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Weil der zweite Gedanke oft der bessere ist BusinessVillage KLUG ZWEIFELN Heinz Jiranek Leseprobe

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Weil der zweite Gedanke oft der bessere ist

BusinessVillage

Klugzweifeln

Heinz Jiranek

Leseprobe

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BusinessVillage

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BusinessVillage

Weil der zweite Gedanke oft der bessere ist

KLUGZWEIFELN

Heinz Jiranek

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Heinz JiranekKlug zweifelnWeil der zweite Gedanke oft der bessere ist.1. Auflage 2017 © BusinessVillage GmbH, Göttingen

BestellnummernISBN 978-3-86980-390-6 (Druckausgabe)ISBN 978-3-86980-391-3 (E-Book, PDF)

Direktbezug unter www.BusinessVillage.de/bl/1025

Bezugs– und VerlagsanschriftBusinessVillage GmbH Reinhäuser Landstraße 22 37083 GöttingenTelefon: +49 (0)5 51 20 99-1 00 Fax: +49 (0)5 51 20 99-1 05E–Mail: [email protected] Web: www.businessvillage.de

Layout und SatzSabine Kempke

Druck und Bindungwww.booksfactory.de

CopyrightvermerkDas Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung und die Einspei-cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Alle in diesem Buch enthaltenen Angaben, Ergebnisse und so weiter wurden von dem Autor nach bestem Wissen erstellt. Sie erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Verlages. Er übernimmt deshalb keinerlei Verantwortung und Haftung für etwa vorhandene Unrichtigkeiten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und so weiter in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.

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Inhalt | 5

Inhalt

Über den Autor .............................................................................. 7

Gleich vorweg: Meine Positionen ..................................................... 9

1. Scheitern mit Plan: Der Alltag .................................................... 271.1 Peter K. ist zu langsam .......................................................... 281.2 Wie Pläne scheitern ............................................................... 371.3 Planbarkeit als Illusion ........................................................... 58

2. Systemtheorie: Die Master-Theorie von Veränderung und Beeinflussung .................................................................... 612.1 Warum dieses Kapitel? ........................................................... 622.2 Was sind Systeme? ................................................................ 642.3 Wie sich Systeme verhalten .................................................... 652.4 Was lehrt uns die Systemtheorie? ............................................ 85

3. Systempathologien: Die Logik des Scheiterns .............................. 893.1 Wozu dieses Kapitel? ............................................................. 903.2 Die wichtigsten Systempathologien ......................................... 923.3 Lineares und systemtheoretisches Managementdenken .............. 129

4. Safari durch die Management-Modelle: Brillant, betörend, bedeutungslos? ...................................................................... 1334.1 Gebrauchsanweisung für dieses Kapitel .................................. 1344.2 Begriffsklärung: Führung oder Management oder beides? .......... 1364.3 Die großen Führungsmodelle und ihre Kritik ........................... 1374.4 Führungstheorien auf tönernen Füßen? Ein Überblick ............... 1444.5 Motivationstheorien der Führung .......................................... 1594.6 Rollentheorien und Kompetenzmodelle ................................... 1684.7 Sonstige prominente Modelle ................................................ 1744.8 Was Manager tatsächlich tun ................................................ 1924.9 Ergebnis: Kluges Zweifeln ist angebracht ................................ 195

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5. Unzulänglichkeiten gängiger Management-Ansätze .................... 1995.1 Menschenbild: Tierische Mitarbeiter? ..................................... 2045.2 Logisch-wissenschaftliche Unzulänglichkeiten ......................... 2085.3 Unhaltbare Suggestionen ..................................................... 2235.4 Die Landkarte wird als Reise verkauft ..................................... 2275.5 Was sich zu lesen lohnt ....................................................... 229

6. Planlos erfolgreich: Management by Evolution ........................... 2336.1 Wozu dieses Kapitel? ........................................................... 2346.2 Darwin und die Evolution ..................................................... 2346.3 »Methoden« der Evolution .................................................... 2366.4 Stoßrichtungen .................................................................. 2426.5 Evolutionsprinzipien im Management? .................................... 244

7. Denkwerkzeuge für kluges Zweifeln .......................................... 2517.1 Worum geht es? .................................................................. 2527.2 Das Werte- und Entwicklungsquadrat ...................................... 2547.3 Signalentdeckungstheorie ..................................................... 260

8. Haben wir Chancen? ................................................................ 2678.1 Wozu dieses Kapitel? ........................................................... 2688.2 Wo wir uns ändern können und wo nicht! ............................... 2698.3 Was kann man tun? ............................................................. 283

9. Demokratie und Ethik in der Wirtschaft .................................... 2879.1 Geburt auf der Intensivstation .............................................. 2889.2 Demokratie und Ethik in der Wirtschaft? ................................ 2939.3 Acht Thesen zu Ethik und Werten .......................................... 299

10. Die stille Bedrohung ............................................................. 31710.1 Globalisierte Systempathologien .......................................... 31810.2 Verdrängung ..................................................................... 319

Anhang ...................................................................................... 324Literaturverzeichnis .................................................................. 324Verzeichnis der Oxymora ............................................................ 335Anmerkungen ........................................................................... 336

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Über den Autor | 7

Über den Autor

Der Diplom-Psychologe Heinz Jiranek arbeitet seit über dreißig Jahren als Coach. Kommunikation und Führung sind seine Themen. Dabei fokussiert er immer auf die Wirkung, nicht auf das Rezept. Denn die schnelle Lösung ist ihm suspekt. Sie liefert nur eine Schein-Sicherheit. Eine Erkenntnis, die ihn aus seiner beruflichen Herkunft als Therapeut bis heute begleitet.

Kontakt:E-Mail: [email protected]: www.jiranek.de

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Für Alex

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Gleich vorweg: Meine Positionen

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Columbo oder Tatort?Im Krimi gibt es grob zwei Arten von Dramaturgie: Wir sehen die Leiche und wollen wissen, wer der Täter war, erfahren das aber erst ganz zum Schluss (Tatort). Oder: Wir sehen gleich den Mörder bei seiner Arbeit, sind aber gespannt, wie der verschlagen geniale Kommissar ihn überführt (Co-lumbo). Ich halte mich weder für verschlagen noch für genial, aber ich möchte doch dem zweiten Schema folgen. Sie werden in diesem Kapitel er-fahren, was ich denke, in welcher Haltung ich Ihnen in diesem Buch begeg-ne und was meine Botschaft ist. Nach so langen Jahren der Praxis begann ich, meine Gedanken zu ordnen. Gerade das letzte Jahrzehnt meiner Arbeit spürte ich mehr und mehr so etwas wie eine sichere Ahnung von den grundsätzlichen Problemen, die ich tagein, tagaus in meiner Arbeit mit Kunden zu sehen und von denen ich zu hören bekam. Und manchmal fand ich mich in Situationen wieder, in denen ich Kollegen, Workshop-Teilneh-mern oder Coaching-Klienten Facetten meiner Überzeugungen mitzuteilen versuchte; dann aber beschlichen mich wieder Zweifel: Hast du eigentlich ein Modell zu dem, was du da von dir gibst? Ist das wenigstens einiger-maßen schlüssig, was du behauptest? Also schreibe ich dieses Buch auch, um das Koordinatensystem zu finden, in dem ich mich bewege. Bewegt hat mich auch der Gedanke, meinem Sohn, der in diesem Jahr sein Studium der Psychologie beginnt, einmal aufzuschreiben, was von einem akademischen Berufsleben übrig bleibt. Und auch meinen Kunden und Kollegen, denen ich unendlich viel zu verdanken habe. Was ist der Kaffeesatz meiner Er-fahrung im Bereich Training, Moderation, Konfliktmanagement, Coaching und Beratung? Die Frage nach der Zielgruppe, wie sie im Marketing und selbstverständlich auch von Verlagen gestellt wird, kann ich daher nicht präzise beantworten. Wenn mein Weg, meine Erfahrungen und Gedanken zu sortieren, jemanden da draußen interessiert, dann würde mich das na-türlich ungeheuer freuen. Klar.

Deshalb wähle ich auch den Columbo-Ansatz (wenn auch weniger span-nend), damit Sie gleich wissen, was jetzt kommt. Vielleicht, damit Sie auch vorblättern können und so das finden, was Ihr Interesse trifft.

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Gleich vorweg: Meine Positionen | 11

Der frühe Vogel stiehlt die Saat

Als führendes Unternehmen der Technikbranche suchen wir einen

Sprecher der Geschäftsführung.

Neben den einschlägigen technischen Qualifikationen und entsprechender Führungs- und Unternehmenserfahrung bringen Sie folgendes Profil mit:

Sie sind eher nachdenklich und kein Freund von schnellen Entscheidungen. Lieber überlegen Sie zwei Mal, bevor Sie handeln. Sie sind der Überzeugung, dass Change-Management ein sehr schwieriges Geschäft ist, und dass man dabei sehr gründlich überlegen muss, mit welcher Maßnahme man was genau erreichen will. Die Fähigkeit zur Selbstkritik und die Fähigkeit, auch alternative Meinungen zu hören, halten Sie für eine selbstverständliche Voraussetzung. Sie wissen, dass Ihr Einfluss auf die unternehmerische Entwicklung begrenzt ist. Wachstum ist für Sie nicht das oberste Ziel Ihrer Unternehmensführung. Sie sind der festen Überzeugung, dass auch Sie nur bis zum Tellerrand blicken können. Ermutigung und Wertschätzung halten Sie für eine Conditio sine qua non im Umgang miteinander. Sie wissen, dass entmutigte und enttäuschte Mitarbeiter dem Unternehmen die meiste Energie und Kreativität entziehen. Sie sind stets transparent und klar, Sie kümmern sich um eine positive Konfliktkultur, jeder weiß, was, von wem, warum entschieden wurde. Sie denken viel mit verschiedenen Mitarbeitern über die Frage nach, was man beibehalten sollte, was verändern, was man ausprobieren sollte und wie sich Ihr unternehmerisches Handeln gesamtgesellschaftlich auswirkt.

… und so weiter …

Sie haben vielleicht gedacht: Brauchen wir so einen zögerlichen Schlapp-schwanz? Wie soll dieses Weichei ein Unternehmen voranbringen? Hat der keine Vision? Wie sollen Mitarbeiter den ernst nehmen?

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Jedenfalls sind wir das so nicht gewohnt. Stärke, Durchsetzungsfähigkeit, Schnelligkeit und Entschlossenheit, das hätte uns besser gefallen.

Aber was sollen wir dann damit anfangen, dass beispielsweise der No-belpreisträger Daniel Kahneman (2012) in Hunderten ausgeklügelter Experimente nachweisen konnte, dass schnelles Denken, die schnelle Ent-scheidung häufig völlig in die Irre führt? Wenn Sozialpsychologen und Sys-temtheoretiker plastisch belegen, wie das Beeinflussen sozialer Systeme fast immer zu unvorhersehbaren und daher unvorhergesehenen Effekten führt und wie Experimente zeigen, dass wir unter Druck weder besser noch schneller denken können? Wenn die Gallup-Studien zeigen, dass zwei Drit-tel aller Mitarbeiter eine nur geringe emotionale Bindung zu ihrem Unter-nehmen empfinden, wenn man weiß, dass vollmundige Versprechen und machtvolles Umsetzen von Vorgaben zur Manipulation von Abgaswerten führen? (Über 20 Milliarden Euro Verlust an ein paar Tagen.)

Ich will hier klar und begründet zu einem eher nachdenklichen Manage-ment raten. Es ist klug, manchmal zu zweifeln. In den dreißig Jahren meiner Arbeit für zahlreiche Unternehmen konnte ich immer wieder be-obachten, wie intelligente, kluge, visionäre, machtvolle Führungskräfte die Gefolgschaft ihrer Mitarbeiter schnell oder allmählich verloren, wie sie wie hell aufleuchtende Sternschnuppen durchs Unternehmen zischten, ver-glühten und in die Schwerkraft eines neuen Planeten stürzten. In unseren Unternehmensspitzen sind allerdings nachdenkliche Manager eher selten zu finden, sie steigen nicht so schnell auf, entsprechen nicht dem üblichen Bild und sind nicht so sehr an Macht interessiert. Und doch habe ich auch diese Manager häufig erleben dürfen: Sie machen einen ruhigen, unauf-fälligen Job, wirken positiv und genießen hohen Respekt ihrer Mitarbeiter. Ich vermute, dass erfolgreiche Unternehmen gerade wegen dieser beschei-denen und bedachten Leute erfolgreich sind.

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Zugegeben, das ist sehr holzschnittartig, die Wirklichkeit zeigt sich deut-lich vielschichtiger. Und ja: Es gibt auch Manager wie Steve Jobs, der in seiner Besessenheit und Rigidität, mit seinem Narzissmus, und nicht zu-letzt mit seinem genialen Kollegen Wozniak, zur richtigen Zeit mit der richtigen Idee den Grundstein für Apple legte (und beinahe scheiterte). »Apple würde Steve und mich nicht mehr einstellen«, sagt Wozniak heute (vgl. Trentmann 2013). Solche Dinge ergeben sich, sie sind nie und nimmer planbar. Was wir aber sicher wissen: Entscheidungen werden besser, wenn sie sich haben genügend infrage stellen lassen; schon Janis (1972) wies deutlich auf diesen Umstand hin.

Wovon mein Appell zu zweifeln getragen wird, und warum wir einem zweiten oder dritten Gedanken eine Chance geben sollten, das will ich in diesem Buch belegen. Denn Schnelligkeit wird in diesen Tagen als selbst-verständlicher Wert dargestellt. Das halte ich für bedenklich, denn man kann auch ganz schnell etwas falsch machen.

Die Kanten des Denkens werden im Mainstream vermeintlicher Selbstverständlichkeiten abgeschliffenMittlerweile entwickle ich Widerstände gegen die gängige Managementlite-ratur. Ich lese in jeder Einleitung das Gleiche: Alles vollziehe sich schnel-ler, man müsse lebenslang lernen, Change sei das Normale, alles werde komplexer, man müsse daher auch schneller und change-affiner werden. Und da machen sich dann allerlei verführerische Metaphern breit: Der frü-he Vogel fängt den Wurm, nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen verspeisen die Langsamen und so weiter. Der Mensch sei der entscheidende Produktionsfaktor, ihn müsse man in den Mittelpunkt stellen und bereit machen für den permanenten Wandel, denn nur dieser sei konstant. Und so fort. Mittlerweile reagiere ich darauf allergisch. Denn außer einer Zunahme von Stress und Hektik und manchen Schnellschüssen erlebe ich keine wirkliche Neuerung. Zudem enthält die Managementlite-ratur zahllose rein handwerkliche und logische Fehler. Ich werde darauf ausführlich eingehen (siehe Kapitel 5, Seite 199). Das hohe Tempo, das in

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Unternehmensprozessen tatsächlich gefordert wird, führt dazu, dass vieles nicht zu Ende gedacht wird. Gut Ding aber will Weile haben. Wir haben in der Psychologie eine ausgezeichnete Erkenntnislage darüber, wie gute und wie schlechte Entscheidungen zustande kommen, und in den allermeisten Fällen wird wohl gelten, dass die gute, bedachte, richtige Entscheidung allemal besser ist als die schnelle falsche, um es einmal pointiert auszu-drücken. Die Schnellen fressen manchmal gar nichts, weil sie vor lauter Speed das Futter nicht sehen, und der frühe Vogel frisst den Samen, aber vernichtet damit die Frucht.

Es gibt Prozesse, die sich nicht beschleunigen lassen. Dazu gehört ein-deutig das menschliche Denken. Das lässt sich leicht nachvollziehen, wenn man sich vor Augen führt, dass die Sinnesorgane etwa 11 Millionen Bit pro Sekunde liefern, die Bandbreite des Bewusstseins aber – und hier findet Denken statt – nur 16 bis 40 Bit pro Sekunde umfasst (vgl. Nørretranders 2002). Wir verfügen auch über eindeutige Belege dafür, dass schwieri-ge Entscheidungen unter Stress schlechter werden. Das hängt damit zu-sammen, dass Stress die Funktion des Frontallappens in unserem Gehirn dämpft. Der Frontallappen aber dient als die letzte Instanz, sozusagen die Qualitätskontrolle für Entscheidungen.

Ja, die Komplexität hat zugenommen. Vernetzung, Globalisierung, schwie-riger werdende und sehr empfindliche Märkte, ich brauche das nicht alles auch noch aufzuzählen, das haben andere getan. Es ist ausgeschlossen, auch nur annähernd alle Wirkfaktoren zu erfassen. Dietrich Dörner hat schon in den 1990er-Jahren eindrucksvoll nachweisen können, dass wir Menschen dazu neigen, selbst bei einem recht einfachen Variablengeflecht in folgenschwer falsche Reaktionsmechanismen zu verfallen. Dörner nennt das die Logik des Misslingens (2015). Wir intervenieren überreagierend und fokussieren dann wie das Kaninchen die Schlange, erfassen nur noch wenige Parameter, während das System aus dem Ruder läuft. Die Katastro-phe von Tschernobyl – sie ist inzwischen genau untersucht worden – folgte genau diesem Muster. Wir werden hochgradig anfällig für Vereinfachungen

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und entwickeln eine tiefe Sehnsucht nach unkomplizierten und eingängi-gen Lösungen, die dann alles regeln sollen. Das freut natürlich die Autoren der Managementliteratur, die diese Sehnsucht manchmal schamlos bedie-nen. Das Soundso-Prinzip, wie Sie in fünf einfachen Schritten die Welt retten, oder so ähnlich. Wenn man nur ein ganz kleines bisschen nach-denkt, muss man darauf kommen, dass das nicht und niemals sein kann. Die Fehler der Managementliteratur werde ich – wie gesagt – eingehend behandeln. Denn Sand in den Augen ist das Letzte, was Manager brauchen.

Pessimismus, aber kein FatalismusKurz: Ich glaube nicht, dass wir es hinkriegen, aber ich möchte es hoffen. Ich hege die Vermutung, dass wir Menschen »Irrläufer der Evolution« (Ko-estler 1981) sind. Der Philosoph Peter Sloterdijk meint gar: »Der Mensch, der überleben könnte, existiert noch nicht.« 1 In einem Bericht über den March for Science im April 2017 meinte ein Interviewpartner, er stelle sich die Frage, ob wir Bestien bleiben oder Menschen werden wollten. Auch wenn uns Steven Pinker (2011) in seinem überaus gut recherchierten (auch wenn das einige Rezensenten anders sehen) Werk aufzeigt, dass wir in der friedlichsten aller Zeiten leben (Why violence has declined, so der Unter-titel), so lässt mich das nicht vorschnell frohlocken. Wir Menschen sind das Ergebnis eines fast ruckartig vollzogenen Evolutionssprungs, der in der Verdrahtung des Reptilienhirns mit einem Supercortex sein vorläufiges Ende findet. Das Maul möglichst weit aufreißen können, mit den schärfs-ten Zähnen zuschlagen und dies so intelligent, dass man gleich alles final töten und verschlingen kann. Damit ist die Erfindung des roten Knopfes mit der Bombe am Ende hinreichend beschrieben. Mehr als 1,5 Billionen Euro gaben Menschen im Jahr 2016 aus, weil sie der Meinung waren, sie müssten sich gegen Menschen verteidigen oder sie angreifen. Das entsteht »[…] aus der Konfrontation unserer Steinzeitgehirne mit der entfremdeten Welt der Megastädte, Flugzeuge und Computer.« (Harari 2013, Pos. 711) Unser Frontallappen, der wie gesagt der Verhaltenssteuerung dient, wie uns die Gehirnforscher belehren, scheint mir oft zu schwächeln. Zu unse-rer Auslöschung brauchen wir nicht auf einen Meteoriten zu warten, wir

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können uns selbst einen basteln. Wir scheinen gerade noch die Wahl zu haben, ob wir uns schnell oder langsam grillen. Wenn unsere Urahnen vor Ärger oder Wut den Speer warfen, um sich unliebsamer Zeitgenossen zu entledigen, dann hat das nicht gleich zur Vernichtung der Spezies geführt. Emotional sind wir heute nicht viel weiter – Krawatte und Anzug hin oder her, wir haben nur das Wurfgeschoss mit der Bombe getauscht.

Die Gemengelage des Nervenklumpens unter unserer Schädeldecke reicht nicht aus, um die Ressourcen des Planeten vernünftig zu nutzen und zu pflegen, – sie reicht auch nicht aus zu verhindern, dass wir uns im Großen wie im Kleinen den oder die Schädel einschlagen. Jedes Mal wenn ich Mili-tärparaden sehe, empfinde ich die ganze Lächerlichkeit des homo: erectus ja, sapiens nein.

Pessimistisch bin ich auch, weil gerade meine Wissenschaft, die Psycholo-gie, immer wieder zeigt, dass wir im Denken zwar gar nicht schlecht wären, die Fähigkeit aber kaum nutzen, sondern uns mit den schnellen Lösungen zufriedengeben. Schnelles Denken, langsames Denken, Kahneman (2012) und sein Kollege Tversky haben Hunderte genialer Experimente ersonnen, die diese Unzulänglichkeit zeigen. Dass unsere Urteile beispielsweise von Ankerreizen abhängen, auch und gerade, wenn diese gar nichts mit dem Thema zu tun haben. Wenn wir über Siebzigjährige reden und Sie dann die Frage gestellt bekommen, wie viele afrikanische Staaten Mitglied der Vereinten Nationen sind, dann wird die Zahl 70 Ihr Urteil beeinflussen, ob Sie das jetzt glauben oder nicht. Richter entscheiden vor dem Mittagessen anders als nach dem Mittagessen. Oder rechnen Sie mal kurz: Schläger und Ball zusammen kosten 1,10 Euro. Der Schläger kostet einen Euro mehr als der Ball. Wie viel kostet der Ball? 10 Cent! Klar! Dumme Frage! Aber falsch! Kein Wunder, dass auch Daniel Kahneman eher pessimistisch bleibt und sein Buch keinesfalls als Ratgeber verstanden wissen will.

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Natürlich werden wir überall auf Denk- und Urteilsfehler stoßen. Davon möchte ich hier auch schreiben. Von naiven Fehleinschätzungen des Ma-nagements, die ich immer wieder beobachten musste, zum Beispiel von der, dass etwas einfach gehen könnte. Dass man etwas planen könne und sich die Wirklichkeit dann auch tatsächlich nach dem Plan richten würde.

Ich erlebe mich bei aller Skepsis aber nicht als Fatalisten. Immerhin arbeite ich seit mehr als dreißig Jahren daran, dass Menschen lernen können, ein wenig besser miteinander umzugehen, besser aufeinander zu hören, sich nicht allzu ernst zu nehmen und sich immer wieder klar zu machen, dass subjektive Gewissheit und Wahrheit zwei völlig verschiedene Dinge sind. Wenn wir das ein bisschen mehr beherzigen würden, und auch mehr die Meinung anderer zumindest in Betracht ziehen lernten, dann wäre das vermutlich auch ein gutes Mittel dagegen, blind, aber überzeugt in die klassischen Denkfallen zu laufen. Skeptisch sein heißt Fragen stellen.

Systemtheorie lohnt sichSchon während meines Psychologiestudiums habe ich mich in das Thema vernarrt. Einer unserer Dozenten 2, empfahl uns das Buch The Systems View of the World von Ervin Laszlo (2002). (Den Begriff »systemisch«/»syste-mic« gab es meines Wissens – glücklicherweise – noch nicht.) Ich habe es mir damals zugelegt und es auch gleich gelesen. Mein Schulenglisch war katastrophal, und das, was ich sprachlich verstanden hatte, blieb mir inhaltlich weitestgehend verschlossen. Und doch ging von dem dünnen Büchlein eine Faszination aus, irgendetwas hatte mich gepackt. In Schroe-ders plastischer Vorlesung zu den Konzepten der Systemtheorie konnte ich dann ein bisschen mehr erahnen, worum es da ging. Dazu kam die Lektüre von Watzlawicks Veröffentlichungen, hier vor allem Menschliche Kommunikation (1974), Lösungen (1988) und Wie wirklich ist die Wirklich-keit? (1976). Seitdem ist das, was die Systemtheoretiker forschen und den-ken, für mich attraktiv geblieben. Trotz des Modebegriffes »systemisch« machen wir viel zu wenig Gebrauch von systemtheoretisch begründeten Gedankenmodellen.

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Dabei ist die Grundidee einfach: Viele, wenn nicht alle Ereignisse sind in Rückkoppelungsschleifen eingebettet. Es ist nicht so, dass eine Aktion ihren Urheber verlässt wie der Pfeil den Bogen und dann nie mehr gesehen wird; Wirkungen wirken auf das Ausgangssystem zurück und versetzen es in einen neuen Ausgangszustand. Wer das Mikrofon zu nahe an den Laut-sprecher hält, der kennt das Pfeifen, das entsteht, obwohl das Mikrofon kein Pfeifen aufgenommen hatte. Wir werden dazu noch viele Beispiele lesen.

Was ich hier zeigen will: dass Systeme auf vielfältige Weise pathologisch werden können. Mein Sendungsbewusstsein an dieser Stelle: Jeder, der für Führung und Management bezahlt wird, sollte das wissen.

FührungsforschungDie klugen Köpfe an unseren Universitäten und den dazugehörigen Lehr-stühlen versuchen schon lange, die Phänomene Führung, Leadership und Management wissenschaftlich zu fassen. Vor allem als Führungskraft sollte man diese Modellwelt kennen. Denn erstens hat man es meist mit scharf-sinnigen Gedanken zu tun, zweitens kann man Berater enttarnen, die alten Wein in neuen Schläuchen anbieten und drittens lehrt und nährt ein Über-blick das kluge Zweifeln. Ich habe keines der wunderschönen Führungs-modelle funktionieren sehen. Führung gleicht eher einem Kunstwerk, als dass das Phänomen sich wissenschaftlich fassen ließe, und sein (Musik-)Instrument heißt Kommunikation. Daher entstehen und verschwinden die Modelle in regelmäßigen Wellen. Leider gibt es kaum übersichtliche, les-bare Darstellungen, und man kann Führungskräften nicht zumuten, sich in das Labyrinth wissenschaftlicher Literatur zu begeben. Deshalb versuche ich in diesem Buch, einen kritischen, kurzen Überblick zu geben. Vielleicht sind Sie ja Führungskraft und möchten einordnen können, was Sie da auf Ihren Seminaren gelernt haben, und welche Denkmodelle dahinterstecken. Dann können Sie besser entscheiden, ob Sie das kaufen wollen. Kleiner Tipp am Rande: Als Mitarbeiter wissen wir recht gut, welche Art von Füh-rung uns guttut.

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Ich habe erlebt, dass Führungskräfte, die sich in allererster Linie um gute Kommunikation bemühen (Cave: Kommunikation ist etwas anderes als Information!), aufgeräumte und leistungsfähige Teams um sich scharen konnten.

Cave! Management- und FührungsliteraturNeben der wissenschaftlichen Literatur finden wir sich biegende Regale, gefüllt mit Managementliteratur. Diese Ratgeber helfen selten, enthalten zahlreiche Fehler, vereinfachen unerlaubt und biedern sich in unlauterer Weise den Lesern an. Sie machen Hoffnung und geben Versprechen, wo es nichts zu hoffen und zu versprechen gibt. Ich möchte zeigen, woran man erkennen kann, ob man ein Buch gleich weglegen oder lesen sollte. (Viele dieser Leute schreiben verdammt gut!)

Da werden erfolgreiche Manager beschrieben (in der amerikanischen Lite-ratur erfährt man dann auch, was diese zu Mittag essen und wo sie wohnen und dass die IT-Leiterin Cindy heißt und mit ihrem Toyota vorfährt), und daraus wird abgeleitet, was gut oder schlecht ist. (Auch hier verstecken sich schon ein paar logische Fehler.) Wie man von A (ich Würmchen kann das noch nicht) nach B (wie der gloriose CEO Jeff) kommt, das bleibt kon-sequent ungeklärt. Seien Sie soundso! Aha! Wenn Sie Hürdenläufer werden wollen, springen sie doch einfach über die Hürden. Mich ärgert so etwas.

Gedanken zum Management by EvolutionMein Bekenntnis lautet hier: Ich denke, dass wir aus der Betrachtung evo-lutiver Prozesse viel lernen können. Das ist nicht neu, wie natürlich nichts in diesem Buch neu sein kann. Aber wir sollten – schon weil wir Produkt dieser Evolution sind – wie dankbare Kinder auf Eltern und Großeltern zurückblicken und überlegen, wie ganz ohne Management, Six Sigma, Pro-jektsteuerung, Steering Committees, Vision und Mission die uns umgeben-de Vielfalt entstanden ist.

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Vielleicht sind wir imstande, uns in Bescheidenheit zu üben, denn das Prinzip der Evolution ist allemal stärker als wir. Von wegen Krone der Schöpfung! Und wenn die Evolution eine Spezies hervorgebracht hat, de-ren Errungenschaft das organisierte Töten ist und sie dann diese Errun-genschaft auf sich selbst anwendet, also den Selektionsdruck gegen sich wendet, dann wird uns die Evolution vom Tisch schnippen wie eine tote Fliege. Der Neandertaler (mit seinem erstaunlich großen Gehirn) hat auch schon dran glauben müssen, warum nicht auch wir? Der Entwicklungsast wird dann nicht weiter verfolgt, wohingegen womöglich die Entwicklung der Küchenschabe zu erstaunlichen Emergenzen führt.

Evolutionäres Management gibt es als Gedanken und als Begriff spätestens seit Malik (2014); oft weht durch diese Ideen aber die Konstruktion einer wunschgeleiteten Utopie. Ich möchte dem mein Bekenntnis zum Pragma-tismus hinzufügen. Der Ausgangspunkt ist einfach: Wir betreten das Spiel immer auf dem Spielfeld des Status quo. Von dort aus kann man den Raum für Mutationen bewusst schaffen oder erweitern und wird dann sehen, was geschieht. Die grüne Wiese gibt es nicht. Management ist ohnehin nichts anderes als eine Form des Experimentierens, von dem Prinzip der Evolu-tion nicht weit entfernt; was oft fehlt, ist das Eingeständnis, dass dem so ist. Wenn man das Experiment hinter dem Begriff der Strategie versteckt, werden ungünstige psychologische Mechanismen greifen, von denen einer als Rigidität bezeichnet wird, nämlich an dem festzuhalten, was man für richtig hielt, selbst wenn die Fakten längst eine andere Sprache sprechen.

Eine Untersuchung von (2002) zu Managemententscheidungen liefert beispielsweise folgenden Befund. Vierhundert Entscheidungen nahm der Forscher exemplarisch unter die Lupe, dabei spielte die Größe der Unter-nehmen keine Rolle. Demnach

• entschieden die Chefs einhundertdreißig Mal in nahezu diktatorischer Weise, indem sie sich über die Meinung ihrer Teams hinwegsetzten. Zweiundvierzig Mal änderten die Bosse dann ihre eigene Meinung doch

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noch selbst und ließen das Projekt fallen, nachdem bereits erhebliche Kosten entstanden waren.

• änderten zwei Drittel aller Vorstandsvorsitzenden ihre selbst gesetzten Ziele auch dann nicht, wenn sich diese im Marktumfeld als absolut un-realistisch erwiesen.

• entschieden 81 Prozent der Manager aus Überzeugung an die eigene Unfehlbarkeit. Die Folge: 53 Prozent solcher Projekte mutierten zum wirtschaftlichen Fiasko.

• gaben lediglich sieben Prozent aller befragten Manager an, langfristige Aspekte berücksichtigt und sich mit den Fachabteilungen ausreichend ausgetauscht zu haben.

Ungenutzte DenkhilfenGerade die Tatsache, dass ich der menschlichen Entwicklung insgesamt skeptisch gegenüberstehe, motiviert mich, nach möglichen Auswegen zu suchen. Neben dem ständigen Bemühen um intensivere und bessere Kom-munikation sehe ich eine weitere Chance: Man kann dem schnellen und fehlerbehafteten Urteil ein Schnippchen schlagen. Und die Idee kam so: Als Trainer hat man einfach ein paar Inhalte drauf, an die man im besten Falle selbst glaubt und die man, wenn’s passt, manchmal auch wenn’s nicht passt, seinen Teilnehmern angedeihen lässt. Die rhetorische Trittsicherheit mindert die Angst des Moderators vor dem Versagen. Es war einer jener Workshops vor zwanzig Jahren, in dem ich die Gelegenheit ergriff und ein selten genutztes Denkwerkzeug, das Werte- und Entwicklungsquadrat von Helwig (1948) vorstellte. Es ist ein bis heute wunderbares Werkzeug, um beispielsweise eine subtil unfaire Argumentation zu entlarven. Wie Sie es nutzen können, erfahren Sie an anderer Stelle im Abschnitt 7.2 auf Seite 254 im Buch, hier interessiert uns etwas anderes: Einer der Teilneh-mer ließ nicht locker: Was das denn für seine Praxis genau heiße, wollte er wissen. Schließlich ergab sich daraus eine angeregte Diskussion, und wir entwickelten gemeinsam einen Weg für die Teilnehmer, wie sich die Kommunikation in Meetings verbessern lässt. Im Follow-up sechs Wochen später hagelte es Erfolgsberichte, man käme schneller und einfacher zum

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Ziel, die Atmosphäre sei besser, die Mitarbeiter hätten das Helwig-Modell sofort nachvollziehen und auf sich anwenden können.

Das hat mir Mut gemacht, Teilnehmern in Seminaren und Workshops im-mer wieder Denkhilfen und Denkmodelle anzubieten. Der Erfolg war nicht immer so sternstundenhaft wie nach diesem Erlebnis, aber die Tendenz blieb. Ich glaube, dass Denken schon helfen kann, leider lernt man das nicht in der Schule. Zwei Modelle – auch das hier angerissene – möchte ich vorstellen.

Humanismus, Ethik, Macht und DemokratieHier sehe ich den Strohhalm, an den wir uns klammern müssen, bevor wir vom Strudel unserer Unzulänglichkeiten und Egoismen herabgezogen werden. Doch damit, dass der Mensch edel, hilfreich und gut zu sein habe, damit alleine werden wir wenig erreichen. Moralische Appelle verhallen wie andere Appelle auch in den narzisstischen Ganglien menschlicher Gehirne.

Die heroisch verkündete Selbststeuerung funktioniert selten. Mehr Erfol-ge, zumindest leichtere, das wissen die Psychologen, werden wir durch Selbstkontrolle erzielen. Dadurch, dass wir uns das erwünschte Verhalten möglichst leicht, das unerwünschte aber möglichst schwer machen (Berner 2014). Man kann sich der Moral von zwei Seiten nähern und einerseits fra-gen, was das Richtige sei, man kann aber auch die andere Perspektive wäh-len und fragen, was nicht sein soll, was wir vermeiden wollen, was wir als falsch ansehen. Wie wir Schaden verhindern können: Primum non nocere!

Für das Management hieße das: Es ist einfach falsch, Menschen die Freude an ihrer Arbeit zu nehmen, es ist einfach falsch, ihre Identifikation mit dem Unternehmen zu zerschlagen, es ist falsch, dem Sinn den Boden zu entziehen, so wie es falsch ist, krankmachende Faktoren wie Asbest oder Wertschätzungsentzug zuzulassen. Daran wird man auch Führung zu mes-sen haben. Ein Assessment-Center wird blind gegenüber solchen Faktoren sein. Es ist falsch, die kreative Verwobenheit und Vielfalt zwischen Aufga-

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be, Mitarbeiter, Team und Chef in neun Boxen zu packen, wie das in einem derzeit beliebten Beurteilungsschema der Fall ist. Eine verzweifelte Illu-sion zu glauben, man könne in den Kästchen die Wirklichkeit einfangen, wie den Karpfen mit einem Kescher. Und daher sind alle Kästchenmodelle Ausdruck einer depressiven Sinnkrise, die durch die Droge narzisstischer Wirklichkeitsvergewaltigung geheilt werden soll.

Ich kämpfe dafür, dass Gewaltenteilung, das heißt auch Gewaltenkontrolle und Demokratie, der Boden einer solchen Ethik werden, auch im Manage-ment, um die unheilvollen Auswirkungen von Macht (darüber möchte ich meine Gedanken mit Ihnen teilen) zu begrenzen. Wir werden uns kont-rollieren müssen. Und wir dürfen uns nicht vor der Meinung der anderen fürchten. Wer seinem Chef nicht mehr sagen kann, was er denkt, der kann nicht mehr als Korrektiv wirken. Wenn die Medien nicht frei schreiben dürfen, ist Gefahr im Verzug. Nüchtern formuliert: Systeme mit verzerrter Rückkoppelung sind gefährlich.

Als vierte Gewalt möchte ich eine unabhängige Wissenschaft sehen, die sich nicht durch Drittmittel korrumpieren lässt. Es braucht eine neue Kul-tur der Forschung um der Forschung willen. Wissenschaft im Korsett eines instrumentalisierten Um-Zu ist nicht unabhängig und wird nicht die Er-kenntnisse liefern, die Forschung braucht, um als wirkliches positives Kor-rektiv wirken zu können.

Der Fundamentalkapitalismus hat ausgedientDie unsichtbare Hand des Marktes, die alles regelt, so wie sich das der schottische Ökonom Adam Smith in seinem Werk Der Wohlstand der Natio-nen (2013 – Original 1776) vorstellte, hat versagt. Das ist kein politisches, sondern ein empirisches Statement. Ein paar wohlhabende Nationen gibt es, aber eine Milliarde Menschen leben am Existenzminimum. Das kapita-listische Prinzip bevorzugt lokale Maxima und bedient sich der Märkte da, wo sie zu haben sind.

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Jedes Wachstum ist begrenzt, lokales Wachstum erzeugt an anderem Ort Kosten oder Ressourcenausbeutung.

Ich habe dazu keine Alternative, das haben andere schon erfolglos ver-sucht. Das heißt, ich könnte mir schon vorstellen, wie eine Alternative aussehen könnte; wie man von A nach B kommt, das weiß auch ich nicht.

Keine Ahnung

We never know what we are talking about.

Karl Popper, englischer Philosoph

Wenn der große Popper das sagen darf, dann auch ich: Ich habe keine Ahnung, wovon ich hier schreibe. Die Abbildung einer Wirklichkeit »da draußen« auf Gedanken, der Gedanken auf Worte – durch die selektiven Synapsen meines Gehirns gefiltert –, wer kann da behaupten, er wüsste, wovon er spricht. Wittgenstein hat an dieser Stelle das Schweigen empfoh-len, aber so weit bin ich noch nicht.

Das Ende der VersprechenIch wollte Ihnen einen Eindruck davon geben, was mich so umtreibt; als einer, der in diesem Feld nun dreißig Jahre lang arbeitet, als Berater und Trainer für psychologische Fragestellungen. Die Management-Empfehlun-gen und -Rezepte sind wie Anti-Aging-Cremes für Unternehmen: Die Falten werden kurzfristig glatt gezogen, am Prozess selbst ändert sich hingegen nichts. Gar nichts! Wir ahnen: Uns wird Falsches versprochen, Illusion in der Tube. Der Machbarkeitsmythos. Meine Idee: Denken ist besser als Schminken, Dummheit ist Wissen, Weisheit ist fragen.

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Resilienz

Feedback – das ist die Kunst, mit anderen über deren Verhalten zu sprechen und dabei Resonanz und nicht Widerstand auszulösen. Gutes Feedback kann man aus vielen Blickwinkeln betrachten. Wie kann man die eigene Wahrnehmung in Wor-te fassen? Was bedeutet Feedback in der Führung, bei Trainings? Welche Rolle spielt das Machtgefälle? Wie geht eigentlich das Annehmen auf der Empfän-gerseite? Feedback erfordert einen Prozess, der im Feedbacknehmer Resonanz erzeugt. Nur dann wird es wirksam sein und nur dann kann es bewegen.

Leider machen aber nach wie vor weit verbreitete Irrtümer über Feedback und fragwürdige Rituale die Runde. Sie erfahren Grundlegendes über Sinn und Un-sinn des Feedback-Wesens. Vieles wird Sie dabei überraschen, denn das Konzept des Resonanz-Feedbacks unterscheidet sich deutlich von den simplen Rezepten.

Die Diplom-Psychologen Chris Wolf und Heinz Jiranek veranschaulichen in ihrem neuen Buch das Konzept des Resonanz-Feedbacks – ein pragmatisches und fundiertes Konzept für Führungskräfte, Trainer, Lehrer, … Dieses Buch ist eine Fundgrube und ein Wegweiser für alle, die sich beruflich und privat mit Feedback befassen und gerne über arglos vereinfachende Regeln aus Hochglanz-broschüren hinausdenken.

»[...] Dieses Buch räumt mit einer ganzen Reihe von Irrtümern auf. Es richtet sich an alle, die vereinfachten Regeln misstrauen, gerne ein wenig weiterden-ken und ihren Worten mehr Wirksamkeit verleihen wollen [...]« (Hamburger Abendblatt, 25./26. Oktober 2014)

Feedback

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Chris Wolf, Heinz Jiranek FeedbackNur was erreicht, kann auch bewegen3. Auflage 2016

240 Seiten; Broschur; 24,80 EuroISBN 978-3-86980-279-4; Art.-Nr.: 951

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Erfolgreiche Menschen haben eine Eigenschaft, die sie von anderen unterschei-det und doch sofort wahrnehmbar ist: Gelassenheit. Sie meistern schwierige Situationen scheinbar mit Leichtigkeit, persönliche Angriffe prallen an ihnen ab und selbst unter hohem Druck büßen sie ihre Leistungsfähigkeit nicht ein.

Was machen diese Menschen anders? Sie beherrschen die Gelassenheit im Um-gang mit sich, mit ihren Mitmenschen und mit den Herausforderungen, die das Leben und ihre tägliche Arbeit für sie bereithalten. Eine Eigenschaft, nach der sich immer mehr Menschen sehnen und die in der heutigen Zeit immer bedeu-tender wird. Resiliente Menschen verbinden diese Fähigkeit mit einer erstaunli-chen Zielorientierung, Konsequenz und Disziplin in ihrem Handeln und erreichen dadurch etwas, was sie von vielen anderen unterscheidet: persönlichen Erfolg UND ein sehr großes Wohlbefinden.

In einer der wahrscheinlich spannendsten Reisen, der Reise zu Ihrem eigenen Leben, bringt Ihnen Dr. Denis Mourlane das Konzept der Resilienz näher und zeigt Ihnen, wie Sie es in Ihren Alltag integrieren.

Buch der Woche im Hamburger Abendblatt am 23./24. März 2013!

Resilienz

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Bestseller,

8. Auflage über

10.000 verkaufte

Exemplare

Denis Mourlane Resilienz Die unentdeckte Fähigkeit der wirklich Erfolgreichen8. Auflage 2017

232 Seiten; Hardcover; 24,80 EuroISBN 978-3-86980-249-7; Art.-Nr.: 940

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Change Fuck!

Change ist Dauerbrenner, Heilsbringer und Verderben zugleich. Ganz gleich ob Prozesse, Unternehmen oder der Mensch – alles soll sich zum noch Besseren wenden. Doch die Realität ist meist ernüchternd.

Aber warum stoßen Change-Projekte immer wieder auf Widerstand? Warum scheitern so viele Change-Projekte und bringen nicht den erhofften Erfolg? Warum verursacht Veränderung Ängste?

Antwort darauf gibt Hagmaiers neues Buch. »Change Fuck!« schreit es nur so heraus und bricht mit den bisherigen Vorstellungen über Change-Management. Denn entscheidend ist nicht die Veränderung um jeden Preis, sondern die beste Lösung: Chancen-Denken statt Change-Denken.

Dabei ist echte Veränderung – wenn sie denn notwendig ist – ganz einfach. Erstens: Es gibt keine Regeln – meistens. Zweitens: Verändere nichts, wenn es gut läuft. Drittens: Schaffe Neues, ohne das Alte zu zerstören. Viertens: Entwickle Gewohnheiten weiter – anstatt immer neue Gewohnheiten zu erlernen.

Viel mehr braucht es nicht!

Ardeschyr HagmaierChange Fuck!Wenn sich alles verändert und nichts ver-bessert

176 Seiten; 2017; 24,95 EuroISBN 978-3-86980-375-3; Art-Nr.: 1006

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Management by Farce

Was ist eigentlich aus den guten Management-Ansätzen »Change«, »Management by Objectives« und den »Erkenntnissen der Psychologie« geworden?

Pointiert und provokant lotet Steffenhagens Buch die Abgründe im Denken vieler Manager und Führungskräfte aus und zeigt, welche trivialen Züge die Struktur ihres Denkens, die Vorstellungen über Richtig und Falsch angenommen haben. Trotz der Vervielfachung der Informationen durch die Digitalisierung und die immer neuen Möglichkeiten der Bildung sind sie kaum schlauer geworden. Vielmehr stoßen sie an die Grenzen dessen, was man gemeinhin Denken nennt. Ehemals gültige Tugenden, Vorbilder und Rezepte zum Erfolg verkommen zur Farce. Denn die Grenzen zwischen Naivität, Dummheit und Bösartigkeit sind fl ießend.

Doch der Ausweg ist ganz einfach: Er ist die Befreiung vom intellektuellen Narzissmus und seiner um sich selbst kreisenden Widersprüchlichkeit.

Kurt SteffenhagenWork for Pay – Pay for WorkDer feine Unterschied zwischen Führung und Eierkochen1. Auflage 2017

280 Seiten; Broschur; 19,95 EuroISBN 978-3-86980-365-4; Art.-Nr.: 1007

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