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Kulturelle Vielfalt erleben Internationale Jugend-Kultur-Begegnungen 21 Beispiele aus der Praxis

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21 Praxisbeispiele für internationalen Jugendkulturaustausch, zusammengestellt von der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung.

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Kulturelle Vielfalt erleben Internationale Jugend-Kultur-Begegnungen

21 Beispiele aus der Praxis

Impressum

Herausgeber: Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V.

Text: Palmira Repsyte-Scharf, Christian Scharf

Fotos: Die Rechte der Fotos liegen bei den jeweiligen Projektträgern

Redaktion: Rolf Witte

Gestaltung / Satz: luxsiebenzwo Köln, Maya Hässig, Jeannette Corneille

Druck: Druckhaus Süd, Köln

ISBN-10: 3-924407-86-XISBN-13: 978-3-924407-86-5

Remscheid 2008

gefördert vom:

Kapiteltitel _ 3

Inhalt

04 Herausforderung Kulturelle Vielfalt

07 Anregungen für die Qualitätsentwicklung

im internationalen Jugendkulturaustausch

15 21 Beispiele aus der Praxis

16 Arte Povera – Arme Kunst oder die Kunst der Armut

18 J-Rock in Germany – eine neue Jugendkultur

20 Circolibre – Toleranz in der Manege

24 Es war einmal…

27 Die Wirklichkeit mit eigenen Augen sehen

30 Medienwelten: open your eyes – open your mind!

33 Somos – viel wertvoller als all das Geld der Welt

35 Eine Woche Hip-Hop-Fieber

37 Von essbaren Büchern

40 Die Angst vor dem Fremden

43 Jugendkunstschulen zwischen Curriculum und Kunst

46 Auf Friedenssuche mit der Videokamera

48 Name – Stadt – Land – Art

50 Zum Erfahrungsaustausch um die halbe Welt

53 Ein Zelt voller Leben – innovativ, interkulturell und integrativ

55 Wolkenbruch – Pluie d’été

58 Einfach die Welt verändern

60 KulturJokerInternational =

Freiwilligendienst im Ausland + kulturelle Jugendbildung

53 Olivers Traum

66 Mit offenen Augen im Jahrmarkt der Künste

69 Step by Step – the European Future is in YOUth!

71 Informationen

74 Die BKJ

Herausforderung Kulturelle Vielfalt

Der Titel dieser Publikation „Kulturelle Vielfalt erleben“ mag auf den

ersten Blick nach bunt und lustig, nach Multikulti-Stadtteilfest, nach

fröhlichen Tänzen und Gesängen in unterschiedlichsten Sprachen

klingen. Aber Kulturelle Vielfalt ist bei genauerem Hinsehen wohl

doch für jeden von uns nach wie vor eine Herausforderung: Auch

wir KulturpädagogInnen, KünstlerInnen, SozialpädagogInnen und

Erwachsene ganz generell wissen in der Regel noch nicht, wie wir

in unserem täglichen Leben mit der mitten in unserer Gesellschaft

angekommenen kulturellen Vielfalt umgehen sollen. Geschweige

denn, wie wir unsere Haltung dazu Jugendlichen vermitteln können.

Kulturelle Vielfalt in all ihren Facetten fordert viele von uns nach wie

vor täglich aufs Neue auch im privaten Leben heraus: Die Medien lie-

fern uns z.B. täglich Nachrichten aus Ländern frei Haus, in denen es

nicht, wie wir es gewohnt sind, eine Trennung von Staat und Kirche

gibt, so dass wir dort gefällte politische Entscheidungen ganz anders

einordnen müssen. Oder die Zusammensetzung der Bevölkerung in

unserem Stadtteil ändert sich kontinuierlich, immer mehr Geschäfte

mit einem Warenangebot aus anderen Kulturkreisen eröffnen in

unserem Umfeld - was die Einen mit leichtem Unbehagen, die Anderen

mit Freude über das erweiterte kulinarische Angebot erfüllt.

Unseren Kindern und Jugendlichen landauf landab geht es

natürlich nicht anders: in Kindergarten und Schule sitzen, spielen

und lernen Kinder mit unterschiedlichsten Muttersprachen und Haut-

farben jeden Tag miteinander. In ihrer Freizeit sind es junge Leute

heute gewohnt, die verschiedensten kulturellen Ausdrucksformen

nebeneinander zu erleben, vom amerikanischen Musiksender bis

zum indischen Bollywood-Streifen im Kino. Doch die meisten dieser

im Alltag gemachten multikulturellen Erfahrungen werden en pas-

sant in die eigene Lebenseinstellung integriert, laufen Gefahr im Sta-

dium des oberflächlichen ersten Eindrucks und des schnell Be- oder

Verurteilens stecken zu bleiben. Solche Alltagserfahrungen mit ver-

schiedenen Formen kultureller Vielfalt werden nicht wirklich bewusst

wahrgenommen, geschweige denn ein wenig hinterfragt und als neue

Elemente wirklichen interkulturellen Erlernens in die eigene Persön-

lichkeit und Lebenseinstellung integriert.

Hier bietet die Teilnahme an Maßnahmen des internationalen

Jugendkulturaustauschs Jugendlichen die Chance, einen wirklichen

Schritt weiter zu gehen und interkulturelles Lernen, Kulturelle Vielfalt

unter spannenden Bedingungen zu erleben. So bestätigten 57 % der

befragten TeilnehmerInnen in einer Studie zu den Langzeitwirkungen

von internationalem Jugendaustausch1, dass sie durch die Austau-

scherfahrung vertieftes Wissen über andere Kulturen gewonnen

haben. Und 51 % bestätigten, dass es ihnen durch die Begegnung

heute leichter fällt, das Verhalten von Menschen aus anderen Kulturen

zu verstehen. Solche zehn Jahre später nachgewiesene, langfristige

Wirkungen von kurzzeitigen internationalen Jugendbegegnungen in

Gruppen und viele andere Effekte, die im Rahmen der Studie eindeutig

belegt werden konnten, veranlassen lokale, regionale, landes- und

bundesweite Träger der kulturellen Bildung dazu, immer wieder inter-

nationale Jugend-Kultur-Begegnungen mit unterschiedlichsten The-

men und Formen für verschiedenste Zielgruppen anzubieten.

Die BKJ hat zur Beratung, Qualifizierung und Förderung des

Jugendkultur- und Fachkräfteaustauschs den JugendkulturService

International eingerichtet, der mit Fördermitteln der Deutsch-Franzö-

sischen und Deutsch-Polnischen Jugendwerke und des Bundesmini-

steriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend jährlich 80 bis 90

Maßnahmen auch finanziell unterstützen kann. Jährlich finden auch

in Zusammenarbeit mit französischen und polnischen Partnern min-

destens zwei mehrtägige Kooperationstagungen statt, um gemeinsam

mit lokalen und regionalen Trägern des Jugendkulturaustauschs deren

Begegnungen auszuwerten, neueste Entwicklungen der Austauschpä-

dagogik zu besprechen, Erfahrungen auszutauschen und die eigenen

Begegnungskonzepte qualitativ weiter zu entwickeln. Diese regelmä-

ßige Nähe zu vielen Austauschträgern aus allen künstlerischen Sparten

der kulturellen Bildungsarbeit, von denen ein Teil in dieser Publikation

exemplarisch mit ihren Begegnungserfahrungen vorgestellt werden,

versetzt die BKJ in die Lage, sehr viel Erfahrung und Wissen zum inter-

nationalen Jugendkulturaustausch gewinnen zu können.

Auf dieser Basis erlaubt sich die BKJ immer wieder, sich als

Fürsprecher dieses z.B. von den offiziellen Akteuren der Auswärtigen

Kultur- und Bildungspolitik kaum wahrgenommenen Bereichs auch

in die politischen Diskurse um die Rahmenbedingungen für Inter-

nationale Jugendarbeit und Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik

einzumischen. Wenn Außenminister Frank-Walter Steinmeier Mitte

2007 in einem Artikel zur Auswärtigen Kulturpolitik unter dem Motto

„Plattform für viele Partner schaffen“ ankündigt, dass Bildung ein

Schwerpunkt der Außenkulturpolitik werden soll2 und sich im Laufe

der darauf folgenden Monate herausstellt, dass das Auswärtige Amt

bei der Umsetzung dieses Vorhabens nur an das Netzwerk der deut-

schen Auslandsschulen denkt, dann ist es Aufgabe der BKJ, für die

im Auswärtigen Amt wohl noch nicht bekannten Möglichkeiten des

nicht-formalen interkulturellen Lernens im Rahmen des Jugend-

4 _ Herausforderung Kulturelle Vielfalt

Rolf Witte _ 5

kulturaustauschs eine Lanze zu brechen. Denn im Vergleich zu den

anerkannten Mittlerorganisationen der Auswärtigen Kultur- und Bil-

dungspolitik sind fast alle Träger von Jugend-Kultur-Begegnungen nur

mit äußerst geringen finanziellen und personellen Ressourcen aus-

gestattet, was dazu führt, dass sie oftmals die eigentlich dringend

erforderliche gesellschaftliche Breitenwirkung ihrer Begegnungsan-

gebote gar nicht erzielen können. Warum also nicht die Akteure des

Jugendkultur- und Fachkräfteaustauschs ebenfalls als Mittlerorgani-

sationen anerkennen?

Der hohen Motivation von Jugendlichen aus allen Gesell-

schaftsschichten, an internationalem Jugendkulturaustausch teil-

zunehmen und der großen Bereitschaft vieler Träger, lieber heute

als morgen vermehrt internationale Maßnahmen anzubieten, ste-

hen meist sehr geringe Fördermittel entgegen, die dazu auch noch

nach Richtlinien und dahinterstehenden Förderlogiken vergeben

werden (müssen), die zeitgemäße Begegnungs- und Projektformen

im internationalen Jugendkulturaustausch eher verhindern, statt

sie zu befördern. Noch immer werden wie vor Jahrzehnten bei der

Förderung von internationaler Jugendarbeit ganz generell vor allem

Teilnehmertage gezählt und Entfernungskilometer zur Berechnungs-

grundlage gemacht, was dem pädagogischen und organisatorischen

Denken in dynamischen Projektverläufen der Träger überhaupt nicht

mehr entspricht. Dies führt dazu, dass gerade bei Jugendkulturaus-

tausch viele Kosten, die im Zusammenhang mit den künstlerischen

Erfordernissen der Programmgestaltung anfallen, überhaupt nicht

bezuschusst werden können. In dieser Frage drängt die BKJ schon

länger die verschiedensten Förderinstitutionen auf eine an Qualität,

Aktualität und Relevanz des Begegnungsvorhabens sowie an der

Attraktivität für Jugendliche ausgerichtete Förderpraxis. So sieht die

BKJ die unterschiedlichen Förderer des internationalen Jugendkul-

turaustauschs vor der Herausforderung stehen, für die der kulturellen

Vielfalt geschuldeten vielfältigen Projektformen des Jugendkultur-

austauschs endlich angemessene Förderformen zu entwickeln.

Der JugendkulturService International als beratende, beglei-

tende und bei der Durchführung von Begegnungen fördernde Stelle

hat in dieser Situation der sich ständig weiterentwickelnden Begeg-

nungsvielfalt ebenfalls immer wieder aufs Neue Herausforderungen

zu bewältigen, und zwar vor allem im Feld der Qualitätsentwicklung

bei internationalem Jugendkulturaustausch. Einen Baustein dieser

Strategie halten Sie mit dieser Publikation in Händen, deren Haupt-

augenmerk im folgenden Artikel und in den Beschreibungen der 21

Praxisbeispiele auf qualitative Fragen gerichtet ist.

Andere Bausteine zur Ermunterung der vielfältigen Trägerland-

schaft des Jugendkulturaustauschs, auf eine beständige qualitative

Weiterentwicklung ihrer Begegnungskonzepte nicht zu verzichten,

konnte die BKJ nur gemeinsam mit anderen Partnern aus dem Feld

der Internationalen Jugendarbeit entwickeln. So sind z.B. in den letz-

ten Jahren unter Federführung von IJAB, Fachstelle für Internationa-

le Jugendarbeit, die Nachweise International3 entstanden, an deren

Entwicklung die BKJ vor allem durch die Übertragung des Grundkon-

zepts des Kompetenznachweis Kultur4 auf den Kompetenznachweis

International beteiligt war. Diese Nachweise bieten den jugendlichen

Teilnehmenden und den OrganisatorInnen von Kulturaustausch-

Programmen die Möglichkeit, die Lebens- und interkulturellen Ler-

nerfahrungen bei einer Jugend-Kultur-Begegnung ohne große Mühe

bewusster wahrzunehmen. Für Außenstehende werden diese Lerner-

fahrungen leicht nachvollziehbar in eine vorbereitete Nachweisform

gebracht, die ein Stück weit für Qualität und Seriösität des nicht-for-

malen interkulturellen Lernortes Jugendkulturaustausch bürgt.

Auch das in den letzten Jahren von der BKJ gemeinsam mit dem

Deutsch-Französischen und dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk

sowie der Bundeszentrale für politische Bildung entwickelte compu-

tergestützte System zur Evaluation von internationalen Jugendbe-

gegnungen5 ermöglicht es den OrganisatorInnen von Jugendkultur-

austausch, das per Fragebogen eingeholte und per Computer rasch

ausgewertete ausführliche Feed-back der jugendlichen Teilneh-

merInnen dazu zu nutzen, eventuelle Schwachpunkte der eigenen

Begegnungskonzeption zu erkennen und so unmittelbar bei der Pla-

nung von Folgeprojekten Konsequenzen daraus ziehen zu können.

Zudem hilft es, den Blick immer wieder einmal auf die wesentlichen

Punkte der gerade gemachten interkulturellen Begegnungserfah-

rung zu richten, die ansonsten leicht in der Vielfalt organisatorischer

Herausforderungen aus dem Blick geraten. Denn gerade in einer bi-,

oder multinational stattfindenden interkulturellen Begegnungssitu-

ation stürmen so viele, trotz manchmal mangelhafter sprachlicher

Verständigungsmöglichkeiten rasch zu bewältigende Situationen

und unplanbare Begebenheiten auf die künstlerischen und organi-

satorischen Leitungspersonen ein, dass die Situationsbewältigung

kaum noch Zeit lässt für bewusstes Wahrnehmen vielfältigster kul-

tureller Unterschiede in der pädagogischen, in der organisatorischen

und in der künstlerischen Zusammenarbeit mit den Jugendlichen und

mit den Partnern aus den beteiligten Ländern.

Aber kulturelle Unterschiede sollten in der internationalen Begeg-

nungssituation auch nicht überbetont und überbewertet werden.

Vielmehr dürfte es zu einem spannenden Gedankenaustausch füh-

ren, jugendliche TeilnehmerInnen im Rahmen einer Begegnung zu

fragen, ob sie sich überhaupt einer ‚nationalen Kultur’ als Deutscher,

Französin, Pole oder Tschechin zugehörig fühlen. Denn vielleicht sind

Jugendliche dabei, die sich bestimmten Lebensstilen oder Szenen

ganz bewusst zugehörig fühlen, die länderübergreifend existieren.

Das kann dazu führen, dass sie sich den gleichen Szene-Mitglie-

dern aus dem Partnerland vielleicht näher verbunden fühlen, als

den Landsleuten, mit denen sie gemeinsam als ‚die Deutschen’ zur

Begegnung angereist sind. Was diese z.T. auch durch weltweite Kom-

munikationsmöglichkeiten entstandenen neuen länderübergreifen-

den Szenen und Zugehörigkeiten für die Jugendlichen bedeuten, was

sie aber auch für Begegnungskonzeptionen und inhaltliche Anknüp-

fungspunkte für die künstlerische Auseinandersetzung mit diesem

Phänomen bedeuten, das sind Fragen, die aktuell auf die ehren- und

hauptamtlichen KünstlerInnen, KulturpädagogInnen und Mitarbeite-

rInnen im Jugendkulturaustausch zukommen. Laufen wir vielleicht

mit der altbewährten Form des bilateralen Jugendkulturaustauschs

in die Falle, dass wir ungewollt den Jugendlichen nationalkulturelle

RepräsentantInnen-Rollen zuschreiben, die sie vielleicht gar nicht

haben wollen, und die vielleicht statt des Erlebens von kultureller

Vielfalt eher Stereotypen verfestigen? Diesen Fragen widmet sich

aktuell vor allem noch die Forschung, die sich mit Internationaler

Jugendarbeit beschäftigt6, aber bei nationalen und binationalen

Fortbildungsveranstaltungen werden diese Fragestellungen mehr

in den Vordergrund gerückt, um bei Trägern aus allen Bereichen der

Internationalen Jugendarbeit ein Bewusstsein für die Gefahr des in

die Falle Tappens zu schaffen.

Eine weitere Herausforderung für den internationalen Jugend-

kulturaustausch stellt natürlich auch die rasante Entwicklung der

Europäischen Union dar. Und damit ist nicht die Herausforderung

gemeint, der sich jeder Träger von Jugend-Kultur-Begegnungen stel-

len muss, wenn er das aufwändige Antragsverfahren für eine Förde-

rung aus dem Programm „Jugend in Aktion“ der EU durchlaufen will.

Vielmehr ist mit der Herausforderung Europa die Frage gemeint, wel-

che Rolle der Bedeutungszuwachs dieser noch immer als relativ neu

empfundenen supranationalen Organisation für das kulturelle Zuge-

hörigkeitsgefühl von jungen Menschen spielt. Wollen sich Jugendliche

lieber als EuropäerInnen fühlen, oder sollten sie sich lieber als solche

fühlen? Oder wie bringen wir alle eigentlich unsere lokale, regionale,

bundesdeutsche und europäische Identität gedanklich und emotional

unter einen Hut? Wie kann Jugendkulturaustausch innerhalb Europas

dazu beitragen, dass dieses vermeintliche BürokratInnen-Monstrum

EU den Jugendlichen auch seine nützlichen und positiven Seiten zeigt,

wie z.B. die besseren Reise-, Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten?

Oder ist damit der Jugendkulturaustausch nicht einfach überfordert,

würde er da nicht mit politischen Zielen überfrachtet, so dass für das

‚eigentliche’ Ziel, die kreative und künstlerische Zusammenarbeit von

Jugendlichen aus mehreren Ländern, gar kein Platz mehr bliebe?

Jeder Träger aus den Reihen der 51 BKJ-Mitgliedsorganisa-

tionen wird darauf seine eigenen Antworten finden müssen. Denn

wie Sie schon der kleinen Auswahl von nur 21 hier veröffentlichten

Praxisbeispielen entnehmen können, gibt es eine so große Vielzahl

der konzeptionellen Begegnungsansätze, der künstlerischen Aus-

richtung von Begegnungen, der organisatorischen Ideen für die

Durchführung von Jugend-Kultur-Begegnungen, dass es auch für die

BKJ immer wieder eine Herausforderung darstellt, dieser Vielfalt in

Fragen der Beratung, Qualifizierung und finanziellen Förderung mög-

lichst gerecht zu werden. Denn leider ist es immer noch so, dass der

Jugendkulturaustausch auf Bundesebene von Seiten der öffentlichen

Zuschussgeber noch lange nicht so finanziell unterstützt und damit

überhaupt erst ermöglicht wird, wie es den Bedürfnissen der Jugend-

lichen, den Interessen der Träger und seinem Potential als unverzicht-

barer interkultureller Lernort entspricht. Diese Publikation soll mit

dazu beitragen, dass sich das in nicht allzu ferner Zukunft ändert.

Rolf Witte

1 Alexander Thomas, Heike Abt, Celine Chang (Hrsg.): „Internationale Jugend-

begegnungen als Lern- und Entwicklungschance“, Studien zum Forscher-Prak-

tiker-Dialog zur internationalen Jugendbegegnung, Band 4, Bensberg, 2006

2 Frank-Walter Steinmeier: „Plattform für viele Partner schaffen – Zum Stellen-

wert von Kultur- und Bildungspolitik“, in: politik und kultur – Zeitung des Deut-

schen Kulturrates, Ausgabe 04/07, 1. Juli 2007

3 siehe www.open-the-world.net

4 siehe www.kompetenznachweiskultur.de

5 siehe www.jugendbegegnungen-evaluation.net

6 Anne Winkelmann: Internationale Jugendarbeit in der Einwanderungsge-

sellschaft – Auf dem Weg zu einer theoretischen Fundierung, Wochenschau-

Verlag, Schwalbach, 2006

6 _ Herausforderung Kulturelle Vielfalt

Das Spannungsfeld

Kulturelle Kinder- und Jugendbildung als Symbiose von Jugend- und

Kulturarbeit verursacht im Feld der internationalen Jugendarbeit

ein interessantes, aber auch schwieriges Spannungsverhältnis zwi-

schen der Vermittlung und Präsentation künstlerischer Techniken

und den sozialen und interkulturellen Lernzielen einer internatio-

nalen Jugendbegegnung. Oft begegnen die Träger der kulturellen

Kinder- und Jugendbildung oder andere Organisationen, die in ihren

Jugendbegegnungen verschiedenste kreative und künstlerische

Arbeitsformen in den Mittelpunkt stellen, dem Vorurteil, das Medium

zu sehr zu betonen und die anderen Belange einer Jugendbegegnung

mehr oder weniger zu vernachlässigen. Doch wie bei einer internati-

onalen Begegnung mit jungen SportlerInnen nicht nur Sport betrie-

ben wird oder wie bei einem internationalen Workcamp jugendlicher

Umweltaktivisten nicht nur Krötenschutzzäune errichtet werden,

genauso wenig wird bei internationalen Jugendkulturbegegnungen

nur musiziert, gefilmt oder Theater gespielt. Wichtiger Unterschied

ist jedoch, dass meist ein öffentlich präsentierbares künstlerisches

Arbeitsergebnis vorgewiesen werden kann. Gerade dadurch wird

wohl bei Außenstehenden der Eindruck erweckt, dass beim Jugend-

kulturaustausch vor allem das Endergebnis und nicht der Prozess im

Vordergrund stünde.

Jugendliche TeilnehmerInnen bei internationalen Begeg-

nungen mit künstlerischem Inhalt erwarten und haben deshalb auch

einen Anspruch auf eine gute Qualität der kreativen Arbeit, selbst und

vor allem, wenn sie vermeintlich kein ausgewiesenes eigenes Talent

mitbringen. Das Vermitteln von Techniken und Fertigkeiten darf daher

nicht dem pädagogischen Ziel des interkulturellen Lernens vollstän-

dig untergeordnet werden, sondern muss ein zentraler Bestandteil

des Programms sein. Das bloße Bemalen eines Bettlakens mit den

Nationalfarben der beteiligten Länder um eine Europaskizze herum,

dürfte nur in seltenen Fällen den Erwartungen der Teilnehmenden

entsprechen, die sich für eine Jugendbegegnung unter dem Motto

„Mit Kunst und Kultur Europa entdecken“ angemeldet haben.

Es besteht bei Trägern der kulturellen Bildung jedoch potenti-

ell die Gefahr der Überordnung der Nutzung und Vermittlung künst-

lerischer Fähigkeiten über die pädagogischen und interkulturellen

Ziele der Begegnungen. Die Talente und Arbeitsergebnisse einzelner

TeilnehmerInnen zählen dann mehr als der Gruppenprozess oder die

bewusste Austragung eines interkulturellen Konflikts. Das künstle-

rische Resultat der Begegnung (z.B. eine schon öffentlich angekün-

digte Aufführung, Ausstellung oder Radiosendung) muss unbedingt

fertig werden. Da besteht natürlich automatisch die Gefahr, dass

andere Begegnungselemente in den Hintergrund gedrängt werden

(wie z.B. Reflektionsrunden, gemeinsame oder individuell gestaltete

Freizeit und auch berechtigte „touristische“ Bedürfnisse der jugend-

lichen Teilnehmenden).

Aber auch wenn eine Begegnung nicht unter künstlerischen

Aspekten ausgeschrieben und vor allem diesen gewidmet ist, wer-

den gern kreative und künstlerische Medien zur aktiven Bearbeitung

von Themen genutzt. Laut Evaluation des EU Programms JUGEND

von 2000 bis 2006 war dies bei ca. 80% der Jugend-Begegnungen

in Aktion 1 der Fall. Sicher ist hier die Erwartungshaltung der Teilneh-

menden bezogen auf die Vermittlung künstlerischer Inhalte nicht so

hoch, doch kann fehlende professionelle Anleitung leicht die Frustra-

tionstoleranz der Teilnehmenden strapazieren oder eine qualitativ

schlechte Präsentation des Workshopresultats kann die gemeinsam

erarbeiteten, eigenen Ansichten zum Begegnungsthema nicht trans-

portieren. Beides hat großen Einfluss auf die Gruppendynamik und

das Erreichen der Begegnungsziele.

Vergleichende Beobachtungen

Es besteht ein hoher Anspruch, Teilhabe und Mitbestimmung in der

Begegnung zu verwirklichen. Die Verständnisse und die Ausgestal-

tung von Partizipation sind jedoch sehr vielfältig.

Die zentrale Frage der telefonischen Interviews mit den Verant-

wortlichen der in diesem Band dokumentierten Austauschmaßnah-

men lautete: „Was war das Besondere bei Ihrer Begegnung?“ Wenn

nicht gleich als erste Aussage, doch spätestens in der dritten Bemer-

kung, erfolgte die Feststellung, dass die Jugendlichen die Maßnahme

selbst gestaltet haben.

Die Hervorhebung der Eigeninitiative und aktiven Beteiligung

der Teilnehmenden ist ein positives Zeichen: das Ermöglichen und

Fördern von Mitbestimmung Jugendlicher bei der Umsetzung der

Begegnung hat sich als wichtiges pädagogisches Ziel in der Wahr-

nehmung der Verantwortlichen etabliert. Andrerseits weckt die

Verallgemeinerung „die Jugendliche haben es selbst gemacht“ und

die Tatsache, dass vor allem erwachsene Verantwortliche als Begeg-

nungsleiterInnen, AnsprechpartnerInnen und Kontaktpersonen nach

Außen treten, ein wenig den Eindruck der eventuell eingeübten Sach-

berichtslyrik und wirft Fragen auf, in Bezug auf den tatsächlichen

Mitwirkungs- und Mitbestimmungsgrad der Jugendlichen. Erst der

Anregungen für die Qualitätsentwicklung im internationalen Jugendkulturaustausch

Palmira Repsyte Scharf & Christian Scharf _ 7

tiefere Einblick in die Begegnungspraxis der internationalen Jugend-

kulturprojekte ermöglicht eine differenzierte Wahrnehmung der tat-

sächlichen Ausgestaltung des in fast jedem Konzept dargestellten

Partizipationsanspruchs.

Die koordinierende Trägerorganisation steht in der Verantwor-

tung, ein inhaltliches Konzept so umzusetzen, dass es seiner Ziel-

setzung, den Interessen der Zielgruppe sowie den inhaltlichen und

formellen Anforderungen der in Anspruch genommenen Förderpro-

gramme entspricht. Die Bestimmung der Begegnungsinhalte erfolgt

im Wesentlichen durch die verantwortlichen LeiterInnen: z. B. Auswahl

der Themen, Medien, Partnerorganisationen und ReferentenInnen.

Und dies aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung und Erreichbarkeit

der Finanzierungsquellen sowie der vorhandenen Kontakte, Kompe-

tenzen und Ressourcen des Trägers. Die Beteiligung der Jugendlichen

kann somit nur in einem vorgegebenen Rahmen stattfinden.

Das Vorhandensein eines hohen künstlerischen Anspruchs

kann die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Jugendlichen ebenfalls

einengen. Die KünstlerInnen und WorkshopleiterInnen, die für den

Prozess und das Ergebnis der kreativen Arbeit verantwortlich sind,

wollen in der Regel eine Mitbestimmung der Inhalte, Formen und

Methoden ermöglichen, ohne jedoch im Gegenzug auf ein präsentier-

bares Arbeitsergebnis verzichten zu müssen – immer wieder eine

Gratwanderung. Besonders brisant wird dies bei der Einbeziehung

von Teilnehmenden, die außerhalb der Begegnung wenig in ihrem

Leben mitbestimmen können, bzw. denen ihr Recht auf Mitbestim-

mung im täglichen Leben vorenthalten bleibt, wie z.B. den beteiligten

Straßenkindern bei der multilateralen Begegnung des Theaterpäda-

gogischen Zentrums Lingen („Olivers Traum“, Seite 63).

Aber auch außerhalb von besonderen Begegnungsformen ist

zu beobachten, dass es einen Unterschied gibt zwischen Maßnah-

men, bei denen sich die deutschen Teilnehmenden direkt bei der

Maßnahme (oder kurz davor) zum ersten Mal treffen, und jenen Pro-

jekten, deren Teilnehmende auch in anderen Zusammenhängen in die

tägliche Arbeit des Trägers eingebunden sind. Denn die Träger, die

mit ihren Jugendlichen kontinuierlich auch außerhalb von internati-

onalen Jugendbegegnungen zusammenarbeiten, verfügen in stär-

kerem Maße über Möglichkeiten, die TeilnehmerInnen in einem sehr

frühen Projektstadium in die vielfältigen Verantwortungsbereiche der

Begegnungsplanung einzubinden. Im Projekt der Kinder- und Jugend-

galerie Sonnensegel („Name – Stadt – Land - Art“, Seite 48) haben

die TeilnehmerInnen die inhaltliche Ausrichtung der Begegnung

(künstlerische Auseinandersetzung mit der Natur) mitentwickelt

und im Email-Kontakt mit den TeilnehmerInnen aus Litauen im Vor-

feld der Begegnung abgestimmt. Jugendliche aus dem Theater- und

Tanzklub des Jugendkulturarbeit e.V. („Einfach die Welt verändern“,

Seite 58) haben für ihren internationalen Austausch in Oldenburg die

Öffentlichkeitsarbeit organisiert, Plakate entworfen und gedruckt,

die Internetseite gestaltet sowie einen Fragebogen für die Evalua-

tion ausgearbeitet. Einen sehr hohen Grad an Partizipation spiegelt

die internationale Begegnung des Offenen Kunstvereins Potsdam

wider („Es war einmal ...“, Seite 24), bei dem die zweite Begegnung

in Spanien von zwei ehemaligen TeilnehmerInnen geleitet wurde. Die

Offenheit des Trägers, den Jugendlichen die Verantwortung zu über-

tragen und die Bereitschaft der Fachkräfte, sie kontinuierlich anzu-

leiten, führten dazu, dass die Jugendlichen ein Besitztumsgefühl für

die Begegnung entwickelten und sie so „zu ihrem Projekt“ machten.

Die Begegnung der PotsdamerInnen oder ebenso die beispielhafte

Vorbereitung der Jugendgruppe aus Kehl auf ihre Fahrt nach Japan

(„J-Rock in Germany – eine neue Jugendkultur“, Seite 18) verdeutli-

chen sehr gut, dass Mitbestimmung und Mitgestaltung viel weit rei-

chender betrachtet werden können, als sie nur auf die wenigen Tage

der eigentlichen Begegnung zu beschränken.

Die Förderung der Mitgestaltung und Mitbestimmung der

Teilnehmenden im internationalen Jugendkulturaustausch ist ein

wesentlicher Bestandteil des wahrgenommenen pädagogischen

Auftrags. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, bei dem Jugendliche

Verantwortung übernehmen und neue Sozialkompetenzen erlernen,

die sie bei der Durchführung der Begegnung erproben können. Der

inhaltliche, organisatorische und künstlerische Rahmen sowie die

professionelle Begleitung geben eine notwendige Orientierung und

Sicherheit für die aktive Teilhabe Jugendlicher.

Da jeder lokale Träger andere Arbeitsbedingungen und -mög-

lichkeiten hat und da die Vielfalt der Begegnungsformen und -konzep-

te fast unüberschaubar ist, stellt sich die Frage nach einem Maßstab

zur Bemessung des Grades der Partizipation. Als Versuch sei eine Stu-

die der Arbeitsgruppe EXCHANgE Sachsen-Anhalt (2003) angeführt,

die verschiedene Formen der Partizipation bei internationalen Maß-

nahmen in sieben Stufen unterteilt: Von „die Teilnehmenden konnten

im Vorfeld und während der Begegnung Wünsche und Vorstellungen

zur Programmgestaltung äußern“, bis hin zu „die Teilnehmenden

haben Normen und Regeln zum größten Teil selbst gesetzt“ und „die

Idee zur Maßnahme stammt von den Teilnehmenden“1. Letztere

8 _ Qualitätsentwicklung

Stufe wird sehr gut durch die Begegnung der Jugendbildungsstätte

Peseckendorf („Medienwelten“, S. 30) verdeutlicht: eine junge Frei-

willige gestaltet mit anderen Jugendlichen von der ersten Idee bis zur

Abrechnung ihre eigene multilaterale Jugendbegegnung.

Eine differenzierte Wahrnehmung, Ermöglichung und Außen-

darstellung von Jugendbeteiligung seitens der pädagogischen und

künstlerischen BegegnungsleiterInnen ist unbedingt erforderlich,

um dem Verdacht eines bloßen Lippenbekenntnisses zur Partizipa-

tion glaubhaft zu entgehen.

Der Fokus im Bereich des interkulturellen Lernens bei Begeg-

nungen liegt vor allem auf der Förderung der interkulturellen Kompe-

tenzen der Teilnehmenden und weniger auf dem gesellschaftlichen

Mehrwert.

Interkulturelles Lernen vor dem Hintergrund zunehmend mul-

tikultureller Gesellschaften und der Entstehung eines europäischen

Arbeitsmarkts, hat die Bedeutung internationalen Jugendkulturaus-

tauschs in den letzten Jahren deutlich zunehmen lassen. Interkultu-

relles Lernen als wichtige Zielorientierung und Aufgabenstellung ist

im Handeln der verantwortlichen Träger ‚angekommen’ und es wird

nur noch sehr vereinzelt versucht, lediglich durch den Besuch von

Kulturdenkmälern oder durch nicht pädagogisch aufbereitete Muse-

umsbesuche dem Anspruch des interkulturellen Lernens gerecht zu

werden. Träger und Förderer internationaler Jugendbegegnungen

werden nicht müde, die Relevanz interkultureller Handlungsfähig-

keit als eine Schlüsselkompetenz für die persönliche Entwicklung

und für die beruflichen Chancen Jugendlicher zu verdeutlichen. Dieser

Aspekt ist in den Anträgen und Berichten der dokumentierten Begeg-

nungen deutlich zu erkennen. Der Mensch, die jugendlichen Teilneh-

menden stehen im Vordergrund. Sie sind Subjekt und Objekt eines

interkulturellen Lernprozesses, der durch gemeinsame Workshops,

Freizeitaktivitäten, Reflektionsrunden und andere Begegnungs-

elemente geprägt ist. Das Potenzial des internationalen Jugend-

kulturaustauschs ist auch den Jugendlichen bekannt und wird in

den Erwartungen der Teilnehmenden immer wieder ausdrücklich

kommuniziert.

Die Aufgaben der internationalen Jugendarbeit insgesamt

erstrecken sich jedoch über die Vermittlung interkultureller Kompe-

tenzen weit hinaus:„Durch die Teilnahme an Maßnahmen der euro-

päischen Jugendarbeit sollen Veränderungen eingeleitet werden im

Sinne der Programmziele, und zwar sowohl auf das Individuum wie

auf die Gesellschaft bezogen. Die Teilnehmenden (sollen) zu neuen

Perspektiven und damit zu neuen Bewertungen kommen können in

Hinblick auf Europa, im Hinblick auf die Notwendigkeit lebenslangen

interkulturellen Lernens, im Hinblick auf die Entstehung einer euro-

päischen Zivilgesellschaft, die durch ein gelebtes europäisches Bür-

gerengagement gekennzeichnet ist“ (Otten, 2005)2.

Bei der Betrachtung der 21 Begegnungsbeispiele und der ins-

gesamt 61 gesichteten Vorschläge für diese Publikation zeigte sich,

dass der Transfer des individuellen Nutzens interkulturellen Lernens

hin zur Verantwortung für gesellschaftliche Veränderungen und ein

europäisches Bürgerengagement im Zeitraum der Begegnung eher

selten stattfindet. Als positives Beispiel jedoch ist aus inhaltlicher

Sicht die Begegnung des Landesjugendpfarramts Sachsen („Auf

Friedenssuche mit der Videokamera“, Seite 46) zu erwähnen, in dem

besonders darauf Wert gelegt wurde, mit den TeilnehmerInnen zu

erarbeiten, welche persönliche Verantwortung und Möglichkeiten

sie für die Gesellschaft (den Frieden) haben. Einen ähnlichen Ansatz

verfolgte die Begegnung der LKJ Thüringen („Arte Povera“, Seite 16):

durch die künstlerische Auseinandersetzung mit Armut und Reichtum

in Europa konnten sich die Jugendlichen ihrer Rolle bewusst werden

und nach alternativen Lösungsstrategien für eine gerechtere Gesell-

schaft suchen.

Es bedarf nicht zusätzlicher Mittel und Ressourcen, sondern

nur eines Perspektivwechsels der Projektverantwortlichen, um

auch diesen Aspekt in ihren Begegnungen zu berücksichtigen, um

die Potenziale des internationalen Jugendkulturaustauschs in Bezug

auf den gesellschaftlichen Nutzen interkulturellen Lernens stärker

als bisher nachhaltig zu nutzen.

Auf Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation wird mehr Wert gelegt als

auf die Sichtbarkeit und Verbreitung der Ergebnisse der vermittelten

Inhalte und Ziele der Begegnung.

Bei der Durchsicht und Bearbeitung der Materialien für diese

Publikation wurden zwei Tendenzen sichtbar, die sich auch mit Beo-

bachtungen in anderen Zusammenhängen decken: eine zunehmende

Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit bei tendenzieller Ver-

nachlässigung der Berichterstattung in Bezug auf die Zielerreichung

und den Prozess der Lernerfahrungen der Teilnehmenden. Es wird

also mehr über die Begegnung als eine wichtige Veranstaltung berich-

tet, als dass die sicher schwieriger zu kommunizierenden interkultu-

rellen Lerninhalte Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit sind.

Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit haben in den letzten Jahren

ihre Position als unentbehrliche Bestandteile jeder Begegnungspla-

Palmira Repsyte Scharf & Christian Scharf _ 9

nung in der internationalen Jugendkulturarbeit gefestigt. Je größer

und öffentlich bekannter der Träger oder das Projekt ist, desto profes-

sioneller wirken die Internetpräsentationen und erstellte Dokumen-

tationen. Eigene Internetseiten von Begegnungsprojekten, gedruckte

Einladungskarten, Begegnungsinformationen und Broschüren

gelten als anerkannte Merkmale der Qualität einer Begegnung.

Der Bekanntheitsgrad der die Schirmherrschaft übernehmenden

Personen oder der GastrednerInnen und die Vielfalt der Sponsoren

geben Auskunft über eine hohe Professionalität der Lobbyarbeit

der Träger.

Präsentationszwänge den Förderern und der breiten Öffent-

lichkeit gegenüber scheinen die Zusammenfassung und Verbreitung

der eigentlichen Projektergebnisse und Lernerfahrungen fast schon

verdrängt zu haben. In den Sachberichten wird diese mittlerweile

gelernte Präsentationskompetenz deutlich: es wird über positive

Erfahrungen berichtet und die Bedeutung der eigenen Arbeit hervor-

gehoben. Den Namen und Titeln der BegegnungsgestalterInnen und

den Logos der Mitwirkenden werden Ehrenplätze auf den Titelseiten

eingeräumt. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Begegnungs-

erfahrung, tiefere Analysen der konkreten Problem- und Lernsituati-

onen und die Hinterfragung der Qualität der eigenen Arbeit kommen

gleichzeitig weniger zum Ausdruck.

Als Gründe dafür wurden u.a. der zu große Zeitaufwand, als zu

kompliziert empfundene Fragen im Sachberichtsraster (z.B. „Welche

Indikatoren belegen die Erreichung der Qualitätsmerkmale“) aber vor

allem die (gefühlte) mangelnde Aufmerksamkeit seitens der Förde-

rer benannt („Das liest sich doch eh keiner durch“). Jedoch nicht nur

die Förderer, sondern vor allem die Jugendlichen, TeamerInnen und

Fachkräfte selbst profitieren in besonderem Maße von einer tieferen

Reflexion, Evaluation und ausführlichen Dokumentation der Lerner-

fahrungen.

Dass es auch anders geht, wird in einigen der hier dokumen-

tierten Projekte deutlich. So kamen im abschließenden Begegnungs-

bericht vom Kinder- und Jugendzirkus Cabuwazi („Circolibre – Tole-

ranz in der Manege“, Seite 20) vor allem die beteiligten Jugendlichen

zu Wort und berichteten über ihre Erlebnisse und Erfahrungen. Diese

Beiträge der Jugendlichen sind durch ihre Offenheit und authentische

Darstellung des Lernprozesses aus unterschiedlichen Perspekti-

ven gekennzeichnet. Sie wecken Interesse, erläutern, begeistern.

Zusätzlich ermöglicht diese schriftliche Darlegung der Erlebnisse

den Jugendlichen die Verinnerlichung des Erlebten, Erfahrenen und

Gelernten. Ihre Einbeziehung in die Dokumentation zeigt die Wert-

schätzung und den Respekt seitens der Verantwortlichen, es stärkt

die Teilhabe am Projekt und trägt merklich zum Empowerment der

Jugendlichen bei.

Beim Fachkräfteprogramm in Japan („Zum Erfahrungsaus-

tausch um die halbe Welt“, Seite 50) wurde dieser Schritt ebenso

gegangen: die Teilnehmenden wurden aufgefordert, ihre Erleb-

nisse zu reflektieren, miteinander auszutauschen und gemein-

sam die Dokumentation zu gestalten. Dafür wurde die Arbeit an

der Dokumentation noch vor dem Begegnungszeitraum gemein-

sam vorbereitet und strukturiert. Die ausführliche Dokumenta-

tion der Lernerfahrungen durch die Teilnehmenden stellt in dem

Zusammenhang nicht nur ein gemeinsam entwickeltes Produkt

der Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch eine Lernmethode dar. Sie

wird parallel zum Begegnungsprogramm angewandt, um eine aktive

Partizipation sowie eine intensive Reflexion der Beteiligten heraus-

zufordern.

Eine klare öffentliche Auseinandersetzung der Begegnungs-

verantwortlichen mit aufgetretenen Schwierigkeiten in der Begegnung

ist eher eine Seltenheit. Dies sollte jedoch eine absolute Notwendig-

keit sein, da die eigenen Bildungskonzepte und Methoden durch die

realen Herausforderungen bei der Umsetzung auf ihre Wirksamkeit

hin überprüft werden. Eine bewusste methodische Weiterentwicklung

kann aber erst durch eine Bewusstmachung und aktive Kommunikati-

on über aufgetretene Schwierigkeiten herbeigeführt werden. Dabei ist

es wichtig, den pädagogischen Wert schwieriger Situationen zu erken-

nen und sie konstruktiv im Sinne der Begegnungsziele und zum Lernen

aller Beteiligten zu nutzen. In der Dokumentation des Jugendkunst-

und Kulturzentrums Schlesische 27 in Berlin („Wolkenbruch – Pluie

d’été“, Seite 55) wird z.B. kurz, aber völlig ausreichend, über einen

Konflikt und dessen Lösung mit einem Teil der deutschen Jugend-

lichen berichtet, die sich durch ihre Berufschule „freiwillig verpflichtet“

fühlten, an der Begegnung teilzunehmen. Die Verantwortlichen begnü-

gen sich nicht mit einer erfolgreich durchgeführten Lösungsvariante,

sondern verdeutlichen durch die Schilderung der Problemsituation

einen Erfahrungszuwachs, auch bei ihnen selbst. Erst durch eine Ver-

öffentlichung, eine Sichtbarmachung wird dieser Erfahrungszuwachs

auch anderen zugänglich gemacht und kann zur Weiterentwicklung

des internationalen Jugendkulturaustauschs beitragen.

10 _ Qualitätsentwicklung

Die Leitungsteams sind international besetzt, arbeiten meist gleich-

berechtigt zusammen und verfügen oft über einen professionellen

Hintergrund. Die Vielfalt der Rollen stellt für die KünstlerInnen,

PädagogInnen, JugendarbeiterInnen und für die Freiwilligen eine

Herausforderung in der Teamarbeit dar.

Ein Interview mit dem „erfahrenen Regisseur, der die Jugendbe-

gegnung leitet“ führte der NDR über das „grenzenlose Miteinander“ in

Schwerin („Die Angst vor dem Fremden“, Seite 40). Die multinationale

Theaterbegegnung in Lingen („Olivers Traum“, Seite 63) wurde von

professionellen RegisseurInnen und SchauspielerInnen aus drei Län-

dern durchgeführt und in Weimar wurde die inhaltliche Begegnungs-

idee der „Europäischen Sommerwerkstatt“ durch einen renommierten

Künstler aus Lodz („Von essbaren Büchern“, Seite 37) erarbeitet und

umgesetzt. Auch bei anderen Begegnungen in Ostróda, Maghar oder

Berlin sind KunstlehrerInnen, ArtistInnen und TanzlehrerInnen in lei-

tenden Funktionen an der Begegnung beteiligt gewesen.

In den Anträgen und Sachberichten zeichnen jedoch meist

die Geschäftsführenden, BildungsreferentInnen oder Vorsitzenden

des Trägers als LeiterInnen der Maßnahme verantwortlich. Basierend

auf aktuellen Entwicklungen der Jugendpolitik, den Schwerpunkten

und Richtlinien der Förderprogramme, den Aktivitätsfeldern und

Aufgaben des Trägers formulieren sie die Inhalte und pädagogischen

Ziele der Begegnungen. Die konkrete Umsetzung und nicht selten

die Leitung der Begegnung erfolgt durch andere Personen: päda-

gogische MitarbeiterInnen, Freiwillige und KünstlerInnen, die aus

verschiedenen Ländern kommen. Die Leitungsteams im internati-

onalen Jugendkulturaustausch sind durch sehr unterschiedliche

und zum Teil sogar kontroverse Ansätze der Arbeit mit Jugendlichen

geprägt. Die bereichernde Wirkung dieser Vielfalt und die Notwendig-

keit eines internationalen Teams bei internationalen Begegnungen

ist unumstritten. Die Herausforderung besteht in der Bündelung der

Potenziale und Erfahrungen der TeamerInnen, um die Projektziele

zu erreichen und den Jugendlichen die beabsichtigten Lernerfah-

rungen zu ermöglichen.

Doch ist ein professioneller Künstler gleichzeitig auch ein pro-

fessioneller Projektleiter? Kann eine Jugendarbeiterin ein Projekt

leiten, dessen Ziele mit künstlerischen Mitteln erreicht werden sol-

len? Sind die Gesetze der Gruppendynamik und des interkulturellen

Lernens beiden bekannt? In welcher Team-Hierarchie ist die Zusam-

menarbeit am effizientesten? Ist eine gesonderte Fortbildung oder

ein Training notwendig, um die LeiterInnen internationaler Jugend-

kulturbegegnungen zu qualifizieren? Oder ist es an der Zeit, die Pro-

fessionalisierung des Berufsstandes europäischer/internationaler

JugendarbeiterInnen anzustreben und offiziell anzuerkennen?

Um den Grad der Professionalität und die bereits gemachten

Erfahrungen der beteiligten Fachkräfte beurteilen zu können, wird in

den Förderanträgen nach deren Ausbildung und ihrer Vorerfahrung

gefragt. Ein gemeinsames Vorbereitungstreffen, tägliche Teamtref-

fen während der Begegnung und eine gemeinsame Nachbereitung

gelten als Merkmale der Qualität der Teamarbeit. Der Evaluation der

Teamarbeit wird in den abschließenden Sachberichten kaum Aufmerk-

samkeit geschenkt. Ist dies der fehlenden Frage in den Sachberichts-

rastern oder einer mangelnden Reflexion der Zusammenarbeit der

TeamerInnen geschuldet? Bei den 61 gesichteten Projektvorschlä-

gen für diese Publikation war selten zu erkennen, dass ein gemein-

sames Nachbereitungstreffen stattgefunden hat. Somit war die

Gelegenheit für die beteiligten TeamerInnen, ihre Erfahrungen und

ihre Zusammenarbeit auszuwerten, sich mit den geplanten Zielen der

Begegnung und dem Grad ihrer Umsetzung auseinander zu setzen,

wohl meist nicht gegeben.

Dabei ist gerade die Zusammenarbeit im internationalen Team

eine Quelle der Unterstützung, der Motivation, der persönlichen und

beruflichen Bereicherung für die Fachkräfte. Die Reflexion in gleicher

Augenhöhe aus unterschiedlichsten professionellen und kulturellen

Perspektiven bringt wichtige Erkenntnisse über die gemeinsame

Arbeit in der Begegnung und die eigenen Fachkompetenzen. Diese

wichtigen Erfahrungen bleiben häufig nur den beteiligten Fachkräften

zugänglich. Eine Dokumentation dieser Erfahrungen, ein Austausch

darüber mit anderen KollegInnen der internationalen Jugendkultur-

arbeit, ist ein Aspekt der Qualitätsentwicklung, der mehr Aufmerk-

samkeit seitens der Träger und Förderer erhalten müsste. Auch die

stärkere Nutzung des Europäischen Portfolios für JugendleiterInnen3

würde diesen Prozess unterstützen.

Träger von Jugendkulturbegegnungen nutzen verschiedene

Pr ogramm- und För der formate. Vor dem Hinter gr und und

der Not wendigkeit der Weiter ent wick lung internationaler

Jugendarbeit werden ak tuell A bgrenzungen dieser Formate

über wunden und hinter fragt.

Die aktuell allgemein genutzten Programmformate sind die

Errungenschaft einer deutschen, internationalen und europäischen

Palmira Repsyte Scharf & Christian Scharf _ 11

Austausch- und Begegnungspädagogik für junge Menschen. In den

letzten drei Jahrzehnten hat sich internationale Jugendarbeit zuneh-

mend professionalisiert, qualitativ und quantitativ weiterentwickelt.

Vergleichbare Formate und Förderkriterien haben sich in diesem Rah-

men zu einer der wichtigsten Voraussetzungen für die Kooperation

mit den Trägerorganisationen in den Partnerländern entwickelt und

gestalten den Zugang für potentielle Teilnehmende einfacher.

Eine Vielfalt an Qualitätskriterien und Richtlinien der staatli-

chen oder privaten Förderer der internationalen Jugendarbeit gibt

Auskunft über mögliche organisatorische Konstellationen, Zielgrup-

pen, Inhalte und Methoden eines bestimmten Programmformats.

Somit sind Programmformate auch und vor allem Förderformate.

Sie bieten für Förderinstitutionen und Träger eine wichtige Orientie-

rungsgrundlage. Durch die Einteilung in verschiedene Kategorien ist

es den Geld gebenden Institutionen möglich, einer ihrem Verständ-

nis nach anerkannten Form der internationalen Jugendarbeit, einen

bestimmten, gelisteten Fördersatz zuordnen zu können, effektiv zu

planen und transparent Entscheidungen zu treffen. Die Grenze des

Machbaren, abgesteckt mit einer finanziellen Rahmenvorlage, liefert

den Trägern eine schnelle Orientierung in Bezug auf die inhaltliche

Zugehörigkeit und Durchführbarkeit eigener Begegnungsvorhaben.

Programmformate sind nicht unveränderbar und dürfen es

auch nicht sein. Ihre Rahmenbedingungen müssen vor allem auf-

grund der praktischen und inhaltlichen Bedürfnisse der Träger der

Begegnungen neu gestaltet werden können. Der Vielzahl informeller

Jugendgruppen, kommunaler Jugendclubs, der Jugendverbände,

Sportverbände und Jugendkultureinrichtungen muss die Möglichkeit

gegeben werden, sehr flexibel mit der Auslegung von Programmfor-

maten und deren Kriterien umgehen zu können, um überhaupt an

internationaler Jugendarbeit teilzuhaben.

Im Jugendkeller St. Nepomuk in Kehl („J-Rock in Germany – eine

neue Jugendkultur“, Seite 18) hat sich eine Projektgruppe gebildet,

die der Herkunft einer neuen Jugendmusikkultur nachspürt und nach

einem Jahr Arbeit eine Jugendbegegnung in Tokio durchführt. Bei

dem Programm in Japan haben sich die Kehler TeilnehmerInnen mit

verschiedenen Jugendlichen, älteren MusikerInnen und Musikjour-

nalistInnen aus der Szene getroffen und ein Video über den Anfang

dieser Jugendkultur erstellt. Alles von einem anerkannten Träger und

Partner begleitet und verantwortet. Der Erfolg dieser Maßnahme ist

zweifellos gegeben: der interkulturelle Lerneffekt bei den Jugend-

lichen, eine lokale Nachhaltigkeit und eine fachliche Valorisierung

wurde durch den Träger nachgewiesen. Im dem originellen Programm

ergänzen sich Elemente einer Jugendbegegnung, eines außerschu-

lischen Studienprogramms und einer Auslandsfahrt im Rahmen einer

lokalen Jugendinitiative.

Die Jugendkunstschule Atrium in Berlin („Mit offenen Augen im

Jahrmarkt der Künste“, Seite 66) kooperiert im Rahmen einer „Lehre-

rInnen-Abordnung“ mit einer Grundschule. Ein außerschulischer Trä-

ger gestaltet in seinen Räumen Workshops für eine Schule. Da liegt

es nahe, auch mit diesen Jugendlichen/SchülerInnen ein Austausch-

projekt mit künstlerischen Mitteln durchzuführen. Diese Maßnahme

hat bereits zweimal erfolgreich in Polen und Deutschland stattge-

funden. LehrerInnen, KünstlerInnen und JugendarbeiterInnen haben

gemeinsam dieses Projekt begleitet: eine Gratwanderung zwischen

SchülerInnenaustausch, Jugendkulturbegegnung, Ferienfreizeit und

Klassenfahrt.

Die gewollte Netzwerkbildung und spartenübergreifendes

innovatives Arbeiten fördern die Weiterentwicklung des internati-

onalen Jugendkulturaustauschs. Dabei erschließen sich zugleich

neue Bedürfnisse der Träger und veränderte Erwartungen der Teil-

nehmenden. Beim deutsch-japanischen Fachkräfteprogramm („Zum

Erfahrungsaustausch um die halbe Welt“, Seite 50) wurde den deut-

schen TheaterpädagogInnen die Möglichkeit geboten, kreative Werk-

stätten mit japanischen SchülerInnen zu gestalten und eine Werk-

statt eines japanischen Kollegen zu beobachten. Die Erfahrungen

haben den Anstoß gegeben, kreative Werkstätten mit Jugendlichen

und den japanischen KollegInnen aufgrund ihres großen Potentials

zum Erfahrungsaustausch zukünftig zu einem festen Bestandteil

des Fachkräfteprogramms werden zu lassen. Somit ändert sich das

„klassische“ Programmformat und neben den doch manchmal eher

trockenen, traditionellen Studienbesuchen, Präsentationen und Dis-

kussionen entstand eine neue, interaktive Programmeinheit.

Vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung internationaler

Jugendkulturarbeit sind alle agierenden Seiten in einer Mitwirkungs-

pflicht: Die Förderinstitutionen sollten sich offen für Veränderungen

zeigen und sich bei neuen, abweichenden Konzepten und Anträgen

bewusst machen, dass diese Vielfalt an neuen Formen und Methoden

internationaler Jugendarbeit, die Vielfalt der persönlichen Lernzu-

gänge verschiedener Jugendgruppen und der entsprechenden Lern-

plattformen widerspiegelt, die die Träger Jugendlichen heute bieten

12 _ Qualitätsentwicklung

müssen. Eine umfassende Uniformität zukünftiger Programmformate

ist hoffentlich auch für die politisch Verantwortlichen der Förderpro-

gramme eine schreckliche Vorstellung. Die Träger von Begegnungen

müssen noch stärker ihre eigenen Konzepte und Formate verdeut-

lichen und deren Anerkennung und finanzielle Förderung, durch die

Mithilfe von Netzwerken und Dachverbänden erstreiten.

Kurzes Fazit

Die immer größer werdende Vielfalt im Bereich der internationalen

Jugendarbeit stellt die kulturelle Kinder- und Jugendbildung vor die

Herausforderung, ihren Standort in der internationalen Jugendarbeit

noch klarer zu definieren. Dabei werden an sie komplexe Anforde-

rungen gestellt, welche eine qualitative Verträglichkeit der Inhalte

und Methoden der kulturellen Bildung im internationalen Kontext

voraussetzen. Genauso wie die anderen Bereiche der internationa-

len Jugendarbeit, muss kulturelle Kinder- und Jugendbildung sich

mit der Differenzierung von Jugendpartizipation, der Transparenz

der Lernergebnisse, der Qualifizierung der BegegnungsleiterInnen

und der Vermittlung interkulturellen Lernens beschäftigen. Eine hohe

Qualität der künstlerischen Arbeit in internationalen Begegnungen

und ein effektives Nutzen der Synergieeffekte der künstlerischen

Arbeit und des sozialen/ interkulturellen Lernens kennzeichnet die

Aktivitäten der kulturellen Kinder- und Jugendbildung in der interna-

tionalen Jugendarbeit und trägt zur Schärfung ihres Profils bei. Diese

Qualität ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Die Herausforderung

– die Ziele kultureller Bildung und internationaler Jugendarbeit ohne

Qualitätsverluste zu vereinen – muss durch die Träger bewusst

angenommen werden. Es bedarf eines vertieften kontinuierlichen

Erfahrungsaustausches der Fachkräfte und der Strukturen der inter-

nationalen Jugendkulturarbeit. Mit der Vorstellung der folgenden 21

Praxisbeispiele möchten wir einen Beitrag dazu leisten.

Zur Entstehung

Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V.

(BKJ) hat im Herbst 2007 einen Aufruf an Träger und Förderer von

internationalen Jugendkulturbegegnungen gestartet, solche Begeg-

nungsprogramme, bei deren Umsetzung ein oder mehrere künst-

lerische Medien genutzt wurden, für die Veröffentlichung in dieser

Publikation vorzuschlagen. Ihrerseits hat die BKJ die Begegnungen,

die sie als Zentralstelle des DFJW, des DPJW und des Kinder- und

Jugendplans des Bundes in den Jahren 2006 und 2007 gefördert

hat, in die Auswahl mit eingebracht. Aus den 61 Vorschlägen hat das

Redaktionsteam 30 Begegnungen ausgewählt und die Verantwort-

lichen mit der Bitte um Zusendung weiterer Materialien und der Bereit-

schaft für ein telefonisches Interview angeschrieben. Auf Grundlage

der Rückmeldungen folgte eine zweite Auswahl mit einer Liste von

21 nun dokumentierten Begegnungen. Aus deren Anträgen, Sachbe-

richten, Dokumentationen, Internetseiten, audiovisuellen Quellen

und Interviews konnten die hier vorliegenden Berichte erarbeitet

werden. Nach Fertigstellung der Beiträge wurden diese mit den Leite-

rInnen der Begegnungen abgestimmt. Die Kriterien der zweistufigen

Auswahl orientierten sich an der Qualität und Nachvollziehbarkeit der

vorliegenden Materialien und am Ziel der Publikation, eine Breite an

künstlerischen Sparten, Programmformaten sowie eine inhaltliche

und geographische Vielfalt zu präsentieren.

Die in der Publikation enthaltenen Beiträge über Begegnungen

sind nicht kategorisiert, nicht nach künstlerischen Sparten, Partner-

ländern, Projektträgern, Förderinstitutionen, Programmformaten

oder anderen Kriterien eingeteilt. Es wurde soweit wie möglich ver-

sucht, durch das Zusammenspiel und die Akzeptanz von Einzigar-

tigkeit, die Vielfalt des internationalen Jugendkulturaustauschs zu

verdeutlichen.

Beim Betrachten von Informationen über Maßnahmen des

internationalen Jugendkulturaustauschs kann es passieren, die Viel-

schichtigkeit und den Anspruch dieser Begegnungen nur mit künst-

lerischen Sparten zu verbinden. Die Versuchung ist groß, allein durch

die Bezeichnung Theaterwerkstatt, Zirkusaustausch oder Filmprojekt

auf scheinbar vorgeschriebene Abläufe und Inhalte der Begegnung zu

schließen. Bei häufiger Beschäftigung mit internationalen Jugend-

kulturbegegnungen wird dieser falsche Eindruck, der Fokus auf

das künstlerische Mittel, durch die Einzigartigkeit der Erfahrungen

des Projektmanagements oder der inhaltlichen und methodischen

Umsetzung, weniger selbstverständlich. Trotzdem erschließen sich

beispielhafte Projekte der Integrationspädagogik, Entwicklungszu-

sammenarbeit oder einfallsreicher Teamarbeit erst auf den zweiten

Blick. Um eine andere Sichtweise zu fördern, hat das Redaktionsteam

Schatzkisten in den Beiträgen über die Begegnungen versteckt,

deren Inhalt auf die beispielhafte Umsetzung einzelner Projektziele

hinweist, auf innovative methodische Lösungen aufmerksam macht

oder einen besonderen Ansatz des Trägers verdeutlicht. Sie stellen

Palmira Repsyte Scharf & Christian Scharf _ 13

14 _ Qualitätsentwicklung

keinen Anspruch auf ausführliche Bewertung der Projektdurchfüh-

rung oder eine umfangreiche Analyse eines ausgewählten Aspektes

dar, sondern sollen lediglich einen näheren Einblick in das vielfältige

„Gewürzregal der Projektküche“ internationaler Jugendkulturaus-

tausch ermöglichen.

Was interessiert Sie speziell?

KünstlerInnen und Kunstschaffende können durch die 21 Beiträge

dieser Publikation Impulse erhalten, ihre Rolle und die des Einsatzes

ihrer künstlerischen Arbeit innerhalb internationaler Begegnungen

zu reflektieren.

Erfahrene PraktikerInnen der internationalen Jugendarbeit können

Anregungen erhalten, neue künstlerische Sparten in ihre Maßnahmen

zu integrieren oder über den fachgerechten Umgang mit ihnen inner-

halb ihrer Arbeit nachzudenken.

EinsteigerInnen in die internationale Begegnungsarbeit und

Jugendliche können Ideen für ihr erstes eigenes Projekt erhalten und

sich von den Erfahrungen anderer inspirieren lassen.

Aktive und potentielle Förderer können erkennen, dass Investitionen

in internationale Jugendkulturbegegnungen eine lohnenswerte und

nachhaltige Anlage sind.

Die Beispiele sollen aber auch die Notwendigkeit des Zusam-

menspiels von Kunst, lokaler Jugendkulturarbeit, Begegnungspäda-

gogik, dem organisatorischen Rahmen und den thematischen Inhal-

ten internationalen Jugendkulturaustauschs unterstreichen.

Der Titel dieses einleitenden Beitrags „Anregungen für Qua-

litätsentwicklung im internationalen Jugendkulturaustausch“ ist

nicht nur auf die bis hierher beschriebenen Beobachtungen und

Überlegungen bezogen. Das Vorhandensein von Sprachanimation,

vorwiegend bei den Projekten, die durch die bilateralen Jugendwerke

und Koordinierungszentren gefördert werden, die verstärkte Tendenz

Begegnungen mit außereuropäischen Partnergruppen durchzufüh-

ren, die Entwicklung von Erstbegegnungen über Partnerschaften hin

zu nachhaltig wirkenden Netzwerken, das gestiegene Interesse und

die Mitarbeit von Trägern aus dem Bereich der Kulturellen Jugendbil-

dung am Europäischen Freiwilligendienst und die inhaltliche Ausge-

staltung von internationalen Begegnungen mit TeilnehmerInnen unter

12 Jahren birgt durchaus weiteren Diskussions-, Entwicklungs- und

Handlungsbedarf in sich. Unter den 21 Begegnungsbeispielen wird es

darüber hinaus, abhängig vom Blickwinkel des Betrachtenden, noch

weitere Themen und Aspekte geben, die Zustimmung oder Ablehnung,

die Beigeisterung oder Verwunderung auslösen.

Ein Dankeschön wollen wir den Verantwortlichen der hier doku-

mentierten Begegnungen übermitteln. Es war, über den Rahmen die-

ser Publikation hinaus, sehr bereichernd und erfrischend, über die

Interviews und Materialien einen tieferen Einblick in die Vielfalt der

Begegnungen internationalen Jugendkulturaustauschs zu bekom-

men. Ebenso vielen Dank an alle fleißigen HelferInnen, insbesondere

an Moritz Kaplonek vom EXCHANgE Projektbüro.

Des weiteren gilt der Dank an dieser Stelle allen Personen, Trä-

gern und Förderern, ob nun in dieser Publikation erwähnt oder auch

nicht, die mit ihrer Arbeit, ihren Begegnungen und ihrem persönlichen

Engagement internationale Jugendkulturarbeit mit Leben erfüllen,

Kindern und Jugendlichen das Entdecken neuer, anderer Perspekti-

ven ermöglichen und in diesem kleinen Rahmen zur Entwicklung einer

toleranten, aktiven Zivilgesellschaft in Deutschland, Europa und der

Welt beitragen.

„Auf dem Papier ist es ein Theaterprojekt, in meinem Kopf wird es

immer mehr ein Geschenk. Ich will nicht weg, noch nicht. Im Zug nach

Rom bin ich etwas schwermütig. Dann sagt jemand, dass das Projekt

unser Leben verändert hat. Ich denke: Ja, hat es - gut so!“ (Maximilian

Buschner, Projekt „Es war einmal… „, Seite 24)

Palmira Repsyte Scharf & Christian Scharf

1 Im Ergebnis dieser Unterteilung wurde festgestellt, dass die Verantwort-

lichen und ProjektleiterInnen (die sich an dieser Studie beteiligten), zu 54% Pro-

zent ihr Projekt in der ersten (einfachsten) Partizipationsebene verwirklicht

sahen und nur 9% Prozent in der siebten (schwierigsten). In: Christian Scharf

(Hrsg.) / LKJ Sachsen-Anhalt, Internationale Jugendarbeit in Sachsen-Anhalt

2001 – 2003, RabenStück Verlag für Kinder- und Jugendhilfe 2003

2 In: Hendrik Otten / Peter Lauritzen (Hrsg.), Jugendarbeit und Jugendpolitik

in Europa, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004

3 Das Europäische Portfolio für JugendleiterInnen und JugendbetreuerInnen

ist auf Initiative des Europarats entwickelt wurden, um die eigenen Fach-

kompetenzen als TeamerIn, LeiterIn, etc. in europäischen Begegnungs- und

Bildungszusammenhängen besser einzuschätzen und weiterentwickeln zu

können. Nähere Infos und download u.a. auf www.jugend-lsa.de/exchange/

portfolio

Der Titel dieser Publikation „Kulturelle Vielfalt erleben“ mag auf den

ersten Blick nach bunt und lustig, nach Multikulti-Stadtteilfest, nach

fröhlichen Tänzen und Gesängen in unterschiedlichsten Sprachen

klingen. Aber Kulturelle Vielfalt ist bei genauerem Hinsehen wohl doch

für jeden von uns nach wie vor eine Herausforderung: Auch wir Kultur-

pädagogInnen, KünstlerInnen, SozialpädagogInnen und Erwachsene

ganz generell, wissen in der Regel noch nicht, wie wir in unserem täg-

lichen Leben mit der mitten in unserer Gesellschaft angekommenen

kulturellen Vielfalt umgehen sollen. Geschweige denn, wie wir unsere

Haltung dazu Jugendlichen vermitteln können.

Kulturelle Vielfalt in all ihren Facetten fordert viele von uns nach wie

vor täglich aufs Neue auch im privaten Leben heraus: Die Medien lie-

fern uns z.B. täglich Nachrichten aus Ländern frei Haus, in denen es

nicht, wie wir es gewohnt sind, eine Trennung von Staat und Kirche

gibt, so dass wir dort gefällte politische Entscheidungen ganz anders

einordnen müssen. Oder die Zusammensetzung der Bevölkerung in

unserem Stadtteil ändert sich kontinuierlich, immer mehr Geschäfte

mit einem Warenangebot aus anderen Kulturkreisen eröffnen in

unserem Umfeld - was die Einen mit leichtem Unbehagen, die Anderen

mit Freude über das erweiterte kulinarische Angebot erfüllt.

Unseren Kindern und Jugendlichen landauf landab geht es natür-

lich nicht anders: in Kindergarten und Schule sitzen, spielen und

lernen Kinder mit unterschiedlichsten Muttersprachen und Haut-

farben jeden Tag miteinander. In ihrer Freizeit sind es junge Leute

heute gewohnt, die verschiedensten kulturellen Ausdrucksformen

nebeneinander zu erleben, vom amerikanischen Musiksender bis

zum indischen Bollywood-Streifen im Kino. Doch die meisten dieser

im Alltag gemachten multikulturellen Erfahrungen werden en pas-

sant in die eigene Lebenseinstellung integriert, laufen Gefahr im Sta-

dium des oberflächlichen ersten Eindrucks und des schnell Be- oder

Verurteilens stecken zu bleiben. Solche Alltagserfahrungen mit ver-

schiedenen Formen kultureller Vielfalt werden nicht wirklich bewusst

wahrgenommen, geschweige denn ein wenig hinterfragt und als neue

Elemente wirklichen interkulturellen Er-lernens in die eigene Persön-

lichkeit und Lebenseinstellung integriert.

Hier bietet die Teilnahme an Maßnahmen des internationalen Jugend-

kulturaustauschs Jugendlichen die Chance, einen wirklichen Schritt

weiter zu gehen und interkulturelles Lernen, Kulturelle Vielfalt

unter spannenden Bedingungen zu erleben. So bestätigten 57 % der

21 Beispiele aus der Praxis

Ein großer Raum. Verteilt im Raum stehen Jugendliche mit nachdenk-

lichen Gesichtern. Wie versteinert. Stille. „Sie haben das Gefühl, dass

Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten in der Gesellschaft, in der Sie leben,

Anerkennung finden.“ – ertönt die Stimme eines Anleiters. Jugendli-

che, die für sich die Frage mit „ja“ beantworten können, machen einen

Schritt nach vorn. „Sie haben keine Angst, auf der Straße angegriffen

zu werden.“ – ein weiterer Schritt folgt. Nicht bei allen. „Sie haben

keine Angst um die Zukunft Ihrer Kinder“ – es geht voran. Einige blei-

ben stehen. Die ganze Zeit. „Warum stehe ich ganz hinten?“ – fragt

sich verblüfft ein Jugendlicher aus Finnland, der am Anfang der Übung

die Rolle eines 27-jährigen Obdachlosen zugeteilt bekam. Eine deut-

sche Teilnehmerin, die sich in die Rolle der Tochter des örtlichen Bank-

direktors hineinversetzen musste, schaut sich verblüfft um – alle

stehen verstreut hinter ihr. „Es ist irgendwie unfair...“ – das Gefühl

schwebt im Raum und gibt Anstoß für eine folgende Diskussion über

die ungleiche Chancenverteilung in der Gesellschaft und die Verant-

wortung jedes einzelnen . 1

„Arme“ Kunst, die bereichert

Die Auseinandersetzung mit einer Welt, wie sie die meisten Jugend-

lichen aus Deutschland, Finnland, Frankreich und Polen vorher noch

nicht kannten – mit einer Welt der Armut und Ungerechtigkeit – fand

während der gesamten achttägigen internationalen Jugendbegeg-

nung „Arte Povera“ in Weimar statt.

Die Offenheit der Teilnehmenden und die Bereitschaft, ihre

Erfahrungen aus dem Heimatland und sogar aus der eigenen Familie

auszutauschen, hat eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Thema

Armut in den Kreativworkshops ermöglicht. In dem Workshop der

bildenden Künste gestalteten die Jugendlichen mit „armen Materi-

alien“ aus Natur (Äste, Steine, Holz) und Alltag (Tüten, Plastikbecher,

Verpackungsmaterialien) Kunstobjekte, die sie bei der Abschlussprä-

sentation dem Urteil des Publikums stellten. Die Kunstgruppe erfuhr

dadurch, dass man mit Dingen, die so gut wie nichts kosten, wunder-

bares vollbringen kann.

Ebenso aktiv waren die Teilnehmenden des Audioworkshops.

Sie erkundeten die Möglichkeiten des Mediums Radio / Audio beim

Besuch im lokalen Radiosender, interviewten die BewohnerInnen

Weimars zu Armut und Hartz IV und erstellten einen Soundtrack

mit selbst komponierter Musik. Eine Power-Point-Präsentation, die

Soundtrack und Interviews begleitete, machte mit vielen aufrütteln-

den Bildern betroffen.

Die TeilnehmerInnen des Fotoworkshops waren in Erfurt unter-

wegs, um den Gegenentwurf zur Konsumgesellschaft kennen zu ler-

nen und sich davon inspirieren zu lassen. Das interessante Gespräch

über Armut und Ausgrenzung mit den Nonnen des Augustinerklosters

lieferte reichlich Stoff zum Nachdenken. Unter der professionellen

Begleitung des Workshopleiters entstanden Fotos zu diesem Thema

und manches wurde für die zukünftige Beschäftigung mit der Kamera

auf den Weg mitgenommen.

Bei der Präsentation der Ergebnisse vor Publikum, ernteten die

Projektteilnehmenden lauten und verdienten Applaus für ihre krea-

tiven Arbeiten.

Arte Povera – Arme Kunst oder die Kunst der Armut

TITEL /// „Arte Povera – Arme Kunst oder die Kunst der Armut“PRoGRAMMFoRM /// multilaterale JugendbegegnungKüNSTLERIScHE SPARTE /// Bildende Kunst, Foto, Theater, AudioZEIT /// 26.07. – 02.08.2007, WeimarTEILNEHMER/INNEN /// 31 Jugendliche aus Finnland, Frankreich, Polen und Deutschland im Alter von 15 bis 20 JahrenFÖRDERuNG /// Jugend in Aktion, Kultusministerium ThüringenPARTNER /// Finnland: Jugendarbeit der Stadt HämeennlinnaFrankreich: Association Blois-Weimar, BloisPolen: Malopolskie Centrum Kultury Sokol, Nowy Sacz, Europäische Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Weimar (EJBW)TRäGER /// LKJ Thüringen e. V.

16 _ Arte Povera

Hinter dem Projektnamen „Arte Povera“ versteckt sich eine poli-tische Aussage. Der Begriff Arte Povera (ital. arme Kunst) wurde 1967 von dem Kunstkritiker und Kurator Germano Celant geprägt und steht für eine Bewegung von bildenden KünstlerInnen aus Rom und Norditalien aus der zweiten Hälfte der 1960er- und den 1970er-Jahren. Die Werke der Arte Povera sind typischerweise räumliche Installationen aus „armen“, d.h. gewöhnlichen und all-täglichen Materialien (Erde, Glassplitter, Holz, Bindfaden, u.ä.).

1 Übung „Ein Schritt nach vorn“ aus KOMPAS – Handbuch zur Menschenrechtsbil-dung für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit. Deutsches Institut für Menschenrechte, 2005.

Miteinander eigene Grenzen überwinden

Alles andere als Applaus hörten die Teilnehmenden eines Straßenthe-

aterworkshops bei ihren Aufführungen. Die Jugendlichen testeten

die Reaktion der Menschen auf der Straße oder in Museen in der Kon-

frontation mit dem Thema Armut und forderten sie regelrecht zum

Dialog heraus. Die Theatergruppe erfuhr am eigenen Leib, wie man als

Mittelloser durch manche Menschen in unserer Gesellschaft behan-

delt wird.

Erfahrungen und Engagement für eigenes Handeln

Das Thema Armut schloss auch das Einfühlen in verschiedene soziale

Schichten und ethnische Gruppen ein. Die Bereitschaft dazu war bei

den Jugendlichen hoch und wurde durch das Projekt bestätigt. Viele

„Aha-Erlebnisse“ und neue Erkenntnisse haben die Jugendlichen des

internationalen Projektes „Arte Povera“ für ihr Leben mitgenommen.

Als BürgerInnen der Europäischen Union waren sich die Jugendlichen

bewusst, zu einer privilegierten Gruppe zu gehören. Dies wurde für sie

auch durch die Teilnahme an einer solchen Jugendbegegnung greif-

bar, die ihnen Möglichkeiten einer besonderen Form der Teilhabe an

soziokulturellen Prozessen aufzeigte. Die Vorzüge europäischer Frei-

zügigkeit beim Reisen und der relative Wohlstand, von dem die Bevöl-

kerung in diesen Ländern profitiert, konnten alle TeilnehmerInnen

nach dieser Begegnung umso bewusster wahrnehmen. Sie erhielten

Anstoß zur Reflektion über die Lebensumstände Unterprivilegierter

und viele nahmen neue Sichtweisen zum Thema Armut und den Aus-

wirkungen sozialer Stellung mit nach Hause.

„Jedoch war die Arbeit am Thema eher ein Begleitelement des Pro-

gramms, ein Vorwand, einander zu begegnen. Im Mittelpunkt stand

natürlich, Jugendliche aus den anderen Ländern kennen zu lernen,

deren Eigenarten zu spüren und auf sich wirken zu lassen und daraus

etwas Neues zu machen. Es wurde in gemischten Teams gearbeitet,

erkundet und gefeiert, so dass ein intensives Miteinander erprobt

und das Erleben verschiedener kultureller Eigenarten spielerisch

ermöglicht wurde. „Länderabende“, ein Besuch in der Gedenkstätte

Buchenwald, Spiele und Abende in der Stadt, Nächte in der Disko oder

am Lagerfeuer rundeten die internationale Begegnung ab, die bei den

Jugendlichen viele schöne Erinnerungen hinterließ.“ (Ulrike Enders)

Schatzkiste: interessante methodische umsetzung

eines sensiblen Themas

Die Sensibilisierung Jugendlicher für unterschiedliche Vorausset-

zungen und Chancen im Leben ist den ProjektorganisatorInnen sehr

gut gelungen. Das Thema Armut wurde durch die inhaltliche Vorbe-

reitung in den Heimatländern, der Vorstellung der mitgebrachten

Symbole und eine wirkungsvolle Übung zur Menschenrechtsbildung

eingeführt. Der Lernprozess wurde durch Brainstorming, Erfahrungs-

austausch der Teilnehmenden sowie weitere Inputs im Laufe der

Woche komplettiert. Der erlebnisorientierte Ansatz und die künstle-

rischen Workshops trugen dazu bei, den Anstoß zur Reflektion über

verschiedene Lebensumstände und ihre Auswirkungen auf den Ein-

zelnen zu geben. Die vielen Facetten des Themas konnten so mithil-

fe „kreativer Brillen“ neu gesehen werden. Die Evaluation der Erfah-

rungen und die abschließenden Inputs über die Armut in der Welt, die

UNO und die Millenniums-Entwicklungsziele sowie die Möglichkeiten

europäischer Austauschprogramme, haben den Jugendlichen einen

weiteren Anstoß geboten, sich künftig stärker sozial zu engagieren,

um der Armut in ihrem Umfeld etwas entgegen zu setzen.

„Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es etwas gibt, das mehr den

Horizont erweitert, als international mit Kunst und Kultur zu arbeiten.“

(Ulrike Enders)

Kontakt

LKJ Thüringen e.V.

Ulrike Enders

Marktstr.6 , 99084 Erfurt

Fon: 0361.562 33 06

[email protected]

www.lkjthueringen.de

Seit einigen Jahren wächst in Deutschland die Szene um die japa-

nische Rockmusik sehr schnell an. Mit Genren wie J-Punk, J-Metal

aber vor allem Visual Kei, gewinnt diese Musikszene mehr und mehr

an Popularität. Das J-Rock-Projekt wollte den Ursprung sowie die

Geschichte untersuchen und die Szene aus heutiger Sicht darstellen.

Wie sieht es innerhalb dieser Jugendkultur in Deutschland und Europa

aus? Und wie in Japan?

Neben Recherchen in Deutschland und den Nachbarländern

Schweiz und Frankreich war ein Teil des Projekts auch eine Jugendbe-

gegnung in Tokio. Dort wurden mit Hilfe des Partners vor Ort Informa-

tionen über die japanische J-Rock-Bewegung und im speziellen über

die Visual Kei - Szene zusammen getragen.

Es war für das Projekt wichtig, diese Szene so realistisch

wie möglich zu erleben und darzustellen, was bisher in vielen Medi-

en leider nicht der Fall gewesen war. In zahlreichen Interviews und

Umfragen mit Fans und Nichtfans, Bands und Leuten aus der Musik-

& Medienindustrie sowie Modebranche, haben die Jugendlichen des

Jugendkellers St. Nepomuk in Kehl Erlebnisse und Informationen

gesammelt, die Ergebnisse auf einer Homepage präsentiert und

einen Dokumentarfilm erstellt.

Die Entstehung des Projekts kam also aus der Szene. Die

jugendlichen Fans von Visual Kei beklagten, dass ihre Subkultur in

den Medien falsch dargestellt wird und wollten durch das Projekt ein

Stück weit Aufklärung betreiben.

Was ist das Visual Kei?

Unabhängig voneinander betrachtet betont das Wort „visual“ den

optischen Eindruck der Musikrichtung und „kei“ bedeutet aus dem

Japanischen übersetzt: Abstammung, Clique, Gruppe. Inspiriert vom

Glamour-Rock der 70er Jahre und dem traditionellen japanischen

Kabuki Theater treten die Musiker in sehr phantasievollen Kostümen

auf. Der Musikstil reicht von Hardrock bis Pop. Gesungen wird vorwie-

gend in japanisch, aber auch in Englisch und bisweilen tauchen auch

Wörter oder Satzfetzen in Deutsch oder Französisch auf.

Die erste Band, die den Durchbruch schaffte und als der

Ursprung der Szene gilt, heißt X-Japan. Mit der Zeit entwickelte sich

der Name Visual Kei, eine Szene entstand und die Musik- und Mode-

branche reagierte.

„Den Kontakt zu unseren japanischen Partnern habe ich während

eines Fachkräfteprogramms von IJAB – Fachstelle für internationale

Jugendarbeit, bekommen, an dem ich 2006 teilnahm. Da es die Idee

zu diesem Projekt bzw. das Projekt an sich schon viel früher gab, wuss-

te ich genau wonach ich in Japan suchen musste und welche Partner

ich für das Programm benötigte. Meine Jugendlichen hatten mir eine

Vielzahl von Tipps und Aufträgen mitgegeben.“ (Marcus Fink)

Schatzkiste: beispielhafte Vor- und Nachbereitung

In insgesamt 11 Vorbereitungstreffen wurden die Jugendlichen in

verschiedenen Workshops und Seminaren seit Dezember 2006 für

das Projekt und auf die Jugendbegegnung vorbereitet, bzw. sie berei-

teten selbst die Programmpunkte vor.

So wurden einzelne Programmpunkte den TeilnehmerInnen

zugewiesen, die sie jeweils allein oder in Kleingruppen bearbeiteten.

Z.B. die Erstellung eines Fragebogens, Interviewvorbereitungen,

Kurzreferate für Diskussionen und Erläuterungen zu den geplanten

Treffen. Des weiteren wurde ein Interviewtraining durchgeführt und

es gab eine Einweisung in Foto, Film und Schnitt, um den geplanten

Dokumentarfilm erstellen zu können. Zur Vorbereitung auf die Jugend-

begegnung in Japan gab es noch weitere Workshops.

Das Kennenlernen kultureller Hintergründe und die Einfüh-

rung in den „Japan-Knigge“ war ein großer Bereich. Hier wurde von

der Begrüßung bis hin zu Verhaltensweisen in Restaurants vieles

durchgesprochen, eingeübt und diskutiert. Bei der Durchführung des

Austauschprogramms in Tokio kümmerte sich jeder Teilnehmer um

den von ihm vorbereiteten Teil. Hier gehörten auch die Übergabe des

Gastgeschenks und weitere formale Dinge dazu.

Bei der Nachbereitung wurden, nach einem Brainstorming der

Eindrücke, detailliert verschiedene Programmpunkte besprochen,

besonders Erfreuliches, Überraschendes, aber auch weniger Erfreu-

liches analysiert. Alle Teilnehmenden haben sich mit der Nachberei-

J-Rock in Germany – eine neue Jugendkultur

TITEL /// J-Rock in Germany – eine neue JugendkulturPRoGRAMMFoRM /// Bilaterale Jugendbegegnung mit intensivem Rechercheprogramm (Rückbegegnung in Planung)KüNSTLERIScHE SPARTE /// Musik, Video, FotoZEIT /// 26.05. – 06.06.2007, TokioTEILNEHMER/INNEN /// 14, je 7 Jugendliche zwischen 18 und 23 JahrenFÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ, Jugendstiftung Baden-Württ-emberg, Stadtjugendring Kehl e.V. & Kreisjugendring Ortenau e.V.PARTNER /// Tokio School of Music/Tiger Music/NYCTRäGER /// Jugendkeller St. Nepomuk

18 _ J-Rock in Germany

tung in Form eines Berichtes, z.B. über einen Konzertbesuch, den

Reisebericht oder das Dokumentationsvideo beschäftigt.

Am 23. November 2007 fand in der Stadthalle in Kehl die

Abschlussveranstaltung des Projektes statt. Neben dem Dokumen-

tarfilm, wurden auch ein CosplayContest (Kostümwettbewerb/Mode-

schau), eine Live-Band, Karaoke, eine Fotoausstellung, eine japa-

nische Gamecorner und japanisches Essen von den Jugendlichen in

Eigenregie organisiert.

„Jedes Projekt braucht eine Dokumentation oder ein Resultat mit

dem sich die Jugendlichen identifizieren können und auf das sie stolz

sind. Eine Wandtafel mit den Lieblingsfotos der TeilnehmerInnen zu

gestalten reicht längst nichts mehr aus. Das Produkt von J-Rock in

Germany – das J-Rock Video – ist jedoch mehr als ein gruppeninter-

nes Götzenbild. Das Video kommt innerhalb und außerhalb der J-Rock

Szene sehr gut an. Es existiert eine rege Nachfrage, da es eine solche

Dokumentation über Visual Kei in Deutschland noch nicht gibt. Mitt-

lerweile haben wir unser Video schon an verschiedene Fernsehsen-

der, Radiostationen, Universitäten und Musikmagazine verschickt.“

(Markus Fink)

Kontakt

Jugendkeller St. Nepomuk

Marcus Fink

Gustav-Weis-Str. 02, 77649 Kehl

Fon: 07851.48 14 76

[email protected]

www.juke-st-nepomuk.de & www.jrig.net

J-Rock in Germany _ 19

Email nach Hause:Es ist wirklich eine spannende Expedition ins Land der auf-gehenden Sonne. Ein erster Höhepunkt war der Besuch des Yoyogi-Parks. Dort spielen sonntags regelmäßig Bands. Der Park ist zugleich Treffpunkt für die »Visual Kei«-Gemeinde. Skurriler geht es kaum, auch wir waren aktiv und gaben ein paar deutsche Lieder zum Besten, wofür wir sogar Applaus erhielten. Mayumi Kojima, die unsere Gruppe betreute, war ein Glücksfall. Sie ist seit Jahren in der Jugendkulturszene tätig und hat viele Kontakte. So war es möglich, Interviews mit Konzertveranstaltern, den Chefs einer Plattenfirma, Bands und deren Managern zu führen. Wir besuchten zahlreiche Veranstaltungen, wurden zu After-show-Partys eingeladen und trafen Stars der Szene, die auch in Deutschland populär sind.Ein weiterer Höhepunkt waren die Treffen mit SchülerInnen der „Tokio School of Music“. Wir unternahmen viel gemeinsam, disku-tierten in englischer Sprache und tauschten uns über die Lebens-weisen in Deutschland und Japan aus.Doch jetzt kommt es: ein Journalist einer großen japanischen Zei-tung wurde auf den Besuch aus Deutschland aufmerksam und berichtete über unser J-Rock-Projekt. Der Artikel wurde auch in einem der größten japanischen Webportale veröffentlicht und in der internationalen Zeitung »Weekly Journey«.Heute morgen war dann erst einmal frei, doch es trafen sich alle beim Shoppen und dann hier im Internetcafe. Gleich geht es weiter zu Crown Records. Dort interviewen wir Gackt‘s Director und werden noch einiges mehr über Visual Kei erfahren. Und im Anschluss nehmen wir mit unserer Partnergruppe noch mal die verschiedenen VK-Szenen unter die Lupe. Am Abend ist dann Karaoke singen – um die 20 Leute in einer Kabine: lassen wir uns überraschen.

Manege frei!

Ayman ist aufgeregt, das Licht flackert, er springt vom Trapez und

landet sicher. Applaus.

Maria wirft noch einen kurzen Blick auf ihr Publikum, ein Trommelwir-

bel: dann der Salto. Der Kopf berührt nicht den Boden. Applaus.

Sabrin kämpft mit dem Einrad, vor und zurück, schnell vor und zurück,

den Blick nach vorn, die Arme nach oben. Applaus.

Im Publikum in Jerusalem sitzen orthodoxe Juden neben mosle-

mischen Frauen mit züchtigem Kopftuch und neben jungen Akro-

batenmüttern mit freiem Bauchnabel. Zirkusalltag? Circolibre!

Circolibre ist der Name einer Initiative, die im Jahr 2004 beim

Cabuwazi Kinder- und Jugendzirkus in Berlin ihren Anfang nahm.

Diese Gruppe von Zirkus- und TheaterpädagogInnen, ArtistInnen

und OrganisatorInnen engagiert sich ehrenamtlich im Austausch

mit Kinder- und Jugendzirkusgruppen aus Israel und aus den palästi-

nensischen Gebieten.

Die Grundidee der Jugendbegegnungen von Circolibre ist,

dass die TeilnehmerInnen für eine bestimmte Zeit zusammen leben,

trainieren und auftreten. Durch das gemeinsame Handeln für ein

Ziel, in der Regel eine gemeinsame Zirkusaufführung, soll die aktive

Begegnung zwischen den TeilnehmerInnen gefördert werden. Bei den

gegenseitigen Programmen legt Circolibre einen besonderen Wert

auf die Qualität sowohl der Zirkus-,als auch der Austauschpädagogik,

um die Lebensumstände und den Alltag der Jugendlichen aus dem

Partnerland nachhaltig vermitteln zu können. Damit dieser Anspruch

verwirklicht wird, konzentriert Circolibre die Programminhalte der

Begegnung nicht nur auf gemeinsame Trainings oder Proben, sondern

sieht den Kern des Projekts in der individuellen Begegnung und dem

gegenseitigen Kennenlernen der Jugendlichen untereinander.

Gemeinsam und doch getrennt

Im August 2006 besuchten Jugendliche der Israel Circus School aus

Kfar Yehoshua und des Maghar Circus den Kinder- und Jugendzirkus

Cabuwazi zu einem gemeinsamen Begegnungsprogramm in Berlin.

16 Jugendliche, sowohl Juden als auch AraberInnen, trafen eine

deutsche Gruppe junger ArtistInnen, bereiteten eine gemeinsame Zir-

kusshow vor und erlebten gemeinsam spannende und interessante

Tage. Es war der Wunsch aller TeilnehmerInnen und TeamerInnen, die-

sem Aufenthalt auch eine Rückbegegnung in Israel folgen zu lassen.

So kam es, dass im April 2007 zum ersten Mal eine Berliner Jugend-

gruppe zu einer Begegnung nach Israel reiste, die jüngste Teilneh-

merin 14, die älteste 18 Jahre alt.

Als alles geklärt war, die Fördermittel gesichert, die Eltern

überzeugt und die Requisiten verpackt waren, gab es zwei Tage vor

der Abreise dann fast doch noch das Aus für die Begegnung. Die bei-

den israelischen Organisatoren der jüdischen Zirkusgruppe aus Kfar

Yehoshua und der arabisch-drusischen aus Maghar, hatten unüber-

windbare Differenzen, die ein gemeinsames Programm unmöglich

machten. Die Begegnung musste anders arrangiert werden. Schließ-

lich wurde sich mit beiden Partnern geeinigt, dass die deutsche

Gruppe die Hälfte der Zeit bei dem einen Partner bleibt, um danach

die andere Hälfte der Zeit mit dem zweiten Partner zu verbringen.

Patch-Work-Beziehungen gibt es also auch in der internationalen

Jugendarbeit. Die deutschen TeilnehmerInnen bekamen ihre erste

Einheit in interkulturellem Lernen, noch bevor das Projekt begonnen

hatte:

Circolibre – Toleranz in der Manege

TITEL /// CircolibrePRoGRAMMFoRM /// Bilaterale Jugendbegegnung (mehrjähriges Gesamtprojekt)KüNSTLERIScHE SPARTE /// ZirkusZEIT /// 29.03. – 10.04. 2007, Kfar Yehoshua, Maghar (Israel)TEILNEHMER/INNEN /// 30 (je 15) Teilnehmende aus Deutschland und IsraelFÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ PARTNER /// Israel: Israel Circus School (Kfar Yehoshua) und Maghar Circus (Maghar)TRäGER /// Circus Cabuwazi

20 _ Circolibre

„Die Jugendlichen reagierten zuerst überrascht auf die Änderungen,

konnten sich jedoch flexibel und offen auf die neue Situation ein-

stellen. Unter Anleitung und Begleitung der TeamerInnen haben sie

sich außerdem mit der Situation, ihren Ursachen, sowie möglichen

Lösungsansätzen auseinander gesetzt.

Trotzdem liefen die Begegnungen während des Trainings und dem Auf-

enthalt in beiden Orten erfolgreich ab und vertieften die Beziehungen

und Freundschaften der Jugendlichen beider Länder. Dies wurde unter

anderem auch in den abschließenden Präsentationen mit viel Freude

und Einsatz zum Ausdruck gebracht.“ (Anne Timm)

Der interkulturelle Anspruch

Circolibre vermittelt Zirkus und der Zirkus steht auch im Mittelpunkt

der Maßnahme. Sonst könnten die Jugendlichen ebenso gut mit einem

Reiseveranstalter in ferne Länder fahren oder sich in internationalen

Spaßcamps treffen. Es wird erwartet, im Austausch mit anderen oder

durch die internationalen TrainerInnen neue Techniken zu lernen oder

schon gelernte Techniken zu verbessern. Zirkus ist nicht national-

staatlich vorbelastet, Zirkus gehört nicht zum nationalen Kulturer-

be eines bestimmten Landes, ist nicht typisch spanisch, indisch,

russisch oder brasilianisch. Doch es gibt schon deutliche kulturelle

Unterschiede in den Stücken und Darbietungsformen, die einen inter-

nationalen Austausch auch seitens der Zirkus-Fachlichkeit lohnens-

wert machen. Beispiele dafür sind der in Israel andere Umgang mit

dem Publikum, bzw. der Umgang des Publikums mit den ArtistInnen,

oder die vermehrt eingefügten Tanzeinlagen im arabisch-drusischem

Zirkus.

Neben dem Erlernen akrobatischer Fähigkeiten erfuhren

die TeilnehmerInnen durch das Training den Geist der Toleranz, des

gegenseitigen Respekts und des Verantwortungsbewusstseins - die

Voraussetzung für gemeinsame künstlerische Arbeit. Sie lernten,

ihre Ängste zu überwinden, die eigenen Fähigkeiten einzuschätzen

und wurden in ihrem Selbstbewusstsein durch den Erfolg gestärkt.

Die Freude am Gemeinsamen schuf eine wichtige Grundlage für das

wachsende Vertrauen, denn die Zirkuskultur lebt von gegenseitigem

Respekt, Toleranz und Vertrauen.

Zum Lernen übereinander gehört die Sprache und auch

hier ist die Methode Zirkus im Vorteil, denn im Zirkus stellt die Spra-

che keine unüberwindbare Grenze dar - ob in Kreuzberg, Jerusalem

oder Maghar. Wenn junge AkrobatInnen aus verschiedenen Ländern

und Kulturen menschliche Pyramiden bauen, mit Bällen jonglieren

oder am Trapez turnen, ist nicht nur das Publikum davon überzeugt,

dass sie sich mit „Händen und Füßen“ verstehen. Sicher hat dabei das

Machbare auch Grenzen, denn selbstverständlich gibt es bei Circoli-

bre auch Diskussionen, Auswertungsrunden und Konflikte, die einer

verbalen Kommunikation bedürfen.

Doch das wichtigste Ziel jeder internationalen Begegnung,

den interkulturellen Austausch, sieht die Circolibre-Gruppe neben

gemeinsamen Exkursionen vor allem durch das Zusammenleben

in den Gastfamilien erreicht, wo die Lebensrealität am stärksten

gespürt und mit den GastgeberInnen besprochen werden kann:

Circolibre _ 21

Hier sind Vera & Anja aus der Gastfamilie von Hallel!

„... gegen 18.30 Uhr sind wir ins Auto gestiegen und nach Giv‘at Ela

zu Jonathans Familie gefahren, um dort mit gut 20 Leuten Pessach

zu feiern.

Nachdem uns alle mehr oder weniger begrüßt haben, saßen wir

gelangweilt auf dem Sofa. Der Tradition nach mussten wir alle

die Geschichte von Moses lesen und viele Bräuche erfüllen. Nach

wirklich viel komischem Essen, wie gefülltem Fisch, gab es auch lecke-

res Essen. Ihr wollt wissen was? Ihr werdet es nicht glauben, aber es

gab SCHNITZEL!!! Wenn man schon richtig voll gefressen war, fingen

sie an den Nachtisch aufzutischen (Brotkuchen) und viele Lieder

zu singen ...“

22 _ Circolibre

Die ganze Vielfalt internationaler Jugendarbeit in einem Zirkus:

Jugendbegegnungen, internationaler Freiwilligendienst, Fachkräf-

teprogramme und europäische Vernetzung

Seit 2004 führt die Projektgruppe Circolibre (des Kinder- und

Jugendzirkus Cabuwazi) jährlich mehrere Fachkräfte- und Jugend-

austausch-Programme im Nahen Osten und Deutschland durch.

Dabei wird bewusst mit Zirkussen aus den verschiedenen Regionen,

unabhängig des politisch-kulturellen Kontextes, in dem sie leben,

zusammen gearbeitet. Von Anfang an wurden zwei Projekte paral-

lel durchgeführt. Begegnungsprogramme mit Jugendzirkussen aus

Israel wurden realisiert und Zirkusprojekte in der Westbank durch-

geführt, jeweils mit dem Ziel der Unterstützung von Zirkusgruppen

und des Austausches mit den Menschen. Da sich eine Zusammenar-

beit zwischen Israelis und PalästinenserInnen als schwierig erwies,

ließ Circolibre die Projekte separat laufen, wollte die Aktivitäten aber

nicht vor den Partnern oder der Öffentlichkeit verheimlichen, und

den Kontakt auf beiden Seiten nicht missen. So wurden gemeinsame

Begegnungen dennoch möglich – in Berlin lernten sich Israelis und

Palästinenser beim Besuch des internationalen Jugendfestivals von

Circus Cabuwazi in den Jahren 2005 und 2007 kennen.

Im September 2006 kamen Eslam Gabi (aus Nablus) und Aaron Tobi-

ass (aus Jerusalem) als erste Europäische Freiwillige von den Zir-

kuspartnern in Israel und der Westbank für ein Jahr nach Berlin. Das

Engagement, finanziert über den Europäischen Freiwilligendienst,

wird auch 2007 und 2008 mit neuen Freiwilligen weitergeführt.

Seit seiner Gründung im Jahr 1996 organisiert Cabuwazi regelmäßig

Austauschprogramme mit anderen Kinder- und Jugendzirkussen aus

Europa. Auch die Jugendzirkusszene in Europa hat die Notwendigkeit

europäischer Zusammenarbeit erkannt und im Herbst 2005 das Net-

work for international Circus Exchange – NICE in Berlin gegründet.

Die Vorteile dieser Vernetzung sollen sich durch eine Vielzahl und

Vielfalt gemeinsamer Programme, vor allem für die teilnehmenden

Jugendlichen auswirken, aber auch die Kooperation untereinander

vereinfachen.

Schatzkiste: ein Ethik-code!

Ein Ethik-Code ist eine öffentliche Selbstverpflichtung auf eine ver-

bindliche Grundlage aller Entscheidungsprozesse und Tätigkeiten.

Der Ethik-Code ist ein Bezugsrahmen, aus dem im Einzelfall konkrete

verhandelte Verhaltens- und Handlungsanweisungen abgeleitet

werden können. Bekannte Beispiele sind die Ethik-Codes bei den

Profi Radfahrern der Tour de France oder den Models der italienischen

Modebranche.

Der Ethik-Code von Circolibre ist etwas Besonderes und

wohl eher selten im Feld der internationalen Jugendarbeit. Ein gutes

Beispiel, das Vorbild für viele OrganisatorInnen von Jugendbegeg-

nungen sein kann. Hier einige Auszüge des 15-Punkte-Ethik-Codes:

Hallo hier ist Charlien!

„Also ich erzähle was von meiner arabischen Gastfamilie, weil die

einfach mal der Hammer war. Katja und ich hatten so Glück, dass

wir so eine perfekte Familie hatten. Es ging schon am Anfang los.

Wir wurden total herzlich und warm empfangen. Als wenn wir uns

schon Jahre kennen würden. Die Familie hat sich so um uns geküm-

mert, als wären wir ihre echten Töchter. Wir haben jeden Tag total

leckeres Frühstück bekommen und selbst unsere Sachen hat sie

gewaschen. Und wenn wir unser Bett machen wollten, ist unsere

Gastmama schon richtig böse geworden, da sie es machen wollte,

um uns die Arbeit abzunehmen.

Sie ist immer voll früh mit uns aufgestanden, obwohl sie noch länger

hätte schlafen können. Und weil das alles so schön war, war der

Abschied besonders hart. Wir haben sogar ein Geschenk bekom-

men. Aber das tollste war, dass sie noch einen Ausflug mit Katja

und mir gemacht haben. Und zwar dahin wo meine Oma geboren

wurde.“

Circolibre _ 23

Alle Freiwilligen und MitarbeiterInnen von Circolibre verpflichten sich

auf folgende Grundsätze:

1. Das grundlegende Ziel von Circolibre ist, mit den Mitteln des Zirkus

Freude und Freundschaft zu leben. Wir begeben uns deshalb an

sozial und politisch ausgegrenzte oder benachteiligte Orte auf

der ganzen Welt, um spielerisch und staunend, lachend und sehr

ernsthaft innere und äußere Grenzen zu überwinden.

4. Wir nehmen nicht aus finanziellen Gründen an Projekten von

Circolibre teil. Wir sollten keinen ökonomischen Nachteil erleiden,

aber auch keinen Vorteil erzielen. Für einen besonderen Auf-

wand kann eine Entschädigung gezahlt werden. ...

10. Beim Zusammenstellen eines Programms/Workshops nehmen

wir Rücksicht auf die Sensibilität der Menschen, ihre Kultur und

die spezielle Situation, in der sie leben.

11. Wir informieren uns im Vorfeld einer Reise über die politische

Lage, die Gesetze, die Kultur, die medizinische Situation und son-

stige Besonderheiten des Landes. Wir setzen uns mit unseren

eigenen (persönlichen) Identitäten sowie den jeweiligen kultu-

rellen und politischen Unterschieden auseinander, um uns sensi-

bel und einfühlsam im anderen Land bewegen zu können.

12. Wir erstellen Dokumentationen und Auswertungen unserer Pro-

jekte und Aktivitäten, um unsere Erfahrungen weitergeben, ver-

arbeiten und verbreiten zu können. Von unseren Reisen wollen wir

das persönlich Erlebte und Gefühlte weitererzählen.

13. Circolibre finanziert sich über Spendengelder, Mitgliederbeiträge,

Sponsorengelder, Benefizveranstaltungen, Fördermittel u.a.

Wir achten auf die ethische, menschenrechtliche und umwelt-

politische Einstellung unserer Sponsoren und Partner.

Kontakt

Circus Cabuwazi

Bouchéstr. 75, 12435 Berlin

Fon: 030.53 00 04-22

[email protected]

www.cabuwazi.de

Seit 1997 führt der Offene Kunstverein Potsdam regelmäßig euro-

päische Jugendbegegnungen durch oder beteiligt sich an denen der

Partnerorganisationen. So konnten in den vergangenen Jahren etwa

200 Jugendliche an internationalen künstlerischen Begegnungen

teilnehmen. Immer waren es anspruchsvolle, inspirierende Projekt-

inhalte die sowohl in bildender als auch in darstellender Kunst ihren

Ausdruck fanden. Vom Schauspiel mit bespielbaren Großplastiken bis

zur Performance oder eigenen Filmproduktionen, konnten immer wie-

der neue künstlerische Techniken vermittelt werden, die im Rahmen

der Jugendbegegnungen das Medium für interkulturelles Lernen und

europäische Verständigung bildeten.

Es war einmal ... – la fabbrica dei racconti

Polignano a Mare, Süditalien, April 2007: Eine Gruppe von 40 Jugend-

lichen findet einen gemeinsamen Rhythmus: Am Morgen „ice-brea-

king games“, die alle miteinander bekannt machen: Durch Bewe-

gung und kleine theatralische Übungen. Auch die bisher im Theater

Ungeübten bekamen Mut, trauten sich was. Zwei Tage lang wurden

Geschichten erzählt, nein, sie wurden gespielt, durch die Form des

Erzähl-Theaters, der Mime, des gemeinsamen Bewegungs-Reper-

toires der Menschheit, das sprachliche Grenzen durchbricht.

Die Geschichten mussten im Vorfeld der Begegnung durch die Teil-

nehmenden gesammelt werden – Legenden und Sagen der Regionen,

vermitteltet von den Großeltern oder lokalen MigrantInnen.

Geprobt wurde in einem Sozialzentrum; hier treffen sich meist

nur ältere Menschen, um gemeinsam den Tag zu verbringen – neugie-

rig schauten sie nun den Proben der jungen Leute zu und am Sams-

tagabend wurde dann gemeinsam das Tanzbein geschwungen.

Am Sonntag das Kennenlernen der näheren Umgebung –

die spanische Gruppe hat ein Stadt-Spiel entwickelt, das die Teilneh-

menden bis weit nach Mitternacht in alle Winkel der schönen Altstadt

am Meer treibt.

In den folgenden Tagen wurden in mehreren kleinen Gruppen

Geschichten zu Szenen verdichtet und an verschiedenen Orten in der

Altstadt ausprobiert. Es entsteht eine neue Sprache aus deutschen,

englischen, italienischen, spanischen und bulgarischen Elementen

– Musik kommt dazu; unplugged, sparsam; ein bisschen Mundhar-

monika, Schlagzeug und die Geräusche der Stadt.

Nach einer Woche ist es soweit „Es war einmal – era una vez

– once upon a time“ – die kleine Stadt am Meer erlebt zum ersten

Mal eine internationale Inszenierung in ihren Gassen, auf Plätzen

und Terrassen. Es wird erzählt vom Dummkopf und den Feen; von den

Drei Gleichen, vom Zarewitsch; von Heiligen und Helden; von bösen

Königen und ihrer Bestrafung - am Ende eine Prozession durch die

Stadt und glückliche TeilnehmerInnen des Projekts tanzten zusam-

men mit den BewohnerInnen von Polignano de Mare.

„Tags zuvor waren wir irgendwo verbuddelt, irgendwo im Alltag, irgend-

wo in Potsdam. 24 Stunden später: Wir alle sind Teilnehmende an

einem internationalen Jugendprojekt in Süditalien. Neben uns noch

SpanierInnen, BulgarInnen und ItalienerInnen. Wir verstehen uns, ler-

nen voneinander, werden unglaublich schnell Freunde. Spätestens am

zweiten Tag legt sich dieses multinationale Potpourri junger Menschen

wie ein schützender Schleier um mich, um jeden – so fühle ich.

Die empfundene Schwere der deutschen Provinz fällt von mir ab wie

Es war einmal ...Eine Geschichte europäischer Jugendlicher, die nicht aufhören können, Geschichten zu erzählen.

TITEL /// la fabbrica dei racconti; erase otra vez; le vite possibili PRoGRAMMFoRM /// multilaterale Jugendbegegnung(en)KüNSTLERIScHE SPARTE /// Theater, LiteraturZEIT /// 21.04. – 02.05.2007, Polignano a Mare, Italien01.10. – 11.10.2007, EL Escorial, Spanien23.12. – 03.01.2008, Polignano a Mare, ItalienTEILNEHMER/INNEN /// Pro Maßnahme 8-9 deutsche und 24-26 TN aus den PartnerländernFÖRDERuNG /// (in Abhängigkeit der 3 Einzelprojekte):Jugend in Aktion, BMFSFJ über BKJ, weiterePARTNER /// Italien: Residue Teatro, Rom; Spanien: Aciocation 217 Matterhorn, Madrid; Bulgarien: art in action, Sofia; Portugal: Ocre, Lissabon TRäGER /// Offener Kunstverein e.V.

24 _ Es war einmal ...

vertrockneter Blätterteig, alle Knoten im Kopf lösen sich. Spätestens

am vierten Tag habe ich das Gefühl, dass trotz langer, konzentrierter

Arbeit unsere Gruppe eine völlig andere Kraft bekommt – magische

Energie. Abends geht man nicht mehr durch kalte geschäftige deut-

sche Straßen, nein wir schweben durch einen italienischen Traum,

durch die schneeweiße Altstadt auf den Klippen, durch verwinkelte

Gassen, sehen hier und da herunter auf einen samtblauen Ozean. Wir

proben in der Altstadt, machen Performance vor PassantInnen.

Obwohl das Schauspiel am Tage merklich an den physischen Kräf-

ten zehrt, werden die Nächte kürzer: Jeder erkennt den Wert der Zeit,

die wir hier verbringen. Auf dem Papier ist es ein Theaterprojekt, in

meinem Kopf wird es immer mehr ein Geschenk. Das Meer wird wär-

mer, das Essen immer besser, liebevoll zubereitete italienische Spei-

sen: Ist das Projektverpflegung oder ein Restaurantbesuch? Langsam

überkommt mich Unbehagen: Ich will nicht weg, noch nicht. Die Auffüh-

rung des erarbeiteten Stücks wird großartig. Am Morgen der Rückreise

gibt es Tränen. Im Zug nach Rom bin ich etwas schwermütig. Dann sagt

jemand, dass das Projekt unser Leben verändert hat. Ich denke: Ja,

hat es – gut so!“ (Maximilian Buschner, Teilnehmer)

Es war noch einmal ... – Erase otra vez

El Escorial, Spanien, Oktober 2007: Die spanischen PfadfinderInnen

haben eine Fortsetzung organisiert! Wieder war der Weg des gemein-

samen Ausdrucks das Theater auf der Straße.

Das Thema dieses Mal: Vorurteile und Tabus. Die Gruppe

tauschte ihre persönlichen Erfahrungen aus und sprach über ver-

schiedene Vorurteile im eigenen Land.

Zwei Tage wurde wieder damit verbracht, sich das vor dem

Projekt gesammelte Material gegenseitig vorzustellen (Interviews,

Videos, Ideen) und versucht, eine klare Vorstellung davon zu bekom-

men, was gesagt werden soll und welche Botschaft auf der Straße

vermittelt werden kann. Nach einigen Tagen harter Arbeit in drei

gemischten Gruppen gab es drei Aufführungen, zwei davon in El Esco-

rial und eine in Madrid.

„Es war eine besondere Erfahrung für mich, auf dem „Plaza de España“

in Madrid zu spielen. Dort war ich so oft in meinem Leben! Ich komme

aus Madrid und ich wohne seit einem Jahr in Deutschland. Zum ersten

Mal konnte ich mit ausländischen Augen meine Stadt ansehen - mit

den Augen von Menschen aus vier verschiedenen Ländern.

Für einige TeilnehmerInnen war der Geschmack des Wassers

komisch. Andere deutsche Jugendliche hatten den Eindruck, dass

die typische spanische „Tapas Bar“ einem Dönerladen in Deutschland

glich: keine Kerzen, viele Spielautomaten, kleines Bier (caña) und sehr

gute Kleinigkeiten zu essen. Es ist interessant zu sehen, wie wir alles

aufgrund unserer eigenen Erfahrungen wahrnehmen.

Mit Menschen anderer Nationalität Theater zu spielen ist

anders: Wir haben unsere Muttersprache nicht zur Verfügung und so

müssen wir uns mit Hilfe von etwas anderem ausdrücken, und das ist

für mich die Essenz von Theater dieser Art und in dieser besonderen

Situation: die Magie der wortlosen Kommunikation.“

(Nathalie Fribourg, Teilnehmerin, Europäische Freiwillige beim

Offenen Kunstverein Potsdam)

Es war wieder einmal ... – le vite possibili

Polignano a Mare, Süditalien, Dezember 2007: Die Italiener haben

wieder eingeladen, schon bekannte, aber auch neue Partnerorgani-

sationen und TeilnehmerInnen sind der Einladung gefolgt! Der 3. Teil

der „Fabbrica dei racconti“ war diesmal „auf der Suche nach dem Glück

– der vite possibili“ (der möglichen Leben). Ein erster Schritt des Pro-

jektes war wiederum die intensive thematische Auseinandersetzung

in der Vorbereitung - Immigration im eigenen Land, im Leben anderer

Menschen aus der unmittelbaren Umgebung. In dem Interviewmate-

rial gab es überraschend viele Parallelen: das Bewusstsein nationaler

Identität ist eine Seltenheit, obwohl auch wiederholt das Phänomen

der „Bewusstwerdung der Identität des Herkunftslandes in der Ferne“

auftrat. Für keinen Interviewpartner war die Frage nach Heimat und

Identität leicht zu beantworten. Immigration ist und bleibt ein unge-

löstes Problem. Grenzen zwischen den Menschen und zwischen den

Es war einmal ... _ 25

26 _ Es war einmal ...

Ländern stellen ein im Kern unlösbares Problem dar. Bei der Projektar-

beit gelang es, aus diesem Dilemma kreative Impulse abzuleiten, auf

der Grundlage einer Präsentationsform mit offenem Ende.

„Deutschland wurde im Allgemeinen geschätzt für seine Sauberkeit

und Rechtsstaatlichkeit, die Deutschen gelten weiterhin als eher

humorlos und rational, aber freundlich. Diese Einschätzungen erwie-

sen sich teilweise als Vorurteil. Wir als junge Deutsche reagieren auf

derartige Wesenszuschreibungen eher mit Widerwillen.“

(Philip Baumgarten, Teilnehmer)

Es wird einmal ... – Spur der Spiele

Potsdam, Deutschland, Juli 2008: Junge Menschen aus verschie-

denen europäischen Ländern sollen Aktionsformen von künstle-

rischem Spiel entdecken, aufspüren und kommunizieren. Neben

dem Kennenlernen von verschiedenen Spielformen und Spielweisen

soll die Frage gestellt werden: Wie wird in unterschiedlichen europä-

ischen Kulturen gespielt, gibt es kulturelle Unterschiede des Spie-

lens? Aber da beginnt schon wieder eine weitere Geschichte, sie soll

ein anderes mal erzählt werden ...

Schatzkiste: ownership – Besitztumsgefühl

Wurde das erste Projekt noch durch MitarbeiterInnen des Vereins

vorbereitet und maßgeblich begleitet, gab es im zweiten und dritten

Teil (die vorher nicht geplant waren) einen beispielhaften Wechsel

des Besitztumsgefühls und damit auch der inhaltlichen und organi-

satorischen Verantwortung, weg von den Hauptamtlichen hin zu den

Jugendlichen. Es wurde ihr Projekt, sie wollten sich wieder begegnen

und ihre Erfahrungen vertiefen. Nur so, durch die Weitergabe von Ver-

antwortung und das möglich machen von eigener Gestaltung, kann

eine Folgegeneration von internationalen ProjektteamerInnen und

-organisatorInnen entstehen.

„Der Erfolg dieses mehrteiligen Projekts, die Kontinuität der Begeg-

nungen hat uns selbst auch sehr überrascht. Der Wille der Jugend-

lichen, weiter machen zu wollen und die Intensität der thematischen

Auseinandersetzung im Vorfeld war überwältigend. Es war wie eine

magische Kraft, die von dem ersten Projekt in Italien ausgegangen

ist.“ (Ulrike Schlue)

Kontakt

Offener Kunstverein e. V.

Ulrike Schlue

Hermann-Elflein-Str. 10, 14467 Potsdam

Fon: 0331.647 10 20

[email protected]

www.okev.de

Die Wirklichkeit _ 27

Benin, ein kleines Land im Westen Afrikas. Afrika, der fremde Konti-

nent. Bilder entstehen im Kopf. Bilder, geprägt durch Berichte, Mel-

dungen, Nachrichten aus den Medien. Doch wie sieht die Wirklichkeit

aus? Helfen Mittel der Kunst, die Wirklichkeit genauer, intensiver, mit

allen Sinnen wahrzunehmen und dann auch besser zu verstehen? In

der Begegnung zwischen Deutschland und Benin wurde über ver-

schiedene Tanz- und Musikformen und mit den Mitteln der Fotografie

das Fremde erspürt, beobachtet, erfahren, bis es etwas vertrauter

geworden ist.

Dem unbekannten entgegen kommen

Die Reise nach Benin begann noch in Deutschland. Die dreizehn

Leipziger TanzschülerInnen der Musikschule Johann Sebastian Bach

haben sich intensiv darauf vorbereitet. Bei den gemeinsamen Vor-

bereitungstreffen haben sie Bilder aus dem Land angeschaut; auf

der Karte nach berühmten Orten, die sie besuchen wollten gesucht;

Listen zusammengestellt, was unbedingt mitgenommen und beach-

tet werden muss und Erfahrungsberichten der Projektleiterin über

Afrika gelauscht. Sie haben sich auch vorbereitet, Armut und Not zu

begegnen. Sie wollten nicht nur Gäste und BeobachterInnen sein,

haben Spenden für ein Kinderprojekt in Benin gesammelt. Dabei

versuchten sie sich in die Situation der Kinder hinein zu fühlen und

die Welt mit ihren Augen zu betrachten: „Was brauchen die Kinder

am meisten? Worüber würden sie sich freuen?”. Die Auseinanderset-

zung damit, was es in Benin nicht geben könnte und was Kindern und

Jugendlichen eine Freude bereiten würde, ohne dass das Gefühl des

Almosenempfangens entsteht, war ein wichtiger Schritt, um die Per-

spektive der anderen Seite anzunehmen, um sie respektieren und

verstehen zu können.

Andere Seite berühren

Das Erleben der Fremdheit der afrikanischen Wirklichkeit an sich war

eine wichtige interkulturelle Erfahrung. Die Exkursionen, Unterneh-

mungen, Marktbesuche eröffneten die Möglichkeit, sich ein Bild über

das Land und dessen Lebensformen zu machen. Auch die Begeg-

nungen mit Menschen, die sehr hart arbeiten und dennoch fast nichts

besitzen und trotzdem Zufriedenheit und Fröhlichkeit ausstrahlen,

hat viele zum Nachdenken gebracht. Die Jugendlichen brachten diese

enorme Erlebnisflut in ihren Tagebüchern, Gesprächen, Diskussionen

und in der gemeinsamen kreativen Arbeit zum Ausdruck.

„In Benin haben wir die Wirklichkeit gesehen – unsere Wirklichkeit,

als EuropäerInnen mit europäischem Blick. Ein wenig konnten wir in

die Wirklichkeit unserer beninschen Freunde eintauchen, konnten

sie schmecken, fühlen, riechen, ihren Rhythmus, ihr Tempo leben. Im

gemeinsamen Tun haben wir gespürt, wie nah wir einander in Wirklich-

keit sind. Dazu waren die Workshops in modernem und afrikanischem

Tanz und Perkussion sowie Fotografie und die gemeinsamen Unter-

nehmungen wunderbare Gelegenheiten.“ (Marit Vissiennon)

Entdecken

Die Wirklichkeit erschließt sich jedoch nicht nur über Äußeres. Dazu

gehört auch das Wissen darüber, wie das Leben organisiert ist, wie

Schule und der Übergang in Ausbildung und Beruf funktionieren und

welche Lebensperspektiven sich Jugendlichen in Benin bieten. Und

das kann nur in einem unmittelbaren Austausch entdeckt werden.

Die Wirklichkeit mit eigenen Augen sehen

TITEL /// Fremde. Die Wirklichkeit mit eigenen Augen sehen, Beninisch – deutsches Kulturatelier PRoGRAMMFoRM /// bilaterale Jugendbegegung (Rückbegegnung geplant für 2008) KüNSTLERIScHE SPARTE /// Musik, Tanz, Foto ZEIT /// 22.07.-06.08.2007, Abomey-Calavi, BeninTEILNEHMER/INNEN /// 13 Deutsche und 16 beninische Jugendli-che zwischen 17 und 26 JahrenFÖRDERuNG /// BMFSFJ durch BKJ, Botschaft Benins in Berlin,Deutsche Botschaft in CotonouPARTNER /// GALOP Solidarité (Benin) TRäGER /// LKJ Sachsen e. V.

Im Miteinander das Andere entdecken, den Wahrheitsgehalt gängiger

Klischees überprüfen, die Barriere vor dem Anderen, Fremden etwas

kleiner werden zu lassen, war Ziel dieser Jugendbegegnung.

Musik, Tanz und Fotografie als künstlerische Ausdrucksmittel wurden

vor allen genutzt, um den Kontakt und die Begegnung Miteinander zu

befördern und den Blick für die Realität für einander zu schärfen.

Neben den (unerwarteten) wunderbaren Entdeckungen der Gemein-

samkeit und der Vertrautheit, bereicherten auch anderen Facetten

des interkulturellen Lernens die Erfahrungen der Jugendlichen.

„Ich habe durch diesen Kanal des Kulturaustauschs mit unseren deut-

schen Freunden ein gewisses Bild vom europäischen Kontinent und

besonders von Deutschland entdeckt und ein beeindruckendes Bild

ist, wie die jungen Deutschen auf der Zeit reiten. Diese Kultur ist ganz

verschieden von der Kultur der Gummizeit in Benin. Das war eine Gele-

genheit, zu versuchen, eine Antwort auf meine Fragen zu finden wie:

Warum hat Europa alle diese gesellschaftlichen Probleme, obwohl sie

Wohlstand haben und auch die Gelegenheit, die positiven Tatsachen

ihrer Kultur zu analysieren und daraus wirklich eine Lehre für unsere

sozial-kulturelle Entfaltung zu ziehen?“ (André Oke Loko, Benin)

Im Fotografie-Workshop ging es um das genaue Wahrnehmen und das

gemeinsame Auswerten der fotografierten Realität. Am Anfang arbei-

teten die Teilnehmenden in nationalitätsgemischten Gruppen und

später gingen sie getrennt auf Motivsuche, um 'typisch afrikanisches'

festzuhalten. Bei der Präsentation zeigte jede Gruppe zunächst ihre

Fotos. Danach gab es Reaktionen und Assoziationen durch die andere

Gruppe sowie Erläuterungen der Fotografien, was sie mit dem kon-

kreten Foto verbinden. Es war der Abend mit den intensivsten inter-

kulturellen Erfahrungen und Auseinandersetzungen. Für beide Seiten

war es frappierend zu bemerken, wie unterschiedlich die Blickwinkel

auf ein und dasselbe Bild sein können und wie jene durch die eigene

Kultur vorgeprägt sind.

Das Erlebte mitteilen

Die Abschlusspräsentation der Kulturwerkstatt fand im Rahmen einer

Gala im Palais de Congrès in Cotonou statt, zu der eine Vertreterin

des Jugendministeriums sowie der deutsche Botschafter anwesend

waren. Sie würdigten dabei die Bedeutung dieses in seiner Form sel-

tenen Brückenschlags. Die Präsentation zeigte in einer Choreografie,

in der Elemente des modernen Tanzes mit beninschen Tanzschrit-

ten verbunden wurden, das Aufeinanderzugehen der Jugendlichen

beider Kontinente. Die Fotoausstellung, Erfahrungen und Erkennt-

nisse der TeilnehmerInnen „in Kunst verpackt“ wurden auch nach

Deutschland gebracht, um sie im Rahmen entwicklungspolitischer

Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Afrikanischen

Gesellschaft Leipzig den Familien, Freunden und der Öffentlichkeit

vorzustellen.

Veränderung vollziehen

Die Auswirkungen bei den TeilnehmerInnen reichen von der Faszina-

tion von Land und Leuten über die Erweiterung des eigenen Horizonts

und spürbare Verhaltensänderungen bis hin zu entstandenen Freund-

schaften. Die Jugendlichen tragen ihre Faszination in ihre Familien-,

Freundes- und Bekanntenkreise und sorgen damit in kleinem Rahmen

für die Verbreitung eines positiven Afrikabildes.

„Das Reisen in ein Entwicklungsland hat die Auseinandersetzung mit

den Fragen des Reichtums und der Armut und nach “den wichtigen

Dingen im Leben” zur Folge. Gerade für junge Menschen in der Ori-

entierungsphase ist das eine unersetzliche Möglichkeit, sich grund-

sätzlichen Lebensfragen zu stellen. Das Erleben von Situationen,

für die es keinen durch Sozialisation erworbenen “Handlungsplan”

gibt, bringt den Einzelnen an Grenzen, gibt ihm aber auch die Chance

diese Situation leben zu lernen. Durch die Projekterfahrung wurden

die Jugendlichen motiviert, wieder bei einem Afrikaprojekt mitzuma-

chen oder sogar sich freiwillig auf diesem Kontinent zu engagieren.”

(Marit Vissiennon)

28 _ Die Wirklichkeit

Die Wirklichkeit _ 29

Schatzkiste: umsetzung des interkulturellen Lernens

Der Prozess des interkulturellen Lernens wurde in dem gesamten Pro-

jektzeitraum professionell angeleitet und begleitet. Die deutschen

Teilnehmenden wurden beim Vorbereitungstreffen auf die fremde

Kultur vorbereitet und sensibilisiert, offen mit dem Erleben von nicht

vertrauten Situationen umzugehen. Das Eintauchen in die andere Kul-

tur wurde durch eine Vielfalt der Impulse und unmittelbare Begegnung

mit Jugendlichen angeregt. Durch die Möglichkeiten der verbalen und

künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Erlebten in der deut-

schen und in der internationalen Gruppe konnten die Beobachtungen

und Eindrücke der Teilnehmenden aus verschiedenen Perspektiven

reflektiert werden. Die Zusammenarbeit in den Workshops und die

Auseinandersetzung mit der subjektiven Sicht der Dinge hat verdeut-

licht, dass nicht nur Beobachtungen und Vergleiche zum Kennenler-

nen der anderen Kultur führen. Dass vor allem die Offenheit, eigene

kulturelle Vorprägung wahrzunehmen und Mut, sie zu hinterfragen

notwendig sind, um andere Kulturen verstehen und respektieren zu

können, wurde den Jugendlichen spürbar nahe gebracht.

Kontakt

Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und

Jugendbildung (LKJ) Sachsen e.V.

Marit Vissiennon

Sternwartenstr.4 , 04103 Leipzig

Fon: 0341.257 73 35

[email protected]

www.lkj-sachsen.de

www.kulturaustausch-benin-leipzig.de

„Die Leute gehen heute lieber ins Kino, sehen fern oder hängen vor

der Playstation, statt Romane zu lesen. Also müssen Autoren sie auf

ihre Bücher aufmerksam machen. Provokation ist eine Möglichkeit,

ihnen zu sagen: Wacht auf, beobachtet eure Umwelt, macht euch euer

eigenes Bild, werdet euer eigener Regisseur.“

(Frederic Beigbeder)

Die Gruppe ist angereist. Die meisten Jugendlichen haben eine lange

Fahrt hinter sich – aus Rumänien, Schweden, Slowenien und Ungarn.

Heute ist der erste Tag der internationalen Jugendbegegnung, die

Claudia leitet. Das Juli-Wetter lädt ein zum Arbeiten auf der sonnigen

Wiese am Teich, im Schatten der hundertjährigen Bäume. Das Schloss

bietet eine malerische Kulisse für die Eröffnung. Zur Begrüßung

möchte Claudia das Zitat aus dem Roman von Frederic Beigbeder

„39,90“ vorlesen. Dieses Buch hatte sie bewegt und inspiriert, ein

Projekt gegen die der Medien ins Leben zu rufen. Claudia Martsch ist

19 Jahre alt, Freiwillige im FSJ Kultur Sachsen-Anhalt in der Jugend-

bildungsstätte Peseckendorf und kann es immer noch nicht fassen,

dass es ihr gelungen ist, diese Begegnung zu organisieren. Hier ist

ihre Projektgeschichte.

September 2006

Wie alle Freiwilligen des FSJ Kultur konnte auch Claudia im Rahmen

ihres Freiwilligenjahres ein eigenes Projekt umsetzen. Dies sollte

nach ihrer Vorstellung am Anfang eine Buchbesprechung zu „39,90“

werden. Da aber das Problem der Medien als vierte Macht im Staat

keine rein nationalstaatliche Herausforderung darstellte und eine

Buchbesprechung wenig kreative Beteiligung ermöglichte, hatte sie

sich nach einer Beratung mit dem Team der Bildungsstätte für die

Form einer europäischen Jugendbegegnung, eines internationalen

Jugend-Medien-Workshops entschieden.

Die Idee war da, wie sollte es weiter gehen? Wo ist am Besten

anzufangen, für jemanden, der noch keine Erfahrungen in der Orga-

nisation von internationalen Jugendbegegnungen hat?

Der erste Weg führte sie zu ihren beiden MentorInnen – der

Bildungsreferentin und dem Leiter der Bildungsstätte:

„Claudias Idee war toll. Schon seit geraumer Zeit wollten wir als

Jugendbildungsstätte wieder verstärkt eigene Aktivitäten im Bereich

der internationalen Jugendarbeit durchführen. Leider fehlten uns

bisher oft die Personen und Ressourcen. Ermutigt durch ein Seminar

des Landesjugendamtes und getragen durch die Idee unserer neuen

FSJlerin haben sich diese Möglichkeiten dann erschlossen. Als Bil-

dungsstätte konnten wir sozusagen die Hardware für die Begegnung

liefern – Unterkunft, Verpflegung, Räume. Aber dadurch, dass wir

außer unseren Workcamps im Sommer kaum internationale Maßnah-

men durchgeführt haben, fehlte uns die Software: Partner im Ausland,

ausreichende Fördermittel und Erfahrungen in der Programmgestal-

tung. Wir sind jedoch als Jugendbildungsstätte Peseckendorf Mitglied

in der Arbeitsgruppe EXCHANgE Sachsen-Anhalt. Das Projektbüro der

Arbeitsgruppe hat uns dann einige wichtige Tipps gegeben, bei der

Beantragung der Fördermittel geholfen und die Möglichkeit vermittelt,

an einem Contact-Making-Seminar in Tours/Frankreich teilzunehmen.“

(Torsten Boek, Leiter der Jugendbildungsstätte Peseckendorf)

oktober 2006

Zu dem Contact-Making-Seminar – einer Art Partnerbörse für Orga-

nisationen, Verbände und Initiativen, die Partner für internationale

Jugendbegegnungen suchen – in Tours konnte Claudia nicht selbst

fahren, doch die Bildungsreferentin aus Peseckendorf knüpfte dort

nicht nur die wichtigen Kontakte für Claudias Begegnung, auch wei-

tere Absprachen und Projektpartner für die Bildungsstätte wurden

gesichert. Vor allem die europäische Dimension und Tragweite des

Projektes wurde dort erörtert, organisatorische Fragen, das Profil der

Gruppe, Ziele und Methoden besprochen und schon weitestgehend

festgelegt.

Medienwelten: open your eyes – open your mind!

TITEL /// „Open your eyes! Open your mind!“PRoGRAMMFoRM /// Multilaterale Jugendbegegnung (Erstbegegnung der Partner)KüNSTLERIScHE SPARTE /// Video, bildende Kunst, neue MedienZEIT /// 05.–13.07.2007, Peseckendorf, DeutschlandTEILNEHMER/INNEN /// 22 Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahre aus Deutschland, Rumänien, Schweden, Slowenien, UngarnFÖRDERuNG /// EU Programm „Jugend in Aktion“LVWA – Landesjugendamt Sachsen-AnhaltPARTNER /// Rumänien: HAIR ASOCIATION – Youth Foundation BUZAU, Schweden: A-net Youth forum, Slowenien: Vöter The wind – association for extending information and knowledge, Ungarn: Pillar Foundation TRäGER /// Jugendbildungsstätte des Paritätischen Peseckendorf, Integral gGmbH

30 _ Medienwelten

Januar 2007

Claudia hatte mittlerweile alle Anträge geschrieben und eine Gruppe

von vier deutschen TeilnehmerInnen organisiert. Diese Jugendlichen

haben von nun an gemeinsam die Detailarbeit für das Projekt gelei-

stet: Emails an die Jugendlichen der anderen Gruppen geschrieben,

das Programm für die Begegnung vorbereitet und sich inhaltlich

durch Besuche an der FH Magdeburg und bei der größten Lokalzei-

tung vorbereitet. Da Claudias MitstreiterInnen auch ein FSJ Kultur

absolvierten, nutzten sie die Seminare im Rahmen des Freiwilligen-

dienstes als Plattform für ihre Absprachen. Die Gruppe hat die Flyer

für die Jugendbegegnung entwickelt, Zeitungsartikel in der lokalen

Presse veröffentlicht und Gespräche mit SchülerInnen der Europa-

schule Oschersleben und lokalen Jugendeinrichtungen geführt.

April 2007

Die Partnerorganisationen standen bereit und die TeilnehmerInnen

freuten sich auf die Zeit im Sommer. Nun wäre es an der Zeit gewe-

sen in die gemeinsame Detailplanung zu gehen und ein Vorberei-

tungstreffen der Partner durchzuführen. Leider hatte aber das neue

EU-Programm „Jugend in Aktion“ einige Startschwierigkeiten, so

dass bis Juni keine verbindlichen Förderzusagen gegeben werden

konnten. Das Risiko war für Claudias Bildungsstätte und die euro-

päischen Partner zu hoch, da alle erst einmal selbst für die Kosten

hätten aufkommen müssen. So wurden halt die Vorbereitungen per

Telefon und Email intensiviert. Nicht ideal, aber für die Beteiligten

der einzige Weg.

Juli 2007

Das Projekt hat begonnen und Claudia hat die Passage aus „39,90“

von Frederic Beigbeder vorgetragen. Die Reaktionen waren noch

etwas verhalten, niemand traute sich so richtig zu reden. Doch Clau-

dia ist vorbereitet. Sie weiß, dass es in den nächsten zwei Tagen

erst einmal darum geht, eine offene, gute Gruppenatmosphäre zu

schaffen. Es wird sich kennen gelernt – gegenseitige Interview-

Poster entstehen, Teamübungen im Hochseilgarten werden durch-

geführt und das gemeinsame Programm ausführlich erläutert.

Dann geht es zum Thema. Mitgebrachtes Werbematerial aus der

Heimat wird vorgestellt, Informationen über Medien und Werbung

im Internet werden recherchiert. Jetzt ist es wichtig, darüber ins

Gespräch zu kommen. Dabei hilft ein interaktives Gruppenspiel:

„What’s Europe for you?“ soll die Bedeutung eigener und europä-

ischer Werte hinterfragen.

Eine Woche ist fast schon vergangen. Die Gruppe hat sich

gefunden, das Thema ist erkundet und seit zwei Tagen haben sich

die TeilnehmerInnen in vier Kleingruppen aufgeteilt, wovon sich je

zwei Gruppen mit dem Medium Video und zwei mit dem Medium Print/

Poster beschäftigen. In den Gruppen wurde zuerst das Medium erläu-

tert und ausprobiert. Danach wird Material gesammelt – Interviews in

der Gruppe, beim Offenen Kanal, in einer Werbeagentur und einer Dru-

ckerei. Das Erlebte wird abends zwischen den Gruppen ausgetauscht

und in der Freizeit reflektiert.

„Es war besonders interessant, den Stellenwert der Medienwerbung

in den verschiedenen Ländern zu beleuchten, die Unterschiede im

östlichen und westlichen Europa zu entdecken und uns selbst zu fra-

gen, ob und wie unser Verhalten dadurch beeinflusst wird. Vor allem

vor diesem Hintergrund muss die Medienkompetenz Jugendlicher als

eine der wichtigsten Kulturtechniken des 21. Jahrhunderts stärker

als bisher gefördert werden.“ (Claudia Martsch)

Der Tag der Präsentation der Ergebnisse. Es ist keine öffentliche Auf-

führung. Gäste wurden nur von den Förderinstitutionen, Kooperati-

onspartnern und befreundeten Verbänden eingeladen. Die Jugend-

lichen beachteten die Gäste kaum. Es ist ihr Abend – Spannung, was

die anderen Gruppen geschaffen haben und wie ihre eigene Präsen-

tation ankommt. Bis in die frühen Morgenstunden waren die Filme

geschnitten und an den Szenen „gefeilt“ worden.

Den schwarzen Theatersaal erhellen nun Scheinwerfer. Geför-

dert durch eine spartanische Moderation sind die Filme und Poster

der Mittelpunkt des Abends. Bestaunt vom Publikum, bejubelt von

den TeilnehmerInnen. Danach ein reger Austausch: Reflexion, Lob,

Selbstkritik. Und dann wird gefeiert!

Die entstandenen Poster und Filme werden nicht die Welt

verändern, doch sie haben die Jugendlichen verändert, die sie erstellt

haben.

Vor der Schlosskulisse wird am letzten Tag schnell noch ein Gruppen-

foto zur Erinnerung gemacht. Verwirrung kurz vor dem Abschied, alle

schauen Claudia an – was nun, wie geht es weiter. Claudia tröstet

ihre TeilnehmerInnen als hätte sie selbst diese Abschiedssituationen

32 _ Medienwelten

schon oft erlebt: „Es gibt ein nächstes Mal. Hier in Peseckendorf oder

anderswo, Europa ist jetzt kleiner und vertrauter geworden.“

Schatzkiste: Fachliche unterstützung auf allen Ebenen

Internationale Jugendarbeit braucht Motivation, Vertrauen und ein

unterstützendes, fachliches Umfeld, um neue Generationen von

Projektverantwortlichen und TeamerInnen bilden zu können. Durch

die Möglichkeit, ein eigenes Projekt innerhalb ihres Freiwilligen Sozi-

alen Jahres im Bereich Kultur durchführen zu können, wurde Claudia

motiviert, ein Thema, das sie beschäftigt, mit anderen zu teilen. Nicht

überall ist es innerhalb des FSJ selbstverständlich, diese Freiheit zu

haben. Das Team der Bildungsstätte Peseckendorf hat ihr das Ver-

trauen entgegen gebracht, ein internationales Projekt fast eigenstän-

dig umsetzen zu dürfen. Es wurden seitens der MentorInnen Zeit und

Ressourcen investiert, die nicht nur dem Projekt zu Gute kamen, son-

dern auch der Einrichtung genutzt haben.

Die fehlenden Partnerorganisationen und Fördermittel konn-

ten durch die Zusammenarbeit der Bildungsstätte mit der Arbeits-

gruppe EXCHANgE Sachsen-Anhalt gewonnen werden, einer Art regi-

onalem Netzwerk für internationale Jugendarbeit. EXCHANgE konnte

Erfahrungen mit dem EU-Programm „Jugend in Aktion“ weitergeben

und durch die Vernetzung mit anderen regionalen Strukturen in Eur-

opa, im Rahmen des Netzwerks „YER – Youth in European Regions“,

den Kontakt zu potentiellen Partnern bei einem Contact-Making-

Seminar vermitteln.

So sollte ein Unterstützungssystem aussehen. Die Zusammenarbeit

der Fachkräfte auf lokaler, regionaler und europäischer Ebene haben

es Claudia ermöglicht, innerhalb einer doch relativ kurzen Zeit ihr Pro-

jekt zu verwirklichen.

Kontinuität? Für Claudia ist das keine Frage: natürlich macht

sie weiter. Die Semesterferien im Sommer sind schon fest für das Fol-

geprojekt eingeplant. Sie wird dann als erfahrene Teamerin die neue

FSJlerin bei ihrem Projekt in Peseckendorf unterstützen und einige

neue Bücher hat sie auch schon gelesen

Kontakt

Jugendbildungsstätte des

Paritätischen Peseckendorf, Integral gGmbH

Torsten Boek/Renate Kriegel

Kastanienallee 32, 39398 Peseckendorf

Fon: 039408.903 29

[email protected]

www.Jugend-LSA.de/jugendbildungsstaette

Somos _ 33

„Aber bitte nicht zu Hause nachmachen!“ ruft der Zirkusdirektor

den Kindern im Publikum zu, als sich einige der jungen ArtistInnen

aus Deutschland und Nicaragua barfuss über Glasscherben bewe-

gen. Davor gab es schon grazilen Seiltanz, coole Jonglage, charmante

Clownerie und waghalsige Menschenpyramiden. Zum Abschluss noch

die Einradshow und wieder geht einer der vielen Auftritte des gemein-

samen Austauschprogramms zwischen dem Kinder- und Jugend-

zirkus Radelito aus Köln und dem Zirkus Colorinto aus Corinto erfolg-

reich mit viel Applaus zu Ende. Doch wer das knapp zweistündige

Programm begeistert angesehen hat, kann sich im Entferntesten

nicht vorstellen, welche Arbeit und welches Engagement aller Betei-

ligten dahinter verborgen ist.

Bereits 2005 waren 15 Kölner Jugendliche zu Gast in Nicara-

gua. Ihr Ziel: Zusammen mit den Jugendlichen des Betreuungs- und

Ausbildungszentrums Centro de Menores einen Jugendzirkus in

Corinto ins Leben zu rufen. Neben vielen Ideen, ihren Fähigkeiten und

der Offenheit für etwas Neues, gab es jede Menge Zirkusrequisiten im

Gepäck, die sie durch eigenes Fundraising besorgt hatten.

Dann im Oktober 2006 der Rückbesuch: Drei Wochen lang

waren die 15 Colorintos mit den Radelito FreundInnen aus Köln

zusammen. Dabei standen nicht nur gemeinsame Zirkusproben und

-aufführungen im Programm. Die Unterkunft und Betreuung in den

Familien, die Teilnahme am Köln-Marathon, der Besuch eines Artisten-

Gottesdienstes und viele andere Aktivitäten gestalteten die Maßnah-

me als Höhepunkt der Partnerschaft.

Zusammenarbeit mit einem Land aus Lateinamerika

SkeptikerInnen, die es immer gibt, kennt auch das Somos-Projekt:

„Was soll die ganze Spielerei, die Menschen der Entwicklungsländer

haben überhaupt keine Chance auf einen Beruf in diesem Bereich. Von

eurem Zirkuskram können sie nicht satt werden“. Doch erfolgreiche

Kooperation und Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Schwellen-

ländern verläuft meist nicht in geradlinigen Kausalitäten. Oft sind es

die auf längere Zeit und auf Bewusstseinsveränderung angelegten

Projekte, die dort wo relative Not bestimmend ist, zu nachhaltigen

Veränderungen führen. Bildung und Kultur sind Investitionen in die

Infrastruktur der Lebensverhältnisse. Der Kölner Zirkus Radelito hat

mit seiner Partnerschaft gezeigt, dass es darum ging, positive Kräfte,

Zuversicht und Freude zu vermitteln. Davon war auch der zur Begrü-

ßung aus Berlin angereiste Botschafter Nicaraguas Alvaro Mollona

beeindruckt gewesen: „Die jungen Menschen haben durch die Zirkus-

arbeit eine neue Lebensperspektive erhalten.“

Die Radelitos sind auf dem Gebiet ihrer kulturellen Entwick-

lungszusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen nicht allein. Sie

bekommen und geben Unterstützung in einem informellen Netzwerk

von Personen, Vereinen und Institutionen, die sich auch mit Lateina-

merika und Nicaragua beschäftigen. Neben den Menschen aus dem

näheren Umfeld von Radelito, sind dies vor allem die Stadt Köln mit

ihrem Städtepartnerschaftsprogramm und InWent – Internationale

Weiterbildung und Entwicklung gGmbH mit ihrem ASA–Programm für

entwicklungspolitischen Jugendaustausch.

Die OrganisatorInnen sind überzeugt davon, dass sie mit

ihrem Programm Jugendliche für ein längerfristiges Engagement in

entwicklungspolitischen Fragen gewinnen können. Acht der Somos-

Somos ... viel wertvoller als all das Geld der Welt

TITEL /// Internationale Jugendzirkusbegegnung „Somos“PRoGRAMMFoRM /// Bilaterale Jugendbegegnung mit mehreren Hin- und RückbegegnungenKüNSTLERIScHE SPARTE /// ZirkusZEIT /// 02. – 23.10.2006, Köln, Wiesbaden, weitere OrteTEILNEHMER/INNEN /// 33 im Alter zwischen 12 und 20 Jahren, davon 18 aus Deutschland und 15 aus NicaraguaFÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ, Stadt Köln und Stadt WiesbadenPARTNER /// Nicaragua: Circus Colorinto des Jugendzentrums Centro de Menores, Corinto TRäGER /// Con.Action e.V./Kinder- und Jugendzirkus Radelito

TeilnehmerInnen haben ein von InWent unterstütztes Multiplikato-

rInnen-Training besucht, so dass sie im Sommer 2007 als solche nach

Nicaragua reisen konnten. Mittlerweile gibt es ständig Jugendliche

bei den Partnern in Nicaragua, die ein Freiwilliges Soziales Jahr im

Ausland oder ein ASA-Programm dort absolvieren. Radelito redet nicht

nur über die UN-Dekade „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“,

sondern setzt eigene Aktivitäten im Sinne dieser um.

„Verständnis und Respekt lernt man nicht aus Büchern, sondern durch

gemeinsame Erlebnisse. Ich habe hier etwa 20 neue Freunde kennen

gelernt und alte Freunde wieder getroffen – es war kein Projekt, es war

ein großes Familientreffen. Das war einfach viel wertvoller als all das

Geld der Welt.“ (Eine Teilnehmerin im Evaluationsbogen)

Schatzkiste: Fundraising, Eltern- und Ehemaligenarbeit

Allen Beteiligten war von Anfang an klar, dass sich das Somos-Projekt

sehr kostenintensiv gestalten wird. Allein mit den Fördersätzen der

öffentlichen Zuwendungsgeber konnte das nicht finanziert werden.

Es mussten alle verfügbaren Register der alternativen Mittelbeschaf-

fung gezogen werden. Hier zahlte sich die kontinuierliche Zirkusarbeit

aus, denn Radelito hatte etwas zu bieten: eine tolle Show. Im April

2006 stellte der renommierte Zirkus Roncalli dem Schulzirkus Rade-

lito für eine Aufführung sein Zirkuszelt zur Verfügung. Über 1000 Köl-

nerInnen kamen, bestaunten die Leistungen der Jugendlichen und

zahlten dafür. Damit war der Grundstein für die Reisekosten der nica-

raguanischen Jugendlichen nach Köln gelegt. Um das Folgeprogramm

2007 in Nicaragua abzusichern, wurde diese Form des Fundraising im

Mai 2007 erfolgreich wiederholt.

Hier zeigt sich ein Vorteil des internationalen Jugendkulturaus-

tauschs: Es entstehen meist Produkte, die, auch wenn nicht entschei-

dend für die pädagogischen und interkulturellen Ziele, einem breiten

Publikum präsentiert werden können.

Doch das wirklich Beeindruckende an der Ressourcengewinnung

des Radelito-Projekts, ist die Eltern- und Ehemaligenarbeit. Ohne

die Zusammenarbeit und die Beteiligung dieser „Ressourcen-

gruppe“ würden dem Projekt nicht nur Mittel, Materialien, Unterkunft

und Transport fehlen, es würde auch ein Großteil des Charakters

verloren gehen: Herzlichkeit, Gastfreundschaft und generationsüber-

greifender Zusammenhalt.

Viele Eltern nutzen auch ihre Freizeit, um während des Projekts ein-

fach mal so vorbei zu kommen. Unkompliziert – da sein, mit anpacken

oder nur zusehen, hier mal ein Kuchen, eine Dose Süßes, Handschuhe

und Socken aus dem Sonderangebot, mal eben 5 Ladungen Wäsche

waschen, tocknen, bügeln. Immer alles mit einem freundlichen

Lächeln, mit Begeisterung und Zuwendung.

Andere Eltern haben mit ihren Autos die Jugendlichen gefahren, zwei

sind Krankenschwestern und haben uns medizinisch versorgt und

ehemalige TeilnehmerInnen haben Requisiten geschweißt und die

Videodokumentation übernommen.“ (Georg Steinhausen)

Kontakt

Con.Action e.V./Kinder- und Jugendzirkus Radelito

Hans van Ooyen, Georg Steinhausen, Karl Lichtenberg

Olefstr. 2, 50937 Köln

Fon: 0221.73 70 69

[email protected]

www.radelito.de

34 _ Somos

Eine Woche Hip-Hop Fieber _ 35

Movement 2006

Die jungen KünstlerInnen, MusikerInnen und TänzerInnen aus

Deutschland, Tschechien und Österreich trafen sich eine Woche lang,

um über verschiedene Elemente der Hip-Hop-Kultur theoretisch in

einen Diskurs zu treten und praktisch Techniken auszutauschen.

In Rap, Graffiti, Breakdance, Beatbox oder in der DJ-Perfor-

mance konnten sich die TeilnehmerInnen nicht nur üben, sondern

bekamen auch die Möglichkeit, ihr Können vor Publikum unter Beweis

zu stellen. Die hierbei entstandenen privaten Kontakte und Freund-

schaften dienen als Grundlage für einen langfristigen, kulturellen

Dialog und für wechselseitiges Kennenlernen der Kulturräume.

Höhepunkt der Woche war dann das Live-Konzert, bei dem

neben den aus Tschechien angereisten „Czeckers“ (Beatbox, Rap)

auch die lokalen Größen „Breakfast“ (Breakdance) und der Beatboxer

„Joker“ ihren Auftritt hatten.

Doch weder die Müdigkeit noch das durchwachsene Wetter

konnten die Teilnehmenden am letzten Tag davon abhalten, sich

auf den Wänden der „Hall of Fame“ künstlerisch auszudrücken. Den

ganzen Sonntag über kamen Neugierige und Szenegänger vorbei, um

spontane Aktionen zu erleben und den KünstlerInnen bei ihrer Arbeit

zuzusehen.

Am Ende waren nicht nur die Jugendlichen begeistert von den Fer-

tigkeiten, welche die ReferentInnen ihnen vermittelten. Auch diese

selbst zeigten sich begeistert darüber, dass die TeilnehmerInnen so

enthusiastisch mitgemacht hatten:

„Hip-Hop-Workshops mit internationaler Beteiligung gibt es öfter.

Modellhaft an Movement war, dass die künstlerische Arbeit mit inter-

kulturellen Reflexionseinheiten kombiniert wurde: kulturelle Stan-

dards und Gruppenrituale wurden sichtbar gemacht und diskursiv

bearbeitet. Fragen wie „Grundwerte der Subkultur Hip-Hop“ lösten

dabei interessante Diskussionen aus, welche einige Perspektiven-

wechsel ermöglichten.“(Andreas Dittlmann)

Das Vermitteln von interkulturellen Kompetenzen stand beim Hip-

Hop-Camp im Vordergrund. Die TeilnehmerInnen haben sich durch die

Auseinandersetzung mit der Hip-Hop-Kultur an das interkulturelle

Handlungsfeld angenähert. Die eigenen Ausdrucksformen (Musik,

Tanz, Kunst) wurden weiterentwickelt und spezifiziert.

„Hip-Hop-Kultur“ zeigt, dass kulturelle Globalisierung nicht

automatisch zur kulturellen Vereinheitlichung führt. Denn bestimmte

Formen in den vier Ebenen des HipHop zirkulieren weltweit, zum Teil

vermarktet über den Mainstream der Popmusik, zum Teil zirkulieren

sie im globalen Underground. In den lokalen Szenen bildeten und bil-

den sich dann die jeweiligen Stile heraus.

Teil des Gesamtprojekts „Junge Impulse an der D-cZ Grenzregion“

Movement 2006 reihte sich in eine Vielzahl anderer wohlklingender

Projekte der kulturellen Jugendbildung ein, die durch die USG (Uni-

ted Scene Group) umgesetzt wurden: Waldart, Rumble Reagee, die

Wildnis in mir, sprich code: dilna slov, Herr der Rauten, Nebelklänge,

Himmelsnest oder Heavy Gates of Europe, so ihre Titel.

Das Gesamtprojekt „Junge Impulse an der D-CZ Grenzregion“

war ein strategisches Instrument zur (inter-)kulturellen Regional-

entwicklung, welches im Zusammenspiel verschiedener Träger und

Eine Woche Hip-Hop-Fieber

TITEL /// Hip-Hop-Camp „Movement 2006“PRoGRAMMFoRM /// trilaterale JugendbegegnungKüNSTLERIScHE SPARTE /// Hip-Hop (Musik, Tanz, Bildende Kunst)ZEIT /// 21. – 28. 08. 2006, PassauTEILNEHMER/INNEN /// 29 Jugendliche im Alter zwischen 18 und 27 Jahren, davon 21 aus Deutschland und 8 aus Tschechien und ÖsterreichFÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ, Deutsch-Tschechischer Zukunftsfond, Europäischer Fond für regionale Entwicklung (EFRE), Stadt Passau, weiterePARTNER /// Tschechien: Divadlo Archa, Sidliste pod RalskemÖsterreich: „e-luma“, Salzburg TRäGER /// United Scene Group e. V.

36 _ Eine Woche Hip-Hop Fieber

Anbieter kultureller Bildungsarbeit der Region ausgearbeitet wurde.

Es wurde durch ein Bündel von Impulsmaßnahmen die regionale Iden-

tität hinsichtlich der stattfindenden Transformationsprozesse, ins-

besondere für Jugendliche durch die Vermittlung von interkulturellen

Kompetenzen stabilisiert.

Hauptziel des Projekts war somit die Förderung der interkul-

turellen Kompetenzen von Jugendlichen im deutsch-tschechisch

Grenzraum, durch Vernetzung der Angebotslandschaft für kulturelle

Bildung mit unterschiedlichen Schwerpunktzentren (Musik, bildende

Kunst, Medienarbeit, Tanz, Theater).

Das Vorhaben war mit den Einzelintentionen Impulsgeber

dafür, dass KünstlerInnen und Kulturinitiativen motiviert wurden,

eigene Kinder- & Jugendprojekte entsprechend ihren Möglichkeiten

in Angriff zu nehmen. Es war aber auch als Gedankenanstoß für Leh-

rerInnen, ErzieherInnen und engagierte Eltern gedacht – mit dem Ziel,

deren Motivation zu fördern, mit ihren Kindern kulturelle Angebote

verstärkt wahrzunehmen und eigene Initiativen mit den gegebenen

Möglichkeiten zu entwickeln. Die USG war Träger, Koordinator und

Moderator in diesem Prozess.

Schatzkiste: interkulturelle Regionalentwicklung

durch kulturelle Bildung

„Ich glaube, der Unterschied zu anderen Projekten ist, dass wir nicht

aus der Jugendarbeit heraus kommen, sondern in der Regionalent-

wicklung unsere Wurzeln haben. Wir wollten innerhalb des Drei-Län-

der-Ecks Deutschland-Tschechien-Österreich mit unseren Projekten

einen Impuls geben, eine Bewusstseinsveränderung innerhalb der

Bevölkerung erreichen, dass sich diese Region als gemeinsame Euro-

päische Region versteht und nicht nur Bayerischer Wald, Südböhmen

und Oberösterreich für sich. Diesen regionalentwicklungspolitischen

Ansatz haben wir versucht mit der Methode und Dimension des Künst-

lerischen verschiedenen Zielgruppen zu vermitteln. Das Hip-Hop-

Camp „Movement 2006“ war ein Projekt von vielen.“

(Andreas Dittlmann)

Insgesamt hat die United Scene Group seit ihrer Gründung im Jahr

1996 mehr als 100 verschiedene künstlerische Jugendprojekte mit

internationaler Beteiligung in der Drei-Länder-Region durchgeführt.

Dabei war es für die USG und ihre Partner selbstverständlich und kei-

neswegs uneigennützig, auch andere Regionen und Länder in diesen

Austausch einzubeziehen. Dittlmann: „Es war am Anfang sehr schwie-

rig für uns, Jugendliche aus Bayern für eine Begegnung zu begeistern,

die „nur“ mit Tschechen oder Österreichern läuft. Außerdem kann man

das Verständnis nachbarschaftlicher Gemeinsamkeiten viel stärker

herausarbeiten, wenn man sich mit der Kultur eines Koreaners oder

US-Amerikaners konfrontiert sieht.“

Kontakt

United Scene Group e.V.

Andreas Dittlmann

Niebelungenstr. 07, 94032 Passau

Fon: 0851.988 18 44

[email protected]

www.usg-online.de

www.united-scene-group.net/projektrueckblick

Von essbaren Büchern _ 37

Die Europäische Sommerwerkstatt ist ein vom Kinderbüro der Stadt

Weimar angeregtes internationales Jugendkulturprojekt. Sie findet

jährlich in Weimar statt und seit 10 Jahren wird von dem polnischen

Künstler Wieslaw Karolak eine inhaltliche Projektidee im Vorfeld

mit seinen StudentInnen erarbeitet und dann beim Projekt gemein-

sam mit Teilnehmenden aus verschiedenen europäischen Ländern

umgesetzt. 2007 waren es Jugendliche aus Polen, der Schweiz und

Deutschland im Alter von 12 bis 15 Jahren.

„Eine kreative Werkstatt ist eine Art non-formaler Bildungssprozess.

Dieser methodische Ansatz ist effektiver als traditionelle Unter-

richtsmethoden und stellt den gemeinsamen Prozess der kreativen

Gestaltung in den Vordergrund und nicht das materielle Produkt. Die

Werkstatt als Methode der kreativen Arbeit ist ein europäisches Ver-

mächtnis.“ (Wieslaw Karolak, Kunstakademie Lodz, Polen)

„Bücher und Buchobjekte in Beziehung zur Umgebung“ war das

Thema der aktuellen Sommerwerkstatt. Die Teilnehmenden haben

sich gemeinsam auf den Weg der Bücher begeben. Auf diesem Weg

begegneten sie Büchern über Menschen, Gruselgeschichten und

Gegenständen. Durch die gemeinsame interkulturell-künstlerische

Arbeit sind die jungen BuchproduzentInnen in ihre verschiedenen

Welten gegenseitig eingetaucht und haben eigene „Lebensbücher“

Von essbaren Büchern

TITEL /// 14. Europäische Sommerwerkstatt: Bücher (und Buchobjekte in Beziehung zur Umgebung)PRoGRAMMFoRM /// trilaterale JugendbegegnungKüNSTLERIScHE SPARTE /// 29.07–04.08.2007, Weimar ZEIT /// 02. – 23.10.2006, Köln, Wiesbaden, weitere OrteTEILNEHMER/INNEN /// 32 Jugendliche im Alter von 12 bis 15 Jahren aus Polen, Schweiz, DeutschlandFÖRDERuNG /// DPJW durch BKJPARTNER /// Polen: InSEA (International Society for Education through Art) Verband der Kunsterzieher, Schweiz: Pro-Juventute TRäGER /// IG Papiergraben/Ferienpass

geschrieben: Über die Erfahrung des Fremdseins, das Gefühl, erste

Freundschaften knüpfen zu können und das Erlebnis der Gemein-

schaft in einer neuen Gruppe.

Die verschieden Übungen passten haargenau in die unter-

schiedlichen Phasen kurzzeitpädagogischer, interkultureller Grup-

pendynamik. Beispiele:

Meine Krawatte erzählt

Die Begegnung beginnt. Ein mulmiges Gefühl entsteht: ein fremdes

Land, eine Gruppe von unbekannten Menschen. Der erste Schritt ist

schüchtern und vorsichtig, alle bekannten Fremdwörter verstecken

sich in den tiefsten Ecken und wollen nicht raus kommen. Ohne Wörter

anzufangen ist leichter. Die Krawatten werden gestaltet. Auf ihnen

finden Hobbys und Eigenschaften Platz, die man den Anderen mit-

teilen möchte. Bunte Blumenwiesen, scharfe Chilis, eine Geige unter

dem Mond und ein Hilfeschrei von einer einsamen Insel erzählen

Geschichten ihrer BesitzerInnen. Mit dieser Unterstützung fällt auch

das Vorstellen leichter. Die Knoten der Krawatten und die ersten Kon-

takte werden gemeinsam geknüpft.

Ich-Du-Wir

An einem langen Tisch, bespannt mit einem weißen Tuch, sitzen sich

die TeilnehmerInnen einander gegenüber. Die leere Kontur eines

Kopfes schaut jeden Teilnehmenden aus dem Tischtuch an. Der Blick

wird auf den Gegenübersitzenden gerichtet und die entstandenen

Eindrücke finden um die Kontur herum Platz: Fröhlichkeit oder eher

Nachdenklichkeit, Liebe für Musik oder eher Leidenschaft für Sport.

Dann werden die Plätze getauscht. Nun vervollständigt man das vom

Anderen begonnene Portrait. So entstehen die Portraits der Teilneh-

menden in Interaktion miteinander. Nicht als realistisches Bild, son-

dern als eine phantasievolle und kreative Darstellung. Anschließend

wird der Blick auch auf die PlatznachbarInnen gerichtet. Auf dem

Tischtuch beginnt ein buntes Tauschen: Liebe zur Musik wandert zu

dem Nachbarn und seine Leidenschaft fürs Basketball spielen wird

38 _ Von essbaren Büchern

empfangen; ansteckendes Lachen wird im Austausch für blühende

Fantasie abgegeben. Der Fluss der Noten fließt, Herzchen und Wolken

bilden Girlanden, Straßen der Farben füllen die Tischlandschaft. So

entsteht ein geschlossenes und verbundenes Bild als Buch der Por-

traits der ganzen Gruppe. Das stumme Betrachten und Staunen geht

über in Erläuterungen, Erklärungen, Austausch – viele Wege führen

zueinander.

Das große gemeinsame Bild

Gemeinsam soll ein Bild gestaltet werden, an dem alle einen gleichen

Anteil haben – wie auf dem Papier, so auch im Leben. Auf dem far-

big-quadratischem Blatt werden mit verbundenen Augen Ornamente

und Figuren gemalt. Danach wird jedes Bild in zwei gleiche Dreiecke

zerschnitten. Jeder Teilnehmende sucht sich ein Bild mit Formen und

Farben, die zu seinem Bild passen und klebt es zusammen. Diese Teile

werden wiederum mit anderen passenden Teilen zusammengefügt.

So entsteht nach und nach ein großes, von allen gefertigtes gemein-

sames Bild(erbuch), in dem sich alle nach einigem Suchen als Teil

einer festen Gemeinschaft wieder finden.

Das Buch der geheimnisvollen und mysteriösen Geschichten

Das Gemeinschaftsgefühl blüht in allen Prachtfarben. Die täglichen

Spaziergänge durch Weimar eröffnen neben vielen Orten der Kul-

tur auch merkwürdiges: Höhlen und Grotten, finstere Gänge und

Keller, skurrile Skulpturen. Die Idee, ein Buch mit geheimnisvollen

Geschichten zu gestalten, entsteht. Vor dem Beginn der Bucher-

stellung wird geübt, Vertrauen zueinander aufzubauen und Eigenes

loslassen zu können. Ein Sehender führt die Hände seines Partners

mit verbundenen Augen. Gemeinsam zeichnen sie. Danach bekommt

jede Gruppe von jeweils fünf TeilnehmerInnen (aus verschiedenen

Ländern) ein leeres Blatt mit fünf Feldern. In der Mitte zeichnet jemand

eine Geschichte und erklärt sie. Die Anderen nehmen die Figuren auf

und führen die Geschichte weiter. Ein hohes Maß an Kooperation, die

Fähigkeit, sich zu verständigen und Kompromisse schließen zu kön-

nen, kommen zum Vorschein. Sehr aufmerksam, mit großem Interes-

se und Stolz, werden die entstandenen Ergebnisse begutachtet.

Das Buch der Gegenstände – was uns die Dinge sagen können

Es kommt die Zeit, das Erlebte in der Gruppe in die eigene Welt ein-

fließen zu lassen. Die Teilnehmenden gestalten ein eigenes Buch.

Sie hören der Geschichten der Gegenstände aus ihrem Umfeld und

schreiben sie in ihr persönlichen Buch, was auch eine einfallsreiche

Form z.B. der Konturen des Gegenstands annimmt. Alle Bücher wer-

den ausgestellt und von den AutorInnen vorgelesen.

Bücher zum Essen

Viele neue Eindrücke, Gefühle, Erlebnisse und Erfahrungen haben die

TeilnehmerInnen aus den drei Ländern in den letzten Tagen erhalten.

Eine bunte Mischung, die Zeit zum Sortieren braucht, den Platz im

alltäglichen Leben zu finden, um sich in etwas Nachhaltiges, Wert-

volles zu transformieren. Aber zuerst wird gebacken. Aus gemeinsam

hergestelltem Salzteig werden vielfältige und phantasievolle Pizzas

zubereitet. Der Belag der Pizzas – die Eindrücke der Sommerwerk-

statt – werden nach eigenem Geschmack ausgesucht. Die Fahnen

der Länder, historische Bauten und Sehenswürdigkeiten der Stadt,

Herzen und viel Eiscreme ergeben eine „leckere“ Mischung. Nicht alle

gebackenen Kreationen „sprechen für sich“. Die KöchInnen erläutern,

tauschen sich aus.

Das Buch der Persönlichkeiten

Zeit und Erfahrung verändert. Finde ich mich wieder? Gipsmasken

der Gesichter werden angefertigt. Sie werden mit den dazugehö-

rigen Krawatten an einem Stock befestigt und auf der Wiese in einer

Reihe aufgestellt. Das sind wir! Durch die stummen weißen Masken

irgendwie gleich, aber durch unsere Einzigartigkeit anders und unver-

wechselbar.

Von essbaren Büchern _ 39

Ein ganz normales Kind(er)leben – international, nicht immer pro-

blemlos, grenzenlos. Es ist ein kleiner Baustein beim Bau des Hauses

Europa. Das Erleben der Gemeinschaft durch Tun, der Weg der kleinen

Schritte.

„Kulturprojekte ermöglichen eine besonders kreative Lernsituation.

Kreativität, Phantasie, Erfahrungen, Fertigkeiten und Fähigkeiten

werden auf ein gemeinsames Ziel hin eingesetzt. In der Sommer-

werkstatt wurden vielfältige Möglichkeiten künstlerischen Experi-

mentierens ausprobiert und künstlerische Techniken nicht isoliert

vermittelt, sondern vorrangig die sozialen Funktionen des gemein-

samen Gestaltens und Lernens gefördert.“ (Steffi Engelstädter)

Schatzkiste:

Den Gruppenprozess unterstützende künstlerische übungen

Ein internationales Jugendprojekt mit Teilnehmenden zwischen 12

und 14 Jahren benötigt andere Methoden als Begegnungen, an den

Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren oder älter teilnehmen. Unter

der Anwendung der kreativen Werkstatt als künstlerische Metho-

de wurde der Gruppenprozess in allen Begegnungsphasen effektiv

genutzt, um Interaktion und interkulturelles Lernen zwischen den

Teilnehmenden zu gestalten. Respektvoll und schrittweise fanden

Vorstellung und Kennenlernen der Teilnehmenden statt. In späteren

Phasen wurden die Interaktion und Kommunikation stärker gefördert,

der Blick vom „Ich“ auf das „Wir“ gerichtet. Beim Gestalten haben die

Teilnehmenden durch gemeinsame Portraits die vielfältigen Facetten

der Persönlichkeit von anderen und gemeinsame Berührungspunkte

entdeckt. Sie haben unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit

erlebt: aus den eigenen Bildern ein Gruppenbild gestaltet, die Ideen

von Anderen in kreative Gruselgeschichten ergänzt und ihr eigenes

Buch der Gegenstände geschrieben. Auch der Reflexion des Erlebten

wurde, wie einem guten Buch, genug Zeit gelassen. Ein Lehrbuch zum

Einsatz bildender Kunst in internationalen Jugendbegegnungen mit

jüngeren Zielgruppen.

P.S.

Die geplante Übergabe der entstandenen Bücher an die Anna-Amalia-

Bibliothek, die vor drei Jahren teilweise einem verheerenden Brand

zum Opfer fiel und Ende 2007 wieder eröffnet wurde, hat nicht statt-

gefunden. Die TeilnehmerInnen wollten ihre Bücher mit nach Hause

nehmen.

Kontakt

IG Papiergraben/Ferienpass

Steffi Engelstädter

Goetheplatz 9 b, 99423 Weimar

Fon: 03643.90 20 87

[email protected]

www.papiergraben.de

Wer an Grenzen denkt, stellt sich Betonmauern, Stacheldrahtzäune

und grimmige Grenzbeamte vor. Doch diese sichtbaren Grenzen ver-

schwinden so langsam in Europa. Die Grenzen sind schlauer gewor-

den. Sie verstecken sich in vielen unverständlichen Sprachen, in

großen Entfernungen, im oft demotivierendem Umfeld, in gespürter

Chancenlosigkeit und in der Angst vor dem Fremden. Der Herausfor-

derung, diese Grenzen zu überwinden, stellten sich fünfzig Jugendli-

che aus Marseille, Duisburg und Schwerin im Jugendkulturprojekt „Ein

grenzenloses Miteinander“. Durch verschiedene künstlerische Akti-

onen und Erlebnisse wollten sie bestehende Barrieren überschreiten

und gemeinsam für ein Ziel eintreten – eine Welt ohne Intoleranz und

Rassismus. Um dies zu ermöglichen, standen den Teilnehmenden

engagierte JugendarbeiterInnen, hilfsbereite SprachassistentInnen

und erfahrene KünsterInnen zur Seite.

Das gemeinsame Ziel vereint

In den vierzehn Tagen dieser Jugendbegegnung stand die Zusam-

menarbeit mittels künstlerischer und kulturpädagogischer Arbeits-

formen im Vordergrund. Die Jugendlichen hatten die Möglichkeit,

sich in zahlreichen Kunstsparten auszuprobieren und gemeinsam

eine Vorstellung auf der Freilichtbühne in Schwerin auf die Beine zu

stellen. Unterstützt von Fachleuten haben sie ebenso in Eigenregie

eine Webpräsentation, einen Dokumentarfilm und eine CD erstellt.

Der Weg führte die deutschen und französischen Teilnehmenden

durch Diskussionen, Auseinandersetzungen und ließ sie in die Welt

der Jugendkultur mittels Theater, orientalischem und modernem

Tanz, Rap, Hip-Hop, Audiobearbeitung, Video, Malerei, Grafik und pla-

stischem Gestalten eintauchen. Die international gemischten Grup-

pen haben in einer Woche verschiedene künstlerische Beiträge für

ein interdisziplinäres Bühnenprogramm vorbereitet. Jeden Tag kam

die Gruppe in einer großen Runde zusammen, um zurück zu schauen,

das Entstandene in der Gemeinschaft zu genießen und die Verände-

rungswünsche sowie choreografischen Ideen in die weitere Arbeit

optimal einfließen zu lassen. Somit konnte das Projekt zu keinem Zeit-

punkt an den Interessen und Bedürfnissen der Teilnehmenden vorbei

geführt werden. Bereits zum Ende der ersten Projektwoche wurde

die Gruppenarbeit beendet und in die Gesamtproben für die Durch-

führung der Abschlussveranstaltung überführt. Alle Teilnehmenden

zeigten in dieser Arbeit ein hohes Engagement, Begeisterung und

große Ausdauer. Die intensive Projektarbeit wurde durch Erlebnisse

bei gemeinsamer Freizeit aufgelockert. Es wurden lokale Sehenswür-

digkeiten besucht und in einer Nachtaktion die Schweriner Sternwarte

erkundet. Museumsbesuche, Sommernachts-Disco, Lagerfeuer, eine

Bade- und Bootstour sowie der Grillabend fehlten auch nicht.

Fataler Tag zwei

Tag zwei begann prima. Alle Räume der Jugendkunstschule waren

mit Leben erfüllt. Im Tonstudio agierten französische und deutsche

RapperInnen, im Ballettsaal wurde sowohl orientalisch als auch

Breakdance getanzt und auf der Probebühne trainierten die Schau-

spielerInnen. Doch nach den Workshops, auf dem Fußweg zur Jugend-

herberge, wurde die internationale Gruppe von einheimischen, mit

Steinen bewaffneten Jugendlichen überfallen und durch den Schloss-

garten gejagt. Rassismus, bis dahin nur eine Erscheinung irgendwo

Die Angst vor dem Fremden

TITEL /// Ein grenzenloses MiteinanderPRoGRAMMFoRM /// bilaterale Jugendbegegnung, deutsch (Schwerin)/deutsch (Duisburg) – französischKüNSTLERIScHE SPARTE /// Theater, Tanz, Musik, Video, bildende KunstZEIT /// 15.–29.07.2007, SchwerinTEILNEHMER/INNEN /// 40 Jugendliche von 17–23 Jahren aus Deutschland und FrankreichFÖRDERuNG /// DFJW über BKJ, Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern und weiterePARTNER /// Association de Promotion de L’Ingénierie Socio-Alternative, Marseille, Frankreich TRäGER /// Schule der Künste Schwerin e. V.

40 _ Die Angst vor dem Fremden

außerhalb der heilen Welt der internationalen Begegnung, war plötz-

lich real. Nach dem rassistischen Übergriff auf die Projektteilneh-

merInnen standen alle unter Schock. Die Gewalt erzeugte bei vielen

Jugendlichen eine enorme Angst, so dass einige keinen Schritt mehr

vor die Tür der Jugendherberge setzen wollten – die Fortsetzung des

Projekts war gefährdet.

Die Diskussion in der großen Runde am Abend konfrontierte die

Teilnehmenden mit einer bitteren Wirklichkeit und erinnerte aber zu-

gleich an die wichtige friedensstiftende Rolle einer internationalen

Begegnung.

Die gemeinsame Auffassung aller Beteiligten war eindeutig:

„Wir machen weiter!“ Nicht nur die Jugendlichen wurden durch diesen

Zwischenfall zum couragierten Handeln bewegt. Viele VertreterInnen

der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, breite Schichten der

Öffentlichkeit und der Bevölkerung wurden sensibilisiert. Nationale

und internationale Presse hatten es zu ihrer Pflicht gemacht, über

das Projekt und das Geschehen zu berichten. Insbesondere die betei-

ligten Jugendlichen kamen im Rahmen der Berichterstattung deutlich

zu Wort. Die OrganisatorInnen des Projekts legten in den Gesprächen

mit den MedienvertreterInnen konsequent darauf Wert, dass die

Inhalte der Begegnung im Mittelpunkt der Interviews standen und

nicht nur der Überfall.

„Jetzt erst recht muss dies gemacht werden. Wir haben uns vorge-

nommen hier zwei Wochen zu verbringen, um etwas Tolles auf die

Beine zu stellen, da werden wir uns nicht von ein paar Leuten, die es

nicht anders oder besser kennen, irritieren lassen.“ (Yadigar Uzun,

Teilnehmerin)

Kulturfest auf der Freilichtbühne

Die ausführliche Berichterstattung hat nicht zuletzt dazu beigetra-

gen, dass sehr viele Gäste kamen, um das bunte Treiben, den orienta-

lischen und modernen Tanz, die Hip-Hop-ArtistInnen, Theatersketche

und Atelierarbeit einmal aus der Nähe anschauen. Die Vorstellung ging

reibungslos über die Bühne und am Ende waren sich alle einig: Die

turbulenten, manchmal recht kräftezehrenden Tage der Vorbereitung

haben sich wirklich gelohnt. Im Anschluss spielten verschiedene

Jugendbands der Region. Trotz einsetzenden Regens blieben ihnen

die Fans und die ProjektteilnehmerInnen die gesamte Zeit treu. Die

Premiere-Party rundete das einmalige Erlebnis einer gelungenen

internationalen Aktion ab und verkündete den bevorstehenden

Abschied, der sicherlich keinem leicht viel.

Ein rassistischer Überfall, ein schier unüberschaubarer Pressean-

sturm, unzählige Sponsoren und viele freundliche und hilfsbereite

Schweriner BürgerInnen – diese zwei Wochen führten die Jugend-

lichen wahrlich durch ein Wechselbad der Gefühle. Mit ihren eige-

nen Worten hat es Sinem aus Duisburg auf der Bühne auf den Punkt

gebracht: „Am Anfang waren wir Jugendliche aus unterschiedlichen

Regionen, aber jetzt, jetzt sind wir eine Familie.“ Ein internationales

Projekt schafft Verständigung über kulturelle Unterschiede hinweg

und hilft auch, die eigenen Grenzen im Kopf zu überwinden. Diese Tage

haben den TeilnehmerInnen Eindrücke vermittelt, die sie ein Leben

lang bewahren werden. Und im nächsten Jahr treffen sich alle wieder

– in Marseille.

„Trotz einem geringen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund

gibt es in Mecklenburg-Vorpommern eine verstärkte rechtsradikale

Tendenz, die auf Ängsten vor Fremden aufbaut. Und gerade hier, in

einer infrastrukturell abgeschnittenen Region bilden internationale

Jugendbegegnungen eine einmalige Chance, junge Menschen mit

kosmopolitischen Standpunkten und Ideen vertraut zu machen, ihr

Interesse für die Länder und Menschen Europas, deren Geschichte

zu wecken und aufzuzeigen, dass weniger die Unterscheidungsmerk-

male als die bestehenden Gemeinsamkeiten Zusammenarbeit und

Zusammengehen befördern. Gerade mittels solcher Veranstaltungen

Die Angst vor dem Fremden _ 41

42 _ Die Angst vor dem Fremden

kann man der in breiten Teilen der Gesellschaft verwurzelten Affinität

zu rassistischen und rechtsextremen Gedanken begegnen. Wenn wir

über solche internationalen Projekte Kindern und Jugendlichen auf-

zeigen, dass kulturelle Vielfalt Chancen und keine Gefahr bedeutet,

wird es eine Normalität.“ (Holger Reschke)

Schatzkiste: umgang mit Konflikten

Ein wesentlicher Anspruch an interkulturelles Lernen in internationa-

len Jugendbegegnungen ist es, im Projekt vorhandenes Lernpotential

aufzugreifen und zu nutzen. Auslöser hierbei sind oft in der Gruppe

selbst zu finden. Sei es auch noch so lapidar, wie das andere Essver-

halten, kulturell geprägte Vorurteile oder „komisch“ erscheinende

Rituale und Traditionen. In der Interaktion zwischen den Teilneh-

menden kommen Situationen zum Vorschein, in denen verschiedene

interkulturelle Auffassungen „aufeinander prallen“. Sie äußern sich

durch Spannungen in der Gruppe, Missverständnisse oder Konflikte.

Es gibt aber auch Lernpotenziale, die aus dem Umfeld des Projekts

auf die Gruppe wirken. Auch wenn es etwas seltsam klingt, der ras-

sistische Überfall auf die Gruppe am zweiten Tag des Projekts hat

den Gruppenprozess unterstützt und Lernerfahrungen ermöglicht.

Jedoch nur, weil die Fachkräfte und OrganisatorInnen das einzig Rich-

tige getan haben – sich mit dem Geschehenen in der Gruppe ausei-

nander zu setzen. Sie haben nicht versucht, die Teilnehmenden „zu

schützen“, in dem man „alles regelt“ und offene Gespräche über Angst

und Unsicherheit meidet. Nicht nur die Erfahrung, sondern vor allem

ihre pädagogisch angeleitete Reflexion, trägt zum interkulturellen

Lernen bei. Genauso lobenswert ist die Tatsache, dass die Veranstal-

terInnen der Verführung stand halten konnten, den Lernprozess und

die Bedürfnisse der Teilnehmenden trotz der enormen Aufmerksam-

keit der nationalen und internationalen Medien in den Vordergrund

zu stellen.

Kontakt

Schule der Künste Schwerin e.V.

Holger Reschke

Platz der Jugend 25

19053 Schwerin

Fon: 0385.581 56 99

[email protected]

www.sdkev.de

Jugendkunstschulen _ 43

Von Inspiration und Motivation berichten diejenigen, die durch einen

Fachkräfteaustausch im eigenen und fremden Land neue Impulse

für ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gewonnen haben. Kon-

krete Projektideen, Kooperationskontakte und ein „befreiender Blick

über den eigenen Tellerrand“ – so die Kommentare der Reflektions-

runde der TeilnehmerInnen des Austauschprogramms für Fachkräfte

der Jugendkunstschulen. Das Programm des Bundesverbands der

Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen (bjke)

und des finnischen Kunstschulverbands für Kinder und Jugendliche

„Suomen lasten Ja Nourten Kuvataidekoulujen liito RY“ führte die

deutsche Delegation 2005 nach Finnland. 2006 wurde den finnischen

KollegInnen ein Einblick in die künstlerische Kinder- und Jugendarbeit

in Deutschland geboten.

2005 in Finnland

Das Programm in Finnland bot sowohl Einblick in Strukturen als auch

in die konkrete praktische Arbeit der Kinder- und Jugendkunstschu-

len. Innerhalb des knapp einwöchigen Aufenthalts in Helsinki und

Städten der Umgebung sind mehrere Jugendkunstschulen, eine

Musikschule und das zuständige Unterrichtsministerium besucht

worden. Dadurch war ein Einblick in die Praxis (Räume, Mitarbeite-

rInnen, Medien, Angebote, Schwerpunkte), in die Arbeit einer Einrich-

tung in einer anderen Kunstsparte (Musikschule) und in die formalen

Strukturen (Ministerium) möglich.

Die deutschen Fachkräfte aus acht Bundesländern trafen in

Finnland auf grundlegende Gemeinsamkeiten: begeisterte, engagier-

te, qualifizierte KünstlerInnen, KunstpädagogInnen, „LehrerInnen“,

die in ihren Einrichtungen mit Kindern und Jugendlichen nach Wegen

suchen sich künstlerisch auszudrücken.

In Finnland liegt der Fokus der Jugendkunstschularbeit auf der

Bildenden Kunst – für Theater und Tanz gibt es eigene Einrichtungen.

Das Konzept der Kunstschulen beruht auf einer landesweiten gesetz-

lichen Grundlage, die eine anteilige staatliche Finanzierung der loka-

len Arbeit grundsätzlich ermöglicht. Kommunen, die eine Kunstschule

oder eine ähnlich künstlerisch arbeitende Einrichtung mit definiertem

„Grundunterricht“ unterhalten, werden finanziell „belohnt“.

Grundunterricht, Curriculum, LehrerInnen – Begriffe, die in der

außerschulischen Jugendbildung in Deutschland aufgrund der ver-

dächtigen Nähe zur strengen Regelschulstruktur lieber gemieden

werden, sind im finnischen Kunstschulsystem selbstverständlich.

Das hat einen Perspektivwechsel der deutschen TeilnehmerInnen

geradezu provoziert. Zahlreiche Diskussionen mit den finnischen

KollegInnen, aber auch untereinander wurden hierdurch in sehr pro-

duktiver Weise ausgelöst.

„Die Teilnehmenden sind mit der Erwartung hin gefahren, einen ganz

wichtigen Teil des tollen Pisa-Gewinner-Bildungssystems kennen zu

lernen. Auf die immer wiederkehrende Frage der Deutschen, warum

denn Finnland bei der PISA-Studie so gut abgeschnitten habe, begeg-

nete uns eine breite Palette von Antworten. Sie reichte von Ratlosigkeit

bis hin zu der von einer Musikschulleiterin vorsichtig vorgebrachten

Idee reichte, dass die Natur in Finnland eine ganz besondere Rolle für

die Entwicklung spiele und sicherlich auch Einfluss auf die Bildungs-

Jugendkunstschulen zwischen Curriculum und Kunst – Erfahrungen eines deutsch-finnischen Fachkräfteprogramms

TITEL /// Kulturelle Jugendarbeit als Bildungsprojekt – Perspektiven zwischen Deutschland und Finnland PRoGRAMMFoRM /// FachkräfteprogrammKüNSTLERIScHE SPARTE /// InterdisziplinärZEIT /// Finnland: 26.09.–02.10.2005, Helsinki, Hämeenlinna, Porvoo, Vantaa; Deutschland: 25.–29.09. 2006, Berlin, Potsdam, BrandenburgTEILNEHMER/INNEN /// 15 deutsche und 15 finnische Fachkräfte FÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ, weiterePARTNER /// Finnland: Suomen Lasten Ja Nuorten Kuvataidekoulujen Liito RY, Finnisch Association of Art schools for children and young people TRäGER /// bjke – Bundesverband der Jugendkunstschulen und Kulturpädagogischen Einrichtungen e. V.

44 _ Jugendkunstschulen

entwicklung habe. Was den schulischen Kunst- und Musikunterricht

betrifft, sitzen Finnen und Deutsche jedoch im gleichen Boot: An

den Regelschulen werden Kunst- und Musikunterricht immer weiter

abgebaut. Es erschien, dass Kunst und Kultur zu den Pisa-Ergeb-

nissen nicht so beigetragen haben, wie die deutschen KollegInnen

dies erwartet (und natürlich gehofft) hatten. Naheliegender war eine

grundsätzlich andere Haltung zu und Umsetzung von Bildung als eine

der wichtigen „Ressourcen“ des Landes. Davon lebte auch unsere Dis-

kussion.“ (Mechthild Eickhoff)

2006 in Deutschland

Die finnisch-deutsche Delegation besuchte sechs Einrichtungen in

den Bundesländern Berlin und Brandenburg. In den Einrichtungen

führten jeweils Fachleute (LeiterInnen, MitarbeiterInnen, Künst-

lerInnen, zuständige PoltikerInnen) durch die Häuser, erläuterten

Konzepte und Organisationsformen. Unterschiedliche Modelle von

Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen konn-

ten miteinander verglichen werden. Durch die besondere Organi-

sationsform der beiden Berliner Jugendkunstschulen „Atrium“ und

„Pankow“ mit ihren Lehrerabordnungsstunden für den Betrieb der

außerschulischen Jugendkunstschule entstanden rege Diskussionen

über die Kooperation mit Regelschulen. In den Vordergrund rückten

Vergleiche über die jeweilige finanzielle und personelle Situation vor

Ort. Von besonderem Interesse war ein Kursbesuch in der Jugend-

kunstschule Pankow, der zum direkten Vergleich der Arbeitsweisen

der KunstpädagogInnen anregte.

Die Spartenvielfalt als Grundidee deutscher Jugendkunstschu-

len wurde vor Augen geführt.

Deutlich wurde auch, dass sich deutsche Jugendkunstschulen

in einem dichteren Netz von Kooperationen und inhaltlichen Ansprü-

chen, beispielsweise bezogen auf Schule, auf Integration oder Partizi-

pation bewegen. Es gab viel Anlass für eine weiterführende Auseinan-

dersetzung mit der Aufgabe und dem Auftrag, aber auch mit Freiheit

und Flexibilität einer Kunstschule.

„Finnische Kunstschulen gestalten künstlerische Ausbildung,

die Betonung liegt auf dem Handwerk und der künstlerischen Ausei-

nandersetzung, nicht so maßgeblich auf der Persönlichkeitsbildung.

Das Verständnis der Aufgabe der Kunstschulen dort ist nicht so politi-

siert wie unseres. Wir sind trainiert, auf Schlüsselkompetenzen durch

kulturelle Bildung sofort einzugehen und das Bewusstsein, dass

wir für präventive gesellschaftliche Arbeit wichtig sind, ist selbst-

verständlich und kann zu Angeboten wie „Filzen für den Frieden“

führen. Wenn man intensiver an der Qualität der eigenen Arbeit

forschen könnte und nicht immer gezwungen wäre „Feuerwehr zu

spielen“, Richtungen zu wechseln oder mehrere Wege gleichzeitig

zu gehen, fände ich das sehr wohltuend.“ (Mechthild Eickhoff)

Fazit

Internationaler Fachkräfteaustausch inspiriert die jeweils eigene

Arbeit in besonderem Maß. Der persönliche Bezug schafft größere

Verbindlichkeiten, ermöglicht präzisere Vorstellungen von der „Wirk-

lichkeit“ kultureller Bildung im anderen Land. Dies öffnet den eigenen

Horizont, hinterfragt eigene Ansätze und Strukturen, beispielsweise

auf die Notwendigkeit einer curricularen Basis für die Jugendkunst-

schulen in Deutschland oder eines geregelten „Tarif“-Systems zur

Bezahlung der verantwortlichen Kräfte. Die Inspiration und Motivati-

on der Fachkräfte, die durch den Austausch im eigenen und fremden

Land gelungen ist, wirkt sich direkt auf die Arbeit mit Kindern und

Jugendlichen aus. Internationale Fachkräfteprogramme festigen die

Rolle der teilnehmenden haupt- und ehrenamtlichen Fachkräfte als

Schlüsselpersonen in ihren Einrichtungen und Organisationen. Auch

werden die Qualifizierung durch Fachkräfteprogramme und die inter-

nationale Vernetzung zu wichtigen Qualitätskriterien für die eigene

kulturpädagogische Arbeit.

Weiterentwicklung

Alle TeilnehmerInnen an den beiden Fachkräfteprogrammen betonten

ihre Begeisterung für fachliche Kontakte dieser Art, die sich u.a. auch

Jugendkunstschulen _ 45

in konkreten Planungen für internationale Projekte mit finnischen

Partnern niedergeschlagen hat. Ein Austausch im Bereich der digi-

talen Medien, eine Ausstellung, das Aufgreifen der Inhalte und Metho-

den der künstlerischen Medienarbeit des Partnerlandes für die eigene

Arbeit sind nur einige Beispiele für Folgewirkungen und Kooperati-

onsprojekte, die nach den beiden Programmen entwickelt wurden.

Die beiden Trägerorganisationen der Fachkräfteprogramme haben

ineinander jeweils einen zuverlässigen Partner entdeckt und arbei-

ten auch weiterhin an einem kontinuierlichen, am Bedarf der Einrich-

tungen orientierten Austausch zwischen finnischen und deutschen

Kunstschulen.

Schatzkiste: Beidseitigkeit und Nachhaltigkeit als Beginn

der europäischen Vernetzung

Der Austausch der Fachkräfte aus finnischen und deutschen Kunst-

schulen ermöglichte es, Einrichtungen und Arbeitsinhalte vor Ort

zu erleben, miteinander zu vergleichen, gemeinsame Projekte auf

der Ebene der Fachkräfte und der Jugendlichen anzustoßen, sowie

auf gleicher Augenhöhe konkrete Fachthemen zu diskutieren. Was

mit dem Besuch in Finnland begonnen wurde, setzte sich inhaltlich

und fachlich systematisch in der Präsentation und Diskussion der

deutschen Einrichtungslandschaft und des Kinder- und Jugendhil-

fesystems in Deutschland fort. Darüber hinaus wurden Kontakte

geknüpft, gefestigt und langfristige, nachhaltige Kooperationskon-

takte geschaffen. In der nächsten Zukunft soll der Austausch von

Jugendlichen und Fachkräften aus ganz Europa verwirklicht werden.

Dafür wird das 2006 gegründete Netzwerk „Arts4all“ von Jugend-

kunstschulen aus vielen Ländern Europas eine stärkende Rolle spie-

len. Auch die Initialzündung für die Gründung von „Arts4all“ hat das

deutsch-finnische Fachkräfteprogramm geliefert.

Kontakt

bjke – Bundesverband der Jugendkunstschulen

und Kulturpädagogischen Einrichtungen e. V.

Mechthild Eickhoff

Kurpark 5, 59425 Unna

Fon: 02303.693 24

[email protected]

www.bjke.de

Sie lauschten den Ausführungen des Redners auf den Golan-Höhen

– von vergangen Zeiten und Kriegen, vom Leben Jugendlicher zwi-

schen Schule, Familie und Armee und von der ewig komplizierten poli-

tischen Lage. Für sie hat in den vergangenen zwei Wochen Frieden ein

Gesicht bekommen: Es sind die verschiedenen Gesichter innerhalb

ihrer Gruppe, geformt durch die gemeinsame inhaltliche Auseinan-

dersetzung, die Interviews auf den Straßen und die Projektarbeit

an ihrem Dokumentarfilm. Nur einige Wochen später, zwischen der

Hin- und Rückbegegnung, beginnt erneut ein kriegerischer Konflikt

im Grenzgebiet von Israel und Libanon. Die Vorstellung, dass dort,

wo sie noch vor kurzem mit ihren neuen Freunden campierten, der

Alttag nun wieder von Raketen bestimmt wird, lässt die Gesichter des

Friedens erblassen.

Sie sind 10 Jugendliche aus Sachsen, die im Mai und August 2006 an

einer internationalen Jugendbegegnung der Evangelischen Jugend

Sachsen teilgenommen haben, um Spuren des Friedens zu suchen

– in Deutschland und in Israel.

Über 30 Anmeldungen hat Projektleiter Thomas Feist für diese Maß-

nahme erhalten, da fiel es schwer eine Auswahl zu treffen. Dies gelang

durch einen Fragebogen, den alle InteressentInnen ausfüllen muss-

ten, „dabei spielte es keine Rolle, ob jemand nun getauft und kon-

firmiert war oder nicht, allein die Darlegung des Interesses für das

Projekt war ausschlaggebend“ (Thomas Feist)

Tagebuchauszug einer Teilnehmerin am Tag der Ankunft in Israel:

Menschenmasse /// junge Wilde und jetzt /// so Stille ///

sitzen auf dem noch /// sonnenwarmen Asphalt. ///

Yitzhak-Rabin-Platz ///

vor 10 Jahren hier Schüsse – Drama –

Ende des Friedensprozesses? /// ///

Junge Musiker singen die ‚alten, traurigen Lieder‘. ///

alle sitzend. Massen. /// ein Menschenmeer schweigt still ///

vor der /// flackernden Kerze im Bildschirm. ///

Singen stumm die Melodien. /// Weit /// der Blick. ///

nach hinten gerichtet – /// auch nach vorne? /// ///

Und paradox – /// heute hier die Trauernden, Sirenenalarm

in dem das Land erstarrt, /// „night of sad songs“ und weinende

Mütter, die ihre Geschichten erzählen von verlorenen Söhnen – ///

morgen die Helden, „für das Vaterland gestorben“,

„in den Tod für uns gegangen“ der Sinn hatte für die

Unabhängigkeit Israels?! /// ///

und im /// Palästinenser-Gebiet wird /// heute gejubelt ///

und morgen getrauert. /// ///

(Caroline Richter, Teilnehmerin)

Auf Friedenssuche mit der Videokamera –eine deutsch-israelische Jugendbegegnung in Konfliktzeiten

TITEL /// Frieden hat ein GesichtPRoGRAMMFoRM /// Bilaterale Jugendbegegung (Hin- und Rückbegegung)KüNSTLERIScHE SPARTE /// Film / Video, Literatur, Neue Medien, FotoZEIT /// 01.–12.05.2006 – Holon, weitere Orte , Israel07.–18.08.2006 – Leipzig, Berlin, Dresden, DeutschlandTEILNEHMER/INNEN /// 20 (je 10) Jugendliche zwischen 18 und 25 JahrenFÖRDERuNG /// Jugendwettbewerb Frieden für Europa – Europa für den Frieden des Fonds Erinnerung und Zukunft in Trägerschaft von MitOst e. V., BMFSFJ über AEJPARTNER /// Israel, Stadtverwaltung Holon/NGO „I & EYE“ (Israeli and European Youth Exchanges) TRäGER /// Landesjugendpfarramt Sachsen

46 _ Auf Friedenssuche

„Ist Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg?“

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand die Begegnung mit

einfachen und doch besonderen (Mit-)Menschen und die Suche nach

den biographischen Kriterien, die sie zu dem werden ließen, was sie

sind. Durch die geringe Distanz zwischen diesen „Gesichtern des Frie-

dens“ und ihnen selbst fanden die Jugendlichen Anknüpfungspunkte

für eigenes Handeln und Engagement für den Frieden.

Es wurden Menschen getroffen, die „wie du und ich“ sind

– „Gesichter des Friedens“ mitten aus der Gesellschaft. Gerade

die Nähe des Handelns im Alltag des „Normalbürgers“ hat aufge-

zeigt, dass Frieden im Zusammenleben von Menschen und beispiel-

haftes Handeln für den Frieden auch heute, auch für junge Menschen,

machbar ist.

Das Thema Frieden beschäftigte die Gruppe auf verschie-

denen Ebenen. Neben einem friedvollen Zusammenleben, welches

ethischen Grundsätzen folgt, wurde auch der soziale Frieden, Frie-

den zwischen arm und reich sowie zwischen verschiedenen Gesell-

schaftsschichten, Frieden zwischen verschiedenen Volksgruppen,

Ethnien und Konfessionen aufgearbeitet. Somit konnte zum einen

der Facettenreichtum des Begriffs aufgezeigt und zum anderen das

Betätigungsfeld für junge Menschen weiter geöffnet werden.

Die Realität im Film einfangen und nicht den Frieden glorifizieren

Der im Rahmen des Projekts produzierte Dokumentarfilm wurde

in Teamwork zwischen der Regisseurin Tabea Sternberg und den

Jugendlichen erarbeitet. Ein Film eignet sich hervorragend, um die

TeilnehmerInnen anzuregen, ihr Projekt von der Außenperspektive

her wahrzunehmen. Es gelang, die Jugendlichen von Anfang an in den

Realisierungsprozess des Films einzubinden, so dass die Arbeit an

dem Film ein wichtiges Instrument der Identifizierung der Teilneh-

merInnen mit „ihrem“ Projekt wurde. Durch den Film ließ sich die

Nachhaltigkeit des Projektes erheblich beeinflussen.

„In dem 30 Minuten langen Film haben die TeilnehmerInnen

Menschen aus beiden Ländern interviewt und gefilmt. Dabei sollte

keine Friedens-Glorifizierung betrieben werden. Ziel war es, die Rea-

lität kennen zu lernen und einzufangen“, so die Regisseurin Tabea

Sternberg. „Ein Beispiel: im Film ist zu sehen, wie die Projektgruppe

zwei israelische Bauern trifft, Siedler mit großen Gewächshäusern.

Einer von ihnen vertraut seinen palästinensischen Arbeitern voll

und ganz, der andere beschäftigt nach einem Überfall nur noch

Thailänder.“

Während sich die Gruppe bei dem Aufenthalt in Israel neben

dem Holocaust vor allem mit dem dortigen Konflikt beschäftigte,

lag der Schwerpunkt der Friedenssuche bei der Rückbegegnung in

Deutschland auf der friedlichen Revolution von 1989 und davor. Unter

anderem schlug ein Pfarrer den Bogen von der damals durch ihn ins

Leben gerufenen Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“, die sich zu

einer Protestbewegung unter Jugendlichen in der DDR entwickelte,

bis hin zu den Ereignissen, die dann zum Mauerfall führten. Einige der

israelischen TeilnehmerInnen äußerten sich, dass auch in ihrem Land

noch so manche Mauer fallen muss.

Acht TeilnehmerInnen erhielten den Kompetenznachweis Kultur

„Der Kompetenznachweis Kultur kann sehr gut auch im internationa-

len Bereich vergeben werden, dort, wo mit kulturell-künstlerischen

Medien und Methoden gearbeitet wird. Ich bin überzeugt davon und

das hat sich in meiner Praxis auch gezeigt, dass dies eine andere Art

der Reflexion für Jugendliche darstellt, sich innerhalb eines solchen

Projektes der eigenen Stärken bewusst zu werden – immer voraus-

gesetzt, dass ein verbindlicher Rahmen und verbindliche Standards

vorhanden sind. Für mich als Leiter dieser Maßnahme war das dialo-

gische Verfahren des Kompetenznachweises eine wichtige Hilfe, um

die Evaluation des Projekts gemeinsam und partnerschaftlich mit den

Jugendlichen gestalten zu können. Damit ist für mich das Verfahren

nicht nur für die persönliche Entwicklung der acht deutschen Teilneh-

merInnen wichtig, die nach der Begegnung den Kompetenznachweis

Kultur erhielten, es trägt ebenso wesentlich zur Auswertung der

gesamten Jugendbegegnung bei.“

Schatzkiste: sehr gute, partizipative Öffentlichkeitsarbeit

Was nicht in der Öffentlichkeit passiert, passiert nicht. Diesen

Leitspruch der PR-ManagerInnen haben die OrganisatorInnen des

Projekts sehr ernst genommen. Vor allem die eigens für das Projekt

gestaltete Homepage stellt dies unter Beweis. Beeindruckend an der

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist die Anzahl und Vielfalt der Medi-

en, die über das Projekt berichtet haben. Hinzu kommt, dass für die

Zeitungs-, Radio- oder Fernsehberichte nicht immer die gleichen Teil-

nehmerInnen etwas zum Besten gaben, sondern jene Aufgabe schon

im Vorfeld in der Gruppe gut verteilt war. So wurde die Öffentlichkeit

jugendgemäß informiert und die TeilnehmerInnen hatten damit auch

die Chance, ihre Projektziele vor laufendem Mikro zu reflektieren und

zu schärfen.

Die Übernahme der Schirmherrschaft durch eine Person des

öffentlichen Lebens (hier die Bundesjugendministerin von der Leyen)

ist ebenso ein nützliches Instrument im Baukasten der PR-Arbeit, das

nicht nur großen Projekten oder Kampagnen vorbehalten ist.

Kontakt

Landesjugendpfarramt Sachsen

Dr. Thomas Feist

Schmidstr. 1, 04158 Leipzig

Fon: 0341.912 09 76

[email protected]

www.international-sachsen.de

www.facesofpeace.int.tc

Auf Friedenssuche _ 47

Seit 1987 hat sich das Projekt „Sonnensegel“ mit seinem bildungs-

politischen Ansatz und dem Bemühen, Kunst zu demokratisieren

und für alle verfügbar zu machen, erfolgreich entwickelt und viele

Erfahrungen in die internationale Zusammenarbeit im Bereich der

kulturellen Kinder- und Jugendbildung einfließen lassen. In diesem

Rahmen wurde auch die Partnerschaft mit der Kinder- und Jugend-

kunstschule in Vilnius, Litauen aufgebaut.

„Vor einigen Jahren haben wir zu einem Projekt unter dem Motto

„Willkommen in Europa“ litauische Jugendliche nach Deutschland ein-

geladen. Die Grundidee dabei war es, Kontakte mit einer Kunstschule

der neuen EU-Staaten zu knüpfen. Wir empfanden eine Verpflichtung,

mit osteuropäischen Partnern Kulturkontakte zu pflegen sowie den

Dialog der Kulturen unter Jugendlichen zwischen Ost und West voran-

zubringen. Die litauischen Partner haben unsere KunstschülerInnem

zu einer Rückbegegnung eingeladen, um sich mit dem Thema „Gemein-

samkeiten und Unterschiede in der Architektur“ auseinander zu set-

zen. Aus diesen zwei Projekten hat sich der Wunsch entwickelt, nicht

nur in den überholten Gastgeber- und Gastrollen zu arbeiten, sondern

gemeinsam Konzepte und Programme im Vorfeld partnerschaftlich

zu entwickeln. Und so war dieses Projekt ein absoluter Höhepunkt

in der Zusammenarbeit unserer Kunstschulen. Vom Anfang bis zum

Ende haben wir das Projekt miteinander international gestaltet. Die

Jugendlichen standen im Vorfeld im Erfahrungsaustausch, haben

Kontakte geknüpft und mit Hilfe der neuen Medien eine Konzeption

erarbeitet. Erst dann haben wir, erwachsene KünstlerInnen und Päda-

gogInnen, diesen Prozess aufgegriffen und unsere langjährigen Kurs-

teilnehmerInnen dabei unterstützt. Wir haben uns dafür wirklich Zeit

gelassen. Gemeinsam sind wir zu der Überschrift gekommen „Name-

Stadt-Land“. Es war ein Wunsch von beiden Seiten, sich mit der Natur

zu beschäftigen und sich mit unseren künstlerischen Mitteln damit

auseinander zu setzen.“ (Martina Stein)

Spiel mit Steinen und Wasserschlangen

Für die meisten TeilnehmerInnen war es die erste intensive Ausei-

nandersetzung mit der Natur. Es hat bei den jungen KünstlerInnen

den Sehsinn geschärft für die unendliche Fülle an Mustern, Formen

und Farben, die die Umgebung bietet. Durch einen Filmbeitrag über

Land-Art und Blicke durch Passepartouts in die Umgebung wurden

die Jugendlichen angeregt, in der Natur künstlerisch zu arbeiten.

Diese Signale aufzunehmen und sichtbar zu machen, war der näch-

ste Schritt. Es entstanden Installationen auf Wegen, an Bäumen und

am Wasser. Unter fachkundiger Anleitung der KunstpädagogInnen

aus Deutschland und Litauen, wurden für die Kunstobjekte Blätter,

Zweige, Steine und Farbpigmente benutzt. Mit Zahnstochern wurden

die Baumblätter zu langen Schlangen verkettet, blutrot und rapsgelb

betuscht und durch ein Flüsschen gezogen. Nur kurz wirbelte der

unwirkliche Farbstrudel durchs Wasser, festgehalten von den Klicks

kleiner Digitalkameras. Ein Labyrinth aus Steinen, eine kunstvolle

Anordnung der Stöckchen und kleinen knorpeligen Äpfeln – Versuche,

das Außergewöhnliche in der Natur durch ein junges Auge zu entde-

cken und damit zu spielen. So entstanden vergängliche Gebilde, die

nur wenige Tage oder gar Stunden überdauerten. Die Vergänglichkeit

der Natur-Kunst wurde in Fotos festgehalten und in dieser Form in

die Stadt getragen.

Aus den Naturobjekten, Installationen, großformatigen Fotos

und der begleitenden Fotodokumentation entstand eine von den

Name – Stadt – Land – Art

TITEL /// Name – Stadt – Land – ArtPRoGRAMMFoRM /// Bilaterale Jugendbegegung KüNSTLERIScHE SPARTE /// Land-Art, Bildende Kunst, Foto, InstallationZEIT /// 20.–29.06.2007, Brandenburg-MötzowTEILNEHMER/INNEN /// 10 litauische und 14 deutsche Jugendliche im Alter von 12 bis 16 Jahren FÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ,Land Brandenburg/LandesjugendamtPARTNER /// Litauen: Kinder- und Jugendkunstschule „Dailes mokykla“, Vilnius TRäGER /// Kinder- und Jugend-Kunst-Galerie „Sonnensegel“ e. V.

48 _ Name – Stadt – Land – Art

Jugendlichen gestaltete Ausstellung in der St. Petri Kapelle am

Dom Brandenburg an der Havel. Die Werke der jungen KünstlerInnen

erfuhren eine deutliche Würdigung. Im Ergebnis eines Wettbewerbes

zur Eröffnung des Altstädtischen Rathauses von Brandburg schmü-

cken digital bearbeitete Bildausschnitte des Projektes heute den

Vorraum der Oberbürgermeisterin.

Land-ArtDie Kunst-Bewegung Land-Art entstand in den USA der späten sech-ziger Jahre. Die Natur wird nicht nur abgebildet, sondern selbst als Medium verwendet. Die KünstlerInnen arbeiten mit den verschie-densten Materialien, die in der Landschaft zu finden sind, wie Sand, Lehm, Stein, Moos, Farn, Blätter, Holz oder Blüten. Angesichts der Vergänglichkeit der Kunstwerke, die meistens außerhalb des tra-ditionellen Ausstellungsbereiches Galerie und Museum realisiert werden, bedienen sich die Land-Art-KünstlerInnen verschiedener Hilfsmittel zur Verbreitung ihrer Kunst. So halten sie ihre Werke ins-besondere auf Fotografien und Filmen fest.

Das wichtigste Ergebnis

In der deutsch-litauischen Zusammenarbeit entstanden nicht nur

sichtbare Werte. Das Wertvollste – Erlebnisse, Erfahrungen, inter-

kulturelle und soziale Kompetenzen – ist unmöglich mit Video- oder

Fotokamera festzuhalten. Das pädagogische Programm des Pro-

jektes umfasste mehr als nur die Auseinandersetzung mit der Natur

mittels künstlerischer Aktivitäten. Sowohl die Arbeit in den national

gemischten Gruppen als auch die der Freizeit bot den Jugendlichen

ausreichend Möglichkeit, Geschichten über Deutschland und Litauen,

das eigene Zuhause und den Alltag zu erzählen. Während der gemein-

sam verbrachten Zeit, zahlreichen Exkursionen zu den kulturellen

Sehenswürdigkeiten in Brandenburg, Potsdam und Berlin, sowie

einem Wochenende in deutschen Familien haben die Teilnehmenden

einander auf eine andere Weise kennen gelernt. Die Kooperation in

den gemischt-nationalen Gruppen während der Workshops und die

gemeinsame Gestaltung der Abschlussausstellung war dafür eine

wichtige Voraussetzung.

„Wir waren fasziniert von der künstlerischen Professionalität und

der angenehmen Art der litauischen Jugendlichen. Westeuropäische

Jugendliche sind oft anspruchsvoll, anmaßend, laut, selbstbewusst.

Diese jungen Leute waren auch selbstbewusst, aber eben anders –

bescheidender, zurückhaltender – wir fanden das sehr sympathisch.“

(Armin Schubert)

Schatzkiste:

Wertvolle Erfahrung der gleichberechtigten Partnerschaft

Sowohl die Teilnehmenden als auch die Fachkräfte profitieren vom

Austausch am meisten, wenn die gemeinsame Begegnung in einer

gleichberechtigten Partnerschaft vorbereitet, durchgeführt und aus-

gewertet wird. Die Gestaltung eines Projektes vor dem Hintergrund

der Bedürfnisse und der sozialen Realitäten der Teilnehmenden und

die gemeinsame Planung aller Schritte, trägt nicht nur zur fairen

partnerschaftlichen Aufteilung der Verantwortung des Projektes bei,

sondern erhöht enorm das Zufriedenheitsgefühl aller Beteiligten und

sollte in keinem Projekt der internationalen Jugendarbeit in irgendei-

ner Weise verhandelbar sein.

Diese Art von Partnerschaft vermittelt nicht nur demokratische

Werte von Beteiligung, Respekt und Annerkennung. Die Gleichberech-

tigung der Kulturen wird exemplarisch vor- und ausgelebt.

Kontakt

Kinder- und Jugend-Kunst-Galerie „Sonnensegel“ e. V.

Armin Schubert , Martina Stein

Gotthardtkirchplatz 4, 14770 Brandenburg

Fon: 03381.52 28 37

[email protected]

www.sonnensegel.de

Name – Stadt – Land – Art _ 49

Der Fachkräfteaustausch mit dem Titel „Deutsch-Japanisches Studi-

enprogramm“ wird seit 1971 von IJAB – Fachstelle für internationale

Jugendarbeit gemeinsam mit großen Organisationen der deutschen

Jugendarbeit jährlich organisiert. Der Austausch für die Fachkräfte im

Theaterbereich konnte 2004 erstmalig durch die Bundesarbeitsge-

meinschaft (BAG) Spiel & Theater in Kooperation mit der BKJ durchge-

führt und ab 2005 mit einem neuen Partner, dem Japan Arts Council,

fortgesetzt werden. In den Jahren 2004–2007 lag der Fokus des Pro-

gramms auf der Theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen. 2008

und 2009 sollen auf Wunsch der deutschen KollegInnen die bildenden

Künste den Schwerpunkt des Fachkräfteprogramms bilden. Im Fol-

genden wird vorwiegend über den zweiten Teil 2007, das Programm in

Japan 2007 berichtet. Einige Überlegungen beziehen sich aber auch

auf die Erfahrungen der Jahre 2004–2006.

Geografie und Stationen des Studienprogramms

Das Studienprogramm war eine besondere und fachlich reizvolle

Gelegenheit, ein kulturell sehr entferntes Land von professioneller

(fachlicher) Seite zu erleben und dort bleibende Eindrücke von ver-

schiedenen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens und der Theater-

arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu sammeln. Die Programme der

letzten Jahre führten vor allem in Städte und Regionen im Norden und

Süden Japans und nach Tokio. Die Programme waren inhaltlich sehr

anspruchsvoll und umfassten den Austausch mit FachkollegInnen

öffentlicher und privater Grundschulen, Oberschulen, Schulen mit

verschiedenen Schwerpunkten (u. a. Theater), Einrichtungen der

außerschulischen Bildung und eines Künstlerdorfs mit theaterpäda-

gogischem Konzept. Es gab Gelegenheiten, unterschiedliche Theater-

häuser und ihre jeweiligen künstlerischen Konzepte kennen zu lernen,

traditionelles und zeitgenössisches Theater zu sehen und die Mög-

lichkeit zum intensiven Meinungsaustausch mit Theaterfachleuten

verschiedener Einrichtungen und Organisationen, mit LehrerInnen

und RegisseurInnen. Theaterwerkstätten mit den SchülerInnen sowie

die Teilnahme an den Workshops für traditionellen japanischen Tanz

und japanisches Trommeln bereicherten den Aufenthalt durch unmit-

telbaren Kontakt zu Jugendlichen und einer tatsächlichen Berührung

mit der japanischen Kunst. Dazu ermöglichten zweitägige Aufenthalte

in Gastfamilien das unmittelbare Eintauchen in den Alltag des kultu-

rell und geografisch fernen asiatischen Landes.

Intensive Vorbereitung

Um das vielfältige Angebot des Studienprogramms effizient nutzen

zu können, bereiteten sich die TeilnehmerInnen in einem zweitägigen

Seminar intensiv auf ihre Reise nach Japan vor. Verschiedene Fachre-

ferentInnen gaben eine Einführung in die Themen Kulturpolitik, kul-

turelle Bildung und Theaterarbeit in Japan. Ergänzt wurden die Fach-

beiträge durch interkulturelle Trainings, die die TeilnehmerInnen auf

die komplexen Kommunikationsstrukturen und ein entsprechendes

Verhalten in Japan sowie auf den Familienaufenthalt vorbereiten

sollten. Ehemalige ProgrammteilnehmerInnen teilten ihre Eindrücke

mit und gaben praktische Hinweise. Gemeinsam wurden Landkarten

studiert und ein paar Wörter Japanisch gelernt. Alle Teilnehmenden

mussten sich ausgiebig in Arbeitsgruppen mit den Zielen und Auf-

Zum Erfahrungsaustausch um die halbe Welt

TITEL /// Treffen – Begegnung – Festival. Kinder- und Jugendtheaterarbeit in Deutschland und in JapanPRoGRAMMFoRM /// Fachkräfteprogramm (mehrjährige Hin- und Rückbegegnungen)KüNSTLERIScHE SPARTE /// Theater, SpielZEIT /// 07.–20.10.2007 in Tokio, Kioto und Himeji(26.05.–07.06.2007 Berlin, Hannover, Frankfurt/Main – nicht im Beitrag beschrieben)TEILNEHMER/INNEN /// 40 Fachkräfte der Kinder- und Jugendtheaterarbeit aus Deutschland und JapanFÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ PARTNER /// Japan Arts Council TRäGER /// Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung , BAG Spiel & Theater e. V.

50 _ Zum Erfahrungsaustausch

gaben des Fachkräfteprogramms auseinandersetzen. Das Vorberei-

tungsseminar war eine sehr wichtige und unersetzliche Vorstufe zum

Programm, da das Studienprogramm für viele Beteiligte den ersten

Schritt in den asiatischen Raum bedeutete.

Die fachübergreifenden Aspekte

und Themen, die sich durch das gesamte Programm zogen, konzen-

trierten sich im Wesentlichen auf die Fragen nach den kulturellen

Interessen der japanischen Jugendlichen, nach den Auswirkungen

kultureller und gesellschaftlicher Umbrüche auf die Jugend in Japan,

nach dem Stellenwert und den finanziellen Möglichkeiten der kul-

turellen (Jugend-) Bildung in Japan, nach den Besonderheiten der

japanischen Kinder- und Jugendkultur sowie nach der Definition der

Rolle von Kindheit und Jugend im Generationenverhältnis. Im Blick

hatten die TeilnehmerInnen auch eine Recherche der infrastruktu-

rellen Voraussetzungen für Jugendarbeit in Japan.

Bei den Besuchen in theater- und spielpädagogischen Einrichtungen

weckten besonderes Interesse der deutschen Fachkräfte die jewei-

ligen theater- bzw. spielpädagogischen Konzepte, die Aus-, und

Weiterbildungsstrukturen in diesem Bereich, die Zielgruppen der

Einrichtungen, die Auseinandersetzung mit Moderne und Tradition.

Erkundet wurden auch Kooperationsformen, die mit Schulen und/

oder anderen Einrichtungen durchgeführt werden. Dieser Bereich

war besonders unter der in Deutschland intensiven Diskussion zur

flächendeckenden Einführung von Ganztagsschulen und von Koope-

rationsmodellen außerschulischer Träger mit verschiedenen Schul-

formen spannend.

Diese_ und andere Schwerpunkte des Programms wurden von den

Teilnehmenden während des Aufenthaltes in Japan dokumentiert,

so dass sich jeweils einige Mitglieder der Gruppe mit einem Thema

intensiver auseinander setzten, gezielt während der Besuche und

Diskussionen Informationen sammelten, Interviews mit den japa-

nischen und deutschen KollegInnen führten und ihre Erfahrungen

für dieses spezielle Thema dann ausführlich in der Projektdokumen-

tation beschrieben haben.

Fachspezifische Fragen

konzentrierten sich im Bereich des Kinder- und Jugendtheaters auf

die aktuellen Erfahrungen, inhaltliche Schwerpunkte und die Frage

nach der Ästhetik des Kinder- und Jugendtheaters. Abgefragt und

diskutiert wurden diesbezüglich die Ausprägung von Angebotsstruk-

turen, die sich an den Bedürfnissen und Wünschen der Jugendlichen

orientieren, z. B. zielgruppenorientierte Angebote für die Theater-

arbeit mit Menschen mit Behinderungen oder mit Jugendlichen mit

Migrationshintergrund. Es galt herauszufiltern, wie in der Alltagskul-

tur und speziell in der Theaterarbeit das Verhältnis von Tradition und

Moderne geprägt ist. Diskutiert wurde auch die Frage nach den Erfah-

rungen im Bereich der Zusammenschau von Theater mit Kindern und

Jugendlichen und von Theater für Kinder und Jugendliche. Wie also

ist das Verständnis von „Theater spielen und Theater sehen“ in Japan

definiert. Von großem Interesse war es, zu diskutieren, inwieweit in

Deutschland und Japan die neuen Medien bei der Theaterarbeit zum

Einsatz kommen und wie verschieden theaterpädagogische Projekte

in Zusammenarbeit mit Gruppen und Organisationen aus Entwick-

lungsländern von japanischen und deutschen KollegInnen gesehen

werden (z. B. Arbeit mit Straßenkindern).

Japanische Kultur bewegt sich im Spannungsfeld von Tradition und

Moderne. Für die ProgrammteilnehmerInnen wirft dieses Verhältnis

spannende Fragen nach dem eigenen Umgang mit Traditionen in der

Theaterarbeit auf. Das traditionelle Theater Japans ist für deutsche

Theaterfachleute eine Fundgrube bei der Diskussion um Begriffe

wie Ritual und Performance. Auch die Fragen nach der Art und Weise

der Kulturvermittlung sind für den Austausch von großem Interesse.

Viele Lebensbereiche Japans sind mittlerweile unverkennbar westlich

Zum Erfahrungsaustausch _ 51

geprägt. Die TeilnehmerInnen tauchten aber ungeachtet dessen in

eine fremde Kultur ein, die neben vielfältigen fachlichen Eindrücken

auf interkultureller Ebene interessante Erfahrungen und Beobach-

tungen, insbesondere bei der Auseinandersetzung mit der eigenen

Kultur, garantiert.

Die moderne Industriegesellschaft hat mit Beginn der 90er Jahre weit

reichende gesellschaftliche Umbrüche in Japan hervorgebracht, die

sich auf das Bildungssystem und die Struktur der Familie und Arbeits-

welt massiv auswirken. Interessant ist es zu fragen, welche Rolle

Kunst und Kultur in dieser gesellschaftlichen Auseinandersetzung

einnehmen.“ (Ute Handwerg)

Schatzkiste: Werkstätten im Fachkräfteprogramm

Im Fachkräfteprogramm wurden die deutschen Theaterfachleute

angefragt, als Beispiel der Jugendtheaterarbeit in Deutschland, The-

aterwerkstätten mit japanischen SchülerInnen zu gestalten. Es gab

zwar wenig Zeit für die Vorbereitung und Durchführung, keine opti-

malen Räumlichkeiten für die sechs Arbeitsgruppen und dazu viele

erwachsene ZuschauerInnen und VertreterInnen der Medien. Trotz-

dem waren diese Werkstätten, so die deutschen Teilnehmenden, das

Programmelement, das den unmittelbaren Kontakt mit Jugendlichen,

eine Annäherung an ihre Meinungen, Interessen, Vorstellungen und

Wünsche und somit einen interkulturellen Vergleich am intensivsten

ermöglichte. Diese Erfahrung gab den OrganisatorInnen auf beiden

Seiten den Anstoß, die Werkstätten mit Jugendlichen und Fachkräf-

ten zukünftig als konstantes Element in das Programm einzubauen,

um ihnen einen intensiveren Diskurs über die unterschiedlichen

Arbeitsformen sowie deutlichere Einblicke in die praktische thea-

terpädagogische Arbeitssituation zu ermöglichen. Das gemeinsame

Erlebnis, der gemeinsame Arbeitsprozess bereicherte und intensi-

vierte den Fachkräfteaustausch. Ein schönes Beispiel dafür, dass

Fachkräfteprogramme der internationalen Jugendarbeit nicht immer

nur aus langen Vorträgen, theoretischen Diskussionsrunden und Pro-

jekt-Besuchen bestehen müssen.

Kontakt

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung

Rolf Witte

Küppelstein 34, 42857 Remscheid

Fon: 02191.79 43 91

[email protected]

www.bkj.de

BAG Spiel & Theater e. V.

Ute Handwerg

Simrockstraße 8, 30171 Hannover

Fon: 0511.458 17 99

[email protected]

www.bag-online.de

52 _ Zum Erfahrungsaustausch

Aller guten Dinge sind drei: getreu diesem Motto startete im Juli

2007 für 10 Tage das dritte trilaterale Jugendzirkustreffen mit Teil-

nehmerInnen aus Dünkirchen, Warschau und Rostock im Zirkuszelt

„Fantasia – Ein Zelt voller Leben“. Der baf – Behinderten Alternative

Freizeit e. V. baut dieses Zelt jedes Jahr von Mai bis Juli im Rostocker

Hafen auf und führt dort integrative Zirkusprojektwochen, offene

Workshops und internationale Begegnungen durch.

Der dritte interkulturelle Jugendaustausch im „Circus Fan-

tasia“ war im Besonderen erfolgreich durch die intensiveren und

verbesserten Methoden und Strukturen in der sozialpädagogischen

Arbeit, beim Spracherwerb sowie auf der Ebene der Partizipation der

TeilnehmerInnen im Vergleich zu den Vorjahren.

Die Kurstage liefen entsprechend einem bestimmten, bereits

im Vorab klar durchstrukturierten Schema ab: innerhalb der Warm-

up Stunden variierten Gruppenspiele mit Sprachanimation, Spiele

zur Gruppenfindung sowie Aggressions- mit Kommunikationsspiele.

Danach trainierten die Jugendlichen in ihren Zirkusgruppen für die

Abschlussshow. Inhalte der Kurse waren neben vielfältigen persön-

lichen und Gruppenentwicklungsmöglichkeiten Pantomime, Einrad,

Jonglage, Clownerie und Equilibristik. Eine weitere neue Idee wurde

mit der Einführung von freien Trainingsangeboten an den Nachmit-

tagen umgesetzt. Dafür gab es weitere Kursangebote, wie Stabbau

und -drehen, Dokumentation und Breakdance. Diese fanden großen

Anklang bei den Jugendlichen.

Im Verlauf der Trainingswoche entwickelte sich besonders

während der Abendstunden ein ganz eigenes Flair auf dem Platz des

„Circus Fantasia“. Es wurde jongliert, für die Feuershow trainiert, und

viele RostockerInnen fanden durch die lockere, offene, kreative und

multikulturelle Atmosphäre den Weg zum Stadthafen und zu uns ins

Zelt. So wurden diese Stunden zu einem besonderen Höhepunkt des

Projekts und darüber hinaus eine große Bereicherung für die nachhal-

tige Tätigkeit und Öffentlichkeitsarbeit des Vereins.

Innovativ

Die Teilhabe der Jugendlichen erfolgte in der Form, dass ihnen

zunächst mehr Selbstverantwortung für die Zeit des Austausches

übertragen wurde. So wurde als gut funktionierende Neuheit in die-

sem Jahr ein Zirkusrat mit jeweils zwei VertreterInnen eines Landes

(Junge und Mädchen) gewählt, welcher die Interessen, Wünsche,

Beschwerden und Bemerkungen der Gruppen bei den Teamsitzungen

zu vertreten hatte, die täglich abends mit den SprachmittlerInnen und

der Projektleiterin des baf e.V. stattfanden.

Am letzten Tag fand eine zweistündige Aktionsevaluations-

runde statt, bei der die TeilnehmerInnen mittels eigens dafür entwi-

ckelter Spiele ihre Meinung kundtaten.

Interkulturell

Neben den erlernten Zirkustechniken erlangten die Jugendlichen eine

andere Betrachtungsweise von sich und anderen, beschäftigten sich

teilweise eingehender mit anderen Sprachen. Das Interesse für ande-

re Länder und Reisen wurde geweckt. Auf individueller Ebene lernten

sich die TeilnehmerInnen selbst besser kennen und Denkanstöße

über Toleranz und Akzeptanz wurden gegeben.

Ein Zelt voller Leben – innovativ, interkulturell und integrativ

TITEL /// Deutsch-Französisch-Polnisches Jugendkulturtreffen im „Circus Fantasia“PRoGRAMMFoRM /// Trilaterale Jugendbegegnung (mehrjährig)KüNSTLERIScHE SPARTE /// ZirkusZEIT /// 07.–19.07.2006, RostockTEILNEHMER/INNEN /// 55 Jugendliche aus Deutschland, Polen und FrankreichFÖRDERuNG /// DFJW über BKJ, weitere PARTNER /// Frankreich: Maison de Quartier du Carrè de Vieille/du Jeu de Mail, Dunkerque; Polen: Polskie Stowarzyszenie Pedagogów I Animatoròw KLANZA, LublinTRäGER /// baf – Behinderten Alternative Freizeit e. V.

Ein Zelt voller Leben _ 53

Die zum Teil verschiedenen Auffassungen der nationalen Grup-

pen von Partizipation, Selbstvertrauen und -verantwortung wurden

sowohl mit den Jugendlichen wie auch mit den TeamerInnen ausdisku-

tiert. Natürlich gab es auch Probleme zwischen den Gruppen. Letztlich

gab es jedoch eine gute Basis, um Grenzen auszuloten, sich selbst zu

behaupten, Ziele zu erreichen und sich auf dem Platz wohl zu fühlen.

Integrativ

Andere Kulturen und andere Menschen trotz individueller Beein-

trächtigungen zu tolerieren und zu akzeptieren, ist nicht immer und

nicht für jeden eine Selbstverständlichkeit.

Die „Methode“ des baf e.V., die TeilnehmerInnen mit körper-

lich und geistig behinderten Menschen zu konfrontieren, führt häufig

zu ungewünschten Reaktionen auf beiden Seiten und ist immer ein

andauernder Prozess, der nicht mit der Anreise beginnt und nicht

mit der Abreise endet. Deswegen ist es von Vorteil, diese Jugend-

austauschprogramme auch mit den gleichen TeilnehmerInnen

zu wiederholen. Nur dadurch sind diesbezügliche Entwicklungen

erkenn- bzw. messbar. Normalerweise findet der engere, persönliche

Kontakt zwischen den TeilnehmerInnen nach 2 bis 3 Tagen – nach

der Aufwärmphase – statt. Die Kontaktaufnahme und -haltung zu

und mit benachteiligten und behinderten Jugendlichen ist bei inte-

grativen Maßnahmen schwieriger und dauert länger. Ein zusammen-

führendes Erlebnis und großer Durchbruch auf dieser Ebene war der

Ausflug in den Affenwald, der erst am fünften Tag stattfand. Die

Jugendlichen hatten sich gemeinsam und mit großer Mehrheit für

dieses Ausflugsziel entschieden. Zur Überraschung der TeamerInnen

waren alle drei Gruppen gleichermaßen begeistert und fasziniert von

den Tieren.

„Unser Leitziel ist es, integrative Freizeitangebote zu entwickeln.

Dabei ist die Zirkus- und spielpädagogische Arbeit ein Schwerpunkt.

Wir reduzieren unseren Integrationsgedanken aber nicht nur auf

geistig und körperlich behinderte Kinder und Jugendliche. Integration

bedeutet für uns ebenso die Arbeit mit Jugendlichen aus gefährdeten

Milieus und sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen. So hatten

einige unserer TeilnehmerInnen aus Polen familiäre Gewaltsituati-

onen erlebt und leben in Heimen, unsere französischen Jugendlichen

kommen fast ausschließlich aus schwierigen Wohnvierteln in den

Außenbezirken von Dunkerque.“ (Stefan Brunst)

Schatzkiste:

Frei verfügbare, individuelle Freizeit innerhalb der Begegnung

Interkulturelles Lernen erweist sich speziell in nicht organisierten

Programmpunkten als sehr relevant, denn gerade hier findet die indi-

viduelle Kontaktaufnahme und Auseinandersetzung mit anderen Kul-

turen auf unterschiedlichsten Ebenen statt. Deshalb wurde innerhalb

der Durchführung des Projekts nicht jede Minute verplant, sondern

Zeit zum Nachdenken, Tagebuch schreiben und Loslassen gegeben.

Leider wird zu häufig in internationalen Begegnungen jede

Minute so pädagogisch wertvoll verplant, dass es kaum Rückzugs-

möglichkeiten für individuelle Bedürfnisse gibt. Von stimulierender

Gruppendynamik zu frustrierendem Gruppenzwang ist es oft nur ein

kleiner Schritt, der aber für den individuellen Lernerfolg innerhalb der

Begegnung entscheidend sein kann. Beim Projekt Circus Fantasia in

Rostock wurde dies erkannt und das Programm, aufgrund der Erfah-

rungen aus vergangenen Begegnungen, entsprechend gestaltet.

Kontakt

baf – Behinderten Alternative Freizeit e. V.

Stefan Brunst

Doberaner Str. 21, 18507 Rostock

Fon: 0381 4907851

[email protected]

www.bafev.de

54 _ Ein Zelt voller Leben

Der jährlich am Pfingstwochenende stattfindende Karneval der

Kulturen um den Kreuzberger Büchnerplatz herum, ist ein Fest der

Begegnung, der Integration, der Toleranz und des gegenseitigen

Respekts. BerlinerInnen unterschiedlicher Nationalitäten sowie

Gruppen aus In- und Ausland bilden in einer mehrstündigen Parade

eine farbenprächtige Karawane. Bunte Formationen, sowie kreativ

gestaltete mobile Bühnen für Musik und Performance sind tragende

Elemente der Darbietung. Vor Rund einer Millionen BesucherInnen

wird getanzt, musiziert, gespielt, improvisiert und gefeiert.

Seit Bestehen des Karnevals der Kulturen (1996) sind auch

die Teilnehmenden einer deutsch-französischen Jugendbegegnung

dabei, organisiert vom JugendKunst- und Kulturzentrum „Schlesische

27“ und dem Projektpartner Centre Culturel Oecuménique Jean-Pierre

Lachaise in Villeurbanne aus Frankreich.

Zehn Tage lang bauten die 28 Jugendlichen gemeinsam an

ihrem Umzugswagen, gestalteten ihre Kostüme aus verschiedenen

Stoffen, bauten Tanzobjekte und entwickelten eine eigene Choreo-

graphie für den Umzug. Dann sollte der Karneval beginnen. Doch wie

es sich für ein „Wolkenbruch-Projekt“ gehört, wurden große Teile des

Festes um den Büchnerplatz aufgrund von Sturmwarnungen abge-

sagt. Nur der eigentliche Umzug am Sonntag konnte stattfinden. Noch

eine Woche vorher hätte niemand der Teilnehmenden sich vorstellen

können, vor einer riesigen Menschenmenge in selbst gestalteten

Kostümen vier Stunden durch die Straßen von Kreuzberg zu ziehen.

Doch dies ist nur die halbe Geschichte, es passierte viel mehr.

Ein Thema passend zum Tanzobjekt

Da die TeilnehmerInnen des Projekts sehr verschieden in ihrer sozialen

Herkunft, ihren Erfahrungen und ihren künstlerischen Fähigkeiten

waren, war es den OrganisatorInnen wichtig, dass bei den künstle-

rischen Workshops alle Jugendlichen nach Möglichkeit die gleichen

Ausgangsvoraussetzungen haben. Alle sollten sich beteiligen kön-

nen, auf möglichst gleichem Niveau. In den vergangenen Jahren war

es vorgekommen, dass z.B. „erfahrene TänzerInnen“, den anderen

die Lust am Tanzen fast genommen hätten. Aus diesem Grund wurde

bei der diesjährigen Begegnung wieder ein Tanzobjekt eingeführt:

der Regenschirm, ausgewählt auf Grund der Thematik. Gleichzeitig

erlaubte dieses Motto die individuelle und gemeinschaftliche Ausei-

nandersetzung mit dem Thema Klimawandel, das in der Gestaltung

der Kostüme, des Wagens und des Tanzes eine Bearbeitung fand.

Das Tanzobjekt Regenschirm wirkte Wunder, da auch die schon etwas

talentierteren TänzerInnen innerhalb der Gruppe am Anfang genauso

unerfahren damit umgegangen sind, wie jene Jugendlichen, denen

ihre Füße beim Tanzen im Weg standen.

Kooperation zwischen beruflicher und kultureller Bildung: „Lokal arbeiten wir eng mit verschiedenen Einrichtungen der beruf-lichen Bildung zusammen. Durch die Mitwirkung der Jugendlichen in künstlerischen Projekten werden sie in ihrer Selbstverwirkli-chung gestärkt. Ihr Selbstbewusstsein und die sinnliche Wahr-nehmung sowie ihr kreatives Denken und Handeln werden durch kulturelle Bildung gefördert. Der Prozess, der in der lokalen Arbeit beginnt, wird durch interkulturelles Lernen während einer bilate-ralen Begegnung qualitativ ergänzt. Unsere Partner, die Ausbil-dungswerkstätten, unterstützen die Teilnahme der Jugendlichen an den internationalen Projekten, indem sie z.B. die Teilnahmebei-träge übernehmen. Der Erwerb von sozialen und interkulturellen Kompetenzen während der Projekte der internationalen kulturellen Bildung ergänzt die Bildungsangebote der Träger der beruflichen Bildung und trägt zum erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben bei.“ (Sandrine Ribeiro, Projektleiterin)

Wolkenbruch – Pluie d’été

TITEL /// Wolkenbruch

PRoGRAMMFoRM /// Bilaterale JugendbegegnungKüNSTLERIScHE SPARTE /// Tanz, bildende KunstZEIT /// 18.–28.05.2007, BerlinTEILNEHMER/INNEN /// 28 Jugendliche im Alter von 18 bis 25 JahrenFÖRDERuNG /// DFJW durch BKJ PARTNER /// CCO Jean Pierre Lachaize, Lyon TRäGER /// JugendKunst und Kulturzentrum Schlesische27

Wolkenbruch _ 55

Jugendliche aus Stadt und Land

Die französischen Jugendlichen waren bunt gemischt: Studen-

tInnen, junge Arbeitslose und SchülerInnen. Für einige war der Reiz

des Neuen, des fremden Landes, einer anderen Kultur und der

deutschen Hauptstadt Berlin entscheidend. Für andere stand die

künstlerische Herausforderung des Projekts an erster Stelle der Teil-

nahmemotivation.

Die deutsche Gruppe war ganz anders gemischt zusammen-

gesetzt: Die eine Hälfte der deutschen Jugendlichen kam aus Bad

Freienwalde im ländlichen Brandenburg, wo sie eine Ausbildung zu

HauswirtschaftshelferInnen absolvierten. Die andere Hälfte kam

aus Berlin und besuchte im Rahmen einer Integrationsmaßnahme

ein Ausbildungszentrum.

Es war für die Jugendlichen beider Gruppen die erste inter-

nationale Begegnung. Für die TeilnehmerInnen aus Bad Freienwalde

(einige hatten trotz ihrer Jugendlichkeit schon eine eigene Familie)

waren jedoch die 50 km Fahrt nach Berlin bereits eine Weltreise und

ein erster maßgeblicher Schritt auf der Leiter der Lernerfolge in die-

sem Projekt. Der wichtigste Schritt erfolgte für diese Gruppe jedoch

am zweiten Tag:

„Gleich am Anfang des Austausches stellten wir fest, dass die Jugend-

lichen mit den größeren sozialen Problemen aus Brandenburg kamen

und nicht wie von uns vorher vermutet, aus Kreuzberg. Oft vergesse

ich, wenn ich in Kreuzberg arbeite, dass es auch auf dem Land soziale

Brennpunkte gibt. Die TeilnehmerInnen aus Brandenburg hatten ein

Gepäck voller Probleme, Ängste und Hemmungen mitgebracht, das

ganz langsam beim Austausch zum Vorschein kam. Nach zwei Tagen

nahmen wir eine allgemeine schlechte Stimmung unter den deutschen

TeilnehmerInnen aus Bad Freienwalde wahr. Nach dem Frühstück

versammelte ich die Gruppe, um den Grund dieser Unzufriedenheit

zu erkunden. Ein Teil hatte sich gezwungen gefühlt, am Austausch

teilzunehmen. Ihre LehrerInnen hatten dem 1. Jahrgang sehr deutlich

gesagt, dass sie diese Erfahrung nicht verpassen sollten. Der andere

Teil hatte Sehnsucht nach Hause. Einige von ihnen wollten das Projekt

verlassen. Nach unserem Gespräch, in dem sich alle über ihre Pro-

bleme, Erwartungen und Motivationen ausdrücken konnten, wurde

die Entscheidung getroffen, noch einige Zeit zu warten und zu sehen,

ob sich ihre Stimmung aufhellen kann, bevor sie vorzeitig nach Hause

fahren. Und die Stimmung wurde viel besser, alle blieben freiwillig

beim Projekt. Es war ihre eigene Entscheidung.“ (Sandrine Ribeiro)

Den Blödsinn mit übersetzen ...

In der Gruppe wurde Deutsch-Französisch miteinander kommuniziert.

Es wurde darauf geachtet, dass beide Sprachen gleich stark zum

Ausdruck kamen. Die TeilnehmerInnen hatten sehr geringe oder gar

keine Kenntnisse der anderen Sprache, daher bekamen alle Jugend-

lichen ein kleines Heft mit einem Grundwortschatz für den täglichen

Gebrauch in beiden Sprachen. In den Ateliers hingen Vokabellisten,

um einen spezifischen Wortschatz zu vermitteln und die Selbststän-

digkeit der Jugendlichen bei der Kommunikation zu unterstützen.

Die Sprachanimationen und die den Jugendlichen zur Seite stehenden

DolmetscherInnen haben geholfen, die Welt der Partnersprache zu

eröffnen und die Verständigung zu ermöglichen. In den halbstündigen

Sprachanimationen, die jeden Morgen vor Beginn der Ateliers statt-

fanden, wurden in 15 verschiedenen, teils spielerischen Übungen die

TeilnehmerInnen nicht nur für die Sprache der anderen sensibilisiert,

sie trugen auch wesentlich zur Gruppendynamik bei, aber vor allem

die Sprachanimation zeigt alle Möglichkeiten der Kommunikation, die

nicht unbedingt mit Wörtern stattfinden: dann erfinden die Teilneh-

merInnen ihre eigenen Wege, um sich verständlich zu machen, und

damit sind sie sehr kreativ. In der Auswertung der Maßnahme durch

die TeilnehmerInnen wurde angemerkt, dass diesen Übungen und

allgemein der Sprachvermittlung noch mehr Zeit eingeräumt werden

sollte. Besonders gefiel den Jugendlichen übrigens die konsequente

Übersetzung der SprachmittlerInnen, die auch „Witze und Blödsinn“

mit übersetzten und somit viel zur guten Stimmung in der Gruppe

beitrugen.

56 _ Wolkenbruch

Schatzkiste: Freiwillige Teilnahme als Anspruch

und Bedingung internationaler Jugendarbeit

„Jede Reise muss freiwillig sein, um zu vergnügen“, sagte Ernst Bloch.

Diese Freiwilligkeit, im übertragenen Sinne, ist eines der Wesens-

merkmale außerschulischer Jugendbildung. Von Jugendlichen –

in diesem Fall BerufsschülerInnen – die, auch wenn in guter Absicht

der Lehrenden, zur Teilnahme an internationalen Begegnungen quasi

verpflichtet werden, kann eine Offenheit für neue Lebenserfahrungen

und interkulturelles Lernen nicht erwartet werden. Vor allem dann

nicht, wenn eine „freiwillige“ Beteiligung innerhalb ihrer eigentlichen

Freizeit erfolgen soll oder sie mit erhobenem Zeigefinger moti-

viert werden.

Die rechtzeitige und erfolgreiche Intervention des Projektteams

hat den Problemen, Erwartungen und Motivationen der Jugendlichen

Zeit und Raum gegeben. Erst nach dieser Auseinandersetzung trafen

die TeilnehmerInnen zum ersten Mal die Entscheidung, bewusst an

diesem Projekt teilnehmen zu wollen.

„Es ist für die Jugendlichen oft die erste Begegnung mit einem ande-

ren Land. Sie lernen eine andere Welt kennen, entdecken Land und

Natur oder Stadt und bekommen Impulse in andere Länder zu ver-

reisen. Klischees in den Köpfen werden gesprengt. Sie sind einfach

nicht mehr da. Die Türen in den Köpfen der Jugendlichen öffnen sich.

Manchmal treten sie diese Türen ein. Manchmal nicht. Auf jeden Fall

bleibt immer eine Spalte offen.“ (Sandrine Ribeiro)

Kontakt

JugendKunst und Kulturzentrum Schlesische27

Sandrine Ribeiro

Schlesiche Str. 27, 10997 Berlin

Fon: 030.61 77 67 33

[email protected]

www.schlesische27.de

Wolkenbruch _ 57

Täglich eingehende Nachrichten von der bevorstehenden Klimakata-

strophe, von überfischten Weltmeeren, dem Massensterben der Bie-

nenvölker, von drohenden Überflutungen und zu erwartenden kriege-

rischen Auseinandersetzungen veranlassten fünfzehn Jugendliche

aus Oldenburg dazu, nach positiven Visionen Ausschau zu halten.

„Wozu noch zur Schule gehen, warum über Familienplanung nach-

denken, wenn doch alles bald vorbei zu sein scheint?“

In Form eines „Brainstorming“ haben sie moralische, gesell-

schaftliche, technologische, biologische und utopische Visionen

zusammengetragen. Die Ergebnisse wurden in einer internationalen

Jugendbegegnung sowohl verbal, nonverbal und visuell mit Jugend-

lichen aus Frankreich und Lettland im Sommer 2007 diskutiert und

nahmen eine künstlerische Form innerhalb von Theaterworkshops

an. Die Aufführungen des Theaterstücks fanden im Stadtzentrum von

Oldenburg im Rahmen eines Kultursommerprogramms statt.

Bevor es losging

Es verhält sich wie mit dem Huhn und dem Ei. Was war zuerst da

– die internationale Jugendbegegnung oder der internationale Frei-

willigendienst? Den lettischen Partner lernten die Jugendlichen und

Erwachsenen des Vereins Jugendkulturarbeit als erstes kennen.

Im Internet lasen sie über eine interessante Jugendbegegnung in

Bielefeld, setzen sich ins Auto und fuhren auf gut Glück von Olden-

burg nach Nordrhein-Westfalen. Es ging gut – die neu gewonnenen

lettischen Partner begeisterten die Oldenburger Jugendlichen von

einem Programm namens Europäischer Freiwilligendienst (EFD). Ein

paar Monate später wurde auf einem BKJ-Treffen für das bilaterale

FSJ-Kultur in Paris der Partner aus Villeurbanne/Frankreich gefun-

den. Gemeinsam stiegen sie nicht nur in den Freiwilligenaustausch

ein, sondern vereinbarten, noch bevor der erste Freiwillige ausge-

tauscht wurde, eine trilaterale Jugendbegegnung mit dem Medium

Theater in Oldenburg durchzuführen.

Es ist nicht relevant, was zuerst da war, denn jetzt gibt es

beides: jedes Jahr eine Jugendbegegnung und den Freiwilligenaus-

tausch über FSJ Kultur und EFD mit Lettland und Frankreich. Eine tolle

Symbiose.

Schauplatz Sportplatz

Im „Rennplatzviertel“ von Oldenburg herrschte neun Tage lang ein

sehr lebhaftes Bild: fünfunddreißig deutsche, lettische und franzö-

sische Jugendliche belebten den Campingplatz am historischen See,

das Freibad und den Sportplatz mit Lachen, Musik und multikultu-

rellem Charme:

„Als Begegnungsort wurde ein Sportplatz am Rand des sozialen

Brennpunktes Rennplatzviertel ausgewählt. Hier leben viele Kinder

und Jugendliche aus Aussiedlerfamilien, MigrantInnen und Familien

mit schwierigem sozialem Hintergrund. Gerade hier setzte die Maß-

nahme auch an und so lernten die Jungen aus dem Sportverein (die

eigentlich nicht zum Projekt gehörten) die interkulturelle Geselligkeit

der deutsch-französisch-lettischen Gruppe kennen und schätzen.

Russischsprachige Jungen nahmen ihre Sprache wahr, kamen ins

Gespräch und stellten massiv interessierte Fragen nach Möglich-

keiten, Bedingungen und vor allem der Wiederholung des Projektes.“

(Dettmar Koch)

über Sprache, Musik und begeisterte Nachbarn

Fehlende Fremdsprachkompetenzen sind häufig ein Hindernis für

Einfach die Welt verändern

TITEL /// Einfach die Welt verändern – Junge Utopien in EuropaPRoGRAMMFoRM /// Trilaterale Jugendbegegnung KüNSTLERIScHE SPARTE /// TheaterZEIT /// 11.–20.07.2007, OldenburgTEILNEHMER/INNEN /// 12 deutsche, 12 französischen und 11 lettischen Jugendliche im Alter von 15 bis 27 JahrenFÖRDERuNG /// DFJW über BKJ PARTNER /// Frankreich: Centre Culturell Oecumeniqué Jean-Pierre Lachaize, Villeurbanne; Lettland: Pasaule musu Majas, RezekneTRäGER /// Jugendkulturarbeit e. V.

58 _ Einfach die Welt verändern

Jugendliche, um an internationalen Jugendbegegnungsprojekten

teilzunehmen. Um dieses Hindernis zu umgehen, wurde im Projekt

viel Wert auf die Sprachanimation, Sprachmittlung und Lust, sich

einer Fremdsprache zu nähern, gelegt. Jeden Morgen wurde von allen

drei Ländern abwechselnd ein Sprachanimationstraining organisiert.

Spielpädagogische Übungen, Rhythmus und Gesang, gemeinsamer

Spaß und Bewegung machten die einstündige Animation zum Grup-

penvergnügen, aus dem Fragmente in das gemeinsame Theaterstück

eingebaut wurden. Sowohl Kurzgedichte als auch ein gemeinsames

Lied schlossen das Training jeweils ab. An den Abenden entwickelte

sich als fester Bestandteil und auf Eigeninitiative der Teilnehmenden

eine gesellige Runde, die ohne Animation, mit Gitarre und Bongo zum

Mitsingen einlud. Diese Zeit hinterließ besonders auch bei Anliegern,

bzw. Nachbarn des Camps einen sehr angenehmen Eindruck des

internationalen Flairs im Stadtteil.

„Bei der Sprachanimation ist es wichtig, nichts zu verschulen, sondern

mit Rhythmus und Musik anzufangen oder z.B. auch mit deutschen

Volksliedern zu arbeiten. Wir haben Lieder gesungen und dies hat

Interesse geweckt, die Wörter zu hinterfragen. Das Programm alleine

reicht nicht.“ (Dettmar Koch)

Schatzkiste:

Partizipation auf verschiedenen Ebenen als Qualitätsmerkmal

Jugendkulturarbeit Oldenburg e.V. arbeitet in enger Kooperation mit

der Integrierten Gesamtschule Flötenteich und betreut dort ver-

schiedene Arbeitsgruppen: eine Jugendtheatergruppe, zwei Schü-

lerInnenfirmen und eine AG Jugendkulturmanagement. Alle diese

und noch weitere SchülerInneninitiativen und Gruppen wurden in die

Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Projekts einge-

bunden. Die SchülerInnenfirma, die ihr Büro gleich neben dem des

Vereins hat, gestaltete die Poster. Eine andere SchülerInnenfirma und

eine Jugendwerkstatt unterstützen das Projekt beim Catering. Die

SchülerInnen-Arbeitsgruppe Jugendkulturmanagement kümmerte

sich nicht nur um technische Details der Begegnung (Unterkunft,

lokaler Transport, etc.), sondern entwickelte ein eigenes Tool zur

Evaluation des Jugendprojekts. Dazu besuchten sie Workshops über

das Auswertungsprogramm internationaler Begegnungen der BKJ

(GrafStat) und informierten sich über ein ähnliches Programm der

Robert-Bosch-Stiftung. Schließlich nahm die Jugendtheatergruppe

der Schule, die in der Begegnung entstandenen Theaterstücke und

thematischen Diskussionen in ihr neues Programm auf, welches im

Herbst Premiere feierte.

Neben der inhaltlichen Teilhabe durch die Bestimmung und

Gestaltung der Themen und Inhalte der trilateralen Begegnung, stellt

die Einbindung der Jugendlichen aus den SchülerInnenfirmen in die

organisatorisch-technischen Bereiche und in das Follow up des Pro-

jekts eine besondere Qualität dieser Begegnung dar. Kein Wunder,

dass sie in der Projektauswertung zwar auch angaben, sich auf das

Folgeprogramm 2008 in Lettland oder Frankreich zu freuen, aber

eigentlich wollen sie viel lieber, so schnell wie möglich, eine neue

Begegnung in ihrer Stadt umsetzen. Das wird dann wohl erst 2009 der

Fall sein, denn die Erwachsenen brauchen eine Pause – Partizipation

zu ermöglichen, kann ganz schön schlauchen.

Kontakt

Jugendkulturarbeit e.V.

Dettmar Koch

Auf dem Hock 6, 26125 Oldenburg

Fon: 0441.78 85 99 26

[email protected]

www.jugendkulturarbeit.com

Einfach die Welt verändern _ 59

Dein Interesse? (bitte nur ein Kreuz)

( ) ein Musikprojekt in Lokossa/Benin auf die Beine stellen ...

( ) als Kultur-AssistentIn einen Deutschclub in

Hanoi/Vietnam gründen ...

( ) eine Organisation unterstützen, die Aufklärungsprojekte

in Kolda/Senegal organisiert ...

Seit Ende der 90er Jahre scheint das Interesse junger Menschen aus

Sachsen-Anhalt zu wachsen, Erfahrungen im Ausland zu sammeln,

sich dort ehrenamtlich zu engagieren, wo andere Jugendliche nicht

einmal beim Zappen am Fernseher hängen bleiben. Trotz der rapide

wachsenden Anfrage, mangelte es jedoch an bezahlbaren Angeboten

für den Freiwilligendienst im nicht-europäischen Ausland. Vor diesem

Hintergrund entwickelte das Projektbüro EXCHANgE der Landesverei-

nigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e. V. im

Jahr 2005 den Freiwilligendienst „Kultur-Joker-International“. Dieses

Programm ist eine Erweiterung des „Kultur-Jokers“ beim Jugendinfor-

mationsdienst Sa-Anh (JISSA) im Rahmen des Programms der BKJvon

„kek – Kultur, Engagement, Kompetenz“, ein BKJ-Bundesmodellpro-

jekt für generationsoffene Freiwilligendienste, das Jugendlichen

von 18 bis 27 Jahren in Sachsen-Anhalt einen Freiwilligendienst

in einer kulturellen Einrichtung der Region ermöglicht. Der „Kultur-

Joker-International“ erstreckt sich auf insgesamt sechs Monate

und beinhaltet einen dreimonatigen Auslandsaufenthalt in Senegal,

Benin oder Vietnam.

Das Programm ist mit einer Laufzeit von drei Jahren gestartet.

Nach dem Ende des Kultur-Jokers-International, Mitte 2008, sollen

Programmformat, Partner und Struktur modifiziert im Rahmen des

„weltwärts“-Programms und der Aktion 3 des EU-Programms „Jugend

in Aktion“ weitergeführt werden.

Vorbereitung: interkulturelle Einführung und

überlebenswortschatz aus erster Hand

Die Begegnung mit fremden Kulturen und das Eintauchen in ein völ-

lig unbekanntes Leben erfordern nicht nur Idealismus, sondern auch

eine Portion kulturelle Sensibilität und menschliche Reife. Nach der

Auswahl der Freiwilligen erfolgen durch das Projektbüro Einstiegs-

Interviews und weitere Vorbereitungsgespräche. Die Jugendlichen

werden intensiv auf ihren Auslandsaufenthalt sowie die Gegeben-

heiten vor Ort vorbereitet. Gemeinsam wird das Projekt geplant und

Abläufe werden besprochen. Bei der Vorbereitung arbeiten die Freiwil-

ligen eng mit hier lebenden MigrantInnen aus den jeweiligen Ländern

zusammen. Sie erhalten eine interkulturelle Einführung aus erster

Hand und sammeln einen “Überlebenswortschatz”. Die MentorInnen

begleiten die Freiwilligen nicht nur bei der Vorbereitung, sondern

pflegen ebenso einen intensiven Kontakt mit ihnen während ihres

Aufenthaltes im Aufnahmeland.

„Einen internationalen Freiwilligendienst zu organisieren heißt, mit

verschiedenen Herausforderungen umgehen zu müssen. So kann es

passieren, dass es Schwierigkeiten in der Kommunikation gibt, dass

Absprachen missverstanden werden oder Projektpläne modifiziert

werden müssen. Bezogen auf Arbeitsmuster und Herangehensweisen

KulturJokerInternational = Freiwilligendienst im Ausland + kulturelle Jugendbildung

TITEL /// Kultur – Joker – InternationalPRoGRAMMFoRM /// Internationaler FreiwilligendienstKüNSTLERIScHE SPARTE /// Foto, Video, Tanz, MusikZEIT /// 6 Monate (3 davon in Ausland), Sachsen-Anhalt und z. Zt. in Vietnam, Benin und SenegalTEILNEHMER/INNEN /// 18 Jugendliche im Alter von 18 bis 25 JahrenFÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ/Programm >kek< – Kultur, Engagement, Kompetenz PARTNER /// Benin: Gymnasium „La Fontaine de Vie“ in Lokossa (über Weltbürger Sachsen-Anhalt);Vietnam: zentraler Jugendverband Vietnams/VYCT in Hanoi (über LKJ Sa-Anh/ Netzwerk für deutsch-vietnamesische Jugendbegegnung Sachsen-Anhalt);Senegal: Forum pour un Développement Durable Endogène (FODDE) in Kolda (über Jugendwerkstatt Frohe Zukunft Halle) TRäGER /// LKJ Sachsen-Anhalt e. V.

60 _ KulturJokerInternational

gibt es mitunter große Unterschiede zwischen den beteiligten Orga-

nisationen der verschiedenen Kulturkreise. Umso wichtiger ist es,

Absprachen so konkret wie möglich zu gestalten und die Freiwilligen

auf mögliche Herausforderungen und Verhaltensformen vorzuberei-

ten.” (Sylvia Gössel)

Vor ort: Projekte der Freiwilligen

Die Jugendlichen sind für drei Monate in einem Land Afrikas oder

Asiens und wirken dort an einem Jugendprojekt der Partner mit. In

der Regel vermitteln sie etwas aus ihrer (Jugend)Kultur oder werden

in Jugendprojekte der Partnerorganisationen integriert. In Senegal

z.B. arbeiten die Freiwilligen bei Projekten der NGO FODDE (Forum

pour un Développement Durable Endogène) mit, und können in einer

Mittelschule vor Ort kreative Kurse geben. Die individuellen Projekte

hängen direkt von den Interessen und Kompetenzen der Freiwilligen

ab. So nahm eine der Jugendlichen mit LehrerInnen und SchülerInnen

ein typisches senegalesisches Lied auf CD auf und ließ es dann in

einem Kunstworkshop illustrieren.

„Gestern Abend fand ein Essen in einer Bar im Freien zur Begrüßung

des ehemaligen Präsidenten der NGO Vreidenslanden statt. Dieser

Präsident hat zur Entstehung von FODDE und ihrer Philosophie beige-

tragen, nämlich eine NGO von Senegalesen getragen für eine endo-

gene Entwicklung im Senegal. Zur Unterhaltung war eine traditionelle

Musikgruppe eingeladen mit hervoragenden Tänzern. Ich durfte sogar

mit Tanzen in meinen rot-orangen afrikanischen Klamotten vom

Schneider. Alle waren entspannt und es war eine schöne Zeit. Mir ist

dann auch klar geworden, dass ich am liebsten nur bei NGOs arbeiten

möchte. Inch Allah – wie alle es hier sagen – wird schon auch klappen.“

(Tina Tifi Mambi, Senegal)

In Vietnam werden die Freiwilligen als Kultur-AssistentInnen in ver-

schiedenen öffentlichen Jugendeinrichtungen eingesetzt – Freizeit-

zentren, Jugendclubs oder studiumsvorbereitende Schulen. Sie tau-

schen sich über die neuesten Musikrichtungen aus und lernen Lieder,

die sie z.B. während einer Weihnachtsfeier zum Besten geben. Da die

Vermittlung kultureller Kompetenzen durch MuttersprachlerInnen

auch in Vietnam immer wichtiger wird, gibt es ein großes Interesse der

Jugendlichen dort, Menschen aus Europa auch im familiären Umfeld

zu begegnen.

„‚Die Universität der Kultur‘, ein freiwilliger Club der angehenden Tour-

guides, ist echt eine klasse Sache, vor allem wenn wir als Besucher

ein komplettes Kulturprogramm mit traditionellen Liedern, kleinen

Filmen über touristische Attraktionen und kleine Vorträge über viet-

namesische Besonderheiten, Spezialitäten und Sehenswürdigkeiten

geboten bekommen. Da fühlt man sich mit seinem dürren Stichpunkt-

zettel gleich ganz nackig! Ich wurde angefragt, einen kleinen Vortrag

über den Charakter der Deutschen und über die Überraschungen,

die Deutsche als Touristen im Ausland bereithalten, zu halten. Aber

was soll’s, die Studenten sehen sehr interessiert aus und hören nach

meinem Eindruck auch gespannt zu. Das Englisch der Vietnamesen ist

nämlich vielfach noch nicht so weit. Hier scheint’s aber funktioniert zu

haben und es gibt einen regen Gedankenaustausch. Später habe ich

alle Lacher auf meiner Seite, als ich eine kleine, erst kürzlich erlebte

Anekdote zum Besten gebe.“(Tina Reinhardt)

Nachbereitung: Erlebnisse werden kreativ bearbeitet

Der enorme Fluss an Erlebnissen überwältigt jeden jungen Menschen,

der mit einem anziehend exotischen und beängstigend fremden Land

konfrontiert wird. Die Zeit zum Nachdenken, für Reflexionen und die

Möglichkeit, sich mit jemanden auszutauschen sind genauso wichtig,

wie die Erfahrungen selbst. Deshalb wurde angestrebt, immer zwei

Freiwillige in ein Projekt gleichzeitig zu entsenden.

Als ein beliebtes Mittel haben sich bei den Jugendlichen die

neuen Medien erwiesen. Sie wurden genutzt, um die neuen, noch „fri-

schen“ Eindrücke einzufangen und dadurch diese mit Freunden oder

Interessierten zu teilen.

KulturJokerInternational _ 61

62 _ KulturJokerInternational

„Wieder zurück in Deutschland. Das andere Leben fängt neu an. Um

den Übergang von einer in die andere Welt zu meistern, setzen sich die

Jugendlichen durch künstlerische Methoden mit ihren Erfahrungen

auseinander. In der Zusammenarbeit mit der Entsendeorganisation

gestalten sie eine Fotoausstellung, aus dem gesammelten Videoma-

terial entsteht ein Film, eine visuelle Präsentation oder eine schrift-

liche Reportage wird vorbereitet und einem breiten Publikum zugäng-

lich gemacht. So vermitteln sie ihre individuellen Erfahrungen anderen

Jugendlichen mit offenen Augen und aufgeschlossenen Herzen, die

von einer bereichernden Zeit im fernen Ausland bisher nur träumen.“

(Sylvia Gössel)

Schatzkiste: Internationaler Freiwilligendienst und

Integration Jugendlicher mit Migrationshintergrund

Eine wichtige Besonderheit dieses Projektes ist die Einbeziehung

von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Dadurch entsteht eine

Verknüpfung zwischen internationaler Jugendarbeit und der Jugend-

arbeit im Migrationsbereich, die dieses Projekt beispielhaft macht.

„Die Welt, die die Jugendlichen erforschen wollen und die Auswahl der

Länder für den Freiwilligendienst ist groß. Im Fokus unserer Arbeit ste-

hen Kulturen, die im alltäglichen Leben in Deutschland eine erhöhte

Bedeutung haben, aber über die das Wissen im Allgemeinen sehr

gering ist. Die größte MigrantInnengruppe in Sachsen-Anhalt sind

VietnamesInnen. Eine Studie aus den Jahren 2001 bis 2003 hatte

ergeben, dass gerade Jugendliche mit Migrationshintergrund kaum

in die Jugendarbeit des Landes Sachsen-Anhalt integriert sind. Wir

streben in unserer Arbeit an, dieser Tendenz entgegen zu wirken. Auch

in diesem Projekt entsendeten wir beispielsweise junge Deutsche und

junge VietnamesInnen zusammen nach Vietnam. Bei dieser Freiwilli-

genkonstellation ist die Polarisierung ‚wir – Deutsche, sie – Ausländer

nicht mehr in dieser Form möglich. Die Auseinandersetzung mit der

eigenen kulturellen Identität findet intensiver statt. So wird nicht nur

die Begegnung zwischen deutschen und Jugendlichen mit Migrati-

onshintergrund ermöglicht, sondern auch die Sensibilität für die Situ-

ation junger MigrantInnen in Deutschland erhöht.“

(Sylvia Gössel)

Kontakt

LKJ Sachsen-Anhalt e.V.

Sylvia Gössel

Liebigstr. 5, 39104 Magdeburg

Fon: 0391.2445162

[email protected]

www.jugend-lsa.de/kulturjoker/international.htm

Olivers Traum _ 63

Die Romanfigur von Charles Dickens „Oliver“ steht wie kaum eine

andere für Millionen von Kindern in dieser Welt, die als Waisen und

ohne soziale Bindung aufwachsen. Der junge Oliver durchlebt gesell-

schaftliche Missstände und Gewalt, Kinderarbeit, Ausbeutung und

Kriminalität. Oliver steht aber auch für Auflehnung, Stärke und Zivil-

courage von Kindern. Ganz im Sinne dieses Leitbildes, aber ohne

Bindung an die literarische Vorlage, wurde in knapp zehn Tagen eine

Tanz-Theaterproduktion erarbeitet. Die 25 Kinder und Jugendlichen

von 12 bis 16 Jahren aus Brasilien, Bolivien, Burkina Faso, Uganda

und Deutschland, die teilweise ohne Eltern oder in großer Armut auf-

wachsen oder traumatische Erlebnisse hinter sich haben, wurden

nach Lingen eingeladen, um in der gemeinsamen künstlerischen

Arbeit einander kennen zu lernen und sich mit ihren Lebenssituati-

onen auseinanderzusetzen.

äußere Armut und innerer Reichtum

Schon im ersten Austausch wurde deutlich, dass trotz erheblicher kul-

tureller Unterschiede die Wünsche und die Sorgen der Teilnehmenden

sich sehr stark ähnelten: Neben beruflichen Perspektiven von der

Tierärztin bis zum Popstar, bei gleichzeitiger Angst vor fremdem, aber

auch dem eigenen Kriminalitätspotenzial, waren die Anerkennung der

eigenen Person und Fähigkeiten bzw. das Finden eines dauerhaften

Zuhauses die unüberhörbaren Wünsche. In den Theaterübungen,

Improvisationen, gemeinsamen Szenen und alles vereinenden sze-

nischen Tanz- und Bildercollagen kamen ihre Lebenserfahrungen

und Träume zum Ausdruck. Der Austausch der Erfahrungen hat die

Erkenntnis ermöglicht, dass es auch andere Menschen gibt, die ein

ähnliches Schicksal haben und wenn man sich mit ihnen auseinander

setzt, dann ist das eigene Schicksal leichter zu ertragen.

„Die Kinder selbst gaben die Bestätigung für zuvor Geahntes: Die

Beschäftigung mit ihrer Geschichte und ihren Geschichten war von

vitaler Bedeutung. Viel virulenter als die Beschäftigung mit der

Romanvorlage von Oliver Twist, die ohnehin nur die wenigsten Kinder

kannten. Wir wollten etwas über ihre Wirklichkeit erfahren. Wir wollten

die Kinder kennen lernen und mit ihnen gemeinsam eine Geschichte

erzählen, die mit ihnen zu tun hat, aber in ästhetischer Distanz zu

ihren Erfahrungen steht.“ (Tom Kraus)

Kulturelle Bildung im sozialen Kontext

Da es sich bei Olivers Traum um eine sechssprachige (Deutsch,

Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Russisch)

Gruppe handelte, wurde die entstehende Inszenierung mit Mit-

teln und Zeichen des nonverbalen Bewegungs- und Tanztheaters

gestaltet. Die Sprachen dabei waren der Tanz, das Theater und die

Olivers Traum

TITEL /// Olivers Traum – ein interkulturelles und interdisziplinäres Tanztheaterprojekt mit KindernPRoGRAMMFoRM /// Multilaterale JugendbegegnungKüNSTLERIScHE SPARTE /// Tanz, TheaterZEIT /// 09.–23.07.2006, Lingen (Ems) DeutschlandTEILNEHMER/INNEN /// 44 Jugendliche (Aids-Weisen und Straßenkinder) im Alter von 12 bis 16 Jahren aus Afrika, Asien, Südamerika und Europa FÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ, Niedersächsische Lotto-Stiftung, Deutsches Kinderhilfswerk, RWE, Stadt Lingen (Ems), weitere PARTNER /// Europäisches Zentrum der International Amateur Theatre Association IATA/AITA; COMPA-Teatro Trono, Bolivien;Centro Social Sao José do Monte, Brasilien; People’s Theatre Association, Bangladesh; Tender Talents Magnet School, Uganda;Theatergruppe Ernest Minoungou, Burkina Faso;Eylarduswerk Bad Bentheim TRäGER /// TPZ Lingen e. V.

64 _ Olivers Traum

Musik. Im gemeinsamen Spiel auf der Bühne entdeckten die Kinder

und Jugendlichen ihre spielerische Kraft, Ausdrucksfähigkeit und

künstlerischen Potenziale. Im gegenseitigen Austausch wichen die

kulturellen Unterschiede einem verbindendem Gemeinschaftsgefühl.

Neugierde, gegenseitiges Vertrauen und menschliche Wärme fand

Platz in den Freiräumen zwischen den künstlerischen Workshops:

Ein plötzliches Anlehnen, ein unvermitteltes Zur-Seite-Ziehen oder ein

unmissverständliches Festhalten durchbrachen den Alltag. In dem

vorsichtigen Annäherungsprozess verblassten Ängste vor dem Frem-

den und Unbekannten, verschwanden Hemmungen und Grenzen zwi-

schen den Menschen. Das während der Workshoparbeit gewonnene

Vertrauen der Teilnehmenden untereinander und zu den Regisseuren

ermöglichte die persönliche Begegnung jenseits aller Kulturen und

Sprachen.

„Ein Vorteil von Theaterpädagogik gegenüber dem professionellen

Theater ist, dass Motive und Geschichten oft auf Grundlage der Sozi-

alisationen der Akteure selbst generiert und von allen Beteiligten

gemeinsam entwickelt werden können. Die ästhetisierte Vermen-

gung von Selbst, Rolle und Geschichte verdichtet sich in gesellschaft-

licher Relevanz. Dies ist ein soziokultureller und politischer Vorgang

zugleich.“ (Tom Kraus)

Eine bewegende Aufführung

Die Ergebnisse des Projekts wurde im Rahmen des 9. Welt-Kinder-

theater-Festes in Lingen (Ems) vor 800 ZuschauerInnen mehrfach

öffentlich vorgestellt. Die emotional berührenden Bilder der sze-

nischen Collage ließen die harte Wirklichkeit der jungen Menschen

erahnen, sie zeigten ihre Sorgen, Ängste und Träume, stellten sie aber

nicht bloß, sondern verliehen ihnen eine große Würde. Die starke, unter

die Haut gehende Aufführung machte deutlich, welche Kraft Thea-

ter haben kann. Das Publikum dankte ihnen mit Standing Ovations.

Schlussbild. Ein Klangteppich. In Zeitlupe bewegen sich die Kinder

rückwärts vom Publikum weg, scheinen sie den ZuschauerInnen lang-

sam zu entgleiten, werden die Kinder unaufhaltsam von der Dunkel-

heit der Hinterbühne aufgesogen und schließlich von ihr verschluckt.

„Geht nicht weg, bleibt bei uns“, waren die Gedanken und Gefühle einer

Zuschauerin. (Tom Kraus)

Das Bleibende und Weiterführende

„Olivers Traum“ war nicht nur ein einmaliges Theaterstück, das alle

Beteiligten bewegte und tiefe Eindrücke hinterließ. Das Projekt traf

auf eine breite Resonanz in der Öffentlichkeit und in den Fachkreisen

der Kindertheaterarbeit. Es hat die künstlerischen und sozialpädago-

gischen Potenziale der internationalen Kindertheaterarbeit verdeut-

licht und die Diskussion über die Bedeutung von Kunst und Theater im

sozialen Kontext mit wertvollen Erkenntnissen bereichert.

Bei internationalen Projekten entwickeln sich über sprachliche

und kulturelle Grenzen hinweg nicht nur kontinuierliche Freund-

schaften, sondern auch langfristige Patenschaften für Kinder aus

sozial schwachen Verhältnissen oder in schwierigen Lebenssituati-

onen. Die Zusammenarbeit und der Erfahrungsaustausch auf interna-

tionaler Ebene tragen zur Bildung neuer Netzwerke auf allen Ebenen

bei. So wurde z.B. in Bangladesch eine völlig neue Struktur der Thea-

terlandschaft von Kindern und Jugendlichen – vornehmlich aus dem

Milieu der Straßenkinder – entwickelt, die mittlerweile mehr als 35

Gruppen zählt. Ebenso wurde der Grundstein für ein internationales

Netzwerk der Kindertheaterhäuser gelegt.

„Das soll Mut machen, diese Wege der künstlerisch-kulturellen

Bildung von jungen Menschen im interkulturellen Kontext weiter zu

beschreiten.“(Norbert Radermacher)

Straßenkinder als Zielgruppe kultureller Bildung?

Muss kulturelle Bildungsarbeit immer Zielgruppenarbeit sein? Bedeu-

tet diese sicherlich gut gemeinte Einteilung in Teilnehmerspezies

nicht gleichzeitig auch eine ungewollte Stigmatisierung des jewei-

ligen Klientels?

Olivers Traum _ 65

„Das Geheimnis des Erfolgs von Olivers Traum lag in den Kindern selbst

begründet. Allen Unkenrufen im Vorfeld des Projektes zum Trotz, war

die Arbeitsatmosphäre geprägt von großer Lust auf Gestaltung, Neu-

gier, Lebendigkeit und Disziplin zugleich. Fragen nach möglichen

Sonderformen des Umgangs mit Waisen- und Straßenkindern wur-

den spätestens mit der ersten Begegnung hinfällig. Im spielerischen

und achtsamen Umgang miteinander erfüllten sich alle Wünsche, mit

denen die Beteiligten nach Lingen gereist waren. Und vielleicht sind

Spiel und Achtsamkeit die ausschlaggebenden Parameter, die im Kon-

text kultureller Bildung vonnöten sind, damit Menschen sich wirklich

einander begegnen können.“ (Tom Kraus)

Schatzkiste: professioneller künstlerischer Anspruch

würdigt Teilnehmende

Das Projekt stellt eine gelungene Mischung aus hohen künstlerischen

Ansprüchen und pädagogischen Zielen dar. Es gibt sich nicht zufrie-

den mit der Nutzung von künstlerischen Methoden zur Stärkung

des Selbstbewusstseins, der Toleranz und der Förderung des krea-

tiven Potentials junger Menschen. Professionelle KünstlerInnen aus

Deutschland, Russland und Uganda, die über große Erfahrungen in der

interkulturellen Arbeit verfügen, sind den Kindern zur Seite gestellt

worden. Dadurch bekamen die jungen TeilnehmerInnen nicht nur die

Möglichkeit des kreativen Ausdrucks, sondern erfuhren auch Respekt

und Wertschätzung, die für sie von großer Bedeutung sind. Der hohe

künstlerische Anspruch mit einer besonderen TeilnehmerInnen-

gruppe und einem wichtigen, sozialpolitischen Thema trug dazu bei,

dass dieses Theaterprojekt eine sehr starke öffentliche Resonanz

erzielte.

Kontakt

Theaterpädagogisches Zentrum

der Emsländischen Landschaft e.V.

Universitätsplatz 5–6, 49808 Lingen

Fon: 0591.91 66 30

[email protected]

www.tpz-lingen.de

Was unterscheidet eine internationale Jugendbegegnung

von einer Klassenfahrt?

Vor allem muss die Begegnung außerhalb des schulischen Rahmens

durchgeführt werden, eine anerkannte außerschulische Partner-

organisation im Ausland soll vorhanden sein, LehrerInnen sind nicht

erwünscht und eigentlich darf niemand jünger als 12 Jahre sein.

Am Projekt „Jahrmarkt der Künste“ in Ostróda/Polen haben 10

Jugendliche der 6. Klasse der Hannah-Höch-Ganztagsschule aus

Berlin Reinickendorf teilgenommen. Sie trafen sich dort für acht Tage

mit 10 gleichaltrigen SchülerInnen der polnischen Kleinstadt und

10 weiteren Kindern im Alter von 12 bis 14 Jahren, die eine Schule

im litauischen Druskininkai besuchen – insgesamt 30 Teilnehmende,

plus zwei WorkshopleiterInnen, einer Sprachmittlerin und drei

LehrerInnen.

Wesensmerkmale internationaler Jugendbegegnungen sind:

Eine gemeinsam strukturierte Lernerfahrung muss das Programm

bestimmen, die eigenen und die anderen Kulturen sollen erkannt und

reflektiert werden, die Begegnung muss organisatorisch gesichert

und eine sprachliche Kommunikation gewährleistet sein.

„Das Auge“

heißt die Zeitung der Hannah-Höch-Ganztagsschule in Berlin Reini-

ckendorf, in der die jungen RedakteurInnen über ihren Schulalltag, die

Fortschritte bei den Umbauarbeiten am Schulgebäude und außerge-

wöhnliche Ereignisse berichten. Die 38. Ausgabe ist einem besonde-

ren Thema gewidmet: dem „Jahrmarkt der Künste“ in Ostróda. Bilder

und Geschichten schildern die Eindrücke der zehn Jugendlichen, die

an der internationalen Begegnung in Polen teilnahmen. Das Litera-

turprojekt „Deutsch-polnisches Buch“ an der Jugendkunstschule

ATRIUM, welches die Kinder im Rahmen ihrer Schulzeit besuchen, gab

die Anregung, eine künstlerische Jugendbegegnung gemeinsam mit

polnischen und litauischen Jugendlichen zu gestalten. Die Schüler-

zeitung „das Auge“ hat das Vorhaben von der Idee bis hin zur Auswer-

tung begleitet und dokumentiert.

Die größte Herausforderung, noch bevor das Projekt über-

haupt begann: Es galt die Unsicherheit der Eltern zu überwinden,

ihre Sprösslinge für eine Woche in das unbekannte, vorurteilsvolle

Land fahren zu lassen. Im Gespräch mit den Verantwortlichen in der

Schule und mit den LeiterInnen des ATRIUM haben die Erwachsenen

ihren Ängsten Luft machen können. Erfahrungsberichte und eine

Power-Point-Präsentation aus früheren Projekten, die Anwesenheit

und Ansprache des Projektpartners aus Ostróda und die Vorstellung

des spannenden Programms der Begegnung haben letzte Befürch-

tungen ausräumen können. Neben den inhaltlichen Aspekten war

jedoch auch entscheidend, dass die Teilnahmegebühr aufgrund der

Fördermittel und des Eigenbeitrags des ATRIUM für alle Eltern nicht

zu hoch lag.

Augenblicke

Schon am Bahnhof in Berlin platzten die Kinder vor Neugierde und

Freude auf ein spannendes Erlebnis. Für fast alle der TeilnehmerInnen

war es die erste Reise ins Ausland oder die erste Reise ohne Eltern.

Die Aufregung war dementsprechend groß, und dann:

„Die Reise begann mit einer Katastrophe: Wir verpassten den Zug und

stiegen dann auch noch in einen Falschen ein. Als wir dann mit drei

Stunden Verspätung ankamen, waren wir hundemüde. Die anderen

Kinder haben uns groß angeguckt und getuschelt. Aber wir wollten nach

Mit offenen Augen im Jahrmarkt der Künste

TITEL /// „Jahrmarkt der Künste“ PRoGRAMMFoRM /// Trilaterale Jugendbegegnung KüNSTLERIScHE SPARTE /// Bildende KunstZEIT /// 25. 06–02.07.2006, Ostróda , PolenTEILNEHMER/INNEN /// 10 deutsche, 10 polnische und 10 litauische Jugendliche im Alter von 12 bis 14 JahrenFÖRDERuNG /// DPJW über BKJ PARTNER /// Polen: Szkola Podstawawa Nr. 1, Ostroda;Litauen: Druskininku Senamiescio vidurine mokykla TRäGER /// ATRIUM – Jugendkunstschule

66 _ Mit offenen Augen

11 Stunden Fahrt einfach nur ins Bett.“ (Lasse Riediger, Teilnehmer)

Das Programm der Begegnung war sehr umfangreich. Vormittags fan-

den die verschiedenen Werkstätten statt, in denen eigene Produkte

erarbeitet wurden, die auf dem Jahrmarkt in Ostróda am Ende des

Projekts verkauft werden sollten: Keramik und Ton, Papierschöp-

fen, Wachskerzen gießen, Serviettentechnik, Weben, Steinschmuck

basteln, Waldungeheuer aus natürlichem Material herstellen, Karten

basteln und Aquarell malen.

Aber auch Ausflüge in die nächste Großstadt (Olsztyn), in einen

ethnografischen Park und auf einen Bauernhof bereicherten das

Zusammenleben der TeilnehmerInnen.

„Unsere Kinder wurden aufgeteilt, so dass wir immer in gemischten

Gruppen arbeiteten. Bei fröhlichen Liedern, Spielen und Tänzen wurden

wir miteinander bekannt gemacht. Unsere Jungen stellten die ersten

Kontakte her, in dem sie die litauischen und polnischen Jungen zum

Fußballspiel einluden. Die polnischen Kinder luden dafür alle zu einer

Geburtstagsfeier ein. Die Sprache, die alle etwas konnten, war Eng-

lisch. In den Workshops wurden in gemischten Gruppen viele Sachen

für unseren Abschlussbasar gestaltet, der an der Strandpromenade

von Ostróda am vorletzten Tag stattfand . Alle Gruppen zeigten ein

kleines Programm und unsere selbst gefertigten Sachen wurden durch

die TeilnehmerInnen verkauft. Von den Einnahmen konnten wir dann

Pizza essen und alle bekamen noch ein Eis.“ (Marion Adler, Lehrerin)

Ein anderer Blickwinkel

Es gab viele kleinere und größere Herausforderungen, die die Kinder

meistern mussten. Sie haben geübt, genügsam und anpassungsfähig

zu sein. Die spartanische Unterkunft im 4-Bett-Zimmer in einem Inter-

nat war für die meisten Kinder das geringste Problem. Dafür hat das

gewöhnungsbedürftige Essen und Trinken einige Diskussionen ver-

ursacht. Doch viel wichtiger war es, die Grenze der Kontaktaufnahme

zu überwinden, mit anderen Kindern und mit den BesucherInnen, die

auf dem Jahrmarkt die künstlerischen Kreationen erwerben wollten.

Selbstbewusstsein, Mut, Bruchteile Englisch und ein paar gelernte

Wörter Polnisch waren dabei sehr hilfreich.

Bei so viel Neuem und Unbekannten waren die kreativen Werk-

stätten wie „ein Stück Zuhause“. Die Arbeit mit künstlerischen Metho-

den in der Gruppe war etwas Vertrautens, was nicht nur die Kinder

aus drei Ländern näher in Kontakt brachte, sondern auch Sicherheit

und Vertrauen gab, allen ungeplanten und ungeahnten Herausfor-

derungen zu begegnen. Ein Schritt nach dem anderen. Immer mehr

gelernt, über das Land, über die Kinder aus Polen und Litauen und

über sich selbst.

Rückblick

Bei dem Nachtreffen der deutschen Gruppe in Berlin wurden Fotos

angeschaut, Erinnerungen ausgetauscht und mit einem Seufzen an

das schöne Sommererlebnis gedacht. Beim Betrachten der Gruppen-

bilder auf dem Anhänger eines Traktors beim Ausflug kamen Fragen

über die Verkehrsregeln in Polen und Deutschland auf. Diese mün-

dete in eine Diskussion über das Verbotene und Erlaubte, über die

Gesetze und Regeln und vieles andere, was vor Ort noch nicht so

bewusst war. Das Nachbarland ist vertrauter geworden. Die Nach-

richten über Polen wecken mehr Aufmerksamkeit als vorher, es ist

greifbarer geworden. Jetzt können sie den Namen des Landes mit

Bildern, Gerüchen, Geschmäckern und vielen schönen Gedanken über

das unvergessliche Erlebnis und außergewöhnlich gastfreundliche

Menschen füllen.

Blickfang

Das Abschiedsgeschenk des litauischen Mädchens hat längst einen

Platz auf dem Schreibtisch gefunden und erinnert daran, dass im

Schubkasten der angefangene Brief wartet. Die letzte Herausforde-

rung – Fremdsprachkenntnisse verbessern – gilt es noch zu überwin-

den. Vielleicht gelingt es, einen großen Schritt in diese Richtung bei

der Rückbegegnung in Berlin zu machen.

Mit offenen Augen _ 67

68 _ Mit offenen Augen

Schatzkiste: Zusammenarbeit mit Schule und

Ergänzung des schulischen Bildungsangebots/Verbindung

zwischen Schule und Außerschulischem

Die Jugendkunstschule ATRIUM arbeitet eng mit der Hannah-Höch-

Ganztagsschule zusammen. Die Jugendlichen nehmen im Rahmen

ihrer Schulzeit an den künstlerischen Bildungsangeboten des ATRI-

UMS teil. Somit wird das schulische Angebot durch die Aspekte der kul-

turellen Bildung ergänzt, die im Schulalltag so nicht vermittelbar oder

nicht leistbar sind (besonders in Zeiten der aktuellen Diskussion über

die Notwendigkeit der Ganztagsschule). Auch der Praxis-Alltag ande-

rer Träger der Kinder- und Jugendkulturarbeit zeigt, dass die Grenze

zwischen Schule und außerschulischen Angeboten immer weniger

erkennbar wird. Die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der

außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit und den Einrichtungen

der schulischen und beruflichen Bildung bereichert alle Beteiligten.

Die schulischen Einrichtungen stärken ihr Profil und können eine

breitere Palette an Aktivitäten anbieten, die außerschulischen errei-

chen Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Familien, die

erst durch die Kooperationsprojekte auf ihre Angebote aufmerksam

werden. Gerade sie profitieren von der Verbindung zwischen Schule

und außerschulischer Bildung am meisten. Sie erhalten die Möglich-

keit, an internationalen Projekten teilzunehmen und interkulturelle

Erfahrungen zu sammeln.

„Die Eltern werden in den Zeiten, die die Schule nicht anbietet, auf die

Angebote mehr zugreifen. Es ist nur wichtig, dass die außerschulische

Bildung ihre Kraft erhält. Politisch-kulturelle Bildung könnte in der

Schule nicht geleistet werden. So muss miteinander gearbeitet werden.

Die Begegnung hätte die Schule ohne Atrium gar nicht hingekriegt. Wir

haben bei uns im Atrium die Werkstätten gemacht. Eltern sind darüber

auf das Atrium aufmerksam geworden. Das Profil des Trägers wurde

geschärft. Die Schule war stolz auf die Kooperation und dass das Pro-

jekt mit Hilfe des Atrium möglich war. Damit profiliert sich die Schule,

indem sie mit einem wichtigen außerschulischen Träger Kooperation

hat und dem Auftrag, über die Schule hinauszuwirken, nachkommt,

durch qualitativ gute Partner.“ (Lutz Lienke)

Kontakt

ATRIUM – Jugendkunstschule

Lutz Lienke

Senftenberger Ring 97, 13435 Berlin

Fon: 030.403 82 96-0

[email protected]

www.atrium-berlin.de

Step by Step _ 69

1927 führten die „Kinderfreunde“, wie die damalige Kinderorganisa-

tion der Falken hieß, ein erstes Zeltlager durch, an dem zehn bis vier-

zehnjährige Jugendliche auch aus dem europäischen Ausland, betei-

ligt waren. Heute bekannte Konzepte der kulturellen Jugendbildung

und des interkulturellen Lernens gab es noch nicht, war doch in der

damaligen Zeit das Lebensalter der Jugend als pädagogisches Zielob-

jekt erst in dessen Entwicklungsphase. Doch Begriffe und Inhalte der

Völkerfreundschaft, des Weltfriedens und der Solidarität waren schon

damals, spätestens mit der Internationalisierung der Arbeiterjugend-

bewegung, das Ziel internationaler Jugendtreffen. In dieser Tradition,

der eines klassischen Arbeiterjugendverbandes mit tiefen internati-

onalen Wurzeln und solidarischer Verantwortung, sehen die Falken

sich und ihren Kinder- und Jugendverband. Im Kreisverband Duisburg

gehören internationale Begegnungen und Zeltlager ebenfalls seit lan-

ger Zeit zum Standard, doch das Projekt „European Future is in YOUth!“

und das „Step by Step Camp“ setzten neue Maßstäbe. Das Camp hat

drei langjährige, bisher nur bilaterale Partner zusammengeführt, und

mit den künstlerischen Formen Musik, Video, Theater und neue Medi-

en versucht, die europäische Zukunft auszuloten.

Heute wie damals treffen sich die Falken bei ihren Camps in Zelten.

Doch auch wenn diese von außen noch als Zelte zu erkennen sind, hat

sich das Innenleben der aktuellen Jugendkultur angepasst.

„Zwischen Musikzelt und Theaterzelt ...

findest du rechts vom Videozelt das Internetzelt“ und wenn die Besu-

cherin nicht richtig zugehört hat, könnte sie auch im Küchenzelt, im

Speisezelt, im Kinozelt oder im Raucherzelt landen, oder in einem

der 15 Schlafzelte. Die Zeltstadt war beeindruckend. Insgesamt 28

große Zelte bildeten das „Step by Step Camp 2007“ auf der Wiese der

Grundschule Am Borgschen Hof am ehemaligen Duisburger Industrie-

standort Rheinhausen.

Nicht viele der 30 Jugendlichen aus der Türkei, Ungarn und

Deutschland haben vorher schon einmal einen Rap gesungen, ein

Video gedreht, ein Theaterstück gestaltet oder eine Homepage auf-

gebaut, erst recht nicht mit jungen Leuten aus anderen Ländern und

vor allem nicht mit Hilfe der Brückensprache Englisch – doch eben

deswegen waren sie dabei. Sie wollten neue Horizonte entdecken und

eine interkulturelle Gemeinschaft erleben.

Dabei sollte das Thema Europa nicht als ein geografisch-tou-

ristisches Gebilde betrachtet werden. Die Jugendlichen haben sich

mit den Lebensbedingungen in Familie, Freizeit, Schule und Berufs-

ausbildung in den verschiedenen Ländern beschäftigt. Aber auch

Themen des Verständnisses Europäischer Bürgerschaft und dessen

Auswirkungen auf den lokalen Partizipationsrahmen der beteiligten

Jugendlichen wurden in den Workshops behandelt.

Different nations all together in the camp ...

ist der Refrain des entstandenen Songs, das Resultat des Musikzelts.

Am Anfang stand der Beat, der Rhythmus des Songs, verschiedene

Instrumente und Töne der drei Kulturräume und der gemeinsamen Pro-

jektzeit bildeten den Soundteppich. So sind am Anfang die Geräusche

des Duisburger Bahnhofs zu hören, dann ein Stimmgewirr und mit

dem Einsetzen der Bassgitarre und einer orientalischen Trommel wird

in drei Sprachen ein guter Rap-Song dargeboten. Den TeilnehmerInnen

war klar, dass der Rap – Sprachgesang vor allem von Inhalten lebt. So

hat die Arbeit an den Texten auch die meiste Zeit des gemeinsamen

Step by Step – the European Future is in YOUth!

TITEL /// Step by Step Camp 2007 – European Future is in YOUth! PRoGRAMMFoRM /// Trilaterale Jugendbegegnung KüNSTLERIScHE SPARTE /// Musik, Video, Theater, neue MedienZEIT /// 18.–28.07. 2007, Duisburg RheinhausenTEILNEHMER/INNEN /// 30 Jugendliche aus Deutschland, Türkei und UngarnFÖRDERuNG /// EU Programm „Jugend in Aktion“, RT MedienPARTNER /// Ungarn: Sellö Egyesület, Györ;Türkei: ÇADIG, ÇanakkaleTRäGER /// SJD – Die Falken KV Duisburg

Wirkens in Anspruch genommen. Zwei Tage lang wurden Ideen und

Botschaften ausgetauscht, überarbeitet und der Rap-Melodie ange-

passt, jede Meinung, jeder Beitrag war wichtig. Und jede Gelegenheit

zum Üben musste genutzt werden. So versammelte sich schnell ein

kleines Publikum, wenn die Rapper Küchendienst hatten und beim

Spülen einfach weiter probten. Die Videogruppe ging etwas leiser

an ihre Arbeit. Bereits am ersten Tag stand fest, dass das Resultat

eine Mischung aus Camp-Dokumentation und der Arbeit an eigenen

Vorurteilen enthalten soll. Nach einer kurzen Einführung in die Magie

der Kameraführung, des richtigen Lichts und dem Bau einer Mirko-

fon-Angel, bestimmten gegenseitige Interviews und die Begleitung

der anderen Workshops das Gruppenleben. Die Teilnehmenden des

Videozeltes haben ihren Fokus auf teils überspitzte, positive Vorur-

teile der anwesenden Kulturen gelegt, um damit eine Diskussion über

Klischees und einseitige Wahrnehmung im Publikum anzuregen.

„Die individuelle Eigenverantwortlichkeit junger Menschen zu för-

dern, steht auf den Fahnen aller Partner des Projekts, das ist unser

Bindeglied. Es ist die Einsicht, dass jeder einzelne nicht nur für das

eigene Tun, sondern auch für die eigene Entwicklung verantwortlich

ist. Wichtig dafür ist ein Handlungsrahmen, der die Grundlage für die

Entwicklung dieser Fähigkeit bietet, in denen die Jugendlichen Erfah-

rungen sammeln, bündeln und vertiefen können. Hier bot das „Step

by Step Camp“ über die kulturellen Workshops hinaus, insbesondere

durch organisatorische Notwendigkeiten und die Möglichkeiten des

Zusammenlebens, ein geeignetes und gleichsam geschütztes Hand-

lungsfeld. Ein Feld jedoch, in dem jeder individuell neu erfahrene Tech-

niken und bislang unbeachtete kulturelle Kompetenzen ausprobieren

konnte.“ (Frank Witzke)

Befähigung zu kulturellen Techniken

Etwas darf bei den Projekten der Falken Duisburg nie fehlen: der

Anspruch auf Partizipation. Denn der Anspruch auf eigenverantwort-

liches Handeln zieht zwangsläufig die Beschäftigung mit Fragen der

Teilhabe nach sich. Zunächst soll den jungen Menschen die Teilhabe

an der Gesellschaft erschlossen werden, ein Anspruch der auch kul-

turelle Techniken und Traditionen mit einschließt. Vielfach sind diese

Techniken und Traditionen erst bekannt zu machen, bevor ein Zugang

überhaupt möglich werden kann.

Eine Beschäftigung mit „Kultur“ im weitesten Sinne, erhält

jedoch im Rahmen einer internationalen Jugendbegegnung eine

besondere Bedeutung. Der Bezug auf eine eigene kulturelle Identi-

tät bzw. deren notwendige Herausbildung oder Bewusstmachung ist

zum Erwerb von interkulturellen Kompetenzen eine zwingend erfor-

derliche Voraussetzung. Dazu gehört ein bewusster, vielleicht auch

spielerischer Umgang mit eigener oder fremder Sprache, wie etwa

beim Rap oder im Theater, genauso wie der Zugang zu Rhythmik, musi-

kalischen Techniken und anderen Ausdrucksformen.

Schatzkiste: vom Medium als Vehikel und nicht als Botschaft

Es waren keine jungen Künstler, die zum Projekt kamen um ihre

besonderen Fähigkeiten zu zeigen oder zu trainieren, sondern ganz

normale Jugendliche. Sie haben sich nicht zu dem Projekt angemeldet,

weil es dort den einen besonderen Workshop gab. Es konnte erkannt

werden, wie die eigene Stimme im Rap aus drei verschiedenen Spra-

chen klingt, wie sich im Theater ein Charakter darstellt oder welches

Licht im Dunkeln bei einem Videointerview benutzt werden kann. Das

gemeinsame Probieren und Agieren stand im Vordergrund.

Die Ergebnisse der Workshops im „Step by Step Camp“ waren

nicht für die Welt außerhalb der Zeltstadt bestimmt, doch inner-

halb des Camps war der Rap der größte Hit und wird es für die Teil-

nehmerInnen ein Leben lang bleiben: ihr Song, bei dem sie zum ersten

Mal im Leben ein künstlerisches Medium als eigene Ausdrucks-

form sahen.

Es spielt jedoch für den Erfolg der interkulturellen Kommuni-

kation innerhalb der Gruppe überhaupt keine Rolle, wie gut oder wie

schlecht gesungen, gefilmt oder gespielt wurde, solang sich davor,

während und danach die Jugendlichen über die Inhalte und ihre

Gefühle ausdrücken können. Genau auf diese Phasen haben die Orga-

nisatorInnen und TeamerInnen des Projekts geachtet. „The medium

is the message“, erkannte der Medientheoretiker Marschall McLuhan

(1962, The Gutenberg Galaxy). In einer internationalen Jugendbegeg-

nung ist das Medium jedoch mehr ein Vehikel, welches die Botschaft

zu transportieren hat (Krauß/Schmittinger in Otten/Treuheit, 1994).

Kontakt

SJD – Die Falken KV Duisburg

Frank Witzke

Krummacherstr. 33, 71051 Duisburg

Fon: 0203.264 78

[email protected]

www.european-youth.eu

InformationenFörderinstitutionen // Informationsquellen // Beratungsstellen

DEuTScHLAND

Kinder- und Jugendplan des Bundes – KJP

Das Hauptinstrument der Jugendförderung, und somit auch der

internationalen Jugendarbeit, (auf Bundesebene) ist der Kinder- und

Jugendplan des Bundes. Es gibt verschiedene Wege, die Bundesmit-

tel zu beantragen: das Direktverfahren, insbesondere von bundes-

zentralen Organisationen für ihre eigenen Projekte, das Zentralstel-

lenverfahren von Trägern, die einem bundeszentralen Dachverband

angehören (z.B. über die BKJ) und das Länderverfahren, durch das

Bundesmittel über die Obersten Jugendbehörden der Länder an Trä-

ger auf der lokalen Ebene vergeben werden, wenn diese nicht einem

bundeszentralen Dachverband angehören.

www.bmfsfj.de

Koordinierungszentrum Deutsch-Israelischer

Jugendaustausch – conAct

ConAct unterstützt bestehende Kontakte zwischen Deutschland und

Israel und versucht, neue Ideen für den außerschulischen Jugend-

austausch und den Austausch von Fachkräften der außerschu-

lischen Jugendhilfe anzuregen. Dies geschieht durch die Vernetzung

von Informationen, die Beratung zur Planung und Finanzierung von

deutsch-israelischen Jugendbegegnungen und die Durchführung von

Projekten zur Weiterentwicklung und Reflexion des deutsch-israe-

lischen Jugendaustausches.

www.conact-org.de

Deutsch-Französisches Jugendwerk – DFJW

Das DFJW fördert den Jugendaustausch zwischen Jugendorganisa-

tionen, Sportvereinen, Sprachzentren, Berufsbildungseinrichtungen,

Gewerkschaften, Schulen und Universitäten, Gemeinden und Part-

nerschaftskomitees in Deutschland und Frankreich. Das DFJW hilft

seinen Partnern bei finanziellen, pädagogischen und sprachlichen

Fragen des Austauschs. Es unterstützt sie bei der inhaltlichen Vorbe-

reitung und Analyse der Begegnungen, es informiert und berät.

www.dfjw.org

Deutsch-Polnisches Jugendwerk – DPJW

Das DPJW ist eine binationale, deutsch-polnische Organisation mit der

Rechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation. Deutsche

und polnische MitarbeiterInnen, die in zwei Büros in Potsdam und in

Warschau tätig sind, sind für die Förderung des deutsch-polnischen

Jugendaustausches zuständig. Zu den Aufgaben des DPJW gehört

die finanzielle Unterstützung der Aktivitäten, die Hilfestellung bei

der Partnersuche im jeweils anderen Land, Beratung in allen inhalt-

lichen und technischen Fragen des deutsch-polnischen Jugendaus-

tausches und das möglichst genaue Informieren über das jeweilige

Partnerland.

www.dpjw.org

Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer

Jugendaustausch – Tandem

Tandem bedeutet grenzüberschreitender Jugendaustausch zwischen

Deutschland und Tschechien. Die Tandem-Büros in Regensburg und

Pilsen koordinieren, vernetzen und fördern deutsch-tschechische

Jugendbegegnungen, Fachkräfteprogramme und Fortbildungen für

haupt- und ehrenamtlich Tätige in der Jugendarbeit sowie für Leh-

rerInnen.

www.tandem-org.de

Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch

Die Stiftung fördert die Begegnungen deutscher und russischer

Jugendlicher, mit dem Ziel, sie zum gemeinsamen Handeln anzuregen

und damit zum Aufbau dauerhafter Beziehungen zwischen Deutsch-

land und Russland beizutragen. Die MitarbeiterInnen der Stiftung

stehen als AnsprechpartnerInnen, BeraterInnen und Förderer der

Maßnahmen des schulischen, außerschulischen und beruflichen

Austausches sowie der Sprachförderung zur Verfügung.

www.stiftung-drja.de

Bund Deutscher Amateurtheater e.V. – BDAT

Der BDAT ist der öffentlich anerkannte und geförderte Dachverband

für das organisierte deutsche Amateurtheater. Der BDAT bezuschusst

und fördert nationale und internationale Spielbegegnungen, Festivals

und Theaterprojekte.

www.bdat.info

Informationen _ 71

Austausch im musikalischen Bereich

Im Bereich Musik gibt es mehrere Zentralstellen bei BKJ-Mitgliedsor-

ganisationen, die speziell für musikalische Projekte Zuschüsse aus

verschiedenen Fördermitteln bewilligen können.

Arbeitskreis Musik in der Jugend – AMJ

Zuständig für bi- und trinationale Chor-Projekte unter Beteiligung von

Polen oder Frankreich.

www.amj-musik.de

Deutsche Bläserjugend – DBJ

Zuständig für bi-, tri- und multinationale Bläser-Begegnungen.

www.deutsche-blaeserjugend.de

Jeunesses Musicales Deutschland – JMD

Zuständig für bi-, tri- und multinationale Jugend-Orchesterbegeg-

nungen, allerdings nicht für deutsch-polnische Begegnungen.

www.jeunessesmusicales.de

Verband deutscher Musikschulen – VdM

Zuständig für Begegnungen von VdM-Mitglieds-Musikschulen.

www.musikschulen.de

Goethe-Institut

Die Auslandsmusikarbeit der Bundesrepublik Deutschland ist unter

dem Dach des Goethe-Instituts zusammengefasst. In den Bereichen

Chor-, Amateur- und Jugendmusik sowie künstlerischer Nachwuchs

unterstützt der Bereich Musik II des Goethe-Instituts die Repräsen-

tation des deutschen Musiklebens im Ausland und den Austausch

mit dem Ausland durch: Gastspielreisen und Austauschvorhaben,

Teilnahme an internationalen Musikwettbewerben im Ausland,

musikpädagogische Projekte in Entwicklungs- und Transformations-

ländern, Gastspielreisen von Musikensembles aus Entwicklungs- und

Transformationsländern nach Deutschland, Informations- und Fort-

bildungsaufenthalte ausländischer MusikerInnen in Deutschland,

internationalen Jugendaustausch im Bereich der Musik im Rahmen

des Kinder- und Jugendplans des Bundes.

www.goethe.de

Fachstelle für Internationale Jugendarbeit

der Bundesrepublik Deutschland e.V. – IJAB

IJAB ist im Auftrag des BMFSFJ, der Europäischen Kommission, seiner

Mitgliedsorganisationen und anderer zentraler Träger der Jugendar-

beit auf den Gebieten der internationalen Jugendpolitik, Jugendarbeit

und Jugendinformation tätig. Aufgabe ist die Förderung der internati-

onalen Jugendarbeit und der jugendpolitischen Zusammenarbeit, um

das gegenseitige Verständnis junger Menschen aus verschiedenen

Ländern und Kulturkreisen zu erweitern, ihre Beziehungen zueinan-

der zu festigen und um Vorurteile abzubauen.

www.ijab.de

Datenbank für Internationale Jugendarbeit – DIJA

DIJA ist eine Online-Arbeitshilfe für Fachkräfte im Bereich der inter-

nationalen Jugendarbeit und solche, die es werden wollen. Mit ihrem

vielfältigen und ständig erweiterten Informationsangebot unter-

stützt DIJA alle, die sich in der internationalen Zusammenarbeit

engagieren.

www.dija.de

EuRoPäIScHE uNIoN

JuGEND für Europa

„JUGEND für Europa, Deutsche Agentur für das EU-Programm JUGEND

IN AKTION“ führt im Auftrag der Europäischen Kommission und des

BMFSFJ das EU-Programm „JUGEND IN AKTION“ dezentral durch und

fördert internationale außerschulische Aktivitäten von Jugendlichen

zwischen 13 und 30 Jahren sowie Initiativen junger Menschen.

www.jugendfuereuropa.de

Eu Programm JuGEND IN AKTIoN

Bis einschließlich 2013 stellt das Aktionsprogramm der Europäischen

Kommission insgesamt 885 Millionen Euro für Jugendgruppen,

gemeinnützige Vereine und Einrichtungen der Jugendarbeit in 31 Län-

dern zur Verfügung. Damit möchte die EU Bürgersinn, Solidarität und

demokratisches Engagement unter jungen Menschen stärken und

ihnen zu mehr Mobilität und Zusammenarbeit in Europa verhelfen. Vor

allem Jugendinitiativen, Jugendbegegnungen und der Europäische

Freiwilligendienst sollen von den Fördergeldern profitieren. Die in den

Projekten erworbenen Qualifikationen werden künftig europaweit mit

einem Youthpass belegt.

http://ec.europa.eu/youth

www.jugendfuereuropa.de

Eurodesk

Eurodesk ist ein europäisches Informationsnetzwerk mit Nationala-

genturen in 30 Ländern und 900 weiteren regionalen Servicestellen.

Ziel des Netzwerkes ist es, Jugendlichen und MultiplikatorInnen der

Jugendarbeit den Zugang zu Europa zu erleichtern. Vielfältige Infor-

mationen zu den Themen Jugend, Bildung, Ausbildung, Mobilität etc.

sollen helfen, von einem zusammenwachsenden Europa zu profitie-

ren und Chancen und Möglichkeiten grenzübergreifender Aktivitäten

zu nutzen. In Zusammenarbeit mit seinen Partnern berät Eurodesk

OrganisatorInnen, MultiplikatorInnen und Verantwortliche in der

72 _ Informationen

Jugendarbeit über Fördermöglichkeiten von Jugendmaßnahmen. Die

Beratung bezieht sich primär auf europäische Förderprogramme und

Förderprogramme des Bundes.

www.eurodesk.de

Städtepartnerschaften

Die Europäische Kommission fördert auch Projekte und Veranstal-

tungen sowie Konferenzen und Ausbildungsseminare im Rahmen

von Städtepartnerschaften, die zur Annäherung der Völker und zur

Stärkung des europäischen Bewusstseins beitragen. Am Förderpro-

gramm der Europäischen Kommission können Städte und Gemeinden

aus den Mitgliedsstaaten der Union sowie aus den Beitrittsländern

teilnehmen.

http://ec.europa.eu/towntwinning/index_de.html

EuRoPARAT

Direktorat für Jugend und Sport des Europarats

Das Direktorat für Jugend und Sport gehört zur Generaldirektion

Bildung, Kultur und kulturelles Erbe, Jugend und Sport des Euro-

parates. Es bietet finanzielle und pädagogische Unterstützung für

internationale Jugendprojekte, die zum Ziel haben, gesellschaftliches

Engagement Jugendlicher, Jugendmobilität zu fördern und die Werte

der Menschenrechte, Demokratie und kulturellen Vielfalt zu verbrei-

ten. Das Direktorat strebt an, Fachkompetenzen und Wissen über

die Lebenssituationen, Hoffnungen und Ausdruckweisen der jungen

EuropäerInnen zusammen zu tragen und zu verbreiten.

www.coe.int/youth

Europäische Jugendzentren in Budapest und Straßburg

Die europäischen Jugendzentren in Budapest und Straßburg sind

beständige Strukturen für die Umsetzung der Jugendpolitik des Euro-

parats. In diesen internationalen Trainings- und Begegnungszentren

mit Übernachtungsmöglichkeiten finden die meisten Aktivitäten des

Europarats im Jugendbereich statt.

Budapest: www.eycb.coe.int

Straßburg: www.coe.int/t/dg4/youth/EYc/Strasbourg_en.asp

Die europäische Jugendstiftung – EYF

Die europäische Jugendstiftung (European Youth Foundation, EYF)

wurde 1972 vom Europarat gegründet, um internationale Jugendak-

tivitäten von nationalen und internationalen Jugendorganisationen

finanziell zu unterstützen. Diese Aktivitäten sollen dazu beitragen,

den Frieden, das gegenseitige Verstehen und die Kooperation zwi-

schen den Menschen in Europa und der Welt zu fördern. Gefördert

werden: internationale Treffen (Seminare, Camps, Festivals etc.),

Dokumentations- und Informationsmaterial zu Jugendthemen, admi-

nistrative Kosten internationaler, nichtstaatlicher Jugendorganisati-

onen, Pilotprojekte.

www.eyf.coe.int/fej

Mobilitätsfond für benachteiligte Jugendliche

Der Internationale Eisenbahnerverband und der Europarat haben

einen Fond (The Solidarity Fund for Youth Mobility, SFYM) gegründet,

um die Mobilität benachteiligter Jugendlicher in Europa zu fördern.

Eine Förderung ist zulässig bei Erfüllung folgender Kriterien: Grup-

pengröße von mindestens 10 Jugendlichen, Erstattung nur bei Rei-

sekosten für ein internationales Projekt oder eine Begegnung, Reise

muss per Bahn unternommen werden. Antragsfrist: mindestens

einen Monat vor Antritt der Reise.

www.eyf.coe.int/fsmj

STIFTuNGEN

Robert Bosch Stiftung – Junge Wege in Europa

Der Förderwettbewerb „Junge Wege in Europa“ bietet SchülerInnen

und Jugendlichen aus Deutschland sowie Mittel- und Osteuropa die

Möglichkeit, ihre Ideen, Interessen und Zukunftserwartungen in

gemeinsamen Projekten zu verwirklichen. Dabei können sie sich mit

spannenden Themen beschäftigen sowie interessante Menschen

und neue Orte kennen lernen.

„Junge Wege in Europa“ ist ein Programm der Robert Bosch Stiftung,

das von MitOst e.V. durchgeführt wird. Die Ausschreibung des För-

derwettbewerbs erfolgt zweimal jährlich im Herbst und im Frühjahr.

Projektpartner aus Deutschland und Mittel- und Osteuropa können

sich mit einem gemeinsam erstellten Projektplan für eine Förderung

bewerben. Angesprochen sind Jugendliche im Alter von 13 bis 21 Jah-

ren mit ihren LehrerInnen und BetreuerInnen.

www.jungewege.de

Allianz Kulturstiftung

Der Blick auf die großen Potenziale, die in den Bereichen Jugend und

Kultur in Europa liegen, ist das Leitmotiv der Allianz Kulturstiftung. In

diesem Sinn fördert und unterstützt sie Kunst-, Kultur- und Bildungs-

projekte im Geiste der europäischen Integration und mit besonderer

Beteiligung der Jugend. Gemäß ihrem Stiftungszweck unterstützt

die Allianz Kulturstiftung grenzüberschreitende Bildungs- und Kul-

turprojekte, die dem europäischen Integrationsprozess und der

Herausbildung einer europäischen Identität förderlich sind. Eine

wichtige Zielgruppe ihrer Arbeit stellt der akademische und künst-

lerische Nachwuchs dar, für den die Stiftung eigene Austausch- und

Begegnungsprojekte entwickelt hat.

www.allianz-kulturstiftung.de

Informationen _ 73

Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) e. V.

Als Zusammenschluss von mehr als 50 Institutionen, Fachverbänden und Landesvereinigungen fördert und stärkt die

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) schulische wie außerschulische kulturelle Angebote für

Kinder und Jugendliche auf Landes-, Bundes- sowie internationaler Ebene. Die BKJ vertritt jugend-, bildungs- und kulturpo-

litische Interessen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung und ist damit auch für die Bundesregierung zentraler Partner.

Mit Modellprojekten, Tagungen, Publikationen, Wettbewerben und Fortbildungen liefert die BKJ Impulse für die Praxis und

sichert durch wissenschaftliche Begleitung und Evaluation nachhaltig die Qualität Kultureller Bildung.

Kulturelle Bildung International

Die kulturelle Vielfalt ist ein Reichtum unserer Gesellschaft. Das Zusammenleben mit sehr unterschiedlichen kulturellen

Traditionen und Werten stellt aber auch eine tägliche Herausforderung dar. Kulturelle Kinder- und Jugendbildung nutzt

Unterschiede als Motor für spannende Entwicklungen. In künstlerisch-kreativen Prozessen und in der Begegnung mit

verschiedensten Kulturen und Künsten werden Kinder und Jugendliche offen für soziales Miteinander und Solidarität.

Kulturelle Vielfalt erleben heißt, über Ländergrenzen und Sprachbarrieren hinweg aktiv zum friedlichen Zusammenleben

beizutragen und gemeinsam mit Jugendlichen aus dem Ausland die kreativen Seiten des Themas „Globalisierung“ zu

entdecken.

Der internationale Jugendkultur- und Fachkräfteaustausch ist ein Schwerpunkt in der Arbeit der BKJ. Im gelebten Dialog

mit Menschen anderer Nationalitäten eröffnen sich Kindern, Jugendlichen und Fachkräften fremde Welten und neue Sicht-

und Handlungsweisen. Diese Begegnungen ermöglichen es vor allem, wirklich neue Lebenserfahrungen in interkulturell

geprägten Situationen zu sammeln.

JugendkulturService International

Unter dem Motto „Wir fördern kreative und interkulturelle Kompetenz“ informiert, berät und qualifiziert die BKJ die Orga-

nisatorInnen internationaler Jugendkultur-Projekte und Fachkräfte-Begegnungen. Darüber hinaus ist die BKJ finanzielle

Förderstelle für die Zusammenarbeit mit vielen Partnernationen. Sie vermittelt Kontakte zu Partnerorganisationen im

Ausland und berät bei Antragstellung, Projekt- und Finanzierungsplanung.

JugendkulturPolitik International

Auf europäischer und internationaler Ebene stärkt die BKJ zudem den Erfahrungsaustausch, die aktive Zusammenarbeit

sowie die politische Lobbyarbeit für die Kulturelle Bildung. Sie hat Kontakte zu Partnerorganisationen in vielen Ländern

und ist Mitglied in internationalen Netzwerken.

Kontakt

Bundesvereinigung

Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) e. V.

KulturService International/KulturPolitik International

Küppelstein 34, 42857 Remscheid

Fon: 02191.79 43 90

Fax: 02191.79 43 89

[email protected]

www.bkj.de

74 _ Die BKJ

Wir fördern kreative und interkulturelle Kompetenz

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V.

Weitere Informationen erhalten Sie bei:

Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V.

Küppelstein 34 , 42857 Remscheid

Fon 02191.79 43 90, Fax 02191.79 43 89

[email protected], www.bkj.de

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