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Hessisches Ministerium für Soziales und Integration Kinder in den ersten drei Lebensjahren: Was können sie, was brauchen sie? Eine Handreichung zum Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0-10 Jahren

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Hessisches Ministerium für Soziales und Integration

Kinder in den ersten drei Lebensjahren:Was können sie, was brauchen sie?Eine Handreichung zum Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0-10 Jahren

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Impressum

Herausgeber: Hessisches Ministerium für Soziales und IntegrationDostojewskistr. 465187 Wiesbaden Tel.:0611/817-0Fax.: 0611/809399E-Mail: [email protected]: www.hsm.hessen.de

Projektleitung und Gesamtverantwortung: Prof. Dr. Dr. Dr. Wassilios Fthenakis

Konzeption: Prof. Dr. Dr. Dr. Wassilios Fthenakis und Dr. Dagmar Berwanger

Autorinnen: Dr. Dagmar Berwanger, Anna Spindler, Katrin Reis

Redaktion: Heike Hofmann-Salzer, Angelika Ilchmann, Eva Reichert-Garschhammer, Angela Roth, Sabine Stahl, GudrunStrathe

Fachliche Beratung: Sandra Aschenbrenner, Hermann Dorenburg,Sabine Herrenbrück, Heike Hofmann-Salzer,Angelika Ilchmann, Waltraud Kirchmeier, Eva Klein,Daniela Kobelt Neuhaus, Marion Limbach-Perl,Catharina Perschmann, Christine Schaffer

Gestaltung: Muhr, Design und Werbung, Wiesbadenwww.muhr-partner.com

Fotos: AV 1 Kurt Gerwig, Fotolia, Istockphoto Muhr, Design+Werbung

Druck: Asterion Germany GmbH

Stand: Erstausgabe Dezember 2010

Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Hessischen Landesregierung heraus-gegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern während einesWahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-und Kommunalwahlen sowie Wahlen zum Europaparlament. Missbräuchlich ist besonders die Verteilungauf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oderAufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe anDritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darfdie Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierungzugunsten einzelner Gruppen verstanden werden könnte.

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VorwortSehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserin, lieber Leser,

Bildung von Anfang anHessen hat sich diesem Grundsatz der frühkindli-chen Förderung von Geburt an verpflichtet undbereits im Jahr 2003 die Entwicklung eines Bil -dungs- und Erziehungs planes initiiert, der die ge-samte Altersspanne der Kinder von 0 bis 10 Jahrenin den Blick nimmt. Ebenso konsequent hat diehessische Landes re gierung in den vergangenenJahren den Ausbau der Kindertagesbetreu ung fürKinder unter drei Jahren vorangetrieben. Mittler-weile steht in Hessen für nahezu jedes vierte Kindunter drei Jahren ein Platz in einer Kindertagesein -rich tung oder in Kindertagespflege zur Verfügung.

Auf dem Weg zu dem bundesgesetzlich veranker-ten Recht auf Bildung, Erziehung und Betreuungfür Kinder vom vollendeten 1. bis zum vollendeten3. Lebensjahr ab dem 1. August 2013 muss sichdie Bildungslandschaft für die jüngsten Kinder inden kommenden Jahren nicht nur quantitativ – son-dern auch qualitativ – erheblichen Heraus for -derungen stellen. Vor diesem Hintergrund hat dasLand Hessen das Staatsinstitut für Früh pädagogik(IFP) in München unter der Projektlei tung vonHerrn Prof. Dr. Dr. Dr. Wassilios E. Fthenakis mit derErarbeitung einer ergänzenden Handreichung

zum Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan fürdie Altersgruppe der unter Dreijährigen be auftragt.Dabei sollen die Grund sätze und Prinzi pien desPlans unter besonderer Berücksichtigung der Ent -wicklungsthemen und Grundbedürfnisse der Kinderunter drei in den Blick genommen werden.

Kinder in den ersten drei Lebensjahren: Was können sie, was brauchen sie?In keiner anderen Lebensphase verlaufen Bil-dungsprozesse so stürmisch und rasant wie in denersten Lebensjahren. Wenn wir diese Prozesseerfolgreich unterstützen wollen, müssen wir unseinlassen auf die Le bensfreude, die Neugierde,die Ausdauer und Ernsthaftigkeit sowie andereFähigkeiten, mit denen die Kleinsten von Anfangan ihre Ent wicklung und Bildung aktiv mitgestal-ten. Kinder dieser Altersgruppe brauchen feinfüh-lige Erwachsene, die das Kind mit seinen Kompe-tenzen in den Mittelpunkt ihres pädagogischenHandelns stellen. Um diesen Anspruch angemes-sen einlösen zu können, ist es notwendig, diePrinzipien frühkindlicher Lern- und Entwicklungs-prozesse zu kennen. Die vorliegende Handrei-chung bietet Ihnen hierbei fundierte Hilfestellungund Impulse zur Ko-Konstruktion frühkindlicherBildung an. Ich lade Sie herzlich ein zur Ausein -andersetzung mit dieser Bildungsphilosophie vonAnfang an!

Abschließend möchte ich allen Beteiligten, die mitihren Anregungen, Ideen und auch ihrer konstruk-tiven Kritik an der Erarbeitung dieser Hand rei-chung mitgewirkt haben, meinen herzlichen Dankaussprechen. Dem engagierten Projektteam beimIFP gilt dabei mein besonderer Dank.

Stefan GrüttnerHessischer Minister für Soziales und Integration

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Vorwort des Ministers ................................................................................1

Vorwort Prof. Dr. Dr. Dr. Wassilios E. Fthenakis ...................... 4

Einführung ........................................................................................................ 6

Warum diese Handreichung? ............................................................................... 6

An wen richtet sich die Handreichung?.............................................................. 7

Aufbau der Handreichung .................................................................................... 7

1. Bildung unter 3 im Sinne der Philosophie des Hessischen Bildungs- und Erziehungsplans ............................. 8

1.1 Alte Positionen überwinden – neue Erkenntnisse im Überblick .............. 9

1.2 Das „Bild vom Kind“ ..................................................................................... 11

1.3 Ein ko-konstruktives Bildungsverständnis ................................................ 13

2. Das Kind und seine Kompetenzen im Mittelpunkt ..... 16

2.1 Kinder stärken – Bindung und Beziehung als Voraussetzung................ 17

Bedeutung von Bindung und Beziehung unter der BEP-Lupe...................... 17

Entwicklungspsychologischer Hintergrund – Meilensteine der Entwicklung.................................................................................................... 18

Umsetzung in die pädagogische Praxis ............................................................ 20

2.2 Kinder in ihren emotionalen und sozialen Kompetenzen stärken ........ 23

Bedeutung der emotionalen und sozialen Kompetenzenunter der BEP-Lupe.............................................................................................. 23

Entwicklungspsychologischer Hintergrund – Meilensteine der Entwicklung.................................................................................................... 24

Umsetzung in die pädagogische Praxis ............................................................ 29

2.3 Kinder in ihren kommunikativen Kompetenzen stärken ........................ 33

Bedeutung von kommunikativen Kompetenzen unter der BEP-Lupe.......... 33Entwicklungspsychologischer Hintergrund – Meilensteineder Entwicklung.................................................................................................... 34

Umsetzung in die pädagogische Praxis ............................................................ 40

2 I N H A L T

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2.4 Kinder in ihren körperbezogenen Kompetenzen stärken ...................... 48Bedeutung von körperbezogenen Kompetenzen unter der BEP-Lupe ....... 48

Entwicklungspsychologischer Hintergrund – Meilensteine der Entwicklung.................................................................................................... 50

Umsetzung in die pädagogische Praxis ............................................................ 52

2.5 Kinder in ihren kognitiven und lernmethodischenKompetenzen stärken ......................................................................................... 60

Bedeutung der kognitiven und lernmethodischen Kompetenzenunter der BEP-Lupe.............................................................................................. 62

Entwicklungspsychologischer Hintergrund – Meilensteineder Entwicklung.................................................................................................... 63

Umsetzung in die pädagogische Praxis ........................................................... 66

2.6 Kinder in ihrem Selbstkonzept stärken...................................................... 70

Bedeutung des positiven Selbstkonzepts unter der BEP-Lupe ..................... 71

Entwicklungspsychologischer Hintergrund – Meilensteineder Entwicklung.................................................................................................... 73

Umsetzung in die pädagogische Praxis ............................................................ 77

3. Schlüsselprozesse guter Bildung.............................................. 80

3.1 Bildung- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern.................................... 813.2 Übergänge moderieren und bewältigen .................................................. 853.3 Beobachten und dokumentieren................................................................ 91

Hinweise Autorinnen ........................................................................................... 94

Literatur ................................................................................................................. 95

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4 V O R W O R T

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserin, lieber Leser,

der Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von0 bis 10 Jahren in Hessen hat sich in der Praxis desElementar- und des Primarbereichs in Hessen festetabliert. Er genießt eine hohe Anerkennung undbietet zugleich eine spannende Perspektive fürdie weitere Entwicklung der Bildungspläne inDeutschland. Gerade sein Institutionen übergrei-fender und Lernort orientierter Charakter sowiedessen Transformation auf konkrete Bildungsortesind beispielgebend. Der Ausbau der Angebotefür unter dreijährige Kinder, der Mangel an fürdiesen Bereich qualifizierten Fachkräften, das leb-hafte Interesse der Eltern an optimalen Entwick -lungs- und Bildungsbedingungen für ihre Kinder,eine steigende Sensibilisierung der Gesellschaftfür die Bedeutung früher Bildungsprozesse imBildungsverlauf und nicht zuletzt neuere Fo r-schungs erkenntnisse bezüglich frühen kindlichenLernens motivierten die Steuerungsgruppe unddas Projekt für die Entwicklung der Handreichung„Kinder in den ersten drei Lebensjahren: was kön-nen sie, was brauchen sie?“. Sie stellt eineKonkretisierung des Hessischen Bildungsplansdar und bietet eine gemeinsame Handlungs -grundlage für alle Bildungsorte, in denen Bildungs-prozesse für Kinder unter drei Jahren stattfinden.

Der Aufbau der Handreichung folgt konsequentder Architektur und der Logik des HessischenBildungsplans: Im ersten Teil erfolgt eine nähereBehandlung neuerer Forschungserkenntnisse,die es begründen lassen, warum früh mit einerfachlich fundierten Moderierung von Bildungs-pro zessen begonnen werden sollte. Auf sozial-konstruktivistische Positionen zurückgreifend wirdaufgezeigt, wie das Kind als Ko-Konstrukteur dereigenen Entwicklung und seiner Bildungsbiogra -phie aktiv tätig ist. Die bildungstheoretischeGrundlage, die Visionen sowie die Prinzipien unddie Grundsätze durchdringen den Bildungsver-lauf von Anfang an. Durch vertiefende Ausführun-gen werden somit die Fachkräfte in die Philo-sophie des Bildungsplanes und deren Implemen-tation eingeführt.

Im Teil 2 werden die Kompetenzen ausführlichbehandelt, für deren Stärkung in unterschiedli-chen Bildungsbereichen Bildungsprozesse orga-nisiert, d. h. ko-konstruiert werden. Die Darlegungder kindlichen Kompetenzen liefert somit einefachlich fundierte Grundlage für pädagogischesHandeln: die Entstehung unterschiedlicher Bin -dungsqualitäten, die Entwicklung emotionaler,sozialer und kommunikativer Kompetenzen stellenebenso wie körperbezogene, kognitive und lern-methodische Kompetenzen thematische Schwer -punkte dar, die den Fachkräften Hilfe und Orien -tierung bieten. Da (auch) hier im Mittelpunkt derBetrachtung das Kind und nicht die Bildungs -institution steht, wird der Entwicklung und Stär -kung des kindlichen Selbstkonzeptes zentraleBedeutung beigemessen.

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Schließlich bilden den Schwerpunkt des drittenTeils Schlüsselprozesse, die hohe Bildungsqua-lität bedingen: wie eine Bildungspartnerschaft mitder Familie erreicht werden kann, wie der Über-gang von der Familie in die Krippe und von derKrippe in den Kindergarten gestaltet werden sollteund wie man kindliche Entwicklung und Bildungs -prozesse beobachten, dokumentieren und darü-ber reflektieren kann.

Handreichungen erreichen ihr Ziel, wenn sie dieProfessionalität der Fachkraft stärken, sie zu einerreflexiven Pädagogin / einem reflexiven Pädago -gen werden lassen, ihre Beobachtungs- und Doku-mentationskompetenz und generell ihren Er -fahrungshorizont erweitern und hinterfragen lassen.

Die Entwicklung dieser Handreichung hat dieSteuerungsgruppe initiiert. Mein Dank gilt ihrenMitgliedern für ihr großes Interesse und ihrenachhaltige Unterstützung. Die Mitarbeiterinnendes Projektes, Frau Dr. Dagmar Berwanger, FrauDipl.-Päd. Katrin Reis und Frau Dipl.-Psych. AnnaSpindler, haben die Ausarbeitung in bewährterKooperation mit mir vorgenommen. Das Fach -referat im Hessischen Ministerium für Soziales undIntegration hat gemeinsam mit einer Redak -tionsgruppe aus der Fachpraxis diese Arbeit mitAnregungen und großem Engagement begleitet.Und wie immer: auch diese Handreichung wurdeko-konstruktiv entwickelt, in dem unterschiedlichePerspektiven einbezogen wurden, nicht zuletztdie Praxis perspektive. Eine solche Vorgehens -weise verspricht nicht nur höhere Qualität, son-

dern auch höhere Akzeptanz. Deshalb gilt meinDank allen Ko-Konstrukteuren für ihren Einsatzund für ihre Expertise. Dem Institut für Früh pä da -gogik danke ich nicht nur für seine „Gast freund -schaft“, sondern auch für die vielfältigen Hin-weise, von denen die Handreichung profitiert hat.Dem zuständigen Minister, Herrn Stefan Grüttner,gilt mein herzlicher Dank für sein Interesse an derEntstehung der Handreichung und für seinVertrauen.

Allen Fachkräften, Eltern und Vertretern andererBildungsorte wünsche ich eine anregende Lektüre,und hoffe, dass sie nicht nur zu deren Pro -fessionalisierung beitragen, sondern sie auchmotivieren wird, frühen kindlichen Bildungspro-zessen jenen Stellenwert und jene Bedeutungbeizumessen, die sie in der Tat verdienen. Undder größte Wunsch? Dass unsere Kinder davonmaximal für ihre Entwicklung profitieren.

Prof. Dr. mult. Dr. h.c. mult. Wassilios E. FthenakisProjektleiter & Leiter der Steuerungsgruppe zumBildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis10 Jahren in Hessen

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Die Handreichung ist ergänzend zum Bildungs- undErziehungsplan von 0 bis 10 Jahren in Hessen zuverstehen. Dementsprechend orientiert sie sich anStruktur und Architektur des Plans, welche imÜberblick in der nachfolgenden Grafik dargestelltwerden.

Der Hessische Bildungs- und Erziehungsplan be -zieht sich auf die breite Alterspanne der ersten10 Lebensjahre, hat also stets auch die unterDreijährigen im Blick. Von Seiten der Praxis wurdevermehrt der Wunsch geäußert, eine Spezifizie-rung des Hessischen Bildungs- und Erziehungs

plans für die Altersgruppe von 0 bis 3 Jahren vor-zunehmen und zu verdeutlichen, welches Potenzialder Plan für diese Kinder bieten kann: Wie sind dieGrund sätze und Prinzipien des Plans bei derBildung der Jüngsten zu verstehen? WelcheKompetenzen sind es, die vor allem in den erstenLebensjahren von besonderer Bedeutung sind undwie lassen sich diese im Sinne der Philosophie desPlans stärken? Die Handreichung hat es sich zumZiel gesetzt, die Relevanz des Hessischen Bildungs-und Erziehungs plans für die unter Dreijährigen zuverdeutlichen und alle „Ko-Konstrukteure“ früh-kindlicher Bildung zu einer gemeinsamen Bildungs-philosophie von Anfang an einzuladen.

Warum diese Handreichung?

Die Struktur des Bildungs- und Erziehungsplans von 0 bis 10 Jahren in Hessen

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Der Hessische Bildungs- und Erziehungsplan fürKinder von 0 bis 10 Jahren gilt für alle Bildungsortevon Kindern. Auch die Handreichung richtet sich analle Bildungsorte, die Bildung, Erziehung und Be -treuung für Kinder unter drei Jahren anbieten.Dazu gehören:

die KindertagespflegeKindertageseinrichtungen für Kinder von 0-3 Jahren (Kinderkrippen)Kindertageseinrichtungen mit erweiterterAltersmischung (0-6, 0-10 Jahre etc.)alle sonstigen Bildungsorte für Kinder unter 3 Jahren (z. B. Spielgruppen, Kinderhäuser,Familienzentren)

die Aus-, Fort- und Weiterbildung im Bereichder Frühpädagogik und die neuen Studien -gänge zur frühkindlichen Bildung.

Direkt ansprechen möchten wir alle Fachkräfte,Einrichtungsleitungen und Träger von Kindertages-einrichtungen, Tagespflegepersonen, aber auchdie Eltern und sonstige Erziehungsberechtigte.„Die Familie“ an sich gibt es nicht, sondern ganzunterschiedliche Formen und Stile des Zusam men -le bens von Kindern und Erwachsenen (Textor2006). Auf diese große Vielfalt von Familienformenbezieht sich die vorliegende Handreichung.

An wen richtet sich die Handreichung?

Wie kann man den Bildungs- und Erziehungsplanin der Arbeit mit Kindern in den ersten Lebens -jahren umsetzen? Hier handelt es sich um einenPlan für alle Bildungsorte, also auch für Bildungs -orte, die mit Kindern von 0 bis 3 Jahren arbeiten. Indieser Hand reichung werden die Philosophie unddie Ziele des Plans für die Arbeit mit Kindern unterdrei Jahren konkretisiert und durch Praxisbeispieleillustriert.

Die Handreichung ist in drei Teile gegliedert:In Teil 1 „Bildung unter 3 im Sinne der Philosophiedes Hessischen Bildungs- und Erziehungsplans“werden die Grundlagen und die Prinzi pien, diebesonders wichtig für die Arbeit mit Kin dern unterdrei Jahren sind, kurz dargestellt und Be zugspunktezu der Altersgruppe 0 bis 3 Jahre gesetzt.

In Teil 2 „Das Kind und seine Kompetenzen imMittelpunkt“ geht es darum, wie die kindlichen Kom-petenzen konkret gestärkt werden können. DieserTeil der Handreichung orientiert sich nicht an denSchwerpunkten, die der Plan beschreibt, sonderngeht von bestimmten Kompetenzen aus, die für dieAltersgruppe besonders wichtig sind. Die be schrie-benen Kompetenzbereiche stellen eine exemplari-sche Auswahl dar. Wir halten die genannten Kom -petenzbereiche für besonders geeignet, um diezentralen Gesichtspunkte für die Gestaltung vonguter Bildung für Kinder unter 3 herauszuarbeiten.

Alle Unterkapitel können einzeln und unabhängigvon ihrer Reihenfolge gelesen werden, obwohl sieenge Verbindungen aufweisen. Sämtliche Kompe -tenzen werden zunächst unter der BEP-Lupe be -trachtet, also in Beziehung zum Hessischen Bildungs-und Erziehungsplan dargestellt. Es werden wichtigeentwicklungspsychologische Hintergrundinfor ma -tionen beschrieben und im Anschluss daran Hin -weise für die praktische Umsetzung gegeben:Praxisbeispiele aus Ein richtungen, kurze „Ge-schich ten“, die ein Thema illustrieren, Interviewsmit Expertinnen und Ex perten, zentrale Methodenund Techniken, aber auch – und diesen Aspekt hal-ten wir in der Arbeit mit Kindern in den erstenLebens jahren für ganz wichtig – Hinweise für dieReflexion der eigenen pädagogischen Haltunggehören dazu.

Teil 3 „Schlüsselprozesse guter Bildung“ be-schreibt den entsprechenden Rahmen für dieBildungs qualität mit Kindern unter 3. Auch dieserTeil orientiert sich wieder am Hessischen Bildungs-und Er ziehungsplan und setzt den Schwerpunkt aufdie Umsetzung. Wie in Teil 2 veranschaulichenPraxis bei spiele und Interviews, wie gute Bildungund Er ziehung gelingen kann. Hier geht es schwer-punktmäßig um:

Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mitElternÜbergänge moderieren und bewältigenBeobachtung und Dokumentation.

Aufbau der Handreichung

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1. Bildung unter 3im Sinne der Philosophie des Hessischen Bildungs- und Erziehungsplans

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Lebensjahren treiben die Entwicklung des Kindesalso weit deutlicher voran als vermutet. Von maß-geblicher Bedeutung dabei ist, dass dieses Lernenstets eingebettet in emotional bedeutsame Be -ziehungen verläuft, wie in Befunden der Hirnfor -schung betont wird (vgl. Hüther 2006). Lernenfunktioniert dann besonders gut, wenn gleichzeitigauch immer jenes Areal im Gehirn aktiviert ist, dasfür die Verarbeitung von Emotionen mitverantwort-lich ist – das so genannte „limbische System“. Dieemotionale Sicherheit spielt also vor allem für dasLernen in den ersten Lebensjahren eine entschei-dende Rolle. Wie bedeutend eine sichere Bindungund eine gute Fachkraft-Kind-Beziehung für hoheBildungsqualität ist, geht vor allem aus den Ar bei -ten von Liselotte Ahnert (2007) hervor.

Diese Erkenntnisse machen einmal mehr deutlich,dass Entwicklung nicht einfach die Entfaltungangeborener Fähigkeiten ist, sondern in entschei-dendem Maße vom Kontext und den Beziehungenzu anderen Menschen abhängt. Lernen ist ein so -zialer Prozess.

1.1 Alte Positionen überwinden –neue Erkenntnisse im ÜberblickIn keiner anderen Phase seines Lebens lernt derMensch so begierig und schnell wie in den erstenJahren. Neue Forschungsbefunde unterschiedlicherDisziplinen machen dies deutlich und zeigen, dassdie Entwicklung in den ersten Lebensjahren nochbeeindruckender verläuft als bislang vermutet.

Aktuelle Erkenntnisse aus der Entwicklungspsycho -logie werfen ein gänzlich neues Licht auf die Fähig -keit von unter Dreijährigen zu lernen und weichenden von Piaget angenommenen strengen Ent -wicklungsverlauf auf (eine Übersicht vgl. Rauh2008). Demnach unterschätzt Piagets Stufentheoriedie Fähigkeiten von Kindern in den ersten Lebens -jahren doch erheblich. Schon Säuglinge verfügen –entgegen der Annahme von Piaget – über eine sogenannte mentale Repräsentation von Objekten.Bereits mit drei Monaten verstehen Kinder, dassein Gegenstand auch dann weiter existiert, wennman ihn nicht mehr sieht. Das Wissen vonSäuglingen über grundsätzliche Zusammenhängeder Welt ist erstaunlich, z. B. findet sich bereits imersten Lebensjahr ein Verständnis von Schwerkraftoder ein Grundverständnis darüber, unter welchenBedingungen ein Objekt unterschiedlicher Formstabil auf einem anderen Objekt liegen bleibt. Esgibt auch Hinweise dafür, dass Kinder bereits zuBeginn des zweiten Lebensjahres in der Lage sind,die Perspektive eines anderen einzunehmen – eineentscheidende Voraussetzung für lernmethodischeKompetenz (vgl. Schneider & Sodian 2007).Detaillierte Ausführungen zu diesen Erkenntnissenfinden sich in Kapitel 2.5.

Eine ergänzende Bestätigung erfahren dieseBefunde durch die aktuelle neurobiologischeForschung. Mit Hilfe moderner bildgebender Ver -fahren wird der nachhaltige Einfluss früher Lerner -fahrungen auf die Entwicklung des Gehirns sicht-bar. Lernen auf neurophysiologischer Ebene ist zuverstehen als die Entwicklung und Ausdifferen -zierung häufig benutzter Netzwerkverbindungenvon Nervenzellen und die Verkümmerung jenerVerbindungen, die nicht oder kaum benutzt wer-den – ganz nach dem Prinzip „Use it or loose it“.Differenzierte Lernerfahrungen in den ersten

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Barbara Bowmann (2001) bezeichnet diesen Pro-zess als Tanz zwischen der angeborenen Veran -lagung des Kindes und dem Kontext, in dem essich entwickelt. Dabei geht es vor allem um dieBeziehungen, die das Kind zu anderen Menschenhat, und die Interaktionen, in denen es lernt. Inter -nationale Forschungsberichte betonen, dass Bildungin den ersten Lebensjahren dem Lernen desKindes nur dann gerecht wird, wenn es als„effec tive, engaged learning“ gestaltet wird.Das heißt: Effektives und lustbetontes Lernenfindet dann statt, wenn Kinder am Lernprozessaktiv beteiligt werden, im gemeinsamen Dialogmit anderen lernen und dabei die Möglichkeiterhalten, Dinge zu hinterfragen, zu reflektieren,eigene Er klärungs an sätze und Hypothesen zu ent-wickeln, unterschiedliche Per spektiven kennenzu-lernen und sich mit ande ren darüber auszutau-schen (vgl. Bowmann u. a. 2001).

Eine zusätzliche Perspektive, die in den letztenJahren vermehrt von Säuglings- und Kind heits for -schern in den Blick genommen wird, ist die Be -deutung der Beziehung zu Gleichaltrigen. Bereitsin den ersten Lebensjahren steckt erstaunlich gro-ßes Bildungspotenzial in „Peer-Beziehungen“.Kinder brauchen ihresgleichen, um gemeinsamWissen zu konstruieren und Bedeutungen zu erfor-schen (Corsaro 1997; Youniss 1994; Liegle 2008).

Das Lernen in gemeinsamer Interaktion alsSchlüssel für hohe Bildungsqualität wurde auch infrühpädagogischen Studien identifiziert (EPPE-Studie, REPEY-Studie). Darin wird betont, „dassLernen dann am effektivsten ist, wenn die Kinderaktiv in die Ko-Konstruktion von Bedeutung, alsodie gemeinsame Bedeutungserschließung invol-viert sind, die in Diskussionen über Themen statt-finden, die für sie wichtig sind“ (Wells & Meija-Arauz 2001, zit. nach Siraj-Blatchford & Siraj-Blatchford 2007).

Ergänzend können an dieser Stelle noch Befundeaus den Wirtschaftswissenschaften erwähnt wer-den. Während es in Deutschland noch kaumForschung über die individuellen, gesellschaftli-chen und volkswirtschaftlichen Wirkungen vonKindertageseinrichtungen gibt, machen internatio-nale Studien den Nutzen früher Investitionen imBildungsbereich deutlich. So betont etwa JamesHeckmann (2007), dass Investitionen den höchstenErtrag in den ersten fünf Jahren mit sich bringen.Frühe institutionelle Förderung wirkt sich nachhal-tig auf den weiteren Bildungs- und Lernweg desKindes aus. Dieser positive Nutzen entsteht aller-dings nur bei hoher Qualität des pädagogischenAngebotes (eine Übersicht vgl. Reichert-Garsch -hammer 2003).

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1.2 Das „Bild vom Kind“Wie die Interaktion mit dem Kind bzw. daspädagogische Handeln allgemein gestaltet wird,hängt maßgeblich von den Vorstellungen derErwachsenen ab: Über welche Kompetenzen undKenntnisse verfügt ein Kind bereits? WelcheGestaltungsmöglichkeiten hat es? Und wie sindseine Äußerungen und Verhal tensweisen zu inter-pretieren? Dieses Interpretationsmuster wird als„Bild vom Kind“ be zeichnet. Es beeinflusst, wiedie Lern- und Entwick lungs prozesse des Kindeswahrgenommen und wie Bildungs prozessemoderiert werden. Von besonderer Bedeutungist es daher, sich mit dem eigenen inneren Bildvom Kind und mit dem damit verbundenen Ver -ständnis von Bildung kritisch auseinanderzuset-zen und seine eigene Haltung im Bildungs -geschehen fortlaufend zu reflektieren.

Die Pädagogik hat sich lange Zeit an einem Bildvom Kind orientiert, das den Säugling als passiv,schwach und hilflos sowie vollkommen abhängigvon seiner Bezugsperson wahrnahm. IndividuelleEntwicklungsverläufe wurden außer Acht gelas-

sen, vielmehr orientierte man sich an Durch -schnitt stabellen. „Entwicklung wurde als einProzess gesehen, bei dem das Kind seine kindli-chen Defizite immer mehr überwindet und durchdie Hilfe des Erwachsenen, der dieses leere Gefäßfüllt, schließlich ebenfalls zu einem kompetenten,autonomen und aktiven Erwachsenen heranreift“(Winner 2007, S. 27).

Die Säuglings- und Kleinkindforschung der letz-ten Jahrzehnte wirft jedoch ein gänzlich anderesBild auf die Entwicklung des Kindes und seineFähigkeit zu lernen. Kinder sind von Geburt an mitgrundlegenden Kompetenzen sowie einem reich-haltigen Lern- und Entwicklungspotenzial ausge-stattet. Die Entwicklung des Kindes ist also kei-neswegs nur ein körperlicher und mentalerReifungs- und Wachstumsprozess. Bereits Säug -linge verfügen über erstaunliche kognitive Fähig-keiten und treten von Anfang an mit ihrer Umweltin regen Austausch.

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Entscheidend dabei ist, dass die Herausforde -rungen, die Kindern angeboten werden, in dersogenannten „Zone der nächsten Entwicklung“liegen (Wygotski 1978). Dies bedeutet, sichnicht nur am aktuellen Entwicklungsstand, son-dern am potenziellen Entwicklungsverlauf desKindes zu orientieren. Es geht also darum, dar-auf zu achten, was ein Kind bereits alles alleinekann, weiß und versteht. Auf dieser Basis desbereits vorhandenen Wissens wird dem Kinddie Möglichkeit gegeben, im Austausch mitanderen in einer lernenden GemeinschaftHeraus forderungen zu bewältigen, die über sei-nem aktuellen Entwicklungsniveau liegen.

„Wenn wir also untersuchen, wozu das Kindselbstständig fähig ist, untersuchen wir den gestri-gen Tag. Erkunden wir jedoch, was das Kind in Zu -sammenarbeit zu leisten vermag, dann ermittelnwir dadurch die morgige Entwicklung“ (Wygotski1987, S. 83).

Dieses gewandelte Bild vom Kind führt zu einerNeubewertung des pädagogischen Handelns.Die ersten Lebensjahre werden nicht mehr nurunter einer Betreuungs-, sondern vielmehr auchunter einer Bildungsperspektive gesehen und alsFundament im Bildungssystem wahrgenommen.Der Hessische Bildungs- und Erziehungsplan for-dert eine hohe Bildungsqualität von Anfang an füralle Kinder und in allen Bildungsorten ein. Derfrühen Bildung kommt eine zentrale Bedeutungim weiteren Bildungsverlauf zu.

Die kritische Auseinandersetzung mit dem eige-nen Bild vom Kind und dem damit verbundenenVerständnis von Bildung hat sich im Zuge derErprobung als auch der bisherigen Impleme n -tierung des Hessischen Bildungs- und Erziehungs -plans als zentrales Element herauskristallisiert:diese Reflexion ist zentral, um sich auf einegemeinsame Philosophie aller Bildungsorte ein-zulassen und damit zur Überwindung von unter-schiedlichen Lernkulturen und Bildungsphilo so -phien beizutragen. Entscheidend ist eine kompe-tenz- und dialogorientierte Haltung, mit der Er -wachsene Kindern heute als Bildungspartnerbegegnen.

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1.3 Ein ko-konstruktives Bildungsverständnis

Das Bild vom Kind als aktiver Mitgestalter seinereigenen Bildung und Entwicklung wurde in be-sonderer Weise von dem Schweizer Psycho logenJean Piaget geprägt. In seinem Werk „Das Er -wachen der Intelligenz beim Kinde“ konzentriertePiaget (1936) schon frühzeitig sein Interesse aufdie Frage, wie ein Kind seine Welt erkennt undbegreift. Seine Antwort darauf war, dass Kindernur in der aktiven Auseinandersetzung mit ihrerUmwelt lernen und ihr Wissen somit aktiv konstru-ieren. Dieser Auffassung zufolge ist der Einflussvon außen auf den kindlichen Lernprozess geringund beschränkt sich lediglich auf die Bereit -stellung einer geeigneten Lernumgebung – dasKind bildet sich selbst.

Dem konstruktivistischen Gedanken von Piagetwurde von Lew Wygotski eine zentrale Kompo -nente hinzugefügt: Der wesentliche Faktor für dieKonstruktion von Wissen liegt demnach in dersozialen Interaktion mit anderen. Nach diesem ko-konstruktiven Verständnis lernen Kinder die Weltzu verstehen, indem sie sich mit anderen austau-schen und Bedeutungen untereinander aushan-deln. Dies beinhaltet, dass die geistige, sprachli-che und soziale Entwicklung durch die sozialeInteraktion mit anderen gestärkt wird, während

nach der Selbstbildungstheorie die alleinige Ei -genaktivität des Kindes betont wird, oder nachder Vermittlungstheorie Wissen von außen ver-mittelt wird, das das Kind passiv aufnimmt.

Zentrales Element der Ko-Konstruktion ist also derDiskurs, d. h. der Prozess, in dem mit Kindernüber die Bedeutung gesprochen wird. „Bedeu-tungen werden ausgedrückt, geteilt und mitanderen ausgehandelt. Dabei versuchen dieBeteiligten, die Gestaltungen und Dokumen-tationen der anderen zu begreifen. Fachkräfte soll-ten dabei auf die Theorien der Kinder, ihreVermutungen, Wider sprüche und Missverständ-nisse achten und diese diskutieren. Dadurch kön-nen sie sicherstellen, dass sie die Kinder bei derErforschung von Bedeutungen unterstützen undnicht die bloße Vermittlung von Fakten fördern“(Fthenakis 2009, S. 9).

Ko-Konstruktion als pädagogisches Prinzip lässtsich – trotz häufig geäußerter Skepsis in derPraxis – auch sehr gut mit Kindern unter dreiJahren umsetzen. In der Praxis bedeutet dies,dass Kinder in der sozialen Beziehung zu anderenKindern sowie Erwachsenen lernen und stärkerdie gemeinsame Erforschung von Bedeutungen

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als der Erwerb von Fakten im Mittelpunkt steht.Für den Erwerb von Fakten müssen Kinder vorallem beobachten, zuhören, sich etwas merken.Die Er forschung von Bedeutung dagegen meint,sich ge meinsam mit anderen Kindern oder mit Er -wachsenen auszutauschen sowie Dingen undGeschehnissen einen Sinn zu geben. Bei Kindernin den ersten Lebensjahren erfolgt dieser Aus -tausch meist nonverbal, und sensorische Erfah -rungen – Hören, Fühlen, Schmecken, Riechen undTasten – stehen im Vordergrund.

Ko-Konstruktion versteht Bildung als sozialenProzess, in den alle Beteiligten gleichermaßeninvolviert sind, und der auf Gleichrangigkeit –nicht auf Gleichheit – basiert. Gleichrangigkeitbedeutet nicht, dass die Verantwortung derErwachsenen für die Befriedigung der Grund -bedürfnisse, für Sicherheit und Verlässlichkeit anBedeutung verliert – Aspekte, die vor allem in denersten Lebensjahren besonderes Gewicht haben.Damit ist auch nicht gemeint, dass die maßgeblicheMitverantwortung für die Steuerung und Mode -ration von Bildungsprozessen allein und ausschließ-lich beim Erwachsenen liegt.

Vor allem in Gruppen mit Kindern mit unterschiedli-chen Fähigkeiten kann Ko-Konstruktion zu einembereichernden Prozess werden. Vielfalt als Chancezu sehen ist ein entscheidendes Grundprinzip des

Hessischen Bildungs- und Erziehungs plans. EinePädagogik der Vielfalt beginnt im Team derEinrichtung. Der Hessische Bildungs- und Erzie -hungsplan geht mit besonderer Sensi bilität aufUnterschiede zwischen den Kindern ein. Vielfalt hin-sichtlich Temperament, im Entwick lungstempo, inBezug auf spezifische Bedürf nisse, besonderemUnterstützungsbedarf oder hinsichtlich kulturellemoder sozioökonomischem Hinter grund werdennicht etwa als störend empfunden, sondern aus-drücklich bejaht und gezielt genutzt, um denKindern vielfältige Lernerfahrungen zu ermöglichenund neue Horizonte zu eröffnen. Vielfalt wird alsChance gesehen, der es mit hoher Aufmerksamkeitund Wert schätzung zu begegnen gilt. Bildungspro-zesse werden daher stets vor dem Hintergrund desindividuellen Lern- und Entwicklungsverlaufes desKindes, seiner persönlichen Stärken und Ressour -cen sowie seines kulturellen und sozialen Kontextesreflektiert und ge staltet.

Wie ein Kind seine eigenen Stärken und Schwä -chen sowie die der anderen wahrnimmt unddamit umgeht, und inwieweit es Unterschieden inSprache, Kultur oder Herkunft mit Neugierde,Anerkennung und Wertschätzung begegnenkann, wird entscheidend davon geprägt, wie Ge -meinsamkeiten bzw. Unterschiede der eigenenPerson zu anderen Menschen von der Außenweltbeurteilt werden.

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Bei einem ko-konstruktiven Bildungsverständniskommt Erwachsenen nicht mehr die Rolle deralleinigen Experten zu, die dem Kind „besserwis-send“ und „belehrend“ begegnen. Vielmehr ge-winnen Interaktion und Zusammenarbeit derKinder mit Erwachsenen, aber auch der Kinderuntereinander an zentraler Bedeutung – die ler-nende Gemeinschaft. Kinder wie auch Erwach -sene bringen ihre individuellen Sichtweisen aufdie Lerninhalte ein. Im Umgang mit den verschie-denen Sichtweisen und Ideen werden ein demo-kratischer Umgangs- und Diskussionsstil sowieOffenheit und Flexibilität praktiziert. Dies stärktdie Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und legtden Grundstein für soziale Beziehungen.

Bereits im Alter von 0 bis 3 Jahren findet Ko-Konstruktion sehr häufig unter den Kindern statt:Sie lernen besonders gern von anderen Kindern.Vor allem in Beziehungen zu Gleichaltrigen stecktein hohes Bildungspotenzial. Sie bieten die Chan-ce, dass Überlegungen altersgemäß mitgeteiltwerden und Erfahrungen im ko-konstruktivenProzess mit „Gleichgesinnten“ ausgetauscht wer-den können. Dieser Aspekt wird vor allem in denArbeiten von James Youniss (1994) hervorgeho-ben. Bereits Zweijährige erproben soziale Regelnin der Gruppe, handeln sie mit anderen aus undko-konstruieren in der Interaktion mit Gleich -altrigen ein Verständnis von Gerechtigkeit oderFreundschaft.

Wie offen und selbstverständlich gehen wirmit unseren eigenen Verschiedenheiten um?Inwieweit betrachten wir unsere unterschied-lichen Fähigkeiten und Lebensbiografienals Bereicherung für Diskussion und päda -gogisches Handeln?

Wie nehmen wir die Unterschiede zwischenden Kindern wahr? Sehen wir darin Chancenfür gemeinsames Spielen und Lernen oderbetrachten wir sie als Probleme, die es zuüberwinden gilt?Wie gehen wir mit der Verschiedenheit derEltern um?

(vgl. Herm 2008, S. 14)

Fragen zur Reflexion

Die UN-Konvention für Menschen mit Behin -derungen ist seit März 2009 auch für Deutschlandverbindlich. Sie führt als Weiterentwicklung vonIntegration den Begriff der Inklusion ein, „in derErkenntnis, dass das Verständnis von Behin de -rung sich ständig weiterentwickelt und dass Be -hinderungen aus der Wechselwirkung zwischenMenschen mit Beeinträchtigungen und einstel-lungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht,die sie an der vollen, wirksamen und gleichbe-rechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern.“(UN-Konvention, Präambel, Satz e)

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2. Das Kindund seine Kompetenzenim Mittelpunkt

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„Kinder brauchen für ihr Gedeihen und ihreEntwicklung die körperliche Nähe und gefühlvolleZuwendung der Eltern und anderer Bezugs per -sonen“ (Largo 2007).

Eine der wichtigsten Ressourcen für die Stärkungkindlicher Kompetenzen im sozialen und emotio-nalen Bereich ist die Qualität der Interaktion zwi-schen dem Kind und seinen Eltern und weiterenBezugspersonen (wie z. B. Tagespflegepersonen,pädagogische Fachkräfte, Großeltern).

Wenn die Interaktionen beständig und vorher -sehbar von emotionaler Sicherheit und Feinfühlig -keit ge kenn zeichnet sind, können Kinder ein inne-res Arbeits modell von Bindung entwickeln, das vonSicherheit geprägt ist. So können Kinder ohneAngst die Um welt erkunden und vertrauensvoll aufandere Men schen zugehen – in der Kindheit undauch später als Erwachsene.

Bedeutung von Bindung und Beziehung unter der BEP-Lupe

Die Philosophie, die dem Hessischen Bildungs-und Erziehungsplan zugrunde liegt, betont in be -sonderer Weise die emotionale Bindung desKindes an seine Bezugspersonen. Entscheidenddabei ist die Qualität der Interaktion zwischen demKind und seinen Bindungspersonen. Sichere Bind-ungsqualität herzustellen, stellt daher ein Bildungs-ziel dar, das für die weitere emotionale und sozia-le Entwicklung des Kindes bedeutsam ist.

Entwicklungsstärkende Bildungsprozesse könnennur gelingen, wenn die Kinder sich sicher, gebor-gen und gut eingebunden fühlen. Das trifft auf die

Altersgruppe der Kinder unter drei Jahren ganzbesonders zu. Die positiven Auswirkungen siche-rer Bindung in der frühen Kindheit lassen sich bisin die Schulzeit hinein und auch darüber hinausbelegen. Das Arbeitsmodell von Bindung ent-steht in der Interaktion. Das bedeutet also auch,dass das Thema Bindung und Beziehung in allenBildungsbereichen mitspielt.

Im folgenden Abschnitt wird zunächst auf dieEltern-Kind-Bindung eingegangen, um danachdie Konsequenzen für die Beziehung zwischenFachkräften und Kindern und für die Gestaltungvon Bildungsprozessen herauszuarbeiten.

2.1 Kinder stärken – Bindung undBeziehung als Voraussetzung

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Entwicklungspsychologischer Hintergrund – Meilensteine der Entwicklung

Bindung ist ein Konstrukt, das auf Sicherheit auf-baut. Es entsteht in einem feinfühlig aufeinanderabgestimmten Austausch zwischen dem Kind unddessen Bindungsperson und kann als ein „ge -fühls getragenes Band, das eine Person zu eineranderen spezifischen Person anknüpft und das sieüber Raum und Zeit miteinander verbindet" be -zeichnet werden (Bowlby 1975).

In seiner Bindungstheorie weist John Bowlby demBegriff „Bindung“ eine spezifische Bedeutung zuund beschreibt die subjektive Beziehungsqualitätzu einer bestimmten Bindungsperson. Die frühenBindungserfahrungen eines Kindes haben entschei-denden Einfluss auf die gesamte psychosozialeEntwicklung. So bestimmen diese mit, wie Kinderaber auch Erwachsene ihre sozialen Beziehungengestalten und wahrnehmen (z. B. Grossmann &Grossmann 2004).

Jedes Kind entwickelt im Laufe des erstenLebensjahres eine spezifische Bindungsqualitätan eine oder einige wenige Personen. Üblicher-weise sind dies die Mutter, der Vater aber aucheine andere, zeitlich und emotional verfügbareBezugsperson (Großmutter/-vater, pädagogischeFachkraft, Tagespflegeperson).

Bindung entwickelt sich, genauso wie Bildungs pro-zesse, in sozialen und interaktionalen Prozessenzwischen dem Kind und der Bindungsperson (vgl.Bowlby 1969). Bindung ist kein Persönlich keits -merkmal, sondern charakterisiert vielmehr dieQualität einer Beziehung. Der Säugling und seineBezugspersonen stehen von Anfang an in einemDialog, ihre Äußerungen und Handlungen beein-flussen sich wechselseitig und sind geprägt voneinem spezifischen Verhalten auf beiden Seiten.

Von Geburt an sendet das Kind bestimmte Sig -nale aus, die nicht nur dazu dienen, versorgt zuwerden, sondern auch um Nähe zu einer Person(oder einigen Personen) herzustellen und Schutzzu erhalten. So zeigt schon ein Neugeborenesdurch sein Weinen und Schreien, dass es sich

unwohl fühlt, vielleicht weil es Hunger oder Angstund/oder das Bedürfnis nach Nähe und Körper -kontakt hat. Diese Signale des Kindes veranlassendie Bezugsperson, in Interaktion mit dem Baby zutreten und es bei der Regulation seiner Emo ti -onen zu unterstützen. Die Qualität dieser Inter -aktion bietet die Grundlage für die Entwicklungsicherer Bindungsqualität.

Mit der Zeit entwickelt das Kind ein immer kom-plexeres Bindungsverhalten, das spezifisch aufdie Bindungsperson ausgerichtet ist und Aus -druck für die Bindung an diese Person ist (z. B.gerichtetes Weinen, Anlächeln, Hinkrabbeln,Festklammern, Anschmiegen). Die Bindungsper-son lernt wiederum, die Signale des Kindes zuerkennen und darauf entsprechend einzugehen –z. B. ein ängstliches Kind durch Körperkontakt undsanftes Sprechen zu beruhigen. Entscheidend fürdie Bindungsqualität ist dabei das Maß der

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Feinfühligkeit, mit dem die Bindungsperson dieBedürfnisse des Kindes wahrnehmen kann, seineSignale erkennt, richtig interpretiert und umge-hend darauf reagiert.

Die unterschiedlichen und immer wieder auftau -chenden Interaktionserlebnisse (z. B. Wickeln,Füttern, Trösten, Spielen) mit seiner jeweiligenBindungsperson verarbeitet das Kind schließlichzum „inneren Arbeitsmodell von Bindung“. Ent-sprechend den frühen Erfahrungen, die das Kindmit seinen Bindungspersonen macht, entwickeltes mit der Zeit eine allgemeine Vorstellung darü-ber, wie mit seinen Bedürfnissen umgegangenwird und ob es bei anderen Personen Vertrauenund Schutz finden kann. „Kinder, die von Geburtan die Erfahrung machen, dass ihre Äußerungenprompt beantwortet und verstanden werden, ler-nen, dass sie sich bei Unwohlsein auf ihreHauptbezugsperson verlassen können“ (Becker-Stoll 2007, S. 29).

Diese Erfahrungen prägen in entscheidendemMaße das Selbstbild des Kindes sowie seine emo-tionale und soziale, aber auch kognitive Entwick -lung. Eine entscheidende Erkenntnis der Bindungs-forschung ist, dass sich die in der frühen Kindheiterworbenen Muster auch auf spätere zwischen -menschliche Beziehungen auswirken können.Bindung kann damit als lebenslang wirksamerProzess verstanden werden.

Mary Ainsworth (1978) konnte in ihren Studienzeigen, dass Kinder schon im Alter von einemJahr ganz unterschiedliche innere Arbeitsmodellevon Bindung haben. Um die Bindungsqualitätfestzustellen, entwickelte sie den „Fremde-Situations-Test“, bei welchem das Kind nacheinem standardisierten Vorgehen von seinerBindungsperson kurz getrennt wird und stattdes-sen eine für das Kind fremde Person den Raumbetritt. Anhand der Beobachtung des Verhaltensdes Kindes während der Trennung sowie vorallem seines Bindungsverhaltens bei Rückkehrder Bindungsperson lassen sich wichtigeRückschlüsse auf die Qualität der Bindung ziehen.

Bindung und ExplorationZwischen dem Bindungs- bzw. Sicherheitssystemdes Kindes und seinem Explorationsverhaltenbesteht ein enger Zusammenhang, der für früh-kindliche Bildungsprozesse von hoher Bedeutungist (vgl. Schölmerich & Lengning 2004). Kinder,die sich sicher und geborgen fühlen, wenden sichmit Interesse und Neugier ihrer Umwelt zu, sieerkunden ihre Umgebung, wagen sich an neueund herausfordernde Aufgaben heran. DiesesErkundungs verhalten ist eine wesentliche Voraus-setzung für Lernen und Bildungsprozesse in derfrühen Kindheit.

Werden Kleinkinder jedoch verunsichert, fühlensich bedroht oder unwohl, stellen sie dasErkundungsverhalten ein und versuchen ihr inne-res Gleichgewicht wieder herzustellen. Am bestengelingt das Kleinkindern, indem sie engen Kon-takt mit ihrer Bindungsperson suchen. Neben denEltern können auch andere Bezugspersonen demKind helfen, das Gefühl von Sicherheit wiederher-zustellen, indem sie feinfühlig auf seine Be dürf -nisse eingehen.

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Umsetzung in die pädagogische Praxis

Was bedeuten diese wissenschaftlichen Erkennt -nisse für die Beziehung, die pädagogische Fach -kräfte und Tagespflegepersonen zu Kindern auf-bauen?

Kinder profitieren von zusätzlichen sicherenBind ungserfahrungenFest steht: Neben ihren für sie signifikanten Bin -dungsbeziehungen zu ihren Eltern können Kindernoch weitere Bindungen aufbauen; dies ist einewichtige Entwicklungsaufgabe im Kleinkindalter(vgl. Ahnert 2007). Solche weiteren Bindungsper -sonen können Großeltern und andere Verwandtesein, aber auch Tagespflegepersonen oder päda -gogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen.In der Interaktion mit einer kompetenten, feinfüh-ligen und emotional verfügbaren Tagespflege -person oder Fachkraft in einer Kindertages ein-rich tung können Kinder positive Bindungs- undBe ziehungserfahrungen sammeln, die zur Stärkungder Identität des Kindes und seiner Kompetenzenbeitragen (Ahnert 2009).

Kinder können von zusätzlichen sicheren Bin -dungserfahrungen sehr profitieren: Sie stellen einegroße Ressource dar und können sogar kompen-satorische Wirkung für diejenigen Kinder entfal-ten, die keine sichere Bindung zu ihren Eltern ent-wickeln konnten. Die Behauptung, dass Kinder,die gute Beziehungen oder gar Bindungen zuFachkräften entwickeln, in ihren Bindungen undBeziehungen zu ihren eigenen Eltern verunsichertwürden, entbehrt dagegen jeder wissenschaftli-chen Grundlage.

Die Hauptergebnisse einer großen amerikani-schen Längsschnittstudie (NICHD 2006) zeigen,dass die Eltern-Kind-Bindung nicht von der Quanti-tät der außerfamiliären Betreuung beeinflusstwird. Entscheidenden Einfluss auf die Entwicklungdes Kindes hat jedoch die Qualität der außerfami-lialen Bildung: Prinzipiell unterscheiden sich Kinder,die in der frühen Kindheit auch außerhalb derFamilie betreut wurden nicht von Kindern, dieausschließlich von ihren Familien betreut wurden.Kinder, die in qualitativ hoch stehenden Bildungs-institutionen waren, zeigten jedoch eine etwasbessere sprachliche, kognitive und soziale Ent -wicklung als Kinder, die eine weniger gute Be -treuung erfahren hatten.

Die Qualität der Interaktion in der Kindertages-einrichtung, der Kindertagespflege oder Familien-bildungsstätte ist entscheidend von der Fein -fühligkeit und Beziehungsqualität zwischen Fach -kraft und Kind geprägt und kann sich sogar aufdie Bindungsqualität des Kindes zu seinen Elternauswirken (Howes u. a. 1998).

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Was kennzeichnet eine gute Fachkraft-Kind-Beziehung?Die besondere Bindung zwischen Eltern undKindern ist nicht eins zu eins übertragbar aufdie Beziehung zwischen Fachkräften und Kin -dern, hat aber durchaus Eigenschaften, die bin-dungsähnlich sind. Forschungsergebnisse wei-sen darauf hin, dass die Beziehung zwischenFachkräften und Kindern vorrangig anhand vonfünf Merkmalen beschrieben werden kann (vgl.Ahnert 2007):

Emotionale ZuwendungDieses Merkmal bezieht sich darauf, wie sichdie Fachkraft dem Kind zuwendet: Eine feinfüh-lige und liebevolle Kommunikation der Fach -kraft mit dem Kind unterstützt den Aufbau einerguten Beziehung.

SicherheitEine gute Beziehung wird auch dadurch ge kenn -zeichnet, dass die Fachkraft dem Kind die Sicher-heit vermittelt, in Angst erzeugenden oder stress-vollen Situationen für das Kind verfügbar zu sein.

StressreduktionWenn Kinder sich wehtun, negative Emotionenhaben oder starken Stress empfinden könnenFachkräfte dem Kind dabei helfen, seine Emo -tionen oder seinen Stress zu regulieren und wie-der „ins Gleichgewicht“ zu kommen.

ExplorationsunterstützungDies bedeutet, ein Kind zu ermutigen, seineUmgebung zu erkunden, in Interaktion mit an -deren Kindern zu treten, zu spielen und zu ler-nen.

AssistenzKinder unter drei Jahren brauchen bei vielenAufgaben noch die Unterstützung der Fach -kraft. Wichtig ist hierbei, dem Kind genügendPlatz zur Entwicklung seiner Selbstständigkeitzu lassen, es aber bei zu schwierigen Aufgabenentwicklungsgemäß zu unterstützen. Hierbeiem pfiehlt sich ein möglichst ko-konstruktivesVorgehen.

Eine gute Fachkraft-Kind-Beziehung

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Was bedeutet das?Ähnlich wie bei Müttern und Vätern bildet fein-fühliges Reagieren auf kindliche Bedürfnisse inder Einrichtung eine gute Voraussetzung fürdie Entwicklung einer sicheren Bindung.

Feinfühliges Verhalten bedeutet:die Signale des Kindes wahrzunehmen also immer wieder auf die verbalen aber auchnonverbalen Signale des Kindes zu achten –weint es plötzlich? Wirkt es verkrampft odergelöst? Wie wirkt sein Gesichts ausdruck?Seine Atmung, sein Gesichts aus druck usw.sie (richtig) zu interpretieren dafür ist es natürlich sehr wichtig, das Kindgut zu kennen und sensibel zu beobachten,denn hier treten große individuelle Unter -schiede zu Tage. Es gibt Hinweise darauf,dass Eltern schon bald lernen an der Ton-lage des Weinens ihres Säuglings zu erken-nen, ob er gerade Hunger hat, Schmerzen o.ä.und prompt und angemessen (d. h. kontin-gent) auf diese Signale zu reagieren.Wie schnell und passend die Reaktion derBezugsperson ist, ist enorm wichtig für die Be-ziehung und Bindung. Natürlich können Fach-kräfte oder Tagespflegepersonen nicht immersofort „alles stehen und liegen lassen“, wennein Kind weint. Man sollte jedoch immer ver-suchen, den emotionalen Bedürf nissen jedesKindes genug Raum und Zeit zu geben.

Situationen, in denen es die Möglichkeit zuintensiven Eins-zu-Eins-Kontakten gibt, eig-nen sich dafür sehr gut. Dazu gehören z. B. Pflege situationen Wickeln,Anziehen, Körper pflege und Hygie ne, dasFüttern (bei Säuglingen und sehr jungenKleinkindern), Trösten und Spielen.

Solche Situationen können genutzt werden, umdie Aufmerksamkeit möglichst ungeteilt demKind zuzuwenden, seine Bedürfnisse zu erkun-den, darauf zu reagieren und liebevoll mit ihm zukommunizieren. Genauso wichtig ist auch, dasBedürfnis des Kindes nach körperlicher Zuwen-dung zu erkunden und darauf zu reagieren.Säuglinge und Klein(st)kinder haben häufig einhohes Bedürfnis nach körperlicher Zuwen dungund Körperkontakt.

Wenn Sie feststellen, dass Sie im Beziehungs -aufbau mit (bestimmten) Kindern Schwierig -keiten haben, können Sie sich Unterstützungdurch das Team holen oder an Supervisions -sitzungen teilnehmen. Eigene Bindungserfah -rungen können großen Einfluss darauf haben,wie man später Beziehungen zu Kindern gestal-tet (vgl. Stern 2009).

„Mitunter verläuft der Beziehungsaufbau zu einemKind mit einer Behinderung oder Entwicklungs -auffälligkeit anders als es Erzieher/innen gewohntsind“ (Ahrbeck & Rauh 1992). Einige Kinder verfü-gen über weniger Selbstkorrektur-Mechanismenund können ein (mögliches) Fehlverhalten derBezugsperson weniger gut ausgleichen. Wennsich diese Kinder nicht wirklich „gesehen“ undangenommen fühlen, besteht die Gefahr, dass siezu glauben beginnen, nichts wert zu sein. In derintegrativen Pädagogik ist daher die Fähigkeit „inBeziehung zu treten“, „sich zu begegnen“ und da -bei die Sprache des Kindes zu finden unabding-bar, damit das Kind mit Gewissheit spürt: Ich binso in Ordnung, wie ich bin (Herm 2008, S. 115).

Als Risiken für den Bindungsaufbau zwischen Kin -dern mit Behinderung und Eltern / Bezugsper -sonen gelten:

emotionale Beeinträchtigung (Schock, Enttäu-schung, Angst)Beeinträchtigung der „intuitiven elterlichenKompetenzen“ (Papousek) Erschwernis des „Lesens“ des kindlichen Ver-haltens (u. a. durch verlangsamte Reaktionenoder verändertes Verhalten, etwa bedingtdurch fehlenden Blickkontakt)Erschwernis der Diagnose von Entwicklungs -fortschritten (Rauh 2004).

Feinfühliges Verhalten in der Fachkraft-Kind-Beziehung

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2.2 Kinder in ihren emotionalen undsozialen Kompetenzen stärkenKinder entwickeln in den unterschiedlichen Bil-dungsorten nicht nur kognitive Kompetenzenweiter, sondern – und hier setzt der Hessische Bil -dungs- und Erziehungsplan Maßstäbe – auch ihreemotionalen und sozialen Basiskompetenzen. Diesgilt für alle Bildungsorte von Kindern von 0 bis 10Jahren und bleibt in den weiteren Jahren wichtig:Auch bei Jugendlichen und Erwachsenen stelltdie Weiterentwicklung der sozialemotionalenKompetenzen ein wichtiges Ziel in schulischen,außerschulischen und beruflichen Lernum ge -bungen dar.

Forschungsergebnisse zeigen, dass die sozialenund emotionalen Fähigkeiten auch mit besserenschulischen Leistungen zusammenhängen. Sie be -stimmen stark mit, wie wir uns als Erwachsene imBeruf bewähren, sie haben einen großen Einflussauf die Gestaltung von Beziehungen mit Freun denund in der Familie. Außerdem spielen die emotio-nalen und sozialen Kompetenzen eine sehr wichti-ge Rolle dabei, wie wir Bildungsprozesse gestaltenund davon profitieren können. Dies unter mauertdie Tatsache, wie wichtig es ist, diese Kompetenzenin den Blick zu nehmen und in allen Altersgruppenund in allen Bildungsorten zu stärken.

Bedeutung der emotionalen und sozialen Kompetenzen unter der BEP-Lupe

Im Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan wirdein großes Gewicht auf die Stärkung der kindli-chen Kompetenzen im sozialen und emotionalenBereich gelegt. Lernen wird nicht als rein kogniti-ver Prozess betrachtet, sondern – wie es dieForschung in den letzten Jahren immer wiederbestätigt hat – entschieden von sozialen und emo-tionalen Prozessen beeinflusst und moduliert. DasVerständnis von Bildung als ko-konstruktiver Pro -zess betont die Wichtigkeit der sozialen Kompe -tenzen und bietet gleichzeitig viele Möglich -keiten, sie immer wieder zu stärken.

Emotionale und soziale Kompetenzen werden imHessischen Bildungs- und Erziehungsplan bei denindividuumsbezogenen Kompetenzen und auch

bei den Kompetenzen zum Handeln im sozialenKontext beschrieben. Damit zeigt sich, wie allum-fassend und wichtig diese Kompetenzen sind.Viele der emotionalen und sozialen Kompetenzenspielen eine große Rolle, wenn es um Resilienzgeht und weisen enge Verknüpfungen zu Lernenund lernmethodischer Kompetenz auf.

Soziale und emotionale Kompetenzen können inallen Bildungsbereichen gestärkt werden: Sei esnun durch Projektarbeit im naturwissenschaftli-chen Bereich, bei der gemeinsamen Bilderbuch -betrachtung oder in alltäglichen Situationen wiedem Vorbereiten auf den Mittagsschlaf.

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Entwicklungspsychologischer Hintergrund – Meilensteine der Entwicklung1

Die sozialen und emotionalen Fähigkeiten derKinder entwickeln sich in den ersten drei Lebens -jahren rasant: Schon Neugeborene sind in denersten Tagen sozial ansprechbar und reagierenauf soziale Reize. Sie haben eine (angeborene)Vorliebe für menschliche Gesichter und könnensogar bereits mimische Gesten nachahmen. Neu -geborene können Wohlbefinden oder Unwohl -sein signalisieren und treten so in Interaktion mitihrer Bezugsperson. Mit diesem Verhalten zeigensie, dass sie auf deren liebevolle Unterstützungangewiesen sind.

Säuglinge ab circa 6 bis 8 Wochen reagieren aufmenschliche Gesichter mit dem so genannten„sozialen Lächeln“ und rufen damit bei ihrenBezugspersonen in der Regel große Freude her-vor. Bei der Regulation von negativen Gefühlensind Säuglinge sehr stark auf die Unterstützungdurch die Bezugspersonen angewiesen, überneh-men jedoch schon einen aktiven Part im Dialog(Holodynski & Örter 2008): Ein Neugeborenesappelliert bei großer Erregung, Schmerz oderUnwohlsein zunächst ungerichtet, indem esschreit. Die Bezugsperson handelt daraufhinexplorativ, versucht herauszufinden, wie sie dem

Kind helfen kann. So versucht eine Mutter einesNeugeborenen vielleicht zunächst das Kind zustillen, ihm den Bauch zu massieren oder es aufihrem Arm herumzutragen. Säuglinge dagegenappellieren wesentlich gerichteter an ihre Be-zugspersonen, die ebenfalls schon wesentlich ge -richteter reagieren. So kann die Bezugsperson, diebereits vielfältige Interaktionserfahrungen mit demSäugling gemacht hat, je nach Stimmlage des Babysunterscheiden, ob es nun Hunger, Schmerzen odervielleicht auch Langeweile hat.

Ab dem Alter von rund 6 Monaten zeigen Säug -linge Basisemotionen wie Angst, Ärger undFreude und äußern sie über ihre Mimik, aber auchüber ihre Stimme oder Körperhaltung. So ermög-lichen sie eine immer intensivere soziale Inter -aktion mit ihren Bezugspersonen, aber auch zuanderen Kindern.

Ab einem Alter von rund 9 Monaten verändernsich die Interaktionen wesentlich. Säuglinge kön-nen zunehmend einen gemeinsamen Aufmerk -samkeitsfokus mit ihrem Interaktionspartner aus-bilden (joint attention), z. B. ein Objekt gemein-sam beobachten. Die Kinder sehen die gleichen

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Dinge an, verfolgen aufmerksam das Blickver -halten der Bezugsperson oder der anderenKinder und schaffen es auch, die Aufmerksamkeitdes anderen für Objekte herzustellen, die sieselbst interessieren. Die soziale Rückversicherung– Säuglinge orientieren sich bei Ängstlichkeitoder Unsicherheit am Gesichtsausdruck ihrerBezugs person – ist eine weitere Ausprägung die-ser Joint Attention und zeigt, dass die Kinderschon in der Lage sind, Emotionen in denGesichtern ihrer Bezugspersonen zu „lesen“. Sokrabbelt z. B. ein Baby, dessen Mutter mit einemsorgenvollen Blick reagiert, nicht über einenAbgrund (der z. B. mit einer Glasplatte bedecktist), während ein Säug ling, dessen Mutter dasKind ermunternd ansieht, ohne Zögern weiter-krabbelt (Sorce u.a. 1985).

In diesem Alter tritt bei den Kindern auch das –kulturübergreifend beobachtbare – „Fremdeln“(auch Acht-Monats-Angst genannt) auf. Kinderreagieren mit Angst oder starker Anspannung aufeine fremde, unbekannte Person. Sie vermeidenden Blickkontakt, wenden sich ab und suchen dieNähe der Bezugsperson. Die Reaktion variiert vonlautem Schreien bis zu leichten Zeichen vonAnspannung. Für dieses Phänomen gibt es unter-schiedliche Erklärungen: Eine davon besagt, dassdas Phänomen die wachsende Bindung an die

Hauptbezugspersonen widerspiegelt (vgl. Siegleru.a. 2005). Übereinstimmung herrscht dabei, dass„Fremdeln“ Ausdruck von gelingenden Entwick -lungs prozessen ist. Wie stark sich das Fremdelnäußert, scheint u. a. vom Temperament desKindes abhängig zu sein. Im Laufe des zweitenLebens jahres schwächt sich die Angstreaktionimmer mehr ab.

Im zweiten Lebensjahr erfolgt ein „Quanten -sprung“ in der kognitiven Entwicklung: Das Kinderkennt sich selbst im Spiegel und realisiert, dass

1) Einen guten Überblick über die emotionale Entwicklung finden Sie bei Siegler, DeLoache & Eisenberg (2005), Petermann &Wiedenbusch (2008) und Holodyynski & Oerter (2008); wichtige Erkenntnisse zur Entwicklung der Peer-Beziehungen bei Ahnert(2008 ff.); Grundlagenforschungsarbeiten z. B. bei Tomasello (2006).

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es eine eigene Person ist und auch eigene Zieleund einen eigenen Willen besitzt (vgl. Kap. 2.6).Dies hat sehr weitreichende Konsequenzen fürdie sozialen und emotionalen Kompetenzen: Indieser Zeit, die auch Autonomie- oder Trotzphasegenannt wird, kommt es häufig schnell zu Kon -flikten zwischen Kindern, die ihren „eigenenWillen“ durchsetzen wollen, und die Frustration -stoleranz der Kinder scheint relativ niedrig zusein.

Gleichzeitig beginnen die Kinder in diesem Alterimmer stärker, die Perspektiven von sich selbstund anderen zu unterscheiden und gewinnen imLaufe der nächsten Jahre erstaunliche Fähig keiten,psychische Zustände von anderen zu erkennen,zu interpretieren und Schlussfolge rungen darauszu ziehen (Sodian & Thoermer 2006).

Ab einem Alter von circa zwei Jahren beginnenKinder über ihre Emotionen zu sprechen – zu -nächst nur über ihre Basisemotionen und ihreReaktionen: „Emma weint, Emma traurig.“ ImLaufe des dritten Lebensjahrs differenzieren dieKinder diese Fähigkeit weiter aus. So kann einDreijähriger bereits manchmal sagen, weshalb er

ein bestimmtes Gefühl hat (Petermann & Peter -mann 2008).

In dieser Phase nimmt auch die Fähigkeit zurRegulation von Gefühlen zu. Manchmal sind dieKinder schon in der Lage, eigene Regulations -strategien – z. B. das Kuscheltier ganz fest halten,sich das Schmusetuch über den Kopf ziehen –anzuwenden. Trotzdem sind Kinder bei derEmotionsregulation in diesem Alter immer nochauf die sensible Interaktion mit ihren Bezugsper-sonen angewiesen (Holodynski & Oerter 2008).

Freundschaften und Beziehungen zwischenKindern2

Kleinkinder, die zusammen mit anderen Kindernin der Kindertagespflege, in Spielgruppen oderin Kindertageseinrichtungen spielen und ler-nen, entwickeln ihre sozialen und emotionalenKom petenzen in der Interaktion mit den anderenständig weiter. Sie schließen Freund schaften,sie erleben Nähe aber auch Rivalität und erpro-ben Konflikt lösungs strategien. Be ziehungen zuanderen Kindern spielen schon von Beginn aneine sehr wichtige Rolle, wenn die Kindergemeinsam und voneinander lernen können

2) Einen Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse zum Thema Peer-Interaktion finden Sie z. B. bei Ahnert (2003, 2005), Howes(2000) und Viernickel (2000).

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und stellen auch eine ganz wesentliche Quellefür das kindliche Wohlbefinden und Glück dar.

Bereits Babys interessieren sich sehr für andereKinder und nehmen gerne Kontakt mit ihnen auf.Sie lächeln sich an, nähern sich und berühren sich.Erste Interaktionen können z. B. darin bestehen,Spielzeuge auszutauschen, sich gegenseitig nach-zuahmen oder auch einfache Spiele wie Bälle hin-und herzurollen. Die gegenseitige Imitation wirdhäufig als wichtigstes Mittel der Kommunikationeingesetzt.

Im zweiten Lebensjahr werden die Interaktionenmit anderen Kindern komplexer, die dyadischeInteraktionskompetenz nimmt zu. Das bedeutet:Kinder, die eng miteinander vertraut sind, spielenneben Parallelspielen auch schon erste sozialeInteraktionsspiele wie Fangen oder Kochen in derPuppenküche. Kinder benützen häufig Spielge -genstände, die sie den anderen Kindern überrei-chen, als Kontaktstrategie. Zunehmend lassensich auch Konflikte zwischen den Kindern beob-achten, in denen es z. B. um bestimmte Spielge -gen stände oder auch Vorrechte (Wer darf auf wel-

chem Stuhl sitzen?) geht. Die gemeinsame Sprachewird vielfältiger, wobei die Kommunikation nochsehr stark über Imitation, nonverbale Signale undGesten organisiert wird. Bemerkenswert ist, dassschon Kinder im zweiten Lebensjahr bestimmteGleich altrige als Spielpartner bevorzugen understes prosoziales Verhalten zeigen. So bringt einKleinkind einem anderen weinenden Kind seinKuschel tier oder seinen Schnuller (vgl. z. B. Vaishu. a. 2009).

Im dritten Lebensjahr wird Sprache als Kommu-nikationsmittel zwischen den Kindern immer wich-tiger. Gerade eng vertraute Kinder – die sich dannauch als Freunde bezeichnen – spielen vermehrtkomplexere Interaktionsspiele und Vorformenvon Rollenspielen. Auch bei der Lösung vonKonflikten greifen Kinder dann bereits aufSprache zu rück.

Im folgenden Interview gibt Dr. Monika Wertfeineinen Überblick, wie man die sozialen und emo-tionalen Kompetenzen von Kindern in den erstendrei Lebensjahren in der Praxis stärken kann.

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28 D A S K I N D U N D S E I N E K O M P E T E N Z E N I M M I T T E L P U N K T

Ein positives emotionales Klima ist ausschlag-gebend – Interview mit Monika WertfeinDr. Monika Wertfein ist wissenschaftliche Refe -rentin am IFP und hat u.a. die Arbeits schwer -punkte: Bildung, Erziehung und Betreuung vonKindern unter drei Jahren & Entwicklung, Diag -nostik und Förderung sozioemotionaler Kom -pe tenzen.

Sie haben beschrieben, wie wichtig ein positi-ves emotionales Klima und das Sprechen überEmotionen für die Entwicklung der sozial-emotionalen Kompetenzen von Kindern ist. In -wieweit trifft das auch für unter Dreijährige zu?Ein positiv-emotionales Klima wirkt eher indi-rekt und unabhängig vom Alter: Ein einjährigesKind wird von einem positiv-emotionalen Klimaalso genauso positiv beeinflusst wie ein neun-jähriges Schulkind. Ein positiv-emotionalesKlima zeichnet sich durch hohen Zusammen -halt, konstruktive Problemlösung bzw. Konflikt -lösung, weniger Konflikte und auch wenigerFeindseligkeit und mehr Positivität aus. DerSchwer punkt liegt auf positiven Gefühlen wiebeispielsweise Freude.

Das Sprechen über Emotionen oder auch dasEmotionscoaching beinhaltet mehrere Dinge:Zum Beispiel die Hilfe beim Benennen vonGefühlen. Das geht auch schon bei Kindern abdem ersten Lebensjahr. Auch wenn KinderGefühle nicht benennen können, kann man siesprachlich dabei begleiten. Das fördert nichtnur ihre emotionale, sondern auch die sprachli-che Entwicklung. Schon bei Säuglingen kannman bereits unterschiedliche Stimmungenbeobachten und ihnen diese durch dasImitieren ihres Gesichtsausdrucks spiegeln.Anhand des Gesichtsausdrucks ihres Gegen -übers können sie leichter erkennen, wie sie sichfühlen. Das Zentrale dabei ist, die Gefühle ernstzu nehmen und den Kindern zu zeigen, dassGefühle wichtig sind. Ein weiteres Thema, dasauch in jedem Alter wichtig ist, ist die Fein -fühligkeit: Das heißt zu schauen: Was ist gera-

de beim Kind? Welche Bedürfnisse des Kindeskann ich ablesen? Egal ob Kinder schon spre-chen oder sich vor allem nonverbal äußern.Und wie kann ich als Erwachsene(r) daraufangemessen reagieren?

Wie kann man ein positiv-emotionales Klimain größeren Gruppen wie der Kindertages ein -richtung oder Kindertagespflege gewährlei-sten?Aus der Forschung von Lilo Ahnert wissen wir,dass eine feinfühlige pädagogische Fachkraftimmer die Gruppe und die einzelnen Kinder imBlick hat. Das ist in gewisser Weise immer auchein Spagat. Nicht immer wird man es schaffen,wirklich jedem einzelnen Kind gerecht zu wer-den, aber darüber hinaus die Gruppe nicht zuvergessen. Situationen, in denen Kinder starkeEmotionen zeigen – also z. B. sehr wütend oderauch traurig oder ängstlich sind – können vonEltern und Fachkräften als Chance genutzt wer-den, um den Kindern nahe zu sein und dieBeziehung zu intensivieren. Solche Situationenkönnen auch häufig Stress für die ganzeGruppe bedeuten, sodass man oft dazu ten-diert, das Kind nur beruhigen oder ablenken zuwollen. Gerade in solchen Situationen kommtes aber darauf an, einen ganz intensivenKontakt mit dem Kind herzustellen und ihm zuvermitteln: Deine Gefühle sind wichtig undwerden ernst genommen. Dazu gehört auch,sich genügend Freiraum dafür zu schaffen, sichzu sagen: „Da ist jetzt ein Kind, das mich imMoment ganz besonders braucht.“ Dann kannman vielleicht durch Blickkontakt mit der ande-ren Fachkraft vereinbaren, dass man sich jetztfür eine kurze Zeit nur um das eine Kind küm-mert. Und es dauert auch nicht so lang. Dasmüssen nicht Stunden sein, um dem Kind zuzeigen: Ich bin für dich da, auch wenn du trau-rig oder wütend bist. Besonders in derEingewöhnungsphase ist das von ganz hoherWichtigkeit, denn hier müssen die Kinder mitsehr starken Emotionen, wie z. B. Trennungs -angst zurechtkommen

Ein positives emotionales Klima

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D A S K I N D U N D S E I N E K O M P E T E N Z E N I M M I T T E L P U N K T 29

Konflikte zwischen Kindern sind nicht nurzuhause ein Thema. Wie und wann solltenEltern, pädagogische Fachkräfte oder Tages -eltern einschreiten? Wann sollten sie sich eherzurückhalten?Zunächst würde ich sagen: Kinder brauchenandere Kinder, und in vielen Konfliktsituationenbrauchen sie die Erwachsenen nicht. Und gera-de was Konflikte angeht, sind die Aus -einandersetzungen zwischen Gleichaltrigeneine Möglichkeit, selbstständige Konflikt- undProblemlösestrategien zu erproben und ein-zuüben. Da würden die Erwachsenen auch eherstören, wenn sie diesen Prozess unterbrechenoder den Kindern eigene Lösungen anbietenwürden. Dann gibt es aber auch Situationen,wo Kinder wichtige Grenzen überschreiten. Ichdenke, dass Eltern und pädagogische Fach -kräfte zum Beispiel verhindern sollten, dassKinder in eine Außenseiterolle geraten, wennsie zum Beispiel häufig sehr aggressiv und feind-selig reagieren. In diesem Fall setzt man Gren -zen, um Ausgrenzungsprozessen vorzubeugen.

Generell halte ich die Beobachtung undDokumentation für einen wichtigen Schlüsselfür hohe Qualität in Einrichtungen. Sich alsErwachsener zuerst einmal zurückzunehmen

und zu beobachten, worum es bei dem Konfliktder Kinder geht und welche Konfliktlösungs -strategien die Kinder anwenden. Als Erwach -sener sollte man von Fall zu Fall entscheiden,wann man interveniert – aber immer individuellauf die jeweilige Situation zugeschnitten.

Wenn man die Kinder unter 3 Jahren imBesonderen in den Blick nimmt, weiß man ausder Forschung, dass frühkindliche „Aggres -sionen“ häufig auch eine natürliche spieleri-sche Kontaktaufnahme sind. Was man auchwissen muss, ist, dass gerade im ersten Lebens -jahr Kinder noch nicht so viel und ausgeprägtesWissen über Personen haben. Sie müssen erstherausfinden, wie sie mit Gleichaltrigen, jünge-ren und älteren Kindern, aber natürlich auchErwachsenen umgehen können. Und da kannmanchmal ein etwas gröberer Umgang zwi-schen den Kindern ganz normal sein, wenn bei-spielsweise ein Kind über das andere krabbelt.Wichtig ist, dass Kinder auch in Konflikten sehrviel lernen und ihre sozialen Kompetenzen aus-bauen können.

Umsetzung in die pädagogische Praxis

Welchen Einfluss haben die Bezugspersonen –Eltern, Großeltern, Fachkräfte – auf die emotiona-le Entwicklung der Kinder? Welche Bedeutunghaben die eigenen emotionalen Erfahrungen,wenn es um pädagogisches Handeln geht?

Reflexion der eigenen Haltung – das Konzept der„Meta-Emotion“ Hier kommt ein Konzept ins Spiel, das diesen Zu -sammenhang sehr gut erklären kann und vieleAnregungen für die Reflexion der eigenen päda-gogischen Haltung und des eigenen pädagogi-schen Handelns mit sich bringt: das Konzept der

Meta-Emotion (Gottman 1997). Alle Erwachsenenhaben im Laufe ihres Lebens vielfältige Erfah -rungen mit eigenen Emotionen und denen ande-rer gemacht. Diese Erfahrungen werden alsMetaemotion – als Wissen über Emotionen –gespeichert. John Gottman und Lynn Katz (1997)erforschten in mehreren Untersuchungen, wie diemetaemotionalen Konzepte der Eltern mit demjeweiligen Erziehungsverhalten zusammenhän-gen. Dabei wurde deutlich, dass erwachsene Be -zugspersonen, die Emotionen bei sich selbst undanderen akzeptieren und offen mit ihnen umge-hen, dies auch in der Beziehung mit Kindern tun.

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30 D A S K I N D U N D S E I N E K O M P E T E N Z E N I M M I T T E L P U N K T

Wie gehe ich selbst mit meinen Emotionenum?Welche Emotionen erlaube ich mir zu zeigen?Welche Strategien habe ich selbst entwickelt,um Emotionen zu regulieren?Gibt es für mich Emotionen, die man zeigendarf und solche, die man besser versteckensollte?

Mache ich einen Unterschied zwischenMädchen und Jungen, wenn es darumgeht, Emotionen zu äußern und mit ihnenumzugehen?Gehe ich offen auf Kinder zu, die Emoti -onen zeigen? Oder versuche ich möglichstschnell abzulenken, zu bagatellisieren, rea-giere vielleicht mit Nichtbeachtung?

Fragen zur Reflexion

„Ein Indianer kennt keinen Schmerz“

Ein Vater erlebte in seiner Kindheit und Jugend,dass es häufig negativ oder als „unmännlich“bewertet wurde, wenn er Emotionen zeigte:„Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ „Du bist jaeine Heulsuse.“ Diese Erfahrungen speicherteer als Wissen über Emotionen ab. Und diesesmetaemotionale Wissen beeinflusst ihn nunselbst sehr stark in der Interaktion mit seinenbeiden Kindern. Wenn sein Sohn ängstlich ist,

versucht der Vater das Problem – und damitauch die Emotion – zu bagatellisieren: „Das istdoch nicht so schlimm, davor brauchst du dochwirklich keine Angst zu haben.“ Seine Tochterdagegen ermuntert er manchmal sogar, überihre Ängste zu sprechen. Hier wird deutlich, wiedie eigenen Konzepte über Emotion einen star-ken Einfluss auf die Interaktion mit den Kindernnehmen können.

Sie behandeln auch Emotionen der Kinder alsAnlass zur Interaktion und Kommunikation. Diesführt zu einer Stärkung der kindlichen emotionalenKompetenzen. Kinder, deren Emotionen akzep-tiert werden und die Unterstützung bei der Re -gulation erfahren, können besser mit diesenGefühlen umgehen.

Erwachsene Bezugspersonen, die dagegen Emo -tionen eher als störend wahrnehmen oder ihnen

kaum Aufmerksamkeit widmen, tendieren dazu,diese Haltung auch bei Gefühlen des Kindes ein-zunehmen. Vor allem negative Emo ti onen werdendann bagatellisiert, Ablenkungsstra te gien ange-wen det oder diese Gefühle z. T. auch bestraft.Kinder können in solchen Interaktionen wenig ler-nen. Sie integrieren höchstens das Konzept, dasses wenig sinnvoll ist, Emotionen zu zeigen. Diewichtige emotionale Kompetenz – die Fähigkeit,seine Emo tionen sinnvoll zu regulieren – wirdnicht gestärkt.

Für die pädagogische Arbeit mit Kindern ist es hilf-reich, für sich oder auch zusammen im Team den

Umgang mit Emotionen bei sich selbst und in Be -zug auf die Kinder zu reflektieren.

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Emotionstraining – emotionale Kompetenzen imDialog stärkenEine sehr gute Möglichkeit, die soziale und emo-tionale Entwicklung des Kindes zu unterstützen,bietet das „Emotionstraining“ (vgl. Gottman1997;Graf 2005). Im Emotionstraining werden die kind-lichen Emotionsäußerungen genutzt, um imDialog entwicklungsangemessen die emotiona-len Kompetenzen von Kindern zu stärken. DasEmotionstraining wird in Elterntrainings (z. B.„Familienteam“, Graf 2005) mit großem Erfolgangewendet. Es geht dabei darum,

sich der Gefühle der Kinder bewusst zu werden,die Gefühlsäußerungen der Kinder als Gele -genheit zu begreifen, ihnen nahe zu sein undetwas zu vermitteln,mitfühlend zuzuhören und die kindlichen Ge -fühle zu bestätigen,dem Kind zu helfen, seine Gefühle in Worte zufassen,Grenzen zu setzen, dem Kind aber gleichzeitigdabei zu helfen, das akute Problem zu lösen(Gottmann 1997, S. 101).

Bei Kindern in den ersten Lebensjahren wird derErwachsene seine Kommunikation ganz beson-ders auf das Kind abstimmen. Denn: Eine rein ver-bale Kommunikation ist für das Kleinkind oderden Säugling in vielen Fällen nicht das richtigeMittel. Ergänzend sollten Mimik, Gestik und eineentsprechende Lautierung („Baby Talk“) einge-setzt werden, indem man z. B. den Gesichts aus -druck des Kindes spiegelt und dazu spricht. Aberauch Körperkontakt und sanfte Berührungen spie-len eine große Rolle im emotionalen Dialog mitjungen Kindern, z. B. ein Baby zu tragen oder esleicht zu schaukeln. Gute Beispiele für diese emo-tionalen Dialoge finden sich bei Daniel Stern(2006, 2009).

Sich feinfühlig auf die Emotionen der Kinder ein-zulassen und sie aktiv bei deren Regulation zuunterstützen, kann sehr anstrengend und heraus-fordernd sein und berührt oft auch eigeneErfahrungen. Zögern Sie nicht, sich dann Unter-stützung zu holen oder dies in der kollegialenBeratung oder Supervision anzusprechen.

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32 D A S K I N D U N D S E I N E K O M P E T E N Z E N I M M I T T E L P U N K T

Lina und David, beide zweieinhalb Jahre alt,besuchen schon lange dieselbe Kindertages -einrichtung. Sie sind eng miteinander vertrautund spielen sehr häufig miteinander. Die bei-den sind schon gut in der Lage, kleinereKonflikte selbstständig zu lösen und habenschon einige Regeln, die für ihre Interaktiongelten, aufgestellt. So lassen sie nun – nachmehreren lauten und tränenreichen Konflikten –das jeweilige Kuscheltier des anderen in Ruheund genießen sichtlich ihre Nähe. Heute gera-ten sie jedoch in Streit, weil sie beide gleichzei-tig zuerst auf das neu angeschaffte Trampolinwollen. Zunächst bleibt der Konflikt auf einerverbalen Ebene, aber dann greift Lina zu einerdrastischen Lösung und beißt David in den Arm.Hier ist das schnelle und energische Eingreifender Fachkraft erforderlich. Sie trennt die bei-den, tröstet David und spricht anschließend

den Konflikt mit den Kindern in Ruhe durch.Dabei verbalisiert sie die Emotionen derKinder: „Ihr wolltet beide unbedingt zuerst aufdas Trampolin und dann wurdet ihr richtigwütend aufeinander, stimmt das?“ Lina nickt.„Und dann hast du (Lina) nicht mehr gewusst,was du machen solltest. Dann hast du David inden Arm gebissen.“ Lina nickt und fängt selbstan zu weinen. „Du weißt aber, dass Kinderandere Kinder nicht beißen dürfen? Schau,David weint immer noch. Es hat ihm sehr wehgetan.“ Möglicherweise werden in diesemDialog neue Regeln aufgestellt (z. B., dasshöchstens ein Kind alleine auf das Trampolindarf und die Kinder sich „anstellen“ müssen)oder bereits bestehende Regeln (kein Kind darfein anderes Kind beißen / schlagen) noch ein-mal durchgesprochen.

Freundschaften und Beziehungen zwischenKindern stärkenSoziale Beziehungen und Freundschaften zwi-schen Kindern stellen eine große Ressource fürdas Kind dar. Ein ko-konstruktives Bildungsver-ständnis als Maßstab heranzuziehen, hilft auchhierbei weiter: Alle am Bildungsprozess beteilig-ten Personen und Kinder nehmen eine aktiveRolle ein und betrachten sich auf gleicher Augen -höhe. Zur aktiven Rolle der pädagogischen Fach -kraft gehört es, die Interaktionen der Kinder zubeobachten und auch an sie rückzumelden.Wenn z. B. zwei Kinder einen Konflikt um einbestimmtes Spielzeug alleine gelöst haben, kanndie Fachkraft darauf eingehen, die Kinder inihrem Verhalten bestärken und die Lösung verba-lisieren: „Sumeia und Peter, ich habe euch gerade

zugeschaut. Gerade habt ihr euch noch gestritten,jeder von euch wollte den Bären haben. Vor lau-ter Wut habt ihr sogar beide angefangen zu wei-nen. Aber dann habt ihr euch wieder beruhigt.Peter ist zu den Autos gegangen und Sumeia haterst einmal lange aus dem Fenster geschaut. Undjetzt spielt ihr wieder miteinander.“ Mit diesemVorgehen kann man dazu beitragen, dass dieKinder ihre Konfliktlösung nicht als Zufallsproduktsehen. Auf diese Weise werden ihr Selbstvertrau-en, ihre Selbstwirksamkeit gestärkt und es kannerreicht werden, dass die Kinder ein Selbstbild alssozial kompetente Personen entwickeln.

Zur aktiven Rolle der Fachkraft gehört es auch, inSituationen, die die sozialen und emotionalenFähigkeiten der beteiligten Kinder überfordern,einzugreifen.

Praxisbeispiel: Konflikte zwischen Kindern

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D A S K I N D U N D S E I N E K O M P E T E N Z E N I M M I T T E L P U N K T 33

Kommunikative Kompetenzen werden als Schlüssel-qualifikationen definiert. Sie sind grundlegendeVoraussetzung für die emotionale und kognitiveEntwicklung von Kindern und wesentlicher Be -standteil aller anderen Kompetenz- und Bildungs-bereiche. Die Bedeutung der kommunikativenKompetenzen in den ersten Lebens jahren, deren

Entwicklungsprozess sowie deren Stärkung impädagogischen Alltag im Überblick darzustellen,ist nicht möglich, ohne – wie in diesem Kapitel –eine Reihe von Teilbereichen zu thematisieren.Denn die kommunikative Kompetenz gibt es nicht,vielmehr beinhaltet sie eine Reihe von sprachli-chen sowie nichtsprachlichen Kompetenzen.

2.3 Kinder in ihren kommunikativenKompetenzen stärken

Bedeutung von kommunikativen Kompetenzen unter der BEP-Lupe

Kommunikative Kompetenzen sind Voraussetzungfür die Schul- und Bildungschancen von Kindern.„Kommunikationsfreudige und medienkompetenteKinder“ lautet daher eine der fünf Bildungsvisio -nen des Hessischen Bildungs- und Erziehungs -plans.

Jedes Kind hat entsprechend seiner Bedürfnisse,Interessen und Möglichkeiten seine eigene, ganzpersönliche Sprache – auch geprägt von seinemjeweiligen kulturellen und sozialen Kontext. DenReichtum der sprachlichen Fähigkeiten jedes ein-zelnen Kindes gilt es zu entdecken und zu verste-

hen und sich wertschätzend darauf einzulassen.„Kommunikation wird so gestaltet, dass sich alleausdrücken können und alle verstanden werden“(Heimlich & Behr 2008, S. 58).

Die Stärkung der kommunikativen Kompetenzendes Kindes geschieht nicht isoliert, sondern stelltein durchgängiges Prinzip im pädagogischenAlltag dar – stets eingebettet in Kommunikationrund um Themen und Handlungen, an denenKinder interessiert sind und die für sie Sinn erge-ben. Sprachliche Bildung findet in allen Bildungs -bereichen statt.

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Sprache entwickelt sich in den ersten Lebensjah -ren in vielfältigen Settings, vor allem in derFamilie. Gerade bei Kindern unter drei Jahren istes daher wichtig, eine enge, vertrauensvolle undpartnerschaftliche Zusammenarbeit mit denEltern zu pflegen, sie als Mitgestalter der Bildungihres Kindes mit einzubeziehen und Sprachge -wohnheiten der Familie des Kindes mit Wert -schätzung zu begegnen. Dies gilt sowohl mit Blickauf deutschsprachig wie auch mehrsprachig auf-wachsende Kinder. Mehrsprachiges Aufwachsenwird im Hessischen Bildungs- und Erziehungsplannicht als Risiko, sondern vielmehr als Chancebegriffen und nimmt einen selbstverständlichenPlatz im Alltag der Einrichtung sowie in derKindertagespflege ein. Die Familiensprachen derKinder sind in den Einrichtungen nicht nur infor-mell unter den Kindern präsent, sondern erlebeneine besondere Wertschätzung: Das geschieht

durch aktive Einbeziehung von Eltern undFamilienangehörigen, mehrsprachige oder ori-ginalsprachliche Materialien in den Familien spra -chen (z. B. in Form von Liedern und Theater -stücken) bis hin zu der Beschäftigung von zwei-sprachigen Fachkräften.

Für den Altersbereich der unter Dreijährigenbedeutet dies vorrangig, Kinder von Anfang an inder Entwicklung ihrer individuellen Sprachkom -petenzen zu stärken, ihnen zu einem sprachlichenSelbstbewusstsein zu verhelfen und ihre Neu -gierde für die eigene Sprache sowie für dieSprache anderer zu wecken. Dies geschieht aufGrundlage von entwicklungspsychologischenKenntnissen zum Erst- und Zweitspracherwerbvon Kindern sowie zu den spezifischen Bedürf -nissen von mehrsprachig aufwachsenden Kindern.

Der Spracherwerb vollzieht sich nicht isoliert, son-dern ist eingebettet in die Gesamtentwicklungdes Kindes. Er ist untrennbar verbunden mit derSinnes-, motorischen, kognitiven und der sozial-emotionalen Entwicklung (guter Überblick zurSprachentwicklung des Kindes z. B. bei Weinert &Grimm 2008).

Sprache und SprachentwicklungIn den ersten Lebensjahren werden entscheiden-de Weichen für die weitere Sprachentwicklunggestellt. Von Geburt an sind Kinder mit den wich-tigsten Voraussetzungen ausgestattet, Sprache zuerwerben. Schon in den ersten Lebensmonatenbzw. bereits vor der Geburt haben sie Kenntnisseüber das Laut- und Sprachsystem ihrer Erstspra -che(n).

Bestimmte Stufen der Sprachentwicklung – soge-nannte Meilensteine – werden von fast allenKindern in der gleichen Reihenfolge durchlaufen.Jeden dieser Meilensteine erreichen einigeKinder jedoch viel früher und manche deutlichspäter. Jedes Kind erwirbt Sprache in seinemeigenen Tempo und verfolgt einen individuellenWeg bei seinem Spracherwerb. Diese Variabilitätin den sprachlichen Lern- und Entwicklungspro -zessen ist in allen Sprachen relativ ähnlich undmacht es gerade in den ersten Lebensjahrenschwer, allgemeingültige Altersangaben in Formvon Durchschnittswerten zu machen. Stattdessenorientiert man sich daher gerade in den erstenLebensjahren meist an Lern- und Entwicklungs-spannen, innerhalb derer die Mehrzahl der Kindereine bestimmte Lern- und Entwicklungsetappe

Entwicklungspsychologischer Hintergrund – Meilensteine der Entwicklung

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D A S K I N D U N D S E I N E K O M P E T E N Z E N I M M I T T E L P U N K T 35

durchläuft. Diese Angaben können – verbundenmit einer prozessorientierten systematischen Be-obachtung und Dokumentation der individuellenEntwicklung im Bereich „Sprache und Literacy“ –als Orientierungsrahmen sehr hilfreich sein.

Sprache umfasst sowohl das Sprachverständnis(Rezeptive Sprache) als auch die Sprachproduktion(Expressive Sprache). Mit „rezeptiver Sprache“ istgemeint zu verstehen, was andere sagen, schrei-ben oder gebärdensprachlich mitteilen. „Expres -sive Sprache“ bedeutet das eigene Sprechen,Schrei ben oder gebärdensprachliches Mitteilen. Sprachverstehen geht der Sprachproduktion vor-aus. Schon im Mutterleib kann das Kind die Stimmeseiner Mutter von anderen Stimmen unterschei-den und entwickelt bereits in den ersten Monateneine Sensibilität für Rhythmus, Betonung und Me -lo die seiner Erstsprache(n).

Die erste lautliche Äußerung des Kindes ist dasSchreien. Das Kind signalisiert aktiv seine Be -dürfnisse und die Bezugsperson reagiert entspre-chend darauf, indem sie den Säugling in derRegel auf den Arm nimmt, Blickkontakt aufnimmtund mit ihm spricht. So entwickelt sich der erstestimmliche Dialog. Auch wenn das Kind selbstnoch nicht spricht, hat es große Freude daran,

durch Mimik, Gestik und Körpereinsatz einen leb-haften Austausch mit seiner Bezugsperson zuhaben. „So entwickeln Mutter und Säugling ihreerste stimmliche Kommunikation, mit der sich ihrezwischenmenschliche Beziehung weiter ent-wickelt“ (Wendlandt 1992, S. 11).

Mit der Zeit kann das Kind sich die Bedeutunghäufig gehörter Wörter erschließen. Das erfolgtnicht nur durch Hören, sondern mit allen Sinnen –auch durch Sehen, Fühlen, Riechen und Schmecken.Nach der sogenannten „Lallphase“, in derLautverbindungen wie z. B. „dada“ oder „baba“produziert werden, beginnen Kinder etwa umden ersten Geburtstag herum allmählich einigeWörter, die sie verstehen, selbst zu sagen. Mitetwa 18 Monaten verfügen die meisten Kinderbereits über einen Wortschatz von etwa 50Wörtern. Dieser Schwelle wird in der Ent -wicklungspsychologie besondere Bedeutung bei-gemessen, denn von da an nimmt der Wortschatzrasant zu. Grimm (2003) spricht in diesem Zu -sammenhang von einer „Wortschatzexplosion“.Mehrere Forschungsbefunde weisen darauf hin,dieser 50-Wort-Schwelle hohe Aufmerksamkeit zuwidmen, da sie ein bedeutsamer Hinweis für spä-tere Auffälligkeiten sein kann.

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So hat sich gezeigt, dass bei einem Teil derKinder, die im Alter von zwei Jahren noch übereinen deutlich geringeren Wortschatz verfügen,auch in den folgenden Jahren Sprachentwick -lungs auffälligkeiten bis hin zu späteren Schwierig -keiten beim Schriftsprach erwerb zu beobachtensind.

Aus Einwortsätzen („Ball!“) werden Zwei- undDrei wortsätze („Katrin mehr haben“; „AnnaSchoß“). Der Satzbau wird immer anspruchsvollerund zwischen dem dritten und vierten Lebensjahrhat das Kind schließlich die Grundstruktur derErstsprache verinnerlicht und kann sich in zusam-menhängenden Sätzen ausdrücken. Dass derSpracherwerb nicht über bloße Nachahmungfunktioniert, sondern sich in einem komplexen,konstruktiven Prozess in Auseinandersetzung mitder Umwelt vollzieht, zeigt sich in diesem Alterauch an den kreativen Wortneuschöpfungen desKindes (z. B. „leitern“, „Männers“, „Kopfbürste“).

Die Fähigkeit, Fragen zu stellen, eröffnet demKind nun noch mehr Möglichkeiten, in sprachli-cher Form seinem Forscherdrang nachzukom-men. Der ko-konstruktive Prozess des Dialogs inForm von Fragen und Antworten erweitert fortlau-fend die sprachliche Ausdrucksfähigkeit desKindes.

Nonverbale KommunikationDie Sprachentwicklung beginnt schon sehr frühund lange vor der Produktion erster Wörter. Inden ersten Lebensjahren spielt dabei die nonver-bale Kommunikation eine entscheidende Rolle.Von Anfang an tritt das Kind aktiv mit seinerUmwelt in soziale Interaktion und ist auf vielfältigeWeise bemüht, mit anderen Menschen zu kom-munizieren – durch Mimik, Gestik, Körpersprache,Blickkontakt und Laute. Werden seine Signalewahrgenommen und wird entsprechend daraufreagiert, so fühlt sich das Kind verstanden undentwickelt Freude und Interesse an diesem wech-selseitigen Austausch. Der Säugling macht so dieentscheidende Erfahrung, dass er seine Bedürf -nisse verständlich kommunizieren kann und damiteine entsprechende Reaktion bewirkt. Wichtig da -bei ist, dass diese Reaktionen der Bezugs personverlässlich und wiederholt stattfinden. Nur so ge -winnt der Säugling Vertrauen in die eigene Wirk -samkeit. Diese Erfahrung ist für die weitere emo-tionale und soziale Entwicklung entscheidend.

Eine weitere entscheidende Voraussetzung fürdie Entwicklung von Sprache ist die Fähigkeit zurgeteilten Aufmerksamkeit seitens des Kindes. EinSäugling ist noch sehr stark ablenkbar und es fälltihm schwer, Hintergrundgeräusche auszublendenund sich gezielt auf seinen Dialogpartner zu kon-zentrieren. Indem die Bezugsperson die geteilteAufmerksamkeit des Säuglings z. B. durch Blick -kontakt, deutliche Mimik oder betonten Tonfallsicherstellt, unterstützt sie maßgeblich das Spra -chenlernen des Kindes (vgl. Wirts in Druck).

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Zwei- und MehrsprachigkeitEin großer Teil der Kinder wächst nicht nur miteiner Sprache, sondern zwei- oder mehrsprachigauf. Manche Kinder lernen von Geburt an zweioder sogar mehrere Sprachen, da ihre Elternunterschiedliche Sprachen sprechen (primärerBilingualismus) oder erwerben zu einem späterenZeitpunkt eine oder mehrere Sprachen zusätzlichzu ihrer Erstsprache (Zweitspracherwerb). In denersten Lebensjahren kommt es dabei häufig zueiner Vermischung der Sprachen. Das ändert sichhäufig meist spätestens ab dem 4. Lebensjahr vonselbst, denn das Kind erkennt dann, dass ver-schiedene Personen unterschiedliche Sprachensprechen, und es lernt, von einer Sprache auf dieanderen umzuschalten (code-switching).

Die Sprachentwicklung in der zweiten Spracheverläuft auf ähnliche Weise wie die Entwicklungder Erstsprache. Dem Produzieren eigenerWörter in der für das Kind neuen Sprache geht z.B. die Entwicklung des Sprachverständnisses vor-aus. Mehrsprachig aufwachsende Kinder sindjedoch keine einheitliche Gruppe, sondern habensehr viele unterschiedliche Biografien und Erfah -run gen damit, wie die Mehrsprachigkeit in derFamilie praktiziert wird.

Ein Kind hat zu seiner Erstsprache einen beson-deren emotionalen Bezug. Es ist wichtig, dass dasKind auf seine bereits vorhandenen Kompeten-zen in der Erstsprache zurückgreifen kann undseine Erstsprache sowie auch der kulturelleKontext des Kindes wertgeschätzt und zugleichgestärkt werden. Dies gilt auch für den Dialekteines Kindes.

Auffälligkeiten in der SprachentwicklungDer Hessische Bildungs- und Erziehungsplan stelltdas kompetente Kind mit seinen Stärken und Res -sourcen in den Mittelpunkt. Pädagogisches Han -deln setzt nicht an den Defiziten und Schwächenan, sondern vielmehr daran, was das Kind schonalles kann, weiß und versteht. Dabei wird berück-sichtigt, dass jedes Kind sein individuelles Lern-und Entwicklungstempo hat und dass sich Lernenund Entwicklung in unterschiedlichen Bereichenbei ein und demselben Kind auch deutlich unter-scheiden können. Dies darf aber nicht dazu ver-leiten, erhebliche Auffälligkeiten in der Sprach-ent wicklung zu ignorieren.

Zu den häufigsten Entwicklungsstörungen zählenAuffälligkeiten in der Sprachentwicklung. Werdendiese nicht möglichst frühzeitig erkannt und imRahmen spezifischer Sprachförderung begleitet,kann dies weit reichende Auswirkungen nicht nurauf die Sprachentwicklung, sondern auch aufandere Entwicklungsbereiche sowie vor allemauch auf das Selbstbild des Kindes haben.Gerade in den ersten Lebensjahren ist es jedochaufgrund der sehr unterschiedlichen Entwick -lungsverläufe nicht ganz einfach, eine sichereDiagnose zu stellen. Mehrere Forschungsbefundewidmen in diesem Zusammenhang der bereitsweiter oben beschriebenen 50-Wort-Schwellebesonderes Augenmerk, da sie ein bedeutsamerHinweis für spätere Auffälligkeiten sein kann. ZurEinschätzung, ob der aktive Wortschatz eines Kin-des mit zwei Jahren weniger als 50 Wörterbeträgt, sind gezielte Elternfragebögen sehr hilf-reich, die aus entsprechenden Wortlisten sowieFragen zur sonstigen Sprachentwicklung desKindes bestehen (z.B. Grimm & Doil 2006 odervon Suchodoeltz & Sachse 2009).

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Literacy in den ersten LebensjahrenEs gibt keine passende deutsche Übersetzung,die die umfassende Bedeutung des Begriffes„Literacy“ widerspiegelt. „Lese- und Schreibkom -petenz“ oder „Literalität“ greifen zu kurz undführen häufig zu der Annahme, Literacy beziehesich lediglich auf Lesen und Schreiben bzw. aufbestimmte Grundfertigkeiten, die zu lernen sind,bevor das Kind mit dem „richtigen“ Lesen undSchreiben beginnt. Es gibt aber keine „Vorstufen“von Literacy. Vielmehr ist Literacy ein lebenslan-ger Prozess, der sehr früh beginnt und in denersten Lebensjahren vor allem vielfältige Er -fahrungen rund um Buch-, Erzähl-, Reim- undSchriftkultur sowie Medien beinhaltet (eine Über-sicht vgl. Whitehead 2007). Diese Erfahrungenkönnen z. B. darin bestehen, gemeinsam Bilder-bücher zu betrachten, Geschichten vorgelesenoder erzählt zu bekommen und auch selbstGeschichten zu erzählen. Literacy beinhaltet auchdas Entdecken von Symbolen, Zeichen, Buchsta -ben oder auch die Erfahrung, selbst Spuren zuhinterlassen – sei es durch eigenes Kritzeln undMalen oder einfach, indem das Kind mit demFinger im Sand malt und so Zeichen und Symboleerzeugt. Kinder beginnen auch schon sehr frühmit ersten Schreibversuchen, indem sie beispiels-weise ihrer Mama einen Kritzelbrief „schreiben“oder ihre Zeichnung „unterschreiben“. Dabei tunsie so, als ob sie Schrift bereits beherrschen undentwickeln auf diese Weise eine Vorstellung überGebrauch und Funktion von Symbolen.

All dies sind wichtige Lernerfahrungen, die sichpositiv auf die Sprachentwicklung auswirken undschon sehr früh den Grundstein für eine positiveEinstellung zum Lesen, zu Büchern und zumUmgang mit Medien legen. Untersuchungenhaben gezeigt, dass Literacy-Erfahrungen in derfrühen Kindheit nachweislich den Schulerfolg unddie Bildungslaufbahn beeinflussen. Im Sinne derChancengleichheit ist es daher umso wichtiger –insbesondere für Kinder aus „lesefernen“ Familien– Literacy als festen Bestandteil des Konzeptssprachlicher Bildung in allen Kindertageseinrich -tungen zu integrieren.

Ein Teilaspekt von Literacy bezieht sich auf dasWahrnehmen und Analysieren der Lautstrukturgesprochener Sprache. Dieses Bewusstsein fürSprachrhythmus und für die lautliche Gestalt vonSprache bezeichnet man als „PhonologischeBewusstheit“. Ihr wird in der Forschung besonde-re Aufmerksamkeit geschenkt, da ein deutlicherZusammenhang zum späteren Schriftspracher -werb nachgewiesen werden konnte. Zur Phono-logischen Bewusstheit im weiteren Sinn zählt z. B.das Wahrnehmen von Silben- und Wortgrenzensowie von Reimen. Bei Fingerspielen, Reimen undLiedern hat das bereits auch für Krippenkindergroße Bedeutung.

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Frühe Medienkompetenz Von Anfang an bilden Medien heute einen Teil derLebenswelt der meisten Kinder, die darauf mitgroßer Neugier und Interesse reagieren. Kindermachen bereits in den ersten Lebensjahren vielfälti-ge mediale Erfahrungen, sei es mit Bilderbüchern,Musik- oder Hörspiel-CDs, Telefon, Handy, Fern -sehen oder Radio. Die Kindheit wie auch das ge -samte weitere Leben ist von Medien geprägt. Umsowichtiger ist es, Kinder schon sehr früh entwick-lungsangemessen in einem verantwortungsvollenUmgang mit Medien zu stärken und sie dabei zuunterstützen, sich in einer komplexen Medienweltzurecht zu finden.

Eine Grundvoraussetzung für das Verständnis vonMedien, das sogenannte „Symbolverständnis“,ent wickelt sich bereits sehr früh. In der Interaktionmit einer engen Bezugsperson entwickelt dasKind circa zum Ende des ersten Lebensjahres dieFähigkeit, sich etwas zeigen zu lassen und ande-ren etwas zu zeigen (vgl. dazu Fthenakis u. a.2009, S. 67).

Um die Handlung einer Medienfigur in einemHörspiel oder einer Fernsehsendung nachvollzie-hen zu können, muss das Kind neben dem grundle-genden Symbolverständnis einige entscheidendekognitive Fähigkeiten entwickelt haben. So ist eingrundlegendes Bewusstsein dafür notwendig, wasandere Menschen fühlen, denken oder wissen kön-nen. Diese Fähigkeiten bezeichnet man als Theoryof Mind (vgl. dazu Kap. 2.5). Eine weitere wesentli-che Voraussetzung stellt die Fähigkeit dar, Realitätund Fiktion unterscheiden zu können. Dazu sindKinder zwar prinzipiell bereits ab etwa zwei Jahrenin der Lage, was sich an ihrer großen Freude an„Als-ob-Spielen“ besonders deutlich zeigt (vgl. Kap.2.5). Diese Fähigkeit jedoch auch auf mediale

Inhalte anzuwenden ist für Kinder, je nach Art undDarstellung, noch sehr schwierig und bedarf einerstetigen Reflexion gemeinsam mit Erwachsenen.

Andererseits eröffnen sich durch Medien vielfältigeLernchancen, die sich bei der Gestaltung von ko-konstruktiven Bildungsprozessen optimal nutzenlassen. Dazu gehören z. B. die Dokumentation derLernprozesse der Kinder durch Videoauf -zeichnungen oder die Möglichkeit für die Kinderselbst, ihre Ideen zum Ausdruck zu bringen oderum Emotionen zu verarbeiten. Selbst Computer -nutzung kann unter guten Bedingungen Inter ak ti -onen anregen und metakognitive Lernprozesse inGang setzen (vgl. Bowman u. a. 2001). Voraus -setzung ist es dabei, geeignete Inhalte auszuwählenund das Medium in Interaktion mit einerBezugsperson zu nutzen. Auch der Umgang mittechnischen Medien – z. B. den CD-Player oderKassettenrecorder selbstständig zu bedienen –kann schon im frühen Alter unterstützt werden.

Medien sind sowohl Gegenstand als auch Mitteldes Lernens und lassen sich auf vielfältige Weise mitanderen Bildungsbereichen verknüpfen. Ent -sprechend dem ko-konstruktiven Bildungsver -ständnis, das dem Hessischen Bildungs- undErziehungsplan zugrunde liegt, versteht sich dieStärkung von Medienkompetenz als sozialerProzess, der sich in Interaktion mit Erwachsenenund anderen Kindern vollzieht. Kinder entwickelnein nachhaltiges Sinnverständnis von Medien nurdann, wenn eine Auseinandersetzung im Dialogund Austausch mit anderen passiert.

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Umsetzung in die pädagogische Praxis

Das Gesprächsverhalten der jeweiligen Bezugs-per son des Kindes spielt eine besondere Rolle imProzess der Sprach- und Literacyentwicklung. Inden ersten Lebensmonaten sind dies meist vor-rangig die Eltern. Mit zunehmendem Alter desKindes haben Fachkräfte in Kindertageseinrich-tungen, der Kindertagespflege und später in derGrundschule entscheidenden Anteil an derSprach- und Literacyentwicklung.

Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Elternin ihrem Sprachstil intuitiv meist erstaunlich genaudem sprachlichen Entwicklungsniveau ihres Kin -des anpassen. Hannelore Grimm spricht in diesemZusammenhang von einer „optimalen Passung“zwischen den Fähigkeiten des Säuglings und derBegleitung durch die Umwelt (2003, S. 50): Mitsehr kleinen Kindern spricht man meist automa-tisch und wie selbstverständlich überbetont ineiner höheren Tonlage, langsamer und deutli-cher, macht mehrere Pausen und begleitet dieeigene Sprache mit ausgeprägter Mimik.Erwachsene verwenden im Kontakt mit sehr klei-nen Kindern eine sogenannte „gerichteteSprache“ – auch als „Ammensprache“ oder „BabyTalk“ bezeichnet –, indem sie Blickkontakt herstel-len und die Sprache direkt und betont an dasKind richten. Mit fortschreitender Entwicklung desKindes wird zunehmend in Dialog- bzw.Gesprächsform kommuniziert. Die Sprache istnun auf die Erweiterung des Wortschatzes ausge-richtet. Diese, in der Fach literatur häufig als „stüt-

Guck-guck-da-Spiele

Im Kleinkindalter sind Guck-guck-da-Spiele einehervorragende Möglichkeit, die Sprache derKinder auf spielerische und lustbetonte Weise zustärken. Dabei werden Gegenstände oderKörperteile – häufig Gesichter – versteckt: „Wo istdenn die Anna? Oh, die Anna ist verschwunden…Da ist ja die Anna!“ Vor allem Wickelsituationeneignen sich besonders gut dafür: „Jetzt ziehenwir wieder deine Hose an … Ja, wo ist denn jetztder kleine Fuß vom David? Jetzt ist er verschwun-den! Ich kann ihn gar nicht mehr sehen. Wo ist erdenn nur? Jetzt sehe ich ihn! Ja, da ist der kleine

Fuß vom David!“ Je älter das Kind wird, umsomehr wird es selbst zum Akteur und steuert dasSpiel. Guck-guck-da-Spiele bieten die Möglich -keit, in unzähligen Wiederholungen mit Stimmeund Sprache zu experimentieren und dabei dieErfahrung zu machen, dass die eigene Spracheetwas bewirkt. Die sprachlichen Inhalte stehendabei nicht im Vordergrund, sondern sind derSpielstruktur untergeordnet. Guck-guck-da-Spieleschaffen Geborgenheit und Sicherheit. Kindergenießen die körperliche Nähe, die damit ver-bunden ist.

Sprache entwickelt sich nur in Interaktion, also ineinem ko-konstruktiven Prozess, der auf die ge -meinsame Erforschung von Inhalten und Be -deutungen ausgelegt ist. Noch bevor das Kind zusprechen beginnt, wird im spielerischen Aus -tausch mit einer Bezugsperson der Grundstein fürdie spätere kommunikative Kompetenz gelegt.Die Art und Weise, wie man sich in sozialen Inter-

aktionen verhält und mit anderen Menschen kom-muniziert, kann schon in frühen Jahren durch Spielewie etwa „Guck-guck-da“ oder „Nimm-und-gib“beeinflusst werden. Diese Spiele zeichnen sichdadurch aus, dass das Kind zwischen aktiver undpassiver Rolle hin und her wechselt, vergleichbarmit dem Wechsel zwischen Sprecher und Zuhörerin Gesprächssituationen (vgl. Winner 2007).

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zende Sprache“ bezeichnet, geht bei älterenKindern in eine „lehrende Sprache“ über (mothe-rese), die von vielen Fragen oder korrigierendenWiederholungen geprägt ist. Damit ist nichtgemeint, das Kind bei Fehlern zu belehren oderexplizit auf den Fehler aufmerksam zu machen,sondern vielmehr das Wort oder den Satz aufzu-greifen und in richtiger oder vollständiger Formzu wiederholen und z. B. durch eine Frage zuerweitern.

Kinder können nur dann lernen, wenn sie Fehlermachen dürfen. Fehler sind oft ein Zeichen dafür,dass die Kinder sich intensiv mit einer Sache aus-einandersetzen und auf dem richtigen Weg sind.Kinder auf einen Fehler explizit hinzuweisen,nimmt ihnen die Lust am Experimentieren mit derSprache. Wird hingegen das Gesagte richtig wie-derholt und das Kind mit einer zusätzlichen Frageeingeladen, den Dialog fortzusetzen, drückt dasdie Wertschätzung der Äußerungen des Kindesaus und regt es dazu an, den Fehler selbstständigzu erkennen und beim nächsten Mal zu vermeiden.

Ein Sprachstil, der von Angeboten geprägt ist, dienicht nur an dem jeweiligen Entwicklungsniveaudes Kindes, sondern immer an einem Entwick-lungsbereich darüber – an der sogenannten„Zone der nächsten Entwicklung“ (Wygotski 1987)– orientiert ist, motiviert Kinder zur aktiven sprach-lichen Teilnahme und eignet sich besonders zurStärkung ihrer Sprachkompetenz. Dies bedeutet,sich im Austausch mit Kindern sensitiv an das

schon Gekonnte anzupassen und das Noch-nicht-Gekonnte einzuführen. Fragen, Äußerungen oderAufforderungen, die direkt an das Kind gerichtetsind, oder seine Äußerungen freudig aufzugrei-fen, geben ihm das Gefühl, dass sein Gegenüberan seinen Erlebnissen und Gedanken interessiertist und daran teilhaben möchte. Besonders guteignen sich dafür gemeinsame Bilderbuchbe -trach tungen, bei denen sich ganz spielerisch undlustbetont ein wechselseitiger Dialog entfaltet.

Die Bedeutung von FragenForschungsergebnisse zur Effektivität frühkindli-cher Bildung weisen in besonderem Maße auf dieStimulation der Denkprozesse von Kindern durchFragen, vor allem offene Fragen, hin (vgl. Siraj-Blatchford & Siraj-Blatchford 2007).

Für Kinder in den ersten Lebensjahren sindFragen meist interessanter als die Antworten. Sieregen dazu an, selbst kritisch über bestimmteDinge nachzudenken und sich damit auseinan-derzusetzen. Lothar Klein und Herbert Vogtgeben einige Anregungen, welche Fragen sichbesonders für einen bildenden Dialog eignen(2004, S. 209):

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Klärendes Spiegeln bzw. aktives ZuhörenDie Aussagen des Kindes werden fragend undeventuell präziser mit eigenen Worten wieder-holt. Dies dient einerseits dazu, sich zu verge-wissern, ob die Aussage des Kindes richtig ver-standen wurde, andererseits betont es die Wert -schätzung und das Interesse den Äußerungendes Kindes gegenüber.

Offene, Aufmerksamkeit weckende FragenDie Frage des Erwachsenen drückt, z. B. beimgemeinsamen Bilderbuchbetrachten, ein Stau -nen über bestimmte Phänomene aus und wecktsomit gezielt die Neugierde des Kindes für eineSache: „Was macht denn die kleine Katze da?“

InformationsfragenDiese Fragen regen das Kind dazu an, sich aufein bestimmtes Detail zu konzentrieren oderetwas herauszufinden, ohne es dabei zu„testen“. Vielmehr wird das Kind auf spieleri-sche Weise angeregt, alle Sinne einzusetzen,bestimmte Aspekte zu berücksichtigen oderdie Perspektive zu wechseln: „Hat die Katze einweiches Fell?“ „Wie groß ist der Hund?“

VergleichsfragenDiese Fragen regen dazu an, nach Ähnlichkei-ten oder Unterschieden zu suchen oderbestimmte Zusammenhänge herauszufinden:„Ob der rote Ball wohl schwerer ist als dergelbe?“ „Warum weint denn das Baby auf demBild?“

HandlungsfragenDurch diese Fragen wird das Kind dazu ange-regt, ein Phänomen näher unter die Lupe zunehmen, etwas auszuprobieren und zu experi-mentieren und so zu eigenen Erkenntnissen zugelangen: „Glaubst du, das Puzzlestück passthier rein?“ „Was passiert wohl, wenn du mit grü-ner Farbe auf die gelbe Sonne malst?“

Problem aufwerfende FragenDiese Fragen regen etwas ältere Kinder dazuan, eigene Hypothesen zu bilden und diesedann zu überprüfen. Hierdurch erarbeiten siesich eigenes Wissen und entwickeln ihreFähigkeiten weiter: „Was müssen wir denn tun,dass das Licht wieder ausgeht?“ „Wie bekom-men wir die Kasse vom Kaufladen wieder zu?“„Wieso bellt denn jetzt der Spielzeughund?“

Fragen für einen bildenden Dialog

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Kriterien zur Auswahl von Büchern

Geht das Buch von der sozialen Erfahrungs -welt des Kindes aus? Werden die authenti-schen Begebenheiten des Kinderalltags in -haltlich und bildnerisch umgesetzt?Schildert das Buch den Kinderalltag als Idylleoder beleuchtet es ihn kritisch? Werden auchSituationen dargestellt, die vielleicht nicht soeinfach zu lösen sind? Werden Klischees inFrage gestellt und Alternativen dazu entwickelt?Bezieht das Bilderbuch die Gefühlswelt desKindes mit ein? Werden Gefühle des Kindes (z. B. Ängste, Wut, Traurigsein) aufgegriffenund ernsthaft – nicht kindisch oder lächerlich –behandelt? Das Buch kann dann helfen, z. B.Ängste zu überwinden, weil es sie nacherleb-bar werden lässt und das Kind in seiner Resi-lienz stärkt.

Trägt das Bilderbuch der Weltsicht des KindesRechnung und bietet es Lösungen aus der Per-spektive des Kindes an? Erfolgen modellhafte,am Beispiel aufgezeigte Vereinfachungen derZusammenhänge, die am Erfahrungs horizontdes Kindes ansetzen?Welche Rolle kommt der Fantasie in einemrealitätsbezogenen Bilderbuch zu? Wird dieWirklichkeit z. B. in spielerischer Form auf denKopf gestellt und erscheint dadurch umsodeutlicher? Gerade Schilderungen von Ge -fühlen wie Angst oder Trauer können durchFantasiefiguren oder Fantasiewelten sehr „realistisch“ werden.

Stärkung von Literacy in den ersten LebensjahrenZu den wirksamsten Formen der Stärkung derSprachentwicklung in den ersten Lebensjahrenzählen nachweislich das Vorlesen sowie diegemeinsame Bilderbuchbetrachtung. Das gilt vorallem dann, wenn das Ganze als Dialog gestaltetwird und dem Kind die Möglichkeit bietet, sichselbst einzubringen, Dinge zu benennen, Fragenzu stellen, selbst zu erzählen und zu phantasieren.Kinder genießen die Zuwendung und Nähe inVorlesesituationen. Dies erleichtert es geradeschüchternen und zurückhaltenden Kindern, eineBindung zur Fachkraft aufzubauen bzw. zu festi-gen. Im dialogischen Vorlesen erfährt dieFachkraft viel über das Denken und Fühlen derKinder. Und den Kindern fällt es in dieser ent-spannten Atmosphäre leichter, das auszuspre-chen, was sie bewegt. So können sie ihre Ge -danken und Gefühle ordnen und vertiefen.

Bei der Auswahl der Bücher für sehr kleine Kinderist es wichtig, dass alle Sinne mit einbezogen wer-den. Dem Kind wird die Möglichkeit gegeben,das Buch selbst in die Hand zu nehmen, zu tasten,zu fühlen, zu schmecken und zu riechen. Mit

zunehmendem Alter ist es wichtig, sich immermehr an den jeweiligen Interessen und Bedürf -nissen der Kinder zu orientieren. ChristianeBenthin (2007) hat einige Kriterien zusammenge-stellt, die dabei hilfreich sein können:

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Literacy beinhaltet auch alle Aktivitäten rund umsBuch. Dazu gehören auch eine Leseecke oder gareine kleine Bibliothek, in der Bücher für Kinderjederzeit verfügbar sind und die gemeinsam mitden Kindern gestaltet werden kann. Kinder kön-nen ihre Bücher von zu Hause mitbringen sowieauch Bücher nach Hause ausleihen. Gespräche überBücher schaffen Möglichkeiten der Intensivierungder Bildungspartnerschaft mit Eltern und ebnenWege, Eltern stärker in die Bildungsaktivitäten inder Einrichtung bzw. in der Kindertagespflegeeinzubeziehen. Ein wichtiger Kooperationspartnerim Bereich Literacy sind Bibliotheken, welcheeventuell auch mit einer kleinen Gruppe vonKrippenkindern besucht werden können.

Ein weiterer Teilaspekt von Literacy ist die sogenannte und weiter oben bereits beschriebene„Phonologische Bewusstheit“. Kinder haben großesInteresse an Laut- und Sprachspielen, Rhythmus,Reimen, Flüster- oder Klatschspielen sowie auch anLiedern – eine ideale Voraussetzung für das spä-tere Lesen- und Schreibenlernen. Vor allem jün-gere Kinder haben besondere Freude an Lausch-Spielen. Dabei erzeugt die Fachkraft z. B. einkünstliches Geräusch, indem sie einen Schlüsselfallen lässt, mit einer kleinen Glocke klingelt, indie Hände klatscht oder ein Papier zerknüllt. DieKinder lauschen mit geschlossenen Augen undraten dann, womit das Geräusch erzeugt wurde.

Zwei- und Mehrsprachigkeit von Anfang an stärkenSich in seiner Erstsprache, aber auch im Dialektausdrücken zu dürfen, gibt dem Kind Sicherheit,stärkt sein Selbstbewusstsein und ist untrennbarmit seiner Identitätsentwicklung verknüpft. Umsozentraler ist es, auch der Erstsprache besondereAufmerksamkeit in der Einrichtung zu widmenund dem Kind nicht das Gefühl zu geben, dass dieErstsprache ungewünscht oder gar störend ist.Eltern aus unterschiedlichem kulturellem Kontextwerden als Mitgestalter der sprachlichen Bildungfortlaufend einbezogen und eingeladen, sich zubeteiligen. So können sich Eltern, Fachkräfte undTagespflegepersonen gegenseitig bereichernund ergänzen. Dies beinhaltet die Chance einerkulturellen und sprachlichen Vielfalt in der Ein -richtung.

Spiele, Gedichte, Tänze, Reime, Märchen in derErstsprache geben dem Kind das Gefühl vonGeborgenheit und Anerkennung und wecken beiden anderen Kindern Neugierde auf fremdeSprachen und Kulturen. Für Migrantenkinder istdie Begegnung mit erstsprachlichen Materialienebenso wichtig wie für deutsche Kinder.

Kinder mit Migrationshintergrund kommen häufigerst zu einem späteren Zeitpunkt durch Kontakteaußerhalb der Familie mit einer weiteren Spracheals ihrer Erstsprache in Kontakt. Wird die zweiteSprache in vorgegebenen und vorstrukturiertenLernsituationen erworben, wie dies etwa imFremdsprachunterricht der Fall ist, so spricht manvon „gesteuertem“ Zweitspracherwerb. Kinderta -ges einrichtungen haben hingegen die großeChance, die zweite Sprache auf eine „ungesteuer-te“ Weise anzubieten, indem diese auf natürlicheArt in Alltagssituationen oder eingebettet inSpielhandlungen gelernt wird. Kinder mit Migra -tionshintergrund haben von sich aus das Be -dürfnis Deutsch zu lernen, weil sie mitspielen, sichaustauschen, dazugehören wollen. Diesem Be -dürfnis gilt es besonders sensibel zu begegnenund dem Kind vielfältige Möglichkeiten anzubie-ten, sich auszuleben.

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„Die Mikrowelle hat gedolmetscht“

Zwischen der Erzieherin und Esra entwickelt sicham frühen Morgen ein Ritual: Sie bereiten ge -meinsam das Frühstück für die anderen Kinder inder Küche vor. Esra ist fasziniert von der Mikro -welle, in der Sojamilch für Allergikerkinder auf-gewärmt wird. Gespannt beobachtet sie dieErzieherin, wie diese den kleinen Topf in dieMikro welle stellt, die Tür zumacht, auf denEinschaltknopf drückt und sich das Gerät dannwenige Sekunden später mit einem Klack undzweimal „piep“, piep“ meldet, dass die Milch jetzt

warm ist. Esra ahmt das Geräusch der Mikrowellenach: „Piep, piep“ – und die Erzieherin antwortetebenfalls mit einem „piep, piep.“ Beide lachen,jetzt haben sie ein gemeinsames Wort. DieMikrowelle hat gedolmetscht. Die Erzieherin öff-net die Tür, und da die Milch sehr heiß ist, warntsie Esra: „Heiß! Vorsicht Esra, heiß!“ Esra blickt zurErzieherin, sieht auf die Milch und sagt: „Heiß!“Heiß wird Esras erstes deutsches Wort (Winner2007, S. 137).

Medienkompetenz in den ersten LebensjahrenVoraussetzung zur Stärkung der Medienkompe -tenz ist ein Wissen darüber, welche Medien imAlltag der Kinder eine Rolle spielen, wie sieMedien in ihr Spiel integrieren und über welcheErfahrungen mit unterschiedlichen Formen derMedien Kinder bereits verfügen. Kinder probie-ren Medien zuerst aus, indem sie z. B. Geräte ein-und ausschalten. Das Kind drückt auf die Knöpfeund wartet gespannt darauf, was passiert. EinZugang in den ersten Lebensjahren erfolgt sehrhäufig auch über Hörmedien – Musik- oderHörspiel-CDs. Dabei kann vor dem Hören bereitseine Auseinandersetzung mit der Technik erfol-gen. Gemeinsam wird herausgefunden, an wel-chem Knopf gedreht werden muss, wie man dieCD einlegt, wie die Lautstärke reguliert wird etc.

Entscheidend dabei ist, Kindern eine aktive Rollebeim Erkunden der Medien einzuräumen undihnen zu ermöglichen, diese im ko-konstruktivenAustausch mit anderen zu erschließen. DieFachkraft lässt sich – wie bei allen anderenBildungsbereichen auch – darauf ein, Bedeu tun -gen gemeinsam mit dem Kind zu entdecken,anstatt einfach nur zu erklären, wie bestimmteMedien oder technische Geräte funktionieren.Kinder sind Medien nicht passiv ausgeliefert, son-dern interpretieren das mediale Angebot ent-sprechend ihrer eigenen Wünsche, Interessenund Bedürfnisse. So setzen sie sich z. B. durch diegehörten Geschichten mit eigenen Themen aus-einander, die der Erwachsene im Dialog mit demKind aufgreifen kann.

Medien eignen sich auch besonders gut, um dieDiversität der Kinder in Bezug auf den kulturellenoder familiären Hintergrund auf wertschätzendeWeise sichtbar zu machen und in den pädagogi-schen Alltag einzubeziehen: So können z. B. Fotosunterschiedlicher Herkunftsländer oder der Fa mi -lien der Kinder die Einrichtung schmücken. CDsmit Liedern und Geschichten aus verschiedenenLändern geben einen Einblick in verschiedeneKulturen.

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Wird dem Gespräch ausreichend Zeit ein-geräumt? Hat das Kind Zeit, eigene Wortezu finden, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen?Werden Äußerungen des Kindes aufgegrif-fen, teilweise in eigenen Worten wiederholtund eventuell sogar erweitert? Ein Beispiel fürdas Prinzip der einfühlsamen Erweiterung:„Ball spielen!“ – „Magst du mit dem Ballspielen?“ – „Magst du mit dem gelben oderdem grünen Ball spielen?“Wie wird auf „inkorrekte“ Formulierungendes Kindes reagiert? Ein Beispiel: „Mag dieAuto!“ – „Magst du das Auto?“ – „Magst dudas kleine Auto oder das große Auto?“ –„Welches Auto gefällt dir besser?“Wird dem Gesagten des Kindes ausrei-chend Aufmerksamkeit geschenkt und mitNeugierde begegnet? Wird ihm zugehört,was von besonderer Bedeutung ist, undwird das Kind als Gesprächspartner ernstgenommen? Entwickelt sich zwischen Kind und Fachkraftein gleichwertiges Gespräch oder wird dasKind nur „abgefragt“ oder „belehrt“? Zueinem gleichwertigen Gespräch gehörenaktives Zuhören, auf die Mitteilung des

Kindes neugierig zu sein, offene Fragen.Oder wird das Kind vor allem als „inkompe-tentes“ und „unwissendes“ Wesen gesehen,das Sprache erst lernen muss? Gelingt es, das Kind in ein Gespräch zu ziehen, sich mit ihm über etwas auszutau-schen, das es interessiert?Wird im Alltag das Prinzip der einfühlsamenErweiterung (Expansion) kindlicher Äuße-rungen zugrunde gelegt? Das bedeutet:Werden die kindlichen Äußerungen aufge-griffen und angereichert bzw. weitergeführt? Wird das Gesagte durch Körpersprachebegleitet und wird Blickkontakt zu dem Kind hergestellt?Wie ist die Qualität des Sprachangebotesder Fachkraft? Dominieren kurze, verständ-liche, grammatikalisch korrekte Sätze?Handelt es sich um eine authentische,natürliche Sprache?Hat die pädagogische Fachkraft bzw. Tages -pflegeperson selbst Freude an Sprache?Wie ist der Kommunikationsstil innerhalbdes Teams der Einrichtung?Ist sich die pädagogische Fachkraft ihrereigenen Rolle als Sprachvorbild bewusst?

Fragen zur Reflexion

Fachkräfte sind Dialogpartner & SprachvorbilderNeben den Eltern sind die Fachkräfte in Kinderta -ges ein richtungen und Tagespflegepersonen wich-tige Dialogpartner und zugleich Sprachvorbilderdes Kindes. Das Sprachverhalten der pädagogi-schen Fachkraft bzw. Tagespflegeperson hateinen besonderen Modellcharakter. Ihr eigenesSprachverhalten, die Freude an der Sprache undihre Einstellung zu anderen Sprachen und Dia -lekten wirken sich maßgeblich auf die Sprachent -wicklung des Kindes aus. Dabei ist nicht nurbedeutend, wie die jeweilige Bezugsperson mitdem Kind kommuniziert, sondern auch, wie der

Dialog von Erwachsenen untereinander gestaltetwird – z. B. zwischen Fachkräften und Eltern.

Die individuelle Kommunikations- und Sprachent -wicklung des Kindes zu stärken, setzt eine reflek-tierende Haltung der pädagogischen Fachkraftbzw. Tagespflegeperson voraus. Manche Ein -richtungen vereinbaren zur kritischen Überprü-fung des eigenen, auch nonverbalen Sprachver -haltens (z. B. Körpersprache, Mimik, Blickkontakt)gegenseitige kollegiale Beobachtungen oder ver-wenden unterstützend in regelmäßigen Abstän -den Video- oder Tonbandaufzeichnungen, um siedann im Team gemeinsam zu reflektieren.

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Besteht der Eindruck, dass das Kind nichtgut hört?Reagiert das Kind nicht auf sprachlicheÄußerungen?Gibt es Hinweise für Auffälligkeiten in ande-ren Entwicklungsbereichen (z. B motorischeAuffälligkeiten, kein Blickkontakt, keineKontaktaufnahmen)?Kommuniziert das Kind nur ungern mitanderen Kindern oder Erwachsenen undhat wenig Freude daran, sich mit anderenauszutauschen?

Ist das Kind in der Einrichtung schlecht inte-griert? Hat es kaum eine Beziehung zuanderen Kindern oder zur pädagogischenFachkraft aufgebaut?Versteht das Kind (ab etwa 1,5 Jahren) häu-fig sprachliche Mitteilungen nicht oder nurdurch nonverbale Hinweise wie Gestik, Mimikoder Zeigen?Versteht das Kind auffällig wenige Worte?Spricht das Kind mit zwei Jahren wenigerals 50 Wörter?Stellt das Kind ab etwa eineinhalb Jahrennoch immer kaum oder keine Fragen – auchnicht in Form von Ein- oder Zweiwortsätzen?

Fragen zur Reflexion

Was sind Auffälligkeiten in der Sprachent -wicklung?Die Sprachentwicklung mancher Kinder kanndeutlich von der Mehrheit der Gleichaltrigen ab -weichen. Fachkräfte, Tagespflegepersonen abervor allem auch Eltern sind mit der Frage konfron-tiert, ob diese Unterschiede dem individuellenEntwicklungstempo des Kindes zuzuordnen odervielmehr ein Hinweis auf Sprachentwicklungsver -zögerungen sind.

Kinder mit einer „Sprachstörung“ benötigen überdas pädagogische Angebot in Kindertagesein -rich tungen hinaus gezielte logopädische odersprachtherapeutische Begleitung. Für Fachkräftebedeutet dies, klar die Grenze zwischen ihremmöglichen Teil der Unterstützung und Stärkungim Spracherwerbsprozess und der Aufgabe vonFachdiensten zu ziehen. Bei Kindern mit Verdachtauf Sprachstörung oder Verzögerung derSprachentwicklung ist eine enge Absprache zwi-schen den Eltern, Fachkräften, Kinderärzten undTherapeuten notwendig. Die diagnostische Ab-klärung sowie gezielte Therapie gehören nicht inden Aufgabenbereich von pädagogischen Fach -kräften. Im Vorfeld einer fundierten diagnosti-schen Abklärung finden jedoch meist Ge spräche

zwischen den Fachkräften und Eltern statt, indenen Erzieherinnen um eine Ein schätzung derNotwendigkeit einer Sprachthera pie bzw. einerfachlichen Abklärung gebeten werden. Dasgeschieht, weil die Fachkräfte die Kinder übereinen großen Teil des Tages erleben und dasSprach- und Kommunikationsverhalten meistregelmäßig beobachten und dokumentieren.Hilfreich ist es, sich mit den Kolleginnen im Teamauszutauschen.

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2.4 Kinder in ihren körperbezogenenKompetenzen stärken

Zur Stärkung körperbezogener Kompetenzengehören:

Bewegungsbedürfnisse erkennen und Bewe -gungs erfahrungen sammelnFertigkeiten zur Pflege des eigenen Körperserwerben ein Gespür dafür entwickeln, was Körper undGeist gut tut und der Gesundheit förderlich ist Essen als Genuss mit allen Sinnen erleben(HBEP 2007, S. 60ff.).

Kinder von Anfang an dabei zu unterstützen bzw.sie zu sensibilisieren, Spaß und Freude anBewegung zu entwickeln, und Verantwortung fürdas eigene Wohlergehen und für die Gesundheit3

zu übernehmen, stellt dabei ein übergeordnetesBildungs- und Erziehungsziel dar (Bildungsvision„Starke Kinder“).

Körperliche Aktivitäten leisten einen wesentlichenBeitrag zur Krankheitsvorbeugung, zum kindli-chen Wohlbefinden und zur Entwicklung einespositiven Selbstbildes („I move, therefore I am“,Synofzik u. a. 2008). Das Erleben von Selbstwirk -sam keit wird durch den Einsatz körperbezogenerKompetenzen, z. B. indem ein Kind es alleinschafft, auf ein Podest hochzusteigen, gestärkt.

Vertreterinnen und Vertreter aus der Hirnfor -schung und aus der Entwicklungspsychologie(u.a. Gopnik 2003, Eliot 2002, Hannaford 2004)betonen die Bedeutung der ersten drei Lebens -jahre für die kognitive Entwicklung (vgl. Kap. 2.5)und verweisen auf den engen Bezug zwischenBewegung und Lernen. „Jede Berührung, jedeBewegung, jede sinnliche Wahrnehmung wird inelektrische und chemische Aktivitäten übersetzt,

Das gesamte Lebensumfeld wie Eltern, G e -schwister, pädagogische Fachkräfte, Tages pfle -ge personen, Großeltern, Freunde und Bekann teist oft überrascht, in welch rasantem Tem po diekörperliche und motorische Ent wicklung einesKindes vor sich geht.

Kinder in den ersten drei Lebensjahren bewe-gen sich gerne und nutzen alle Sinne, um ihreUmwelt zu erkunden. Durch Bewegen, Tasten,Hören, Schmecken, Sehen und Riechen machtdas Klein kind seine ersten Erfahrungen undgewinnt Einsichten in und über „seine“ Welt.Auch andere körperliche Bedürfnisse wieSchlafen und Ruhen, Essen und Trinken oderPfle ge stehen in diesem Altersbereich im Mit -telpunkt des pädagogischen Alltags ge sche -hens.

Bedeutung der körperbezogenen Kompetenzen unter der BEP-Lupe

3) Gesundheit wird dabei nicht nur durch die Abwesenheit von Krankheit, sondern laut Definition der WHO (Weltgesundheitsorga -nisation) als Zustand körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefinden angesehen.

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die zur Bildung neuer Verbindungen und somit zueiner Differenzierung des Gehirns beitragen“(Zimmer 2004, S. 43).

Auch in der Sprachentwicklung nimmt Bewegungeinen zentralen Stellenwert ein. Vor allem Kinderunter 3 Jahren können ihre Gefühle und Em -pfindungen, ihre Wünsche, Ängste und Besorg -nisse noch nicht umfassend mit Worten aus-drücken und bedienen sich oft der Körper -sprache. Bei Freude klatschen sie in die Händeoder lassen bei Kummer den Kopf und dieSchultern hängen. Bewegung ist immer auch eineForm sprachlichen Ausdrucks, indem sie alsInteraktions- und Kommunikationsform erlebtund (un)bewusst eingesetzt wird. „Lange bevordas Kind die verbale Sprache nutzt, teilt es sichbereits mit Gesten, Mimik und Gebärden – überseinen Körper – mit“ (Zimmer 2009, S. 13).

Durch gemeinsames Bewegen, wie auch im Spiel,werden darüber hinaus soziale und emotionaleKompetenzen gestärkt. So werden Teamgeist undKooperation bei gemeinsamen Aufgaben ent-wickelt. Sport und Bewegung helfen, Rücksicht -nahme und Fairness einzuüben.

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Entwicklungspsychologischer Hintergrund – Meilensteine der Entwicklung

Die ersten Bewegungen eines Neugeborenensind nicht bewusst gesteuert, sondern vielmehrauf reflexhafte Reaktionen (z. B. Saugreflex, Greif -reflex) zurückzuführen.

Im Laufe des ersten Lebensjahres schreitet diemotorische Entwicklung immer weiter voran, wassich u. a. an dem zunehmenden Bewegungs be -dürfnis des Kindes ablesen lässt (Zimmer 2004).Vom 4. bis zum 12. Lebensmonat entwickelt dasKind eine Vielzahl neuer motorischer und körper-licher Fähigkeiten. Dazu gehören das Sitzen undAufsetzen, Drehen um die Körperachse,Krabbeln, Stehen und Aufstellen, zielsicheres,beidhändiges Greifen, Verfolgen eines bewegtenObjektes mit den Augen. Auch werden erste, sehreinfallsreiche Formen der Fortbewegung gefun-den wie seitliches Rollen, Robben, Rutschen,Kriechen und Krabbeln.

Gegen Ende des ersten Lebensjahres – mit einerSpannbreite von mehreren Monaten – machendie meisten Kinder, oftmals an der Hand einesErwachsenen, ihre ersten Gehversuche. Dieseersten freien Schritte sind oftmals noch sehrwackelig. Aus diesem Grund werden Kinder in

diesem Alter auch „Toddler“ (engl. to toddle =tapsen, watscheln, unsicher gehen) genannt. Dasaus Neuseeland stammende frühpädagogischeCurriculum „Te Whariki“ (1996) beschreibt, dass„Toddler“ voller Energie und immer in Bewegungsind, die Interaktion mit anderen suchen und mitdem ganzen Körper und vor allem durch selbst-tätiges Handeln lernen.

Die großen interindividuellen Unterschiede inZeitpunkt und Art der Fortbewegung sind vorallem von der Kraft des Kindes, seinen bisherigenmotorischen Erfahrungen, den kulturellen Rahmen-bedingungen und von seiner Motivation zurFortbewegung abhängig. Wie neurobiologischeForschungen belegen, ist die Fähigkeit, laufen zulernen, in erster Linie auf biologische Reifungs -prozesse im Gehirn zurückzuführen. Deshalb kannder Zeitpunkt des ersten Laufens auch nicht durchÜbung beschleunigt werden (Oerter & Montada2008). Hier gilt der Grundsatz „Bildung als Motorfür Entwicklung“ also nur bedingt. Doch nicht nur die grobmotorischen Leistungenverändern sich. Auch die Entwicklung feinmotori-scher Kompetenzen nimmt in diesem Altersab -schnitt rasant zu. So kann ein Kind mit circa siebenMonaten in der Regel mit beiden Händen gleich-zeitig und zielsicher greifen und regt durch dieaktive Auseinandersetzung mit Gegenständen dieWeiterentwicklung seiner kognitiven Kompe ten -zen an. Geplante Handlungen können nun erfolg-reich motorisch umgesetzt werden.

Neben den grob- und feinmotorischen Leistungenschärfen sich auch die Sinne im erstenLebensjahr. So entsprechen z. B. die Sehschärfeund das Ent fernungssehen nun schon fast derSehfähigkeit Erwachsener. Bereits jetzt verfügtdas Kind über die Fähigkeit, verschiedeneHelligkeitsstufen und Farben zu differenzieren(Kasten 2005).

Die durchschnittliche Schlafdauer im erstenLebenshalbjahr beträgt circa 16 bis 17 Stundenpro Tag. Im Verlauf der zweiten Hälfte des erstenLebensjahres sinkt die Schlafdauer dann auf

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durchschnittlich 13 bis 14 Stunden. Ein wesentli-cher Entwicklungsschritt bei Ein- und Zwei jährigenist die Entwicklung eines Tages- und Nachtschlafes.So schlafen Einjährige tagsüber im Durchschnittrund 2,5 Stunden, Zweijährige meist nur nochdurchschnittlich 1,75 Stunden. Manche Kinderverzichten bereits ganz auf einen Mittagsschlaf(Ostermayer 2007).

Im zweiten Lebensjahr lernen die Kinder, frei zustehen, zu gehen und können bereits Treppensteigen. Die Veränderungen, die zwischen dem 2.und 3. Lebensjahr stattfinden, sind beträchtlich.Hartmut Kasten (2005) bezeichnet diesen Ent -wicklungsabschnitt als Phase der „Konsoli die -rung“, des „Ausbaus“ und der „Verfeinerung“ vonGeburt an vorhandener und später erworbenerKompetenzen.

Die Beherrschung jedes einzelnen Meilensteins –vom eigenständigen Sitzen, zum Stehen undschlussendlich zum selbstständigen Laufen – trägtzur zunehmenden Selbstständigkeit und zumwachsenden Umweltinteresse des Kindes bei. ImSitzen gibt es mehr zu sehen als im Liegen, imLaufen mehr zu erkunden als im Sitzen (Siegler u.a. 2005).

Auch die feinmotorische Entwicklung im zweitenund dritten Lebensjahr schreitet weiter voran. DieKinder lernen selbstständig zu essen und sichanzuziehen. Auch die sensorische Integration ent-wickelt sich weiter. „Dieser Prozess bedeutet, fähigzu sein, auf Sinnesreize mit erwünschten Hand -lungen zu reagieren“ (van Dieken 2008, S. 130),z.B. einen vor sich her rollenden Ball aufheben.

Daneben geht auch die körperliche Reifung imdritten Lebensjahr weiter. Das Kind erlernt dieKontrolle über Darm und Blase und wird„trocken“. Zu betonen ist, dass sich die Darm- undBlasenkontrolle durch Training nicht beschleuni-gen lässt, da sie sich vollständig erst zwischendem zweiten und dritten Lebensjahr entwickelt.

All die aufgezeigten Entwicklungsschritte stehenfür eine zunehmende Autonomie, Selbststän -digkeit und Kontrolle des Kindes über sich selbst

und über seine Umwelt. Dabei ist zu berücksichti-gen, dass die Meilensteine der Entwicklung füreinzelne Kinder durch körperliche oder geistigeBeeinträchtigungen individuell anders verlaufenkönnen. Um den betroffenen Kindern trotzdemein Höchstmaß an Eigenaktivität und Autonomiezu ermöglichen, bedarf es deshalb gezielterUnterstützungsmaßnahmen und Hilfsmittel.

Bei der Herausforderung, die „Zone der nächstenEntwicklung“ für ein Kind zu erfassen, sind oftviele verschiedene Wege zu erproben. Bezugs -punkt dabei ist die Kooperation und Motivationdes Kindes (Herm 2008).

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Umsetzung in die pädagogische Praxis

Grundsätzlich gilt: Unabhängig von den jeweili-gen Entwicklungsvoraussetzungen und Bedürf -nissen hat jedes Kind den gleichen Anspruch unddas Recht darauf, in seiner motorischen und kör-perlichen Entwicklung angemessen unterstützt undgestärkt zu werden. Kinder mit besonderem Unter -stützungsbedarf (Kinder mit Behinderung oder vonBehinderung bedrohte Kinder; Kinder mit Ent wick-lungsbeeinträchtigung und Teillei stungs schwäche)erleben durch die Stärkung körperbezogenerKompetenzen Vertrauen in die eigenen Kräfte,was zu mehr Eigeninitiative und Autonomie er -leben führt.

Insgesamt lassen sich vier Grundsätze charakteri-sieren, die zur Stärkung körperbezogener Kom-petenzen – gerade bei Kindern unter drei Jahren– beitragen:

Die Lernumgebung des Kindes wird so gestal-tet, dass sie sich bewegungsanregend, schlaf-und ruhefördernd auswirkt. Das Kind wirkt aktiv bei der Gestaltung undNutzung dieser Lernumgebung mit. Es liegt eine positive Fachkraft-Kind-Interak-tion vor. Es findet eine partnerschaftliche Zusammen -arbeit mit den Eltern und anderen Stellen statt.

Dabei durchdringen und bedingen sich dieGrundsätze wechselseitig. So kann z. B. von einerlernanregenden Umwelt erst dann gesprochenwerden, wenn die Kinder aktiv an deren Gestal -tung beteiligt werden. Eine positive Fachkraft-Kind-Beziehung gelingt nur, wenn die Eltern aktivmit einbezogen und als Bildungs- und Erziehungs-partner wertgeschätzt werden (vgl. Kap. Bildungs-und Erziehungspartnerschaft mit Eltern).

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Die Lernumgebung gestalten

Kinder unter drei Jahren brauchen keine An -leitung, um sich zu bewegen. Allein der kind-liche Forscher- und Entdeckungsdrang führtdazu, dass kleine Kinder immer in Bewegungsind. Gerade für Kinder unter drei Jahren isteine altersgemäße Raum- und Sachausstattungnotwendig, die zum Bewegen, Entdecken undErforschen einlädt.

Kinder machen durch bewegungsanregendeRäume zahlreiche Erfahrungen, wie:

Wo ist oben und unten?Wo ist vorne und hinten?

Was ist nah und fern?Was ist warm und kalt?Was ist weit und eng?Was ist hell und dunkel?

Wie ein Raum in der Kindertageseinrichtung be-schaffen und ausgestattet ist, hat für dieAusübung des kindlichen Bewegungsdrangeselementare Bedeutung. Räume und Sachaus -stattung können zum Entdecken, Erkunden,Spielen und Bewegen anregen, aber auch dasBe wegungsverhalten hemmen und im schlimm-sten Fall sogar zu Verletzungen und/oderUnfällen führen.

Beispiele für eine bewegungsanregende Raum-und SachausstattungZur Stärkung der motorischen Kompetenzenbesteht die Aufgabe darin, Bewegungsräume zukonstruieren, die Kinder zum Toben, Klettern,Spielen und Erkunden anregen. Dies stellt nichtdie alleinige Aufgabe der pädagogischen Fach -kraft dar. Es hat sich gezeigt, dass Kinder sehrkompetent sind, was die Gestaltung ihrer Bewe -gungs räume anbetrifft. Kinder können gemäßihres Entwicklungsstandes an der Gestaltung vonBewegungsräumen beteiligt werden, indem sie z.B. Wandfarben und Spielmaterial (mit-)aussuchenund sich über die Unterteilung der RäumeGedanken machen.

Treppen und Podeste unterstützen die Kinderbesonders bei ihren grobmotorischen Lern- undEntwicklungsprozessen – vom Krabbeln undRutschen zum Gehen und Laufen. Ein niedrigerTisch lädt zum Herunterspringen und Durchkrab -beln ein. Rollbretter, Kriechrohre, Bälle, ein Tram -polin, Taue / Strickleitern, Matratzen, Rutschenund Kletterhäuser regen ebenfalls das kindlicheBewegungsverhalten an. Wichtig ist, Kindern freieBewegungsräume anzubieten, die nicht „festbe-toniert“, sondern frei verstellbar sind, damit siesich ihre eigenen Bewegungsräume selbst gestal-ten können. Zahlreiche Anregungen speziell fürKinder unter drei Jahren wie Parcours, die unter-schiedliche Sinne und Bewegungsformen anspre-

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Nico ist ein 33 Monate alter Junge, der linkssei-tig in seiner Beweglichkeit eingeschränkt ist.Nico bewegt sich vorwärts, indem er sich rob-bend bewegt. Nico braucht beim Sitzen – über-wiegend auf dem Schoß der Pädagogin – undauch beim Spielen am niedrigen Tisch immereine Hand bzw. den Unterarm, um seinenKörper zu stützen. Neben der fehlenden Arm-bzw. Handfreiheit bedeutet dies eine insge-samt instabile Position. Dies führt offensichtlichdazu, dass Nico mit seiner Aufmerksamkeit beiseiner Rumpfkontrolle ist und sie nicht ausrei-chend auf feinmotorische, sprachliche, sozialeoder kognitive Aktivitäten lenken kann.

Die Mitarbeiterinnen der Gruppe haben einigeÜberlegungen angestellt, um den Gruppen-raum für Nicos motorische Möglichkeiten an -gemessen zu gestalten. Ein für ihn angeschaff-ter niedriger Tisch stellt nun vermutlich eineEntwicklungsanregung dar, da Nico so dieMöglichkeit hat, auf Augenhöhe mit anderenKindern zu interagieren und ohne Hilfen sehenzu können, welche Materialien hier angebotenwerden. In diesem Fall konnte mit relativ weni-gen Mitteln eine entwicklungsförderliche An -passung für Nico umgesetzt werden (Seitz &Korff 2008, S. 165).

Praxisbeispiel

Beispiele für eine schlaf- und ruheförderndeRaumausstattung Für Säuglinge und Kleinkinder ist das Ausruhenund Schlafen ebenso wichtig wie die Nah rungs -aufnahme. Indem sie Ruhe- oder Entspannungs -räume und verschiedenste Schlafmöglichkeiten(z. B. Matratzen, Schlafhöhlen, Körbe, Gitter -betten) bereitstellen, gehen pädagogische Fach -kräfte bzw. Tagespflegepersonen optimal auf dieSchlaf- und Rückzugsbedürfnisse der Kinder ein.Neben festen Schlafenszeiten ist es wichtig, dassjedes Kind zu jedem Zeitpunkt seinem Schlaf-oder Entspannungsbedürfnis nachgehen kann.

Ein entspannter Schlaf / eine Auszeit kann nurdann gelingen, wenn das Kind sich geborgenfühlt und Vertrauen in seine Umgebung und vorallem zu seiner Bezugsperson hat. Die unmittel-bare Nähe und der Kontakt zu ihr oder zu anderenKindern und wieder erkennbare Schlaf- undRuheutensilien (z. B. eigene Bettwäsche oder

Kuschelkissen, ein Foto von sich am Schlafplatz,ein eigener Schnuller und ein Kuscheltier) erleich-tern das Einschlafen und laden zum Ausruhenoder Entspannen ein. Zudem geben wiederkeh-rende Einschlafrituale wie das Abdunkeln desRaumes oder ein Einschlaflied dem Kind Sicher -heit und Orientierung im pädagogischen Alltag.Auch das körperliche Beisein einer vertrautenPerson erleichtert Kindern oft das Einschlafen unddas „Sichfallen-Lassen“ in die Welt der Träume.Um Kindern einen möglichst großen Erholungs -wert bieten zu können, ist es wichtig, darauf zuachten, dass der Geräuschpegel in der Kinder -tageseinrichtung nicht allzu hoch ist. Erfahrungenzeigen, dass die Einrichtung von Funktionsräu -men hilft, den Geräuschpegel in der Einrichtunginsgesamt zu senken.

Auch mit Entspannungs- und Meditations übun -gen zur Stressprävention und zum Stressabbau (z.B. Babymassagen) kann bereits bei Kindern unter

chen, Wasserspiele im Freien oder Bewegungs -spiele mit Stühlen stärken darüber hinaus diekindliche Bewegungsfreude.

Nicht nur die Innenräume sollten zum Bewegenanregen. Auch an das Außengelände stellenunter Dreijährige besondere Anforderungen.Sind auch ältere Kinder in der Einrichtung, bietet

es sich an, einen geschützten Raum für die Klei -nen einzurichten, um Unfällen und Verletzungenvorzubeugen. Kleinere und niedrigere Schaukelnund Rutschen im Außengelände regen dieBewegungsfreude an. Auch zahlreiche Natu -rmaterialien (z. B. Sand, Erde, Äste, Holz) eignensich, um mit den Kleinen zu experimentieren undin Dialog zu treten.

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drei Jahren angefangen werden. Diese Übungenhelfen, negative Spannungen und Gefühle (z.B.Aggressionen, Ärger und Frustrationen) abzubau-en und Konzentrationsleistungen zu verbessern(Salbert 2006).

Ernährung in der Kindertageseinrichtung Um Kindern möglichst früh einen verantwortungs-vollen Umgang mit dem eigenen Körper und mitder eigenen Gesundheit nahezubringen, ist eineklare Abgrenzung des Essens zum normalenpädagogischen Alltag unverzichtbar. Von großerBedeutung ist es, dass Essen von Kindern undpädagogischen Fachkräften als Genuss mit allenSinnen wahrgenommen, erlebt und gelebt wird.Durch die Einnahme gemeinsamer Mahlzeitenwerden darüber hinaus auch die sozialen und(inter)kulturellen Beziehungen in der Einrichtunggestärkt.

Eine altersgemäße Ausstattung für die Kleinen imEssensraum erleichtert die Einnahme gemeinsa-mer Mahlzeiten. Für das Essen mit Kindern unterdrei Jahren empfehlen sich niedrige Tische (ca.42 cm für maximal 4 – 6 Kinder) und Hocker (keineStühle). Die Kinder entscheiden mit, mit wem siesich an einen Tisch setzen möchten. Auch habenKinder unter drei Jahren spezifische Anfor de -rungen, was Essens- und Trinkwerkzeuge (z. B.einen tiefen Tellerrand) anbelangt. Klein(st)kinderlernen mit Hilfe der pädagogischen Fachkraftoder der Tagespflegeperson nach und nach, ihreFlasche selbst zu halten. Kinder unter einem Jahrsind auf die Hilfe (z. B. Füttern) durch die Be -zugsperson angewiesen und haben einen indivi-duelleren Rhythmus im Ess- und Trinkverhalten(Brei und Milch) als Kinder im Alter von über einemJahr. Pädagogische Fachkräfte und Tagespflege-personen können die Füttersituation sehr gut nut-zen, um den Beziehungsaufbau zum Kind weiterzu stärken, indem sie individuell und feinfühlig aufdessen Bedürfnisse eingehen.

Um Kindern nach und nach dabei zu helfen, ihrHunger- und Sättigungsgefühl selbst wahrneh-men und regulieren zu lernen, bieten sich gleiten-de Mahlzeiten und Selbstbedienungen als Er -gänzung zu einer gemeinsamen Mahlzeit (z. B.Mittagessen) an. Mahlzeiten werden so organi-siert, dass Kinder möglichst viel Gelegenheit zumselbstständigen und experimentierfreudigenEssen haben – ob mit Fingern, Gabel oder Löffel.

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Kinder unter drei Jahren essen häufiger als ältereKinder. Kleinere Snacks (z. B. Obst, Joghurt,Vollkornprodukte), die den Kindern neben demFrühstück und dem Mittagessen zur Verfügunggestellt werden, können diesem Bedürfnis ge -recht werden.

Bei der Auswahl der Lebensmittel, Speisen undGetränke wird darauf geachtet, dass dieseabwechslungsreich, gesund und ausgewogensind. Für Kinder ist es wichtig, zu essen, wenn siehungrig sind und zu probieren, was sie wirklichmöchten. An der Auswahl, dem Einkauf und derZubereitung der Speisen können Kinder auch be -teiligt werden. Es empfiehlt sich, auf Nahrungs -mittelzusätze, Geschmacksverstärker und Süßstoffeweitestgehend zu verzichten, da kleine Kinderdarauf besonders empfindlich reagieren. Auchbietet es sich an, weitestgehend naturbelasseneLebensmittel einzusetzen und auf Fertigproduktegänzlich zu verzichten.

Um den Wasserhaushalt der Kinder auszuglei-chen, stehen gesunde Getränke (Wasser, Tee)jederzeit für die Kinder bereit. Bei der Auswahlvon Lebensmitteln tun sich unter UmständenWidersprüche zwischen den Wünschen derKinder und den Anforderungen einer gesundenund verantwortlichen Ernährung auf. Ein Kom -promiss könnte hier so aussehen, dass neben

gesunden, abwechslungsreichen Speisen nur einbestimmtes Kontingent von „Wunsch-Lebens -mitteln“ für die Kinder zur Verfügung steht.

Kinder interessieren sich zudem für Speisen ausanderen Ländern. Kulinarische Wochen (auchzusammen mit Eltern unterschiedlicher kulturellerHerkunft), in denen landestypische Speisen aus-gewählt, zubereitet und anschließend verzehrtwerden, sind besonders bei Kindern unter dreiJahren ein großer Erfolg.

Beim Umgang mit Essen und Trinken bietet sichschon für kleine Kinder die Chance, etwas überHerkunft und Zubereitung von Lebensmitteln zulernen. Nach und nach können Kinder erfahren,welche Verarbeitungsschritte (z. B. waschen,schneiden oder schälen) erforderlich sind. EinGarten kann genutzt werden, um dort auchKräuter, Obst oder Gemüse mit den kleinenKindern anzubauen. „Wenn Kinder von Anfang anlernen können, was ihnen gut tut und was ihnenschmeckt, ist das die beste Grundlage für ein un-gestörtes, lustvolles und gesundes Essver hal ten –ohne Probleme mit Übergewicht – für das ganzezukünftige Leben“ (van Dieken 2008, S. 105)

Die Fachkraft-Kind-InteraktionBei der Umsetzung des ko-konstruktiven Ansatzesist stärker als bisher darauf zu achten, Bewe -gungsspiele gemeinsam mit Kindern zu konstru-ieren und auszuhandeln. Wichtig ist, dass päda -gogische Fachkräfte / Tagespflegepersonen dasInteresse am Thema mit den Kindern teilen. DieBedürfnisse, Fragen und Interessen der Kinderstehen im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit.Kinder haben auch das Recht, angebotene Spieleabzulehnen.

Über Körperkontakt und den Einsatz von Mimikund Gesten erfahren pädagogische Fachkräfte /Tagespflegepersonen, welche körperlichen Be -dürf nisse (z. B. die Auswahl des Essens, Wunschnach einer Ruhepause, gewickelt werden) Kinderunter drei Jahren, die sich oftmals noch im vor-sprachlichen Stadium befinden, haben. DieInteraktion mit kleinen Kindern gelingt den mei-sten Erwachsenen oft intuitiv und problemlos (z.B.durch das Sprechen in einer höheren Stimmlage,durch langsameres und artikulierteres Sprechen,

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durch den Einsatz von Mimik und Gesten), wes-halb man in diesem Zusammenhang durchausvon dem „kompetenten Erwachsenen“ sprechenkann.

Will man körperbezogene Kompetenzen stärken(z. B. ein sicheres Körpergefühl und -bewusstseinentwickeln, Fertigkeiten zur Pflege des eigenenKörpers erwerben), ist zu beachten, dass demkindlichen Bedürfnis nach „Selber-tun-Wollen“ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Im Hinblick auf eine positive Fachkraft-Kind-Beziehung sind die Ansätze von Emmi Piklerheute immer noch sehr aktuell, und liefern darü-ber hinaus wertvolles Wissen – gerade für dieArbeit mit unter Dreijährigen. Emmi Pikler grün-dete 1946 in Budapest das Lóczy-Institut. Unterihrer Leitung und durch die Ergebnisse zurVerhütung des Hospitalismus sowie durch dieHerausgabe von Fachbüchern und wissenschaftli-chen Veröffentlichungen wurde das Säuglings -heim zu einem international bekannten methodo-logischen Institut, das heute von der Kinder psy -chologin Anna Tardos geleitet wird. Piklers Aus -sagen nach macht das Baby oder das Klein kind

die wichtigsten sozialen Erfahrungen während esgefüttert, gewickelt oder angezogen wird (siehez.B. Pikler 2001). Sie erkannte, dass die Art undWeise, wie Eltern, Tagespflegepersonen undpädagogische Fachkräfte mit den Kindern umge-hen zum Ausdruck bringt, was sie wirklich für dasKind empfinden. Aus diesem Grund hat Pikler derPflege einen so hohen Stellenwert für die Fach -kraft-Kind-Beziehung eingeräumt. Kinder sehendie Pflege als Gelegenheit, in der sie von ihrerBezugsperson absolute Aufmerksamkeit erhalten.Das Kind mit seinen Bedürfnissen steht dabeiimmer im Vordergrund.

Hierzu ein Beispiel: Wenn das Kind z. B. währenddes Wickelns nach einem bestimmten Gegen -stand greifen möchte, lässt die Fachkraft dies zu,beobachtet es interessiert und begleitet denVorgang sprachlich: „Ich sehe, du möchtest nachdem Mobile greifen.“ Durch dieses Vorgehen ent-wickeln das Kind und seine Bezugsperson nachund nach eine Kooperation, die auf Vertrauen undWertschätzung basiert. Von Pikler stammt auchdie Idee, dass Kinder selbst entscheiden dürfen,ob sie lieber im Liegen oder im Stehen gewickeltwerden möchten.

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Kleine Wickelgeschichte

Tomi, 9 Monate alt, vergnügt lächelnd, aber einwenig träge, wird von seiner Pflegerin gewickelt.Sie zieht ihm seine Strampelhose aus, doch ihreHand hält während der Bewegung inne. „Ziehstdu bitte dein Bein heraus?“ – Tomi lächelt, diePflegerin bittet ihn noch einmal und wartet – Tomizieht sein Bein heraus. Während sie die Windelentfernt, ergreift Tomi seinen Fuß und betrachtetihn – wendet dann aber seinen Kopf ab undlutscht am Finger. Die Pflegerin beugt sich zuihm. „Achtest du gar nicht auf mich?“, fragt sielachend. Das Kind zieht ebenfalls lachend seinenFinger aus dem Mund und greift nach ihremKleid. Inzwischen hat sie die Strampelhose in dieHand genommen, um sie ihm anzuziehen. Tomischaut weg, sie hält das Kleidungsstück in seiner

Blickrichtung vor seine Augen: „Schau mal, hierist deine Strampelhose.“ Als das Kind darauf ach-tet, bittet sie um sein Bein. Tomi trommelt mit sei-nen Füßen auf den Wickeltisch. Die Pflegerinzieht ihm, sich ein wenig dem Tempo desTrommelns anpassend, die Hose an: zunächstdas erste, dann auch das zweite Bein. Sie tut diesmit leichten, ununterbrochenen Bewegungenund bemerkt lächelnd: „Du sagst, ich soll deinenFuß halten?“ Sie knöpft die Strampelhose zu undholt die Hausschuhe. Tomi hebt beide Beinehoch, die Pflegerin zieht ihm einen Schuh an undsagt es ihm auch. Mit dem anderen Schuh in derHand, hält sie inne, bittet um seinen Fuß und war-tet – diesmal reicht Tomi ihn gerne (Pikler u.a.1997, S. 62).

In dieser kleinen Geschichte bemüht sich diepädagogische Fachkraft konsequent darum, denSäugling an der Wickelsituation zu beteiligen,indem sie seine Aufmerksamkeit fortwährend aufihre Tätigkeiten lenkt. Durch die Unterstützungvon Seiten der pädagogischen Fachkräfte lernendie Kinder Schritt für Schritt Pflegetätigkeitenselbstständig und autonom auszuführen (z. B.Händewaschen vor und nach dem Essen, selbst-ständiges An- und Ausziehen). Der Entwick -lungsschritt vom „Versorgt-Werden“ hin zum„Sich-selbst-versorgen-können“ und „Sich-selbst-versorgen-wollen“ für die Ausbildung eines posi-tiven Selbstkonzepts ist nicht zu unterschätzen(vgl. Kap. 2.6).

Auch zur motorischen Lern und Entwicklungs -theorie hat Emmi Pikler (2001) bedeutsameEntdeckungen gemacht. Da sich die kindlichen

Bewegungsformen wie Krabbeln oder Laufenselbstständig, nach biologischen und individuel-len Reifungsprozessen, entwickeln, brauchenKinder hier nicht die Hilfe der pädagogischenFachkraft oder der Tagespflegeperson (z. B. denSäugling zum Stehen aufzurichten). Vielmehr gehtes darum, optimale Möglichkeiten wie geeigneteSpiel- und Materialausstattung bereitzustellen,die das kindliche Bewegungsverhalten anregen.

Oberste Zielsetzung ist es daher, dem Kind genü-gend Zeit zu lassen und es nicht zu drängen, dennächsten Lern- und Entwicklungsschritt selbst zumachen. Wenn Eltern, Tagespflegepersonenoder die pädagogischen Fachkräfte bemerken,dass das Kind den nächsten Entwicklungsschrittbeginnt – z. B. sich an Möbeln hochzuziehen, amGeländer entlang zu hangeln – kann dieses Themaaufgegriffen werden. Der Erwachsene kann hier z.B. das Kind an seiner Hand balancieren lassen.

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Haben die Kinder in unserer Einrichtunggenügend Mitspracherecht, was die Ge -staltung von Räumlichkeiten (zum Toben,Bewegen aber auch Schlafen und Ausruhen)anbelangt?Gehe ich selbst als pädagogische Fachkraftoder Tagespflegeperson genügend auf daskindliche Bedürfnis nach Bewegung, Schlaf,Erholung und Entspannung ein? Achte ichz. B. auf Müdigkeitssignale von Säuglingenund Kleinkindern?Bereite ich Mahlzeiten so zu bzw. ist dasEssen so vorbereitet, dass es ein Genuss für die Kinder ist?Unterstütze ich die Kinder dabei, selbststän-dig zu essen? Gebe ich den Kindern genügend Raum, ummit Essen experimentieren zu können?

Inwieweit bin ich für die Kinder ein Vorbild,was Ess- und Ernährungsgewohnheitenangeht? Wie aufgeschlossen bin ich selbst gegenü-ber fremden Speisen oder Getränken?Gehe ich beim Essensangebot auch genü-gend auf Kinder mit anderem kulturellenHintergrund ein? Ist mein Pflegeverhalten (Wickeln, Füttern,Hilfe beim Toilettengang) auf zunehmendekindliche Selbstständigkeit ausgerichtet?Inwieweit gehe ich bei der Stärkung körper-bezogener Kompetenzen genügend aufKinder mit Behinderungen ein?(in Anlehnung an die Karte „Gesunde Kinder“in „Wach, neugierig, klug – Kinder unter 3“(Niesel u.a. 2006))

Fragen zur Reflexion

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2.5 Kinder in ihren kognitiven undlernmethodischen Kompetenzen stärken

Ein Säugling, der ein Stöckchen untersucht, esansieht, es dreht, in den Mund nimmt, einmal mitden Füßen berührt, dann wieder in die Händenimmt und fallen lässt – und dies mit Ausdauerund Motivation schon zum zehnten Mal wieder-holt –, erwirbt Wissen über physikalische Zu -sammenhänge, über die Beschaffenheit vonObjekten, Oberflächen und vieles mehr.

Die ersten drei Lebensjahre sind das Alter, in demKinder so viel und so schnell lernen wie sonstkaum mehr. Säuglinge und Kleinkinder sind akti-ve Forscher und Entdecker – eine einhellige Er -kenntnis, die aus dem neuro- und entwicklungs-psychologischen Diskurs der letzen Jahr(zehnt)eerwachsen ist. Sie sind sehr interessiert und moti-viert, sich neues Wissen anzueignen, über Objekte,über Zusammenhänge oder über den Menschen.

Die Entwicklung und Stärkung kognitiver undlernmethodischer Kompetenzen spielen eine zen-trale Rolle in der frühkindlichen Bildung. WennKinder schon in frühen Jahren erfahren, dass esnicht nur Spaß macht, zu lernen, sondern dass sieselbst viel Einfluss darauf haben, wie sie ambesten lernen, sind wichtige Grundlagen für daslebenslange Lernen gelegt.

Kognitive Kompetenzen umfassen ein breitesSpektrum an sehr unterschiedlichen Fähigkeiten:

Differenzierte Wahrnehmung setzt schon beiNeugeborenen ein und befähigt sie, ihre Weltzu erobern: Wie schmeckt das? Wie fühlt essich an und wie riecht es?Problemlösekompetenz – auch später spielt dieFähigkeit, die Umwelt differenziert wahrzuneh-men, eine wichtige Rolle, z. B. bei der Problem-lösung. Kleinkinder lernen, viele Probleme zulösen: Wie kann ich diese Flasche wiederzuschrauben? Wie schaffe ich es, den passen-den Schuh an den richtigen Fuß zu bekommen? Gedächtnis und Aufmerksamkeit sind weitereFähigkeiten, die zu den kognitiven Kompe ten -zen zählen und sich bei Kindern in den erstendrei Lebensjahren sehr stark weiterentwickeln. Zur Denkfähigkeit gehören die Fähigkeiten,Be griffe zu bilden, Zusammenhänge zu erken-nen, logisch zu denken, Fehler richtig zu nutzenetc.Dass auch Kreativität eine kognitive Kompetenzist, überrascht zunächst. Beim Lösen vonProblemen unkonventionelle neue Wege zugehen, aber auch schöne Bilder zu schaffen, er-fordert viel Kreativität, macht aber auch Spaßund entspannt zugleich (vgl. HBEP 2007, S. 41f.).

Wie erwerben Kinder diese Kompetenzen? Diesinnliche Wahrnehmung und das „Tun“, dasExperimentieren und Ausprobieren sind fürSäuglinge und Kleinkinder ein wesentlicher

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Die Theory of Mind

Die Theory of Mind (ein guter Überblick vgl.Sodian 2005) wirft ein verändertes Licht auf dasLernen des Kindes und macht deutlich, dass bis-herige Annahmen zur kognitiven Entwicklung dieLern- und Denkfähigkeit in den ersten Lebens -jahren deutlich unterschätzt haben.

Die Theory of Mind beschreibt die Fähigkeit, sichin andere Menschen hineinversetzen zu könnenund ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wasandere Menschen fühlen, denken oder wissenkönnten.

Kinder haben von Anfang an ein großes Interessefür andere Menschen und beobachten diesesorgfältig. Bereits mit einem Jahr denken Kinderüber andere Menschen nach und lernen, sich aufeine bestimmte Weise zu verhalten, um eingewolltes Verhalten herbeizuführen. Mit der Zeitlernen sie, die Intention einer Handlung zu ver-stehen, also eine Handlung eines anderen miteiner möglichen Absicht, welche dieser damit

verfolgt, zu verknüpfen. Kinder entwickeln zuneh-mend ein Verständnis darüber, wie andere Per -sonen von ihren jeweiligen Vorstellungen, ihremWissen und ihren Wünschen beeinflusst sind. InUntersuchungen wurde deutlich, dass bereitszweijährige Kinder dazu in der Lage waren, dieHandlungen anderer Personen mit derenWünschen in Verbindung zu bringen, auch wennsie selbst andere Vorstellungen und Wünschehatten. Wenn also z. B. das Kind selbst lieber miteinem Ball als mit Bauklötzen spielt, man ihmaber gleichzeitig erzählt, dass der Junge auf dempräsentierten Bild Bauklötze bevorzugt, so kannes vorhersagen, dass sich der Junge für dieBauklötze entscheiden wird. Schwieriger ist es fürein Kind zu diesem Zeitpunkt noch, die Handlungeiner Person auf der Basis deren Überzeugungund deren Wissen vorherzusagen, obgleich esselbst eine andere Überzeugung hat bzw. übermehr Wissen hinsichtlich einer bestimmtenSache verfügt.

Diese lernmethodischen Kompetenzen erwerbenKinder in der Regel erst mit vier Jahren.Vorläuferformen können jedoch sehr gut bereitsin den ersten Lebensjahren gestärkt werden:Kinder können schon früh ein positives Selbstbildals aktiv lernendes Kind entwickeln. Sie könnenFreude empfinden und stolz sein auf das, was siegelernt haben und wie sie es gelernt haben, undweiterhin mit hoher Motivation und Interesse anneue Phänomene herangehen. Gleichzeitig kannes gelingen, durch individuelle „metakognitve“Gespräche, mit denen der Lernprozess der Kinderin den Blick genommen wird, das Bewusstsein derKinder für das Lernen zu stärken und auch diebeginnende Perspektivenübernahme, die einewesentliche Voraussetzung für lernmethodischeKompetenz ist, zu unterstützen.

Zugangsweg (Exploration). Des Weiteren lernenauch Babys schon über Konsequenzen; sie erle-ben z. B., dass eine Melodie ertönt, wenn sie anihrem Schlaftier ziehen und wiederholen denVorgang (operantes Konditionieren). Junge Kin-der lernen außerdem viel durch Beobachtung,indem sie anderen Kindern und Erwachsenenzusehen und zuhören. Und sie lernen bei ihrerliebsten und vorherrschenden Aktivität – nämlichim Spiel (ein Überblick vgl. Siegler u. a. 2008).

Lernmethodische Kompetenz stellt als eigeneBasiskompetenz die Grundlage für lebenslangesLernen dar. Dazu gehören die Fähigkeit, neuesWissen bewusst und selbst gesteuert zu erwer-ben, das neue Wissen anzuwenden und zu über-tragen, aber auch die Fähigkeit, das eigene Lern -verhalten zu beobachten und aktiv zu regulieren.

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Bedeutung der kognitiven und lernmethodischen Kompetenzen unter der BEP-Lupe

Kognitive und lernmethodische Kompetenzenbeschreibt der Hessische Bildungs- und Er -ziehungsplan als zentrale Basiskompetenzen. Wiewichtig dieser Bereich ist, zeigen die engenVerbindungen zu allen anderen Basiskompeten -zen. Für viele der Basiskompetenzen sind diekognitiven und lernmethodischen Kompetenzensogar grundlegend. Solche Zusammenhänge exi-stieren z. B. mit dem Spracherwerb, aber auch beider Entwicklung des Selbstkonzepts und dersozialen und emotionalen Kompetenzen.

Kognitive und lernmethodische Kompetenzenspielen eine zentrale Rolle bei den Bildungs vi -sionen „Lernende, forschende und entdeckungs-freudige Kinder“. Aber genauso wichtig sind sieauch für die Visionen „kreative, fantasievolle undkünstlerische Kinder“ und „kommunikationsfreu-dige und medienkompetente Kinder“. Wie auchbei den anderen Kompetenzbereichen gilt:Kognitive Kompetenzen können in den unter-schiedlichsten Bildungsbereichen gestärkt wer-den. So bietet es sich an, zusammen mit denKindern naturwissenschaftliche Phänomene zuerforschen – ein Thema, das wohl von fast allenKindern in den ersten drei Lebensjahren geliebtwird, ist Wasser. Genauso kann beim Musikhörendie differenzierte Wahrnehmung gestärkt werdenund beim Turnen erforschen die Kinder, wie maneine Wippe bauen kann.

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Entwicklungspsychologischer Hintergrund – Meilensteine der Entwicklung

Säuglinge erkunden ihre Umwelt stark über diesinnliche Wahrnehmung (vgl. z. B. Rauh 2008).Schon Neugeborene sind mit einem umfassen-den Sinnesrepertoire ausgestattet und damit inder Lage, aktiv mit der Umwelt und ihren Be zugs -personen in Kontakt zu treten. Säuglinge blickenschon kurz nach der Geburt um sich und betrach-ten die Objekte, die in ihrem Blickfeld auftauchen.Sie haben eine Präferenz für menschliche Ge -sichter und können auf einer kurzen Distanz (ca.einer Armlänge) schon relativ scharf sehen. DieSehschärfe beträgt anfangs nur 25 Prozent einesErwachsenen, entwickelt sich aber innerhalb vonacht Monaten fast voll aus. Schon früher könnenFarben, Helligkeit und Tiefe, also unterschiedlicheEntfernungen, wahrgenommen werden.

Das Gehör ist bei Neugeborenen schon vor derGeburt relativ weit entwickelt, bildet sich in denersten Jahren aber noch weiter aus. Die mensch-liche Sprache ist davon ausgenommen. Für dieseTöne haben Neugeborene eine sehr hoch ausge-prägte Wahrnehmungs- und Unterschei dungs -fähig keit – sie erkennen schon nach der Geburtdie Stimme ihrer Mutter. Die Nahsinne – Ge -

ruchssinn, Tastsinn und Geschmackssinn – desNeugeborenen sind ebenfalls schon weit ent-wickelt. So können Babys bereits zwei Wochennach der Geburt den Geruch ihrer Mutter vondem einer anderen Person unterscheiden. Wennman die Sinnesausstattung des Neugeborenen ineinen Zusammenhang stellt, zeigt sich, wie starksie auf die Interaktion und den Kontakt mit ihrenBezugspersonen ausgerichtet ist und wie wichtigdies für das Lernen des Kindes ist.

In den nächsten Monaten nimmt die sensorischeExploration stark zu. Da die motorischen Fertig -keiten eines Neugeborenen noch sehr einge-schränkt sind, setzt es in den ersten vier Monatenvor allem den Mund als Mittel ein, um sich selbstund seine Umwelt zu erkunden, also zu ertastenund zu erschmecken. Erst danach gewinnt dieExploration mit den Händen Priorität. Objektewerden untersucht, indem sie betastet, beklopft,geschoben und gehoben werden (vgl. Kasten2008).

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Wenn man Kinder bei der vielfältigen Explorationihres Körpers und ihrer Umwelt beobachtet, stelltsich unmittelbar die Frage nach der kognitivenKompetenz: Was denken Kinder bei all dem, wassie machen? Zunächst scheint grundlegend zusein, ob Säuglinge Objekte, die sie als solchewahrnehmen, auch mental repräsentieren, oderob sie für sie nur im „Hier und Jetzt“ derWahrnehmung und des Umgangs damit beste-hen. Dafür wurde der Begriff der „Objekt -permanenz“ geprägt. Piaget untersuchte dieseFähigkeit mit Hilfe von Suchexperimenten. Er ver-steckte zunächst Objekte, die sich im Sichtfeld derSäuglinge befanden, und nahm das Suchver -halten der kleinen Kinder als Indikator dafür, obsie die Objekte auch ohne unmittelbare Wahr -nehmung weiter als existent ansahen oder nicht.So entdeckte er, dass Säuglinge erst ab dem Altervon acht Monaten eine solche Permanenz haben.Doch Piagets Erklärung dieses Phänomens giltmittlerweile als widerlegt: Mit anderen Versuchs -anordnungen konnte gezeigt werden, dassKinder bereits im Alter von dreieinhalb bis fünf-einhalb Monaten nicht nur über einfache Objek t -permanenz verfügen, sondern sogar unterschied-liche Merkmale von Objekten, wie z.B. Größe,mental repräsentieren (Pauen 2003; Siegler u. a.2005).

Im Lauf des ersten Lebensjahres erwerben Säug -linge auch ein immer differenzierteres Wissenüber physikalische Zusammenhänge. Sie sindüberrascht, wenn ein Ball, der von einer schiefenEbene herabrollt, langsamer und nicht schnellerwird oder jemand einen Gegenstand, den erzuvor festgehalten hat, loslässt, und dieser imRaum schwebend stehen bleibt. Damit zeigen dieKinder ihr Wissen über Schwerkraft. Im Alter vonfünf bis sieben Monaten bilden Kinder Kategorienwie „Lebewesen“ und „Nicht-Lebewesen“ aus, dieim Verlaufe dieses Lebensjahres immer differen-zierter werden. Mit circa einem Jahr kennenKinder „Basiskategorien“ wie etwa Autos, Tische,Stühle, Katzen. Kleinkinder repräsentieren Objektedann schon symbolhafter: Dinge, die real gese-hen wurden, werden jetzt auch in Bilderbüchernwiedererkannt. Außerdem können die Kinder ein-fache Zusammenhänge innerlich repräsentierenund behalten: Wenn meine Mama den Tischdeckt, bekomme ich bald etwas zu essen. Klein-kinder stellen Ursache-Wirkungs-Zusammen hänge(etwas bewegt sich, wenn man zieht) fest und wie-derholen diese Handlungen und variieren sie.Abweichungen von diesen Reihenfolgen rufen oftgroße Unruhe und Protest hervor.

9 bis 15 Monate alte Säuglinge können zuneh-mend einen gemeinsamen Aufmerksamkeits-fokus (Siegler 2005) mit ihrem Interaktionspartnerausbilden (joint attention). Die Kinder sehen diegleichen Dinge an, verfolgen aufmerksam das

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Blick verhalten der Bezugsperson oder der ande-ren Kinder und schaffen es auch, die Aufmerk-samkeit des anderen für Objekte herzustellen, diesie selbst interessieren. Auch hier zeigt sich wie-der, wie zentral die Interaktion für das Lernen ist –für ganzheitliches und bedeutungsvolles Lernen,das von positiven Emotionen begleitet wird.

Im zweiten Lebensjahr beginnen Kleinkinder zulaufen und auch die ersten Worte zu sprechen.Mit diesen neuen Handlungsspielräumen könnensie weitere Erfahrungen über die Welt erwerbenund ihre kognitiven Kompetenzen weiter ausbau-en. Die Exploration wird intensiver: Die Kindererwerben Wissen über räumliche Zusammenhänge(z. B. eine kleine Schachtel passt in eine große)und zeitliche Abfolgen (z. B. zuerst wache ich auf,dann bekomme ich eine Flasche, danach wickeltmich mein Vater) und können dieses Wissen auchüber längere Zeiträume behalten.

Der Erwerb der Sprache ist eine zentraleEntwicklungsaufgabe im zweiten und drittenLebensjahr. Wenn Kinder ein Objekt oder einePerson mit einem Begriff benennen können, kön-

nen sie auch dann über das Objekt nachdenkenund mit anderen darüber sprechen, wenn esgerade nicht da ist. So können Kinder z. B. darü-ber sprechen, welches Spiel sie spielen wollen –nämlich Ballspielen –, auch wenn der Ball gerade inder Garage liegt. Diese kognitive Leistung nenntman Begriffsbildung. Außerdem können Bezieh-un gen oder auch Handlungsabläufe beschriebenwerden.

Die im zweiten Lebensjahr beginnende Auto-nomie phase (vgl. Kap. 2.6) setzt sich im drittenLebensjahr fort. Kinder benennen andere Kindermit Namen, sie können Jungen und Mädchenunterscheiden und Eigenschaften von sich undanderen aufzählen.

Im dritten Lebensjahr schreitet parallel zur Aus -differenzierung der Sprache auch die Entwicklungvon Fantasie und Vorstellungsvermögen voran.Jetzt gelangen die Kinder zu symbolischen Re -präsentationen von Objekten; sie verwenden bei-spielsweise einen Stock, um einen Kochlöffel dar-zustellen. Auch imaginäre Freunde – die keinerleiAnlass zur Sorge darstellen, sondern Ausdruck vonlebhafter Fantasie sind – können dann auftauchen.

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Umsetzung in die pädagogische Praxis

Was ist wirklich wichtig, wenn es um die Stärkungder kognitiven und lernmethodischen Kompeten -zen von Kindern geht?

Am wichtigsten ist es, dass Kinder ein positivesSelbstbild als aktiv lernendes und kompetentesKind entwickeln können. Zweitens ist es wichtig,das Interesse und die hohe Motivation, die Kinderunter Drei mitbringen, zu stärken, indem man ge -nau beobachtet, welche Phänomene die Kinderinteressieren und diese in Projekten und unter-schiedlichen Zusammenhängen immer wiederaufgreift. Und drittens ist es wichtig, den Lern -prozessen von Kindern viel Aufmerksamkeit zuwidmen, sie sensibel zu beobachten und zu doku -mentieren, sie sprachlich zu begleiten und sich alspädagogische Fachkraft oder Tages pfle ge personaktiv in die Moderation des kindlichen Spiels undder Bildungsprozesse einzubringen.

Bildungsprozesse von Kindern sprachlich moderieren: Metakognitive DialogeGespräche, die Erwachsene und Kinder oder eineKindergruppe beim Lernen und über das Lernenführen, werden häufig als „metakognitive Dialoge“bezeichnet (Fthenakis u.a. 2009). Diese Dialogesind nicht nur für Kinder über drei Jahren geeig-net, die schon über das eigene Lernen nachden-ken können, sondern können sehr gut auch in derArbeit mit Kindern in den ersten drei Lebens -jahren eingesetzt werden. Ein ko-konstruktivesund lernmethodisch orientiertes Vorgehen setztnicht voraus, dass alle Kinder schon sprechenkönnen. Bei unter Dreijährigen kann dies auch be -deuten, den Kindern Fragen zu stellen, auf die sienonverbal, mit Gestik und Mimik reagieren kön-nen. Oder es bietet sich an, Fragen, die die Kindernonverbal signalisieren, in Worte zu fassen. Eskann bedeuten, dass die pädagogische Fachkraft/ Tagespflegeperson die Art und Weise, wie sichKinder bestimmten Phänomenen nähern, sprach-lich begleitet und den Kindern auf diese Weiseihre Lernprozesse allmählich bewusst werden.

Wenn ein Säugling z. B. entdeckt, dass er selbstmit der Rassel Geräusche erzeugen kann undseine Freude darüber an seinem lachendemGesicht „abzulesen“ ist, kann man dies sprachlichkommentieren: „Schau, da kommen Geräusche!Jetzt hast Du die Rassel geschüttelt und es kom-men Geräusche! Gefällt Dir das? Wie hast du dasdenn geschafft? – Pause – Da bist du aber stolz,oder?“ Bei dieser Technik wird der Lernprozessdes Kindes beschrieben und auch versucht, dieEmotionen, die das Kind dabei entwickelt, inWorte zu fassen. Diese Technik kann man schonbei sehr jungen Kindern anwenden, auch wennsie vielleicht noch nicht alle Wörter verstehen.Wenn die Kinder älter sind, können diese Dialogeimmer differenzierter gestaltet werden. KönnenKinder in den ersten drei Lebensjahren beobach-ten, wie solche metakognitiven Dialoge zwischenälteren Kindern oder zwischen Erwachsenen undKindern stattfinden, kann dies die Vorläufer -fähigkeiten für lernmethodische Kompetenz stär-ken. Viele Beispiele für metakognitive Dialoge fin-den sich bei W. E. Fthenakis (2009).

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Spielen und LernenKinder spielen, Erwachsene spielen und selbst inder Tierwelt entdeckt man das Spiel immer wieder.In den ersten Lebensjahren stellt Spielen die vor-herrschende Aktivität und Möglichkeit dar, sich mitder Welt auseinanderzusetzen. Sie ist die elemen-tarste Form des Lernens – Spielen ist immer auchLernen. Im Spiel kann das Kind seine Umwelt erkun-den, Dinge ausprobieren und Realitäten nachstel-len. Das Spiel bietet eine sehr gute Möglichkeit, ineiner lernenden Gemeinschaft mit ande ren Kindernsowie Erwachsenen voneinander und miteinanderzu lernen. In der Fachwelt ist die Bedeutung desSpiels für die kognitiven, physischen und sozial-emotionalen Fähigkeiten längst unumstritten (einÜberblick vgl. Oerter 2008). Aus Untersuchungenist bekannt, dass Als-ob-Spiele sowie soziale Rol -lenspiele sich besonders positiv darauf auswirken,wie Kinder in der Lage sind, Emotionen andererKinder einzuordnen und ihr Gegenüber zu verste-hen. Zudem waren positive Auswirkungen auf dieSprachentwicklung und Kreativität zu beobachten.Je nach Alter, Entwicklungsstand, Interessen undBedürfnissen variiert das Spiel. Das Spielverhaltenist Ausdruck der inneren Befindlichkeit des Kindes.Einen großen Einfluss auf das Spielverhalten hat dieArt und Weise, wie dem Spiel des Kindes von außenbegegnet wird. In der Bindungsforschung existiertsogar eine eigene Kategorie dafür, wie gut sichErwachsene im Spiel auf das Kind einlassen können,die „Spielfeinfühligkeit“ (vgl. Grossmann & Gross-mann 2004).

Naturwissenschaftliche Phänomene verstehen

Drei Jungen sitzen im Planschbecken samt Rühr -besen, Schüssel, Schaum und Ball. Die Erzieherinbeobachtet die Kinder vom Beckenrand aus. Diedrei Jungen füllen Wasser um, lassen dieSchüssel überlaufen und rühren mit den Schnee-besen im Wasser herum. Sie lernen Gegensätzekennen – nass und trocken, voll und leer, leichtund schwer. Die Erzieherin kommentiert dasGeschehen, reflektiert es und stellt Fragen: Wieviele Becher passen in eine Schüssel, wie viele ineine kleine Schale? Gemeinsam entdecken dieKinder in der Interaktion naturwissenschaftlichePhänomene. Sie experimentieren mit ungemei-

ner Ausdauer, Konzentration und Entdeckerlust.Ganz nebenbei verfeinern sich die Feinmotorikund die Augen-Hand-Koordination.

Fast immer geschieht auch etwas Unerwartetes.So verfängt sich der Ball im Drahtgestänge desRührbesens und die Jungen versuchen gemein-sam, den Ball wieder zu befreien. Systematischversuchen sie, das Problem zu lösen, und alle dreiKinder sind davon gefesselt.

(Videoszene aus dem Film: Wach, neugierig, klug.(Niesel 2008))

Spielen und Lernen stellen also keineswegs Ge -gensätze, sondern zwei Seiten derselben Medailledar. Gerade in den ersten Lebensjahren verwischensich die Grenzen von Freispiel und geplanten Lern -aktivitäten. Bei der Stärkung der kognitivenKompetenzen hat das kindliche Spiel eine zentraleRolle – und dies gilt ganz besonders für die erstenLebensjahre. Kinder, die z. B. mit einer Kugelbahnspielen, lernen viel über physikalische Zusam men -hänge, über Schwerkraft und Geschwin digkeit.Gleichzeitig erweitern sie auch ihre sozialen Kom -petenzen, wenn mehrere Kinder zusammen spie-len. Sie üben Rücksichtnahme und lernen, kleinereFrustrationen, wie kurz warten zu müssen, bis manwieder an die Reihe kommt, zu ertragen.

Das kindliche Spiel bestmöglich nützen undmoderierenPädagogische Fachkräfte und Tagespflegeper-sonen

schätzen das Spiel als wichtiges Element derkindlichen Entwicklung und des Lernens undmessen ihm eine hohe Bedeutung für die Stär -kung der kindlichen Kompetenzen zu,gestalten eine anregende Spielumgebung,schaffen ein ausgewogenes Verhältnis zwischenFreispielphasen und angeleiteten Spielen,beobachten und dokumentieren sensibel, wo -mit Kinder gerade bevorzugt spielen und wel-che Themen für sie aktuell von großem Inter -esse sind,

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Spielformen – Lernformen

Sensumotorisches SpielDas Sensumotorische Spiel ist die frühesteForm des Spielens und charakteristisch für dasAlter von 0 bis 3 Jahren. Säuglinge berührenund erforschen dabei zunächst eigene Körper -teile und später auch Gegenstände. Sie explo-rieren mit allen Sinnen, nehmen Gegenständein den Mund, hantieren damit, betrachten sie.Typisch für das sensumotorische Spiel sindhäufige Wiederholungen und Variationen der-selben Handlung. Im sensumotorischen Spielwerden nicht nur (fein-)motorische Kompeten -zen gestärkt, sondern darüber hinaus die kog -ni tiven Kompetenzen (z. B. Wissen über Objekte,physikalische Zusammenhänge, Wahrneh mung)angesprochen.

Erkundendes ExplorationsspielDie Dinge in ihrer Beschaffenheit und in ihrenmöglichen Verwendungsformen zu erkunden,ist der Kern des Explorationsspiels. Es tritt sehrhäufig um das erste Lebensjahr herum auf.Gegenstände werden auseinander genom-men, wieder zusammengefügt und für die unter-schiedlichsten Zwecke eingesetzt. Auch dieseSpielform fördert neben (fein-)motorischenKompetenzen die kognitiven Kompetenzen.

KonstruktionsspielAb ungefähr eineinhalb Jahren beginnen Kin -der zu konstruieren und eigene fantasievolleBauten und Räume zu schaffen. Im Gegensatzzum Explorationsspiel werden hier vermehrtandere Kinder und Erwachsene einbezogen.Außerdem zählt beim Konstruktionsspiel nichtalleine die Lust am Tun, sondern auch dasErgebnis – sei es nun eine Mauer aus Sand, ein

Turm aus Bauklötzen oder eine Höhle ausTüchern. Beim Konstruktionsspiel werden nebenindividuumsbezogenen Kompetenzen immerstärker auch die sozialen Kompetenzen ge -fördert.

Symbol- bzw. RollenspielDas Symbolspiel wird auch als „echtes Spiel“beschrieben. Charakteristisch ist dafür, dassSpielgegenstände wie Puppen oder Spielzeug-autos nach den eigenen Vorstellungen verwen-det werden: eine Zahnbürste, um der Puppedie Haare zu kämmen, ein Styroporblock alsGarage für die kleinen Autos. Einfache Sym -bolspiele beginnen die Kinder schon ab demersten Lebensjahr zu spielen, und die Anzieh -ungs kraft dieser Symbol- und Rollenspielebleibt den gesamten Elementarbereich übererhalten. Das kooperative Rollenspiel ist imAlter von 0 bis 3 Jahren nur sehr selten und beimiteinander vertrauten Kindern vorzufinden,während parallele Symbolspiele von zwei odermehreren Kindern häufiger anzutreffen sind.Bei älteren Kindern werden diese Spiele immerphantasievoller und interaktionsbetonter – klas-sische „Rollenspiele“ also, in der die Be -deutung und der Ablauf des Spiels zu Beginnvon den Kindern ausgehandelt werden. „Vater,Mutter, Kind“ ist solch ein klassisches Rollen -spiel, in dem Kinder zudem Belastungen, Äng-ste und Wünsche verarbeiten können. DieseSpielform spricht fast alle Basiskompetenzenan: Sie stärkt nicht nur die individuellenKompetenzen von Kindern, sondern ist darüberhinaus die bedeutsamste Spielform für dieStärkung der sozialen Kompetenzen und auchder Resilienz. (vgl. Oerter, 2009)

reflektieren regelmäßig die Spiele der Kinderund beziehen dabei auch die Kinder ein,spielen mit den Kindern und begeben sich da -bei auf eine Augenhöhe mit ihnen, moderierenund gestalten das Spiel aktiv gemeinsam mitden Kindern,

übernehmen eine steuernde Rolle, wenn Kin -der von einem bestimmten Spiel oder einerSpielsituation überfordert sind.

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Gestaltung einer anregenden Lernumgebung:MaterialangebotDie kognitiven Kompetenzen von Kindern könnendurch eine sorgsame und pädagogisch durch-dachte Auswahl von Materialien wesentlich berei-chert und gestärkt werden. Der Leitsatz „Qualitätvor Quantität“ gilt bei Kindern unter drei Jahrenbesonders und betrifft sowohl die Auswahl alsauch die Präsentation der Materialien. Die hapti-sche Qualität, die Ästhetik und die Vielseitigkeitder Materialien sind besonders für Kleinkindervon großer Bedeutung. Als Materialien empfeh-len sich:

Forschungsmaterialien (Gefäße mit Schrau b -deckeln, Röhren, in die Kinder etwas hinein-stecken können; Naturmaterialien, Schwämmeunterschiedlicher Größe; Tücher mit unter-schiedlichen Farben und Texturen …)Materialien, die verschiedene Sinne anspre-chen (Mal- und Zeichenmaterial, Musikinstru -mente, Geräuschememory, Tastpfade / Tast-wände, Materialien zum Kneten und Formen,verschiedenste Naturmaterialien …)

Materialien und Gegenstände, die zu Rollen-spielen auffordern (Puppen, Puppenküche mitverschiedenem Zubehör, verschiedene Hüte,Theaterutensilien …)Konstruktionsmaterialien (Bauklötze, Kissen,Tücher, kleinere und größere Pappkartons zumVerstecken oder Hausbauen …).

Nicht alle Gegenstände und Materialien sind für Kin-der unter drei Jahren geeignet. Sie sollten keineverschluckbaren Kleinteile oder gesundheitsge-fährdende Weichmacher enthalten und es solltekeine Strangulierungsgefahr von ihnen ausgehen.

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2.6 Kinder in ihrem positivenSelbstkonzept stärken

Zu einer der wichtigsten Entwicklungsaufgabendes Kindes gehört es, sich ein Wissen über dieeigene Person, die eigenen Kompetenzen undpersönlichen Eigenschaften aufzubauen. DasKind stellt sich in seinem Bildungs- und Entwick-lungsverlauf z. B. folgende Fragen:

Was kann ich schon gut?Werde ich von anderen akzeptiert und ge -mocht?Bin ich ein Junge oder ein Mädchen?

Nach und nach erforscht und entdeckt das Kinddas eigene „Ich“, die eigene Identität. Dieser Ent-deckungsprozess geschieht nicht im „Alleingang“,sondern nur im Austausch und in Interaktion mit

anderen Personen, die dem Kind fortlaufend Rück-meldung über sein Können oder Nichtkönnen,über sein Verhalten, seine Eigenschaften undKompetenzen geben.

Ein positives Selbstkonzept lässt sich nicht isoliert,sondern nur in engem Zusammenspiel mit denzuvor beschriebenen Kompetenzen stärken. DieEntwicklung eines positiven Selbstkonzeptes istdaher vielmehr als Entwicklungsergebnis zubetrachten. Wichtige Voraussetzung, um ein posi-tives Selbstkonzept entwickeln zu können, ist einesichere Bindung (vgl. Kap. 2.1). „Das Selbstbildscheint bei sicher gebundenen Kindern eher ineiner realistischen Einschätzung von sich als lie-benswert und von anderen als hilfsbereit begrün-det zu sein, während bei unsicher gebundenenKindern entweder ein stark idealisiertes oder einsehr negatives Selbstbild zu beobachten ist“ (Mainu. a. 1985, zit. nach Becker-Stoll 2007, S. 28).

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Bedeutung des positiven Selbstkonzepts unter der BEP-Lupe

Kinder mit einem positiven Selbstkonzept fühlensich wertvoll, fähig, wichtig und kompetent (Abidin1996). Die körperliche und seelische Gesundheit,das Wohlbefinden und die Lebensqualität einesMenschen – sowohl im Kindesalter als auch beiJugendlichen und Erwachsenen – hängen in ent-scheidendem Maße von der Ausbildung einespositiven Selbstkonzepts ab, welches zugleichauch wichtige Voraussetzung zum kompetentenUmgang mit Veränderungen und Belastungen(Resilienz) darstellt (HBEP 2007, S. 44). Kinder, diesich als wertvoll und kompetent erachten, habenweniger Schwierigkeiten, auf andere zuzugehenund Kontakte zu knüpfen.

Ein positives Selbstkonzept erleichtert die sozialeInteraktion und das Zusammenleben mit anderenund gilt somit als Wegbereiter für die Entwicklungund Stärkung sozialer und emotionaler Kompe -tenzen (HBEP 2007, S. 57ff.). Auch für den Erfolgund die Zufriedenheit in Familie, Kindertages ein -richtung, Schule sowie im späteren Beruf stellt einpositives Selbstkonzept einen wichtigen Indikatordar. So geht ein positives Selbstkonzept mit gerin-ger Leistungsängstlichkeit und mit positiverEinstellung zur Schule und zum Lernen einher(Roebers 2007).

Die große Bedeutung der Entwicklung eines posi-tiven Selbstkonzeptes wird im Hessischen Bil-dungs- und Erziehungsplan herausgestellt und alswichtige individuumsbezogene, genauer gesagtpersonale Basiskompetenz angesehen. Ein Kind,das sich als kompetent, wichtig und einflussneh-mend erlebt und betrachtet, gestaltet seineBildung und Entwicklung von Anfang an aktiv mitund übernimmt dabei entwicklungsangemessenVerantwortung.

Wie Kinder sich selbst einschätzen, hängt in ent-scheidendem Maße von den Interaktionen mit denBezugspersonen ab. Vor allem Eltern, Tagespfle -ge personen und pädagogischen Fachkräftenkommt bei der Unterstützung und Moderierungeines positiven kindlichen Selbstkonzeptes einegroße Verantwortung zu. Eltern, Tagespflege -personen und pädagogische Fachkräfte könnenKinder effektiv darin unterstützen, ein starkes Selbstauszubilden, damit sie für die Herausforderungendes Lebens gewappnet und zugleich davon über-zeugt sind, dass der eigene Erfolg unmittelbar mitdem eigenen Einsatz zusammenhängt (Brandl &Dal Cero, in Druck).

In der Fachliteratur tauchen unterschiedlicheBegrifflichkeiten (z. B. das Selbst / das Selbstkon -zept, die Selbstwirksamkeit, der Selbstwert / dasSelbstwertgefühl) auf. Was ist darunter zu verste-hen?

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Selbst / SelbstkonzeptWenn wir vom „Selbst“ sprechen, beziehen wir unsauf ein Konzeptsystem, das aus Gedanken undEinstellungen über sich selbst besteht (Siegler u. a.2005). Zu der Vorstellung des Indivi duums vonsich selbst können Gedanken über das eigenematerielle Sein (Körper, Eigentum), soziale Merk -male (Beziehungen, Persönlichkeit, so ziale Rollen)und „spirituelle“ oder innere Merkmale (Gedan-ken und psychische Vorgänge) gehören.

Die Entwicklung des Selbstkonzeptes ist ein fort-währender, sehr komplexer lebenslanger Prozess,der niemals vollständig abgeschlossen ist undsich durch wiederholte Interaktion mit „signifikan-ten Anderen“ über einen langen Zeitraum hin-weg entwickelt (Abidin 1996). Daher ist es nichtverwunderlich, dass sich die Stabilität desSelbstkonzeptes im Vorschulalter als sehr geringerweist (Roeders 2007).

SelbstwirksamkeitInnerhalb der ersten zwei Lebensjahre ist das„Wissen“ über sich selbst vorwiegend durch dasGefühl der eigenen Wirksamkeit vermittelt(Schwarzer & Jovanovic 2007).

Das Konzept der Selbstwirksamkeit, das aufAlbert Bandura zurückgeht (1977), baut auf einerTrennung zwischen Ergebniserwartung undWirksamkeitserwartung auf. Bei jeder geplantenHandlung erwartet eine Person ein bestimmtesErgebnis (z. B. Kontakt zu Gleichaltrigen), welcheszugleich mit einer Wirksamkeitserwartung ver-knüpft ist (z. B. wenn ich nett zu anderen Kindernbin, werde ich als Spielpartner akzeptiert). Esgeht also bei der Selbstwirksamkeit darum, obsich eine Person für kompetent genug hält undfühlt, um selbst gesteckte Ziele zu erreichen und

dafür Leistungen zu erbringen. Im Gegensatzzum Selbstwert ist die Selbstwirksamkeit wenigerstark von sozialen Vergleichen abhängig (Ban -dura 1977).

Bei Kindern lässt sich das Gefühl des „Kom -petentseinwollens“ und des „Selbermachen- undSelberkönnenwollens“ (selbstwirksam zu sein)schon im ersten Lebensjahr an der Freude amEffekt eigener Handlungen erkennen. Im zweitenund dritten Lebensjahr entwickeln Kinder dasstarke Bedürfnis, etwas selbst machen bzw. kön-nen zu wollen (Oerter & Montada 2008).

SelbstwertgefühlEin wichtiges Element des Selbstkonzepts ist dasSelbstwertgefühl – die allgemeine Bewertungdes Selbst und die Gefühle, die durch dieseBewertung erzeugt werden. Das Selbstwert ge -fühl stellt die affektive Dimension des Selbst -konzeptes dar.

Es wird vor allem beeinflusst von genetischenDispositionen (z. B. Aussehen, Sportlichkeit,Intelligenz, Persönlichkeitsmerkmale) und sozia-len Faktoren (Beliebtheit, sozialer Status) und istdeswegen so wichtig, weil es bedingt, wie zufrie-den Menschen mit ihrem Leben und ihrenZukunftsaussichten sind (Siegler u. a. 2005).

Wie beim Selbstkonzept ist auch die Entwicklungdes Selbstwertgefühls bei Kindern von verschie-denen Faktoren abhängig. Dazu gehören dasgenetische Erbe, die Qualität der kindlichenBeziehungen, das Aussehen und die Fähigkeitendes Kindes, die Schule, das Wohnviertel und ver-schiedenste kulturelle Faktoren, die sich auf dasLeben der Kinder auswirken (Siegler u. a. 2005).

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Entwicklungspsychologischer Hintergrund – Meilensteine der Entwicklung

„Die Entwicklung des Selbstkonzeptes ist einThemenbereich innerhalb der Entwicklungspsy -chologie, in welchem affektive, soziale und kogni-tive Aspekte zusammen laufen“ (Roebers 2007, S.381). Auch wenn das Selbstkonzept in den erstendrei Lebensjahren noch recht rudimentär ausge-bildet ist, geht die Bindungstheorie davon aus,dass bereits kleine Kinder internale Arbeitsmo -delle (vgl. Kap. 2.1.) von ihren Bindungsfigurenund von sich selbst aufbauen. „Kernpunkte desArbeitsmodells von sich selbst sind die Vorstel -lung von der eigenen Person als liebenswert undunterstützenswert und die Erwartung eigenerEffektivität in der Auslösung von Reaktionen beianderen“ (Becker-Stoll 2007, S. 29). Wichtige Vor -läuferkompetenzen zur Ausbildung eines (positi-ven) Selbstkonzeptes werden also bereits in denersten drei Lebensjahren gelegt, vor allem vermit-telt über positive Bindungserfahrungen.

Die Selbstkonzeptforschung kann eine lange ent-wicklungspsychologische Tradition vorweisen.Einen guten Überblick über die aktuelle Grund -lagenforschung zur Selbstkonzeptentwicklunggeben z. B. Werner Greve (2000) und Hans DieterMummendey (2006).

Die Entdeckung des „Ich“ gilt als Meilenstein fürdie gesamte Entwicklung des Kindes. Die Ent -wicklung der Identität – die „Ich-Entwicklung“ –bedeutet, dass Kinder nach und nach ein Gefühlund ein Wissen über die Eigenart und Ein ma -ligkeit der eigenen Person entwickeln. Die Aus -bildung eines Selbstkonzeptes setzt jedoch vor-aus, dass sich das Ich von seiner sozialen und phy-sischen Umwelt abgrenzt (Kranz 2005).

Bereits von Geburt an, möglicherweise schonfrüher, verfügen Menschen über ein subjektivesEmpfinden ihrer Selbst, weil sie bereits nach derGeburt fähig sind, sich als zumindest rudimentär„organisiert“ zu erleben (Stern 2007). Neuge-borene sind fähig, mit ihren Bezugspersonen zuinteragieren, auf der Suche nach Schutz, Näheund Geborgenheit (Ainsworth 1978). DerGesichtsausdruck der Bezugsperson(en) stelltsicherlich die wichtigste selbstbezügliche Infor -ma tionsquelle in der vorsprachlichen Entwicklungs-phase dar. Säuglinge beherrschen diesen „Kom -munikationsstil“ sehr früh. Das zeigt sich daran,dass sie bereits in den ersten Wochen denGesichtsausdruck ihrer Bezugsperson(en) imitie-ren können (Stern 2007).

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Rouge Test

Mit Hilfe dieses Tests (Bischof-Köhler 1989) konntenachgewiesen werden, dass sich Kinder gegenEnde des zweiten Lebensjahres selbst im Spiegelerkennen. Die Versuchsleiterin tupft einen Fingerdes Kindes in einen Topf mit roter Farbe und führtihn anschließend an seine Stirn. Ein roter Punktmar kiert nun die Stirn des Kindes. Dann wird dasKind vor dem Spiegel gefragt, wer denn die Per -son mit dem roten Punkt ist. Oder das Kind wird

aufgefordert, den Punkt wegzuwischen. Kinderunter 18 Monaten versuchen häufig, das Kind imSpie gel zu berühren, oder sie reagieren gar nichtauf die Aufforderung. Im Alter von ca. 21 bis 24Mo naten machen die meisten Kinder eine deutli-che Bewegung hin zu ihrem Gesicht, sodass ange-nommen werden kann, dass sie das Spiegelbildals Reflexion ihrer Selbst erkennen können (Siegleru. a. 2005).

In der Entwicklungspsychologie wird bereits daserste soziale Lächeln im Alter von circa sechsWochen vielfach als Beginn der Ich-Entwicklungbewertet. Ab diesem Zeitpunkt bemerken Säug -linge, dass ihre Reaktionen (z. B. Lächeln) beianderen etwas bewirken (van Dieken 2008).Bereits mit zwei Monaten sind sich Säuglingebewusst, dass sie Dinge selbst beeinflussen undkontrollieren können. Stellt man ihnen z. B. einMobile zur Verfügung, das sie selbstständigdurch eine Schnur in Bewegung setzten können,ruft dies positive Reaktionen hervor. Verlieren

die Kinder die Kontrolle wieder, reagieren siemit Wut (Brandl & Dal Cero, in Druck).

Die Entdeckung der Identität Wie können Eltern, Tagespflegepersonen undpädagogische Fachkräfte erkennen, dass einKind ein Bewusstsein seiner Selbst entwickelthat? Ein deutlicher Hinweis besteht darin, dassdie Kinder sich selbst im Spiegel oder auf Fotoserkennen. Dies ist meist zwischen dem 21. und24. Monat der Fall (vgl. Kasten 2005).

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D A S K I N D U N D S E I N E K O M P E T E N Z E N I M M I T T E L P U N K T 75

Durch das Wort „mein“ ist ein undifferenziertesKonzept von Besitz und Eigentum erkennbar:„Mein Auto.“ Auch wollen Kinder in diesem Alterihre Kompetenzen zeigen und artikulieren dasauch meist sprachlich: „Alleine machen.“ DieBehauptung von Besitz, eigenem Willen undKompetenz mündet um das zweite Lebensjahrdann schließlich in die sogenannte Trotzphase.

Dieses Bewusstsein seiner Selbst ist zugleichwichtige Voraussetzung, um Perspektivenüber -nah me, prosoziales Verhalten sowie Empathie -fähigkeit entwickeln bzw. einüben zu können (vgl.Kap. 2.2).

Auch die Geschlechtszugehörigkeit gewinnt fürKinder in diesem Alter zunehmend an Bedeutungund trägt entscheidend zur Entwicklung einereigenen Identität bei. Der Spracherwerb wird als„Quantensprung“ in der Identitätsbildung ange-sehen: „Wenn das Kind gegen Ende des zweitenLebensjahres erstmals Begriffe wie ´ich´, ´mein´,´mir´ verwendet und bald darauf auch anfängt,über mentale Zustände zu sprechen oder sichselbst explizit bestimmten Kategorien (z. B.Mädchen, Junge) zuzuordnen, dann beginnt dieEntwicklung des verbalisierten Selbst“ (Pauen2000, S. 309). Durch die Sprache haben dieKinder die Möglichkeit, sowohl Dinge, anderePersonen, als auch sich selbst zu benennen: „Ichheiße Max.“ Das Kind beginnt sich selbst alsSubjekt zu sehen, indem es sich auf konkrete,beobachtbare Sachverhalte wie Fähigkeiten,Kenntnisse, Kleidung oder Besitz bezieht: „Ichhabe einen roten Bagger.“

Das Selbst wird in diesem Alter durch Kompo -nenten dargestellt, die entweder körperlich sind(„Ich habe rote Haare“), Aktivitäten kennzeichnen(„Ich kann mich schon selbst anziehen“), sich aufsoziale Beziehungen beziehen („Ich hab´ meineMama lieb“) oder z. T. auch Persönlichkeits -eigenschaften beinhalten („Ich bin lustig“) (Oerter& Montada 2008). Allerdings stehen die beschrie-benen Merkmale zumeist noch unverbundennebeneinander.

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Trotz / Autonomiephase

Trotz als Folge (gelungener) Identitäts- undSelbst konzeptentwicklung Um das zweite Lebensjahr werden Eltern mit dersogenannten Trotz- / Autonomiephase ihrerKinder konfrontiert. Ein Grund, weshalb Kinderdieser Altersstufe mit Trotz reagieren, ist dieTatsache, dass sie sich zwischen 18 und 24Monaten erstmals als eigenständige Personen(vgl. Rouge-Test auf S. 74) mit eigenen Gefühlenund eigenem Willen wahrnehmen. Kinder in die-sem Alter verfolgen nun selbst gesteckte Zieleund wollen sich selbst behaupten und durchsetz-ten. Werden sie dabei von den Eltern blockiert,reagieren sie häufig sehr trotzig. Die Folge davonist starke Wut (Toben, Schreien, sich auf denBoden werfen), mit der viele Eltern überfordertsind.

„Ihre Stärke beweisen Eltern und ErzieherInnen,indem sie während des Trotzanfalls präsent, aberpassiv bleiben, bis sich das Kind ein wenig beru-higt hat“ (Kasten 2005, S. 153). Auch wenn dieTrotz- / Autonomiephase für Erwachsene sehr an -strengend und herausfordernd sein kann, ist siedoch ein positives Zeichen für die Ent wick lungdes kindlichen Selbstbewusstseins und einerzunehmenden Identitäts- und Selbstkon zept -entwicklung. Auch aus entwicklungspsychologi-scher Sicht stellt die Trotz- / Autonomiephaseeinen wichtigen Meilenstein in der kindlichenEntwicklung dar. Das Kind wird autonomer undselbstständiger. Kinder lernen in dieser Phase,dass es wichtig und gut ist, einen eigenen Willenzu haben. Auch versetzt sie dieser eigene Wille indie Lage, eigene Entscheidungen zu treffen undfür Konsequenzen geradezustehen.

Mit zunehmendem Alter wird die Konzeption vom„Selbst“ komplexer. Auffallend ist, dass die Selbst -beschreibungen/Selbstbewertungen von 3-Jähri -gen Kindern oft unrealistisch positiv ausfallen (z.B.„ich bin immer fröhlich“). Diese, oftmals sehr posi-tive Selbstbeschreibung, wird darauf zurückge-führt, dass Kinder in diesem Alter nur unzurei-chend zwischen Tatsachen und Wünschen unter-scheiden können, d.h., die Grenzen zwischen„sein sollen“ und „sein wollen“ noch sehr unscharfsind (Kranz 2005).

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Umsetzung in die pädagogische Praxis

Das Selbstkonzept entwickelt sich durch wieder-holte Interaktion mit (Bezugs)Personen übereinen langen Zeitraum hinweg. Da Eltern,Tagespflege personen und pädagogischeFachkräfte meist die ersten und wichtigstenMenschen im Leben des Kindes darstellen, ist eswesentlich, dass sie sich dem Einfluss ihrer eige-nen Verhaltensweisen auf die Entwicklung deskindlichen Selbstkonzeptes bewusst sind und die-sen Prozess fortwährend reflektieren.

Die Basis des Arbeitsmodells für das Selbstkon -zept besteht aus zwei wesentlichen Erfahrungs -mustern auf Seiten des Kindes (Abidin 1996):

„Ich bin wertvoll, ich bin liebenswert.“„Ich bin kompetent, ich bin verantwortungsbe-wusst.“

Diese beiden Komponenten sind grundlegendeBausteine für eine erfolgreiche Erwachsenen-Kind-Beziehung. Sie bewirken konstruktive Inter -ak tionen, die wiederum für die Entwicklung einespositiven Selbstkonzeptes des Kindes grundle-gend sind. Ein Kind, das sich als wertvoll, liebens-wert und kompetent erlebt, ist davon überzeugt,über genügend Kompetenzen, Wissen oder Er -fahrungen zu verfügen, um mit Personen, Aufga -ben und Situationen in angemessener Weiseumzugehen.

Unbedingte positive Wertschätzung entgegen-bringenUnbedingte positive Wertschätzung (Rogers 1987)spielt beim Bildungs- und Erziehungsgescheheneine zentrale Rolle, da die Auswirkungen weitrei-chend sind (Joseph 1994):

Positive Wertschätzung gibt dem Kind dasGefühl, geliebt und wertvoll zu sein.Wenn ein Kind geliebt wird – unabhängig vondem, was es tut oder leistet – hat es wenigerGrund, negative Bewertungen oder Fehler zubefürchten. Bedingungslose Liebe und Wertschätzung stel-len einen Schutzfaktor dar.

Diese Haltung gibt Kindern das Gefühl, dass sieallein aufgrund ihrer Existenz und individuellenPersönlichkeit geliebt und geschätzt werden.Unbedingte positive Wertschätzung benötigtjeder Mensch von mindestens einer Person zujedem Zeitpunkt in seinem Leben (Rogers 1987). Damit das Kind unbedingte positive Wert -schätzung empfinden und erfahren kann, ist dieQualität der gemeinsam verbrachten Zeit ent-scheidend. Wichtig ist, darauf zu achten, in Spiel-und Kommunikationssituationen dem Kind voll-kommene Aufmerksamkeit zu schenken. Bereitsbei sehr kleinen Kindern können intensivesInteresse und Wertschätzung gegenüber ihrenTätigkeiten, Aktivitäten und Leidenschaften signa-lisiert werden.

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Wie werde ich groß?

Hannahs KörpererfahrungDas Krippenkind Hannah steht heute imMittel punkt eines Projekts zum Thema„Kinder stark machen“. Sie darf sich in dieMitte eines großen Papierbogens legen. Dieanderen Kinder malen mit Buntstiften dieUmrisse ihres Körpers nach. Die pädagogi-sche Fachkraft steht dabei unterstützend zurSeite, hilft z. B. beim Umkreisen der Finger.Anschließend malen die Kinder das Körper -bild aus. Bevor es aufgehängt wird, be trach-tet die pädagogische Fachkraft zusammenmit den Kindern das entstandene Bild undmoderiert es sprachlich: „Ja, genau. Das sinddie Augen von der Hannah.“ Hannah stehtdabei voller Stolz neben ihrem Bild und ge -nießt die Aufmerksamkeit und die Wert -schätzung, die ihr die anderen Kinder unddie pädagogische Fach kraft entgegen-bringen.

In Anlehnung an: Future-Kids (2009)

Positive Wertschätzung signalisieren

Hier werden einige praktische Anregungen auf-gelistet, die dazu dienen können, den Kindernpositive Wertschätzung zu signalisieren:

ein Fotoalbum anfertigen,Bildungs- und Lerngeschichten dokumen-tieren,

mit den Kunstwerken der Kinder wertschät-zend umgehen,Geschichten vom Kind erzählen,Videoaufnahmen der Kinder machen unddiese zusammen mit den Kindern ansehen,Kalender mit Bildern von den Kindern anfer-tigen (Brandl & Dal Cero, in Druck).

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Fühle ich mich selbst als wertvolle / liebens-werte und kompetente / verantwortungsbe-wusste Person?Inwiefern wirkt sich mein Selbstkonzept aufdas alltägliche pädagogische Bildungs- undErziehungsgeschehen aus?Tragen die Aktivitäten, Projekte, Aktionenetc., die ich anbiete, zur Entwicklung undStärkung eines positiven Selbstkonzeptsbei: Geben diese dem Kind das Gefühl,wertvoll und liebenswert zu sein?Biete ich den Kindern ausreichend Gelegen-heiten an, die es ihnen ermöglichen, stolzauf ihre Leistungen und Kompetenzen, ihreKultur und Herkunft zu sein? Inwiefern nehmen meine verbalen und non-verbalen Verhaltensweisen Einfluss auf dieEntwicklung des kindlichen Selbstkonzepts?

Wie unterstütze und ermutige ich die Kinder,Selbstvertrauen zu entwickeln und Neuesauszuprobieren?Wann bringe ich den Kindern Vertrauen inihre Kompetenzen entgegen?Wie gehe ich auf Kinder mit geringemSelbstvertrauen ein?Bringe ich allen Kindern unbedingte positiveWertschätzung entgegen?Sorge ich dafür, dass die Kinder genügendZeit haben, um eine selbst gewählte Tätigkeit– etwa sich selbst anzuziehen – auch zu Endezu bringen?Ertappe ich mich manchmal dabei, über dieKinder hinweg, anstatt mit ihnen zu sprechen?

Fragen zur Reflexion

Die Spiegel werden in Höhe der Kinder ange-bracht. Gerade kleinere Kinder verwirrt es oft,wenn sie sich nur zum Teil im Spiegel betrachtenkönnen. Darüber hinaus gibt es zahlreicheSpielmöglichkeiten, in denen Spiegel mit einge-bunden werden können (z. B. Spiegelmobiles,Rasierschaum auf Spiegeln verteilen, das Licht aufSpiegeln bewusst reflektieren).

Spiegel zur Stärkung der Identitäts- und Selbst -konzeptentwicklungDas Erkennen des eigenen Ich im Spiegel ist einerster Schritt, um Empathie zu empfinden und diePerspektive eines anderen einzunehmen (Bischof-Köhler 1989). Der bewusste und gezielte Einsatzvon Spiegeln in der Einrichtung hilft daher, diekindliche Identitätsentwicklung zu unterstützen.Dieses pädagogische Hilfsmittel stammt ursprüng-lich aus dem Bereich der Reggio-Pädagogik undist für Kinder ab zehn Monaten zu empfehlen.

Welche verschiedenen Spiegel können in derKindertageseinrichtung angebracht werden (vgl.van Dieken 2008)?

Ganzkörperspiegel ÜbereckspiegelSpiegel im Innenrahmen der TürSpiegel über der Wickelauflageeine Spiegelstraße (z. B. im Verlauf der Treppe)HandspiegelPeriskope, Oktoskope, KaleidoskopeSpiegelfolieZerrspiegelSpiegel in den Waschräumen.

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3. Schlüsselprozesseguter Bildung

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ideale Entwicklungsbedingungen bieten. DasWohl ergehen des Kindes steht dabei im Mittel -punkt des Bildungs- und Erziehungsgeschehensund des Dialogs zwischen Eltern, pädagogischenFachkräften und Tagespflegepersonen. So kanneine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft ent-stehen, bei der sich die Familie und die Kinder-tageseinrichtung bzw. die Kindertagespflege für-einander öffnen und sich mit Vertrauen undWertschätzung, Transparenz, Dialog und Offen heitbegegnen. Eltern werden in dieser Partnerschaftdazu eingeladen, ihre Kompetenzen, Ressourcenund Fähigkeiten aktiv einzubringen – von Beginnan und nicht nur in Situationen, in denen esAnzeichen für Entwicklungsrisiken gibt.

Dieses Vorgehen führt sukzessive zu einer Ent -lastung in der pädagogischen Arbeit, da Eltern,pädagogische Fachkräfte und Tagespflegeperso -nen Bildungsangebote gemeinsam planen unddurchführen. Zudem können Eltern angeregt wer-den, Bildungsinhalte aus der Einrichtung / Kinder -tagespflege zu Hause aufzugreifen und weiter zuvertiefen (Niesel & Wertfein 2009). Auch Erzieh-ungsvorstellungen werden miteinander ausge-tauscht, diskutiert und immer wieder neu ausge-handelt. Eine gute Kooperation und ein partner-

3.1 Bildungs- undErziehungspartnerschaft mit Eltern „Partnerschaft muss wachsen (…). Damit sie sichentwickelt, müssen MitarbeiterInnen und Eltern mit-einander ins Tun kommen. Erlebtes schafft eineandere Qualität der Gemeinschaft. Partner schaft -liches Miteinander stellt, da wo es gelingt, eineBereicherung für das Zusammenleben mit Kinderndar“ (Junge 1998, S. 6).

Bildung und Erziehung fangen in der Familie an.Die Familie ist der erste, umfassendste, am läng-sten und stärksten wirkende, einzig privateBildungsort von Kindern – und in den erstenLebensjahren der wichtigste. Kinder erwerben inihrer Familie Kompetenzen, Einstellungen undWerteorientierungen, die für ihren weiterenBildungsweg bedeutsam und entscheidend sind.Eltern sind „Experten“ für ihre Kinder, derenWissen über ihr Kind, Ressourcen und (Vor-)erfah-rungen für pädagogische Fachkräfte und Tages -pflegepersonen äußerst gewinnbringend seinkönnen. Eltern sind die wichtigsten Bezugs -personen im Leben eines Kindes, die Freude,Leid, Erfolg und Misserfolg meist über Jahrzehntehinweg begleiten und teilen.

Seit Einführung der (neueren) Bildungs- und Er -ziehungspläne wird der herkömmliche Begriff der„Elternarbeit“ durch das moderne Konzept der„Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit Eltern“abgelöst, welches eine andere Qualität derMitwirkung und Kommunikation und damit einenWechsel zu echter Kooperation und zu mehr Dia -log mit den Eltern beinhaltet (Reichert-Garsch -hammer 2009). Gleichzeitig wurde damit auch einParadigmenwechsel impliziert: „Weg von der Seiteder Erzieherinnen aus definierten ´Arbeit an Eltern´(mit den Eltern als ´Konsumenten´ von Dienst lei -s tungen) und hin zur Zusammenarbeit als gleich-wertige und gleichberechtigte Partner bei derErziehung und Bildung des jeweiligen Kindes“(Textor 2006, S. 12).

Bildung und Erziehung werden hier als gemeinsa-me Aufgabe von allen an Bildung und Erziehungbeteiligten Personen verstanden, die dem Kind

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schaftliches Miteinander setzt also immer auchdie Reflexion der eigenen Grundhaltung voraus.Indem sich pädagogische Fachkräfte und Tages-pfle ge personen kritisch mit den eigenen Wertenund Normen auseinandersetzen, können sie vor-urteilsfrei auf andere Menschen, speziell auf dieKinder und deren Eltern, zugehen (Ostermeyer2008). Durch die Berücksichtigung und Wert-schätzung unterschiedlicher Interessen, Werte -orien tierungen, Gewohnheiten und Einstellungen,z. B. von Familien mit Migrationshintergrund odersozial benachteiligten Familien, können pädago-gische Angebote bedürfnisgerecht und zielgrup-penorientiert gestaltet werden.

Besonders wichtig: Bildungs- und Erziehungs part -ner schaft mit ElternFür Eltern ist der Beginn der außerfamiliären Be-treuung, sei es in der Kindertageseinrichtung oderin der Kindertagespflege, ein wichtiger und aufre-gender Schritt, der z. T. auch durch Ängste undUnsicherheit begleitet ist. Hinzu tritt die Sorge,dass sich die (sichere) Eltern-Kind-Bindung durchden Eintritt in die außerfamiliäre Betreuung nega-tiv verändern könnte. Lieselotte Ahnert & MaikeGappa (2008) können diese Sorge jedoch ent-schärfen bzw. als unbegründet zurückweisen. Soist es der Regelfall (gerade für Kinder unter dreiJahren), dass die Eltern, auch nach Eintritt in dieaußerfamiliäre Betreuung, die zentralen Bezugs -per sonen für das Kind bleiben. Umgekehrt gilt:„Wenn Beziehungen in der Krippe von hoherQuali tät entstehen, sind Eltern gut beraten, keineEifersucht zu entwickeln und die Beziehung ihresKindes nicht als Konkurrenz anzusehen. Wird dieBeziehung zur Erzieherin geschätzt, kann das Kindohne Loyalitätskonflikte von diesen zusätzlichen Er-fahrungen profitieren und den regelmäßigen Wech-sel zwischen Familien- und Krippenbe treu ungbesser verkraften“ (Ahnert & Gappa 2008, S. 92).

Wichtig ist es daher, von Anfang an eine vertrau-ensvolle Bildungs- und Erziehungspartnerschaftmit den Eltern aufzubauen, und ihnen viel Trans -parenz und Einblick in die pädagogische Arbeitund in das pädagogische Alltagsgeschehen zugeben. Ängste, Unsicherheiten und Sorgen der

Eltern werden durch die kompetente Hilfe stel -lung, Information und Unterstützung von Seitender pädagogischen Fachkräfte und Tagespflege-personen frühzeitig erkannt und entschärft.

Kinder unter drei Jahren können ihren Eltern oftnoch nicht sprachlich über ihren Alltag in derKindertageseinrichtung / Kindertagespflege be -rich ten und noch nicht die Perspektive der Elternübernehmen. Sie wissen also nicht, dass dieEltern, wenn sie nicht bei ihnen sind, auch nichterfahren, was sie in der Kindertageseinrichtungerlebt haben. Über eine geeignete Beobachtungund Dokumentation (vgl. Kap. Beobachten unddokumentieren) des Tages und regelmäßige,möglichst tägliche, kurze Gespräche über aktuel-le Vorkommnisse und Entwicklungsschritte desKindes (Tür- und Angelgespräche) fühlen sichEltern von Anfang an in das Bildungs- und Erzie -hungsgeschehen in der Kindertageseinrichtung /Kindertagespflege eingebunden. Darüber hinauserhalten die Eltern über unterschiedliche Mitwirk-ungs- und Beteiligungsformen Gelegenheit, denpädagogischen Alltag in der Einrichtung mitzuer-leben und auch mitzugestalten.

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Was erlebe ich in der Zusammenarbeit mitden Eltern als besonders hilfreich?Wobei fühle ich mich besonders wohl?Wobei nicht?Welche Kooperationsformen bevorzugendie Eltern?Entsprechen die Aktivitäten denBedürfnissen und Wünschen der Eltern?Können die Eltern am Kita-Alltag und anden Angeboten mitwirken und mitbestim-men?Planen und führen die Eltern eigeneAktivitäten durch?Wie verläuft meine Zusammenarbeit mitdem Elternbeirat?Was fördert und was hemmt dieZusammenarbeit mit den Eltern?Fühlen sich die Eltern in derKindertageseinrichtung wohl?

Wie viel Einblick habe ich in dieFamiliensituation der Kinder gewonnen?Erreichen wir auch eine gute Bildungs- undErziehungspartnerschaft mit Eltern vonKindern mit Behinderungen?Inwieweit kann ich Eltern und Kindern beiVerhaltensauffälligkeiten,Erziehungsschwierigkeiten und anderenProblemen helfen?Konnten die Jahresziele bzw. Schwerpunkteder Zusammenarbeit mit Eltern erreichtwerden?Was kann ich im Bereich der Bildungs- undErziehungspartnerschaft mit Eltern nochverbessern?Welche Schlüsse kann ich aus dieserReflexion ziehen?

Fragen zur Reflexion

Wie kann eine erfolgreiche Bildungs- undErziehungs partnerschaft gelingen?Eine erfolgreiche Bildungs- und Erziehungspart -nerschaft umfasst sieben Zieldimensionen, fürderen praktische Umsetzung die pädagogischenFachkräfte / Tagespflegepersonen und Eltern ge-meinsam verantwortlich sind (vgl. Reichert-Garsch hammer 2009, S. 16f.):

Gemeinsame Begleitung der Übergänge – Ge -staltung der Übergangsbewältigung des Kin -des und der Eltern durch alle Beteiligten; Dia -log mit Eltern von Anfang an und Einbezug vonMüttern und Vätern in die Übergangsphasedes KindesGegenseitige Information und Austausch – z. B.Kita-Konzeption veröffentlichen; Bildungspraxissichtbar machen; mindestens zwei Elternge-spräche pro Jahr über Lern- und Entwicklungs -prozesse des Kindes in der Einrichtung und zuHauseStärkung der Elternkompetenz – Angebote derElternberatung und Familienbildung in Kitasintegrieren; Formen der Familienselbsthilfe ini-tiieren wie Elternstammtisch und -café

Beratung, Vermittlung von Fachdiensten beiAnzeichen von Entwicklungsrisiken des KindesMitarbeit von Eltern – aktive Einbeziehung vonMüttern und Vätern ins aktuelle Bildungsge-schehen, die von Hospitation über Projektmit -wir kung bis hin zu eigenen Bildungsangebotenfür Kinder reichen kann; Fortführung vonBildungsprozessen zu HauseBeteiligung, Mitverantwortung und Mitbestim -mung – z. B. Elternbeirat bzw. neuere Beteili -gungsformen wie Kita-Ausschuss, Eltern-Aktiv-Gruppen zu bestimmten Themen; regelmäßi-ge ElternbefragungAusbau der Kita zum Kinder- und Familien zen -trum – Knotenpunkt für vielfältige Angebote fürKinder und Familien verschiedener Diensteunter einem Dach.

Für jede dieser sieben Zieldimensionen existierenunterschiedliche Kooperationsformen mit Elternwie z. B. Anmeldegespräche, Elterncafé, Festeund Feiern, Tür- und Angelgespräche, Hospita -tion, Fotowand oder Einbeziehung der Eltern indie Konzeptionsentwicklung.

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Folgendes Beispiel illustriert, wie die Bildungs-und Erziehungspartnerschaft mit Eltern in El -tern-Kind-Gruppen umgesetzt werden kann: ImHaus der Volksarbeit e.V. in Frankfurt am Mainwird derzeit ein Konzept erprobt, das zeigt, wieElternkompetenzen in kleinen Schrit ten im Rah -men von Eltern-Kind-Gruppen ge stärkt werdenkönnen. Dieses Konzept ist spezifisch auf Eltern-Kind-Gruppen ausgelegt, bietet jedoch vieleAnregungen, die auch auf Kin dertageseinrich -tungen oder die Tagespfle ge zu übertragen sind.

Theoretischer HintergrundELBEO ist ein Gruppenkonzept für Eltern-Kind-Gruppen, das der Stärkung elterlicher Fein -fühligkeit dient. Pädagogische Fachkräfte undTagespflegepersonen sind es gewohnt, Beo -bach tung als Methode einzusetzen. Eltern ha -ben leider nur selten die Gelegenheit dazu.ELBEO ermöglicht es Eltern, auch einmal eineBeobachterposition einzunehmen und ihr Kindim Spiel, in der Interaktion mit anderen zusehen und ihre Beobachtung anschließendzusammen mit anderen Eltern zu diskutieren.

Praktische UmsetzungELBEO findet eingebettet in den Ablauf einerzweistündigen Eltern-Kind-Gruppe für Kindervon eineinhalb bis drei Jahren statt. Nach demritualisierten Beginn im gemeinsamen Sing -kreis startet die erste Beobachtungsphase von10 bis 20 Minuten. Die Eltern werden angelei-tet, ihre Kinder zu beobachten, nicht aber zu

bestimmten Handlungen anzuregen oder ein-zugreifen. Die Kursleiterinnen gestalten für dieseBeobachtungsphase für die Kinder vielfältigeLernsituationen, in denen diese ohne erwach-sene Hilfe und ganz frei mit dem Ma terial spie-len können. Die anschließende Pau se dient auchdazu die Beobachtungen der Eltern zusammenmit den Erzieherinnen aufzuarbeiten.

Viele Eltern berichten anfänglich von großenSchwierigkeiten, nicht in das Spiel oder auchdie Konflikte der Kinder eingreifen zu können.Im Laufe der Zeit legen sich diese Schwierig -keiten und die Eltern können die Beobach -tungs zeit besser nutzen.

Anschließend folgt eine weitere Phase des frei -en Spiels und die Gruppenstunde wird wiedermit einem gemeinsamen Sing- und Spiel kreisbeendet. Am Ende eines Eltern-Kind-Kurses,der circa 7 bis 11 Wochen dauert, moderiertdie Kursleitung eine Gruppen ge sprächsrunde,in der neue Erkenntnisse der Eltern über ihreKinder herausgearbeitet und Konsequenzen fürden Umgang mit dem Kind besprochen wer-den. Eine eigens entworfene Vorlage für dieseRückschau animiert die Eltern, wichtige Ent -wicklungsschritte ihres Kindes zu notieren undden positiven, ressourcenorientierten Blick aufdas Kind zu schulen. Im anschließenden Grup -pengespräch stellen die Eltern ihre Notizen vorund können den Beobachtungen der anderenzuhören.

ELBEO – ELtern BEObachten ihre Kinder

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3.2 Übergänge moderieren und bewältigenDer Hessische Bildungs- und Erziehungsplan be-leuchtet Übergänge im Bildungssystem aus einerneuen Perspektive und sieht sie mehr als Chancedenn als Krise. Übergangsphasen werden alsPhasen beschleunigten Lernens und beschleunig-ter Entwicklung gewürdigt. Alle daran beteiligtenPersonen, also Kinder, deren Familien, aber auchdie Fachkräfte aus den Einrichtungen und derKindertages pflege können den Prozess aktiv beein-flussen und in der Interaktion zum Gelingen desÜbergangs beitragen.

Die Transitionsforschung hat gezeigt, dass früheÜbergänge besonders wichtig sind: Kinder, die z. B.den ersten Übergang von der Familie zur Tages -pflege oder in eine Kindertageseinrichtung erfolg-reich bewältigt haben, erwerben dabei vielfältigeKompetenzen und Selbstvertrauen, von denen siein späteren Übergängen stark profitieren können(Griebel & Niesel 2004). Je besser der erste Über-gang vom Kind bewältigt wird, desto leichter ver-laufen auch die folgenden Transitionen – z. B. in denKindergarten. Deshalb wird dieser Übergang vonWissenschaftlern und Praktikern als wichtige zentra-le Schlüsselsituation der frühkindlichen Bildung, Er -ziehung und Betreuung bezeichnet.

Welche wichtige Rolle der Familie beim Übergangdes Kindes zukommt, beschreibt W. E. Fthenakis(1989): Familiäre Faktoren wie emotionale Ausge -glichenheit der Eltern, Partnerschaftsqualität,sozioökonomischer Status, Zufriedenheit mit dereigenen beruflichen Situation und Zufriedenheit mitden sozialen Unterstützungssystemen sind wichtigeVariablen, die beeinflussen können, wie gut einKind sich in der neuen Situation zurechtfindet unddavon profitiert. Wenn einzelnen Kindern der Über-gang sehr schwerzufallen scheint, können auchfamiliäre Probleme (z. B. Partnerschaftskonflikte undhoher familialer Stress) ein Grund dafür sein. In sol-chen Fällen empfiehlt es sich, sehr sensibel dasGespräch mit den Eltern zu suchen und im Dialogdas weitere individuelle Vorgehen für das jeweiligeKind zu entwickeln.

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Einen Übergang zu bewältigen bedeutet für jungeKinder, viele unterschiedliche Herausforderungenzu meistern (ausführliche Beschreibung vgl. Griebel& Niesel 2004). Dazu gehören:

Sicherheit darüber zu gewinnen, dass sich dieBeziehung zu den Eltern nicht verändert unddie Eltern immer wiederkommen;neue und tragfähige Beziehungen zu den Fach -kräften / Tagespflegeperson aufzubauen;neue Beziehungen zu anderen Kindern aufzu-bauen;starke Emotionen zu bewältigen (z. B.Trennungs schmerz);sich auf eine neue Umgebung und einen neuenTagesablauf einzustellen.

Auch die Eltern und die Geschwister des neu auf-genommenen Kindes bewältigen eine Transition.Für die Eltern bedeutet dies:

sich erstmals für längere Zeit vom Kind zu lösen;eine vertrauensvolle Bildungs- und Erziehungs -partnerschaft zur Fachkraft / Tagespflegepersonaufzubauen;

die Beziehung zum eigenen Kind weiterzuent-wickeln;ein positives Selbstbild als Eltern, deren Kindeine Tageseinrichtung besucht oder zu einerTagespflegeperson geht, zu entwickeln;den eigenen Übergang – z. B. Rückkehr in denBeruf – zu bewältigen.

Für die Fachkräfte in den Einrichtungen / Tagespfle -gepersonen bedeutet dies:

eine vertrauensvolle Partnerschaft mit den Elterndes Kindes aufzubauen;eine tragfähige Beziehung zum Kind aufzu-bauen;das Kind bei der Bewältigung des Übergangssensibel zu unterstützen;den gesamten Übergangsprozess des Kindesintensiv zu beobachten, zu dokumentieren undim Team und mit den Eltern zu reflektieren.

Renate Niesel, wissenschaftliche Referentin amStaatsinstitut für Frühpädagogik, beschäftigt sichintensiv mit Transitionen und auch der Altersgruppeder Kinder unter 3. Im folgenden Interview findenSie praxisnahe Hinweise für eine gelungene Über-gangsgestaltung.

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Interview mit Renate NieselDer erste Übergang von der Familie in dieKinderkrippe oder in die Kindertagespflegewird sowohl von der Praxis als auch von derWissen schaft als sehr bedeutend für dieEntwicklung des Kindes eingeschätzt. Für wiewichtig halten Sie diesen ersten Übergang?Dieser erste Übergang ist aus mehreren Grün-den für die Entwicklung des Kindes so wichtig:Erstens, weil die Kinder noch sehr jung sind.Zum Beispiel können sie die Herausforde -rungen des Übergangs noch nicht kognitivbewältigen. Zum anderen ist auch ihre emotio-nale Entwicklung in den frühen Jahren nochnicht so weit fortgeschritten, dass sie alleine mitihren Emotionen fertig werden können. Siebrauchen also in ganz besonderem Maße dieUnterstützung der Erwachsenen. Insgesamtkann man sagen, dass der Übergang von derFamilie in eine Tageseinrichtung / Tagespflegefür die Kinder eine sehr herausfordernde Ent -wicklungsaufgabe darstellt.

Welche Herausforderungen bewältigen Kinderbeim ersten Übergang und wie können siedavon für ihre weitere Entwicklung profitieren?Was können sie lernen?Wichtige Herausforderungen beim Übergangsind, dass sie zu Erwachsenen und Kindern, dieihnen bis dahin fremd sind, neue Beziehungenaufbauen müssen – ihr Netz von Beziehungenwird größer und komplexer. Die Bezugs per so -nen in der Familie bleiben selbstverständlich anerster Stelle, aber auch dort gibt es Verände run -gen, zum Beispiel in der Gestaltung des Tages -ablaufs.

Dann ist es natürlich so, dass die Kinder erstmal einen völlig neuen Entwicklungsraum kennen-lernen müssen. Wie die neue Umgebung auf Kin -der wirkt, das kann man sich als Erwachsenerwohl kaum vorstellen. Der Unterschied zwi-schen der vertrauten Umgebung Familie, in derein Kind der Mittelpunkt ist, und einer quirligenlebendigen Kita mit vielen anderen Kindern istgroß. Es gilt also behutsam vorzugehen, umdas Kind nicht zu überfordern.

Was lernen die Kinder durch die Übergangs-bewältigung?Das ist eine ganze Menge … Zunächst mussman sich klarmachen, dass der Übergang vonder Familie in eine Tageseinrichtung für Kinderin den ersten drei Lebensjahren sehr wahr-scheinlich stressbelastet ist. Kinder machen beieiner gut konzipierten und durchgeführtenÜbergangsbegleitung jedoch die Erfahrung,dass sie getragen werden von ihren sicherenBeziehungen, dass sie sich auf die Hilfe derPersonen, denen sie vertrauen, verlassen kön-nen und dass sie auch durch ihre eigenenBemühungen und ihr „Sichtrauen“ dazu beitra-gen können, etwas zunächst nicht sehr Ange -nehmes oder gar Beängstigendes zu etwasPositivem werden zu lassen. Ihr Selbstbe -wusstsein und ihr Selbstvertrauen werdenwachsen. Sie werden lernen, die Beziehungenzu anderen Erwachsenen und ganz besondersdie zu anderen Kindern für ihre weiterenEntwicklungsschritte zu nutzen. Ihre sozialeKompetenz wird durch Freundschaften undauch durch Konflikte angeregt und bereichertwerden. Sie werden die vielfältigen Angeboteder Kita nutzen, um kreativ zu sein, Wissen zuerlangen und – nicht zuletzt –, um Freude zuerleben und viel Spaß zu haben.

Übergangssituationen sind sehr komplexe Ge -schehnisse, die eine Vielzahl von Entwick lungs -impulsen beinhalten, und es ist anzunehmen,dass gute Erfahrungen wie eine Art Mo dell fürnachfolgende Übergänge und die be nötigtenBewältigungsstrategien wirken können.

Fast alle „Übergangskonzepte“ sprechen davon,dass es sehr wichtig ist, das Kind, seine Elternund natürlich die Fachkraft in den Prozess ein-zubeziehen und immer das Kind in den Mittel -punkt zu stellen. Wie kann das in der Praxiswirklich gelingen?Ich habe ja schon angesprochen, dass das Kindnicht überfordert werden darf. Hinzu kommt,dass Kinder sehr verschieden sind, also sowohlErzieherin als auch Eltern das individuelle Kindgenau beobachten und wahrnehmen müssen.

Der Übergang ist eine herausfordernde Entwicklungsaufgabe

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Es gibt inzwischen gut erprobte „Eingewöh -nungsmodelle“, die zum Teil auch wissenschaft-lich begleitet und evaluiert wurden und inzwi-schen relativ standardisiert sind.

Der Begriff der „Eingewöhnung“ wird allerdingsder Sache nicht wirklich gerecht. Es wird oftgesagt: „Das Kind wird eingewöhnt.“ Das istetwas sehr Passives, etwas wird mit dem Kindgemacht. Tatsächlich aber ist es so, dass dasKind diesen Übergang sehr aktiv bewältigt. Dasist anstrengend, und der Begriff „Gewöhnung“wird dem nicht gerecht.

Entscheidend ist, dass immer darauf geachtetwird, das Kind und seine Eltern nicht zu über-fordern. Wie schnell oder langsam vorgegan-gen wird, sollte sich dabei immer am Kind ori-entieren. Die Einbindung der Eltern ist unerläss-lich, denn sie sind es, die ihren KindernSicherheit in der noch fremden Umgebung bie-ten. Ihre Anwesenheit gibt den Kindern Mutund Kraft, neue vertrauensvolle Beziehungenaufzubauen, so dass ganz allmählich eine odermehrere Erzieherin(nen) die Funktion einer„sicheren Basis“ übernehmen können. Das heißt:Immer wenn das Kind in der Tages einrichtungin eine missliche Lage gerät, Unwohlsein emp-findet oder Trost braucht, wird es die Nähe die-ser Person suchen, um „aufzutanken“ und sichwieder zu entspannen. Eltern müssen frühzei-tig, das heißt schon vor der Beginn der „Einge -wöhnungsphase“ wissen, warum diese Zeit sowichtig ist, wie sie gestaltet wird und was ihreAufgabe und Rolle dabei ist.

Für die pädagogischen Fachkräfte ist auchwichtig zu wissen und zu berücksichtigen, dassEltern selbst auch einen Übergang bewältigenmüssen. Sie sind nicht mehr nur Eltern eines Fa -milienkindes, sondern zum Beispiel auch Elterneines „Krippenkindes“. Auch sie müssen Gefühlebewältigen, neue vertrauensvolle Beziehungenaufbauen und ihren Lebensrhythmus in Ab -stimmung mit der Einrichtung oder der Tages -mutter neu organisieren. Wenn es ihr erstesKind und noch im Säuglingsalter ist, steckendie Eltern vielleicht noch in ihrem Übergang indie Elternschaft. Das heißt, sie fühlen sich als

Eltern noch unsicher, haben aber gleichzeitigauch die Rückkehr in den Beruf zu bewältigen,was viel Stress aber auch Ängste mit sich brin-gen kann. Es ist eine sehr herausfordernde Auf -gabe für Fachkräfte, Eltern dabei zu unterstüt-zen, allmählich Vertrauen aufzubauen, und denEltern Sicherheit zu geben. Die Sicherheit derEltern wiederum hilft den Kindern, sich unbe-schwert auf die Möglichkeiten einzulassen unddie neuen Spielräume zu nutzen.

Es gibt Kinder, die kaum Emotionen in denTrennungsphasen zeigen. Sie explorieren wenigund beteiligen sich auch nicht am Gruppen -geschehen. Was sollte man in diesem Zu sam-menhang beachten?Wichtig ist erst einmal, dass Kinder ganz ver-schieden sind. Sie haben unterschiedlicheTem pera mente. Manchen Kindern zum Beispielliegt das Herz auf der Zunge und ihrAktivitätsdrang ist groß. Andere Kinder sindschüchtern und von Natur aus eher zurückhal-tend, nehmen vielleicht mit Vorliebe einebeobachtende Position ein und verschaffensich erst einmal einen Überblick, um sich dannallmählich einzubinden. Das kann manchmalauch etwas länger dauern. Kinder haben abernicht nur unterschiedliche Temperamente. Siehaben auch unterschiedliche Vorerfahrungen.Meiner Meinung nach sind es gerade dieKinder, die sehr still und verschüchtert wirken,die besondere Aufmerksamkeit benötigen. Siegelten manchmal als Kinder, die sich „ganz pro-blemlos eingewöhnen lassen“, weil sie nichtweinen und wenig Kontakt zur Fachkraft su-chen. Wenn Kinder auch nach längerer Zeitimmer nur beobachten, wenn sie überwiegendam Rand bleiben und kein kreatives Spielver -halten zeigen, dann ist das eine besonderepädagogische Aufgabe für die Fachkraft. Siemuss dem Kind immer wieder zu verstehengeben, dass sie für es da ist – ohne das Kind zubedrängen. Es ist auch hilfreich, das Kind dabeizu unterstützen, Beziehungen zu anderen Kin -dern aufzubauen, aber auch Anknüpfungs -punkte für die Explorationslust des Kindes zufinden, also herauszufinden, was dem KindSpaß macht, wo seine Interessen liegen. In die-sem Zusammenhang sind genaue Beobach-

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tung, Feinfühligkeit und auch das Gespräch mitden Eltern sehr wichtig.

Kann man, wie es im Kindergarten häufig ge -macht wird, auch andere Kinder einbinden,beispielsweise in Form von Patenschaften?Die meisten Kinder haben großes Interesse ananderen Kindern. Kinder im ungefähr gleichenAlter werden als gleichrangig empfunden undältere Kinder sind Vorbilder für die nächstenEntwicklungsschritte. Die Unterschiede sind inkeinem Fall so groß wie zwischen Kind undErwachsenem. Kuno Beller hat das in einemProjekt mit Münchner Kinderkrippen erprobt,und in der Konzeption der Stadt München wer-den die anderen Kinder sehr bewusst in dieÜbergangsbewältigung mit eingebunden, umdem neuen Kind Begegnungen sozusagen „aufgleicher Augenhöhe“ anzubieten.

Wenn das neue Kind die anderen Kinder beob-achtet, sich an ihnen orientiert und bald bereitist, sich auf Kommunikation und Interaktion mitKin dern einzulassen, kann das eine großeChance für die sogenannte „Eingewöhnung“darstellen. Denn ganz schlicht und einfach ge -sagt: Das Interessanteste an der Einrichtung sinddie anderen Kinder, und das ist auch ein Plus,das die pädagogischen Fachkräfte währendder Eingewöhnung gut nutzen können.

Kinder bewältigen ja nicht nur diesen erstenÜbergang, sondern es geht ja nach der Kinder -krippe meist in den Kindergarten oder in eineandere Einrichtung. Welche Tipps können Sie

an dieser Stelle den Einrichtungen oder auchden Eltern geben? Was ist bei der zweitenÜbergangsphase wichtig?

Ganz wichtig ist, dass die „abgebende“ und die„aufnehmende“ Einrichtung miteinander koope-rieren und ein fachlicher Austausch zwischenihnen besteht. Dann geht es natürlich darum,auch die Kinder vorzubereiten, ihnen Zeit zugeben, die neue Umgebung und die neuenPer sonen schon kennenzulernen, die neuenKin der beim Spielen oder bei anderen Gele -genheiten zu treffen. Es ist auch wichtig, dieEltern vorzubereiten, weil gerade der Über-gang von der Kinderkrippe oder Tagesmutterin den Kindergarten für die Eltern manchmalschwierig ist. Viele Eltern vermissen die „behü-tende“ Atmosphäre und auch die enge Kom -munikation mit den Fachkräften.

Auch an diesem Beispiel kann man sehen, wiewichtig es ist, wirklich alle Beteiligten einzubin-den: Kind, Eltern, die aufnehmende, die abge-bende Einrichtung. Sie alle wirken in diesemSystem zusammen. Das mag für die Fach kräftezunächst nach zusätzlicher Arbeit aussehen.Das Gute ist aber, dass eine fachlich fundierteund gut organisierte Übergangsgestaltungeine höhere berufliche Zufriedenheit fürpädagogische Fachkräfte mit sich bringt: Siekönnen dann erleben, dass ihre Fachkompe -tenz zu den Zielen führt, die sie sich vorgestellthaben. Wenn Kooperation mit allen Beteiligtengut läuft, dann geht es Kindern, Eltern undFachkräften gut.

Das Kind sensibel zu beobachten ist also ein wichtiger Faktor für gelingende Übergänge.

Auf der folgenden Seite finden Sie Anregungenzur Beobachtung und Reflexion.

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ExplorationWenn Kinder beginnen, sich auch in den Tren -nungs phasen für Spielmaterialien, pädagogi-sche Angebote, andere Kinder usw. zu interes-sieren, ist das ein gutes Zeichen für den Verlaufder Eingewöhnung und signalisiert, dass dieTrennungszeit schrittweise erhöht werdenkann.

Fragen zur Reflexion: Zeigt das Kind Explora -tionsverhalten? Interessiert es sich für Spiel -ma terialien, für pädagogische Angebote?Nimmt es Kontakt zu anderen Kindern auf undbeginnt es, mit den anderen Kindern zu inter-agieren?

WohlbefindenKinder, die sich in der neuen Situation wohlfühlen, zeigen mehr positive Emotionen, lachenund bewegen sich mehr und werden zuneh-mend selbstständiger. Außerdem verändertsich ihre Frustrationstoleranz, sie können z. B.länger warten, bis ihre Bedürfnisse befriedigtwerden.

Fragen zur Reflexion: Welche Emotionen zeigtdas Kind in der Trennungssituation? WelcheGefühle können Sie in seiner Mimik und Kör -per haltung erkennen? Wirkt das Kind ver-krampft oder gelöst und entspannt? WelcheGefühle erkennt man an Gesichtsfarbe, Stimm -lage und anderen körperlichen Signalen desKindes?

BezugspersonDas Kind sucht aktiv die Nähe der Bezugs -person oder die Tagespflegeperson auf (z. B. eskrabbelt zu ihr hin, wenn es sich wehgetan hat). Fragen zur Reflexion: Hat das Kind eine gute,von Sicherheit geprägte Bindung an seineBezugsperson (seine Tagespflegeperson, seineBezugserzieherin) aufgebaut? Sucht das Kind

aktiv die Nähe dieser Person auf, wenn es emo-tional gestresst ist oder sich wehgetan hat?Lässt sich das Kind von dieser Person trösten?Kann das Kind es gut verkraften, wenn dieseBezugsperson einmal für einen kurzen oderlängeren Zeitraum nicht in der Einrichtung ist?Wie sieht die Beziehung des Kindes zu denanderen Fachkräften aus?

PflegesituationenWichtige Hinweise auf den Verlauf der Einge -wöhnung geben auch bestimmte Situationen,in denen das Kind und seine Bezugsperson inengem 1 zu 1-Kontakt sind. Dies kann z. B. dasWickeln, Füttern, Trösten, Spielen sein. DieKinder zeigen positive Gefühle, lachen, kom-munizieren (verbal oder nonverbal) wenn sie z.B. von ihrer Bezugsperson gewickelt odergefüttert werden.

Fragen zur Reflexion: Wie verhält sich das Kindin solchen Pflegesituationen? Wirkt es ver-krampft oder entspannt? Begibt sich das Kindin einen (auch nonverbalen) Dialog mit seinerBezugs person?

Wechsel von SituationenIn der Tageseinrichtung / Tagespflege gibt eshäufige Wechsel, z. B. wenn die Kinder nachdraußen gehen, ein Ausflug gemacht wird, einpädagogisches Angebot zu Ende ist und eineFreispielphase beginnt. Kinder, die den Über-gang schon gut bewältigt haben, können sichbei solchen Wechseln meist leicht zurechtfin-den. Wenn Kinder davon noch sehr stark irritiertwerden, gilt es, das Kind besonders feinfühligzu beobachten und zu unterstützen.

Fragen zur Reflexion: Wie verhält sich das Kindbeim Wechsel von Situationen? Kann es sichschnell auf die neue Situation einstellen oderwirkt es irritiert? Exploriert es?

Signale des Kindes als Hinweise für einen gelungenen Übergang

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3.3 Beobachten und dokumentierenEine individuelle Stärkung der Kompetenzen vonAnfang an setzt voraus, den Lern- und Entwick -lungsverlauf eines jeden Kindes einschätzen zukönnen und Einblick in sein Lernen und seineEntwicklung zu bekommen. Nur so kann es gelin-gen, Kinder besser zu verstehen, sie entwick-lungsangemessen am Bildungsgeschehen zubeteiligen und gezielt zu unterstützen und zu stär-ken. Eine prozessorientierte Beobachtung undDokumentation macht den individuellen Lern-und Entwicklungsverlauf des Kindes nachvollzieh-bar. Sie ist der Schlüssel für die Bildungsqualität inEinrichtungen und zugleich Lernchance für dieFachkräfte selbst. Dies gilt für die pädagogischeArbeit mit Kindern unter drei Jahren genauso wiefür ältere Kinder. Beobachtung und Dokumen -tation sind wesentliche Grundlagen des pädago-gischen Handelns und gehören zum Handwerks -zeug von Fachkräften in Krippen ebenso wie inKindertageseinrichtungen, in der Kindertages -pflege und weiteren Bildungseinrichtungen.

Beobachtung und Dokumentation helfen, das ei -gene pädagogische Handeln zu reflektieren undtragen auch dazu bei, eine Brücke zu den Elternzu bauen. Gerade in den ersten Lebensjahren isteine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit denEltern von besonderer Bedeutung. Im partner-schaftlichen Dialog können Mütter und Väter sichmit Fachkräften über Beobachtungen zur aktuellenEntwicklung, zu Interessen und Bedürfnissen ihresKindes im außerfamiliären Kontext sowie – im Ver -gleich dazu – im häuslichen Umfeld austauschen. Die Philosophie des Hessischen Bildungs- undErziehungsplans betont ein ressourcenorientier-tes Vorgehen bei der Beobachtung und Doku -mentation von Lern- und Entwicklungs prozessen,d. h. die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wasdas Kind schon alles kann, weiß und versteht.Welche Interessen hat es? Welche Fragen be -schäftigen es? Wie gestaltet es sein Spiel mit denanderen Kindern? Dieses Vorgehen erfolgt stetsauf der Basis entwicklungspsychologischer Kennt -nisse sowie unter Einbezug von Wissen über dieBedeutung des Kontextes des Kindes – seinemkulturellen, sozialen sowie sozioökonomischenHintergrund.

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Ein professionelles Vorgehen bei Beobachtungund Dokumentation von Kindern im Alter 0 bis 3Jahren basiert auf denselben Grundsätzen undQualitätsmerkmalen wie bei älteren Kindern.Diese sind im Kapitel „Beobachtung und Doku -mentation von Lern- und Entwicklungsprozessen“im Hessischen Bildungs- und Erziehungsplan aufden Seiten 115 – 116 dargestellt (ein guterÜberblick über Beobachtungsgrundsätze vgl.auch Becker-Stoll u. a. 2009, S. 142f.).

Beobachtung und Dokumentation können aufvielerlei Art geschehen: von der freien, wahrneh-menden Beobachtung über das Sammeln vonProdukten kindlicher Aktivitäten bis hin zu struktu-rierten Formen der Beobachtung und Dokumen -tation. Die unterschiedlichen Zugangswege er -gänzen einander und geben erst in der Zu -sammenschau ein umfassendes Bild vom Lernenund von der Entwicklung des Kindes. Im Vergleichzum kaum noch überschaubaren Angebot anBeo bachtungs- und Dokumentations verfahren imKita-Bereich besteht im Krippen bereich nur einspärliches Angebot an Beobach tungsverfahren.Gerade in den ersten Lebens jahren erfolgt häufigeine qualitative Beo bachtung und Dokumentationmit Hilfe unterschiedlicher, häufig auch selbsterstellter Beo bachtungsbögen.

Entscheidend dabei ist stets die zuvor im Teamerörterte Frage: Welche Zielstellungen verfolgtdie Beobachtung bzw. mithilfe welcher Frage -stellungen soll das Kind beobachtet werden?Darauf basierend können in unterschiedlichenSitu ationen systematische Beobachtungen durch-geführt werden. Gerade bei Kindern unter dreiJahren ist eine konzentrierte Beobachtung deskindlichen Spiels ein besonders geeigneterZugangsweg, mehr darüber herauszufinden, mitwelchen Themen sich das Kind beschäftigt, wel-che Fragen es hat, über welche Kompetenzen esbereits verfügt, auf welche Weise es seine Umwelterforscht, wie es zu Lösungen gelangt und lerntoder wie es mit anderen Kindern in Austauschtritt. Bei sehr kleinen Kindern im erstenLebensjahr kommt vor allem nichtsprachlichenÄußerungen eine besondere Bedeutung zu.

Im Folgenden werden exemplarisch zwei Instru -mente kurz beschrieben, die sich gerade bei unterDreijährigen besonders gut zur prozessorientier-ten Beobachtung und Dokumentation eignen: dieErstellung individueller Portfolios sowie Bildungs-und Lerngeschichten.

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Individuelle PortfoliosPortfolioarbeit als eine kompetenz- und stärken -orientierte Beobachtungs- und Dokumenta tions -methode nimmt einen immer größeren Stellen -wert in Kinderkrippen und Kindertagesein rich -tungen, aber auch in Schulen ein.

„Das Portfolio ist eine zielgerichtete Sammlungvon Dokumenten (z. B. Werke der Kinder, Fotos,Beo bachtungen) und zeigt Prozesse, Entwick -lungen und Veränderungen. Es ist ein Instrument,das Beobachtung und Dokumentation zusam-menführen kann, für alle am Bildungsprozessbeteiligten Personen nutzbar macht und deshalbgeeignet ist, Lern- und Entwicklungsprozessesowie pädagogische Arbeit zu dokumentierenund zu reflektieren“ (Fthenakis u. a. 2009, S. 11).

Die Erstellung dieser „Sammelmappen“ verfolgtdabei nicht etwa das Ziel, die Entwicklung desKindes möglichst lückenlos abzubilden und mög-lichst alle Arbeitsergebnisse und Dokumenteabzuheften, sondern vielmehr gemeinsam mitdem Kind Fotos, Dokumente, Aussagen oderWerke auszuwählen und somit bedeutsame Erei -gnisse in der Entwicklung des Kindes aufzuzei-gen. Dabei können selbstverständlich auch Erleb -

nisse einfließen, die außerhalb der Krippe gemachtwurden, indem beispielsweise Bilder oder Post -karten aus dem Urlaub ins Portfolio aufgenommenwerden. Diese so gewonnenen Infor mationeneignen sich sowohl für die Reflexion im Team alsauch als Grundlage für regelmäßige Entwick -lungsgespräche mit den Eltern. Das jeweiligePortfolio verbleibt im Besitz des Kindes.

Bildungs- und LerngeschichtenBasierend auf den „learning stories“, einem neu-seeländischen Konzept von Margaret Carr, hatdas Deutsche Jugendinstitut (DJI) die Bildungs-und Lerngeschichten entwickelt (vgl. Leu u. a.2007). Zielstellung dabei ist nicht die Erfassungvon „Ergebnissen“, sondern die Dokumentationder Bildungs- und Lernprozesse des Kindes.Unter Berücksichtigung bestimmter Richtlinien,wie z. B. stets die Sichtweise des Kindes mit ein-zubeziehen, werden Lerngeschichten aus demAlltag des Kindes über einen bestimmtenZeitraum hinweg beobachtet, dokumentiert und indas Portfolio des Kindes aufgenommen.Besonderes Augenmerk dabei wird auf bestimm-te sogenannte „Lern dispo sitionen“ gelegt – „inter-essiert sein“, „engagiert sein“, „standhalten“, „aus-drücken“, „Lernge meinschaft“. Nach Margaret Carrkommen dabei die „Motivation und Fähigkeit zumAusdruck, sich mit neuen Anforderungen undSituationen auseinanderzusetzen und sie mitzu-gestalten“ (vgl. Carr 2001, zit. nach Leu 2007, S.49). Für die Analyse der beobachteten Lernge-schichten des Kindes ist es entscheidend, diejeweilige Hand lung entsprechend der beobach-teten Lerndis positionen zu bewerten und dies alsGrundlage für das weitere pädagogische Han-deln, den Austausch mit dem Kind, den Elternoder im pädagogischen Team zu verwenden.

Eine gänzlich andere Zielstellung verfolgen struk-turierte Beobachtungsverfahren. Diese dienender gezielten Beobachtung und Dokumentationvon bestimmten Entwicklungsdimensionen – mitdem Ziel, den Entwicklungsstand zu erfassen oderder Früherkennung von Entwicklungsbe ein träch -tigungen (vgl. z. B. das Screeningverfahren vonPetermann u. a. 2008).

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Projektleitung und Gesamtverantwortung Prof. Dr. Dr. Dr. Wassilios Fthenakis

Konzeption Prof. Dr. Dr. Dr. Wassilios FthenakisDr. Dagmar Berwanger & Anna Spindler

1. Bildung unter 3 im Sinne der Dr. Dagmar BerwangerPhilosophie des HessischenBildungs- und Erziehungsplans (S. 8)

2. Das Kind und seine Kompetenzen im Mittelpunkt

2.1 Bindung und Beziehung (S. 17) Anna Spindler

2.2 emotionale und soziale Kompetenzen (S. 23) Anna Spindler

2.3 kommunikative Kompetenzen (S. 33) Dr. Dagmar Berwanger

2.4 körperbezogene Kompetenzen (S. 48) Katrin Reis

2.5 kognitive und lernmethodische Kompetenzen (S. 60) Anna Spindler

2.6 positives Selbstbild (S. 70) Katrin Reis

3. Schlüsselprozesse guter Bildung (S. 80) Dr. Dagmar Berwanger, Anna Spindler & Katrin Reis

Redaktionelle Unterstützung Eva Reichert-Garschhammer, Angela Roth

Hinweise auf die Autorinnen

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