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Konvexgeometrie Dr. Theo Overhagen Mathematik Universit¨ at Siegen

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Page 1: Konvexgeometrie · Wir betrachten hier konvexe Mengen, d.h. Mengen, die mit zwei Punkten auch ihre Verbindungsstrecke enthalten. Solche Mengen gibt es sicher in linearen R¨aumen

Konvexgeometrie

Dr. Theo Overhagen

Mathematik

Universitat Siegen

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Literatur

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[7] Gruber/Wills (Hrsg.): Handbook of Convex Geometry, Vol.A+B, Elsevier Sc.Publ.North Hol-land, 1993.

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[17] Webster,R.: Convexity, Oxford University Press, 1994.

[18] Ziegler,G.: Lectures on Polytopes, Springer, 1995.

I

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1

1 Einleitung

Versteht man unter”Geometrie“ zunachst einmal (ohne die Klassifikation durch das

”Erlanger Pro-

gramm“ von Felix Klein) die Untersuchung von Gebilden im Anschauungsraum (und hoherdimen-sionaler Verallgemeinerungen), dann bieten sich die Objekte der linearen Geometrie in den affinenRaumen wie Punkte, Geraden, Ebenen u.s.w. und die damit gebildeten Konfigurationen sowie soge-nannte Mengen zweiter Ordnung wie Kegelschnitte bzw. Quadriken an. Fur daruber hinaus gehendeUntersuchungen muß man den Rahmen der zu betrachtenden Objekte einschranken, um sinnvolleErgebnisse zu erzielen.In der algebraischen Geometrie beschrankt man sich auf Punktmengen, die durch algebraische Glei-chungen beschrieben werden konnen. In der Differentialgeometrie betrachtet man Kurven, Flachenund andere Untermannigfaltigkeiten, die durch genugend oft differenzierbare Funktionen beschriebenwerden konnen.Wir betrachten hier konvexe Mengen, d.h. Mengen, die mit zwei Punkten auch ihre Verbindungsstreckeenthalten. Solche Mengen gibt es sicher in linearen Raumen (Vektorraumen und affinen Raumen). Dawir auch Funktionale auf konvexen Mengen betrachten wollen, die mit Abstanden verbunden sind(Volumen, Oberflachen), betrachten wir euklidische Raume, i.a. den d-dimensionalen euklidischenRaum.

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2 Grundlagen

2.1 Der euklidische Raum, affine Unterraume

Im folgenden seiIE

d = {x; x = (ξ1, . . . , ξd), ξi ∈ IR, 1 ≤ i ≤ d}der d-dimensionale euklidische Raum mit dem naturlichen Skalarprodukt

xy :=

d∑

i=1

ξiηi

und der induzierten Norm

‖x‖ =√xx =

d∑

i=1

ξ2i

bzw. der zugehorigen euklidischen Metrik

d(x, y) := ‖x− y‖ =

√√√√d∑

i=1

(ξi − ηi

)2.

Als Verallgemeinerung der Vektoraddition und Skalarmultiplikation auf Mengen ergibt sich die(Minkowski-)Summe von zwei Mengen und das Vielfache einer Menge

A+B := {x+ y; x ∈ A, y ∈ B}, λA := {λx; x ∈ A}.

Eine Summe der Formx+B := {x}+B

heißt auch Translat von B, und es gilt

A+B =⋃

x∈A

(x+B).

Beispiel 2.1.1

✻r

Quadrat A

Kreis B

r

Summe A+B

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2. Grundlagen 3

Bemerkung 2.1.2 Es gelten zwar viele der zu erwartenden Rechenregeln fur Minkowski-Summenund fur Vielfache von Mengen wie Kommutativitat, Assoziativitat, Existenz des neutralen Elements{0} wie

1 ·A = A, λ(µA) = (λ · µ)A, λ(A+B) = λA+ λB,

aber i.a. gilt fur A 6= ∅ nur

{0} ⊂ A+ (−A) bzw. allgemein (λ+ µ)A ⊂ λA+ µA,

und nicht die Gleichheit.

Lineare Unterraume sind fur unsere Betrachtungen zu speziell, da sie immer den Nullpunkt enthalten.Daher betrachten wir zusatzlich Translate von linearen Unterraumen, die affinen Unterraume imIE

d. Die leere Menge ∅ betrachten wir auch als affinen Unterraum.

Es gilt

Satz 2.1.3 U ⊂ IEd ist affiner Unterraum ⇐⇒

x,y∈U,λ∈IR

λx+ (1− λ)y ∈ U.

Durch Vorgabe des Translationsvektors und des linearen Unterraums erhalt man naturlich den ein-deutig bestimmten affinen Unterraum. Umgekehrt bestimmt ein affiner Unterraum eindeutig denzugehorigen linearen Unterraum (wogegen verschiedene Translationsvektoren mit gleichem linearenUnterraum zu demselben affinen Unterraum fuhren konnen):

Korollar 2.1.3.1 Ist U 6= ∅ ein affiner Unterraum, dann gibt es genau einen linearen Unterraum U0

des IEd, so dass U Translat von U0 ist.

Beispiele 2.1.4 Die affinen Unterraume im IE3 sind außer der leeren Menge und dem ganzen Raum

- die Mengen, die nur aus einem Punkt bestehen,

- die Geraden und

- die Ebenen.

Geraden und Ebenen werden auch in der ublichen Parameterdarstellung

{x = a+ λ(b− a); λ ∈ IR} bzw. {x = a+ λ(b− a) + µ(c− a); λ, µ ∈ IR}

beschrieben.

Wir bezeichnen im folgenden zwei affine Unterraume als parallel, wenn sie Translate voneinander sind.Speziell ist jeder affine Unterraum parallel zu sich selbst, und im Gegensatz zur ublichen Definitionder Parallelitat in der Elementargeometrie vergleichen wir nur affine Unterraume gleicher Dimension.

Analog zur Vektorraumtheorie ergibt sich

Satz 2.1.5 Der Durchschnitt beliebig vieler affiner Unterraume ist ein affiner Unterraum.

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2. Grundlagen 4

Bemerkung 2.1.6 Die Vereinigung affiner Unterraume ist i.a. kein affiner Unterraum.

Definition 2.1.7 Sei X ⊂ IEd. Der Durchschnitt aller affinen Teilraume U von IE

d mit X ⊂ U heißtaffine Hulle von X. Bezeichnung: aff X.

Bemerkungen 2.1.8

(1) aff X ist (bezuglich der Inklusion) der kleinste affine Unterraum, der X enthalt.

(2) Da IEd ein affiner Unterraum ist und X enthalt, ist die Menge der in Frage kommenden affinen

Unterraume, uber die der Durchschnitt gebildet wird, nicht leer.

(3) X ist affiner Unterraum ⇐⇒ aff X = X.

Die Charakterisierung affiner Unterraume nach Satz 2.1.3 laßt sich verallgemeinern:

Definition 2.1.9 Fur x0, x1, . . . , xn ∈ IEd, λ0, . . . , λn ∈ IR mit

n∑

i=0

λi = 1 heißt

x :=

n∑

i=0

λixi Affinkombination von x0, . . . , xn.

Satz 2.1.10 (a) Ist U affiner Unterraum, dann enthalt U alle Affinkombinationen von Punkten ausU .

(b) Fur X 6= ∅ ist affX die Menge aller Affinkombinationen aus X.

Fur Summen und Vielfache von affinen Unterraumen gilt (im Gegensatz zu Bemerkung 2.1.2)

Satz 2.1.11 Seien Ai, 1 ≤ i ≤ n, affine Unterraume, λi ∈ IR, 1 ≤ i ≤ n.

(a) Dann ist

n∑

i=1

λiAi ein affiner Unterraum.

(b) Ist

n∑

i=1

λi 6= 0, dann gilt (λ1 + . . .+ λn)A1 = λ1A1 + . . .+ λnA1.

Ist U ein nichtleerer affiner Unterraum, U0 der zugehorige lineare Unterraum mit U = a + U0, danngibt es in U0 eine maximale Menge linear unabhangiger Vektoren x1, . . . , xr, sie bilden eine Basisvon U0, ihre Anzahl ist eine Invariante von U0 und heißt Dimension von U0. Betrachtung der Punktea, a+ x1, . . . , a+ xr in U fuhrt zu folgender Definition:

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2. Grundlagen 5

Definition 2.1.12 (a) Eine endliche Menge von Punkten a0, . . . , an ∈ IEd heißt affin abhangig

genau dann, wenn es Skalare λ0, . . . , λn ∈ IR gibt mit

n∑

i=0

λ2i > 0,

n∑

i=0

λi = 0 und

n∑

i=0

λiai = 0.

Sonst heißt sie affin unabhangig.

(b) Eine beliebige Menge M ⊂ IEd heißt affin abhangig, wenn sie eine endliche affin abhangige

Teilmenge enthalt.

(c) Ist U ein nichtleerer affiner Unterraum mit zugehorigem linearen Unterraum U0, dann heißtdimU0 die Dimension von U . Bezeichnung: dimU .

Fur die leere Menge setzt man dim ∅ := −1.

Ist U = a+U0 und B0 = {x1, . . . , xr} eine Basis von U0, dann heißt B = {a, a+ x1, . . . a+ xr}affine Basis von U .

(d) Ist X eine nichtleere Menge, dann heißt die Dimension der affinen Hulle aff X Dimension vonX. Bezeichnung: dimX.

(e) Die affinen Unterraume der Dimension 1 heißen Gerade, der Dimension 2 Ebene und derDimension d− 1 Hyperebene.

Analog zur Vektorraumtheorie folgt

Satz 2.1.13 (a) Eine Menge M ⊂ IEd ist genau dann affin abhangig, wenn es ein a ∈ M gibt mit

a ∈ aff (M \ {a}).

(b) Ist M := {a0, . . . , ar} affin unabhangig, dann laßt sich jedes a ∈ aff M eindeutig als Affinkombi-

nation aus Punkten von M darstellen, d.h. es existieren λi ∈ IR, 0 ≤ i ≤ n, mit

n∑

i=0

λi = 1 und

a =

n∑

i=0

λiai. Die Skalare λ0, . . . , λn heißen baryzentrische Koordinaten.

(c) Eine affin unabhangige M ⊂ IEd hat hochstens d+ 1 Elemente.

(d) Jeder nichtleere affine Unterraum U ⊂ IEd ist affine Hulle einer affinen Basis mit dimU + 1

Elementen.

(e) Sind U und V affine Unterraume des IEd mit nichtleerem Durchschnitt, dann gilt

dim(U + V ) + dim(U ∩ V ) = dimU + dimV.

(f) Ist U ein affiner Unterraum des IEd und M ⊂ U eine affin unabhangige Teilmenge, dann gibt eseine affine Basis B von U mit M ⊂ B, d.h. M kann zu einer Basis von U erweitert werden.

(g) Jede nichtleere Menge M ⊂ IEd enthalt eine affine Basis von aff M .

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2. Grundlagen 6

Lineare Unterraume des IEd der Dimension r haben einen engen Bezug zur Losungsmenge eines li-

nearen homogenen Gleichungssystems mit Koeffizientenmatrix vom Rang d− r. Analog haben affineUnterraume eine entsprechende Beziehung zu linearen (moglicherweise inhomogenen) Gleichungssy-stemen:

Satz 2.1.14 Sei d ≥ 1.

(a) Eine Menge M ⊂ IEd ist eine Hyperebene genau dann, wenn es einen Vektor n 6= 0 und ein

Skalar α ∈ IR gibt mitM = {x; n · x = α}.

n heißt Normalenvektor der Hyperebene. Der Normalenvektor einer Hyperebene ist bis aufSkalarmultiplikation eindeutig bestimmt.

(b) Jeder affine Unterraum der Dimension r, −1 ≤ r ≤ d, kann als Durchschnitt von d − r Hy-perebenen dargestellt werden und ist damit Losungsmenge eines linearen Gleichungssystems vond− r Gleichungen.

(c) Zwei Hyperebenen

H = {x; n · x = α} und H ′ = {x; n′ · x = α′}

sind parallel genau dann, wenn die Normalenvektoren n und n′ linear abhangig sind. Die Hyper-ebenen sind dann identisch oder disjunkt.

(d) Zwei nicht parallele Hyperebenen haben einen nichtleeren Durchschnitt.

Ersetzt man die die Hyperebene bestimmende lineare Gleichung durch eine Ungleichung, dann erhaltman

Definition 2.1.15 Ist n ∈ IEd, n 6= 0, α ∈ IR, dann heißen die Mengen

H− := {x; n · x ≤ α} und H+ := {x; n · x ≥ α}

abgeschlossene Halbraume und die Mengen

intH− := {x; n · x < α} und intH+ := {x; n · x > α}

offene Halbraume.

Bemerkungen 2.1.16

(1) Ersetzt man den Vektor n und das Skalar α durch jeweils dasselbe Vielfache, d.h. durch λn undλα (mit λ 6= 0), dann erhalt man dieselben Halbraume. Die Halbraume werden also durch dieHyperebene H = {x; n · x = α} eindeutig festgelegt.

Es gilt

H− ∪H+ = IEd, H− ∩H+ = H, intH− ∪ intH+ = IE

d \H, intH− ∩ intH+ = ∅.

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2. Grundlagen 7

(2) Die offenen Halbraume sind (bezuglich der durch das Skalarprodukt induzierten Metrik) of-fene Mengen, die abgeschlossenen Halbraume und die affinen Unterraume sind abgeschlosseneMengen.

(3) Liegen zwei Punkte a und b in verschiedenen offenen Halbraumen bezuglich der Hyperebene H,dann schneidet die offene Verbindungsstrecke {x = a+ λ(b− a), 0 < λ < 1} die Hyperebene H

in genau einem Punkt.

Wie die linearen Abbildungen die Vektorraumstruktur erhalten, gibt es entsprechende Abbildungen,bei denen die Bilder affiner Unterraume ebenfalls affin sind.

Definition 2.1.17 Eine Abbildung T : IEd → IEm heißt affin, wenn

T(λx+ (1− λ)y

)= λT (x) + (1− λ)T (y) fur alle x, y ∈ IE

d, λ ∈ IR.

Beispiele 2.1.18

(1) Die Translationen T : IEd → IEd mit T (x) := x+a (mit festem a ∈ IE

d) sind affine Abbildungen.

(2) Die Orthogonalprojektion T : IE3 → IE3 mit T (ξ1, ξ2, ξ3) := (ξ1, ξ2, 1) ist eine affine Abbildung.

Zwischen linearen und affinen Abbildungen gibt es enge Beziehungen, und damit ergeben sich wichtigeEigenschaften der affinen Abbildungen:

Satz 2.1.19 Sei T : IEd → IEm eine Abbildung.

(a) T ist genau dann affin, wenn es eine lineare Abbildung T0 und ein q ∈ IEm mit

T (x) = T0(x) + q fur alle x ∈ IEd.

Die lineare Abbildung T0 ist durch T eindeutig bestimmt.

(b) T ist genau dann affin, wenn

T( n∑

i=0

λixi

)=

n∑

i=0

λiT (xi) fur alle n ∈ IN0, xi ∈ IEd, λi ∈ IR, 0 ≤ i ≤ n, mit

n∑

i=0

λi = 1.

(c) Ist T affin, M ⊂ IEd eine beliebige Menge. Dann gilt

T (aff M) = aff(T (M)

).

Ist M ein affiner Unterraum, dann auch T (M).

(d) Ist M = {x0, . . . , xd} eine affine Basis des IEd, {y0, . . . , yd} ⊂ IE

m, dann gibt es genau eineaffine Abbildung T : IEd → IE

m mit T (xi) = yi, 0 ≤ i ≤ d.

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2. Grundlagen 8

Die Invertierbarkeit einer affinen Abbildung hangt mit der Invertierbarkeit der zugehorigen linearenAbbildung zusammen:

Satz 2.1.20 Sei T : IEd → IEd eine affine Abbildung.

(a) T ist invertierbar genau dann, wenn die zugehorige lineare Abbildung T0 invertierbar ist.

(b) Ist T invertierbar, dann ist T−1 eine affine Abbildung mit zugehoriger linearer Abbildung T−1

0.

(c) Sind A,B ⊂ IEd gleichdimensionale affine Unterraume, dann gibt es eine invertierbare affine

Abbildung T : IEd → IEd mit T (A) = B.

In einem euklidischen Raum (in dem man Abstande messen kann,) sind auch die Abbildungen inter-essant, die Abstande nicht verandern.

Definition 2.1.21 Eine Abbildung T : IEd → IEd heißt Kongruenzabbildung des IE

d, wenn

‖T (x)− T (y)‖ = ‖x− y‖ fur alle x, y ∈ IEd.

Kongruenzabbildungen sind spezielle affine Abbildungen, denn es gilt

Satz 2.1.22 Ist T : IEd → IEd eine Kongruenzabbildung des IEd, dann ist T eine affine Abbildung mit

einer zugehorigen orthogonalen linearen Abbildung.

2.2 Konvexe Mengen

Definition 2.2.1 Sei X ⊂ IEd eine Menge.

(a) X heißt konvex, wenn

z := λx+ (1− λ)y ∈ X fur alle x, y ∈ X, 0 ≤ λ ≤ 1.

(b) Ist X konvex und kompakt, dann heißt X konvexer Korper.

(c) Der Durchschnitt aller konvexen Mengen K von IEd mit X ⊂ K heißt konvexe Hulle von X.

Bezeichnung: convX.

Wir bezeichnen im folgenden

- die Familie der konvexen Mengen im IEd mit Kd und

- die Familie der konvexen Korper im IEd mit Kd.

Bemerkung 2.2.2 Fur beliebige Mengen A ⊂ B ⊂ IEd gilt convA ⊂ convB.

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2. Grundlagen 9

Beispiele 2.2.3

(1) Eine Menge heißt also konvex, wenn sie mit je zwei Punkten x, y auch deren Verbindungstrecke

xy := {z ∈ IEd; z = x+ λ(y − x), 0 ≤ λ ≤ 1}

enthalt. Im besonderen sind Strecken konvex.

(2) Affine Unterraume sind dadurch charakterisiert, dass mit je zwei Punkten ihre Verbindungsge-rade in der Menge enthalten ist. Damit folgt, dass jeder affine Unterraum eine konvexe Mengeist, speziell auch der ganze Raum, die Hyperebenen, die Geraden, die einpunktigen Mengen unddie leere Menge.

(3) Sei a ∈ IEd, r > 0. Die offene Kugel

B(a; r) := {x ∈ IEd; ‖x− a‖ < r}

mit Mittelpunkt a und Radius r ist konvex und die abgeschlossene Kugel

B[a; r] := {x ∈ IEd; ‖x− a‖ ≤ r}

ist ein konvexer Korper.

Der Kugelrand (die Sphare) S(a; r) := bd B(a, r) := {x ∈ IEd; ‖x−a‖ = r} ist nicht konvex.

(4) Sei H eine Hyperebene. Dann sind die zugehorigen offenen und abgeschlossenen Halbraumekonvex.

Analog zu den Betrachtungen der linearen bzw. affinen Geometrie gilt:

Satz 2.2.4 (a) Der Durchschnitt beliebig vieler konvexer Mengen im IEd ist eine konvexe Menge.

Speziell ist die konvexe Hulle einer beliebigen Menge konvex.

(b) Ist K ⊂ IEd eine konvexe Menge, T : IEd → IE

m eine affine Abbildung, dann ist T (K) konvex.

(c) Ist K ′ ⊂ IEm eine konvexe Menge, T : IE

d → IEm eine affine Abbildung, dann ist T−1(K ′)

konvex.

Bemerkungen 2.2.5

(1) Die Vereinigung konvexer Mengen ist i.a. nicht konvex.

(2) Ist eine Familie konvexer Mengen bezuglich der Inklusion linear geordnet, dann ist ihre Vereini-gung konvex.

(3) Im Sinne von Kleins”Erlanger Programm“ gehort die Konvexgeometrie zur affinen Geometrie.

Definition 2.2.6 Fur n ∈ IN0, xi ∈ IEd, λi ∈ IR, 0 ≤ i ≤ n mit λi ≥ 0 und

n∑

i=0

λi = 1 heißt

x :=

n∑

i=0

λixi Konvexkombination von x0, . . . , xn.

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2. Grundlagen 10

Satz 2.2.7 (a) Ist K eine konvexe Menge, dann enthalt K alle Konvexkombinationen von Punktenaus K.

(b) convX ist die Menge aller Konvexkombinationen aus X.

(c) X ist konvex ⇐⇒ X = convX.

Bemerkungen 2.2.8

(1) Fur X = {a1, . . . , an} ist convX = {n∑

i=1

λiai; λi ≥ 0, 1 ≤ i ≤ n,

n∑

i=1

λi = 1}.

convX hangt also nur von den Punkten a1, . . . , an ab.

(2) Fur jede Menge X gilt conv (convX) = convX.

(3) Im Gegensatz zu linearen und affinen Unterraumen lassen sich konvexe Mengen i.a. nicht ausendlichen Mengen erzeugen. Beispiel: Kreis bzw. Parabel im IE

2.

Beispiele 2.2.9

(1) Mit Hilfe von Satz 2.2.7 (b) kann man die konvexe Hulle einer MengeX”von innen“ konstruieren.

Die konvexe Hulle von

- 2 verschiedenen Punkten ist ihre (abgeschlossene) Verbindungsstrecke,

- 3 affin unabhangigen Punkten (in der entsprechenden Ebene) ist das Dreieck mit diesenPunkten als Ecken,

- 4 affin unabhangigen Punkten im IE3 ist das Tetraeder mit diesen Punkten als Ecken.

(2) Die konvexe Hulle der Einheitssphare S(0; 1) ist die abgeschlossene Einheitskugel B[0; 1].

Konvexe Hullen endlicher Mengen sind von besonderer Bedeutung:

Definition 2.2.10 Sei X ⊂ IEd eine nichtleere endliche Menge der Dimension r.

(a) P := convX heißt (konvexes) Polytop bzw. r-Polytop.

(b) Ist X affin unabhangig, so heißt P r-Simplex.

(c) T = conv {0, a1, ..., ar} mit aiaj = 0 fur i 6= j heißt Orthogonalsimplex.

Wir bezeichnen die Familie aller Polytope im IEd mit Pd.

Die affine Hulle einer r-dimensionalen Menge X kann man als Menge der Affinkombinationen vonhochstens r + 1 Punkten aus X darstellen.Fur konvexe Hullen ist das i.a. nicht richtig, denn z.B. das Einheitsquadrat

conv {(1; 1), (−1; 1), (−1;−1), (1;−1)}

laßt sich nicht als konvexe Hulle von 3 Punkten darstellen (denn das ware ein Dreieck).Fur jeden einzelnen Punkt a ∈ convX laßt sich die Anzahl der Summanden zur Darstellung von a alsKonvexkombination aus Punkten aus X auf r + 1 beschranken:

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2. Grundlagen 11

Satz 2.2.11 (Caratheodory(1907)) Sei X eine nichtleere r-dimensionale Menge, a ∈ convX.

Dann gibt es r + 1 Punkte {x0, . . . , xr} ⊂ X, λi ∈ IR mit λi ≥ 0, 0 ≤ i ≤ r,

r∑

i=0

λi = 1 und

a =

r∑

i=0

λixi.

Korollar 2.2.11.1 Jedes Polytop ist die Vereinigung von endlich vielen Simplices.

Die beiden folgenden Satze sind eng mit dem Satz von Caratheodory verknupft und von grundlegenderBedeutung z.B. fur die kombinatorische Geometrie der konvexen Mengen sowie Uberdeckungs- undDurchschnittsprobleme.

Satz 2.2.12 (Radon(1921)) Sei X = {x1, . . . , xn} ⊂ IEd. Ist n ≥ d + 2, so existieren X1,X2 ⊂ X

mitX1 ∪X2 = X, X1 ∩X2 = ∅ und convX1 ∩ convX2 6= ∅.

Bemerkung 2.2.13

(1) X darf nicht weniger als d+ 2 Elemente enthalten (Simplex).

(2) Die Zerlegung ist i.a. nicht eindeutig.

(3) Fur 4 Punkte in IE2 ergeben sich folgende Konstellationen:

- Einer der Punkte liegt in dem von den anderen 3 Punkten aufgespannten (moglicherweisedegenerierten) Dreieck, oder

- die vier Punkte sind Ecken eines konvexen Vierecks.

Der Durchschnitt konvexer Mengen ist konvex, aber er kann leer sein. Der folgende Satz gibt Bedin-gungen dafur an, daß der Durchschnitt einer Familie konvexer Mengen nichtleer ist.

Satz 2.2.14 (Helly(1913)) Seien n ∈ IN, n ≥ d + 1, K1, . . . ,Kn ∈ Kd, und je d + 1 der Ki habeneinen gemeinsamen Punkt. Dann gilt

n⋂

j=1

Ki 6= ∅.

Bemerkung 2.2.15 Der Satz gilt i.a. nicht, wenn nur je m < d + 1 der Mengen einen nichtleerenDurchschnitt haben oder mindestens eine der Mengen nicht konvex ist. Andererseits kann man einenanalogen Satz fur eine unendliche Familie kompakter konvexer Mengen zeigen.

Eine interessante Fragestellung ist, ob sich metrische Eigenschaften einer Menge auf ihre konvexe Hulleubertragen:

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2. Grundlagen 12

Satz 2.2.16 Sei X ⊂ IEd.

(a) Ist X offen, dann ist convX offen.

(b) Ist X kompakt, dann ist convX kompakt.

Bemerkungen 2.2.17

(1) Fur abgeschlossene Mengen gilt die Aussage i.a. nicht, wie das Beispiel mitX := {(ξ; 0); ξ ∈ IR} ∪ {(0; 1)} ⊂ IE

2 zeigt.

(2) Die konvexe Hulle einer beschrankten Menge ist beschrankt.

Sei X eine nichtleere beschrankte Menge. Dann heißt

sup{‖x− y‖; x, y ∈ X}

Durchmesser von X.

Der Durchmesser eines Dreiecks ist seine langste Seite, der eines Rechtecks ist die Diagona-lenlange und der einer offenen oder abgeschlossenen Kugel mit Radius r ist 2r.

Es gilt sogar: X und convX haben denselben Durchmesser.

(3) Jedes Polytop ist kompakt.

Umgekehrt ubertragt sich die Eigenschaft der Konvexitat auf den offenen Kern und die abgeschlosseneHulle einer Menge:

Satz 2.2.18 Sei K ∈ IEd eine nichtleere konvexe Menge. Dann gilt:

(a) Fur x ∈ clK, y ∈ intK und die Verbindungsstrecke xy von x nach y ist xy\{x} ⊂ intK.

(b) Fur intK 6= ∅ und x ∈ K gilt:

x ∈ intK ⇐⇒ fur alle y ∈ K gibt es ein µ > 1 mit (1− µ)y + µx ∈ K.

(c) intK ist konvex.

(d) clK ist konvex.

Die Begriffe”offener Kern“ und

”Rand“ sind fur Mengen der Dimension kleiner d nicht besonders

sinnvoll.

Definition 2.2.19 Sei X ⊂ IEd nichtleer und A = aff X.

x ∈ X heißt relativ innerer Punkt von X, falls eine Umgebung B(x, r) mit r > 0 existiert mit

B(x, r) ∩A ⊂ X.

Die Menge aller relativ inneren Punkte von X wird als relatives Inneres von X bezeichnet. (Schreib-weise relintX)

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2. Grundlagen 13

Satz 2.2.20 Sei K ∈ Kd,K 6= ∅. Dann gilt relintK 6= ∅ und relintK ist konvex.

Bemerkungen 2.2.21

(1) Sei K ⊂ IEd konvex. Dann gilt:

intK = ∅ ⇐⇒ dimK < d.

Das ist nur dann erfullt, wenn es eine Hyperebene H gibt mit K ⊂ H.

(2) Die Menge der entsprechend definierten relativen Randpunkte (bezuglich aff X) von X wird mitrelbdX bezeichnet. Fur kompaktes X gilt offensichtlich X = relintX ∪ relbdX.

Satz 2.2.22 Sei K ∈ Kd nichtleer, x ∈ relintK, y ∈ aff K, y 6∈ K. Dann schneiden sich conv {x, y}und relbdK in genau einem Punkt.

Fur Polytope laßt sich das relative Innere leicht beschreiben:

Satz 2.2.23 Sei P = conv {x1, . . . , xn} ∈ Pd. Dann gilt x ∈ relintP genau dann, falls positive

λ1, . . . , λn ∈ IR existieren mit

n∑

i=1

λi = 1 und x =

n∑

i=1

λixi.

Betrachtet man sowohl die Bildung des relativen Inneren als auch der abgeschlossenen Hulle, danngilt (fur konvexe Mengen)

Satz 2.2.24 Fur eine konvexe Menge K gilt

(a) relintK = relint (clK) und clK = cl (relintK).

(b) intK = int (clK) und, falls intK 6= ∅ clK = cl (intK).

(c) relbdK = relbd (clK) und bdK = bd (clK).

Bemerkung 2.2.25 Satz 2.2.24 gilt i.a. nicht fur nichtkonvexe Mengen.

Fur Summen und Vielfache von konvexen Mengen gilt

Satz 2.2.26 Seien Ki, 1 ≤ i ≤ n, konvexe Mengen, λi ∈ IR, 1 ≤ i ≤ n.

(a) Dann istn∑

i=1

λiKi konvex. Speziell sind Summen und Vielfache von konvexen Mengen konvex.

(b) Ist λi ≥ 0, 1 ≤ i ≤ n, dann gilt (λ1 + . . .+ λn)K1 = λ1K1 + . . . + λnK1.

Fur beliebige Mengen A,B,C folgt i.a. aus A + B = A + C nicht B = C. Fur beschranktes A undkonvexe abgeschlossene B,C gilt aber

Satz 2.2.27 Sei A eine nichtleere beschrankte Menge, C und D abgeschlossen und konvex. Dann gilt:

(a) A+B ⊂ A+C =⇒ B ⊂ C.

(b) A+D = A+ C =⇒ D = C.

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2. Grundlagen 14

2.3 Stutzeigenschaften

Definition 2.3.1 Sei X ⊂ IEd, a ∈ IE

d, a 6= 0, β ∈ IR. Die Hyperebene

H = {x ∈ IEd; ax = β} ⊂ IE

d

heißt Stutzhyperebene von X, falls gilt:

H ∩ clX 6= ∅ und(X ⊂ H+ oder X ⊂ H−

).

Fur X ⊂ H− heißt a außerer Normalenvektor von X und H− Stutzhalbraum von X.

Beispiel 2.3.2 Die Tangentialhyperebenen an B(a; r) (und andere glatte konvexe Korper) sindStutzhyperebenen.

Ein erstes Ergebnis uber die Stutzhyperebenen konvexer Hullen gibt

Satz 2.3.3 Sei X ⊂ IEd, H Stutzhyperebene von X. Dann gilt H ∩ convX = conv (H ∩X).

Satz 2.3.4 Sei K ∈ Kd ein nichtleerer konvexer Korper und a ∈ IEd, a 6= 0. Dann existiert eine

Stutzhyperebene H von K mit außerem Normalenvektor a.

Bemerkung 2.3.5 Satz 2.3.4 gilt schon fur beschrankte nichtleere Mengen X ⊂ IEd.

Im folgenden betrachten wir die Abbildung des IEd auf eine abgeschlossene konvexe Menge K, die

jedem Punkt p ∈ IEd den nachstgelegenen Punkt p′ ∈ K zuordnet:

Definition 2.3.6 Sei K ∈ Kd eine nichtleere abgeschlossene konvexe Menge und p ∈ IEd. Weiter sei

p′ ∈ K der (eindeutig bestimmte) Punkt mit

‖p− p′‖ = min{‖p − q‖; q ∈ K}.

(a) Die Abbildung Φ : IEd → K mit Φ(p) := p′ heißt Lotabbildung von K.

(b) Sei p 6∈ K. Die offene Halbgerade

−→p′p := {x ∈ IE

d; x = p′ + λ(p− p′), λ ≥ 0}

mit Anfangspunkt p′ durch p heißt Strahl von K durch p.

Bemerkung 2.3.7 Zu p ∈ IEd ist p′ ∈ K eindeutig bestimmt und damit Φ wohldefiniert.

Die von p′ ausgehenden Strahlen haben die folgenden Eigenschaften:

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2. Grundlagen 15

Satz 2.3.8 Sei K ∈ Kd abgeschlossen und nicht leer, Φ die Lotabbildung von K, p ∈ IEd \ K und

p′ = Φ(p).

(a) Fur jedes q ∈ −→p′p gilt Φ(q) = Φ(p).

(b) Die Hyperebene H durch p′ und orthogonal zu−→p′p ist Stutzhyperebene von K.

Damit kann man jede nichtleere abgeschlossene konvexe Menge durch ihre Stutzhalbraume beschrei-ben:

Satz 2.3.9 Sei K ∈ Kd abgeschlossen und nicht leer. Dann ist K Durchschnitt aller StutzhalbraumeH− von K.

Korollar 2.3.9.1 Sei X ∈ IEd, X 6= ∅. Dann ist cl (convX) Durchschnitt aller Halbraume, die X

enthalten.

Die wichtigsten Eigenschaften der Lotabbildung ergeben sich aus

Satz 2.3.10 Sei K ∈ Kd abgeschlossen und nicht leer, Φ die zugehorige Lotabbildung.

(a) Fur alle p, q ∈ IEd gilt

‖Φ(p)− Φ(q)‖ ≤ ‖p− q‖,d.h. die Lotabbildung vergroßert die Entfernung nicht. (Lemma von Busemann-Feller)

(b) Die Lotabbildung Φ genugt einer Lipschitz-Bedingung mit Konstanten 1. Insbesondere ist siegleichmaßig stetig.

(c) Fur p 6∈ K gilt Φ(p) ∈ bdK.

(d) Ist K kompakt, B ⊂ IEd eine Kugel mit Rand S und K ⊂ intB. Dann ist

Φ|S : S → bdK

surjektiv.

Jeder Randpunkt einer nichtleeren konvexen Menge K ist in einer Stutzhyperebene enthalten:

Satz 2.3.11 Sei K ∈ Kd nicht leer und p ∈ bdK. Dann existiert eine Stutzhyperebene H von K mitp ∈ H.

Die letzte Aussage laßt sich unter gewissen Voraussetzungen umkehren:

Satz 2.3.12 Sei d ≥ 2, X ⊂ IEd abgeschlossen, intX 6= ∅, und durch jeden Randpunkt von X gehe

eine Stutzhyperebene von X. Dann ist X konvex.

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2. Grundlagen 16

Bemerkung 2.3.13 Sowohl die Abgeschlossenheit als auch dimX = d ist notwendige Voraussetzung.

In engem Zusammenhang mit den Stutzhyperebenen stehen die Stutzfunktionen:

Definition 2.3.14 Sei K ∈ Kd kompakt, K 6= ∅.

H(K, ·) : IEd → IR mit H(K,u) = sup{ux;x ∈ K}

heißt Stutzfunktion von K.

Beispiele 2.3.15

(1) Fur K = {x} ist H(K, ·) linear wegen H(K,u) = xu.

(2) Fur K = B(0, r) ist H(K,u) = r · ‖u‖.

(3) Sei K das achsenparallele Quadrat im IE2 mit Mittelpunkt 0 und Kantenlange 2, {x1, x2} die

kanonische Basis des IE2. Dann ist

H(K,x1) = H(K,x2) = 1, H(K,λ1x1 + λ2x2) = |λ1|+ |λ2|.

Bemerkung 2.3.16 Ist K ∈ Kd kompakt, K 6= ∅, u ∈ IEd, u 6= 0, dann ist

H = {x ∈ IEd;ux = H(K,u)}

Stutzhyperebene von K.

Fur die Vereinigung endlich vieler kompakter Korper gilt

Satz 2.3.17 Seien Ki ∈ Kd nichtleer und kompakt, 1 ≤ i ≤ n, und K := conv

(n⋃

i=1

Ki

). Dann gilt

fur alle u ∈ IEd

H(K,u) = max{H(Ki, u); 1 ≤ i ≤ n}.

Zwischen reellwertigen Funktionen mit einem bestimmten Krummungsverhalten und konvexen Mengengibt es Beziehungen:

Definition 2.3.18 Sei K ∈ Kd nicht leer.

(a) Eine Funktion f : K → IR. heißt

(i) konvex, falls fur alle u, v ∈ K und 0 ≤ λ ≤ 1 gilt

f(λu+ (1− λ)v) ≤ λf(u) + (1− λ)f(v),

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2. Grundlagen 17

(ii) konkav, falls fur alle u, v ∈ K und 0 ≤ λ ≤ 1 gilt

f(λu+ (1− λ)v) ≥ λf(u) + (1− λ)f(v).

(b) Eine Funktion f : IEd → IR heißt positiv linear homogen, wenn fur alle λ ∈ IR, λ ≥ 0, u ∈ IEd

giltf(λu) = λf(u).

Beispiele 2.3.19

(1) Jede lineare Abbildung f : IEd → IR ist positiv linear homogen, konvex und konkav.

(2) f : IR → IR mit f(x) = x2 ist konvex.

(3) Sei x0 ∈ IEd. f : IEd → IR mit f(x) := ‖x− x0‖ ist konvex.

Fur konvexe Funktionen gilt

Satz 2.3.20 Sei K ∈ Kd, f : K → IR konvex.

(a) Fur alle xi ∈ K, λi ∈ IR mit λi ≥ 0, 1 ≤ i ≤ n und

n∑

i=1

λi = 1 gilt

f(

n∑

i=1

λ1xi) ≤n∑

i=1

λif(xi). (Jensensche Ungleichung)

(b) Ist K offen, dann ist f stetig.

Die wichtigsten Eigenschaften der Stutzfunktion gibt

Satz 2.3.21 Sei K ∈ Kd ein nichtleerer konvexer Korper. Dann gilt

(a) H(K, ·) ist positiv linear homogen.

(b) H(K, ·) ist konvex.

Bemerkung 2.3.22 Im nachsten Abschnitt zeigen wir die die Umkehrung: Zu jeder konvexen, positivlinear homogenen Funktion f gibt es einen konvexen Korper K mit f = H(K, ·).

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2. Grundlagen 18

2.4 Unbeschrankte konvexe Mengen

Beispiel 2.4.1 Die Menge

K := {(x, y); y ≥ 1

x, x > 0}

ist eine unbeschrankte konvexe Menge im IE2. Fur jeden Punkt x ∈ K gibt es einen Strahl mit

Anfangspunkt x, der ganz in K liegt. Die Vereinigung Kx der Strahlen mit Anfangspunkt x, die in K

liegen, ist ein Translat des 1. Quadranten, denn es gilt

Kx = x+ {(x, y); x, y ≥ 0}.

Allgemein gilt

Satz 2.4.2 Sei K konvex, abgeschlossen und unbeschrankt. Dann gilt:

(a) K enthalt (mindestens) eine Halbgerade L+.

(b) Ist L+ eine solche Halbgerade mit Anfangspunkt x und ist

L+

0:= L+ − x

die bei 0 beginnende zu L+ parallele Halbgerade, dann gilt fur beliebiges y ∈ K

L+

0+ y ⊂ K.

Die Aussage laßt sich auf das relative Innere einer unbeschrankten konvexen Menge ubertragen:

Korollar 2.4.2.1 Sei K konvex und unbeschrankt. Dann gilt:

(a) relintK enthalt (mindestens) eine Halbgerade L+.

(b) Ist L+ eine solche Halbgerade mit Anfangspunkt x und ist

L+

0:= L+ − x

die bei 0 beginnende zu L+ parallele Halbgerade, dann gilt fur beliebiges y ∈ relintK

L+

0+ y ⊂ relintK.

Konvexe Mengen, die Vereinigung von Strahlen mit demselben Anfangspunkt sind, haben in derKonvexgeometrie eine besondere Bedeutung:

Definition 2.4.3 Sei X ⊂ IEd eine nichtleere Menge.

(a) Gilt λx ∈ M fur alle x ∈ M , λ ≥ 0, dann heißt M Kegel.

(b) Ist M konvex und ein Kegel, dann heißt M konvexer Kegel.

Wir bezeichnen im folgenden die Familie der konvexen Kegel im IEd mit Cd.

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2. Grundlagen 19

Beispiele 2.4.4 Jeder lineare Unterraum, jeder Strahl mit Anfangspunkt 0, jeder abgeschlosseneHalbraum

H+ = {x ∈ IEd; x · n ≥ 0}

mit Randpunkt 0 und der”Orthant“

{ξ1, . . . , ξd; ξi ≥ 0, 1 ≤ i ≤ d}

ist ein konvexer Kegel.

Bemerkungen 2.4.5

(1) Kegel mussen nicht konvex sein wie man am Beispiel

{(x, y); x · y ≥ 0} ⊂ IE2

erkennt.

(2) Die hier definierten (konvexen) Kegel enthalten alle den Nullpunkt als ausgezeichneten Punkt,als Spitze. Allgemeiner kann man auch (konvexe) Kegel mit beliebiger Spitze a ∈ IE

d betrachten.

Analog zu den linearen bzw. affinen Unterraumen bzw. den konvexen Mengen sind die konvexen Kegeldie Mengen, die gegenuber der Bildung spezieller Linearkombinationen abgeschlossen sind:

Satz 2.4.6 Eine nichtleere Menge M ⊂ IEd ist ein konvexer Kegel genau dann, wenn fur alle x, y ∈ M

und λ, µ ≥ 0 giltλx+ µy ∈ M.

Bemerkungen 2.4.7

(1) Der Durchschnitt beliebig vieler konvexer Kegel ist die leere Menge oder wieder ein konvexerKegel.

(2) Die Vereinigung beliebig vieler Kegel ist ein Kegel, aber die Vereinigung zweier konvexer Kegeli.a. kein konvexer Kegel.

(3) Ist K ∈ Cd ein konvexer Kegel, H eine Stutzhyperebene von K, dann gilt 0 ∈ H.

Analog zur linearen, affinen bzw. konvexen Hulle definieren wir

Definition 2.4.8 Sei M ⊂ IEd.

Der Durchschnitt aller konvexen Kegel C von IEd mit M ⊂ C heißt positive Hulle von M .

Bezeichnung: posM .

Bemerkungen 2.4.9

(1) Wegen Bemerkung 2.4.7 (1) ist posM fur jede Menge M ⊂ IEd ein konvexer Kegel.

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2. Grundlagen 20

(2) Analog zu linM , aff M und convM gilt fur M 6= ∅

posM = {x; x =

n∑

i=1

λixi, n ∈ IN, xi ∈ M, λi ≥ 0, 1 ≤ i ≤ n}.

(3) M ist ein konvexer Kegel genau dann, wenn posM = M .

Beispiele 2.4.10

(1) Fur M = ∅ ist posM = {0}.

(2) Fur die kanonische Basis M = {x1, x2, x3} ⊂ IE3 ist posM der 1.Oktant.

Im Beispiel 2.4.1 war die Vereinigung aller Strahlen in K mit demselben Anfangspunkt ein Translatdes 1. Quadranten. Das fuhrt zu

Definition 2.4.11 Sei K ⊂ IEd eine nichtleere konvexe Menge.

C(K) := {y ∈ IEd \ {0}; K + λy ⊂ K fur alle λ ≥ 0} ∪ {0}

heißt charakteristischer Kegel von K.

Beispiele 2.4.12

(1) Im Beispiel 2.4.1 ist C(K) der 1. Quadrant.

(2) Ist U ein nichtleerer affiner Unterraum, dann ist C(U) = U0 der zugehorige lineare Unterraum.

(3) Fur K = {(x, y); x, y > 0} ∪ {0} ist C(K) = K, der charakteristische Kegel muß alsonicht abgeschlossen sein.

(4) Aus Satz 2.4.2 folgt: Eine nichtleere abgeschlossene konvexe Menge K ist beschrankt genau dann,wenn C(K) = {0}.

Wir haben noch nicht gezeigt, daß ein charakteristischer Kegel wirklich ein Kegel ist. Es gilt

Satz 2.4.13 Ist K eine nichtleere konvexe Menge, dann ist C(K) ein konvexer Kegel. Ist K zusatzlichabgeschlossen, dann auch C(K).

Wir zeigen nun die Umkehrung von Satz 2.3.21:

Satz 2.4.14 Zu jeder konvexen, positiv linear homogenen Funktion f : IEd → IR gibt es einen konvexenKorper K mit

H(K,x) = f(x) fur alle x ∈ IEd.

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2. Grundlagen 21

2.5 Die Seitenstruktur einer konvexen Menge

Ein Wurfel im IE3 hat 6 (2-dimensionale) Seiten, 12 Kanten und 8 Ecken. Fur die Verallgemeinerung

auf konvexe Mengen im IEd bezeichnen wir alle diese Gebilde als Seiten.

Es gibt verschiedene Moglichkeiten, Seiten zu charakterisieren. Wir verallgemeinern die Tatsache, daßeine Strecke, die einerseits ganz in der konvexen Menge und andererseits mit mindestens 1 innerenPunkt in einer Seite liegt, auch ganz in der Seite liegt.

Definition 2.5.1 Seien K und B ⊂ K konvexe Mengen.

(a) Folgt fur jedes z ∈ B, der innerer Punkt einer Strecke in K ist, ( d.h. es gibt x, y ∈ K undλ ∈ (0, 1) mit z = λx+ (1− λ)y,) dass dann x, y ∈ B, dann heißt B Seite von K.

(b) Ist B eine Seite mit dimB = j, dann heißt B j-Seite. Eine 0-Seite heißt extremaler Punkt.

(c) Die (−1)-Seite ∅ und die (dimK)-Seite K heißen uneigentliche Seiten, die anderen Seiten vonK eigentliche Seiten.

(d) Die 1-Seiten von K, die Halbgeraden sind, heißen extremale Halbgeraden, ihre Richtungen,d.h. die Translate mit Anfangspunkt 0, extremale Richtungen.

Beispiele 2.5.2

(1) Ein Tetraeder im IE3 hat als eigentliche Seiten 4 2-Seiten, 6 1-Seiten und 4 0-Seiten.

(2) Die konvexe Menge

K := {(x, y) ∈ IE2; x ≥ 0, −x+ y + 1 ≥ 0, x+ 3y − 1 ≥ 0, 3x+ y − 1 ≥ 0}

hat die extremalen Punkte

x1 = (0, 1), x2 = (1

4,1

4), x3 = (1, 0)

und die extremalen Halbgeraden

{(0, 1 + λ); λ ≥ 0}, {(1 + λ, λ); λ ≥ 0}.

Entfernt man z.B. von einem Wurfel im IE3 eine Seite B, dann ist der Rest immer noch konvex.

Außerdem ist B gerade der Durchschnitt des Wurfels mit der affinen Hulle von B.

Allgemein gilt

Satz 2.5.3 Seien K und B ⊂ K konvexe Mengen. Dann gilt:

(a) B ist Seite von K genau dann, wenn K \B konvex ist und B = (aff B) ∩K.

(b) x ∈ K ist extremaler Punkt von K genau dann, wenn K \ {x} konvex.

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2. Grundlagen 22

Bemerkung 2.5.4 Jede der beiden Bedingungen von Satz 2.5.3 (a) ist notwendig.

Satz 2.5.5 (a) Jede Seite einer konvexen Menge ist konvex und jede Seite einer abgeschlossenenkonvexen Menge ist abgeschlossen.

(b) Ist M ⊂ IEd eine nichtleere Menge, K := convM , dann liegt jeder extremale Punkt von K in

M .

Der Durchschnitt von 2 Seitenflachen eines Wurfels im IE3 ist leer oder eine Kante, also eine 1-Seite,

und der Durchschnitt von 3 Seitenflachen ist leer oder eine Ecke, also ein extremaler Punkt. Weiterist die Kante wiederum Seite jeder der beiden Seitenflachen und die Ecke Seite der 3 Seitenflachen.

Allgemein gilt

Satz 2.5.6 Sei K eine konvexe Menge.

(a) Der Durchschnitt einer beliebigen nichtleeren Familie von Seiten von K ist eine Seite von K.

(b) Ist B eine Seite von K, C eine Seite von B, dann ist C eine Seite von K.

(c) Der Durchschnitt von K mit einer beliebigen Stutzhyperebene von K ist eine Seite von K. Einesolche Seite von K heißt exponierte Seite von K.

Die Bedingung fur eine Seite aus Definition 2.5.1 kann man verscharfen:

Satz 2.5.7 Seien K eine konvexe Menge mit Seite B und sei C ⊂ K. Dann gilt:

relintC ∩B 6= ∅ =⇒ C ⊂ B.

Korollar 2.5.7.1 Sei K eine konvexe Menge.

(a) Sind B und C Seiten von K mit relintB ∩ relintC 6= ∅, dann ist B = C.

(b) Ist B 6= K eine Seite von K, dann gilt dimB < dimK.

(c) Der Durchschnitt D einer beliebigen Familie von Seiten von K kann als Durchschnitt von d+1oder weniger Mitgliedern der Familie dargestellt werden.

Jedem Punkt eines Wurfels im IE3 kann man eine kleinste Seite zuordnen, in der der Punkt enthalten

ist: Fur eine Ecke ist es die Ecke selbst, fur einen relativ inneren Punkt einer Kante ist es die Kante,fur einen relativ inneren Punkt einer Seitenflache ist es die Seitenflache und fur einen inneren Punktist es K.

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2. Grundlagen 23

Das fuhrt zu

Definition 2.5.8 Fur eine konvexe Menge K und x ∈ K sei

Fx :=⋂

x∈B⊂K,B Seite

B.

Satz 2.5.9 Sei K eine konvexe Menge, x ∈ K beliebig. Dann gilt:

(a) x ∈ relintFx.

(b) Die relativen Inneren aller Seiten von K bilden eine Zerlegung von K.

(c) Fur x ∈ relbdK ist dimFx < dimK.

Als nachstes untersuchen wir, wann eine abgeschlossene konvexe Menge als konvexe Hulle ihres (re-lativen) Randes dargestellt werden kann. Die einzigen nichtleeren abgeschlossenen konvexen Mengenim IE

2, fur die das nicht geht, sind die Mengen, die aus einem Punkt bestehen, die Geraden, dieHalbgeraden, die Ebenen und die Halbebenen.

Definition 2.5.10 Eine nichtleere abgeschlossene konvexe Menge K heißt primitiv, wennK 6= conv (relbdK).

Die Situation fur primitive Mengen im IE2 gilt analog fur beliebiges d:

Satz 2.5.11 Eine abgeschlossene konvexe Menge ist primitiv genau dann, wenn sie ein affiner Un-terraum oder Durchschnitt eines affinen Unterraums mit einem Halbraum ist.

Als konvexes Erzeugendensystem reicht die Vereinigung der primitiven Seiten aus:

Satz 2.5.12 Sei K eine abgeschlossene konvexe Menge. Dann gilt:

(a) K ist die konvexe Hulle der Vereinigung seiner primitiven Seiten.

(b) K ist konvexe Hulle aller Seiten von K, die affine Unterraume oder Durchschnitt eines affinenUnterraums mit einem Halbraum sind.

(c) Enthalt K keine Geraden, dann ist K konvexe Hulle der Vereinigung seiner extremalen Punkteund extremalen Halbgeraden.

(d) (Krein-Milman) Ist K beschrankt (also kompakt), dann ist K konvexe Hulle der Vereinigungseiner extremalen Punkte.

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2. Grundlagen 24

Bemerkung 2.5.13 Nach Satz 2.5.12 (d) ist die konvexe Hulle der Menge E der extremalen Punkteeiner kompakten konvexen Menge K abgeschlossen (namlich K). Fur dimK ≤ 2 ist auch die MengeE selbst abgeschlossen. Fur dimK ≥ 3 muß das aber nicht gelten: Sei

A := {(x, y, 0) ∈ IE3; x2 + y2 ≤ 1}, B := {(1, 0, z); −1 ≤ z ≤ 1}, C := conv (A ∪B).

Dann istE = {(1, 0,−1), (1, 0, 1)} ∪ relbdA \ {(1, 0, 0)},

d.h. E ist nicht abgeschlossen.

In Satz 2.5.6 wurden die exponierten Seiten einer konvexen Menge K als Durchschnitt von K miteiner Stutzhyperebene von K definiert. Man bezeichnet ∅ und K auch als (uneigentliche) exponierteSeiten.

Beispiel 2.5.14 Nicht jede Seite einer konvexen Menge ist exponierte Seite, wie man an der konvexenHulle von zwei Kreisen mit verschiedenen Mittelpunkten und gleichem Radius sieht:

✻ss

ss

Die hervorgehobenen Punkte sind 0-Seiten, also extremale Punkte, aber keineexponierten Seiten.

Satz 2.5.15 Seien K,K ′ konvexe Mengen. Dann gilt:

(a) Der Durchschnitt einer nichtleeren Familie von exponierten Seiten von K ist eine exponierteSeite.

(b) Jede exponierte Seite von K +K ′ laßt sich als Summe einer exponierten Seite von K und einerexponierten Seite von K ′ darstellen.

Fur kompakte konvexe Mengen gilt

Satz 2.5.16 Sei K eine nichtleere kompakte konvexe Menge. Dann gilt:

(a) Fur jedes y ∈ IEd gibt es einen fernsten Punkt z ∈ K, d.h. es gilt

‖z − y‖ = max{‖x − y‖; x ∈ K}.

z ist ein exponierter Punkt von K.

(b) Jeder offene Halbraum H− mit H− ∩K 6= ∅ enthalt einen exponierten Punkt von K.

(c) K ist die abgeschlossene Hulle der konvexen Hulle der Vereinigung seiner exponierten Punkte.

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2. Grundlagen 25

2.6 Dualitat und Polaritat

Beispiele 2.6.1

(1) Fur eine abgeschlossene konvexe Menge gibt es einerseits eine”innere Darstellung“ als Verei-

nigung ihrer Punkte (bzw. als Menge der Konvexkombinationen einer Teilmenge), andererseitsnach Satz 2.3.9 eine

”außere Darstellung“ als Durchschnitt aller abgeschlossenen Halbraume, die

die Menge enthalten.

(2) Sei V ein m-dimensionaler reeller Vektorraum. Die Linearformen, d.h. die linearen Abbildungenf : V → IR, bilden einen m-dimensionalen Vektorraum V ∗, den

”Dualraum“ von V , der isomorph

zu V ist. Zu jeder Basis B = {x1, . . . , xm} von V gibt es eine Basis B∗ = {f1, . . . , fm} von V ∗

mit fi(xj) = δij . Und zu jedem linearen Unterraum U von V ist

U∗ := {f ∈ V ∗; f(x) = 0 fur alle x ∈ U}

ein linearer Unterraum von V ∗ mit dimU∗ = m − dimU , der zu U”orthogonale“ Raum. Das

gibt die Moglichkeit, auch in Vektorraumen ohne Skalarprodukt etwas entsprechendes wie dasorthogonale Komplement zu definieren.Der Menge der (m− 1)-dimensionalen linearen Unterraumen von V kann man damit die Mengeder 1-dimensionalen linearen Unterraume von V ∗ zuordnen. Bei Raumen mit Skalarprodukt istdiese isomorph zu der Menge der Untervektorraume, die jeweils von den Normalenvektoren derHyperebenen durch 0 erzeugt werden.

(3) Die konvexe Hulle der Seitenmittelpunkte eines Wurfels im IE3 (mit 8 Ecken, 12 Kanten und 6

2-Seiten) ist ein Oktaeder, d.h. ein regelmaßiges Polytop mit 8 2-Seiten, 12 Kanten und 6 Ecken.Einer Wurfelecke entspricht umkehrbar eindeutig eine der Oktaeder-2-Seiten, einer Wurfelkanteeine Oktaederkante und einer Wurfel-2-Seite eine Oktaederecke. Umgekehrt erhalt man als konve-xe Hulle der Seitenmittelpunkte eines Oktaeders einen Wurfel. Man nennt Wurfel und Oktaederzueinander dual.

Auf Grund der vorherigen Beispiele liegt es nahe, nach einer Beziehung zwischen Punkten (bzw.Ortsvektoren) im IE

d und den abgeschlossenen Halbraumen (bzw. Normalenvektoren) zu suchen.

Definition 2.6.2 Fur beliebige u ∈ IEd, M ⊂ IE

d sei

(a) u∗ := {x ∈ IEd; u · x ≤ 1},

(b) M∗ :=⋂

{u∗; u ∈ M} = {x ∈ IEd; u · x ≤ 1 fur alle u ∈ M}.

(c) M∗∗ := (M∗)∗.

M∗ heißt die zu M polare Menge.

Bemerkungen und Beispiele 2.6.3

(1) Es gilt 0∗ = IEd, ∅∗ = {0}∗ = IE

d und (IEd)∗ = {0}.

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2. Grundlagen 26

(2) Fur jedes u 6= 0 ist u∗ ein abgeschlossener Halbraum mit innerem Punkt 0.Umgekehrt gibt es zu jedem abgeschlossenen Halbraum H− mit innerem Punkt 0 ein eindeutigbestimmtes u ∈ IE

d \ {0} mit H− = u∗.Es gibt also eine bijektive Abbildung zwischen IE

d \ {0} und der Menge der abgeschlossenenHalbraume des IEd, die 0 als inneren Punkt enthalten.

(3) Sei u ∈ IEd \ {0} und H = {x ∈ IE

d; u · x = 1} die Hyperebene mit zugehorigem Halbraum

H− = u∗. Dann ist u Normalenvektor von H und u′ :=u

‖u‖2 ∈ H, d.h. H hat vom Nullpunkt

den Abstand1

‖u‖ .Folgende Zeichnung beschreibt fur den IE

2 die Falle ‖u‖ < 1, ‖u‖ = 1 und ‖u‖ > 1:

s

s

s

q

0

u′

u

H

H−

H−

‖u‖ < 1

s

s

q

0

u = u′

H

H−

H−

‖u‖ = 1

s

s

s

q

0

u

u′

H−

H−

H

‖u‖ > 1

(4) Fur die abgeschlossene Einheitskugel gilt(B[0; 1]

)∗= B[0; 1].

(5) Die zum WurfelW := {u = (η1, . . . , ηd) ∈ IE

d; |ηi| ≤ 1, 1 ≤ i ≤ d}polare Menge ist das Kreuzpolytop

W ∗ = {x = (ξ1, . . . , ξd) ∈ IEd;

d∑

i=1

|ξi| ≤ 1}

und es gilt W ∗∗ = W wie im Beispiel 2.6.1 (3).

Die Bildung der polaren Menge dreht Inklusion, Durchschnittsbildung und Skalarmultiplikation um:

Satz 2.6.4 Seien A,B ⊂ IEd Mengen, λ ∈ IR \ {0}. Dann gilt

(a) Aus A ⊂ B folgt B∗ ⊂ A∗.

(b)(A ∪B

)∗= A∗ ∩B∗.

(c)(λ · A

)∗=

1

λ· A∗.

(d) A∗∗ = cl(conv

(A ∪ {0}

)).

Ist A abgeschlossen und konvex mit 0 ∈ A, dann gilt A∗∗ = A.

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2. Grundlagen 27

Beschrankt man sich auf die Betrachtung von abgeschlossenen konvexen Mengen, die den Nullpunktenthalten, dann folgt

Satz 2.6.5 Sei K eine abgeschlossene konvexe Menge mit 0 ∈ K. Dann gilt:

(a) K ist beschrankt genau dann, wenn 0 innerer Punkt von K∗ ist.

(b) K∗ ist beschrankt genau dann, wenn 0 innerer Punkt von K ist.

Korollar 2.6.5.1 Ist K die Menge der konvexen Korper im IEd, die 0 als inneren Punkt enthalten.

Dann wird durchF : K → K mit F (K) := K∗

eine bijektive Abbildung definiert.

Der nachste Satz verallgemeinert die Beziehung zwischen den Seiten des Wurfels und des Oktaedersaus Beispiel 2.6.1 (3):

Satz 2.6.6 Sei K ein konvexer Korper mit 0 ∈ intK. Dann gilt:

(a) Ist A ⊂ K eine exponierte Seite von K, dann ist

φK(A) := {u ∈ K∗; x · u = 1 fur alle x ∈ A}

eine exponierte Seite von K∗.

(b) Setzt man φK(∅) := K∗, dann ist φK eine bijektive und inklusionsumkehrende Abbildung derMenge der exponierten Seiten von K auf die Menge der exponierten Seiten von K∗.

Beispiel 2.6.7 Wir ordnen den Seiten eines achsenparallelen Quadrats Q die entsprechenden Seitendes zugehorigen Kreuzpolytops Q∗ zu:

A B

D C

Quadrat Q

Z

X

Y W

Kreuzpolytop Q∗

Fur die Abbildung φ ergibt sich folgende Wertetabelle:

φ ∅ {A} {B} {C} {D} AB BC CD AD Q

Q∗ Y Z WZ WX XY {Z} {W} {X} {Y } ∅

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28

3 Polytope

3.1 Polyeder

Polytope in der Ebene und im Raum standen neben Kreis und Kugel schon wahrend der griechischenAntike im Mittelpunkt des mathematischen (und philosophischen) Interesses. Durch ihre spezielleSeitenstruktur kann man relativ einfach Volumen und Oberflache berechnen, man kann durch Polytopebeliebige konvexe Korper approximieren und sie spielen in anderen Bereichen wie Linearer Optimierungoder Spieltheorie eine wichtige Rolle.

Im folgenden werden wir die ublichen Bezeichnungen Ecke fur eine 0-Seite, Kante fur eine 1-Seiteund Facette fur eine (dimK − 1)-Seite einer konvexen Menge K verwenden. Weiter bezeichnen wirmit vertK die Eckenmenge der konvexen Menge K.

Anschaulich lassen sich die bekannten Polytope im IE2 und IE

3 auch als Durchschnitte von endlichvielen Halbraumen darstellen. Deshalb betrachten wir in diesem Abschnitt zuerst solche Mengen:

Definition 3.1.1 Der Durchschnitt endlich vieler abgeschlossener Halbraume heißt Polyeder. Spe-ziell betrachten wir ∅ und IE

d als Polyeder.

Bemerkungen 3.1.2

(1) Die Losungsmenge von endlich vielen linearen Ungleichungen mit d Unbekannten ist ein Polyederim IE

d.

(2) Ein Polyeder ist abgeschlossen und konvex, aber i.a. nicht beschrankt.

(3) Endliche Durchschnitte von Polyedern sind wieder Polyeder.

Beispiele 3.1.3

(1) Jede Hyperebene H, jeder Halbraum H− und jeder affine Unterraum von IEd ist ein Polyeder.

(2) Ist {e1, . . . , ed} die kanonische Basis des IEd, dann sind

P1 := {(ξ1, . . . , ξd); ξi ≥ 0}, P2 := {(ξ1, ..., ξd); ξi ≥ 0,

d∑

i=1

ξi ≤ 1}, P3 := {x;−1 ≤ xei ≤ 1}

Polyeder.

Der nachste Satz beschreibt, wie man die Facetten eines Polyeders erhalt und wie diese die Seiten-struktur des Polyeders festlegen:

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3. Polytope 29

Satz 3.1.4 Sei n ∈ IN, Hi := {x ∈ IEd; ai · x ≤ αi}, 1 ≤ i ≤ n, Hyperebenen im IE

d, K ein Polyedermit

K :=

n⋂

i=1

H−

i ∩ (aff K)

und Fi := K ∩ Hi, 1 ≤ i ≤ n. Weiter sei K weder ein affiner Unterraum noch kann man bei derDurchschnittsbildung einen der Halbraume weglassen. Dann gilt

(a) relintK = {x ∈ K; ai · x < αi, 1 ≤ i ≤ n}.

(b) relbdK =

n⋃

i=1

Fi.

(c) F1, . . . , Fn sind Facetten von K und es gibt keine weitere.

(d) Fur jede eigentliche Seite A von K gilt A =⋂

A⊂Fi

Fi.

(e) K hat eine endliche Anzahl von Seiten, und jede eigentliche ist exponiert.

(f) Jede Seite von K ist ein Polyeder.

(g) Ist Aj eine j-Seite von K, Ak eine k-Seite von K mit 0 ≤ j ≤ k− 2 und Aj ⊂ Ak, dann gibt esSeiten Aj+1, . . . , Ak−1 von K, so daß Ai Facette von Ai+1, j ≤ i ≤ k − 1.

Allgemein folgt

Satz 3.1.5 Sei K ein Polyeder. Dann gilt:

(a) K hat nur endlich viele Seiten und jede der eigentlichen Seiten ist exponiert und wieder einPolyeder.

(b) Jede eigentliche Seite ist Durchschnitt aller Facetten von K, die die Seite enthalten.

(c) relbdK ist die Vereinigung aller Facetten (in aff K).

(d) F1, . . . , Fn sind Facetten von K und es gibt keine weitere.

(e) Hat K eine nichtleere j-Seite, dann hat K auch k-Seiten fur jedes k mit j ≤ k ≤ dimK.

Der nachste Satz gibt ein Kriterium dafur, wann eine beliebige konvexe Menge ein Polyeder ist.

Satz 3.1.6 Sei K eine abgeschlossene konvexe Menge.

(a) Hat K nur endlich viele exponierte Seiten, dann ist K ein Polyeder.

(b) Hat K nur endlich viele Seiten, dann ist K ein Polyeder.