wurden an ASDEX Upgradeauch sehr erfolgreich Wolframbeschichtungdes Divertors und der inneren Wand unter-sucht. Wolfram ist in seinen thermischen undmechanischen Eigenschaften dem Kohlen-stoff noch überlegen und kann darüber hin-aus, im Gegensatz zu Kohlenstoff, nur wenigWasserstoff binden, was sich in einem

Querschnitt durch dasPlasmagefäß vonASDEX Upgrade. Einge-zeichnet sind Plasmenverschiedener„Dreieckigkeit“ desPlasmaquerschnitts.Durch die Erhöhung der„Dreieckigkeit“ kanngute Wärmeisolationauch bei hoherPlasmadichte aufrecht-erhalten werden.

Bei niedriger Dreieckig-keit δ (schwarzerPlasmaquerschnitt obenund schwarze Punktelinks) nimmt die Energie-einschlusszeit mit stei-gender Plasmadichtebereits vor Erreichen desReaktorzielwerts ab.Plasmen mit hoherDreieckigkeit (rote undgrüne Kurven bzw.Punkte) besitzen dage-gen auch bei hoherPlasmadichte ausrei-chende Isolationsgüte.

0 0,5 1,0normierte Plasmadichte

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δ = 0,35δ = 0,29δ = 0,18 ITER

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Kraftwerk günstig auf das Tritiuminventarauswirken würde. Jedoch können Wolfram-verunreinigungen in wesentlich geringeremMaße als Kohlenstoff im Plasma geduldetwerden, da Wolfram zu starken Abstrahlungs-verlusten führt. Es hat sich aber gezeigt, dassin Verbindung mit der sanften Wärmeabfuhrim Divertor nur wenige Wolframatome an denPrallplatten losgelöst werden und ins Plasmaeindringen können. Wolfram steht damit alsernsthafter Kandidat zur Wandauskleidung inkünftigen Fusionsanlagen zur Verfügung.

Der Veränderung des Divertors von VersionII zu IIb liegt die Erkenntnis zugrunde, dassmit der gezielten Formung des Plasmaquer-schnitts deutliche Fortschritte auf dem Wegzu einem kraftwerkstauglichen integriertenEntladungsszenario erzielbar sind. So war esdurch die Erhöhung der „Dreieckigkeit“ desPlasmaquerschnitts erstmals möglich, dievom H-Regime bekannte Isolationsgüte auchbei hoher Plasmadichte aufrechtzuerhalten:Während bei niedriger Dreieckigkeit dieWärmeisolation mit steigender Plasmateil-chendichte bereits vor Erreichen des für einKraftwerk notwendigen Wertes abnimmt,besitzen Plasmen mit hoher Dreieckigkeitauch bei kraftwerksrelevanter Plasmadichteausreichende Isolationsgüte (AbbildungenSeite 47). Zusätzlich ist in diesem Betriebs-bereich die Belastung der Prallplatten - durchdas Auftreten kleiner ELMs mit nahezu kon-tinuierlicher Leistungsbeaufschlagung derPlatten - besonders günstig.

Links: Plasmaquer-schnitt von ASDEX

Upgrade mit magneti-schen Inseln (rot). DasDiagramm rechts zeigt

den Verlauf derElektronentemperaturmit und ohne Inseln.

Die beim Plasmaradius22 bis 29 Zentimeter

auftretenden Inseln(blauer Bereich) führen

zu einem deutlichflacheren Temperatur-profil. Dadurch nimmt

auch die Zentral-temperatur ab.

Man nähert sich damit einem Entla-dungsszenario mit ausreichender Isolationsgütebei hoher Plasmadichte und akzeptablenLeistungsflüssen auf die Divertorplatten. Eineweitere Bedingung für ein Fusionskraftwerk istallerdings die Effizienz des magnetischenEinschlusses: Einerseits muss die im Plasmagespeicherte Energie möglichst groß sein, dadies hohe freisetzbare Fusionsleistung bedeutet.Andererseits sollte die dazu benötigteMagnetfeldenergie möglichst gering sein, dadas Magnetfeld von supraleitenden Spulenerzeugt werden muss, die die Kosten derAnlage wesentlich bestimmen. Das Verhältnisvon thermischer Plasmaenergie zu magneti-scher Energie bezeichnet man als Plasma-Beta (siehe Seite 11). Hohes Beta bedeutetalso effiziente Nutzung des Magnetfeldes.

Es zeigt sich jedoch, dass die Beta-Wertenicht beliebig erhöht werden können, da beihohem Beta im Plasma Instabilitätenauftreten. Theoretische Arbeiten sagen fürTokamaks und Stellaratoren eine Beta-Grenzebei einigen Prozent vorher. Zur Vorbereitungvon ITER ist es daher ein wichtigesUntersuchungsziel, sowohl den maximal er-reichbaren Beta-Wert zu ermitteln als aucheinen stabilen Arbeitspunkt mit möglichsthohem Beta zu demonstrieren. Mit seinerITER-ähnlichen Geometrie ist ASDEXUpgrade für solche Untersuchungen gutgeeignet. Obwohl an der Anlage gezeigt wer-den konnte, dass stationäre Entladungen beidem von ITER angestrebten Beta-Wert ohne

2,5

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010 20 30 40

kleiner Plasmaradius (cm)

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ASDEX Upgrade #8216 ohne magnetische Inseln mit magnetischen Inseln

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Plasmainstabilitäten möglich sind, findet mandoch in der Nähe des ITER-Arbeitspunkteseine spezifische Art von Instabilitäten - soge-nannte magnetische Inseln - die sich negativauf den Plasmaeinschluss auswirken. Dieszeigt die Abbildung links. Magnetische Inselnsind in sich geschlossene Strukturen mag-netischer Flächen, die verschiedene radialeBereiche des Plasmas mit Magnetfeldlinienverbinden und somit für die Wärmeisolationeinen Kurzschluss darstellen. Da zudem nichtklar ist, wie sich diese Ergebnisse auf ITERübertragen lassen, ist es wünschenswert, eineaktive Kontrollmethode zu entwickeln, diemagnetische Inseln vermeidet oder beseitigt.

Dies wurde an ASDEX Upgrade 1999demonstriert: Durch gezieltes Einstrahlenelektromagnetischer Wellen bei der Elektron-Zyklotron-Resonanzfrequenz mit einerLeistung von weniger als zehn Prozent dergesamten Heizleistung konnten im Plasmalokale Ströme getrieben werden, welche dieunerwünschten Inseln zerstören und denursprünglichen Zustand mit guter Wärme-isolation wieder herstellen. Diese Methodekönnte auch in ITER oder einem Kraftwerkden Betrieb bei ausreichend hohen Beta-Werten gewährleisten.

Neben dem H-Mode-Szenario mit ELMswird seit einigen Jahren noch eine weitereBetriebsweise für Tokamaks untersucht. Beidiesem „Advanced Tokamak-Szenario“ ver-sucht man, sich den sogenannten „Bootstrap-

Strom“ zu Nutze zu machen. Dieser durcheinen thermoelektrischen Effekt getriebeneRingstrom ist um so stärker, je größer dasPlasma-Beta ist. Daher ist es denkbar, bei aus-reichend hohem Plasma-Beta stationäre Toka-makentladungen zu erreichen, bei denen derPlasmastrom nicht durch den Transformator,sondern durch den internen Bootstrap-Stromaufrecht erhalten wird. Dies hebt dieBeschränkung der Pulsdauer eines Tokamakauf und kann im Prinzip, wie im Stellarator,zu einem Kraftwerk mit Dauerbetrieb führen.Daher wird weltweit neben den Untersu-chungen zum H-Regime auch die Möglich-keit von „Advanced Tokamak-Szenarien“untersucht. Es zeigt sich jedoch, dass hierzusowohl Isolationsgüte als auch Plasma-Betanoch über den im H-Regime erreichbarenWerten liegen müssen.

Ein nochmals verbesserter Energieeinschlusslässt sich durch den Aufbau sogenannter inter-ner Transportbarrieren realisieren. Dies sindBereiche im Plasmainneren, in denen dieWärmeisolation durch das Ausbilden einerPlasmaströmung stark verbessert ist. AnASDEX Upgrade konnte 1998 zum ersten Malgezeigt werden, dass interne Transportbarrierengleichzeitig in den Profilen der Ionen- und derElektronentemperatur erreicht werden können(Abbildung unten). Ein Hauptproblem liegtaber im dauerhaften Aufrechterhalten solcherEntladungen, die wegen der hohen Druckunter-schiede zwischen benachbarten magnetischen

Profile der Ionen- undElektronentemperaturin ASDEX Upgrade überdem Plasmaradius. ImBereich der internenTransportbarriere(blauer Bereich) wer-den die Profile deutlichsteiler, so dass hoheZentraltemperaturenerreicht werden.

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0normierter Plasmaradius

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ASDEX Upgrade #12229 Elektronentemperatur Ionentemperatur

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Flächen zur Instabilität neigen. Daher ist dieVerwirklichung stationärer Advanced Toka-mak-Szenarien mit hohem Plasma-Beta auch inZukunft ein wichtiger Forschungsschwerpunktfür ASDEX Upgrade. Erst dann wird sich her-ausstellen, ob diese Betriebsweise auch inITER oder einem Kraftwerk anwendbar seinwird.

JET-Mitarbeit

Das Tokamak-Experiment JET (JointEuropean Torus) wird gemeinsam von

allen Laboratorien des Europäischen Fusions-programms, darunter auch dem Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, in Culham/Groß-britannien betrieben. Es ist das weltweitgrößte und am weitesten fortgeschritteneFusionsexperiment: Der Plasmaring derAnlage hat einen Umfang von 20 Metern,eine Höhe von über drei Metern und einen

Durchmesser von 2,5 Metern. Das Experimentwurde ab 1972 von den Europäern gemein-sam konzipiert, innerhalb des vorgegebenenKosten- und Zeitrahmens gebaut und seit1983 auch gemeinsam betrieben. JET hat dieAufgabe, das Verhalten eines Fusionplasmasnahe der Zündung zu untersuchen. DasExperiment soll Plasmazustände erreichen,die für ein Brennstoffgemisch aus Deuteriumund Tritium einige Megawatt an Heizleistungaus den entstehenden Heliumkernen erwarten

lassen. Dazu wurde JET von Anfang an tech-nologisch auf den Betrieb mit Tritium und diedann notwendige Fernsteuerung der Anlageausgerichtet.

Heute ist das JET-Plasma nur noch umeinen Faktor sechs von der Zündbedingungentfernt und hat bis zu 16 MegawattFusionsleistung erzeugt. Der gewaltige Fort-schritt der Fusionsforschung, der sich hinterdiesen Daten verbirgt, wird deutlich imVergleich zu den Werten des Jahres 1970, alsdie Überlegungen zum Bau des Experimentesbegannen: Damals lagen die Resultate derweltbesten Experimente um einen Faktor25.000 unter den Kraftwerkserfordernissen.

Generell experimentieren heutige Fusions-experimente mit Modellplasmen aus nor-malem Wasserstoff oder Deuterium. DerVergleich dieser zwei Möglichkeiten erlaubteine Hochrechnung der Ergebnisse aufDeuterium-Tritium-Bedingungen, wie sie fürein künftiges Kraftwerk relevant sind. ZurPrüfung dieser Ergebnisse wurde in JET - derheute einzigen Anlage weltweit, die mitTritium-Plasmen experimentieren kann - inzwei Experimentreihen mit Deuterium-

Tritium-Plasmen gearbeitet (Abbil-dung Seite 52). In der ersten Experi-mentierphase im Jahr 1991 wurde dieMenge des verfügbaren Tritiums auf0,2 Gramm beschränkt, weil man - wegen geplanter Umbauten im Plas-magefäß - dessen radioaktive Belas-tung möglichst niedrig halten wollte.Das Plasma bestand daher nur zu elfProzent aus Tritium. Dennoch wurden - erstmalig in der Geschichte der Fusionsforschung - 1,5 MegawattFusionsleistung erzeugt. Im Jahre 1997 fand eine zweite Reihevon Deuterium-Tritium-Experimentenstatt. Dabei veränderte man dieMischung von Deuterium und Tritiumvon 100 Prozent Deuterium über eineZusammensetzung aus gleichen Teilenwie im späteren Kraftwerk bis hin zu100 Prozent Tritium. So wurden

zuverlässige Vorhersagen der Plasmabe-dingungen mit reaktorrelevanten Brennstoff-mischungen möglich.

Die höchste Fusionsleistung bis zu 16Megawatt wurde unter transienten, d.h.vorübergehenden Bedingungen produziert. Inder besten Entladung betrug das Verhältnis Qder erzeugten Fusionsleistung zur Heiz-leistung 0,64. Rund 65 Prozent der aufgewen-deten Heizleistung wurde also durch Fusions-reaktionen zurückgewonnen. Unter statio-

Charakteristische Datendes Experimentes JET Radius der Anlage (über alles): 7,5 Meter

Höhe (über alles): 11,5 Meter Gewicht: 4000 TonnenGroßer Plasmaradius: 2,93 MeterPlasmahöhe: 4 MeterPlasmabreite: 2,5 MeterPlasmavolumen: 80 KubikmeterPlasmagewicht: 0,02 GrammAnzahl der Toroidalfeldspulen: 32Spulenstrom: max. 78 KiloampereMagnetfeld: max. 4,0 TeslaPlasmastrom max. 5 Megaampere Entladungsdauer: max. 60 SekundenHeizleistung:- Neutralteilchenheizung 22 Megawatt- Ionen-Zyklotronheizung: 15 Megawatt- Lower-Hybrid-Stromtrieb 7 Megawatt

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nären Bedingungen, wie sie für ein Kraftwerknotwendig sind, erreichte der Wert Q in JETungefähr 0,2. Insgesamt lieferten dieseErgebnisse eine solide Grundlage zur Vorher-sage der erreichbaren Fusionsleistung ineinem zukünftigen Kraftwerk.

Im zweiten Deuterium-Tritium-Experimentwurde sehr viel mehr Tritium verwendet alsim Jahr 1991. Um das Inventar dennoch zubegrenzen und ebenso die für das Fusions-kraftwerk notwendige Technologie zu testen,wurde eine Tritium-Recycling-Anlage zurWiederaufbereitung des nach jeder Entladungzurückgewonnenen Tritiums eingesetzt. Aufdiese Weise wurde die gesamte Tritiummengeauf 20 Gramm begrenzt; durch Wiederver-wendung des gesammelten Tritiums wurdenjedoch Experimente mit fast 100 GrammTritium möglich.

Die Aktivierung des Plasmagefäßes nachdem zweiten Deuterium-Tritium-Experimentmacht langandauernde Wartungs- oder Umbau-arbeiten durch im Gefäß arbeitende Technikerunmöglich. Stattdessen wird inzwischen fürsolche Arbeiten routinemäßig ein fernge-steuertes Robotersystem benutzt. Währendeiner fünfmonatigen Experimentierpause imJahr 1998 wurde zum Beispiel die gesamteDivertorstruktur am Boden des Plasmagefäßesvollständig durch Roboter ersetzt. Der Erfolgdieser und späterer ferngesteuerter Instand-haltungsarbeiten zeigt die Brauchbarkeit dieserTechnik auch in einem späteren Kraftwerk. Seit dem Jahr 2000 wird JET in einer neuenOrganisationsform im Rahmen des European

Fusion Development Agreement betriebenund ist kein selbständiges Gemeinschafts-projekt der Europäischen Fusionslaboratorienmehr. Das Vorbereiten, Ausführen und Aus-werten der Experimente übernehmen nunzeitweise von ihren Heimatlaboratorien abge-ordnete Wissenschaftler und Techniker. Fürden technischen Betrieb ist das britischeFusionslabor in Culham zuständig, das dieForschungsanlage samt der zugehörigen Mess-geräte und Plasmaheizungen betriebsbereit zurVerfügung stellt. In der neuen Organisations-form soll das leistungsfähige JET-Experimentüber das geplante Betriebsende im Jahr 1999hinaus zur Vorbereitung des InternationalenExperimentalreaktors ITER genutzt werden.

Die Experimentierprogramme verfolgenzwei Ziele: Erstens die Demonstration eineskonventionellen Plasmazustandes, wie er fürITER notwendig ist: Dazu muss der stabileEinschluss von Deuterium-Tritium-Plasmenmit hoher Plasmadichte und niedrigemLeistungsfluss auf die erste Wand kombiniertwerden. Auf Kraftwerksgröße hochgerechnet,soll dies direkt zu einer wirtschaftlichenEnergiequelle führen. Zweites Ziel des JET-Programms ist die Entwicklung eines „Ad-vanced Szenario“ mit deutlich besseremPlasmaeinschluss als in herkömmlichen Ex-perimenten: Kontrolliert man das Profil desPlasmastroms mit Hilfe externer Stromtrieb-systeme, zum Beispiel durch Hochfrequenz-heizung, so sollte man den Turbulenz-mechanismus stabilisieren können, der denEnergietransport aus dem Zentrum des

Blick in dasPlasmagefäß desJoint European Torus(JET).

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Plasmas zur Wand beherrscht. AnfänglicheErgebnisse sind ermutigend, obgleich nochviel Entwicklungsarbeit zu leisten ist, bisdiese Plasmen unter stationären Beding-ungen existieren und Werte erreichen, die mitden technischen Randbedingungen in einemKraftwerk verträglich sind.

Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysikist ein Hauptteilnehmer des wissenschaft-lichen JET-Programms. In den Jahren 2000und 2001 haben sich über 35 IPP-Physiker anExperimenten bei JET beteiligt, die allewichtigen plasmaphysikalischen Gebieteabdeckten. Dabei beginnt die Teilnahme miteinem Experimentiervorschlag der inter-essierten Parteien und schließt Besuche beiJET und die dortige Ausführung der Expe-rimente ein. Die Ergebnisse werden dann imallgemeinen in den Heimatlaboratorien imDetail analysiert. Da das JET-Programm vorallem der Vorbereitung von ITER dienen soll,ist der Vergleich zwischen JET und demGarchinger ASDEX Upgrade - den beidengrößten ITER-ähnlichen Tokamaks in Europa- besonders fruchtbar. IPP-Physiker und -In-genieure sind darüber hinaus auch an derDefinition und Realisation des Ausbaus derJET-Maschine beteiligt, wiederum hauptsäch-lich mit dem Ziel, das Verhalten von ITERbesser vorauszusagen zu können.

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ITER-Mitarbeit

Das Experiment JET kann wichtigephysikalische Erfordernisse für ein

Fusionskraftwerk prüfen. Vor dem Bau einesDemonstrationskraftwerks muss jedoch derNachweis erbracht werden, dass ein für län-gere Zeit brennendes Plasma physikalischund technisch realisierbar ist. Außerdemmüssen eine große Zahl technischer Kraft-werkskomponenten weiterentwickelt underprobt werden. Hierzu gehören supraleitendeMagnetspulen, die Tritium-Technologie, dasAbführen der erzeugten Wärme-Energie, dieEntwicklung fernbedient auswechselbarerKomponenten sowie die Erforschung derSicherheits- und Umweltfragen der Fusion.Dazu beteiligt sich Europa seit 1988 an derweltweiten ITER-Zusammenarbeit. DieDimensionen dieses Experimentalreaktorswerden die von JET noch einmal deutlichübersteigen, vor allem wegen der zusätzlichnötigen technischen Komponenten wieBlanket und radiologischer Abschirmung.Das ITER-Projekt wurde 1985 in Gesprächendes damaligen sowjetischen GeneralsekretärsGorbatschow mit den Präsidenten Frank-reichs und der USA, Mitterand und Reagan,eingeleitet. Im Frühjahr 1988 begannen dannam IPP als Gastlabor die Planungsarbeiten.Im Dezember 1990 legte die amerikanisch-europäisch-japanisch-russische ITER-Studien-

Zeitlicher Verlauf derin JET erzeugten

Fusionsleistung in ver-schiedenen Plasmen:

Die schwarze Liniezeigt eine der

Deuterium-Tritium-Entladungen 1991 mit

geringem Tritium-Anteil. Die übrigen

Kurven zeigen Entla-dungen aus dem Jahr

1997. Das Verhältnis Qder erzeugten Fusions-

leistung zur Heizleis-tung ist für die bestentransienten (blau) undstationären Entladun-gen (rot) angegeben.

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weiteren Experimentgeneration bis zumDemonstrationskraftwerk zu bringen. Letzte-res erfordert, dass auch in einem verkleinertenITER die thermonukleare Selbstheizung desPlasmas jede Fremdheizung um einen Faktorzwei übertrifft, dass ein echt stationärerBetrieb bei dominierender Fusionsheizungmöglich ist und wesentliche Technologieneines Fusionskraftwerks wie supraleitendeSpulen, Fernbedienungstechnik für Service-,Reparatur- und Umbauarbeiten sowie Brut-module zum Erzeugen des Brennstoff-bestandteils Tritium zum Einsatz kommen.Der Prozess des Abwägens zwischenangestrebter Kostensenkung einerseits underreichbaren Betriebsbedingungen und tech-nischen Zielen andererseits wurde mit dem

Charakteristische Datendes ITER-Experiments(nach dem Abschluss-bericht vom Juli 2001)

gruppe einen ersten Entwurf des Test- reaktors vor.

Während der 1992 angelaufenen, sechs-jährigen detaillierten Planungsphase arbeiteteein gemeinsames, international besetztesTeam von rund 210 ITER-Mitarbeitern andrei Fusionszentren: in San Diego/USA, andem japanischen Fusionslabor in Naka sowiewiederum am IPP in Garching. Dabei warjedes dieser Zentren für besondere Pla-nungsarbeiten verantwortlich: Garching fürphysikalische Fragen und die Komponentenim Plasmagefäß - Abschirmung und Blanket,erste Wand und Divertor - Naka für die Kom-ponenten außerhalb des Plasmagefäßes, d.h.supraleitende Magnete und Abstützung,sowie San Diego für Sicherheitsunter-suchungen und Koordination. Sitz desAufsichtsgremiums - des ITER-Rates - warMoskau. Unterstützt wird das zentrale ITER-Team durch Gruppen in den jeweiligenHeimatlaboratorien der Partner, die auch dienötigen Forschungs- und Entwicklungsar-beiten für ITER übernehmen. Das EFDA-Team (European Fusion DevelopmentAgreement) in Garching fungiert dabei seit1998 als das europäische ITER-Team. Vorherwar dies die Aufgabe des ebenfalls inGarching angesiedelten NET-Teams (NextEuropean Torus).

Der fertige Entwurf für einen Testreaktor,der das selbständige Brennen einesFusionsplasmas demonstrieren sollte, wurdeam Ende dieser Planungsphase 1998vorgelegt. Obwohl mit diesem Entwurf auswissenschaftlich-technischer Sicht allerBeteiligten eine solide Grundlage für den Bauder Anlage vorlag und die Kosten von 13Milliarden Mark im zuvor genehmigtenFinanzrahmen blieben, konnte man dennoch -angesichts der Finanz-schwierigkeiten in denPartnerländern - nicht zueiner Bauentscheidungkommen. Dies führte zueinem Rückzug der USAaus den ITER-Aktivi-täten.

Die verbleibenden Part-ner Japan, Europa undRussland beschlossen, denITER-Entwurf in einerdreijährigen Planungs-verlängerung kostenspa-rend zu überarbeiten.Dabei sollte das Ziel bei-behalten werden, die Fu-sion innerhalb nur einer

Gesamtradius (über alles): 15 Meter Höhe (über alles): 30 Meter Gewicht: 15000 TonnenPlasmaradius: 6,2 MeterPlasmahöhe: 7,4 MeterPlasmabreite: 4,0 MeterPlasmavolumen: 837 KubikmeterMagnetfeld: 5,3 TeslaMaximaler Plasmastrom: 15 MegaampereHeizleistung und Stromtrieb: 73 MegawattWandbelastung durch Neutronen: 0,57 Megawatt pro m2

Fusionsleistung: 500 MegawattBrenndauer: ≥ 300 Sekunden

Der InternationaleExperimentalreaktorITER im Entwurf. Voninnen nach außen:Transformatorspule(rosa), Blanket (grau),Plasmagefäß mit denam Boden angebrach-ten Divertorplatten(grau), Magnete (gelb)und Kryostat.

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Mitte des Jahres 2001vorgelegten Entwurf fürITER-FEAT (Fusion Energy AmplifyingTokamak) abgeschlossen: Mit einer Ver-kleinerung des Plasmavolumens von ur-sprünglich 2000 auf 840 Kubikmeter ließensich die Baukosten auf rund 4 MilliardenEuro ungefähr halbieren. Die größten Ein-sparungen ergaben sich dabei durch dieGrößenreduzierung bei den Gebäuden undden supraleitenden Magnetspulen. Der vonden Spulen erzeugte Magnetfeldkäfig schließteinen Plasmaring ein, dessen Radius vonzuvor acht auf jetzt sechs Meter gekürztwurde. Daraus folgt eine reduzierte Fusions-leistung von 500 Megawatt (zuvor 1500) undein Energiegewinnungsfaktor von etwa 10:Das zehnfache der zur Plasmaheizung aufge-wandten Energie wird als Fusionsenergie ge-wonnen.

Neben der Verkleinerung der Anlage konnteman zur Kostensenkung ebenso neue techno-logische Erkenntnisse nutzen. Zur Unter-stützung der ITER-Planung wurden nämlich1995 sieben große Technologieprojektebegonnen: Um die industrielle Machbarkeitund Tauglichkeit der wesentlichen ITER-Bauteile zu zeigen, wurden zwei Magnet-spulen-Modelle (siehe Seite 23), ein Proto-typ-Teil des Plasmagefäßes (Abbildungoben), Blanket-Bausteine, Divertor-Kompo-nenten sowie Fernbedienungs-Apparaturen

zum Auswechseln von Blanket- undDivertor-Teilen gefertigt. Alle Proto-typen und Modelle wurden inzwischenunter den späteren Betriebsbedin-gungen getestet. Auch die in diesemTechnologieprogramm gewonnenenfertigungstechnischen Erfahrungensind kostensparend in den Neuentwurfeingeflossen.Zur Zeit wird die Frage des möglichenITER-Standortes diskutiert. Seit demJahr 2000 liegt ein offizielles Angebotder kanadischen Regierung vor, Gast-geber für ITER zu sein. Auch in Japanund Europa gibt es konkrete Ent-wicklungen auf einen Standortvor-schlag hin, so dass die baldige Be-kanntgabe weiterer Angebote erwartetwerden kann. Angesichts dieser posi-tiven Entwicklungen erscheint aucheine Wiederaufnahme der ITER-Akti-vitäten in den USA nicht ausge-schlossen. Ungefähr zehn Jahre nachder Baugenehmigung könnte ITER daserste Plasma erzeugen, so dass miteinem Betriebsbeginn im nächstenJahrzehnt gerechnet werden kann.

Abgesehen von seiner Rolle als Gastgeberder EFDA- und ITER-Gruppe trägt das IPPmit dem Forschungsprogramm seines Experi-ments ASDEX Upgrade mit einem Großteilseiner Aktivitäten zur Vorbereitung desTestreaktors bei. Hier sind vor allem dieUntersuchungen zur Divertorphysik, zurmagnetohydrodynamischen Stabilität sowieder Konzeptverbesserung hin zum „AdvancedTokamak“ zu nennen. Außerdem stehen dieIPP-Wissenschaftler in allen physikorien-tierten Fragen in engem Kontakt mit derITER-Gruppe und haben darüber hinaus inzahlreichen Vertragsstudien spezielle Proble-me für ITER bearbeitet. Schließlich über-nimmt das IPP zunehmend Arbeiten, die aufden Entwurf und Bau spezieller Kompo-nenten von ITER hinzielen. Hier sollenBeiträge zur Diagnostikentwicklung, zu Heiz-und Stromtriebmethoden sowie zur Experi-mentsteuerung und -regelung erbracht werden.

Prototyp der Hälfteeines Plasmagefäß-

Sektors inOriginalgröße - nach

dem ITER-Entwurf von1998 - hergestellt

in Japan

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Stellaratoren

helikalen Windungen und begann zweitensmit der systematischen Suche nach dem opti-malen Magnetfeld eines Stellarators. Derdafür notwendige große Theorie- und Rechen-aufwand konnte erst durch die modernenschnellen Computer bewältigt werden. Inmehr als zehnjähriger Arbeit beschrieb unduntersuchte die Gruppe „Stellarator-Theorie“des IPP den weiten Raum theoretisch möglicherStellarator-Konfigurationen. Die Anforde-rungen an die Kraftwerkseigenschaften wurdenschrittweise eingebaut und so die bezüglichPlasmagleichgewicht, Stabilität und Ein-schlussvermögen optimale Konfiguration ent-wickelt - der „Advanced Stellarator“. In die-ser optimierten Form können Stellaratoren alsechte Alternative zu einem Tokamakkraft-werk gelten.

Das Experiment WENDELSTEIN 7-AS,die erste Anlage dieser neuen Stellarator-Generation, ging 1988 in Betrieb und unter-wirft die theoretischen Überlegungen einemersten praktischen Test. Gleichzeitig ist einmodulares Spulenkonzept verwirklicht, dasauch technologisch kraftwerksrelevant ist.Der weiterentwickelte Nachfolger WENDEL-STEIN 7-X, der gegenwärtig im IPP-Teil-institut Greifswald entsteht, soll die Kraft-werkstauglichkeit der neuen Stellaratorendemonstrieren.

Fusionsexperimente vom Typ Stellaratorhaben sich in den letzten Jahren als aus-

sichtsreiche Alternative zu Tokamaks ent-wickelt. Stellaratoren schließen das Plasmadurch Magnetfelder ein, die allein durchSpulen außerhalb des Plasmabereichs erzeugtwerden. Ein Strom im Plasma - wie im Toka-mak - ist also nicht nötig. Wichtigste Folgenhieraus sind: Stellaratoren eignen sich für denDauerbetrieb, die unerwünschten Abbrüchedes Plasmastromes treten nicht auf. Alsweltweit einziges Institut betreibt das IPP mitden Tokamaks der ASDEX- und den Stella-ratoren der WENDELSTEIN-Serie beideLinien parallel zueinander und hat damit dieMöglichkeit des direkten Vergleichs.

Einer der Gründe für den historischenVorsprung der Tokamaks waren die mäßigenKraftwerkseigenschaften des früheren „klas-sischen“ Stellarators. Mit seinem unzurei-chend einschließenden Magnetfeldkäfig, derüberdies von ineinander verketteten, d.h.schwer demontierbaren Spulensystemen er-zeugt wurde, hatte er als Fusionskraftwerkwenig Aussichten. Zur verbesserten Umset-zung des Stellaratorprinzips beschritt dieStellaratorforschung im IPP daher gänzlichneue Wege: In strikter Ausrichtung auf dieKraftwerkserfordernisse löste man sicherstens von dem alten Spulenkonzept der

Das Stellarator-Experiment WENDEL-STEIN 7-AS.

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Der Stellarator WENDELSTEIN 7-AS istseit 1988 in Betrieb. Als erste Anlage der

neuen Generation der „Advanced Stella-rators“ unterwirft er die zugrundeliegendenOptimierungsprinzipien einem ersten prakti-schen Test: Von bisherigen Stellaratorenunterscheidet sich WENDELSTEIN 7-ASdurch ein besser geformtes Magnetfeld, daseine höhere Dichtigkeit des magnetischenKäfigs besitzt und ein Plasmagleichgewichtbei höherem Druck ermöglicht. Auch tech-nisch geht WENDELSTEIN 7-AS durchseine neuartigen Magnetspulen über bisherigeStellaratoren hinaus: Ein einziger Satz aus 45nichtebenen Einzelspulen erzeugt das gesam-te zum Plasmaeinschluss nötige Feld. Es konntegezeigt werden, dass das berechnete Mag-netfeld sich von diesen modularen Spulen mitder erforderlichen Genauigkeit erzeugenlässt.

Ziel der Untersuchungen an WENDEL-STEIN 7-AS ist es, die physikalischen undtechnischen Grundlagen des AdvancedStellarator zu testen. Untersucht werden ins-besondere die Einschlusseigenschaften desverbesserten Magnetfeldes, d.h. der Energie-und Teilchentransport, auch unter dem Ein-fluss von elektrischen Feldern und Plasma-strömen, sowie das Plasmagleichgewicht undseine Stabilität in Abhängigkeit vom Plasma-druck. Seit kurzem liegt ein besondererSchwerpunkt auf der Untersuchung des Verun-reinigungstransports und der Verunreini-gungskontrolle. Neu entwickelt oder für dieAnwendung an WENDELSTEIN 7-AS opti-

miert wurden verschiedene Heizverfahren. Bisher liefen 53.000 Entladungen mit typi-

schen Pulsdauern von 0,5 bis 1,5 Sekunden. Indiesen Entladungen konnte WENDELSTEIN7-AS die bekannten Vorzüge des stromlosenStellarators gegenüber dem Tokamak bestäti-gen: Der nettostromfreie Betrieb wurde de-monstriert, d.h. Stellaratoren eignen sich fürden Dauerbetrieb; Stromabbrüche treten nichtauf. Die bisherigen Experimente zeigenaußerdem die Leistungsfähigkeit der Optimie-rungskriterien. Damit wurden die Vorausset-zungen geschaffen, mit der zur Zeit im Teil-institut Greifswald entstehenden größerenund vollständig optimierten Anlage WEN-DELSTEIN 7-X die Kraftwerkstauglichkeitder Stellaratoren zu untersuchen.Kernstück von WENDELSTEIN 7-AS ist derKranz aus 45 Stellaratorspulen, der dasgesamte zum Plasmaeinschluss nötige Feldproduziert (siehe Abbildung). Überlagertetoroidale und vertikale Felder, die von zusätz-lichen Spulen erzeugt werden, können diesesSystem verändern. So lässt sich der Einflussunterschiedlicher Magnetfeldkonfiguratio-nen, die sich hinsichtlich Rotationstrans-formation, Verscherung der magnetischenFeldlinien oder magnetischer Spiegel unter-scheiden, auf das Plasmaverhalten unter-suchen.

An WENDELSTEIN 7-AS werden dreiunterschiedliche Heizverfahren zur Erzeu-gung und Heizung „stromloser“ Plasmenbenutzt: Heizung durch Wellen der Elek-tronen- und Ionen-Zyklotronfrequenz sowieNeutralteilchenheizung. Bei den Hochfre-quenz-Heizverfahren koppelt die Ionenzyklo-tronheizung an die Kreisbewegung der Ionenum die Magnetfeldlinien an, die Elektronen-Zyklotronheizung an die der Elektronen.

Der Hochfrequenzheizung bei derElektronen-Zyklotronfrequenz kommtdabei eine besondere Bedeutung zu.Die Mikrowellen können das Plasmanicht nur wirksam heizen, sondernauch aus einem Neutralgas erzeugen.An WENDELSTEIN 7-AS stehen inder letzten Ausbaustufe vier Mikro-wellen-Generatoren, sogenannte Gyro-trons, mit einer Frequenz von 140Gigahertz sowie ein weiteres bei 70Gigahertz zur Verfügung. Das bedeu-tet eine Gesamtheizleistung von etwazwei Megawatt bei 140 Gigahertz und0,5 Megawatt bei 70 Gigahertz mitjeweils einer Pulsdauer von etwa einerSekunde. Die Mikrowellen können beiden Resonanzfeldstärken von 1,25 bzw.

Fusionsexperiment WENDELSTEIN 7-AS

Spulenanordnung vonWENDELSTEIN 7-AS:

Das Experiment besitztein Hauptspulensystem

aus 45 nicht-ebenenEinzelspulen (rot). IhrMagnetfeld kann mitHilfe ebener Zusatz-

spulen (grün) zurVeränderung der

Rotationstransforma-tion variiert werden.

Ein Vertikalfeld (grauePoloidalfeldspulen)

dient zur Verschiebungder Plasmasäule

im Gefäß.

Stützgerüst

Neutralteilchen-Heizung

Poloidalfeld-spulen

Zusatzspulen

Gefäßöffnung

Plasma

Stellaratorspulen

Plasmagefäß

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Charakteristische Datendes ExperimentesWENDELSTEIN 7-AS.

2,5 Tesla Plasmen bis zu einer Dichte-grenze von 3 . 1013 bzw. 6 . 1013 (bei 70 Gi-gahertz) oder 1,2 . 1014 Teilchen pro Kubik-zentimeter (bei 140 Gigahertz und 2,5 Tesla)aufbauen. Bei höheren Plasmadichten werdendie Mikrowellen normalerweise vom Plasmareflektiert.

Wegen der kurzen Wellenlänge im Millime-terbereich können die Mikrowellen direktüber Fenster und Spiegel„quasioptisch“ in das Plasmaeingestrahlt werden, ähnlichwie bei einer Richtfunk-strecke. Eine Antenne inPlasmanähe, die zu einemZufluss von Verunreini-gungen führen könnte, istalso nicht nötig. Ein großerVorteil der Elektronen-Zyklotronheizung ist auch,dass sie das Plasma lokalaufheizen kann. So lässt sichdie Temperaturverteilungder Elektronen lokal verän-dern und damit der Wärme-transport der Elektronen ge-zielt untersuchen. DieExperimente zur Elektronen-Zyklotronheizung an WEN-DELSTEIN 7-AS werden zusammen mit demInstitut für Plasmaforschung (IPF) derUniversität Stuttgart ausgeführt, wo dieLeitungen zur Übertragung der Mikrowellenentwickelt wurden.

Für WENDELSTEIN 7-AS ist die Heizungmit Elektron-Zyklotronwellen nicht nur einZünd- und Heizverfahren, sondern auch eineigenständiges Forschungsprogramm. Eskonnte zum Beispiel gezeigt werden, dassman durch geeignete Einstrahlung der Welleneinen toroidalen Strom wie im Tokamaktreiben kann. Bei diesem sogenannten Elek-tronzyklotron-Stromtrieb wird über eineasymmetrischen Verformung der Geschwin-digkeitsverteilung der Elektronen eine Netto-drift der Elektronen erzeugt. In einem weiteren wichtigen Entwicklungs-schritt konnte die Dichtebeschränkung für dieElektronen-Zyklotronheizung überwundenwerden: Ab einer kritischen Elektronendichteist das Plasma für elektromagnetischeZyklotronwellen nämlich reflektierend unddamit unzugänglich - ähnlich wie Licht, alsoStrahlung im sichtbaren Frequenzbereich, anmetallischen Oberflächen reflektiert wird. AnWENDELSTEIN 7-AS ist es nun gelungen,unter bestimmten Voraussetzungen die elek-tromagnetischen Zyklotronwellen im Plasma in

elektrostatische Wellen, ähnlich denSchallwellen, umzuwandeln. So konnte derEinsatzbereich der Elektron-Zyklotron-heizung zu extrem hohen Plasmadichten aus-geweitet werden. Da bei diesen hohenDichten an WENDELSTEIN 7-AS Plasma-zustände mit besonders attraktiven Eigen-schaften gefunden wurden, ist diese neugefundene Technik besonders bedeutsam.

Die Neutralteilchenheizung an WEN-DELSTEIN 7-AS ist mit zwei Injektorenmit jeweils vier Ionenquellen ausgerüstet.Sie erzeugen zusammen Heizleistungen biszu 2,6 Megawatt. Diese Leistung kann nurin ein „Startplasma“ eingekoppelt werden,das im allgemeinen durch Elektronen-Zyklotronheizung erzeugt worden ist. Dadie Neutralteilchenheizung das Plasmanicht nur heizt, sondern mit dem Ein-schießen der Neutralteilchen auch dieDichte des Plasmas erhöht, lässt sich diePlasmadichte vor allem bei hoher Heiz-leistung nur noch schwer kontrollieren.Dichtekontrolle konnte jedoch mit der gleichzeitigen Verwendung der Elektronen-Zyklotronheizung erreicht werden, wenndie Leistung der Neutralteilchenheizung dieder Elektronen-Zyklotronheizung nichtwesentlich übersteigt. Dabei muss abergegebenenfalls auch die Dichtegrenze derElektronen-Zyklotronheizung beachtet wer-den. Erst durch den Einbau von Divertor-Modulen konnte dieses Problem gelöstwerden, da nun die von der Wand des Plasmagefäßes zurückkommenden Teilchenbesser kontrolliert werden können.

Die Hochfrequenzheizung bei der Ionen-Zyklotronfrequenz von 38 Megahertz - die

Radius der Anlage (über alles): 3,6 MeterHöhe (über alles): 4 Meter Gewicht: 250 TonnenGroßer Plasmaradius: 2 MeterMittlerer kleiner Plasmaradius: 0,18 MeterPlasmavolumen: ca. 1 KubikmeterPlasmagewicht: ≤ 0,001 GrammAnzahl der modularen Spulen: 45Strom pro Spulenwindung: 35 KiloampereMagnetfeld: bis 2,5 TeslaRotationstransformation: 0,3 - 0,6Pulsdauer: bis 3 SekundenHeizleistung:- Elektronen-Zyklotronheizung: 2,1 Megawatt- Ionen-Zyklotronheizung: 0,5 Megawatt- Neutralinjektion: 2,6 Megawatt

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dritte Heizmethode an WENDELSTEIN 7-AS- hat den Vorteil, dass sie direkt die Plasma-ionen heizt, deren Temperatur in einem Fu-sionsplasma besonders hoch sein muss.Allerdings ist eine Ankopplung an das Plasmaunter den in WENDELSTEIN 7-AS gegebenenBedingungen besonders schwierig. DieWellenlänge ist nämlich wesentlich größer alsdie Abmessungen des Plasmagefäßes. Erst nachmehreren Versuchen konnten die damit verbun-denen technischen Probleme gelöst und einegeeignete Antennenform gefunden werden. Beieiner Leistung von etwa 500 Kilowatt konntedamit das Plasma mit einem Wirkungsgradgeheizt werden, der mit dem anderer Heiz-methoden vergleichbar ist.

Mit Hilfe einer einfachen Schleifenantenneist bei einer Frequenz von 900 Megahertz derPlasmaaufbau mit anschließender Heizungdurch Neutralinjektion gelungen. Damit steht

ein weiteres Verfahren zur Erzeugung einesStartplasmas zur Verfügung, mit dem Vorteil,nicht wie die Elektronen-Zyklotronheizungauf bestimmte Werte des Magnetfeldes fest-gelegt zu sein.

Wichtig für die Qualität einer Plasmaent-ladung ist eine geeignete Kontrolle derPlasma-Wand-Wechselwirkung, d.h. desPlasmarandbereichs mit dem Übergang vomheißen Plasma auf die kalten Wände. Dabeimuss so weit wie möglich verhindert werden,dass Wandmaterialien mit hoher Kernla-dungszahl wie zum Beispiel Eisen und andereEdelstahlbestandteile in das Plasma eindrin-gen. Bei hoher Plasmatemperatur und -dichtestrahlen sie sonst einen beträchtlichen Teil derHeizleistung ab, der dann nicht mehr zurHeizung des Plasmas zur Verfügung steht.Plasmanahe Einbauten werden deshalb mitGraphitziegeln bedeckt, da Kohlenstoffatomeschon bei relativ niedrigen Plasmatem-peraturen alle Elektronen verlieren und damitkaum noch strahlen können. Auch die Limi-ter, mit denen bis vor kurzem das Plasma inWENDELSTEIN 7-AS an wenigen Stellenbegrenzt wurde, waren deshalb mit Graphit-ziegeln belegt. Durch Bedecken der Wändemit dünnen Schichten aus Bor konnten dieaus der Wand stammenden Verunreinigungenweiter verringert werden. Vor allem dieKonzentration von Sauerstoff, der aus derLuft stammt und von Bor chemisch fest gebun-den wird, kann damit wesentlich reduziert wer-den.

Unter diesen Bedingungen konnten inWENDELSTEIN 7-AS Ergebnisse erzieltwerden, die in Stellaratoren vergleichbarerGröße immer noch weltweit die besten sind.Wichtig ist dabei nicht nur das Erreichen vonMaximalparametern. Ebenso wichtig ist dieUntersuchung von Energie- und Teilchen-transport des Plasmas sowie seiner Stabilität,da sie Größen wie Plasmatemperatur, -dichteund -druck auf Werte begrenzen können, diehäufig noch weit unter den in einem Fusions-plasma notwendigen Werten liegen.

Mit Hochfrequenzheizung bei 70 und 140Gigahertz und Leistungen bis zu 2,1 Mega-watt wurden bei vollem Magnetfeld von 2,5Tesla Elektronentemperaturen bis zu 70Millionen Grad und Ionentemperaturen umsieben Millionen Grad erreicht bei Plasma-dichten bis zu 2 . 1013 Teilchen pro Kubik-zentimeter. Die Ionen werden dabei nur überStöße durch die heißeren Elektronen geheizt.

Neutralteilchenheizung heizt sowohl dieElektronen als auch die Ionen. Bei niedrigerHeizleistung kann damit die Energieein-

Plasma und Divertor-Module vonWENDELSTEIN 7-AS

Plasmaquerschnitt vonWENDELSTEIN 7-AS

am Ort zweierDivertor-Module. Der

Plasmarand fächertsich entsprechend der

„Inselstruktur“ desFeldes in einzelne

Ausläufer auf.

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schlusszeit mehr als 60 Millisekunden betra-gen bei Plasmatemperaturen von etwa 10Millionen Grad und Plasmadichten bis zu1 . 1014 Teilchen pro Kubikzentimeter. Je bes-ser die Einschlusszeit ist, desto höher werdendie Plasmatemperaturen bei vorgegebenerHeizleistung.

Experimente mit kombinierter Heizungdurch Neutralteilcheninjektion und Elektro-nen-Zyklotronwellen erlaubten eine Kontrol-le der Dichte im Bereich von ca. 5 . 1013

Teilchen pro Kubikzentimeter bei rund einemMegawatt Neutralteilchen- und 400 KilowattElektronen-Zyklotronheizung. Unter diesenBedingungen wurden die höchsten Ionen-temperaturen von ca. 15 Millionen Grad er-reicht bei noch etwas höheren Elektronen-temperaturen.

Durch Heizung mit Neutralteilcheninjek-tion allein ergaben sich bei Plasmadichtenvon 3 . 1014 Teilchen pro Kubikzentimeter -also Reaktordichte - Elektronen- und Ionen-temperaturen von rund vier Millionen Grad.Die hohen Dichtewerte sind allein über dieEnergiebilanz begrenzt, d.h. über die ange-botene Leistung im Verhältnis zu Strahlungs-und Wärmetransportverlusten. Sie über-steigen deutlich die Werte, die in vergleich-baren Tokamaks erzielbar sind, wo Strom-instabilitäten einschränkend wirken. Bei maxi-maler Heizleistung wurden auch die höch-sten Plasmadrücke erzielt und damit diebesten Werte für Beta, das Verhältnis vonPlasmadruck zu magnetischem Druck.Wesentliches Ziel dieser Experimente war es,die erreichbaren Beta-Werte zu testen und mitden Vorhersagen der Theorie zu vergleichen.Erzielt wurden bei einer Injektionsleistungvon zwei Megawatt und einem Magnetfeldvon 1,25 Tesla mittlere Beta-Werte bis zuzwei Prozent. Dieser Wert führt nahe an diefür WENDELSTEIN 7-AS vorhergesagteStabilitätsgrenze von ebenfalls etwa zweiProzent heran. Trotzdem waren keine Anzei-chen für eine durch Instabilitäten verursachteEinschlussverschlechterung erkennbar.1992 ist es in WENDELSTEIN 7-AS welt-weit erstmalig gelungen, das bei denTokamaks so erfolgreiche H-Regime mitseinen verbesserten Einschlusseigenschaftenauch in einem Stellarator zu beobachten.Allerdings ist die Verbesserung der Energie-einschlusszeit um rund 30 Prozent nicht soausgeprägt wie in Tokamaks. Zudem ist dasH-Regime in WENDELSTEIN 7-AS bislangnur in einem engen Arbeitsbereich von Dichteund Rotationstransformation zu erreichen.Berücksichtigt man jedoch, dass WENDEL-

STEIN 7-AS wesentlich kleiner ist als dieheutigen Tokamaks und die Ergebnisse ineinem limiterbegrenzten Plasma erzielt wur-den, so ergeben sich für einen größeren undmit Divertor ausgerüsteten Stellarator wieWENDELSTEIN 7-X günstige Perspektiven.

Vorstudien zu einem Stellarator-Divertorwurden bei WENDELSTEIN 7-AS ab 1994begonnen. Ausgangspunkt war die Erkennt-nis, dass vor allem bei hoher Heizleistung undlangen Entladungen die Dichte- und Verun-reinigungskontrolle nur beschränkt möglich

war - zum Beispiel wegen einer lokalen Über-hitzung der das Plasma begrenzendenLimiter-Graphitziegel. Durch Einstellen einergeeigneten Form des Magnetfeldes kann mandas Plasma aber weniger von den Limitern,sondern mehr durch eine magnetischeSeparatrix begrenzen. In diesem Separatrix-Betrieb laufen Energie- und Teilchen aus demPlasma auf eng begrenzte Stellen an derGefäßwand, entsprechend der am Plasmaranddurch sogenannte „magnetische Inseln“veränderten Magnetfeldgeometrie. Diesemagnetischen Inseln sind eine natürlicheEigenschaft der nicht-axialsymmetrischenStellaratorfelder und müssen nicht - wie dasDivertorfeld der Tokamaks - erst durch zusätz-liche Magnetfelder erzeugt werden. Zurbesseren Kontrolle der Plasma-Wand-Wech-

Einbau der Divertor-Module in dasVakuumgefäß vonWENDELSTEIN 7-AS

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selwirkung trägt der Separatrixbetrieb abernur bei, wenn an den beaufschlagten Wand-stellen geeignete - divertorähnliche Teilchen-fallen eingebaut werden. Zu diesem Zweckwurden „Divertor-Module“ entwickelt und inden Jahren 1999 und 2000 an Stelle derLimiter eingebaut. Die Abbildung auf Seite58 oben zeigt, wie diese Divertor-Module umdas Plasma herum verteilt sind. DieAbbildung unten zeigt einen Querschnittdurch das Plasma am Ort zweier gegenüber-liegender Divertor-Module. Der Plasmarandfächert sich entsprechend der „Inselstruktur“des Feldes in einzelne Ausläufer auf, so dassEnergie und Teilchen aus dem Plasma loka-lisiert auf die Graphitplatten des Divertorsgelenkt werden.

Die Experimente nach dem Einbau derDivertor-Module haben die Erwartungenvollständig erfüllt. Eine Aufnahme mit einerCCD-Kamera (Abbildung oben) zeigt zumBeispiel, dass das Plasma - wie vorhergesagt- entlang zweier Streifen auf denDivertorplatten auftrifft, ganz ähnlich demDivertorplasma in einem Tokamak. Dabei hatsich die Verunreinigungs- und Dichte-kontrolle und damit die Kontrolle der Plasma-Wand-Wechselwirkung ganz erheblich ver-bessert. So wurden weitgehend stationärePlasmaentladungen über viele Energie- undTeilcheneinschlusszeiten möglich und zwarauch bei sehr hoher Plasmadichte und maxi-maler Heizleistung. Zugleich sind dieEnergieverluste durch Verunreinigungsstrah-lung im Plasmazentrum stark reduziert undtreten fast nur noch - wie erwünscht - amPlasmarand auf. Bei Plasmadichten oberhalbvon etwa 3 . 1014 Teilchen pro Kubikzenti-meter löst sich das Plasma sogar teilweise

oder ganz von den Divertorplatten ab, da derWärmefluss aus dem Plasma kurz vor denDivertorplatten über Strahlung gleichmäßigauf die Plasmaoberfläche verteilt wird. Damitverbunden ist die erwünschte und imFusionskraftwerk notwendige Abnahme derWärmebelastung der Divertorplatten (sieheAbbildung Seite rechts).

Während des Divertor- Einbaus wurde auchdie Neutralteilchenheizung umgebaut, so dasssich die Heizleistung nun um ungefähr 40Prozent erhöht hat. Zusammen mit einer ver-ringerten Verunreinigungsstrahlung war damiteine weitere Erhöhung des Plasmadruckes beiniedrigem Magnetfeld möglich. Der für dieWirtschaftlichkeit eines Fusionskraftwerks sowichtige Beta-Wert konnte auf drei Prozentangehoben werden. Trotz dieser erheblichenSteigerung blieb das Plasma unverändert sta-bil, womit bestätigt werden konnte, dass derAdvanced Stellarator günstige Stabilitäts-eigenschaften besitzt.

Ausschlaggebend für die Einschlussgüteeiner Fusionsanlage ist der lokale Energie-und Teilchentransport. Er wird über dieEnergie- und Teilchenbilanz analysiert. Dazuwerden lokale Energieaufnahme und Teil-chenerzeugung mit gemessenen Plasma-werten, wie Temperatur- und Dichteprofilen,Neutralteilchendichten und Strahlungspro-filen verknüpft. Die so gewonnenen Trans-portkoeffizienten lassen sich mit Vorhersagender theoretischen Modelle vergleichen,welche die besonderen Eigenschaften desAdvanced Stellarator berücksichtigen. Im all-gemeinen wurde eine gute Übereinstimmungder experimentellen Ergebnisse mit derTheorie gefunden: Die lokalen Werte für dieElektronen- und Ionenwärmeleitung sowiefür den Teilchentransport werden durch dieOptimierungsprinzipien im Zentralbereichdes Plasmas gut beschrieben. Im Randbereichfinden sich jedoch für die Elektronen deut-liche Abweichungen - ähnlich wie beiTokamaks. Die physikalische Ursache diesererhöhten Verluste ist immer noch nur teil-weise verstanden.

Zum Verständnis der Divertorexperimentemussten Computerprogramme weiterent-wickelt oder neu geschrieben werden, diespeziell die dreidimensionale Struktur undandere Eigenschaften des „Insel-Divertors“berücksichtigen. Diese Entwicklung ist nochnicht abgeschlossen; der Vergleich mit denMessergebnissen zeigt jedoch in viele Fällenbereits gute Übereinstimmung.

Zur Beobachtung des Plasmas werden rund40 Messeinrichtungen verwendet. Sie regis-

Mit einer CCD- Kamera beobachtete

Auftreffstellen desPlasmas auf denDivertorplatten.

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Die Wärmebelastungder Divertorplattennimmt bei Erhöhung derPlasmadichte ab.Links: 0,35 Sekundennach Entladungsbeginn;unten: 0,3 Sekundenspäter.(Die Grauskala gibt dieWärmebelastung inMegawatt proQuadratmeter an).

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trieren - zum Teil mit hoherzeitlicher und räumlicher Auflö-sung - Plasmaparameter wiePlasmadichte und Plasmatem-peratur, die vom Plasma ausge-sandte elektromagnetischeStrahlung und Fluktuationen.Die komplizierte nicht-axial-symmetrische Plasmagestaltmacht es manchmal notwendig,an unterschiedlichen Positionendes Plasmaringes zu messenund bestimmte Plasmawertenicht auf den Radius, sondernauf magnetische Flächen zubeziehen. Dabei ist zusätzlichdie Verformung der magnetischen Flächendurch den Plasmadruck zu berücksichtigen.Mit dem Einbau der Divertor-Module wareine erhebliche Erweiterung der vorhandenenMesseinrichtungen verbunden, zu der derIPP-Bereich in Berlin wesentliche Beiträgegeliefert hat. Die gewonnenen Messdaten wer-den von dem im IPP entwickelten Daten erfas-sungssystem UDAS (Universal Data Acqui-sition System) aufgenommen, das seit seinerEinführung zuverlässig läuft. Pro Plasma ent-ladung werden bis zu 100 Megabyte an Datengewonnen und zur Auswertung und Doku-mentation in Hochleistungs-Workstationsübertragen.

WENDELSTEIN 7-AS hat in den vergan-genen Jahren den in Stellaratoren zugäng-lichen Parameterbereich erheblich erweitert.Zur Bewertung der experimentellen Ergeb-nisse wurden umfangreiche theoretische Ar-beiten ausgeführt und vergleichende Daten-banken bereitgestellt. Dabei wurden auch dieRechenmodelle überprüft, die für dasKonzept des Advanced Stellarator undspeziell zur Festlegung des NachfolgersWENDELSTEIN 7-X entwickelt wurden. Inallen Fällen ergab sich eine gute Übereinstim-mung im Rahmen der Messgenauigkeit, sodass die Weiterverfolgung der Entwicklungs-linie gerechtfertigt ist. Ein besonders wich-tiges Ergebnis war der Nachweis, dass imDivertorbetrieb schon in WENDELSTEIN 7-AS nahezu stationäre Entladungen bei hoherPlasmadichte und großer Heizleistung mög-lich sind. Damit hat sich die Entscheidung fürsupraleitende Magnetfeldspulen in WENDEL-STEIN 7-X, mit denen die Entladungsdauerzu einem echt stationären Betrieb ausgedehntwerden kann, als richtig bestätigt.

Ende Juli 2002 wurden die Experimente anWENDELSTEIN 7-AS abgeschlossen.

Fusionsexperiment WENDELSTEIN 7-X

Der Experimentvorschlag für denStellarator WENDELSTEIN 7-X wurde

1990 formuliert und den zuständigen euro-päischen Gremien vorgelegt. Die endgültigepositive Entscheidung zur ersten Phase desGenehmigungsverfahrens, in der die wis-senschaftlichen Pläne für das Experiment undseine Einbettung in das europäische Fusions-programm begutachtet wurden, erging im Mai1994. Die zweite Phase des Genehmigungs-verfahrens - Begutachtung der Technik sowieder Kosten- und Personalschätzung - erfolgte1995. Im Sommer 1996 begann der Aufbaudes Projektteams und die Detaillierung desMaschinenentwurfs.

WENDELSTEIN 7-X wird in dem 1994gegründeten IPP-Teilinstitut in Greifswaldaufgebaut, dessen neue Gebäude 1999 ein-

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geweiht wurden. Ab 2004 werden hier rund300 Mitarbeiter mit dem Aufbau und demBetrieb von WENDELSTEIN 7-X beschäftigtsein. Der Zeitplan für die Montage der Anlagewird durch die Fertigungsgeschwindigkeit dersupraleitenden Magnetspulen bestimmt undsieht die Inbetriebnahme etwa für das Jahr2007 vor.

Das Experiment WENDELSTEIN 7-X solldie prinzipielle Kraftwerkseignung des Ad-vanced Stellarator demonstrieren und soKonzeptverbesserungen für ein künftigesStellaratorkraftwerk aufzeigen. Da Stellara-toren zum Einschluss des Plasmas keinen zir-kulierenden Strom im Plasma benötigen, istihr Bauprinzip für den Dauerbetrieb einesKraftwerks besonders geeignet. Ziel des Ex-periments ist es, ein heißes und dichtes Stella-ratorplasma hinreichend lange einzuschlie-ßen, so dass die gewonnenen Ergebnisse

sichere Rückschlüsse auf ein Kraftwerks-plasma zulassen.

Dazu gehört im Einzelnen, ein heißes unddichtes Wasserstoffplasma mit Temperaturenvon rund 100 Millionen Grad und Beta-Werten von fünf Prozent in einem optimiertenMagnetfeld einzuschließen, verschiedeneHeizmethoden anzuwenden, stabilen Plasma-einschluss zu zeigen sowie die Plasma-Wand-Wechselwirkung zu studieren und dieEntstehung und den Abtransport von Verun-reinigungen über längere Zeit zu kontrol-lieren.

Die Magnetfeldstruktur des WENDEL-STEIN 7-X ist eine fünf-periodische Helias-Konfiguration (Helias = Helical AdvancedStellarator). Sie zeichnet sich unter anderemdurch eine helikal gewundene magnetischeAchse aus. Umfangreiche theoretische Unter-suchungen haben die besondere Kraftwerks-eignung dieser Konfiguration gezeigt: DieLage der Plasmasäule im Gefäß ändert sichmit steigendem Plasmadruck nur sehr wenig,die Stabilitätsgrenze lässt mittlere Beta-Wertevon 4,3 Prozent erwarten. Auch die schnellenHeliumkerne, die in einem brennendenPlasma für die Selbstheizung sorgen, werdenin einer Helias-Konfiguration gut einge-schlossen. In WENDELSTEIN 7-X, der miteinem Plasma aus normalem Wasserstoff undDeuterium - also ohne Tritium - arbeiten wird,soll das Verhalten der Heliumkerne durcheingeschossene schnelle Wasserstoff-Teilchenmit Energien von 60 Kiloelektronenvoltsimuliert werden.

Eingehende Untersuchungen befassten sichmit den Verlusten des Plasmas aufgrund derCoulomb-Wechselwirkung der geladenenPlasmateilchen bei großen freien Weglängen.Dieser sogenannte neoklassische Verlust, derdurch die Stöße zwischen den Plasmateilchen

Durchmesser der Anlage (über alles): 16 MeterHöhe (über alles): 5 MeterGewicht: 725 TonnenGroßer Plasmaradius: 5,5 MeterMittlerer kleiner Plasmaradius: 0,53 MeterPlasmavolumen: 30 KubikmeterPlasmagewicht: 0,005 - 0,03 GrammAnzahl der modularen Spulen: 50Anzahl der ebenen Zusatzspulen: 20Magnetfeld (Achse): 3 TeslaRotationstransformation (Achse): 0,84Verscherung: 0,1 - 0,14Energieeinschlusszeit: 0,15Heizleistung (erste Ausbaustufe): 15 MegawattPulsdauer: Dauerbetrieb für

30 Minuten mit Elektronenzyklotron-Heizung

CharakteristischeDaten des

ExperimentesWENDELSTEIN 7-X

Der Aufbau vonWENDELSTEIN 7-X: Die

50 nichtebenen (blau)und 20 ebenen Magnet-

spulen (grau) werdenauf Supraleitungs-

temperatur abgekühlt.Für ihre Wärmeisola-

tion sorgt ein Kryostat(grau). Dessen innere

Wand ist dasPlasmagefäß (grün).Stutzen (grün) zum

Anschluss von Mess-geräten, Heizung undPumpen führen durch

den kaltenSpulenbereich.

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zustande kommt, ist in einem klassischenStellarator so hoch, dass eine Zündung un-möglich wäre. In einer Helias-Konfigurationgelingt es jedoch, die Teilchenbahnen so zugestalten, dass der neoklassische Verlust aufein für die Zündung tolerables Maß vermin-dert werden kann. Besonderer Wert bei diesenUntersuchungen wurde auch auf die Elimi-nierung des Bootstrap-Stroms gelegt. DieserRingstrom, der sich aus der inneren Energiedes Plasmas speist, könnte das Magnetfeldauf ungünstige Weise verändern. In der fürWENDELSTEIN 7-X gewählten Konfigura-tion ist er jedoch auf unwesentliche Wertereduziert.

Ein wichtiges Thema für WENDELSTEIN7-X ist die Plasma-Wand-Wechselwirkungund die Entwicklung eines Divertors. Dabeibesitzt die optimierte magnetische Konfigura-tion Eigenschaften eines „natürlichen“ Diver-tors: Eng begrenzte magnetische Flussbündelwinden sich um das Einschlussgebiet undlaufen in Richtung der Gefäßwand. Anders alsbeim Tokamak sind keine zusätzlichen Mag-netfelder nötig. Über Diffusionsvorgänge lau-fen Teilchen und Energie in diese Flussbündelund strömen parallel zum Magnetfeld auf fernvom heißen Plasma angebrachte Divertor-platten. Hier werden die geladenen Teilchenneutralisiert und mit Hilfe von Vakuumpum-pen aus dem Plasmaraum abgesaugt. Durchgeeignete Regelung der Gasdichte vor denPrallplatten wird die Produktion von Verun-reinigungen verringert und gleichzeitig derenRückfluss in das Plasma eingeschränkt. Indetaillierten Berechnungen der Teilchen-bahnen und Monte-Carlo-Rechnungen für dieNeutralteilchen wurden unter Berücksichti-gung der komplizierten Geometrie Größe undLage der Prallplatten, Leitplatten und Kryo-pumpen für die zehn Divertoreinheiten vonWENDELSTEIN 7-X bestimmt. Um diemaximale Flächenbelastung von 10 Megawattpro Quadratmeter nicht zu überschreiten,kann das Magnetfeld durch zusätzlicheRegelspulen im Randbereich räumlich undzeitlich verändert werden.

Das modular aufgebaute Spulensystemsetzt die bereits beim Vorgänger WENDEL-STEIN 7-AS mit Erfolg verwirklichte Liniefort. Es besteht aus 50 nichtebenen Einzel-spulen, die in fünf gleichen Modulen zu jezehn Spulen angeordnet sind. Da jeweils zweiSpulen eines Moduls gleich geformt, aberumgedreht angeordnet sind, gibt es insgesamtnur fünf geometrisch verschiedene Spulen.Dieser Spulensatz alleine wäre ausreichend,um das Plasma einzuschließen. Um die

Flexibilität des Experiments zu erhöhen undcharakteristische Größen des Magnetfelds umbis zu zehn Prozent verändern zu können,wird den nichtebenen Spulen ein zweiter Satzvon zwanzig ebenen Spulen überlagert. DieAbmessungen der Anlage sind in der Tabelle(links) zusammengestellt.

Wegen der angestrebten langen Pulszeitenwird das Magnetfeld von WENDELSTEIN 7-X - anders als beim Vorgänger - mit Hilfe vonsupraleitenden Spulen erzeugt. Diese Spulensind das technische Kernstück der Anlage.Mit ihrer Hilfe soll WENDELSTEIN 7-X diewesentliche Stellaratoreigenschaft erreichen,

den Dauerbetrieb. Wegen des relativ geringenMagnetfeldes von sechs Tesla auf den Spulenkann man für den Bau der WENDELSTEIN-Spulen auf supraleitende Standard-Drähte ausNiob-Titan zurückgreifen (siehe Kapitel„Magnetspulen“ Seite 20 ). Um den supralei-tenden Zustand im Stromleiter aufrechtzuer-halten, muss er mit flüssigem Helium aufetwa 4 Kelvin nahe dem absoluten Nullpunktabgekühlt werden.

Alle siebzig Einzelspulen des Magnet-systems werden im französischen Forschungs-institut der CEA in Saclay einer Funktions-prüfung bei Betriebsbedingungen unterzogen,bevor sie in die Experimentieranlage einge-baut werden. Dort sind sie an einer massivenStützstruktur befestigt, damit die exakte Formdes Magnetfelds auch bei den hohen elektro-magnetischen Kräften zwischen den Spulenerhalten bleibt.

Die supraleitendeDemonstrationsspulefür WENDELSTEIN 7-Xvor der Prüfung in derTestanlage TOSKAim ForschungszentrumKarlsruhe

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Die tiefe Betriebstemperatur der supralei-tenden Spulen erfordert eine wirksame Wärme-isolation gegenüber allen Bauteilen der An-lage, die sich auf Umgebungstemperaturbefinden. Das gesamte Spulensystem ist da-her in einem Kryostaten angeordnet, wo esdurch eine Vakuumisolation und gekühlteZwischenflächen wärmeisoliert wird.Die innere Wand des Kryostaten ist dieWand des Plasmagefäßes. Es ist mit mehrals dreihundert Öffnungen für Beobach-tungs- und Heizstutzen ausgestattet, diethermisch isoliert durch den kalten Spu-lenbereich hindurchgeführt werden.

Das Magnetfeld des Spulensystemsvon WENDELSTEIN 7-X speichertbeim Betrieb des Experiments großeEnergiemengen von rund 600 Mega-joule. Zum Schutz der Spulen wird daherein zuverlässiges Abschaltsystem aufge-baut, das bei einer Störung der Strom-versorgung oder dem plötzlichen Zusam-menbruch des supraleitenden Zustandesdiese magnetische Energie kontrolliertabbaut, indem es den Strom über schnel-le Schalter zu Widerständen umleitet.

Die Aufheizung des Plasmas geschiehtim Dauerbetrieb über Mikrowellen-strahlen mit einer Frequenz von 140 Giga-hertz und einer Leistung von zehn Megawatt.Die Mikrowellen werden in speziellen Sende-röhren, sogenannten Gyrotrons, erzeugt, überMetallspiegel umgelenkt und in das Plasmafokussiert. Dort heizen sie bevorzugt jeneElektronen, welche im Magnetfeld gerade inResonanz zur eingestrahlten Frequenz rotieren.

Die Ionen des Plasmas können zusätzlichmit Radiowellen einer Leistung von vierMegawatt aufgeheizt werden. Durch die Neu-tralteilchenheizung, die energiereiche Wasser-

stoffatome einer Leistung bis zu 20 Megawattin das Plasma hineinschießt, können die Tem-peratur und die Dichte des Plasmas weitererhöht werden.

Zur Absicherung des technischen Entwurfsvon WENDELSTEIN 7-X dienten umfangrei-che Forschungsarbeiten. Zunächst wurde derSupraleiter in mehreren Schritten entwickeltund verbessert. Der Leiter besteht aus 243Einzeldrähten, die in mehreren Stufen zueinem Seil gewunden werden. Diese Ver-seilung verhindert, dass sich die Einzeldrähtedurch die hohen Lorentzkräfte im Magnetfeldgegeneinander bewegen können. Zur zusätz-lichen Verstärkung wird das Seil in eine Alu-miniumhülle eingeschlossen. Der Hohlraumzwischen den Drähten des Seils und derAluminiumhülle wird als Kühlkanal für dasflüssige Helium genutzt. Die Legierung derAluminiumhülle wurde so ausgewählt, dassder Leiter im weichen Ausgangszustand gutgewickelt und danach durch Erwärmen auf170 Grad Celsius ausgehärtet werden kann. Indiesem versteiften Zustand kann er denstarken Kräften beim Betrieb der Maschine

standhalten. Aus den Prototypleitern wurdenschließlich Zylinderspulen gewickelt und imTeststand STAR des ForschungszentrumsKarlsruhe elektromagnetisch und hydraulischbei den späteren Betriebswerten geprüft.

Zur weiteren Vorbereitung wurden einesupraleitende Prototypspule in Originalgrößeund ein Teilstück des Kryostaten gefertigt, umdie Herstellbarkeit und die Funktion der Bau-teile bei Betriebsbedingungen nachzuwei-sen. Beim Bau der Prototypspule wie auch derspäteren Serienspulen kommt es darauf an,

Der Testkryostat beim Zusammenbau

Plasma undDivertorplatten fürWENDELSTEIN 7-X

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die Sollform innerhalb weniger Millimetereinzuhalten und den Stromleiter so zu ver-steifen, dass er den starken Lorentzkräftenstandhält. Bei der Fertigung müssen dieeinzelnen Leiterwindungen daher sehr präzisein ihre Wickelform gepresst werden. Zur elek-trischen Isolation wird der Leiter wie auchdas gesamte Wickelpaket mit Bandagen ausGlasfaser umwunden und zur Versteifung mitEpoxidharz imprägniert. Um das Wickel-paket zusätzlich zu verstärken, wird es in einStahlgehäuse eingeschweißt. Dabei konnteder Prototyp sowohl für die Spulenwicklungwie auch für die Gehäuseschalen eine Maß-genauigkeit von einem Promille erreichen.Der Zwischenraum zwischen den Spulenwick-lungen und dem Stahlgehäuse wird mit Quarz-sand und Epoxidharz ausgefüllt, so dass einegleichmäßige Kraftübertragung vom Wickel-paket auf das Gehäuse gewährleistet ist.

Die Prototypspule wurde 1998 fertig-gestellt und anschließend im Forschungs-zentrum Karlsruhe in der SpulentestanlageTOSKA geprüft. Dabei wurden bei Leiter-strömen bis zu 19 Kiloampere die gefordertenelektrischen Eigenschaften nachgewiesen.Um die elektromagnetischen Belastungen derSpulen während des späteren Betriebs vonWENDELSTEIN 7-X zu simulieren, wurdedie Prototypspule in TOSKA dem starkenMagnetfeld der großen europäischen LCT-Spule (Large Coil Task) ausgesetzt. Auchunter höchsten Belastungen von 10,6 Mega-newton blieben die Verformungen der Spule -wie zuvor berechnet - im elastischen Bereich.

Das Kryostat-Stück, ein Achtel des Stella-rators in Originalgröße, sollte zeigen, dass daskompliziert geformte Plasmagefäß ent-sprechend den engen Maßtoleranzen gefer-tigt, der Zusammenbau des Kryostaten wiegeplant ausgeführt und eine ausreichend guteWärmeisolation der suprakalten Teile erreichtwerden kann. Dazu wurden Außen- und Innen-wand sowie Kühlleitungen, Kälteschild,Superisolation und die Stutzen in Original-ausführung gefertigt; die Spulen wurdendurch Platzhalter ersetzt. Bereits beim Zusam-menbau der Komponenten konnten wichtigeErkenntnisse für die Detailkonstruktion vonWENDELSTEIN 7-X gewonnen werden. DieMessungen der Wärmeisolation beim abschlie-ßenden Test mit flüssigem Helium zeigten,dass die Vorgaben für den Wärmeeinfall aufdie tiefkalten Teile von WENDELSTEIN 7-Xerhöht und die Kühlung der Spulen verbessertwerden muss.

Entwicklungsbedarf bestand auch bei denMikrowellensendern zur Aufheizung der

Elektronen. Diese Gyrotrons wurden bisherindustriell nur für Heizpulse von wenigenSekunden und Leistungen von einigen hun-dert Kilowatt gebaut. Das Plasma von WEN-DELSTEIN 7-X soll jedoch kontinuierlichdurch zehn Mikrowellensender mit je einemMegawatt Ausgangsleistung geheizt werden.Dazu ist der Aufbau der Gyrotrons so zuverändern, dass die Ausgangsleistung bei ver-bessertem Wirkungsgrad erhöht und dieKühlung optimiert ist. Das Gyrotron verlas-sen die Mikrowellen durch Diamant-fenster; sie werden dann durch eine Vielzahlvon gekühlten Umlenkspiegeln zum Plasmaübertragen. Das gesamte Mikrowellensystemwird durch das Forschungszentrum Karlsruhebeigestellt. Das Forschungszentrum koor-diniert die Arbeiten, die im Verbund mit demIPP in Garching und Greifswald, dem Institutfür Plasmaforschung der Universität Stutt-gart, dem Fusionslaboratorium der Polytech-nischen Hochschule in Lausanne und dereuropäischen Industrie ausgeführt werden. ImJahr 2001 lieferte ein erster Gyrotron-Prototypbei einer Frequenz von 140 Gigahertz mitgutem Wirkungsgrad eine Leistung von einemMegawatt für mehrere Sekunden. Bei gerin-geren Leistungen konnten die Heizpulse bis aufmehrere Minuten Dauer ausgedehnt werden.

Das Prototyp-Gyrotronfür WENDELSTEIN 7-Xim Teststand inKarlsruhe

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Die seit 1992 laufenden Studien zu einemStellaratorkraftwerk nach dem Helias-

Prinzip zeigen, dass dieses Konzept eineechte Alternative zu einem Tokamakkraft-werk (siehe Seite 29) sein könnte. „Helias“steht dabei für „Helical Advanced Stella-rator.“ Der besondere Vorteil des Stellaratorsliegt in seiner Fähigkeit zum Dauerbetriebund dem Fehlen eines toroidalen Plasma-stromes. Dadurch entfallen sowohl die Ein-richtungen zum Erzeugen und Regeln diesesStromes als auch die Gefahr einer Stromab-bruchinstabilität. Helias-Konfigurationen - wie das gegenwär-tig im IPP-Teilinstiut Greifswald entstehendeStellaratorexperiment WENDELSTEIN 7-X -

Das Stellaratorkraftwerk

zeichnen sich unter anderem durch eine heli-kal gewundene magnetische Achse aus. DasHochrechnen der WENDELSTEIN-Konfi-guration auf Kraftwerksgröße führt zu einemgroßen Plasmaradius von 22 Metern undeinem mittleren kleinen Plasmaradius von 1,8Metern. Modifiziert man die Konfigurationvon WENDELSTEIN 7-X etwas und gehtvon fünf auf vier Feldperioden zurück, dannwird das Kraftwerk mit 18 Metern für dengroßen Radius und einem kleinen Plas-maradius von im Mittel 2,1 Metern kompak-ter und benötigt nur 40 anstelle von 50 modu-lare Spulen. Mit einem Magnetfeld von fünfTesla im Plasma und zehn Tesla auf denSpulen ist das Feld klein genug, um die tech-nisch einfach herzustellenden Niob-Titan-Supraleiter verwenden zu können. Die in demSpulensystem gespeicherte Magnetfeld-energie, die auch ein ungefähres Maß für dieKosten des Spulensystems ist, liegt mit 100Gigajoule etwas unterhalb der Magnetfeld-energie eines Tokamakkraftwerks.

Wegen der relativ großen Fläche der erstenWand von 2600 Quadratmetern liegt die mitt-lere Belastung durch Neutronen unter einemMegawatt pro Quadratmeter, was sich günstigauf die Lebensdauer der Wandverkleidungauswirkt. Eine detailliertere Studie zu den tech-nischen Komponenten wie Spulensystem,Blanket und Abschirmung soll zeigen, dass derHeliasreaktor eine konkurrenzfähige Alternativezu anderen Kraftwerkskonzepten ist. Nach jetzigem Kenntnisstand sind die plas-maphysikalischen Bedingungen für dieZündung eines Heliaskraftwerks erfüllbar.Die theoretische Stabilitätsgrenze für denPlasmadruck liegt hoch genug, so dass bei den

angestrebten Plasmatem-peraturen und -dichten einmagnetohydrodynamischstabiler Betrieb zu erwar-ten ist. Numerische Rech-nungen zeigen, dass dieneoklassischen, d.h. stoß-bestimmten Transportver-luste deutlich niedriger lie-gen als bei herkömmlichenStellaratoren, so dass siedie Zündung nicht beein-trächtigen. Für die anoma-len Transportverluste lie-fern die gegenwärtigenStellaratorexperimentemehrere Skalierungsge-setze, die in der Extrapo-lation zum Kraftwerk aufunterschiedliche Ergeb-

Durchmesser der Anlage (über alles): 50 MeterHöhe (über alles): 15 MeterGroßer Plasmaradius: 18 MeterMittlerer kleiner Plasmaradius: 2,1 MeterPlasmavolumen: 1600 KubikmeterPlasmagewicht: 0,2 - 1,5 Gramm Anzahl der modularen Spulen: 40Plasmastrom: 0Magnetfeld (Achse): 5 TeslaMaximalfeld (Spule): 10 TeslaNeutronenwandbelastung: ≤ 1 Megawatt pro m2

Pulsdauer: Dauerbetrieb Startheizung: 50 - 80 MegawattFusionsleistung: 3000 Megawatt

Schema einesStellaratorkraftwerks:

Dargestellt sind dasPlasma, die Magnet -

spulen und deräußere Kühlmantel.

Charakteristische Daten eines Stelleratorkraftwerks

Quelle:Studie zum Helias-Reaktor HSR4/18

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Die Entwicklung und der Einsatz vonPlasmaheizverfahren an den Fusions-

experimenten des IPP - ASDEX Upgrade,WENDELSTEIN 7-AS und WENDELSTEIN7-X - ist die Aufgabe des Bereichs Technologie.Auch in einem künftigen Fusionskraftwerkwird die richtige Energie- bzw. Leistungsein-kopplung in das Fusionsplasma wichtig sein.Zur Zündung des Fusionsfeuers muss zunächstfür einige zehn Sekunden die vergleichsweise„geringe“ Leistung von 50 bis 100 Megawattvon außen zugeführt werden, um die Fusions-reaktionen und damit die Selbstheizung desPlasmas einzuleiten. Mit erfolgter Zündungsollte dann die im Plasma frei werdende Hei-zung durch die Heliumkerne auf ihren Endwertvon etwa 500 Megawatt angestiegen sein, umso die hohen Fusionstemperaturen selbständigaufrechtzuerhalten.

Heizsysteme werden jedoch nicht nur zurHeizung des Plasmas sondern auch zum nicht-induktiven Stromtrieb angewandt. So kanndas den Energieeinschluss bestimmendeStromprofil kontrolliert werden und ein sta-tionärer Tokamakbetrieb erreicht werden.

Im Gegensatz zum Kraftwerk spielt dieinnere Fusionsheizung in den derzeitigen Fu-sionsexperimenten bei der Leistungsbilanznoch keine Rolle. Dementsprechend muss dasPlasma in den Tokamak- oder Stellarator-Experimenten durch die äußere Heizung nichtnur gestartet, sondern die noch fehlende, vielhöhere innere Heizung durch die Helium-

kerne gewissermaßen von außen „simuliert“werden. Nimmt man die genannten 500Megawatt als Bezugsgröße, so fällt der in die-sen Experimenten nötige Heizungsaufwandbereits erheblich ins Gewicht. Da - je nachphysikalischer Fragestellung - Volumen, Ober-fläche oder auch Plasmaumfang als Maß ge-nommen werden müssen, erreicht die Heiz-leistung die Größenordnung von einigen zehnMegawatt.

Der Heizungsaufwand erhöht sich nochweiter dadurch, dass bei den Plasmaexperi-menten mehrere unterschiedliche Heizver-fahren zugleich einzusetzen sind, um entwe-der die Plasmaionen oder die Elektronengezielt zu heizen, oder - wie bei der Neutral-teilcheninjektion - zugleich auch neue Teil-

nisse führen. Skalierungsgesetze, die alleinauf Messungen in WENDELSTEIN 7-ASund dem japanischen Experiment LHDberuhen, bestätigen in der Hochrechnung aufden Heliasreaktor die Zündung. Ein Verbes-serungsfaktor - wie zum Beispiel im H-Re-gime der Tokamaks - ist nicht notwendig.

Wegen der speziellen Eigenschaften derHeliaskonfiguration wird sogar noch eineVerminderung des anomalen Transportserwartet. Gewissheit über das Auftretendieses Effektes kann aber nur das ExperimentWENDELSTEIN 7-X liefern.

Allgemeine Arbeitenzur Fusion

Plasmaheizung

Die Neutralinjektions-box für ASDEX Upgradebeim Transport.

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chen in das Plasmainnere einzufüttern. Da dieFrage der optimalen Plasmaheizung für einFusionskraftwerk noch nicht beantwortet ist,kommt auch dem Vergleich unterschiedlicherHeizverfahren an ein und derselben Plasma-anlage große Bedeutung zu.

An den zwei großen IPP-ExperimentenASDEX Upgrade und WENDELSTEIN 7-ASwurden in den letzten Jahren die Plasma-heizungen weiter ausgebaut und neue Heiz-systeme erfolgreich in Betrieb genommen.Die Tabelle gibt einen Überblick über die ein-gesetzten Heizverfahren - Neutralteilchen-injektion, Elektronen- und Ionen-Zyklotron-Resonanzheizung.

Die Neutralteilcheninjektion ist ein seit vie-len Jahren erprobtes Verfahren, um Energieund Teilchen in Plasmen einzukoppeln.Obwohl das Grundprinzip der Neutralteilchen-injektion einfach ist (siehe Abschnitt "Plasma-

heizung"), ist die Realisierung eines zuverläs-sig arbeitenden Hochleistungsinjektors den-noch eine Herausforderung. Ein Beispiel istdie Herstellung des Ionenstrahls: Die beidenInjektoren für ASDEX Upgrade besitzen jevier Plasmaquellen, aus denen die positiv ge-ladenen Wasserstoffionen abgesaugt unddurch drei hintereinander liegende Elektrodenbeschleunigt werden. Um die verlangte Heiz-leistung zu erzielen, ist ein hoher Strahlstromvon 85 Ampere notwendig. Aus einer einzel-nen Elektrodenöffnung gezogen, wäre dieserStrom durch die entstehende Raumladungbegrenzt. Deshalb werden mehrere 100 Einzel-strahlen aus ebenso vielen Öffnungen einergemeinsamen Elektrode herausgezogen. Diefeinen Einzelstrahlen verschmelzen anschlie-ßend zu einem Gesamtstrahl mit etwa teller-großem Querschnitt.

Die Gitterelektroden sind ein handwerkli-ches Meisterstück: Mit höchster Präzisiongefertigt, hält eine ausgefeilte Wasserkühlungjede einzelne Öffnung trotz der hohen Wärme-belastung während des Heizpulses auf hun-dertstel Millimeter relativ zu ihrem Partner imfolgenden Gitter in Position. Inzwischen arbei-ten diese Injektoren sehr erfolgreich und zu-verlässig. Mit 14 (statt 12) Megawatt in Wasser-stoff und über 20 (statt 18) Megawatt in Deu-terium konnte die vorgesehene Nennleistungsogar deutlich überschritten werden. Die Abbil-dung auf Seite 67 zeigt die 50 Tonnen schwereInjektorbox auf dem Transport zum Experi-ment.

Der zweite Injektor ist ausgestattet mit neuentwickelten Hochfrequenz-Ionenquellen -mit maximal je 90 Ampere Strahlstrom undbis zu 100 Kilovolt Extraktionsspannung.Durch Einbau von vier weiteren Ionenquellenwurde inzwischen auch die Leistung der zweikleineren Neutralstrahlinjektoren am Experi-ment WENDELSTEIN 7-AS aufgestockt.Zusätzlich wurde die ursprüngliche Anord-nung der beiden Injektoren umgestellt: dieInjektoren schießen die Neutralteilchen nunnicht mehr gegensinnig sondern im gleichenDrehsinn ein. Mit dieser Maßnahme und derLeistungsverdoppelung auf etwa drei Mega-watt kommt die erreichbare Plasmaenergie andie für den Stellarator vorhergesagte Stabilitäts-grenze heran.

Die Ionen-Zyklotron-Resonanzheizung(ICRH) koppelt Wellenenergie im Bereich derIonen-Zyklotron-Frequenzen von typisch 30bis 80 Megahertz in das Plasma ein, um diemit der jeweiligen Frequenz resonanten Ionengezielt zu beschleunigen. An ASDEX Upgra-de stehen vier Hochfrequenz-Generatoren mit

Blick auf zweiAntennen der

Ionen-Zyklotron-Resonanzheizung im

Plasmagefäß vonASDEX Upgrade

SchwenkbaresSpiegelsystem imPlasmagefäß von

ASDEX Upgrade zurEinkoppelung von

Mikrowellen

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je zwei Megawatt maximaler Ausgangs-leistung zur Verfügung. Die Hochfrequenz-Leistung wird über längere Koaxialleitungenbis zum Plasmagefäß übertragen und hierüber vier Antennen mit jeweils zwei Dipol-schleifen in das Plasma eingestrahlt. DieAbbildung links zeigt zwei dieser Antennen,wobei die Sicht auf die eigentlichen Di-polschleifen durch eine Vielzahl von paralle-len Stäben verdeckt ist. Diese sogenannten„Faraday-Stäbe“ wirken als Polarisationsfilterund sorgen für die richtige Ausrichtung, d.h.Polarisation, der abgestrahlten Wellen.

Da die Wellenausbreitung stark von denPlasmawerten abhängt, stellt die effizienteEinkopplung der Hochfrequenzleistung insPlasma ein größeres Problem dar, das durchdie vielfach auftretenden Instabilitäten desPlasmarandes, sogenannte „Edge LocalizedModes“, noch zusätzlich erschwert wird. Fürdie ICRH-Antennen bewirken diese Schwan-kungen des Plasmarandes starke Lastwechsel,die den Volllastbetrieb der Hochfrequenz-Systeme bisher unmöglich machten. Aus die-sem Grunde konnten auch an ASDEXUpgrade bisher nur zwei Drittel der erwarte-ten maximalen Heizleistung von sechs Mega-watt erreicht werden. Inzwischen wur-den jedoch neue, schnell reagierendeLast-Anpassungskonzepte entwickelt,so dass in neueren ICRH-Experimen-ten deutliche Verbesserungen erzieltwerden konnten.

Entsprechend dem Verhältnis vonIonen- zu Elektronenmasse liegt dieFrequenz der Elektronen-Zyklotron-Resonanzheizung (ECRH) über1000mal höher im Bereich der Mikro-wellen. Dieses Höchstfrequenzheiz-verfahren ist ausschließlich auf diePlasmaelektronen ausgerichtet undwurde schon seit Beginn der 80erJahre - als Gemeinschaftsvorhabendes Instituts für Plasmaforschung derUniversität Stuttgart und des Gar-chinger Stellarator-Teams - erfolg-reich an den Stellaratoren WENDEL-STEIN 7-A und WENDELSTEIN 7-AS eingesetzt. Inzwischen hat inenger Zusammenarbeit dieser Grup-pen ein entsprechendes ECRH-Pro-gramm auch am Tokamak ASDEX Up-grade begonnen. Beteiligt an diesemProgramm sind außerdem das Institutefor Applied Physics in Nishni Now-gorod, das auf dem Gebiet der Hoch-leistungs-Millimeter-Wellenröhren,der so genannten Gyrotrons, weltweitführend ist.

An ASDEX Upgrade ist eine ECRH-An-lage mit viermal 0,5 Megawatt bei 140Gigahertz und einer Pulslänge von zwei Se-kunden in Betrieb; eine größere Anlage mitzehn Sekunden Pulslänge wird vorbereitet.Die Mikrowellen bieten die Möglichkeit, diePlasmaelektronen sehr lokalisiert zu heizen.Damit könnten durch Leistungsmodulationder Gyrotrons Wärmewellen im Plasma ange-regt werden, die Aufschluss über die Elek-tronenwärmeleitfähigkeit geben. Es hat sichgezeigt, dass sie nichtlinear vom Temperatur-gradienten abhängt, wie es von Turbulenz-theorien vorher gesagt wird - ein wichtigerBeitrag zur Aufklärung des anomalen Wärme-transports.

Durch Einstrahlen von ECRH-Wellenschräg zum Magnetfeld kann außerdem lokalein Gleichstrom getrieben werden. Damit istes geglückt, Plasmainstabilitäten zu unter-drücken, die den Energieeinschluss ver-schlechtern. In gleicher Weise kann durchECRH-Stromtrieb das globale Stromprofil imPlasma verändert werden und das Plasma inein anderes Einschlussregime - zum Beispieldas „Advanced Tokamak-Regime“ - gebrachtwerden.

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WENDELSTEIN 7-AS ASDEX Upgrade

max. Teilchenenergie 50 (H0) 65 (100) (D0)(Kiloelektronenvolt)

Leistung 3 20(Megawatt)

max. Pulslänge 3 10(Sekunden)

Frequenz 30 - 80 30 - 80(Megahertz)

Leistung 1 8(Megawatt)

max. Pulslänge 1 5(Sekunden)

Frequenz 70 und 140 140 (105-140)(Gigahertz)

Leistung 0,5 und 1 (2) 2 (4)(Megawatt)

max. Pulslänge 3 2 (10)(Sekunden)

*) an WENDELSTEIN 7-AS seit Anfang 2000 außer Betrieb

Grundparameter deran WENDELSTEIN 7-ASund ASDEX Upgradeeingesetzten Heiz-verfahren

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Im Bereich Oberflächenphysik werden dieBelastungen untersucht, denen die dem

Plasma zugewandten Oberflächen des Plas-magefäßes ausgesetzt sind. Insbesondere tref-fen fortwährend Teilchen aus dem heißenWasserstoffplasma auf die umgebenden Wän-de, wobei sie Atome des Wandmaterials he-rausschlagen können. Diese Teilchen könnenin das Plasma eindringen und führen dort alsVerunreinigungen zu Energieverlusten. Sienehmen nämlich durch Stöße mit den Plasma-teilchen Energie auf, die sie in Form von Licht-strahlung wieder freigeben. Dies führt zu uner-wünschter Kühlung des Plasmas. Darüberhinaus führt ein zu großer Anteil an Verun-

reinigungen zur Verdünnung des Fusions-brennstoffs und damit zum Absinken derFusionsleistung. Die Wechselwirkungen zwi-schen Plasma und Wand werden vornehmlichin Laborexperimenten untersucht, um diezugrundeliegenden physikalischen Prozesseaufzuklären und die zugehörenden atomarenDaten zu bestimmen. Darüber hinaus werdenan den Fusionsanlagen direkt die Teilchen-flüsse zu den Wandkomponenten und die da-raus resultierenden Veränderungen der Wand-oberfläche untersucht.

Bei der Auswahl von Materialien fürFusionsmaschinen muss man zwei Bereichedes Plasmagefäßes bezüglich der Art derBelastung durch einfallende Teilchen unter-scheiden: In der Plasmahauptkammer handeltes sich bei den einfallenden Teilchen haupt-sächlich um neutrale Atome, die im Plasmadurch Umladungsprozesse erzeugt werden.Sie besitzen Energien bis zu einigen zehnKiloelektronenvolt und Flussdichten im Be-reich von 1020 Teilchen pro Quadratmeter undSekunde. Dagegen sind im Divertorbereich,wo die Plasmaionen abgeführt werden, dieTargetplatten einem hohen Ionenfluss bis zueinigen 1023 Teilchen pro Quadratmeter undSekunde ausgesetzt, jedoch wesentlich gerin-geren Energien unter 100 Elektronenvolt.

In heutigen Fusionsexperimenten wird inder Regel Kohlenstoff als Material für plas-mabelastete Wandkomponenten sowohl imDivertor als auch in der Hauptkammer ver-wendet. Bei diesem Element führen die ausder Materialerosion stammenden Verunreini-gungen im Plasma nur zu vergleichsweisegeringen Strahlungsverlusten, so dass opti-male Plasmabedingungen erreicht werdenkönnen. In einem Fusionskraftwerk ist dieVerwendung von Kohlenstoff jedoch prob-lematisch, da bei der Wiederablagerungerodierter Kohlenstoffatome das radioaktiveBrennstoffisotop Tritium in größeren Mengenfest gebunden wird. Am Tokamak ASDEXUpgrade wird aus diesem Grund Wolfram alsalternatives Material für plasmabelasteteKomponenten untersucht. Wolfram weistwesentlich niedrigere Abtragungsraten alsKohlenstoff auf. Durch seine hohe Kernla-dungszahl verursacht es jedoch wesentlichstärkere Strahlungsverluste, so dass dietolerierbare Konzentration um einen Faktor1000 unter der von Kohlenstoff liegt. DieEignung von Wolfram als Wandmaterial wardeshalb zunächst in Frage gestellt und mussteuntersucht werden.Für den Divertorbereich konnte an ASDEXUpgrade die Verwendbarkeit von Wolfram

Blick in das Plasma-gefäß von ASDEX

Upgrade. Die dunklenGraphitziegel sind mitWolfram beschichtet.

Plasma-Wand-Wechselwirkung

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bereits erfolgreich demonstriert werden.Wünschenswert wäre die Verwendung vonWolfram jedoch auch für Wandkomponentenin der Plasmahauptkammer. Dazu wurde ander Abdeckung der inneren Hauptkammer-wand von ASDEX Upgrade in den letztenExperimentierkampagnen Wolfram mit stetigzunehmendem Flächenanteil benutzt. Auf dieverwendeten Graphitziegel wurde dafür eineWolframschicht mit einer Dicke von einenMikrometer aufgedampft (siehe Abbildunglinks).

Die bisherigen Experimente haben gezeigt,dass auch in diesem Bereich die Erosion vonWolfram nicht zu Konzentrationen über derToleranzschwelle im Plasma führt. Allerdingsstellte sich heraus, dass die gemessene Ero-sion wesentlich stärker war als ursprünglichaufgrund des vergleichsweise geringenFlusses von Umladungsatomen angenommenwurde. Zur Quantifizierung der Erosionsrateund zur Erkundung der beteiligten Prozessewurde die Erosion durch Messung derWolframschichtdicke vor und nach derExperimentierkampagne mittels Ionenstrahl-analyse bestimmt. Die Abbildung rechts zeigtdas Energiespektrum von Heliumionen, diean den beschichteten Ziegeln zurückgestreutwurden. Die Fläche unter dem zur Wolf-ramschicht gehörenden Signalanteil ent-spricht näherungsweise der Schichtdicke. Beidem nach der Experimentierkampagne auf-genommenen Spektrum hat sich, wie dieAbbildung zeigt, die Wolframmenge deutlichvermindert.

Entsprechende Messungen wurden an einerganzen Reihe von Ziegeln ausgeführt, um dieräumliche Verteilung der Erosionsrate zu be-stimmen. Dabei beobachtet man starkeVariationen der Erosionsrate selbst auf einzel-nen Ziegeln. Daraus kann man schließen, dassdie Erosion nicht durch den Einfall neutralerAtome erfolgen kann, da deren räumlicheVerteilung sehr homogen ist. Durch Analyseder Magnetfeldlinien, entlang derer sich dieeingeschlossenen Plasmateilchen bewegen,kann man zeigen, dass die Oberflächen-bereiche mit starker Erosion von Feldliniengeschnitten werden, die aus der Plasmazonekommen, während Bereiche geringer Erosionentlang der Feldlinien abgeschattet sind. Diebeobachtete Erosion kann also im wesent-lichen auf den Einfall von Ionen aus demPlasma zurückgeführt werden.

Messungen der Ionentemperaturen an denbetrachteten Oberflächen deuten jedochdarauf hin, dass die Energie der einfallendenDeuteriumionen nicht ausreicht, um Wolfram

nennenswert abzutragen. Die Erosion kanndeshalb nicht durch Deuteriumionen, sondernmuss durch Kohlenstoffionen erfolgen, dienoch immer als Verunreinigung im Plasmavorhanden sind. Eine ähnliche Beobachtungwurde früher bereits im Wolfram-Divertorgemacht. Für die in Zukunft geplantenExperimente sollen deshalb die noch vorhan-denen Kohlenstoffkomponenten durch Wolf-ram ersetzt werden. Mit dem damit einherge-henden Rückgang der Kohlenstoffkonzentra-tion im Plasma ist zu erwarten, dass sich dieWolframerosionsrate entsprechend weitervermindern wird.

Streuspektren vonHeliumionen an Wolf-ram-beschichtetenGraphitziegeln derHauptkammerwand vonASDEX Upgrade vor(rot) und nach (grün)einer Experimentkam-pagne. Die Änderungder Fläche unter derMesskurve ist ein Maßfür die Abnahme derWolframbeschichtung.

Plasmabelastete Materialien unterliegen inFusionsanlagen hohen Belastungen durch

die Wärmeabstrahlung aus dem Plasma unddurch energiereiche Plasmateilchen wie Elek-tronen, Ionen und Atome, die auf die Material-oberfläche treffen. Hierdurch entstehen hoheWärmeflüsse, die von der Materialoberflächeabgeführt werden müssen. Zusätzlich wirddas plasmabelastete Material durch die auf-treffenden Plasmateilchen abgetragen, wasdie Lebensdauer der plasmabelasteten Kom-ponenten stark verringern kann. In einem Fu-sionskraftwerk werden überdies hohe Flüssevon Fusionsneutronen erzeugt, die auf ihremWeg durch die plasmabelasteten Komponen-ten Strahlenschäden verursachen. Die For-schungsarbeiten im Bereich Materialfor-schung befassen sich daher mit der Ent-wicklung und Untersuchung von möglichst

Materialforschung

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robusten Materialien für die plasmabelastetenKomponenten von Fusionsanlagen.

Plasmabelastete Materialien:In gegenwärtigen Fusionsanlagen werdenvornehmlich Materialien mit niedriger Kern-ladungszahl Z wie Kohlenstoff oder Beryl-lium eingesetzt. Wird die Oberfläche derMaterialien bei Plasmakontakt erodiert, sokönnen Atome des Wandmaterials ins Plasmaeindringen. Wegen der geringen Kern-ladungszahl sind bei den hohen Plasmatem-peraturen jedoch nur noch wenige bzw. keineElektronen an die Atomrümpfe gebunden.Daher entsteht nur begrenzte Strahlung amkälteren Plasmarand, die zu einem tolerier-baren Leistungsverlust aus dem Plasma führt.So werden für die Erste Wand von WEN-DELSTEIN 7-X Borkarbidschichten entwi-ckelt, die auf großflächigen, dreidimensionalgeformten Wandbauteilen aus Edelstahlaufgebracht werden können. Für diese Anwen-

dung wurden erstmalig plasmagespritzteSchichten mit einer Schichtstärke bis zu 0,5Millimeter auf großflächige Wandbauteileaufgebracht. Borkarbid hat gegenüber Koh-lenstoff den Vorteil, dass es gegen denchemischen Angriff durch das Wasserstoff-plasma resistent ist. Unter zyklischen Wärme-flussbelastungen in einer Testanlage desForschungszentrums Karlsruhe zeigten diemit Borcarbid beschichteten Bauteile keineSchädigung.

Für Komponenten, deren Oberfläche hohenWärmelasten ausgesetzt ist - zum Beispiel dieDivertorplatten - bieten sich Graphite undkohlefaserverstärkte Kohlenstoffe an. EinenWeg, die Vorteile des Graphits wie hohe ther-mische Stabilität und gute Wärmeleitfähigkeitzu nutzen und die chemische Erosion durchden Wasserstoffangriff zu reduzieren, weisendotierte Graphite auf. Karbiddotierungenbilden durch ihre Anreicherung an der be-lasteten Oberfläche einen wirkungsvollenSchutz des graphitischen Matrixmaterials.Der Wasserstoff aus dem Plasma trifft vor-nehmlich auf die an der Oberfläche befind-lichen Karbide und kann nicht mit dem freienKohlenstoff des Graphits zu Methan rea-gieren. Zusätzlich können, je nach Karbid,chemische Oberflächenprozesse die Reakti-vität des Graphits beeinträchtigen, so dass beierhöhten Temperaturen eine weitere Ver-ringerung der chemischen Erosion erreichtwird.

Trotz seiner hohen Kernladungszahl istjedoch auch ein Material wie Wolfram vongroßem Interesse für die Anwendung inFusionskraftwerken. Als schweres Elementist Wolfram einer wesentlich geringerenZerstäubungserosion durch Wasserstoff-

Wandverkleidung fürWENDELSTEIN 7-X mit

Borkarbid-Beschichtung(Prototyp)

Erodierte Graphit-oberfläche nach Belas-

tung mit Deuterium-Ionen. Man erkennt

Titankarbidkörner auf den Spitzen der

Graphitnadeln.

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teilchen unterworfen. Die Lebensdauer vonWolfram-beschichteten Komponenten könntedaher auch für den Betrieb eines Kraftwerksausreichend sein. Da wegen der hohenKernladungszahl nur sehr geringe Verun-reinigungskonzentrationen im Plasma toleriertwerden können, wurde in ASDEX Upgradedie Plasmaverträglichkeit von Wolfram unter-sucht. Die dazu entwickelten dünnen Wolf-ramschichten hafteten auch unter hohen ther-mischen Belastungen gut auf Graphit und aufKohlefaser-verstärktem Kohlenstoff. WeitereInformationen zu Wolfram als Wandmaterialfinden sich im Kapitel „.Plasma-Wand-Wech-selwirkung“.

Dünne Sperrschichten:Wasserstoffisotope können sich in vielen me-tallischen Materialien leicht ansammeln oderauch durch sie hindurch treten. Im Falle vonTritium ist diese Permeation unerwünscht, dain einer Fusionsanlage das Tritiuminventarmöglichst begrenzt und lokalisierbar seinmuss. Dünne oxidische Beschichtungen aufMetallen können jedoch zu einer sehr starkenAbsenkung der Wasserstoffpermeation füh-ren. Derartige Sperrschichten aus Aluminium-oxid werden im IPP gezielt durch einen ato-maren Plasmaprozess abgeschieden. Durchdie Einstellung der Ionenenergie während derAbscheidung konnte dabei eine stabilekristalline Mikrostruktur der Schicht erreichtwerden.

Metall-Matrix Komposite:Die Verstärkung von Metallen wie Kupferoder niedrig-aktivierbarer Stahl durch kera-mische Fasern, insbesondere aus Silizium-

karbid, könnte zu thermisch hochbelastbarenWerkstoffen mit hoher Festigkeit führen.Grundlagenuntersuchungen sollen zeigen, obdiese Materialklasse, die insbesondere für dieLuftfahrt entwickelt wurde, auch für die An-wendung in Fusionsanlagen angepasst wer-den kann. Dabei ist die Entwicklung der Grenz-flächeneigenschaften zwischen der Faserver-stärkung und der metallischen Matrix vonentscheidender Bedeutung für die mechani-schen Eigenschaften des Verbundmaterials.Entsprechend werden im IPP Modellkompo-site synthetisiert, an denen die Phasenbildungan inneren Grenzflächen und die mikromecha-nischen Eigenschaften untersucht werdenkönnen.

Dünne Wolfram-schichten, die durchunterschiedlicheVerfahren abgeschie-den wurden;oben: Verdampfung ineinem Lichtbogen,unten: Magnetron-Zerstäubung. Die Mikro-struktur der abgeschie-denen Schichten ist inhohem Maße prozess-abhängig.

Plasmatechnologie

Die Gruppe „Plasmatechnologie“ verfolgtdrei Aufgaben: Mit Hilfe plasmachemi-

scher Verfahren werden Oberflächen vergütetund Beschichtungen hergestellt, die in denFusionsanlagen des Instituts benötigt werden.Falls notwendig, werden hierfür spezielleBeschichtungsverfahren entwickelt oderverbessert. Da dies ein tieferes Verständnisder zugrundeliegenden chemischen undphysikalischen Vorgänge erfordert, werdenPlasma- und Schichteigenschaften systema-tisch analysiert und mikroskopische Prozesseder Plasma-Oberflächen-Wechselwirkunguntersucht.

Intensiv beschäftigt man sich zum Beispielmit amorphen wasserstoffhaltigen Kohlen-stoffschichten, die sowohl kommerziell ge-nutzt als auch in den großen Fusions-experimenten zum Schutz der metallischenGefäßwände eingesetzt werden. Das Ab-tragen und an anderer Stelle wieder Ablagernsolcher Schichten in einem Plasma, alsoDeposition und Erosion, wird mit einemneuartigen, zum Patent angemeldeten Mess-verfahren untersucht, das auf der spek-troskopischen Ellipsometrie beruht. Dashochempfindliche optische Verfahren kanndie Eigenschaften eines Schichtsystems sehrgenau und in-situ vermessen, d.h. währenddie Schichten dem Plasma ausgesetzt sind.Damit wurde das Aufwachsen und Abtragenvon wasserstoffhaltigen Kohlenstoffschichten

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in Abhängigkeit von der Energie der auftref-fenden Plasmaionen und der Temperatur desSubstrats untersucht. Im allgemeinen stieg dieErosionsrate mit zunehmender Ionenenergieund steigender Substrattemperatur, wobeiallerdings im Detail überraschende Abwei-chungen entdeckt wurden.

Insbesondere die Wechselwirkungen vonatomarem Wasserstoff und Kohlenwasser-stoff-Radikalen mit Kohlenstoff-Oberflächenspielen in der Randschicht und im Divertorvon Fusionsexperimenten eine wichtige Rolleund sind bei der Auslegung künftiger Anlagen

Zur SimulationmikroskopischerVorgänge an derGefäßwand von

Fusionsexperimen-ten werden in dieser

Anlage amorpheKohlenwasserstoff-

Schichten hergestelltund während desWachstums durch

ausgefeilte Messver-fahren beobachtet.

zu berücksichtigen. Deshalbwerden diese Prozesse inModellexperimenten inten-siv untersucht. Eine ganzeReihe mikroskopischer Pro-zesse wurde in den letztenJahren detailliert analysiertund teilweise quantitativaufgeklärt. Insbesonderekonnte das Haftvermögenvon Methyl-Radikalen aufder Oberfläche von Koh-lenwasserstoffschichten be-stimmt werden. Abgesehenvon ihrem Nutzen für dieFusionsforschung sind die

hierbei gewonnenen Elementardaten ebensofür die Modellierung gleichartiger Prozessebei der Plasmadeposition technologisch inte-ressanter Schichten - zum Beispiel harteramorpher Kohlenstoff- oder Diamantschich-ten - von Bedeutung.

Der Bereich Tokamakphysik untersuchtgrundlegende Fragen der theoretischen

Plasmaphysik und unterstützt die experi-mentellen Tokamak-Aktivitäten des IPP. DerSchwerpunkt liegt bei ASDEX Upgrade,zunehmend werden aber auch JET-Plasmenanalysiert. Dabei kommt dem Vergleich derbeiden Tokamaks eine besondere Bedeutungzu: Nur wenn die entwickelten Rechen-programme beide - unterschiedlich großen -Tokamaks gut beschreiben, kann man ihrenVorhersagen für den nochmals größeren ITERoder gar für ein Fusionskraftwerk vertrauen.Zu den untersuchten Fragestellungen gehörendie Berechnung von Plasmagleichgewichtenund ihrer Stabilität gegenüber makroskopi-schen und mikroskopischen Störungen, dieAusbreitung und Absorption von Wellen ininhomogenen Plasmen, die Beschreibung derPlasma-Randschicht, Modellierungen zumTeilchen- und Energietransport sowie

Tokamakphysik

Turbulente Plasmastörungen führen zu einem erhöhtenTransport von Teilchen und Energie.

Die hier für ASDEX Upgrade gezeigten Fluktuationensind das Resultat einer Computersimulation.

Fot

o: D

oris

Bei

rer

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Simulationen des turbulenten Transports.Makroskopische Plasmainstabilitäten wer-

den meist von Druckunterschieden, aber auchvon Stromstärkedifferenzen angeregt. Auchschnelle Plasmateilchen, die durch Mikro-wellen- und Neutralteilchenheizung beschleu-nigt wurden, oder die schnellen Heliumionenin einem brennenden Plasma können solcheInstabilitäten hervorrufen. Sie führen zueinem Verlust von Teilchen und Energie undschränken so den Bereich der erzielbarenPlasmawerte ein. Besonders kritisch ist dabeidie Begrenzung der erreichbaren Beta-Werte,also des Plasmadrucks im Verhältnis zu demvom Magnetfeld erzeugten Druck. Da man -um Kosten zu sparen - den zur Fusionerforderlichen Plasmadruck bei möglichstkleinem Magnetfeld erreichen will, werdeninsbesondere druckgetriebene Instabilitätenintensiv untersucht. Durch gemeinsame theo-retische und experimentelle Arbeiten ist esgelungen, solche Instabilitäten gänzlich zuvermeiden oder bereits aufgetretene Instabi-litäten aktiv zu unterdrücken.

Den Energie- und Teilchentransport inTokamak-Plasmen hat man in den vergan-genen Jahren deutlich besser verstanden. ZuBeginn der Fusionsforschung wurde ange-nommen, dass der Transport von Teilchen undEnergie senkrecht zum Magnetfeld aus-schließlich durch Stöße zwischen den Plas-mateilchen hervorgerufen wird. Wäre dasrichtig, könnte die Zündung des Plasmasschon in einem sehr kleinen Tokamak erreichtwerden. Experimente haben jedoch gezeigt,dass der tatsächliche Transport senkrecht zumMagnetfeld bis zu drei Größenordnungengrößer sein kann, als durch bloße Teilchen-stöße erklärt werden könnte. Intensive theo-retische und experimentelle Arbeiten konntenden Grund für diesen zusätzlichen, „ano-malen“ Transportmechanismus klären: Mikro-skopische Instabilitäten, getrieben durchDruckdifferenzen im Plasma, führen zu turbu-lenten Strömungen und damit zu einemTransport von Teilchen und Energie. Das theo-retische Verständnis dieses zusätzlichenTransportmechanismus ist von großer Bedeu-tung für die Planung künftiger Fusions-anlagen, denn bis heute ist man dabei nochauf Hochrechnungen mittels empirischerSkalierungsgesetze angewiesen, die man ausbisherigen Fusionsexperimenten gewonnen hat.

Einfache Modelle können dieses nichtlinearePhänomen allerdings nicht beschreiben;hierzu sind aufwendige numerische Simu-lationen nötig. Entscheidende Fortschrittekonnte man daher erst in den letzten Jahren -

nach der Entwicklung schneller Hochleis-tungsrechner - erzielen. So gelang es beispiels-weise, den grundlegenden Charakter der expe-rimentell beobachteten Plasmafluktuationenin numerischen Simulationen zu reprodu-zieren (links unten). Insbesondere für dieetwas kühlere und daher für Sondenmes-sungen zugängliche Plasmarandschicht wur-den Theorie und Experiment vielfach detail-liert verglichen, mit größtenteils guter qualita-tiver Übereinstimmung. Weiterhin wurdegezeigt, dass der numerisch berechnete turbu-lente Transport in der Tat groß genug ist, umdie zusätzlichen Verluste in den Plasmen zu

erklären. Darüber hinaus konnte nachgewie-sen werden, dass die Turbulenz im Plasma-zentrum überwiegend von Ionen-Temperatur-Unterschieden verursacht wird. Da diese Artvon Turbulenz erst beim Überschreiten eineskritischen Temperaturgradienten einsetzt,dann aber mit wachsendem Gradienten raschzunimmt, erwartete man, dass die experimen-tellen Werte für den Temperaturgradientennahe an den von der Theorie vorhergesagtenkritischen Werten liegen. Diese Vermutungkonnte in zahlreichen Experimenten bestätigtwerden. Eine Konsequenz dieses Verhaltensist, dass der Temperaturverlauf im Plasma-zentrum wesentlich von der Temperatur amPlasmarand bestimmt wird (siehe oben).

Die Arbeiten zur Randschicht- undDivertorphysik führten zur Entwicklung einesRechenprogramms, mit dem das Verhaltender Randschicht eines Fusionsplasmas berech-net werden kann. Das Programm wurdegemeinsam mit Wissenschaftlern aus Jülichund New York entwickelt. Für eine

Experiment

Modell

0 1 2 3 4

Temperatur (keV)(r = 0,8 a)

Tem

pera

tur

(keV

)(r

= 0

,4 a

)8

6

4

2

0

Vergleich zwischengemessenen undberechnetenIonentemperaturen imPlasmazentrum undam Plasmarand.

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vorgegebene Heizleistung und Geometrie derFusionsanlage gibt es Antwort auf die Fragen:Wie groß sind die Leistungsflüsse auf dieDivertorplatten? Welche Dichte und Tempe-ratur hat das Randplasma, das auf die Diver-torplatten gelenkt wird? Gelingt es, die Verun-reinigungen aus dem Divertor vom Eindrin-gen in das Hauptplasma abzuhalten? Ist dieEnergieabfuhr durch Verunreinigungsstrah-lung hoch genug? Kann das bei der Fusionentstehende Helium genügend gut abgepumt

werden? Um diese und andere Fragen zubeantworten, müssen sowohl das Verhaltender geladenen Plasmateilchen und der Verun-reinigungen im Magnetfeld korrekt erfasst alsauch die Bahnen der Neutralteilchen verfolgtwerden, die aus den Plasmaionen beim Kon-takt mit den Divertorplatten entstehen. Zu-gleich sind atomphysikalische Vorgänge wiedas Ablösen von Teilchen aus den Divertor-platten oder die Aussendung von Strahlungdurch die Verunreinigungen zu beschreiben.

Stellaratortheorie

3

2

1

0

-1

-2

-3

normierter Plasmaradius (s)

0 0,2 0,4 0,80,6 1,0

φ (s

)

3

2

1

0

-1

-2

-30 0,2 0,4 0,80,6 1,0

n

VollentwickelteTurbulenz in einem

zylindrischen Plasma.Ursache sind von

Temperaturunterschie-den getriebene Insta-

bilitäten. DerAbbildung liegt eine

sogenannte Particle-in-Cell-Simulation mit

etwa 100.000.000Teilchen zugrunde.

Gezeigt wird derVerlauf von etwa

tausend Fourierkom-ponenten des fluktu-

ierenden elektrischenPotenzials über dem

Plasmaradius.

Aufgabe des Bereichs Stellaratortheo-rie im IPP-Teilinstitut Greifswald ist

es, kraftwerkstaugliche Magnetfelder inder toroidalen dreidimensionalen Geome-trie der Stellaratoren zu finden und dasVerhalten des Plasmas in ihnen zu be-schreiben. Die für ein Kraftwerk notwen-digen Plasmaeigenschaften werden dabeidurch zwei sich ergänzende theoretischeBeschreibungen erfasst: Dies ist zum einendie Magnetohydrodynamik, in derenRahmen dreidimensionale Plasmagleich-gewichte und deren Stabilität beschriebenwerden. Der sie charakterisierende Beta-Wert (siehe Seite 11) muss ein ausrei-chend gutes Verhältnis von Plasma- zuMagnetfelddruck garantieren. Zum ande-ren muss die driftkinetische Beschreibungder Ionen und Elektronen zu einem guten

stoßbestimmten Einschlussverhalten des ther-mischen Plasmas und der ein Kraftwerks-plasma heizenden Helium-Teilchen führen.

Das gegenwärtig in Greifswald entstehendeExperiment WENDELSTEIN 7-X ist einwesentlicher Schritt hin zu einem Stellarator-kraftwerk, da es hinsichtlich dieser Eigen-schaften theoretisch optimiert wurde. Bestand-teil der Optimierung waren auch die das Mag-netfeld erzeugenden Spulen. Im BereichStellaratortheorie werden diese Theorien wei-ter vertieft, so dass die für WENDELSTEIN7-X vorhergesagten Eigenschaften detailliertund quantitativ beschrieben werden können.Wesentlich für den Betrieb von WENDEL-STEIN 7-X sind ebenso der nicht durch dieStöße der Plasmateilchen bestimmte, sondernturbulente bzw. anomale Plasmatransport(siehe Abbildung links) und die Eigenschaf-ten der Plasmarandschicht, in der ein Insel-divertor den Teilchen- und Energiefluss kon-trollieren soll. Entsprechend beschäftigt sichdie aktuelle Forschung auch mit der Ent-wicklung stellaratorspezifischer Theorien desturbulenten Transports und der Plasmarand-schicht.

Darüber hinaus trägt der Bereich zurFortentwicklung des Stellaratorkonzepts imallgemeinen bei. Sie verläuft bisher im wesent-lichen entlang dreier Entwicklungslinien, diealle einen zu großen stoßbestimmten Trans-port vermeiden. Sie werden charakterisiertdurch sogenannte Quasisymmetrien: erstensaxiale, das heißt tokamakartige Symmetrie,zweitens helikale, das heißt lineare schrau-benartige und drittens poloidale Symmetrie.Dabei bezieht sich der Symmetriebegriffnicht auf die räumliche Geometrie sondernauf die funktionale Form der Magnetfeldstär-ke. WENDELSTEIN 7-X gehört zum drittenTypus, der im Unterschied zu den beidenersten nicht in reiner Form existiert. Er kannjedoch in einem verallgemeinerten Konzept,das die Konturen der sogenannten „zweiten

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Der zentralePlasmabereich ist blau,der äußere rot gekenn-zeichnet (siehe oben).Das Plasmazentrumbefindet sich beiRo = 1,72 Metern.

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Ziele des Bereichs „Experimentelle Plas-maphysik 4“ sind vor allem das Verständ-

nis der Randschichtphysik des Plasmas, desTeilchentransports, der Energieabfuhr durchUltraviolett- oder Röntgenstrahlung aus demPlasma und der Verunreinigungserzeugungauf chemischem Wege. Zur Lösung dieserFragen hat der Bereich übergreifendeDiagnostikaufgaben übernommen. Hierfürwurden hauptsächlich die Spektroskopie-gruppen an den Experimenten ASDEXUpgrade und WENDELSTEIN 7-AS zusam-mengefasst, die das Plasma mit Hilfe des cha-rakteristischen Lichts analysieren, das diePlasmateilchen aussenden.

Der Leiter des Bereichs hat gleichzeitig denLehrstuhl für Experimentelle Plasmaphysikan der Universität Augsburg inne. Ent-sprechend finden die Forschungsarbeiten desLehrstuhls zum Teil in Augsburg, zum größe-ren Teil in Garching statt. GemeinsameThemen sind die Diagnostik und das Ver-ständnis von Nichtgleichgewichtsplasmen,

wie sie sowohl in der - vor allem in Augsburgbetriebenen - Plasmatechnologie als auch inder Fusionsforschung an den Großexperi-menten des IPP Verwendung finden. Auch inAugsburg werden zur Diagnostik hauptsäch-lich spektroskopische Methoden genutzt, dieauf dem Eigenleuchten der Plasmen oder aufaktiver Anregung mit Laserlicht oder Teil-chenstrahlen beruhen. Während die Messun-gen dort auf den sichtbaren Spektralbereichund das nahe Vakuum-Ultraviolettlicht be-schränkt sind, stehen in Garching umfangrei-che Diagnostiken vom Infrarot- bis zumRöntgengebiet zur Verfügung. Über das enge-re Forschungsgebiet des Lehrstuhls hinaus

Plasmadiagnostik

adiabatischen Invarianten“ betrifft, sehr gutangenähert werden. Die Forschungen in diesen Arbeitsgebietengehören zur Sparte der Physik mit demComputer, der „Computational Physics“, daeine realistische Beschreibung der dreidimen-sionalen Stellaratorplasmen nur numerischmöglich ist. Aktuelle Forschungsthemen sindhierbei die Weiterentwicklung der Rechen-verfahren für Gleichgewicht (PIES) undSpulen (NESCOIL), die Weiterentwicklungdes dreidimensionalen magnetohydrodynami-schen Stabilitätscodes CAS3D für leitende,das Plasma einschließende Wände, dessenkinetische Erweiterung CAS3D-K sowie dieWeiterentwicklung linearer und nichtlinearergyrokinetischer Codes, GYGLES und TORB.Hinzu kommt die Entwicklung eines dreidi-mensionalen Codes BoRiS für Turbulenz amPlasmarand, die Berechnung von Stellarator-konfigurationen mit niedrigem Verhältnis vongroßem zu kleinem Plasmaradius sowie dieAnalyse von Stellaratoren vom allgemeinenTyp der poloidalen Quasisymmetrie, die mög-lichst perfekten stoßfreien Einschluss derHelium-Teilchen zeigen. Diese Untersuchun-gen werden in vielfältigen internationalenKollaborationen und Projekten betrieben.

1,95 Sekunden nachEntladungsbeginn wirdkontinuierlich Argon indas Plasma von ASDEXUpgrade eingeblasen.Die gemesseneEntwicklung der Argon-Dichte ist über der Zeitund dem PlasmaradiusR aufgetragen.

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werden den Studenten der UniversitätAugsburg in Garching ebenso Arbeitsmög-lichkeiten auf dem ganzen Feld der Fusions-forschung angeboten.

Durch spektroskopische Messungen lässtsich eine Vielzahl von Informationen über dasPlasma gewinnen: Die Messungen habeneinerseits die Bestimmung der Plasmawertezum Ziel, also der verschiedenen Teilchen-

dichten und Temperaturen, die füreine rechnerische Modellierung derVorgänge im Plasma unerlässlichsind. Andererseits wird dieWechselwirkung der Plasmen mitden Gefäßwänden studiert, d.h. dieAblagerung oder Abtragung vonMaterial an der Wand. Insbesondereuntersucht werden dabei chemischeVorgänge wie die Bildung vonMethan, Borwasserstoff, Kohlenmon-oxyd und anderen Gasen, über dieman aus der Interpretation dergemessenen Molekülspektren Infor-mationen gewinnt. SpektroskopischeMessungen dienen auch dem Stu-dium des noch weitgehend ungeklär-ten Teilchentransports sowie derUntersuchung lokaler Phänomene,die zu einer theoretischen Erklärungdes Transports führen könnten.Für den Einsatz der Spektroskopie

müssen zunächst die Spektren alssolche bekannt sein oder berechnet werden,d.h. die Atom- und Ionenlinien, die Kontinuaund die Molekülbanden der entsprechendenTeilchensorten. Zur Auswertung der gemesse-nen Strahlungsintensitäten braucht man spezi-elle Anregungsmodelle, für die experimentellgemessene oder theoretisch berechnete atom-physikalische Eigenschaften bekannt seinmüssen. Dazu gehören Ratenkoeffizienten fürElektronenstoßanregung, Übergangswahr-scheinlichkeiten, Linienverbreiterungsmecha-nismen sowie Querschnitte für Ladungsaus-tausch und andere Stoßprozesse. Auf diesemGebiet wird intensiv mit Atom- und Astro-physikern zusammengearbeitet. Die grundle-genden Atomdaten werden dann in sogenann-ten Stoß-Strahlungs-Modellen für die Analyseder gemessenen Spektren aufbereitet.

Ein Beispiel für die Aufgaben derSpektroskopie ist die Untersuchung desVerunreinigungstransports im Plasma. Vonbesonderem Interesse ist hier die Frage,inwieweit der Teilchentransport durch dieunvermeidbaren Stöße zwischen den gela-denen Ionen oder zusätzlich durch makrosko-pische Plasmainstabilitäten bzw. durch

mikroskopische Plasmaturbulenz verursachtwird. Der Transport durch Stöße kann unterungünstigen Bedingungen zu einer Anhäu-fung von Verunreinigungen im Plasma-zentrum führen. Die beiden anderen Trans-portprozesse hingegen arbeiten dieser An-häufungstendenz entgegen, indem sie die sicheinstellenden Dichteunterschiede wiederabbauen.

Da der stoßbestimmte Transport von derLadungszahl der Verunreinigung abhängt,müssen die Untersuchungen für verschiedeneElemente ausgeführt werden. Dabei werdendie gasförmigen Stoffe durch Ventile einge-bracht. Feste Stoffe werden zunächst auf eineGlasplatte aufgetragen, von wo sie im Plasma-gefäß mit einem Laserstrahl wieder abge-dampft werden können. Als Beispiel zeigt dieAbb. auf Seite 77 die Dichteentwicklung vonArgon nach einer Injektion von einer SekundeDauer. Argon dringt zunächst sehr schnellzum Rand des zentralen Plasmabereichs vor,wo jedoch der weitere Transport in RichtungZentrum sehr klein ist und schließlich voneiner makroskopischen Plasmainstabilität, dersogenannten Sägezahn-Instabilität, bewerk-stelligt wird. Im weiteren Verlauf erkennt manden Beginn einer sich aufbauenden Zuspit-zung der Argondichte auf der Plasmaachse,die jeweils durch erneut auftretende Säge-zahn-Instabilitäten periodisch abgebaut wird.Rechnungen zeigen, dass hierbei der Trans-port im äußeren Bereich hauptsächlich durchTurbulenz erfolgt, während der geringeTransport im Zentrum nur durch Stoß-prozesse verursacht wird. Das Verständnisdieser Fragen und die damit einhergehendeEntwicklung theoretischer Transportmodelledient dazu, den Verunreinigungsgehalt ineinem Fusionskraftwerk vorherzusagen.

Bereich Berlin

Nach einer Empfehlung des Wissen-schaftsrates, die fusionsorientierten Ar-

beiten des aufgelösten Zentralinstituts fürElektronenphysik der ehemaligen Akademieder Wissenschaften der DDR weiterzuführen,gründete die Max-Planck-Gesellschaft zusam-men mit dem Land Berlin 1992 den IPP-Bereich Berlin. Als „Bereich Plasmadia-gnostik“ wurde er 1999 organisatorisch demTeilinstitut Greifswald zugeordnet. DieMitarbeiter des Bereiches arbeiten bis Ende

Vakuumrohre, die andas Plasmagefäß von

ASDEX Upgrade ange-baut sind, führen wei-che Röntgenstrahlung

aus dem Plasma zu verschiedenen

Spektrometern.

Fot

o: U

lrich

Sch

wen

n

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Magnetfeldspulen

Neutralisator-platte

Schleusen-schieber

Untersuchungs-probe

Pumpstutzen

Heizer

Schirm

Gaseinlass

Blenden

Plasmastrahl mitmagnetischen Flusslinien

Kathode

Anode

Targetraum Druckstufe Anoden-Kathoden-Raum

Stromloser Driftbereich

0,5 Meter

2003 in Berlin; anschließend wird der größteTeil nach Greifswald umziehen. Forschungs-schwerpunkt des Berliner Bereichs sindPlasmaverunreinigungen, deren Diagnostikund die Physik der Plasma-Randschicht inFusionsanlagen.

Im Gegensatz zu der im heißen Zentrumdes Plasmas geltenden Hochtemperatur-Plas-maphysik, die bis in die Strukturen der Atom-kerne eingreift, beschäftigt sich die Physikdes kälteren Plasmarandes auch mit Vor-gängen, die sich in der Atomhülle abspielen.Hier kommt es zu vielfältigen Strahlungspro-zessen sowie zu Recycling- und Transport-vorgängen, für die insbesondere die durchErosion freigesetzten Verunreinigungen ver-antwortlich sind.

Ein Teil der Forschungskapazität des Be-reichs Berlin ist direkt in die GarchingerForschungsprogramme an den ExperimentenASDEX Upgrade und WENDELSTEIN 7-ASeingebunden, teilweise in Zusammenarbeitmit den dort ansässigen Gruppen, teilweisemit eigenen Messapparaturen. So betreibt derBereich an ASDEX Upgrade einen Rand-schichtmanipulator und ein Randschichtspek-trometer. Mit dem Manipulator werden kurz-zeitig Sonden in die Randschicht hineinge-fahren, so dass hier Temperatur und Dichtemit hoher Ortsauflösung gemessen werdenkönnen. Mit dem Randschichtspektrometerkönnen Verunreinigungen im Plasma nach-gewiesen und deren Transport- und Strah-lungseigenschaften untersucht werden. Auch

Schematische Ansichtdes PlasmageneratorsPSI-2. Das zylindersym-metrische Plasmaerstreckt sich von derKathode bis zurNeutralisator-Platte.

die Infrarot-Thermografie - ein Verfahren, dasdie Wärmebelastung besonders exponierterBauteile bestimmt - wird vom Bereich Plasma-diagnostik an WENDELSTEIN 7-AS betreut.Neben dieser Teilnahme an den GarchingerProjekten ist der Bereich wesentlich an derVorbereitung des neuen Stellarators WEN-DELSTEIN 7-X in Greifswald beteiligt.

Darüber hinaus hat der Bereich in Berlineigene Aktivitäten auf experimentellem undtheoretischem Gebiet aufzuweisen. Hierzugehören der Plasmagenerator PSI-2, dasEBIT-Experiment (Electron Beam Ion Trap)zur Erzeugung und Untersuchung hochge-ladener Ionen und das Ultrahochvakuum-Labor zur Analyse von Materialien fürFusionsanlagen. Auch theoretische Unter-suchungen des Plasmas im Randbereich vonFusionsanlagen werden ausgeführt.

Der Plasmagenerator PSI-2 erzeugt sta-tionäre Plasmen, die dem Randplasma derFusionsanlagen ähnlich sind. Im Gegensatzzu Fusionsexperimenten, die jeweils nur fürwenige Sekunden ein Plasma erzeugen, lässtsich das Plasma im Plasmagenerator unterdefinierten Bedingungen für viele Stundenaufrechterhalten. Dies erlaubt wichtige experi-mentelle Beiträge zur Physik der Plasma-Wand-Wechselwirkung; zudem wird dieAnlage für die Entwicklung und Erprobungneuer Diagnostiken eingesetzt. Wegen dervergleichsweise hohen Teilchenflüsse undTemperaturen können Materialien bei hoherthermischer Belastung erprobt werden. Die

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Grad variiert werden. Am Plasmageneratorwurden auch neue Diagnostikverfahren fürdie Randschicht von Fusionsexperimentenentwickelt und erprobt. In Zusammenarbeitmit der Physikalisch-Technischen Bundesan-stalt in Berlin wurde ein neuartiges Zwei-Photonen-Spektrometer zur Bestimmung derWasserstoff-Isotopendichte aufgebaut underfolgreich getestet. Diese Messungen sindfür die Fusionsforschung von großer Bedeu-tung, da in einem brennenden Fusionsplasmadie Dichten der Deuteronen und Tritonenmöglichst gleich sein sollten, um eine maxi-male Leistungsausbeute zu erhalten. Einanderes Verfahren, das am Plasmageneratorerprobt wurde, nutzt die Anregung und nach-folgende Emission eines neutralen Helium-strahls, um Dichte und Temperatur desumgebenden Plasmas zu bestimmen.

Schwerpunkt der künftigen Forschung sindPlasma-Target-Experimente, mit denen derBereich zur Suche nach alternativen Wand-materialien für Fusionsexperimente beitragenwill. Hervorzuheben sind Untersuchungenzur chemischen Erosion von unterschied-lichen kohlefaser-verstärkten Kohlenstoff-Materialien. Hier hat es sich als sehr vorteil-haft erwiesen, dass Elektronen- und Tar-gettemperatur sowie die Auftreffenergie derIonen weitgehend unabhängig voneinandereingestellt werden können. Weitere Schwer-

Anlage ist dabei deutlich kleiner als einFusionsexperiment, erfordert weniger Be-triebspersonal und ist auch für die Untersu-chung neuer Fragestellungen in der Grundla-genforschung geeignet.

Die Abbildung auf Seite 79 zeigt schema-tisch den Aufbau des Plasmagenerators PSI-2.Durch ein Ventil strömt das Arbeitsgas - zumBeispiel Wasserstoff - in den Entladungs-raum, in den eine geheizte Kathode und eineringförmige Anode ragen. Eine Hochstrom-Bogenentladung zwischen Anode und Kathodeionisiert das Arbeitsgas - es entsteht einPlasma. Mit Hilfe von ringförmig angeord-neten Magnetspulen wird ein axialesMagnetfeld einer Stärke von 0,1 bis 0,2 Teslaerzeugt. Es sorgt - ähnlich wie das Magnet-feld in Fusionsexperimenten - für den radi-alen Einschluss der Plasmateilchen. Hinterder Anode schließlich befindet sich einSystem von Vakuum-Pumpen, um das durchWandkontakt entstehende Neutralgas abzu-pumpen. Im sogenannten Target-Raum hatdie Plasmasäule einen Durchmesser von etwaacht Zentimetern und kann für Plasma-Wand-Wechselwirkungsexperimente auf entspre-chende Proben gerichtet werden.

Mit der Inbetriebnahme des Plasmagene-rators wurden zunächst verschiedene diagnos-tische Methoden zur Bestimmung derBetriebs- und Plasmaparameter erprobt.Hierzu zählen aktive und passive spektros-kopische Verfahren, elektrische Sonden unddie Laserstreuung. Die Ergebnisse zeigtenübereinstimmend, dass die mit dem Generatorerreichbaren Plasmawerte im fusionsrelevan-ten Bereich liegen. Die Temperatur derElektronen beispielsweise kann über etwa eineGrößenordnung von 50.000 bis zu 350.000

Kollektor

SupraleitendeHelmholtz-Spulen

Elektronen-kanone

Hochspannungs-elektroden (Falle)

Elektronenstrahl

Molybdänprobe imPlasmastrahl des

Plasmagenerators.

Schematische Anordnung der wesentlichenBauteile der Ionenfalle EBIT.

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punkte bilden Untersuchungen zum radialenund axialen Transport im Plasma und dessenBeeinflussung durch Fluktuationen undPlasmarotation sowie eine direkte Messungder Leistungsübertragung vom Plasma auf einTarget und deren Winkelabhängigkeit.

Mit der Ionenfalle EBIT können durchIonisation von neutralen Atomen hochge-ladene Ionen erzeugt und spektroskopischuntersucht werden. Hochgeladene Ionenkommen unter anderem in Stern- und Fu-sionsplasmen vor, wo wegen der hohen Tem-peraturen die Atome sich in ihre Bestandteile- Kerne und Elektronen - zerlegen. Für dieAnalyse derartiger Ionen bietet die EBITeinzigartige Möglichkeiten, da mit ihr nahezujedes beliebige Element des Periodensystemsin entsprechend hohe Ladungszustände über-führt und unter definierten Bedingungenuntersucht werden kann. Die Abbildung links zeigt die schematischeAnordnung der EBIT-Quelle: Ein Elektronen-strahl wird im Bereich der Hochspannungs-elektroden, der eigentlichen „Falle“, durchein Magnetfeld hoher Feldstärke - drei Tesla -auf einen Durchmesser von etwa 70 Mikro-meter komprimiert. Die Energie der Strahl-elektronen kann über die an den Elektrodenanliegende Hochspannung von 500 bis zu40.000 Elektronenvolt variiert werden. DerElektronenstrahl hat mehrere Funktionen zuerfüllen: Er ionisiert die in die Falle einge-brachten Atome und schließt die so erzeugten,positiv geladenen Ionen durch anziehendeKräfte ein. Durch Stöße zwischen Elektronenund Ionen regt der Elektronenstrahl zudemStrahlungsprozesse an, die dann mit Spektro-metern beobachtet werden können.

Mit der EBIT werden sowohl fusionsrele-vante als auch grundlegende plasma- undatomphysikalische Fragestellungen bearbei-tet. So wurden mit Blick auf den möglichenEinsatz von Krypton für die Kühlung desRandschichtplasmas in FusionskraftwerkenEnergieverlust-Raten für hochgeladene Kryp-ton-Ionen ermittelt. Hinzu kommen spektros-kopische Untersuchungen an Wolfram-Ionen.Wolfram wird als Wandmaterial fürFusionsanlagen in Betracht gezogen. Bis zu72fach ionisierte Wolfram-Ionen würdendann im Plasma als Verunreinigung vorkom-men. Mit den an der EBIT gewonnenenSpektren dieser Ionen konnte zum Beispieldie Natur des zuvor in ASDEX Upgradebeobachteten Quasi-Kontinuums derWolframstrahlung gedeutet werden. WeitereUntersuchungen an hochgeladenen Argon-Ionen dienten zur Überprüfung von

Atomdaten für die spektroskopische Tempe-raturdiagnostik. Schließlich wurden auchmethodische Studien zur Physik der Ionen-falle und zum Einschluss der Ionen ausge-führt. Schwerpunkt der künftigen Forschungauf diesem Gebiet sollen Experimente mitextrahierten Ionen sein, die auf ein außerhalbder EBIT-Quelle befindliches Gastargetgeschossen werden.

Auf dem Gebiet derPlasmatheorie beschäftigt sichder Bereich mit Modellrech-nungen mit dem B2/Eirene-Code sowohl für ASDEXUpgrade zur Untersuchungdes sogenannten „abgelösten“Plasmazustandes als auch fürden Plasmagenerator PSI-2.Mit einem eindimensionalenModell für die Energie- undTeilchenbilanz sowie dieSchichtbeschreibung an Ka-thode und Anode wurden dieElektronendichte und -tem-peratur des Plasmageneratorsselbstkonsistent bestimmt.Mit Hilfe dieses einfachenModells konnten die für ver-schiedene Arbeitsgase gemes-senen Strom-Spannungs-Kennlinien gut beschriebenwerden. Theoretisch analy-siert wurden weiterhin chaotische Zustände, diein einem strahlenden Randplasma auftretenkönnen. Durch Lösungen der räumlich eindi-mensionalen und zeitabhängigen Wärmelei-tungsgleichung können sie in Form einer peri-odisch getriebenen Reaktions-Diffusions-Gleichung beschrieben werden. Die künftigenUntersuchungen werden sich hauptsächlich mitFragen befassen, die im Zusammenhang mitdem Stellarator WENDELSTEIN 7-X inGreifswald stehen.

Mit der Ionenfalle EBITwerden hochgeladeneIonen erzeugt unduntersucht

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im Rahmen der „EntwicklungsgemeinschaftKernfusion“ das Forschungszentrum Karls-ruhe übernommen hat. Eine ähnlich engeZusammenarbeit mit dem IPF hat sich aucham Tokamak ASDEX Upgrade entwickelt.Die Mikrowellen-Heizung wurde hier von1994 bis 1998 installiert und wird seit 2000weiter ausgebaut, wobei das IPF die Übertra-gungsleitungen dimensioniert und sich an denExperimenten beteiligt. Des weiteren laufenan ASDEX Upgrade Arbeiten zur Diagnostikder Plasmarandschicht, insbesondere mittelshochauflösender Spektroskopie und zurMikrowellendiagnostik. Hinzu kommen Expe-rimente zur magnetohydrodynamischen Stabi-lisierung.

Eine enge Kooperation verbindet das IPPmit dem Forschungsschwerpunkt Oberflä-chenphysik der Universität Bayreuth: Zweider Lehrstuhlinhaber in Bayreuth sind zu-gleich Mitglieder der WissenschaftlichenLeitung des IPP. Untersucht wird vor allemdie Wechselwirkung von Wasserstoff undDeuterium mit den Wandmaterialien vonFusionsanlagen. Dabei soll die physikalischeWechselwirkung von langsamen Wasserstoff-atomen mit Kohlenstoff, Bor und Berylliumsowie insbesondere die chemische Zerstäu-bung von Kohlenstoff-Materialien durchWasserstoff- und Deuteriumatome aufgeklärtwerden. Ergänzend zu den Arbeiten im IPP-Bereich Oberflächenphysik untersucht man inBayreuth vorwiegend die grundsätzlichenMechanismen dieser Prozesse.

Mit der Technischen Universität Münchenkooperiert das IPP auf mehreren Gebieten: SeitAugust 1999 besteht ein Rahmenvertrag mitdem Lehrstuhl für Messsystem- und Sensor-technik über die Zusammenarbeit auf demGebiet der Oberflächenphysik. Thema ist dieMehrwellenlängen-Speckle-Interferometrie fürOberflächenanalysen aus größerem Abstandvon einigen Metern. Das Verfahren ist beson-ders für direkte Erosionsmessungen an Diver-torplatten und Gefäßstrukturen der Fusions-experimente geeignet, weil die optischeMethode - anders als mechanische Verfahren- die Messdaten zerstörungsfrei und schnellgewinnt.

Im Juni 2001 wurde mit dem Physik-Department E16 und dem Zentrum fürInterdisziplinäre Wissenschaftliche Zusam-menarbeit mit Zentral- und Osteuropa der

Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysikarbeitet eng mit mehreren deutschen Uni-

versitätsinstituten zusammen. So könnenErfahrung und detailliertes Fachwissen derUniversitäten genutzt und Kontakt zu quali-fiziertem wissenschaftlichen Nachwuchs ge-wonnen werden. Daneben wird es jungenIPP-Wissenschaftlern möglich, am Vorlesungs-betrieb teilzunehmen und sich zu habilitieren.Wissenschaftler des IPP unterrichten an denUniversitäten in Augsburg, Düsseldorf, Ulm,Bayreuth, Bochum, Berlin, Rostock, Greifs-wald, Innsbruck, München, Tübingen undStuttgart sowie an der Fachhochschule Stral-sund. Umgekehrt erhalten die Hochschulinsti-tute durch eine finanzielle Förderung dieMöglichkeit, ihre speziellen Kenntnisse amIPP anzuwenden und zu erweitern.

Das Institut für Plasmaforschung (IPF)der Universität Stuttgart leistet wesentlicheBeiträge zur Entwicklung der Elektronen-Zyklotronresonanzheizung. Nachdem das IPFbereits die Mikrowellenheizung am Stella-rator WENDELSTEIN 7-AS aufgebaut hatte,liefert es nun die wesentlichen Strahlführungs-komponenten der Mikrowellenheizung fürWENDELSTEIN 7-X, deren Gesamtaufbau

Kooperationen des IPP

Zusammenarbeit mitHochschulen

Mitarbeiter des Institutfür Plasmaforschung

der UniversitätStuttgart bei der Entwicklung der

Übertragungsleitungenfür die Mikrowellen-

Heizung vonWENDELSTEIN 7-X.

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Technischen Universität München ein Rah-menvertrag über die Zusammenarbeit auf demGebiet der Materialwissenschaften abgeschlos-sen. Die Arbeiten über „Niedertemperatur-plasmen für die Oberflächenmodifizierung undSchichtherstellung“ werden von den IPP-Bereichen Technologie und Oberflächenphysikkoordiniert.

Der Lehrstuhl für Feststoff- und Grenz-flächenverfahrenstechnik der TechnischenUniversität München untersucht zusammenmit dem IPP-Bereich Materialforschung Plas-mabelastungen von Materialien für zukünf-tige Plasmagefäßstrukturen und -wände.

Am Lehrstuhl E15 des Physik-Depart-ments der Technischen Universität Münchenwerden seit 1999 Wandmaterialproben vonJET und ASDEX Upgrade im Tandem-beschleuniger analysiert. Mittels einer hoch-empfindlichen Nachweismethode für Spuren-elemente werden die Tiefenprofile von einge-lagerten Wasserstoffisotopen gemessen.

Mit dem Zentrum für Mathematik derTechnischen Universität München wurdengemeinsame Forschungsarbeiten zur mathe-matischen Modellierung von Hochfrequenz-röhren, sogenannten Gyrotrons, vereinbart.

Der Leiter des Lehrstuhls für Experi-mentelle Plasmaphysik an der UniversitätAugsburg wurde 1994 in einem gemein-samen Verfahren der Max-Planck-Gesell-schaft und der Universität Augsburg sowohlals Wissenschaftliches Mitglied an das IPP alsauch auf den Lehrstuhl an die UniversitätAugsburg berufen. Die Zusammenarbeit be-trifft vor allem die Physik der Plasma-Randschicht und die Plasmaspektroskopie,also die Analyse der Fusionsplasmen mitHilfe des charakteristischen Lichts, das diePlasmateilchen aussenden. Weiterhin erstelltder Lehrstuhl gemeinsam mit dem Büro fürEnergie- und Systemstudien des IPP Studienzur zukünftigen Energieversorgung.

In einem Kooperationsvertrag zwischendem IPP und der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald auf dem Gebiet derfusionsorientierten Plasmaphysik wurde diegemeinsame Berufung von drei Professorenauf C4-Lehrstühle der Universität Greifswaldund als Wissenschaftliche Mitglieder des IPPvereinbart. Ihre Lehraufgaben erfüllen dieLehrstuhlinhaber im Fachbereich Physik derUniversität, ihre Forschungsaufgaben im IPP-Teilinstitut Greifswald.

Im Mai 2000 wurde in Greifswald dieInternational Max Planck Research School„Bounded Plasmas“gegründet. Das interna-tionale Forschungs- und Lehrzentrum für

Plasmatechnologie und Fusionsforschungwurde von der Ernst-Moritz-Arndt-Univer-sität und dem IPP-Teilinstitut Greifswaldgemeinsam aufgebaut. Einbezogen sind auchdas Institut für Niedertemperatur-Plasma-physik in Greifswald und die UniversitätRostock. Der interdisziplinäre Forschungsan-satz der International Research School, dieseit dem Wintersemester 2000 läuft, umfasstsowohl die Plasmaphysik und Fusionsfor-schung als auch die Grenzflächenforschungund Computer-Physik.

In einem Rahmenvertrag zwischen derMax-Planck-Gesellschaft und dem LandBerlin wurde 1996 an der Humboldt-Uni-versität in Berlin die Einrichtung einesSchwerpunktes Plasmaphysik vereinbart. DerLeiter des Berliner IPP-Bereichs Plasmadiag-nostik wurde in einem gemeinsamen Beru-fungsverfahren als Wissenschaftliches Mitglieddes IPP und als Professor für Plasmaphysik andie Humboldt-Universität berufen. SeineLehrverpflichtungen nimmt er im FachbereichExperimentalphysik wahr.

In Zusammenarbeit mit dem IPP untersuchtdas Institut für Experimentelle undAngewandte Physik der Universität KielPlasmaturbulenzen an der Torsatron-AnlageTJ-K, eine Leihgabe des spanischen Fusions-forschungsinstituts CIEMAT. Zudem werdenin Kiel Daten des IPP-Stellarators WENDEL-STEIN 7-AS zur Untersuchung internerTransportbarrieren ausgewertet und gemein-same Workshops organisiert.

Mit der Technischen FachhochschuleWildau arbeitet das IPP auf dem Gebiet derPlasmadiagnostik zusammen: Entwickelt wirdein thermischer Heliumstrahl zur Bestimmungder Elektronendichte und -temperatur sowieeine aktive Laserdiagnostik. Hinzu kommenmaterialkundliche und metallografische Unter-suchungen.

Die Zusammenarbeit mit der Fakultät fürIngenieurwissenschaftender UniversitätRostock verfolgt zwei Ziele: Im Auftrag desIPP erstellen die Rostocker Ingenieure eineMachbarkeitsstudie zur Energieversorgung inEuropa bis 2100 unter Einbeziehung neuerEnergiequellen wie Kernfusion, Brennstoff-zellen, Wind- und Sonnenenergie. Außerdemuntersuchen sie die mögliche Rückwirkungdes Betriebs von WENDELSTEIN 7-X aufdas vorgelagerte Energieversorgungsnetz.

Über diese vertraglich geregelten Zusam-menarbeiten hinaus pflegt das IPP zahlreichewissenschaftliche Kontakte mit vielen ande-ren deutschen Universitäten.

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Das IPP arbeitet nicht nur mit vielendeutschen Hochschulen, sondern auch

mit zahlreichen europäischen und außereu-ropäischen Instituten zusammen. Die euro-päische Kooperation geschieht im Rahmenvon Assoziationsverträgen mit der Europäi-schen Atomgemeinschaft Euratom.Gemeinsam betreiben die europäischenAssoziationen in Culham/Großbritannien daseuropäische FusionsexperimentJET (JointEuropean Torus). Dies geschieht seit demJahr 2000 in einer neuen Organisationsformim Rahmen des European Fusion Develop-ment Agreement (EFDA); seither ist JETkein selbständiges Gemeinschaftsprojekt derEuropäischen Fusionslaboratorien mehr. DasVorbereiten, Ausführen und Auswerten derExperimente übernehmen nun zeitweise vonden Assoziationen abgeordnete Wissenschaft-ler und Techniker. Für den technischenBetrieb ist das britische Fusionslabor inCulham zuständig, das die Forschungsanlagesamt der zugehörigen Messgeräte und Plas-maheizung betriebsbereit zur Verfügungstellt. So kann das leistungsfähige JET-Experiment über das vorgesehene Betriebs-ende im Jahr 1999 hinaus zur Vorbereitungvon ITER genutzt werden. Das IPP, das be-reits vor der Organisationsänderung durchEntwicklung, Bau und Betrieb verschiedenerPlasmadiagnostiken sowie die Entsendungvon wissenschaftlich-technischem Personalmaßgeblich an JET beteiligt war, ist auchnach dem Jahr 2000 ein Hauptteilnehmer desJET-Programms. Zahlreiche IPP-Physikerhaben seither zu Experimenten an JET beige-tragen, die alle wichtigen plasmaphysikali-schen Themen abdecken. Da JET vor allemder ITER-Vorbereitung dienen soll, ist derexperimentelle Vergleich mit dem GarchingerASDEX Upgrade - neben JET der einzigeITER-ähnliche Tokamak in Europa - besondersfruchtbar.

Unter der Schirmherrschaft der Internatio-nalen Atomenergieorganisation (IAEO) inWien wurden 1988 gemeinsame Arbeiten dervier Fusionsprogramme in Europa, den Ver-einigten Staaten von Amerika, Japan und derSowjetunion für einen Internationalen Experi-mentalreaktor ITER vereinbart (siehe Seite52). Von 1988 bis 1990 arbeitete dieeuropäisch-japanisch-amerikanisch-russischeITER-Studiengruppe im IPP in Garching alsGastlabor am Entwurf des Testreaktors. In deranschließenden detaillierten Planungsphasevon Juli 1992 bis Juli 1998 war das gemein-same Team an drei Fusionszentrenbeschäftigt: in San Diego in den USA alsIntegrationszentrum, Naka in Japan undGarching als europäischer Standort. Mit demim Juni 1998 vorgelegten Abschlussberichtlagen erstmals detaillierte Baupläne für einenexperimentellen Fusionsreaktor vor - dasgebündelte physikalische und technologischeWissen der weltweiten Fusionsforschung.Obwohl damit aus wissenschaftlich-techni-scher Sicht aller Beteiligten eine ausreichendeGrundlage für den Bau der Anlage vorlag unddie Kosten von 13 Milliarden Mark im zuvorgenehmigten Finanzrahmen blieben, konnteman dennoch - angesichts der Finanz-schwierigkeiten in den Partnerländern - nichtzu einer Bauentscheidung kommen. 1998zogen sich die USA - zumindest vorüberge-hend - aus dem Projekt zurück, beteiligtensich aber noch bis Mitte 1999 an den ITER-Technologieprojekten. Die verbleibendenPartner beschlossen, den ITER-Entwurf kos-tensparend zu überarbeiten. Die Planungsphasewurde daher um drei Jahre verlängert undzugleich mit Vorverhandlungen für den ge-meinsamen Bau von ITER begonnen. Im Juli2001 wurden die Pläne für ITER-FEAT (FusionEnergy Amplifier Tokamak) vorgelegt. Unge-fähr zehn Jahre nach der Baugenehmigungkönnte ITER das erste Plasma erzeugen.

Neben dieser Kooperation bei Großprojektenhat das IPP eine Reihe von bilateralen Zusam-

InternationaleZusammenarbeit

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menarbeitsverträgen abgeschlossen: In der 1982 von IPP und Forschungs-

zentrum Karlsruhe (FZK) gegründeten„Entwicklungsgemeinschaft Kernfusion“, der2000 auch das Forschungszentrum Jülich(FZJ) beigetreten ist, werden die Forschungs-programme der Institute aufeinander abge-stimmt und arbeitsteilig Plasmaphysik (IPP,FZJ) und Fusionstechnologie (FZK) unter-sucht. Die drei Institute sind zudem im„Programm Kernfusion“ der Helmholtz-Gemeinschaft organisiert.

Ein gemeinsam betriebenes „Centre forInterdisciplinary Plasma Science“ (CIPS)hat das IPP mit dem Garchinger Max-Planck-Institut für extraterrestrischePhysik im Jahr 2000 gegründet. Ziel deszunächst auf fünf Jahre befristeten Zusam-menschlusses ist es, die in verschiedenenArbeitsgruppen vorhandenen Kenntnisse,Techniken und Laborausrüstungen zu bün-deln. Rund 40 Mitarbeiter aus den beidenbenachbarten Instituten stimmen ihre Arbeitauf den Gebieten „Komplexe Plasmen“,„Theoretische Plasmaphysik“ und „Kom-plexe Systeme“ miteinander ab.

Mit dem Commissariat a l´EnergieAtomique (CEA) in Grenoble und Saclayist der Test der Magnetspulen von WENDEL-STEIN 7-X vereinbart. Das Institut der CEAin Cadaracheentwickelt gemeinsam mit demIPP Komponenten für einen Neutralteilchen-Injektor mit negativen Ionen für ITER.Untersuchungen zum Stromtrieb mit Elek-tronen-Zyklotronwellen sowie die damit er-reichbare Kontrolle von magnetohydrody-namischen Instabilitäten umfasst ein Zusam-menarbeitsvertrag mit dem Culham Labora-tory in Abingdon , Großbritannien. Gemein-sam mit dem Centre de Recherches enPhysique des Plasmas in LausannewerdenComputerprogramme zur Berechnung vonPlasmagleichgewichten entwickelt. DasUniversity College Cork in Irland beteiligtsich an der Entwicklung der Feedback-Steuerung und Plasmadiagnostik für ASDEXUpgrade und WENDELSTEIN 7-AS. DasIPP leistet technische Unterstützung für dieInstallation des Stellarators TJ-II am Centrode Investigación Energetica Medio-Ambiental Tecnologíca (CIEMAT) inMadrid . Außerdem hat CIEMAT dem IPPdas Torsatron TJ-K als Leihgabe überlassen,das an der Universität Kiel für plasma-physikalische Untersuchungen sowie zurNachwuchsausbildung verwendet wird. DerZusammenarbeitsvertrag mit dem Kernfor-schungszentrum Democritos in Griechen-

land sieht den Bau eines Langmuir-Sondensystems für ASDEX Upgrade vor. Mitdem portugiesischen Instituto SuperiorTécnico (IST) in Lissabonist die Lieferungund der Einbau eines reflektometrischenDiagnostiksystems für ASDEX Upgrade ver-einbart sowie die Entwicklung eines Datener-fassungssystems für WENDELSTEIN 7-X.Die Kooperation mit der Königlich-Tech-nischen Hochschule Stockholm inSchweden sieht die Entwicklung einerNeutronendiagnostik für WENDELSTEIN 7-X vor. Plasmaturbulenzen in Stellaratorensind Gegenstand eines Vertrags mit demInstitut Risø in Roskilde, Dänemark. Die

University of Technology Helsinki und dasTechnical Research Center of Finlandstellen Berechnungen zum Ionentransport inASDEX Upgrade an. Der Kooperations-vertrag mit dem Instituto di Fisica delPlasma, Mailand, sieht die Entwicklung vonphysikalischen Modellen für den transientenTeilchentransport vor. Dabei werden Datender Experimente ASDEX Upgrade und RTPvergleichend analysiert. Das Consorzio diRicerca per l´Energia e le ApplicazioniTecnologiche dell´Elettromagnetismo inReggio Calabria beteiligt sich an derEntwicklung eines neuronalen Netzwerks zurDateninterpretation an ASDEX Upgrade.Thema des Zusammenarbeitsvertrages mitdem National Institute for Laser andRadiation Physics, Bukarest, ist dieInterpretation und die Kontrolle von helikalenStörungen in Tokamaks. Das Institut fürTheoretische Physik an der TechnischenUniversität Graz leistet Beiträge zur kineti-schen Theorie der Heizung und desTransports in toroidalen Magnetfeldern. Mitdem Max-Planck-Institut für Quanten-optik in Garching sind seit 1986 Grundlagen-untersuchungen von Plasmen hoher Dichtevereinbart. Eine ähnliche Vereinbarung be-

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steht seit 1999 mit der Gesellschaft fürSchwerionenforschungin Darmstadt.

Mit dem Institut für Angewandte Physik(IAP) in Nizhny Novgorod, Russland,bestehteine enge Zusammenarbeit auf dem Gebietder Elektronenzyklotron-Resonanzheizung,in die auch das Kurchatov-Institut inMoskau einbezogen ist. Die vom IAP gebau-ten Hochfrequenzröhren werden an denExperimenten ASDEX Upgrade und WEN-DELSTEIN 7-AS zur Plasmaheizung undzum Stromtrieb eingesetzt. Weitere gemein-same Studienarbeiten betreffen die kinetischeStabilitätsanalyse von Verteilungsfunktionen.Das Kurchatov-Institut beteiligt sich an derTheorieentwicklung für optimierte Stellara-toren. Das Joffe-Institut in St. Petersburgbaut Neutralteilchen-Analysatoren für AS-DEX Upgrade und die WENDELSTEIN-Stellaratoren. Mit der Technischen Staats-Universität St. Petersburgwurden gemein-same Arbeiten zur Weiterentwicklung des B2-Codes und numerische Modellierungen derPelletinjektion vereinbart. Das Physikalisch-Technische Institut in Charkow, Ukraine,untersucht neutrale Alkali-Strahlen fürASDEX Upgrade. Den Rahmen für die meisten Kooperationenmit den Instituten in Russland und der Ukraineliefert das bilaterale Abkommen zur Wissen-schaftlich-Technischen-Zusammenarbeit.

Intensiven wissenschaftlichen Austauschunterstützt eine Vereinbarung zur Zusammen-arbeit mit den USA und Süd-Korea bei derErforschung von Tokamaks mit poloidalemDivertor hauptsächlich in den Experimenten

ASDEX Upgrade, Doublet III-D (San Diego),ALCATOR-CMOD (MIT) und KSTAR (Süd-Korea), die unter der Schirmherrschaft derInternationalen Energie-Agentur (IEA) inParis geschlossen wurde. Ebenso besteht eineVereinbarung mit den USA, Japan,Australien, Russland und derUkraine aufdem Gebiet der Stellarator-Entwicklung. ImRahmen der sozio-ökonomischen IPP-Studien zur Fusion erstellt das Institute forManagement in Ahmedabad, Indien, einLangzeit-Energieszenario für Indien unterEinbeziehung der Fusion.

Der Bau eines künftigen Fusionskraft-werks kann nur gemeinsam mit der

Industrie verwirklicht werden. Deshalb ist eserforderlich, bei Konstruktion und Betrieb derFusionsexperimente Industriebetriebe imRahmen der öffentlichen Auftragsvergabe soeinzubinden, dass ihnen die Erarbeitung desbesonderen, über den derzeitigen Stand derTechnik hinausgehenden Know-hows ermög-licht wird. Ein effizienter Weg, die im IPPgewonnenen Kenntnisse in die industrielleAnwendung zu übertragen, ist nach bisheri-gen Erfahrungen die Vergabe von Studien-,Entwicklungs- und Fertigungsaufträgen, zumBeispiel von Prototypen.

Das Auftragsvolumen des IPP in Garchingund Greifswald liegt in der Größenordnungvon derzeit 50 Millionen Euro pro Jahr fürInvestitionen. Dies betrifft vor allem dieGebiete der Magnetfeldtechnik, Kryotechnik,Vakuumtechnik, Hoch- und Höchstfrequenz-technik, Heizsysteme, Mess- und Steuerungs-technik, Hochtemperatur- und Hochlastwerk-stoffe sowie Datenverarbeitung. Der wechsel-seitige Informationsaustausch während derAuftragsabwicklung geht über den konkretenVertragsgegenstand meist weit hinaus undgibt befruchtende Impulse für die weitereZusammenarbeit.

Das IPP findet seine Vertragspartner unterBerücksichtigung der öffentlichen Vergabe-richtlinien in Firmen jeder Größe. Aufträge,deren Ausführung eine aufwändige Infra-struktur voraussetzen - wie hochbelastetegroße Stahlstrukturen, hochgenaue Stromver-sorgungen, Hochfrequenzsender oder Laser-systeme - gehen meist an größere Firmen. Bei

Zusammenarbeitmit der Industrie

Der geplantesupraleitende

Tokamak KSTAR,Süd-Korea.

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Aufträgen aus dem Gebiet der Elektronik,Datenerfassung und kleinerer Spezialgerätesind dagegen oftmals flexible kleine und mitt-lere Unternehmen im Vorteil. Hier verbleibendie Aufträge häufig in der Region, währendgroße Komponenten eher bei internationalenUnternehmen beschafft werden.

Das IPP fördert den qualifizierten wis-senschaftlichen Nachwuchs angefangen

mit Werkstudentenplätzen und Praktika fürStudierende nach dem Vordiplom über dieVergabe und Betreuung von Diplom- undDoktorarbeiten bis hin zum Angebot einesumfassenden Graduiertenstudiums mit Semina-ren, Kolloquien und Studienaufenthalten imAusland sowie der Unterstützung bei derHabilitation.

Die Diplomanden und Doktoranden beteili-gen sich im IPP an interdisziplinärer Team-arbeit und werden in Kooperationen aufnationaler, europäischer und internationalerEbene einbezogen. Sie arbeiten in verschiede-nen Forschungsbereichen mit; innerhalb jederGruppe werden sie von einem Mentor betreut,der auch Kontakte zu auswärtigen Institutenvermittelt. Intensive Betreuung und zeitlicheStraffung der Diplom- oder Doktorarbeitgehen damit einher. Neben regelmäßigenSeminaren und Kolloquien wird die Teil-nahme an nationalen und internationalenTagungen gefördert. Hinzu kommt diejährliche, 1986 ins Leben gerufene europäi-sche „Summer University for PlasmaPhysics“. Am Teilinstitut Greifswald wurde2000 die „International Max Planck ResearchSchool Bounded Plasmas“ eingerichtet, die inZusammenarbeit des IPP mit der UniversitätGreifswald ein integriertes Promotionsstu-dium mit zusätzlichen Vorlesungen und Semi-naren anbietet.

Die Doktorandenstellen im IPP haben einemaximale Laufzeit von drei Jahren und wer-den in Höhe einer halben BAT 2a-Stellevergütet. Zusätzlich kann dies ab 2001 durcheine Zulage auf eine Zweidrittel-BAT 2a-Stelle erhöht werden. Die durchschnittlichePromotionsdauer beträgt zur Zeit etwa 40Monate. Das IPP beschäftigt derzeit 48Doktoranden bei einem Frauenanteil vonetwa 20 Prozent.

Die Kooperation mit Universitäten hat sichauf nun 14 Partneruniversitäten ausgeweitet,von denen etwa ein Drittel außerhalbDeutschlands liegen. Mit etwa zwölfabgeschlossenen Promotionen pro Jahr bildetdas IPP knapp ein Prozent aller bundes-deutschen Graduierten in Physik aus.

Nach der Promotion bietet das Institut demqualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchsan, als Postdoktorand für drei Jahre amForschungsprogramm des IPP mitzuarbeiten.Insgesamt wurde die Zahl der Postdoc-Positionen in den letzten Jahren auf etwa 50nahezu verdoppelt. Bei der Besetzung vonDauerstellen haben IPP-Postdocs wegen ihrerspeziellen Erfahrungen günstige Chancen.

Nachwuchsförderung

Oben: InternationalMax Planck ResearchSchool „BoundedPlasmas“ in Greifswald Links: Teilnehmer der„Summer University forPlasma Physics 2001“im IPP in Garching.

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WissenschaftlicheInfrastruktur

Das Rechenzentrum Garching ist einegemeinsame Einrichtung der Max-

Planck-Gesellschaft und des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik mit Sitz inGarching. Während die theoretischen Grup-pen der Max-Planck-Gesellschaft vor alleman den hier installierten Hochleistungsrech-nern interessiert sind, werden die größerenExperimente der Garchinger Max-Planck-Institute mit ihrem hohen Datenaufkommenvor allem durch die Bereitstellung von Archiv-speichern versorgt. Diese Anforderungenspiegeln sich in der Konfiguration des Rechen-zentrums wider, das seit Jahrzehnten automa-tische Bandroboter und Supercomputer be-treibt. Für die effiziente Nutzung der Super-computer wird komplexe Anwendungsunter-stützung angeboten.

Neben dem 1996 installierten Hochleis-tungsparallelrechner Cray T3E mit 816Prozessoren nach dem Endausbau 1998 wirdein schneller Vektorrechner NEC SX-5 mitdrei Prozessoren betrieben. In Nachfolge des

CRAY T3E / 816104 GB memory

STORAGETEKSILO

EMASS/GRAULIBRARY

8xTimberline

PC-,SAP-,WWW-,DB-, AFS-Server

SGIOrigin 2000

Archiv-Server

IBM SP

600 TB

320 TB

Vektorsystem NEC-SX5/3C

800 Mbit/sHiPPI

Münchner Hochschulnetz(Universitäten,

Max-Planck-Institute)

(G-WiN, Internet)

CiscoFoundry(Switch)

155 Mb

FDDI

FD

DI

1000 Mb

Xylan

10/100Ethernet

SAP-,DB-,AFS-Server

Campusnetz (neu)(ca. 100 IP-Subnetze)

IBM Regatta

Öffentlich zugängliche Server

DeutschesWissenschaftsnetz

1000 Mb

Campusnetz (alt)

Das RechenzentrumGarching

Cray T3E-Systems begann Ende 2001 dieInstallation eines IBM-Rechensystems, dasbis Ende 2002 auf das neue Hochleistungs-system mit einer Peakleistung von 3,8Teraflops pro Sekunde und 1,8 TeraByteHauptspeicher aufgerüstet werden wird.

Das Archivsystem besteht aus Robotersys-temen der Firmen STK und Grau/Adig. DieGesamtkapazität der Systeme liegt bei rundeinem PetaByte. Neben der Datenarchivie-rung für die Großexperimente WENDEL-STEIN 7-AS und ASDEX Upgrade im IPPwerden Satellitendaten des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik gespei-chert, Supercomputer-Simulationsdaten so-wie Daten von weiteren bundesweit verteiltenMax-Planck-Instituten.

Bei der Vernetzung der Computersystemedes Rechenzentrums dominiert die Netz-werktechnik Gigabit-Ethernet. Damit ist derDatenaustausch mit einer theoretischenGeschwindigkeit von etwa 125 MillionenZeichen - zum Beispiel Buchstaben - proSekunde möglich. Mit dieser Technik werdenim zentralen Bereich alle Hochleistungs-server, also AFS-, ADSM-, NT- und Internet-Server, verbunden, um mit maximaler Ge-

Rechner- undNetzkonfiguration des

RechenzentrumsGarching

Gra

fik: A

nton

Hac

kl

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schwindigkeit von allen Benutzern erreichbarzu sein. Als aktive Koppelelemente kommensogenannte „Switches“ zum Einsatz, die dieDaten blockierungsfrei vermitteln. Damit sichdie verschiedenen Betriebssysteme - Unix,WindowsNT, u.s.w. - untereinander verstehenund die Daten richtig interpretieren können,werden Kommunikationsprotokolle als eineArt „Computer-Esperanto“ eingesetzt. ImRechenzentrum und im IPP handelt es sichdabei fast ausschließlich um die Protokoll-familie TCP/IP, die auch im Internet verwen-det wird.

Für die Forschungsabteilungen des IPP mitihrer Vielzahl von Personal Computern,Workstations und Netzwerkgeräten ist eineNetzstruktur mit Einteilung in kleinere selb-ständige Einheiten eingerichtet, sogenannteSubnetze, die auf die unterschiedlichen An-forderungen abgestimmt sind. Basis ist einKabelnetz, das jedes Endgerät direkt mit derpassenden Netzwerktechnik über ein Glas-faser- oder Kupferkabel an einen Switch an-schließt. Diese Bereichs-Switches sind mit-tels Glasfaser und Gigabit-Ethernet mit dem

zentralen Switch im Rechenzentrum verbun-den und bilden so ein Hochgeschwindig-keitsrückgrat. Die externe Anbindung desInstituts zur Kommunikation mit anderenMax-Planck-Instituten und internationalenPartnern geschieht über das Internet mit demDeutschen Wissenschaftsnetz DFN alsProvider. Die Anschlussgeschwindigkeit übereinen Cisco-Router liegt bei 155 Megabitspro Sekunde.

Die Datenverarbeitungsgruppe des Rechen-zentrums Garching unterstützt die Groß-experimente des IPP bei der Datenerfassung,-archivierung und -verarbeitung. Zur Zeitentwickelt sie das Datenerfassungssystem fürden Stellarator WENDELSTEIN 7-X, der imTeilinstitut Greifswald aufgebaut wird. DasSystem muss die gesamte Menge der amExperiment von den Plasmadiagnostikengewonnenen Daten aufnehmen und archi-vieren. Angesichts der in WENDELSTEIN 7-X geplanten Plasmaentladungen von rund 30Minuten Dauer ist die erzeugte Datenmengesehr groß, so dass neuartige Verfahren für dieDatenerfassung entwickelt werden müssen.

Zentrale Technische Einrichtungen

Zur Unterstützung der wissenschaftlichenBereiche beim Entwurf, Aufbau und

Betrieb der Experimente und ihrer zahlrei-chen Diagnostiken sind in den ZentralenTechnischen Einrichtungen (ZTE) an den bei-den Standorten Garching und Greifswaldetwa 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterzusammengefasst. Sie erbringen technischeDienstleistungen von der Entwicklung überdie betriebliche Versorgung bis zur handwerk-lichen Ausführung. Hinzu kommen rund 30Auszubildende in den gewerblichen Fachrich-tungen Feinmechanik und Energieelektronik.Die Fachkräfte der ZTE konzentrieren sichauf Aufgaben, die von der Industrie nicht inder für die Forschung benötigten Weiseerbracht werden können, sei es, weil die Wegezu lang, die Verständigung zu aufwändig oderdie Termine zu kurzfristig sind. Dabei wirdversucht, die Arbeit zwischen den Gruppenam Experiment, den ZTE und der Industrieoptimal aufzuteilen. Alle von den Projektenund wissenschaftlichen Bereichen bei denZTE in Auftrag gegebenen Leistungen wer-den abgerechnet.

In den „Technischen Diensten Greifs-wald“ sind zur Zeit etwa 50 Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter beschäftigt. Die Abteilung istaus der Gruppe Standortentwicklung her-vorgegangen, die im Jahr 2000 mit der Über-gabe der Institutsgebäude an das IPP in dieZTE eingegliedert wurde. Die TechnischenDienste mit den Abteilungen Maschinenbau,Elektrotechnik, Elektronik und Haustechniksind personell noch im Aufbau begriffen.Dabei sind die Betreuung der Liegenschaftund die Stromversorgung bereits vollständig

Hochspannungsschalt-feld der Gleichstrom-anlage für die Zusatz-heizung in Greifswald,konstruiert im IPP.

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WENDELSTEIN 7-X, außerdemfür ASDEX Upgrade, die Ionen-und Elektronen-Zyklotronheizungsowie ITER. Wegen der zur Zeitgroßen Nachfrage nach Konstruk-tionsleistungen sind externe Inge-nieurbüros in die Arbeiten einge-bunden. Schwerpunkte der Be-rechnungen sind Belastungen derStützstruktur und des Plasmage-fäßes von WENDELSTEIN 7-X.Für ITER werden Gefäßabstützungund thermische Belastung von Di-vertor und erster Wand im Detailuntersucht. Die Abteilung „Elektronikentwick-lung“ mit den Gruppen Mess-,Steuer- und Regeltechnik sowieLeistungselektronik und Hoch-

spannungstechnik erarbeitet Lösungen für dieGroßexperimente WENDELSTEIN 7-AS,WENDELSTEIN 7-X und ASDEX Upgrade.Durch die langjährige Erfahrung und dielaufenden Kontakte zu den Mitarbeitern anden Experimenten können die Aufgaben mitinterdisziplinärem Sachverstand bearbeitetwerden. Zu den Aufgaben der Gruppe Mess-,Steuer- und Regeltechnik gehört die analogeund digitale Signalverarbeitung und Regel-technik, Messverstärker, komplexe program-mierbare Logik sowie die meist hardware-nahe Softwareentwicklung in Assembler, C,LabView und Pascal. Die Gruppe Leistungs-elektronik betreut und entwickelt Hoch-spannungsmodulatoren als Schalt-, Schutz-und Regeleinrichtungen für die Plasmazu-satzheizungen. Dazu sind Kenntnisse auf denGebieten der Leistungselektronik, Elektronen-röhren, der optoelektronischen Signalwand-lung, der Steuerungstechnik sowie der analo-gen und digitalen Regelungstechnik vorhan-

arbeitsfähig; die umfangreiche Versorgungmit Hochspannungsgleichstrom wird geradeaufgebaut. Auch die Ausbildung mit jährlichdrei Feinmechanikern hat begonnen. DieWerkstätten sind inzwischen technisch kom-plett ausgerüstet; Laboratorien für Vakuum-technik, Kunststofftechnik und Reinigungsind im Aufbau. Für die Experimente WEGAund VINETA, die vor allem der Physiker-ausbildung und der plasmaphysikalischenGrundlagenforschung dienen, wurden viel-fältige Arbeiten von der Montage über dieStromversorgung und Kühlung bis zur Dia-gnostikausrüstung ausgeführt. Ebenso wur-den erste Arbeiten für WENDELSTEIN 7-Xausgeführt oder bei der Industrie betreut. DieVorbereitungen für die Montage der Modulevon WENDELSTEIN 7-X haben begonnen.

Die Zentralen Technischen Einrichtun-gen in Garching bestehen aus sechs Abtei-lungen: Zwei sorgen für den Betrieb derLiegenschaft und die Stromversorgung derExperimente, drei Abteilungen befassen sichmit Entwicklungsaufgaben; in der größtenAbteilung werden elektrische und mechani-sche Geräte und Bauteile gefertigt.

In der Abteilung „Konstruktion und Berech-nung“ arbeiten zur Zeit zehn Konstrukteure,drei Berechnungsingenieure und drei Inge-nieure für die Betreuung der CAD-Hard- undSoftware. Das Programm CADDS5 dientdem interaktiven dreidimensionalen CAD-Entwurf und ist eine Voraussetzung zumBeispiel für die Konstruktion von Stellarator-experimenten. Zur Berechnung thermome-chanisch hochbelasteter Baugruppen werdendie Programme PATRAN, ADINA, ANSYSund MARC benutzt. Die Abteilung arbeitetderzeit überwiegend für den Stellarator

Verformungsrechnungfür die Magnetspulen

von WENDELSTEIN 7-X,berechnet in den

Konstruktionsbürosder ZTE.

Die Lehrwerkstatt im IPP-TeilinstitutGreifswald.

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den. Die Abteilung betreut und berät die Experi-mentgruppen zudem im Bereich Hochspan-nungstechnik und Hochspannungsmess-technik und entwickelt bzw. testet schnelleSchutzeinrichtungen und Leistungsverstärker.Bei den hohen Schaltleistungen im Mega-wattbereich mit steilen Anstiegsflanken ist esdabei eine besondere Herausforderung für dieEntwickler, die gewünschte Funktion zuerfüllen und die elektromagnetische Verträg-lichkeit zu garantieren.

Die Abteilung „Materialtechnologie“ bietetDienste auf den Gebieten funktionelleOberflächen, Chemie und Oberflächen-analytik sowie Vakuumtechnik an. Zuersteren gehören neben der Galvanotechnikmit Reinigung für vakuumtechnische Zweckeauch die physikalische und chemischeBeschichtung. Auftraggeber sind die experi-mentellen Gruppen für Diagnostik, Plasma-gefäß-Auskleidung und Plasmaheizung mitihren Hochfrequenz-Anwendungen. Die Sub-stratfertigung mit den unterschiedlichstenMaterialien für Laser-Blow-Off-Experimenteund die Belegung von Graphitziegeln mitMetallen für die Plasmagefäßwand sindwichtige technologische Angebote an dieExperimente. Hierzu dient auch ein umfang-reiches Instrumentarium an spektroskopi-schen Analysegeräten. Ein Schwerpunkt derVakuumtechnik sind ultrahochvakuumgerechteFügearbeiten zum Beispiel mit Mikroplas-maschweißen oder Schutzgaslötung sowie dieAusgasung von Materialien. Ferner werdenein Vakuumpumpenservice und Leckprü-fungen angeboten. Letzteres ist auch Teil derQualitätssicherung in der mechanischenFertigung. Zur Abteilung gehört außerdemdie Kunststofftechnik; zudem ist sie an derSondermüllentsorgung des IPP beteiligt.

Ein Großteil der ZTE-Mitarbeiter arbeitetin der Abteilung „Mechanische und elek-trische Fertigung“. Hierzu gehören dreimechanische Werkstätten, eine Schreinerei,eine Elektro- und eine Elektronikwerkstatt,die Arbeitsvorbereitung, die Lager und diegewerbliche Ausbildung mit derzeit sechsAusbildungsplätzen pro Jahr für Energie-elektroniker. Die Werkstätten übernehmenvorzugsweise solche Aufgaben, die engenKontakt mit den Experimentatoren vorausset-zen und die laufenden Arbeiten flexibel undunkompliziert unterstützen. Die Arbeitsvor-bereitung koordiniert komplexe mechanischeFertigungsaufträge und bezieht dabei Ge-werbe und Industrie mit ein. Die Werkstättensind mit einer breiten Palette von Maschinenund Geräten vorzugsweise für Einzelteil-

fertigung ausgestattet, unter anderem miteiner numerisch gesteuerten Messmaschine,einer Hochdruck-Wasserstrahlschneidanlagesowie mit EDV-vernetzten Maschinen für dieAnfertigung von Platinen und Frästeilen.

Die „Betriebliche Versorgung“ fasst alleingenieurtechnischen und handwerklichenLeistungen für Planung, Betrieb und Unter-halt der technischen Gebäudeausrüstungzusammen: allgemeine Stromversorgung aufMittel- und Niederspannungsebene, Kühlwas-ser, Heizung und Lüftung, Trinkwasser,Aufzüge, Krane und Gebäudeautomationsowie die Dokumentation aller Sparten miteinem geographischen Dokumentations-

system. Die Abteilung besteht aus vierIngenieuren und zwei Werkstätten fürHeizungs-, Lüftungs- und Sanitärtechnik bzw.Elektrotechnik. Zu ihren Aufgaben gehörtauch die Energiewirtschaft für Wärme undStrom mit Abrechnung der Verbraucher. Indie Wartung teilen sich die Werkstätten undFachfirmen.

Die Abteilung „Experimentelle Stromver-sorgung“ ist speziell für die Stromversorgungder Experimente zuständig und besteht ausdrei Gruppen. Die Generator-Gruppe küm-mert sich um drei Schwungradgeneratorenmit einer Gesamtleistung von 531 Megawattund einer verfügbaren Energie von 2,6Gigajoule. Die pulsförmige Energie wird andie Gleichrichter-Gruppe mit Stromrichter-

Montage derHochspannungsdurch-führung für dieGleichstromversorgungim IPP-TeilinstitutGreifswald.

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anlagen von insgesamt 485 Megawatt zurVersorgung der Magnetspulen der Experi-mente und an die Gruppe Hochspannungs-gleichstromanlagen zur Versorgung der ver-schiedenen Plasma-Heizsysteme weitergelei-tet. Eine Blindstromkompensation bis zu 120Megawatt für einen der Generatoren erhöhtdie verfügbare Wirkleistung. Studien zurParallelschaltung von zwei Generatorensollen prüfen, unter welchen Umständen derexperimentelle Leistungs- und Energiebedarfoptimiert werden kann. Alle Erweiterungendienen der mittelfristigen Sicherung des wis-senschaftlichen Programms von ASDEXUpgrade.

Bücher, die aus dem Bestand von Max vonLaue übernommen wurden, bildeten den

Grundstock der IPP-Bibliothek. In Garchingumfasst die Bibliothek heute rund 100.000Monographien und Berichte sowie knapp 400Zeitschriftenabonnements. Davon sind etwa40.000 Bände in der Zentralbibliothek alsPräsenzbestand aufgestellt, abgeschlosseneältere Zeitschriftenjahrgänge werden in einemMagazin aufbewahrt. Entleihbare Doppel-

exemplare sowie bereichsspezifischeLiteratur stehen in fünf Bereichs-bibliotheken zur Verfügung. Im IPP-Teilinstitut Greifswald befindet sichdie Bibliothek noch im Aufbau mitzur Zeit rund 5000 Monographienund 50 laufenden Zeitschriften.Der Bestand ist durch das Biblio-thekssystem LIBERO erschlossen,der Katalog über World Wide Webabrufbar. Auf der Webseite derBibliothek im Internet unter derAdresse www.ipp.mpg.de/de/kon-

takt/bibliothek.html sind die jeweils aktuellenDatenbanken, Online-Zeitschriften und son-stige Informationsquellen aufgelistet.

Neben dem Kauf neuer Literatur zu Physik,Mathematik und Informatik ist die Beschaf-fung weiterer Informationen weltweit Schwer-punkt der Bibliotheksarbeit. In den ver-schiedenen Online-Katalogen wird nachbenötigten Unterlagen gesucht, um sie denWissenschaftlern im IPP möglichst schnellzur Verfügung zu stellen. Die enge Zusam-menarbeit mit anderen Max-Planck-Institutensowie den Bibliotheksvertretern der Helm-holtz-Gemeinschaft führt zu einem ständigenErfahrungsaustausch über die neuesten Ent-wicklungen im Bibliothekswesen, wie zumBeispiel den Stand der Verhandlungen mitVerlagen zum Online-Volltext-Zugriff vonZeitschriften oder eines gemeinsamen Zeit-schriftenverzeichnisses der Max-Planck-Ge-sellschaft.

Die Bibliothek übernimmt zudem die for-male Abwicklung der Veröffentlichungen desInstituts. So werden Manuskripte an die ge-wünschten Zeitschriften weitergeleitet, benö-tigte Sonderdrucke bestellt und an For-schungseinrichtungen in aller Welt ver-schickt. In einer Reprint-Datenbank werdendie Veröffentlichungen erfasst und bei derZusammenstellung der Literaturlisten für denIPP-Jahresbericht und das Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft genutzt.

Bibliothek

Elektronikwerkstatt:Unter dem Mikroskopwird ein SMD-Bauteil

(Surface mounteddevice) auf einePlatine gelötet.

Die IPP-Bibliothek in Garching

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Anhang

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Rechts- undPatentabteilungDie Rechts- und Patentabteilung betreut dieGremien und Organe des Instituts und ent-wirft und verhandelt Verträge, zum BeispielKooperationsverträge mit deutschen undeuropäischen Universitäten und Forschungs-einrichtungen. Des weiteren verwaltet sie diegewerblichen Schutzrechte des IPP und unter-sucht sie auf ihre Verwertbarkeit. In den letz-ten zehn Jahren wurden insgesamt etwa 1000in- und ausländische Patente betreut. DieSchutzrechte und das Know-how werden inZusammenarbeit mit der zur Max-Planck-Gesellschaft gehörenden Firma GarchingInnovation GmbH verwertet. Seit 1990 be-standen jährlich etwa zehn Lizenzverträgeüber Schutzrechte und technisches Know-how des IPP.

Verwaltung undAllgemeine Dienste

Finanzabteilung

Im Jahre 2001 stand ein Haushaltsvolumenvon 145,2 Millionen Euro zur Verfügung. DieAusgaben setzten sich verglichen mit den

Vorjahren wie folgt zusammen:

Zum Jahreswechsel 2001/2002 beschäftigtedas Max-Planck-Institut für Plasmaphysik

1066 Mitarbeiter. Das Planstellen-Soll betrug916,77 Stellen einschließlich 16 Annex-Stellen,die dem Institut zur Unterstützung seiner inter-nationalen Verpflichtungen außerhalb desStellenplans genehmigt wurden. Ein Wissenschaftler wurde zum EFDA-Teamabgeordnet; 13 Mitarbeiter wurden zur zusätz-lichen Unterstützung des Teams beschäftigt.Vier Mitarbeiter unterstützten das ITER-Team sowie 19 Zusatzkräfte, die außerhalbdes Stellenplans beschäftigt waren.

Personalabteilung

Ist 1999 Ist 2000 Ist 2001Mio Euro Mio Euro Mio Euro

Personalausgaben 48,4 48,5 49,8Sachausgaben 21,9 23,4 32,6Beteiligung am JET-Projekt 1,9 2,2 2,4durchlaufende Mittelfür fremde Forschungs- undEntwicklungsarbeiten 0,6 0,8 0,8Betriebsausgaben 72,8 74,9 85,6

laufende Investitionen 16,2 16,5 19,9Investitionen nach Ausbau-programm 51,8 42,5 39,8Investitionsausgaben 68,0 59,0 59,7

Gesamtausgaben 140,8 133,9 145,3

Die Finanzierung wurde wie folgtvorgenommen:

Eigene Erträge 16,2 17,4 16,6EURATOM-Zuschüsse für IPP 26,1 20,1 41,0EURATOM-Zuschüsse für fremde Forschungs- undEntwicklungsarbeiten 0,6 0,8 0,8Zuschuss Bund 74,6 78,6 73,6Zuschuss Bayern 4,7 4,3 4,3Zuschuss Berlin 0,4 0,4 0,4Zuschuss Mecklenburg-Vorpommern 18,2 12,3 8,5

Gesamteinnahmen 140,8 133,9 145,2

Bauabteilung

Die Bauabteilung ist für die Planung undAusführung aller Neu- und Umbauten, fürErweiterungsmaßnahmen und den Bauunter-halt im IPP sowie seinem Greifswalder Teil-institut verantwortlich. Zudem wird der Bau-unterhalt der Nachbarinstitute in Garching -Max-Planck-Institut für extraterrestrischePhysik, Max-Planck-Institut für Astrophysikund European Southern Observatory - sowiedes IPP-Bereichs in Berlin betreut.

2001 betrug das Durchschnittsalter der wis-senschaftlichen Mitarbeiter auf Planstellen47,46 Jahre. Bezieht man die außerhalb desStellenplanes mit Dreijahresverträgen ange-stellten Nachwuchs-Wissenschaftler mit ein,so ergibt sich ein Durchschnittsalter von45,38 Jahren.

Einnahmen-Ausgaben-rechnung für die

Jahre 1999 bis 2001

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Beschaffungsabteilung

Die Beschaffungsabteilung vergibt im Jahretwa 10.000 Aufträge mit einem Gesamtauf-tragswert von rund 50 Millionen Euro.

Sozialabteilung

Die Sozialabteilung des IPP ist für dieInstitutswohnungen, die Reinigung, das Ver-sicherungswesen, die Kantine, die Postorga-nisation, Familienheimdarlehen sowie für dieFahrbereitschaft zuständig.

Wissenschaftlereinschl. Gastforscher 285Technisches Personal 480Direktorium und Betriebsrat 41Allgemeine Dienste 21Verwaltung 78Summe 905

Auszubildende und Praktikanten 41Doktoranden und Diplomanden, Werkstudenten 69Zeithilfen 19Zusatzpersonal EFDA/ITER 32Summe sonstiges Personal 161

Gesamtpersonal 1066

Revision

Neben routinemäßigen Prüfungen stellte dieInnenrevision verschiedene Ordnungsmäßig-keits- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungenan, die alle ohne schwerwiegende Beanstan-dungen blieben.

ControllingDie Abteilung Controlling beschäftigt sich mitder Einführung eines Budgetierungssystemsund richtet darauf aufbauend eine unabhängigeSoll-Ist-Überwachung der Projektkosten ein.

Stabsstellen derGeschäftsführung

Organisation

Neben allgemeinen Organisationsaufgabenist in der Abteilung die Datenverarbei-

tungsorganisation der Verwaltung angesiedelt.Darunter fällt die hard- und softwaremäßigeBetreuung der rund 100 Personal Computerinnerhalb der Verwaltung sowie die Weiter-entwicklung der eingesetzten SAP-Module unddie Betreuung der rund 120 SAP-Benutzer. Seitdem Jahr 2000 ist SAP R/3 mit den ModulenFI, FI-AA, FI-TV, CO und MM im Einsatz.

Das Wissenschaftlich-Technische Büro alsStabsabteilung des Wissenschaftlichen

Direktors umfasst neben Abteilungen der zen-tralen wissenschaftlichen Infrastruktur wieSicherheit, Öffentlichkeitsarbeit und Bibliothek(siehe Seite 92) auch eine Arbeitsgruppe, diesich mit allgemeinen Fragen der Energie-versorgung und Energieforschung beschäftigt.

Wissenschaftlich-Technisches Büro

Wesentliche Aufgaben sind zudem die Projekt-planung und -kontrolle sowie die Vorbereitungder Sitzungen von Wissenschaftlicher Leitungund Direktorium. Auch für die Pflege derKontakte mit nationalen und europäischenEntscheidungsträgern - unter anderem durchein Verbindungsbüro in Brüssel - ist dieAbteilung zuständig.

Personalstand zum Jahreswechsel 01/2002

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Forschungsplanung undProjektüberwachung

In jährlichen Programmbesprechungen erläu-tern die Projekte und Arbeitsgruppen den

Stand und die Ergebnisse ihrer Arbeiten undstellen die weitere Planung vor. Auf dieserGrundlage werden der jährliche Personal-einsatz und Mittelaufwand ermittelt sowie diemittelfristige Institutsplanung erarbeitet, diemit Euratom sowie den Fusionsforschungs-zentren der Helmholtz-Gemeinschaft abge-stimmt werden.

Büro für Energie- undSystemstudien Das Büro für Energie- und Systemstudienanalysiert die langfristige Entwicklung vonEnergiesystemen und deren Auswirkungenauf Mensch, Gesellschaft und Umwelt. Dabeiist die Untersuchung der Kernfusion, die eineder Säulen der zukünftigen Energiever-sorgung werden könnte, von besondererBedeutung (siehe Seite 34). Die Arbeiten sindin nationale und internationale Kooperationeneingebettet; eine enge Zusammenarbeit beste-ht insbesondere mit der Universität Augsburg.

SicherheitDie Abteilung „Zentrale Sicherheit“ über-nimmt für die drei Institutsteile in Garching,Greifswald und Berlin die Fürsorge- undKoordinierungsaufgaben bezüglich Arbeits-sicherheit, Strahlenschutz, Laserschutz, Ge-fahrstoffumgang und Sondermüllentsorgung,Gefahrguttransport, Brandschutz und Objekt-sicherung. Sie ist damit für alle Sicherheits-angelegenheiten zuständig, die zentral wahr-genommen werden müssen und nicht an diein den Institutsbereichen für Sicherheitund Strahlenschutz zuständigen Personendelegiert werden können.

Darüber hinaus unterstützt die Abtei-lung die nach dem Gesetz verant-wortlichen Vorgesetzten und Strah-lenschutzbeauftragten bei ihren Auf-gaben und nimmt bei der adminis-trativen und technischen Be-treuung der wissenschaftlichenBereiche sicherheitsorganisato-rische Aufgaben wahr.

Die 1994 gegründete Betriebsorganisation„Sicherheit und Umweltschutz“ des IPPnimmt entsprechend einer gesetzlichenVorgabe Umweltschutzaufgaben wahr. Dazugehören die Sondermüllentsorgung, Gefahr-guttransporte sowie der Schutz von Luft undGewässern. Diese Aufgaben sind auf dieAbteilung „Zentrale Sicherheit“ (Sondermüll-entsorgung und Gefahrguttransporte) und die„Zentralen Technischen Einrichtungen“(Immissions- und Gewässerschutz) aufgeteilt.

Presse- und Öffentlichkeits-arbeitEin für die Gesellschaft bedeutsames Themawie die Gestaltungsmöglichkeiten für diekünftige Energieversorgung sollte Gegen-stand öffentlicher Diskussion sein. DieAbteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeitinformiert daher kontinuierlich über Aufga-ben und Ziele der Fusionsforschung sowieüber die Arbeiten im Max-Planck-Institut fürPlasmaphysik an den drei Standorten Gar-ching, Greifswald und Berlin. Dazu gehörtzum einen der stete Kontakt zu Presse, Funkund Fernsehen. Zum anderen bietet dieAbteilung unterschiedliche Informations-schriften zur Fusionsforschung an, einenNewsletter zur Energieforschung, einen Info-und Frageservice im Internet, Institutsfüh-rungen für Schüler, Studenten und die allge-meine Öffentlichkeit, Vorträge vor unter-schiedlichsten Auditorien, Tage der offenenTür, Ausstellungen, Messepräsentationen undweitere Veranstaltungen, in denen der Kon-takt und Meinungsaustausch mit der Öffent-lichkeit gesucht wird. Die Journalistenbetreuung geschieht durchAuskünfte, die Vermittlung von Hintergrund-gesprächen, Pressekonferenzen, Interviews

Der Newsletter„Energie-Perspektiven“

richtet sich an alle amThema „Energie“

Interessierte.

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und Informationstexte. Mit etwa einerPressemitteilung monatlich informiert dieAbteilung über aktuelle Themen und Ent-wicklungen, was sich in den Jahren 2000 und2001 in einem Presseecho von jeweils rund450 Artikeln über Kernfusion niederschlugmit einer Gesamtauflage der berichtendenZeitungen und Zeitschriften von 10 bis 20Millionen.

Zur Unterstützung fundierter Berichter-stattung bietet das einwöchige „IPP-Prakti-kum für Wissenschaftsjournalisten“ Journa-listen die Gelegenheit, die Forschungspraxis„von innen“ kennenzulernen. Das Praktikumfand erstmals 1995 statt und wird seitherjährlich angeboten.

Schnell verfügbare Informationen, einenFrageservice sowie weiterführende Links zuden Fusionslaboratorien in aller Welt bietenunter der Adresse www.ipp.mpg.de die Inter-netseiten des IPP. Architektur und grafischerAuftritt wurden 2001 neu konzipiert und derInhalt stark erweitert.

Um die Bedeutung der Energieforschungim Allgemeinen zu unterstreichen und dieFusion in energiewirtschaftlichen Kontext zustellen, gibt die Abteilung den Newsletter„Energieperspektiven - Forschung für dieEnergieversorgung von morgen“ heraus. DasInformationsblatt, das 2002 im drittenJahrgang erscheint, richtet sich an alle amThema „Energie“ Interessierte und soll aufknappe und allgemeinverständliche Weiseüber aktuelle Entwicklungen berichten undHintergrundinformationen bereitstellen. Nebender Druckfassung erscheint der Newsletterebenso im Internet unter der Adressewww.energie-perspektiven.de, wo weiterfüh-rende Artikel zu den gedruckten Kurzbeiträgenzu finden sind.

Für die interne Kommunikation sorgen dieHauszeitschrift „Impulse“, die Mitarbeiter-broschüre „Wer, Was, Wo“ sowie das Intranet.

Unter den von der Abteilung organisiertenVeranstaltungen ragte im Jahr 2000 diemehrfache Beteiligung des IPP an derWeltausstellung EXPO 2000 heraus: Zumeinen präsentierte sich das Institut von Junibis Oktober auf dem EXPO-Gelände inHannover im Themenpark mit seinen thema-tisch orientierten Einzelausstellungen. Inzwei dieser Ausstellungen - „Wissen“ und„Energie“ - war das IPP vertreten. Zum The-ma Energie wurde gemeinsam mit demschweizerischen Fusionslaboratorium CRPPeine dreidimensionale Computeranimationgeboten - ein virtueller Flug durch den geplan-ten Testreaktor ITER. Wie eine Fusionsanlage

im Original aussieht, veranschaulichte denBesuchern ein Plasmagefäß-Teil von ASDEXUpgrade. Zum Thema „Wissen“ beteiligtesich das IPP an dem „Wissenschaftstunnel“der Max-Planck-Gesellschaft: Ein bunterReigen von Bilder und Filmen aus den Max-Planck-Instituten auf eine 170 Meter langeTunnelwand projiziert, erläuterte die The-menvielfalt in der Max-Planck-Gesellschaft.Ein paar Schritte weiter traf man im „GlobalHouse“ erneut auf das IPP: Als eines von 25„Weltweiten Projekten“ der EXPO 2000, dieaus den mehr als 280 in ganz Deutschlandverteilten Präsentationen ausgewählt wurden,präsentiert sich hier das Projekt „VisionFusion“ des IPP-Teilinstituts Greifswald.

Mit dem Projekt „Vision Fusion“ bestrittdas IPP eines der insgesamt zehn weltweitenEXPO-Projekte in Mecklenburg-Vorpommern.Der Kultusminister des Landes, ProfessorKauffold, sowie der Greifswalder Oberbür-germeister von der Wense eröffneten das Pro-jekt am 5. Juni: Unter dem Motto „Ein For-schungsinstitut entsteht - schauen Sie zu“erwartete die Besucher im IPP-TeilinstitutGreifswald eine Ausstellung zur Fusions-forschung - eine erweiterte Fassung dereuropäischen Wanderausstellung „FusionExpo“ - mit Schautafeln, Videos, Originaltei-len und Experimenten sowie Führungendurch Technikhallen und Werkstätten. Dazugehörte auch ein Modell von WENDEL-STEIN 7-X in Originalgröße mit vollen 15Meter Durchmesser, das mit Unterstützungder Auszubildenden des BiG-Bildungs-

Der Themenpark aufdem EXPO-Gelände inHannover. In der Aus-stellung zum Thema„Energie“ war das IPPmit einem Originalteilder FusionsanlageASDEX Upgradevertreten.

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zentrums in Greifswald in der Experimen-tierhalle aufgebaut worden war. Insgesamthaben während der Weltausstellung mehr als8000 Personen - bis zu zehn Besuchergruppenpro Tag - das Angebot genutzt. Zu Gästen ausder Region kamen in den SommermonatenUrlauber aus ganz Deutschland, aber auchBesucher aus Armenien, Finnland, Italien,Kanada, den Niederlanden, Norwegen, Polen,Russland, Schweden, der Ukraine und denUSA.

Partner des IPP in der Arbeitsgruppe„Vision Fusion“ war der ITER-Förder-verband/Region Greifswald. Gemeinsam ver-anstaltete die Arbeitsgruppe im IPP-Teil-institut Greifswald im Juli die wissenschafts-historische Konferenz „Das Feuer desPrometheus - Energie gestern, heute und mor-gen“. Die Bedeutung der Energiefrage wurdedurch eine Darstellung der Energieversorgungvon der Antike bis in die Gegenwart undZukunft in weitem Bogen historisch umrissen.

In das gleiche Jahr fiel die Festveran-staltung anlässlich des Umzugs in die neuen,nach dreijähriger Bauzeit termin- und budget-gerecht fertiggestellten Gebäude des Greifs-walder Teilinstituts. Am 7. Juli wurden sie inAnwesenheit von Bundeskanzler GerhardSchröder, Ministerpräsident Dr. Harald Rings-torff sowie zahlreicher weiterer Ehrengästefeierlich eröffnet.

Hauptsächlich an ein Industrie-Publikumgerichtet, präsentierte das IPP im November2000 seine Forschungsarbeiten im POSCO-Zentrum in Seoul/Südkorea im Rahmen derEuropäischen Wanderausstellung „FusionEXPO“. Anschließend wurde die Ausstellungfür zehn Tage im Korean Basic ScienceInstitute in Taejon gezeigt, wo die großeFusionsanlage KSTAR aufgebaut wird. ImGegensatz hierzu vor allem für Schüler kon-zipiert war die Abenteuer-Ausstellung„Lebendige Wissenschaft“ der Helmholtz-Gemeinschaft im Deutschen MuseumMünchen im November 2000, auf der das IPPdie Fusionsforschung mit einem „Plasma zumAnfassen“ präsentierte sowie anhand einesModells der Forschungsanlage ASDEXUpgrade. Mit mehreren Vorträgen beteiligtesich das IPP zudem an der Reihe „Quarks,Quanten, Quasare“, die im Jahr 2000 von denMünchner Max-Planck-Instituten und derUniversität München anlässlich des „Jahresder Physik“ veranstaltet wurde.

„Wissenschaft live!“ bot im März 2001 der„Tag der Offenen Tür“ im IPP in Garching imRahmen eines bayernweiten „High-Tech-Tages“ gemeinsam mit den Instituten auf demGarchinger Forschungsgelände. Auf demGemeinschaftsstand „Neue Energien“ desLandes Mecklenburg-Vorpommern präsen-tierte sich das IPP-Teilinstitut Greifswald imApril 2001 auf der Hannover Messe. Mit

einem Modell des StellaratorsWENDELSTEIN 7-AS, betreutund erläutert von Mitarbeitern desStuttgarter Instituts für Plasma-forschung, beteiligte sich das IPPim Juli am Klimatag 2001 derUniversität Stuttgart. Zum „Wis-senschaftssommer Berlin 2001“trug das IPP mit der Präsentationder Europäischen Wanderausstel-lung „Fusionsforschung - DieEnergie der Sterne“ bei. Sie wur-de eine Woche lang im DeutschenTechnikmuseum in Berlin gezeigtund zog dann für weitere dreiWochen um in die Urania. Anläss-lich der Berliner „Langen Nacht

Eröffnung der neuenGebäude des IPP-

Teilinstituts Greifswald(von links):

Bundesforschungs-ministerin Edelgard

Bulmahn, MPG-Präsident Hubert

Markl, BundeskanzlerGerhard Schröder und

MinisterpräsidentHarald Ringstorff.

„Erforscht die Welt derWellen“, ein Physik-

projekt für Kinder, hierim IPP-Teilinstitut

Greifswald

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der Wissenschaften“, an der zahlreicheForschungseinrichtungen teilnahmen, öffneteauch der Berliner IPP-Bereich am 15. Sep-tember seine Türen und präsentierte seineForschungsarbeit. Bis zwei Uhr nachts konnteman rund 750 Besucher begrüßen. Schließ-lich beteiligte sich das IPP an einer Ausstel-lung für die 3000 Besucher des 18. Welt-energiekongresses im argentinischen BuenosAires, der alle drei Jahre Entscheidungsträgeraus Wirtschaft, Forschung und Politik zusam-menführt, um über Stand und Zukunft derEnergieversorgung zu diskutieren.

Das IPP-Jubiläum „Energie für die Zukunft- 10 Jahre ASDEX Upgrade, 20 Jahre Stella-ratorprinzip, 30 Jahre MPI, 40 Jahre IPP“feierte das IPP in Anwesenheit des Bay-erischen Ministerpräsidenten Dr. EdmundStoiber sowie zahlreicher weiterer Ehren-gäste.

Die Vernissage „Kunst am Bau“ im Juli2000 im Teilinstitut Greifswald, auf der Kunst-studenten der Universität Greifswald ihreArbeiten und Entwürfe für das GreifswalderInstitutsgebäude präsentierten, bildete denAuftakt für mittlerweile fest etablierte Kunst-ausstellungen: Zahlreiche Institutsmitarbeiterund Bürger der Stadt besuchten im Mai 2001die Ausstellung „Auf dem Wege sein - elfKünstler aus Mecklenburg-Vorpommern“,besahen im August in der Ausstellung„Triaxialkontakt“ Malereien, Objektinstal-lationen und Multimediales des GreifswalderKünstlers Christian Altvater und durchstreif-ten im September „Interplanetare Räume“ vonHans-Albert Walter.

Spezielle Angebote hält das IPP für Schülerbereit: Hierzu gehört das Physikprojekt„Erforscht die Welt der Wellen“, mit dem sichdie Abteilung Öffentlichkeitsarbeit im Juli2001 an der Aktion „Mädchen machen Tech-nik“ der Technischen Universität Münchenbeteiligte. Die zehn- bis zwölfjährigen Schü-lerinnen stellten Dosentelefone her, leereBierflaschen wurden zu Blasinstrumentenund Weingläser wurden auf ihre Klangfähig-keit geprüft. Mit Mikrofon und Oszillographwurden die Töne sichtbar gemacht. Hinzukamen Lichtversuche mit verschiedenenLinsen, Lampen, Beugungsgittern und Pris-men sowie Experimente mit dem Licht- undRasterelektronenmikroskop. Im gleichenRahmen bot das IPP im August 2001 dieVeranstaltung „Die eigene Seite im Internetgestalten“ an. An etwas ältere, 17- bis 19-jährige Jugendliche richtete sich das Schüler-praktikum „Umwelt und Energie“ derUniversität Augsburg im Frühjahr 2001. Hier

stellte das IPP Gerätschaften und Betreuungfür das Thema „Energieeffizienz“.

An Schüler, Auszubildende und Studentenrichtete sich auch die Präsentation des IPP-Teilinstituts Greifswald auf dem „Berufsstar-tertag“, einer Ausbildungsmesse für Schulab-gänger in Greifswald im Januar 2001, dasBildungsprogramm „Zukunft & Energie“ inder Jugendherberge Greifswald, die Präsen-tation des Teilinstituts auf der Messe „Ausbil-dung und Arbeit in Vorpommern“ im Sep-tember 2001 sowie ein Informationsstand aufder Veranstaltung „Arbeit und Ausbildung inMecklenburg-Vorpommern“ in einem Greifs-walder Einkaufszentrum. Für die alljährlichvon sämtlichen Greifswalder Schulen ausge-

tragene Mathematikolympiade stiftete dasTeilinstitut einen Preis und beteiligt sich ander Betreuung. Die Zeugnisausgabe derVerbundenen Haupt- und Realschule „MaxPlanck“ im Juni 2001 fand im IPP-TeilinstitutGreifswald statt.

Zahlreiche Besucher, Gruppen von Stu-denten, Schülern, interessierten Bürgern ebensowie Einzelbesucher aus Politik, Wirtschaft undWissenschaft aus dem In- und Ausland nutztendie Gelegenheit, durch einen Besuch im IPPEinblick in die Fusionsforschung zu gewinnen- im Jahr 2001 rund 2000 Personen in Garchingund 5300 im Teilinstitut Greifswald.

Die IPP-Präsentationauf der Abenteuer-Ausstellung„Lebendige Wissen-schaft“ der Helmholtz-Gemeinschaft imDeutschen MuseumMünchen imNovember 2000.

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Das Institut für Plasmaphysik (IPP) wurde1960 als gemeinnützige Gesellschaft mit

beschränkter Haftung gegründet. Gesell-schafter waren die Max-Planck-Gesellschaftund Professor Werner Heisenberg. Ab 1971wurde das IPP als Max-Planck-Institut fürPlasmaphysik fortgeführt. Durch einen Asso-ziationsvertrag mit Euratom von 1961 wurdedas Institut in das Europäische Fusions-programm integriert. Hauptsitz des Instituts istGarching bei München. 1992 wurde das IPPum eine Außenstelle in Berlin erweitert, 1994wurde das Teilinstitut Greifswald gegründet.

Das Institut ist zur Zeit in zwölf wis-senschaftliche Bereiche aufgegliedert: In denGarchinger Bereichen Experimentelle Plas-maphysik 1, 2und 3 werden die ExperimenteASDEX Upgrade bzw. WENDELSTEIN 7-AS betrieben. Der Bereich ExperimentellePlasmaphysik 4bearbeitet die Randschicht-physik des Plasmas und hat dazu über-greifende Diagnostikaufgaben übernommen.Der BereichMaterialforschung entwickeltund untersucht Materialien für plasmabelas-tete Komponenten. Der Bereich Oberflä-chenphysik betreibt vorwiegend experimen-telle Arbeiten zur Plasma-Wand-Wechsel-wirkung. Für die Plasmaheizung an denExperimenten verantwortlich ist der BereichTechnologie. Der Bereich Tokamakphysikbefasst sich mit der theoretischen Unterstüt-zung der Tokamak-Aktivitäten des IPP. ImTeilinstitut Greifswald betreut der BereichWENDELSTEIN 7-X Aufbau die Errich-tung des Stellarators WENDELSTEIN 7-X.Der Bereich Experimentelle Plasmaphysik 5beschäftigt sich mit der Plasmarandphysikund Magnetohydrodynamik für WENDEL-STEIN 7-X; der Bereich Stellaratortheoriebearbeitet theoretische Fragen des Stella-rators. Der BereichPlasmadiagnostik inBerlin beschäftigt sich vornehmlich mit derVerunreinigungsproblematik sowie der Physikder Plasma-Randschicht und ist an der Vorbe-reitung von WENDELSTEIN 7-X beteiligt.

Trägerorganisation des IPP ist die Max-Planck-Gesellschaft. Sie erläßt die Instituts-satzung, beruft die Wissenschaftlichen Mit-glieder des Instituts, überprüft die satzungs-

gemäß zu erstattenden Berichte und wirkt imKuratorium mit.

Finanzierungsträger des Instituts sind(Prozentanteile jeweils bezogen auf denGesamthaushalt des IPP):

- die Bundesrepublik Deutschland, die 2001 rund 57,2 Prozent der Ausgaben finanzierte,

- der Freistaat Bayern, der sich mit 3,3 Prozent beteiligte,

- das Land Berlin mit 0,3 Prozent,- das Land Mecklenburg-Vorpommern

mit 6,6 Prozent- die Europäische Union (EURATOM)

mit 32,5 Prozent.

Das Kuratorium hat eine unterstützendeund allgemeine Aufsichts- und Entschei-dungsfunktion. Es berät mit dem Direktoriumund der Wissenschaftlichen Leitung das wis-senschaftliche Programm und die sich darausergebenden Folgen für den Haushaltsplan.Nach Abschluss der Haushaltsverhandlungenmit den Finanzierungsträgern stellt dasKuratorium den Haushaltsplan fest und trittinsoweit an die Stelle des Senats der Max-Planck-Gesellschaft. Mitglieder des Kuratori-ums sind im Jahr 2002:Prof. Dr. Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, (Vorsitzender); Minis-terialdirigent Hermann Fischer, Ministeriumfür Bildung, Wissenschaft und Kultur desLandes Mecklenburg-Vorpommern; Dr.-Ing.Peter Grassmann, Sprecher des VorstandesCarl Zeiss; Prof. Dr. Herwig Schopper, CERN,Genf; Ministerialdirektor Dr. HermannSchunck, Bundesministerium für Bildungund Forschung; Ministerialdirektor Dr. Wolf-gang Quint, Bayerisches Staatsministeriumfür Wissenschaft und Kunst; Prof. Dr. ClausWeyrich, Leiter der Zentralabteilung fürForschung und Entwicklung, Siemens AG;Prof. Dr. Wolfgang Wild, Staatsminister a.D.,(Ehrenkurator).

Ein Fachbeirat berät das Institut in allenwissenschaftlichen Fragen. Er erstattet demPräsidenten der Max-Planck-Gesellschaft jähr-lich einen Bericht über die wissenschaftliche

Organisatorischer Aufbau des IPP

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Arbeit des Instituts, den es zugleich dem Kura-torium und der Wissenschaftlichen Leitung desInstituts zuleitet. Mitglieder sind im Jahr 2002:Prof. Dr. Ronald Parker (Vorsitzender), Plas-ma Science and Fusion Center, Massachu-setts Institute of Technology, Cambridge, USA;Dr. Carlos Alejaldre Losilla, Centro deInvestigaciones Energéticas Medioambientalesy Technológicas, Madrid, Spanien; Dr. HenrikBindslev, Optics and Fluid Dynamics Depart-ment, Risø National Laboratory, Roskilde,Dänemark; Prof. Dr. James F. Drake, Institutefor Plasma Research, University of Maryland,USA; Prof. Dr. Albrecht Goldmann, Fachbe-reich Physik, Universität Kassel; Dr. KaiGraßie, Forschungslaboratorien PhilipsGmbH, Aachen; Prof. Dr. Rudolf Gross,Physik-Department, Technische UniversitätMünchen; Prof. Dr. Jürgen Meichsner, Institutfür Physik, Universität Greifswald; Dr. JérômePaméla, Culham Science Centre, Abingdon,Großbritannien; Dr. Masahiro Seki,Depart-ment of Fusion Engineering Research, JapanAtomic Energy Research Institute, Naka,Japan; Prof. Dr. Karl Heinz Spatschek, Institutfür Theoretische Physik, Universität Düssel-dorf; Dr. Ronald D. Stambaugh, DIII-DProgram, General Atomics, San Diego, USA;Prof. Dr.-Ing. Erich Tenkhoff, Erlangen.

Die Wissenschaftliche Leitung des IPP,die aus den ständig im Institut tätigenWissenschaftlichen Mitgliedern mit Leitungs-funktion besteht, stellt das Forschungs-programm auf und beschließt den Zeit-,Personal- und Finanzrahmen der Forschungs-aufgaben, die Organisationsstruktur des wis-senschaftlichen Bereiches, die Beauftragungvon Wissenschaftlern mit Leitungsaufgabenund im Zusammenwirken mit dem Direk-torium die Anstellung, Eingruppierung undEntlassung des wissenschaftlichen Personals.Ihr gehören 2002 an:Prof. Dr. Alexander M. Bradshaw, (Vorsitzen-der und Wissenschaftlicher Direktor), Prof.Dr. Kurt Behringer, Prof. Dr. Dr. Harald Bolt,Prof. Dr. Dr. h.c. Volker Dose (stellvertreten-der Vorsitzender), Prof. Dr. Gerd Fußmann,Prof. Dr. Sibylle Günter, Prof. Dr. MichaelKaufmann, Prof. Dr. Thomas Klinger, Prof.Dr. Jürgen Küppers, Prof. Dr. Karl Lackner(beurlaubt), Prof. Dr. Jürgen Nührenberg, Prof.Dr. Friedrich Wagner, Prof. Dr. Rolf Wilhelm,Prof. Dr. Hartmut Zohm.Emeritierte Wissenschaftliche Mitglieder sind:Dr. Gerhard von Gierke, Dr. Günter Grieger, Prof. Dr. Friedrich Hertweck, Prof. Dr. DieterPfirsch, Prof. Dr. Klaus Pinkau, Prof. Dr.Arnulf Schlüter.

Auswärtige Wissenschaftliche Mitglieder sind:Prof. Dr. Allen H. Boozer, Prof. Dr. FolkerEngelmann, Prof. Dr. Rudolf Wienecke.Das Direktorium besorgt die laufenden Ge-schäfte, entscheidet über die Verwendung derHaushaltsmittel, überwacht und regelt den Ab-lauf der Forschungsarbeiten, beschließt überdie Anstellung, Eingruppierung und Entlassungdes Personals und vertritt das Institut nachinnen und außen. Ihm gehören 2002 an:Prof. Dr. Alexander M. Bradshaw (Vorsitzen-der), Prof. Dr. Michael Kaufmann, Prof. Dr.Friedrich Wagner, Dr.-Ing. Karl Tichmann.Der nach dem Assoziationsvertrag mitEURATOM gebildete Lenkungsausschuss,dem Vertreter der Kommission der Europä-ischen Union und des IPP angehören, legt dasgemeinsame Forschungsprogramm fest, leitetdessen Durchführung, überwacht die Arbeiten,beschließt über Aufbau und Zusammensetzungder Forschungsgruppen und entscheidet überEinzelausgaben ab 200.000,- Euro. Der Len-kungsausschuss setzt sich 2002 zusammen sei-tens der Kommission der Europäischen Unionin Brüssel:Dr. Umberto Finzi (Vorsitzender), Prof. Dr.Hardo Bruhns, Johannes Spoor;seitens des Instituts: Prof. Dr. Alexander M.Bradshaw, Prof. Dr. Michael Kaufmann, Prof.Dr. Friedrich Wagner, Dr.-Ing. Karl Tich-mann, Dr. jur. Michael Winkler.Der aus gewählten Vertretern der wissen-schaftlichen Mitarbeiter bestehende Wissen-schaftlerrat berät die WissenschaftlicheLeitung insbesondere in Fragen des wissen-schaftlichen Programms, bei Struktur- undPersonalfragen. Ihm gehören 2002 an:Dr. Albrecht Herrmann (Vorsitzender), Dr.Peter Franzen, Dr. Torsten Bräuer, Dr. JürgenGafert, Dr. Joachim Geiger, Dr. Ralf Kleiber,Dr. Michael Laux, Dr. Petra Nieckchen, Dr.Simon Pinches, Andreas Schott, Dr. Achimvon Keudell.Dem Betriebsrat gehören 2002 an:IPP Garching: Günter Hussong (Vorsitzen-der), Roswitha Hiebl, Dr. Reinhard Drube,Dr. Karl Ertl, Jochen Fink, Christine Graßy,Josef Hausmann, Angelika Hohaus, ManfredHunger, Kathrin Marx, Robert Semler,Reinhilde Weinfurtner, Wolfgang Weissbart.Teilinstitut Greifswald: Dr. Heinz Grote(Vorsitzender), Heike Schürmann, CorneliaCordes, Alf Hölting, Friedhelm Nankemann,Corina Posselt, Sybille Schirmacher, Horst-mar Schmidt, Detlef Wieseler. Bereich Plasmadiagnostik, Berlin:NilsRüter (Vorsitzender), Jürgen Sommer, Hans-Joachim Thalhofer.

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Organigramm desMax-Planck-Instituts

für Plasmaphysik(Stand: 7/2002)

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in Greifswald:

Mit dem Flugzeug:über Berlin: von Berlin-Tegelmit mit dem Jet-Express-Bus

zum Hauptbahnhof, mitdem Zug nach Greifswald

über Hamburg: vomFlughafen zum

Hauptbahnhof, mit dem Zugnach Greifswald.

Mit dem PKW:über Berlin, Neubrandenburg

nach Greifswald oder überHamburg, Lübeck, Stralsund

nach Greifswald, imStadtgebiet der

Beschilderung „Max-Planck-Institut“ folgen

Mit dem Bus:Ab Greifswald-Hauptbahnhofmit dem Bus Nr. 2 oder 3 bis

Haltestelle „Elisenpark“.

Wie erreichen Sie das IPP?

in Garching:

Mit dem PKW:auf der Autobahn

München-Nürnberg,Ausfahrt Garching-Nord.

Mit öffentlichenVerkehrsmitteln:

ab Hauptbahnhof mit derS-Bahn bis Marienplatz,

U-Bahn U6 bis Endstation„Garching-Forschungszentrum“

oder: ab Flugplatz S1 bis Neufahrn,

dann Bus 690 (nur wochentags) bis „Garching Forschungszentrum“.

U6

Nürnberg

AusfahrtGarching

Nord

Deggendorf

Garching

Garching-Forschungs-zentrum

Lindau

A99

Passau

A8

Garmisch

Stuttgart A8

Salzburg

A9

Flughafen München

S8

München

Neufahrn

S1

Bus 690

A99

A95

A99

A99

A92

A94

RichtungAnklam

Richtung Rostock

AusfahrtSchönwalde

GreifswaldZentrum

AusfahrtGreifswald

AusfahrtGützkow

RichtungNeubrandenburgBerlin

Greifswald

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Boltzmannstraße 2D-85748 Garching bei MünchenTelefon 0 89/32 99-01

Teilinstitut GreifswaldWendelsteinstraße 1D-17489 GreifswaldTelefon 0 38 34/88-10 00

[email protected]