kulturelle vielfalt erleben. internationale jugend-kultur-begegnungen
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21 Praxisbeispiele für internationalen Jugendkulturaustausch, zusammengestellt von der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung.TRANSCRIPT
Impressum
Herausgeber: Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V.
Text: Palmira Repsyte-Scharf, Christian Scharf
Fotos: Die Rechte der Fotos liegen bei den jeweiligen Projektträgern
Redaktion: Rolf Witte
Gestaltung / Satz: luxsiebenzwo Köln, Maya Hässig, Jeannette Corneille
Druck: Druckhaus Süd, Köln
ISBN-10: 3-924407-86-XISBN-13: 978-3-924407-86-5
Remscheid 2008
gefördert vom:
Kapiteltitel _ 3
Inhalt
04 Herausforderung Kulturelle Vielfalt
07 Anregungen für die Qualitätsentwicklung
im internationalen Jugendkulturaustausch
15 21 Beispiele aus der Praxis
16 Arte Povera – Arme Kunst oder die Kunst der Armut
18 J-Rock in Germany – eine neue Jugendkultur
20 Circolibre – Toleranz in der Manege
24 Es war einmal…
27 Die Wirklichkeit mit eigenen Augen sehen
30 Medienwelten: open your eyes – open your mind!
33 Somos – viel wertvoller als all das Geld der Welt
35 Eine Woche Hip-Hop-Fieber
37 Von essbaren Büchern
40 Die Angst vor dem Fremden
43 Jugendkunstschulen zwischen Curriculum und Kunst
46 Auf Friedenssuche mit der Videokamera
48 Name – Stadt – Land – Art
50 Zum Erfahrungsaustausch um die halbe Welt
53 Ein Zelt voller Leben – innovativ, interkulturell und integrativ
55 Wolkenbruch – Pluie d’été
58 Einfach die Welt verändern
60 KulturJokerInternational =
Freiwilligendienst im Ausland + kulturelle Jugendbildung
53 Olivers Traum
66 Mit offenen Augen im Jahrmarkt der Künste
69 Step by Step – the European Future is in YOUth!
71 Informationen
74 Die BKJ
Herausforderung Kulturelle Vielfalt
Der Titel dieser Publikation „Kulturelle Vielfalt erleben“ mag auf den
ersten Blick nach bunt und lustig, nach Multikulti-Stadtteilfest, nach
fröhlichen Tänzen und Gesängen in unterschiedlichsten Sprachen
klingen. Aber Kulturelle Vielfalt ist bei genauerem Hinsehen wohl
doch für jeden von uns nach wie vor eine Herausforderung: Auch
wir KulturpädagogInnen, KünstlerInnen, SozialpädagogInnen und
Erwachsene ganz generell wissen in der Regel noch nicht, wie wir
in unserem täglichen Leben mit der mitten in unserer Gesellschaft
angekommenen kulturellen Vielfalt umgehen sollen. Geschweige
denn, wie wir unsere Haltung dazu Jugendlichen vermitteln können.
Kulturelle Vielfalt in all ihren Facetten fordert viele von uns nach wie
vor täglich aufs Neue auch im privaten Leben heraus: Die Medien lie-
fern uns z.B. täglich Nachrichten aus Ländern frei Haus, in denen es
nicht, wie wir es gewohnt sind, eine Trennung von Staat und Kirche
gibt, so dass wir dort gefällte politische Entscheidungen ganz anders
einordnen müssen. Oder die Zusammensetzung der Bevölkerung in
unserem Stadtteil ändert sich kontinuierlich, immer mehr Geschäfte
mit einem Warenangebot aus anderen Kulturkreisen eröffnen in
unserem Umfeld - was die Einen mit leichtem Unbehagen, die Anderen
mit Freude über das erweiterte kulinarische Angebot erfüllt.
Unseren Kindern und Jugendlichen landauf landab geht es
natürlich nicht anders: in Kindergarten und Schule sitzen, spielen
und lernen Kinder mit unterschiedlichsten Muttersprachen und Haut-
farben jeden Tag miteinander. In ihrer Freizeit sind es junge Leute
heute gewohnt, die verschiedensten kulturellen Ausdrucksformen
nebeneinander zu erleben, vom amerikanischen Musiksender bis
zum indischen Bollywood-Streifen im Kino. Doch die meisten dieser
im Alltag gemachten multikulturellen Erfahrungen werden en pas-
sant in die eigene Lebenseinstellung integriert, laufen Gefahr im Sta-
dium des oberflächlichen ersten Eindrucks und des schnell Be- oder
Verurteilens stecken zu bleiben. Solche Alltagserfahrungen mit ver-
schiedenen Formen kultureller Vielfalt werden nicht wirklich bewusst
wahrgenommen, geschweige denn ein wenig hinterfragt und als neue
Elemente wirklichen interkulturellen Erlernens in die eigene Persön-
lichkeit und Lebenseinstellung integriert.
Hier bietet die Teilnahme an Maßnahmen des internationalen
Jugendkulturaustauschs Jugendlichen die Chance, einen wirklichen
Schritt weiter zu gehen und interkulturelles Lernen, Kulturelle Vielfalt
unter spannenden Bedingungen zu erleben. So bestätigten 57 % der
befragten TeilnehmerInnen in einer Studie zu den Langzeitwirkungen
von internationalem Jugendaustausch1, dass sie durch die Austau-
scherfahrung vertieftes Wissen über andere Kulturen gewonnen
haben. Und 51 % bestätigten, dass es ihnen durch die Begegnung
heute leichter fällt, das Verhalten von Menschen aus anderen Kulturen
zu verstehen. Solche zehn Jahre später nachgewiesene, langfristige
Wirkungen von kurzzeitigen internationalen Jugendbegegnungen in
Gruppen und viele andere Effekte, die im Rahmen der Studie eindeutig
belegt werden konnten, veranlassen lokale, regionale, landes- und
bundesweite Träger der kulturellen Bildung dazu, immer wieder inter-
nationale Jugend-Kultur-Begegnungen mit unterschiedlichsten The-
men und Formen für verschiedenste Zielgruppen anzubieten.
Die BKJ hat zur Beratung, Qualifizierung und Förderung des
Jugendkultur- und Fachkräfteaustauschs den JugendkulturService
International eingerichtet, der mit Fördermitteln der Deutsch-Franzö-
sischen und Deutsch-Polnischen Jugendwerke und des Bundesmini-
steriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend jährlich 80 bis 90
Maßnahmen auch finanziell unterstützen kann. Jährlich finden auch
in Zusammenarbeit mit französischen und polnischen Partnern min-
destens zwei mehrtägige Kooperationstagungen statt, um gemeinsam
mit lokalen und regionalen Trägern des Jugendkulturaustauschs deren
Begegnungen auszuwerten, neueste Entwicklungen der Austauschpä-
dagogik zu besprechen, Erfahrungen auszutauschen und die eigenen
Begegnungskonzepte qualitativ weiter zu entwickeln. Diese regelmä-
ßige Nähe zu vielen Austauschträgern aus allen künstlerischen Sparten
der kulturellen Bildungsarbeit, von denen ein Teil in dieser Publikation
exemplarisch mit ihren Begegnungserfahrungen vorgestellt werden,
versetzt die BKJ in die Lage, sehr viel Erfahrung und Wissen zum inter-
nationalen Jugendkulturaustausch gewinnen zu können.
Auf dieser Basis erlaubt sich die BKJ immer wieder, sich als
Fürsprecher dieses z.B. von den offiziellen Akteuren der Auswärtigen
Kultur- und Bildungspolitik kaum wahrgenommenen Bereichs auch
in die politischen Diskurse um die Rahmenbedingungen für Inter-
nationale Jugendarbeit und Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
einzumischen. Wenn Außenminister Frank-Walter Steinmeier Mitte
2007 in einem Artikel zur Auswärtigen Kulturpolitik unter dem Motto
„Plattform für viele Partner schaffen“ ankündigt, dass Bildung ein
Schwerpunkt der Außenkulturpolitik werden soll2 und sich im Laufe
der darauf folgenden Monate herausstellt, dass das Auswärtige Amt
bei der Umsetzung dieses Vorhabens nur an das Netzwerk der deut-
schen Auslandsschulen denkt, dann ist es Aufgabe der BKJ, für die
im Auswärtigen Amt wohl noch nicht bekannten Möglichkeiten des
nicht-formalen interkulturellen Lernens im Rahmen des Jugend-
4 _ Herausforderung Kulturelle Vielfalt
Rolf Witte _ 5
kulturaustauschs eine Lanze zu brechen. Denn im Vergleich zu den
anerkannten Mittlerorganisationen der Auswärtigen Kultur- und Bil-
dungspolitik sind fast alle Träger von Jugend-Kultur-Begegnungen nur
mit äußerst geringen finanziellen und personellen Ressourcen aus-
gestattet, was dazu führt, dass sie oftmals die eigentlich dringend
erforderliche gesellschaftliche Breitenwirkung ihrer Begegnungsan-
gebote gar nicht erzielen können. Warum also nicht die Akteure des
Jugendkultur- und Fachkräfteaustauschs ebenfalls als Mittlerorgani-
sationen anerkennen?
Der hohen Motivation von Jugendlichen aus allen Gesell-
schaftsschichten, an internationalem Jugendkulturaustausch teil-
zunehmen und der großen Bereitschaft vieler Träger, lieber heute
als morgen vermehrt internationale Maßnahmen anzubieten, ste-
hen meist sehr geringe Fördermittel entgegen, die dazu auch noch
nach Richtlinien und dahinterstehenden Förderlogiken vergeben
werden (müssen), die zeitgemäße Begegnungs- und Projektformen
im internationalen Jugendkulturaustausch eher verhindern, statt
sie zu befördern. Noch immer werden wie vor Jahrzehnten bei der
Förderung von internationaler Jugendarbeit ganz generell vor allem
Teilnehmertage gezählt und Entfernungskilometer zur Berechnungs-
grundlage gemacht, was dem pädagogischen und organisatorischen
Denken in dynamischen Projektverläufen der Träger überhaupt nicht
mehr entspricht. Dies führt dazu, dass gerade bei Jugendkulturaus-
tausch viele Kosten, die im Zusammenhang mit den künstlerischen
Erfordernissen der Programmgestaltung anfallen, überhaupt nicht
bezuschusst werden können. In dieser Frage drängt die BKJ schon
länger die verschiedensten Förderinstitutionen auf eine an Qualität,
Aktualität und Relevanz des Begegnungsvorhabens sowie an der
Attraktivität für Jugendliche ausgerichtete Förderpraxis. So sieht die
BKJ die unterschiedlichen Förderer des internationalen Jugendkul-
turaustauschs vor der Herausforderung stehen, für die der kulturellen
Vielfalt geschuldeten vielfältigen Projektformen des Jugendkultur-
austauschs endlich angemessene Förderformen zu entwickeln.
Der JugendkulturService International als beratende, beglei-
tende und bei der Durchführung von Begegnungen fördernde Stelle
hat in dieser Situation der sich ständig weiterentwickelnden Begeg-
nungsvielfalt ebenfalls immer wieder aufs Neue Herausforderungen
zu bewältigen, und zwar vor allem im Feld der Qualitätsentwicklung
bei internationalem Jugendkulturaustausch. Einen Baustein dieser
Strategie halten Sie mit dieser Publikation in Händen, deren Haupt-
augenmerk im folgenden Artikel und in den Beschreibungen der 21
Praxisbeispiele auf qualitative Fragen gerichtet ist.
Andere Bausteine zur Ermunterung der vielfältigen Trägerland-
schaft des Jugendkulturaustauschs, auf eine beständige qualitative
Weiterentwicklung ihrer Begegnungskonzepte nicht zu verzichten,
konnte die BKJ nur gemeinsam mit anderen Partnern aus dem Feld
der Internationalen Jugendarbeit entwickeln. So sind z.B. in den letz-
ten Jahren unter Federführung von IJAB, Fachstelle für Internationa-
le Jugendarbeit, die Nachweise International3 entstanden, an deren
Entwicklung die BKJ vor allem durch die Übertragung des Grundkon-
zepts des Kompetenznachweis Kultur4 auf den Kompetenznachweis
International beteiligt war. Diese Nachweise bieten den jugendlichen
Teilnehmenden und den OrganisatorInnen von Kulturaustausch-
Programmen die Möglichkeit, die Lebens- und interkulturellen Ler-
nerfahrungen bei einer Jugend-Kultur-Begegnung ohne große Mühe
bewusster wahrzunehmen. Für Außenstehende werden diese Lerner-
fahrungen leicht nachvollziehbar in eine vorbereitete Nachweisform
gebracht, die ein Stück weit für Qualität und Seriösität des nicht-for-
malen interkulturellen Lernortes Jugendkulturaustausch bürgt.
Auch das in den letzten Jahren von der BKJ gemeinsam mit dem
Deutsch-Französischen und dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk
sowie der Bundeszentrale für politische Bildung entwickelte compu-
tergestützte System zur Evaluation von internationalen Jugendbe-
gegnungen5 ermöglicht es den OrganisatorInnen von Jugendkultur-
austausch, das per Fragebogen eingeholte und per Computer rasch
ausgewertete ausführliche Feed-back der jugendlichen Teilneh-
merInnen dazu zu nutzen, eventuelle Schwachpunkte der eigenen
Begegnungskonzeption zu erkennen und so unmittelbar bei der Pla-
nung von Folgeprojekten Konsequenzen daraus ziehen zu können.
Zudem hilft es, den Blick immer wieder einmal auf die wesentlichen
Punkte der gerade gemachten interkulturellen Begegnungserfah-
rung zu richten, die ansonsten leicht in der Vielfalt organisatorischer
Herausforderungen aus dem Blick geraten. Denn gerade in einer bi-,
oder multinational stattfindenden interkulturellen Begegnungssitu-
ation stürmen so viele, trotz manchmal mangelhafter sprachlicher
Verständigungsmöglichkeiten rasch zu bewältigende Situationen
und unplanbare Begebenheiten auf die künstlerischen und organi-
satorischen Leitungspersonen ein, dass die Situationsbewältigung
kaum noch Zeit lässt für bewusstes Wahrnehmen vielfältigster kul-
tureller Unterschiede in der pädagogischen, in der organisatorischen
und in der künstlerischen Zusammenarbeit mit den Jugendlichen und
mit den Partnern aus den beteiligten Ländern.
Aber kulturelle Unterschiede sollten in der internationalen Begeg-
nungssituation auch nicht überbetont und überbewertet werden.
Vielmehr dürfte es zu einem spannenden Gedankenaustausch füh-
ren, jugendliche TeilnehmerInnen im Rahmen einer Begegnung zu
fragen, ob sie sich überhaupt einer ‚nationalen Kultur’ als Deutscher,
Französin, Pole oder Tschechin zugehörig fühlen. Denn vielleicht sind
Jugendliche dabei, die sich bestimmten Lebensstilen oder Szenen
ganz bewusst zugehörig fühlen, die länderübergreifend existieren.
Das kann dazu führen, dass sie sich den gleichen Szene-Mitglie-
dern aus dem Partnerland vielleicht näher verbunden fühlen, als
den Landsleuten, mit denen sie gemeinsam als ‚die Deutschen’ zur
Begegnung angereist sind. Was diese z.T. auch durch weltweite Kom-
munikationsmöglichkeiten entstandenen neuen länderübergreifen-
den Szenen und Zugehörigkeiten für die Jugendlichen bedeuten, was
sie aber auch für Begegnungskonzeptionen und inhaltliche Anknüp-
fungspunkte für die künstlerische Auseinandersetzung mit diesem
Phänomen bedeuten, das sind Fragen, die aktuell auf die ehren- und
hauptamtlichen KünstlerInnen, KulturpädagogInnen und Mitarbeite-
rInnen im Jugendkulturaustausch zukommen. Laufen wir vielleicht
mit der altbewährten Form des bilateralen Jugendkulturaustauschs
in die Falle, dass wir ungewollt den Jugendlichen nationalkulturelle
RepräsentantInnen-Rollen zuschreiben, die sie vielleicht gar nicht
haben wollen, und die vielleicht statt des Erlebens von kultureller
Vielfalt eher Stereotypen verfestigen? Diesen Fragen widmet sich
aktuell vor allem noch die Forschung, die sich mit Internationaler
Jugendarbeit beschäftigt6, aber bei nationalen und binationalen
Fortbildungsveranstaltungen werden diese Fragestellungen mehr
in den Vordergrund gerückt, um bei Trägern aus allen Bereichen der
Internationalen Jugendarbeit ein Bewusstsein für die Gefahr des in
die Falle Tappens zu schaffen.
Eine weitere Herausforderung für den internationalen Jugend-
kulturaustausch stellt natürlich auch die rasante Entwicklung der
Europäischen Union dar. Und damit ist nicht die Herausforderung
gemeint, der sich jeder Träger von Jugend-Kultur-Begegnungen stel-
len muss, wenn er das aufwändige Antragsverfahren für eine Förde-
rung aus dem Programm „Jugend in Aktion“ der EU durchlaufen will.
Vielmehr ist mit der Herausforderung Europa die Frage gemeint, wel-
che Rolle der Bedeutungszuwachs dieser noch immer als relativ neu
empfundenen supranationalen Organisation für das kulturelle Zuge-
hörigkeitsgefühl von jungen Menschen spielt. Wollen sich Jugendliche
lieber als EuropäerInnen fühlen, oder sollten sie sich lieber als solche
fühlen? Oder wie bringen wir alle eigentlich unsere lokale, regionale,
bundesdeutsche und europäische Identität gedanklich und emotional
unter einen Hut? Wie kann Jugendkulturaustausch innerhalb Europas
dazu beitragen, dass dieses vermeintliche BürokratInnen-Monstrum
EU den Jugendlichen auch seine nützlichen und positiven Seiten zeigt,
wie z.B. die besseren Reise-, Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten?
Oder ist damit der Jugendkulturaustausch nicht einfach überfordert,
würde er da nicht mit politischen Zielen überfrachtet, so dass für das
‚eigentliche’ Ziel, die kreative und künstlerische Zusammenarbeit von
Jugendlichen aus mehreren Ländern, gar kein Platz mehr bliebe?
Jeder Träger aus den Reihen der 51 BKJ-Mitgliedsorganisa-
tionen wird darauf seine eigenen Antworten finden müssen. Denn
wie Sie schon der kleinen Auswahl von nur 21 hier veröffentlichten
Praxisbeispielen entnehmen können, gibt es eine so große Vielzahl
der konzeptionellen Begegnungsansätze, der künstlerischen Aus-
richtung von Begegnungen, der organisatorischen Ideen für die
Durchführung von Jugend-Kultur-Begegnungen, dass es auch für die
BKJ immer wieder eine Herausforderung darstellt, dieser Vielfalt in
Fragen der Beratung, Qualifizierung und finanziellen Förderung mög-
lichst gerecht zu werden. Denn leider ist es immer noch so, dass der
Jugendkulturaustausch auf Bundesebene von Seiten der öffentlichen
Zuschussgeber noch lange nicht so finanziell unterstützt und damit
überhaupt erst ermöglicht wird, wie es den Bedürfnissen der Jugend-
lichen, den Interessen der Träger und seinem Potential als unverzicht-
barer interkultureller Lernort entspricht. Diese Publikation soll mit
dazu beitragen, dass sich das in nicht allzu ferner Zukunft ändert.
Rolf Witte
1 Alexander Thomas, Heike Abt, Celine Chang (Hrsg.): „Internationale Jugend-
begegnungen als Lern- und Entwicklungschance“, Studien zum Forscher-Prak-
tiker-Dialog zur internationalen Jugendbegegnung, Band 4, Bensberg, 2006
2 Frank-Walter Steinmeier: „Plattform für viele Partner schaffen – Zum Stellen-
wert von Kultur- und Bildungspolitik“, in: politik und kultur – Zeitung des Deut-
schen Kulturrates, Ausgabe 04/07, 1. Juli 2007
3 siehe www.open-the-world.net
4 siehe www.kompetenznachweiskultur.de
5 siehe www.jugendbegegnungen-evaluation.net
6 Anne Winkelmann: Internationale Jugendarbeit in der Einwanderungsge-
sellschaft – Auf dem Weg zu einer theoretischen Fundierung, Wochenschau-
Verlag, Schwalbach, 2006
6 _ Herausforderung Kulturelle Vielfalt
Das Spannungsfeld
Kulturelle Kinder- und Jugendbildung als Symbiose von Jugend- und
Kulturarbeit verursacht im Feld der internationalen Jugendarbeit
ein interessantes, aber auch schwieriges Spannungsverhältnis zwi-
schen der Vermittlung und Präsentation künstlerischer Techniken
und den sozialen und interkulturellen Lernzielen einer internatio-
nalen Jugendbegegnung. Oft begegnen die Träger der kulturellen
Kinder- und Jugendbildung oder andere Organisationen, die in ihren
Jugendbegegnungen verschiedenste kreative und künstlerische
Arbeitsformen in den Mittelpunkt stellen, dem Vorurteil, das Medium
zu sehr zu betonen und die anderen Belange einer Jugendbegegnung
mehr oder weniger zu vernachlässigen. Doch wie bei einer internati-
onalen Begegnung mit jungen SportlerInnen nicht nur Sport betrie-
ben wird oder wie bei einem internationalen Workcamp jugendlicher
Umweltaktivisten nicht nur Krötenschutzzäune errichtet werden,
genauso wenig wird bei internationalen Jugendkulturbegegnungen
nur musiziert, gefilmt oder Theater gespielt. Wichtiger Unterschied
ist jedoch, dass meist ein öffentlich präsentierbares künstlerisches
Arbeitsergebnis vorgewiesen werden kann. Gerade dadurch wird
wohl bei Außenstehenden der Eindruck erweckt, dass beim Jugend-
kulturaustausch vor allem das Endergebnis und nicht der Prozess im
Vordergrund stünde.
Jugendliche TeilnehmerInnen bei internationalen Begeg-
nungen mit künstlerischem Inhalt erwarten und haben deshalb auch
einen Anspruch auf eine gute Qualität der kreativen Arbeit, selbst und
vor allem, wenn sie vermeintlich kein ausgewiesenes eigenes Talent
mitbringen. Das Vermitteln von Techniken und Fertigkeiten darf daher
nicht dem pädagogischen Ziel des interkulturellen Lernens vollstän-
dig untergeordnet werden, sondern muss ein zentraler Bestandteil
des Programms sein. Das bloße Bemalen eines Bettlakens mit den
Nationalfarben der beteiligten Länder um eine Europaskizze herum,
dürfte nur in seltenen Fällen den Erwartungen der Teilnehmenden
entsprechen, die sich für eine Jugendbegegnung unter dem Motto
„Mit Kunst und Kultur Europa entdecken“ angemeldet haben.
Es besteht bei Trägern der kulturellen Bildung jedoch potenti-
ell die Gefahr der Überordnung der Nutzung und Vermittlung künst-
lerischer Fähigkeiten über die pädagogischen und interkulturellen
Ziele der Begegnungen. Die Talente und Arbeitsergebnisse einzelner
TeilnehmerInnen zählen dann mehr als der Gruppenprozess oder die
bewusste Austragung eines interkulturellen Konflikts. Das künstle-
rische Resultat der Begegnung (z.B. eine schon öffentlich angekün-
digte Aufführung, Ausstellung oder Radiosendung) muss unbedingt
fertig werden. Da besteht natürlich automatisch die Gefahr, dass
andere Begegnungselemente in den Hintergrund gedrängt werden
(wie z.B. Reflektionsrunden, gemeinsame oder individuell gestaltete
Freizeit und auch berechtigte „touristische“ Bedürfnisse der jugend-
lichen Teilnehmenden).
Aber auch wenn eine Begegnung nicht unter künstlerischen
Aspekten ausgeschrieben und vor allem diesen gewidmet ist, wer-
den gern kreative und künstlerische Medien zur aktiven Bearbeitung
von Themen genutzt. Laut Evaluation des EU Programms JUGEND
von 2000 bis 2006 war dies bei ca. 80% der Jugend-Begegnungen
in Aktion 1 der Fall. Sicher ist hier die Erwartungshaltung der Teilneh-
menden bezogen auf die Vermittlung künstlerischer Inhalte nicht so
hoch, doch kann fehlende professionelle Anleitung leicht die Frustra-
tionstoleranz der Teilnehmenden strapazieren oder eine qualitativ
schlechte Präsentation des Workshopresultats kann die gemeinsam
erarbeiteten, eigenen Ansichten zum Begegnungsthema nicht trans-
portieren. Beides hat großen Einfluss auf die Gruppendynamik und
das Erreichen der Begegnungsziele.
Vergleichende Beobachtungen
Es besteht ein hoher Anspruch, Teilhabe und Mitbestimmung in der
Begegnung zu verwirklichen. Die Verständnisse und die Ausgestal-
tung von Partizipation sind jedoch sehr vielfältig.
Die zentrale Frage der telefonischen Interviews mit den Verant-
wortlichen der in diesem Band dokumentierten Austauschmaßnah-
men lautete: „Was war das Besondere bei Ihrer Begegnung?“ Wenn
nicht gleich als erste Aussage, doch spätestens in der dritten Bemer-
kung, erfolgte die Feststellung, dass die Jugendlichen die Maßnahme
selbst gestaltet haben.
Die Hervorhebung der Eigeninitiative und aktiven Beteiligung
der Teilnehmenden ist ein positives Zeichen: das Ermöglichen und
Fördern von Mitbestimmung Jugendlicher bei der Umsetzung der
Begegnung hat sich als wichtiges pädagogisches Ziel in der Wahr-
nehmung der Verantwortlichen etabliert. Andrerseits weckt die
Verallgemeinerung „die Jugendliche haben es selbst gemacht“ und
die Tatsache, dass vor allem erwachsene Verantwortliche als Begeg-
nungsleiterInnen, AnsprechpartnerInnen und Kontaktpersonen nach
Außen treten, ein wenig den Eindruck der eventuell eingeübten Sach-
berichtslyrik und wirft Fragen auf, in Bezug auf den tatsächlichen
Mitwirkungs- und Mitbestimmungsgrad der Jugendlichen. Erst der
Anregungen für die Qualitätsentwicklung im internationalen Jugendkulturaustausch
Palmira Repsyte Scharf & Christian Scharf _ 7
tiefere Einblick in die Begegnungspraxis der internationalen Jugend-
kulturprojekte ermöglicht eine differenzierte Wahrnehmung der tat-
sächlichen Ausgestaltung des in fast jedem Konzept dargestellten
Partizipationsanspruchs.
Die koordinierende Trägerorganisation steht in der Verantwor-
tung, ein inhaltliches Konzept so umzusetzen, dass es seiner Ziel-
setzung, den Interessen der Zielgruppe sowie den inhaltlichen und
formellen Anforderungen der in Anspruch genommenen Förderpro-
gramme entspricht. Die Bestimmung der Begegnungsinhalte erfolgt
im Wesentlichen durch die verantwortlichen LeiterInnen: z. B. Auswahl
der Themen, Medien, Partnerorganisationen und ReferentenInnen.
Und dies aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung und Erreichbarkeit
der Finanzierungsquellen sowie der vorhandenen Kontakte, Kompe-
tenzen und Ressourcen des Trägers. Die Beteiligung der Jugendlichen
kann somit nur in einem vorgegebenen Rahmen stattfinden.
Das Vorhandensein eines hohen künstlerischen Anspruchs
kann die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Jugendlichen ebenfalls
einengen. Die KünstlerInnen und WorkshopleiterInnen, die für den
Prozess und das Ergebnis der kreativen Arbeit verantwortlich sind,
wollen in der Regel eine Mitbestimmung der Inhalte, Formen und
Methoden ermöglichen, ohne jedoch im Gegenzug auf ein präsentier-
bares Arbeitsergebnis verzichten zu müssen – immer wieder eine
Gratwanderung. Besonders brisant wird dies bei der Einbeziehung
von Teilnehmenden, die außerhalb der Begegnung wenig in ihrem
Leben mitbestimmen können, bzw. denen ihr Recht auf Mitbestim-
mung im täglichen Leben vorenthalten bleibt, wie z.B. den beteiligten
Straßenkindern bei der multilateralen Begegnung des Theaterpäda-
gogischen Zentrums Lingen („Olivers Traum“, Seite 63).
Aber auch außerhalb von besonderen Begegnungsformen ist
zu beobachten, dass es einen Unterschied gibt zwischen Maßnah-
men, bei denen sich die deutschen Teilnehmenden direkt bei der
Maßnahme (oder kurz davor) zum ersten Mal treffen, und jenen Pro-
jekten, deren Teilnehmende auch in anderen Zusammenhängen in die
tägliche Arbeit des Trägers eingebunden sind. Denn die Träger, die
mit ihren Jugendlichen kontinuierlich auch außerhalb von internati-
onalen Jugendbegegnungen zusammenarbeiten, verfügen in stär-
kerem Maße über Möglichkeiten, die TeilnehmerInnen in einem sehr
frühen Projektstadium in die vielfältigen Verantwortungsbereiche der
Begegnungsplanung einzubinden. Im Projekt der Kinder- und Jugend-
galerie Sonnensegel („Name – Stadt – Land - Art“, Seite 48) haben
die TeilnehmerInnen die inhaltliche Ausrichtung der Begegnung
(künstlerische Auseinandersetzung mit der Natur) mitentwickelt
und im Email-Kontakt mit den TeilnehmerInnen aus Litauen im Vor-
feld der Begegnung abgestimmt. Jugendliche aus dem Theater- und
Tanzklub des Jugendkulturarbeit e.V. („Einfach die Welt verändern“,
Seite 58) haben für ihren internationalen Austausch in Oldenburg die
Öffentlichkeitsarbeit organisiert, Plakate entworfen und gedruckt,
die Internetseite gestaltet sowie einen Fragebogen für die Evalua-
tion ausgearbeitet. Einen sehr hohen Grad an Partizipation spiegelt
die internationale Begegnung des Offenen Kunstvereins Potsdam
wider („Es war einmal ...“, Seite 24), bei dem die zweite Begegnung
in Spanien von zwei ehemaligen TeilnehmerInnen geleitet wurde. Die
Offenheit des Trägers, den Jugendlichen die Verantwortung zu über-
tragen und die Bereitschaft der Fachkräfte, sie kontinuierlich anzu-
leiten, führten dazu, dass die Jugendlichen ein Besitztumsgefühl für
die Begegnung entwickelten und sie so „zu ihrem Projekt“ machten.
Die Begegnung der PotsdamerInnen oder ebenso die beispielhafte
Vorbereitung der Jugendgruppe aus Kehl auf ihre Fahrt nach Japan
(„J-Rock in Germany – eine neue Jugendkultur“, Seite 18) verdeutli-
chen sehr gut, dass Mitbestimmung und Mitgestaltung viel weit rei-
chender betrachtet werden können, als sie nur auf die wenigen Tage
der eigentlichen Begegnung zu beschränken.
Die Förderung der Mitgestaltung und Mitbestimmung der
Teilnehmenden im internationalen Jugendkulturaustausch ist ein
wesentlicher Bestandteil des wahrgenommenen pädagogischen
Auftrags. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, bei dem Jugendliche
Verantwortung übernehmen und neue Sozialkompetenzen erlernen,
die sie bei der Durchführung der Begegnung erproben können. Der
inhaltliche, organisatorische und künstlerische Rahmen sowie die
professionelle Begleitung geben eine notwendige Orientierung und
Sicherheit für die aktive Teilhabe Jugendlicher.
Da jeder lokale Träger andere Arbeitsbedingungen und -mög-
lichkeiten hat und da die Vielfalt der Begegnungsformen und -konzep-
te fast unüberschaubar ist, stellt sich die Frage nach einem Maßstab
zur Bemessung des Grades der Partizipation. Als Versuch sei eine Stu-
die der Arbeitsgruppe EXCHANgE Sachsen-Anhalt (2003) angeführt,
die verschiedene Formen der Partizipation bei internationalen Maß-
nahmen in sieben Stufen unterteilt: Von „die Teilnehmenden konnten
im Vorfeld und während der Begegnung Wünsche und Vorstellungen
zur Programmgestaltung äußern“, bis hin zu „die Teilnehmenden
haben Normen und Regeln zum größten Teil selbst gesetzt“ und „die
Idee zur Maßnahme stammt von den Teilnehmenden“1. Letztere
8 _ Qualitätsentwicklung
Stufe wird sehr gut durch die Begegnung der Jugendbildungsstätte
Peseckendorf („Medienwelten“, S. 30) verdeutlicht: eine junge Frei-
willige gestaltet mit anderen Jugendlichen von der ersten Idee bis zur
Abrechnung ihre eigene multilaterale Jugendbegegnung.
Eine differenzierte Wahrnehmung, Ermöglichung und Außen-
darstellung von Jugendbeteiligung seitens der pädagogischen und
künstlerischen BegegnungsleiterInnen ist unbedingt erforderlich,
um dem Verdacht eines bloßen Lippenbekenntnisses zur Partizipa-
tion glaubhaft zu entgehen.
Der Fokus im Bereich des interkulturellen Lernens bei Begeg-
nungen liegt vor allem auf der Förderung der interkulturellen Kompe-
tenzen der Teilnehmenden und weniger auf dem gesellschaftlichen
Mehrwert.
Interkulturelles Lernen vor dem Hintergrund zunehmend mul-
tikultureller Gesellschaften und der Entstehung eines europäischen
Arbeitsmarkts, hat die Bedeutung internationalen Jugendkulturaus-
tauschs in den letzten Jahren deutlich zunehmen lassen. Interkultu-
relles Lernen als wichtige Zielorientierung und Aufgabenstellung ist
im Handeln der verantwortlichen Träger ‚angekommen’ und es wird
nur noch sehr vereinzelt versucht, lediglich durch den Besuch von
Kulturdenkmälern oder durch nicht pädagogisch aufbereitete Muse-
umsbesuche dem Anspruch des interkulturellen Lernens gerecht zu
werden. Träger und Förderer internationaler Jugendbegegnungen
werden nicht müde, die Relevanz interkultureller Handlungsfähig-
keit als eine Schlüsselkompetenz für die persönliche Entwicklung
und für die beruflichen Chancen Jugendlicher zu verdeutlichen. Dieser
Aspekt ist in den Anträgen und Berichten der dokumentierten Begeg-
nungen deutlich zu erkennen. Der Mensch, die jugendlichen Teilneh-
menden stehen im Vordergrund. Sie sind Subjekt und Objekt eines
interkulturellen Lernprozesses, der durch gemeinsame Workshops,
Freizeitaktivitäten, Reflektionsrunden und andere Begegnungs-
elemente geprägt ist. Das Potenzial des internationalen Jugend-
kulturaustauschs ist auch den Jugendlichen bekannt und wird in
den Erwartungen der Teilnehmenden immer wieder ausdrücklich
kommuniziert.
Die Aufgaben der internationalen Jugendarbeit insgesamt
erstrecken sich jedoch über die Vermittlung interkultureller Kompe-
tenzen weit hinaus:„Durch die Teilnahme an Maßnahmen der euro-
päischen Jugendarbeit sollen Veränderungen eingeleitet werden im
Sinne der Programmziele, und zwar sowohl auf das Individuum wie
auf die Gesellschaft bezogen. Die Teilnehmenden (sollen) zu neuen
Perspektiven und damit zu neuen Bewertungen kommen können in
Hinblick auf Europa, im Hinblick auf die Notwendigkeit lebenslangen
interkulturellen Lernens, im Hinblick auf die Entstehung einer euro-
päischen Zivilgesellschaft, die durch ein gelebtes europäisches Bür-
gerengagement gekennzeichnet ist“ (Otten, 2005)2.
Bei der Betrachtung der 21 Begegnungsbeispiele und der ins-
gesamt 61 gesichteten Vorschläge für diese Publikation zeigte sich,
dass der Transfer des individuellen Nutzens interkulturellen Lernens
hin zur Verantwortung für gesellschaftliche Veränderungen und ein
europäisches Bürgerengagement im Zeitraum der Begegnung eher
selten stattfindet. Als positives Beispiel jedoch ist aus inhaltlicher
Sicht die Begegnung des Landesjugendpfarramts Sachsen („Auf
Friedenssuche mit der Videokamera“, Seite 46) zu erwähnen, in dem
besonders darauf Wert gelegt wurde, mit den TeilnehmerInnen zu
erarbeiten, welche persönliche Verantwortung und Möglichkeiten
sie für die Gesellschaft (den Frieden) haben. Einen ähnlichen Ansatz
verfolgte die Begegnung der LKJ Thüringen („Arte Povera“, Seite 16):
durch die künstlerische Auseinandersetzung mit Armut und Reichtum
in Europa konnten sich die Jugendlichen ihrer Rolle bewusst werden
und nach alternativen Lösungsstrategien für eine gerechtere Gesell-
schaft suchen.
Es bedarf nicht zusätzlicher Mittel und Ressourcen, sondern
nur eines Perspektivwechsels der Projektverantwortlichen, um
auch diesen Aspekt in ihren Begegnungen zu berücksichtigen, um
die Potenziale des internationalen Jugendkulturaustauschs in Bezug
auf den gesellschaftlichen Nutzen interkulturellen Lernens stärker
als bisher nachhaltig zu nutzen.
Auf Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation wird mehr Wert gelegt als
auf die Sichtbarkeit und Verbreitung der Ergebnisse der vermittelten
Inhalte und Ziele der Begegnung.
Bei der Durchsicht und Bearbeitung der Materialien für diese
Publikation wurden zwei Tendenzen sichtbar, die sich auch mit Beo-
bachtungen in anderen Zusammenhängen decken: eine zunehmende
Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit bei tendenzieller Ver-
nachlässigung der Berichterstattung in Bezug auf die Zielerreichung
und den Prozess der Lernerfahrungen der Teilnehmenden. Es wird
also mehr über die Begegnung als eine wichtige Veranstaltung berich-
tet, als dass die sicher schwieriger zu kommunizierenden interkultu-
rellen Lerninhalte Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit sind.
Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit haben in den letzten Jahren
ihre Position als unentbehrliche Bestandteile jeder Begegnungspla-
Palmira Repsyte Scharf & Christian Scharf _ 9
nung in der internationalen Jugendkulturarbeit gefestigt. Je größer
und öffentlich bekannter der Träger oder das Projekt ist, desto profes-
sioneller wirken die Internetpräsentationen und erstellte Dokumen-
tationen. Eigene Internetseiten von Begegnungsprojekten, gedruckte
Einladungskarten, Begegnungsinformationen und Broschüren
gelten als anerkannte Merkmale der Qualität einer Begegnung.
Der Bekanntheitsgrad der die Schirmherrschaft übernehmenden
Personen oder der GastrednerInnen und die Vielfalt der Sponsoren
geben Auskunft über eine hohe Professionalität der Lobbyarbeit
der Träger.
Präsentationszwänge den Förderern und der breiten Öffent-
lichkeit gegenüber scheinen die Zusammenfassung und Verbreitung
der eigentlichen Projektergebnisse und Lernerfahrungen fast schon
verdrängt zu haben. In den Sachberichten wird diese mittlerweile
gelernte Präsentationskompetenz deutlich: es wird über positive
Erfahrungen berichtet und die Bedeutung der eigenen Arbeit hervor-
gehoben. Den Namen und Titeln der BegegnungsgestalterInnen und
den Logos der Mitwirkenden werden Ehrenplätze auf den Titelseiten
eingeräumt. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Begegnungs-
erfahrung, tiefere Analysen der konkreten Problem- und Lernsituati-
onen und die Hinterfragung der Qualität der eigenen Arbeit kommen
gleichzeitig weniger zum Ausdruck.
Als Gründe dafür wurden u.a. der zu große Zeitaufwand, als zu
kompliziert empfundene Fragen im Sachberichtsraster (z.B. „Welche
Indikatoren belegen die Erreichung der Qualitätsmerkmale“) aber vor
allem die (gefühlte) mangelnde Aufmerksamkeit seitens der Förde-
rer benannt („Das liest sich doch eh keiner durch“). Jedoch nicht nur
die Förderer, sondern vor allem die Jugendlichen, TeamerInnen und
Fachkräfte selbst profitieren in besonderem Maße von einer tieferen
Reflexion, Evaluation und ausführlichen Dokumentation der Lerner-
fahrungen.
Dass es auch anders geht, wird in einigen der hier dokumen-
tierten Projekte deutlich. So kamen im abschließenden Begegnungs-
bericht vom Kinder- und Jugendzirkus Cabuwazi („Circolibre – Tole-
ranz in der Manege“, Seite 20) vor allem die beteiligten Jugendlichen
zu Wort und berichteten über ihre Erlebnisse und Erfahrungen. Diese
Beiträge der Jugendlichen sind durch ihre Offenheit und authentische
Darstellung des Lernprozesses aus unterschiedlichen Perspekti-
ven gekennzeichnet. Sie wecken Interesse, erläutern, begeistern.
Zusätzlich ermöglicht diese schriftliche Darlegung der Erlebnisse
den Jugendlichen die Verinnerlichung des Erlebten, Erfahrenen und
Gelernten. Ihre Einbeziehung in die Dokumentation zeigt die Wert-
schätzung und den Respekt seitens der Verantwortlichen, es stärkt
die Teilhabe am Projekt und trägt merklich zum Empowerment der
Jugendlichen bei.
Beim Fachkräfteprogramm in Japan („Zum Erfahrungsaus-
tausch um die halbe Welt“, Seite 50) wurde dieser Schritt ebenso
gegangen: die Teilnehmenden wurden aufgefordert, ihre Erleb-
nisse zu reflektieren, miteinander auszutauschen und gemein-
sam die Dokumentation zu gestalten. Dafür wurde die Arbeit an
der Dokumentation noch vor dem Begegnungszeitraum gemein-
sam vorbereitet und strukturiert. Die ausführliche Dokumenta-
tion der Lernerfahrungen durch die Teilnehmenden stellt in dem
Zusammenhang nicht nur ein gemeinsam entwickeltes Produkt
der Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch eine Lernmethode dar. Sie
wird parallel zum Begegnungsprogramm angewandt, um eine aktive
Partizipation sowie eine intensive Reflexion der Beteiligten heraus-
zufordern.
Eine klare öffentliche Auseinandersetzung der Begegnungs-
verantwortlichen mit aufgetretenen Schwierigkeiten in der Begegnung
ist eher eine Seltenheit. Dies sollte jedoch eine absolute Notwendig-
keit sein, da die eigenen Bildungskonzepte und Methoden durch die
realen Herausforderungen bei der Umsetzung auf ihre Wirksamkeit
hin überprüft werden. Eine bewusste methodische Weiterentwicklung
kann aber erst durch eine Bewusstmachung und aktive Kommunikati-
on über aufgetretene Schwierigkeiten herbeigeführt werden. Dabei ist
es wichtig, den pädagogischen Wert schwieriger Situationen zu erken-
nen und sie konstruktiv im Sinne der Begegnungsziele und zum Lernen
aller Beteiligten zu nutzen. In der Dokumentation des Jugendkunst-
und Kulturzentrums Schlesische 27 in Berlin („Wolkenbruch – Pluie
d’été“, Seite 55) wird z.B. kurz, aber völlig ausreichend, über einen
Konflikt und dessen Lösung mit einem Teil der deutschen Jugend-
lichen berichtet, die sich durch ihre Berufschule „freiwillig verpflichtet“
fühlten, an der Begegnung teilzunehmen. Die Verantwortlichen begnü-
gen sich nicht mit einer erfolgreich durchgeführten Lösungsvariante,
sondern verdeutlichen durch die Schilderung der Problemsituation
einen Erfahrungszuwachs, auch bei ihnen selbst. Erst durch eine Ver-
öffentlichung, eine Sichtbarmachung wird dieser Erfahrungszuwachs
auch anderen zugänglich gemacht und kann zur Weiterentwicklung
des internationalen Jugendkulturaustauschs beitragen.
10 _ Qualitätsentwicklung
Die Leitungsteams sind international besetzt, arbeiten meist gleich-
berechtigt zusammen und verfügen oft über einen professionellen
Hintergrund. Die Vielfalt der Rollen stellt für die KünstlerInnen,
PädagogInnen, JugendarbeiterInnen und für die Freiwilligen eine
Herausforderung in der Teamarbeit dar.
Ein Interview mit dem „erfahrenen Regisseur, der die Jugendbe-
gegnung leitet“ führte der NDR über das „grenzenlose Miteinander“ in
Schwerin („Die Angst vor dem Fremden“, Seite 40). Die multinationale
Theaterbegegnung in Lingen („Olivers Traum“, Seite 63) wurde von
professionellen RegisseurInnen und SchauspielerInnen aus drei Län-
dern durchgeführt und in Weimar wurde die inhaltliche Begegnungs-
idee der „Europäischen Sommerwerkstatt“ durch einen renommierten
Künstler aus Lodz („Von essbaren Büchern“, Seite 37) erarbeitet und
umgesetzt. Auch bei anderen Begegnungen in Ostróda, Maghar oder
Berlin sind KunstlehrerInnen, ArtistInnen und TanzlehrerInnen in lei-
tenden Funktionen an der Begegnung beteiligt gewesen.
In den Anträgen und Sachberichten zeichnen jedoch meist
die Geschäftsführenden, BildungsreferentInnen oder Vorsitzenden
des Trägers als LeiterInnen der Maßnahme verantwortlich. Basierend
auf aktuellen Entwicklungen der Jugendpolitik, den Schwerpunkten
und Richtlinien der Förderprogramme, den Aktivitätsfeldern und
Aufgaben des Trägers formulieren sie die Inhalte und pädagogischen
Ziele der Begegnungen. Die konkrete Umsetzung und nicht selten
die Leitung der Begegnung erfolgt durch andere Personen: päda-
gogische MitarbeiterInnen, Freiwillige und KünstlerInnen, die aus
verschiedenen Ländern kommen. Die Leitungsteams im internati-
onalen Jugendkulturaustausch sind durch sehr unterschiedliche
und zum Teil sogar kontroverse Ansätze der Arbeit mit Jugendlichen
geprägt. Die bereichernde Wirkung dieser Vielfalt und die Notwendig-
keit eines internationalen Teams bei internationalen Begegnungen
ist unumstritten. Die Herausforderung besteht in der Bündelung der
Potenziale und Erfahrungen der TeamerInnen, um die Projektziele
zu erreichen und den Jugendlichen die beabsichtigten Lernerfah-
rungen zu ermöglichen.
Doch ist ein professioneller Künstler gleichzeitig auch ein pro-
fessioneller Projektleiter? Kann eine Jugendarbeiterin ein Projekt
leiten, dessen Ziele mit künstlerischen Mitteln erreicht werden sol-
len? Sind die Gesetze der Gruppendynamik und des interkulturellen
Lernens beiden bekannt? In welcher Team-Hierarchie ist die Zusam-
menarbeit am effizientesten? Ist eine gesonderte Fortbildung oder
ein Training notwendig, um die LeiterInnen internationaler Jugend-
kulturbegegnungen zu qualifizieren? Oder ist es an der Zeit, die Pro-
fessionalisierung des Berufsstandes europäischer/internationaler
JugendarbeiterInnen anzustreben und offiziell anzuerkennen?
Um den Grad der Professionalität und die bereits gemachten
Erfahrungen der beteiligten Fachkräfte beurteilen zu können, wird in
den Förderanträgen nach deren Ausbildung und ihrer Vorerfahrung
gefragt. Ein gemeinsames Vorbereitungstreffen, tägliche Teamtref-
fen während der Begegnung und eine gemeinsame Nachbereitung
gelten als Merkmale der Qualität der Teamarbeit. Der Evaluation der
Teamarbeit wird in den abschließenden Sachberichten kaum Aufmerk-
samkeit geschenkt. Ist dies der fehlenden Frage in den Sachberichts-
rastern oder einer mangelnden Reflexion der Zusammenarbeit der
TeamerInnen geschuldet? Bei den 61 gesichteten Projektvorschlä-
gen für diese Publikation war selten zu erkennen, dass ein gemein-
sames Nachbereitungstreffen stattgefunden hat. Somit war die
Gelegenheit für die beteiligten TeamerInnen, ihre Erfahrungen und
ihre Zusammenarbeit auszuwerten, sich mit den geplanten Zielen der
Begegnung und dem Grad ihrer Umsetzung auseinander zu setzen,
wohl meist nicht gegeben.
Dabei ist gerade die Zusammenarbeit im internationalen Team
eine Quelle der Unterstützung, der Motivation, der persönlichen und
beruflichen Bereicherung für die Fachkräfte. Die Reflexion in gleicher
Augenhöhe aus unterschiedlichsten professionellen und kulturellen
Perspektiven bringt wichtige Erkenntnisse über die gemeinsame
Arbeit in der Begegnung und die eigenen Fachkompetenzen. Diese
wichtigen Erfahrungen bleiben häufig nur den beteiligten Fachkräften
zugänglich. Eine Dokumentation dieser Erfahrungen, ein Austausch
darüber mit anderen KollegInnen der internationalen Jugendkultur-
arbeit, ist ein Aspekt der Qualitätsentwicklung, der mehr Aufmerk-
samkeit seitens der Träger und Förderer erhalten müsste. Auch die
stärkere Nutzung des Europäischen Portfolios für JugendleiterInnen3
würde diesen Prozess unterstützen.
Träger von Jugendkulturbegegnungen nutzen verschiedene
Pr ogramm- und För der formate. Vor dem Hinter gr und und
der Not wendigkeit der Weiter ent wick lung internationaler
Jugendarbeit werden ak tuell A bgrenzungen dieser Formate
über wunden und hinter fragt.
Die aktuell allgemein genutzten Programmformate sind die
Errungenschaft einer deutschen, internationalen und europäischen
Palmira Repsyte Scharf & Christian Scharf _ 11
Austausch- und Begegnungspädagogik für junge Menschen. In den
letzten drei Jahrzehnten hat sich internationale Jugendarbeit zuneh-
mend professionalisiert, qualitativ und quantitativ weiterentwickelt.
Vergleichbare Formate und Förderkriterien haben sich in diesem Rah-
men zu einer der wichtigsten Voraussetzungen für die Kooperation
mit den Trägerorganisationen in den Partnerländern entwickelt und
gestalten den Zugang für potentielle Teilnehmende einfacher.
Eine Vielfalt an Qualitätskriterien und Richtlinien der staatli-
chen oder privaten Förderer der internationalen Jugendarbeit gibt
Auskunft über mögliche organisatorische Konstellationen, Zielgrup-
pen, Inhalte und Methoden eines bestimmten Programmformats.
Somit sind Programmformate auch und vor allem Förderformate.
Sie bieten für Förderinstitutionen und Träger eine wichtige Orientie-
rungsgrundlage. Durch die Einteilung in verschiedene Kategorien ist
es den Geld gebenden Institutionen möglich, einer ihrem Verständ-
nis nach anerkannten Form der internationalen Jugendarbeit, einen
bestimmten, gelisteten Fördersatz zuordnen zu können, effektiv zu
planen und transparent Entscheidungen zu treffen. Die Grenze des
Machbaren, abgesteckt mit einer finanziellen Rahmenvorlage, liefert
den Trägern eine schnelle Orientierung in Bezug auf die inhaltliche
Zugehörigkeit und Durchführbarkeit eigener Begegnungsvorhaben.
Programmformate sind nicht unveränderbar und dürfen es
auch nicht sein. Ihre Rahmenbedingungen müssen vor allem auf-
grund der praktischen und inhaltlichen Bedürfnisse der Träger der
Begegnungen neu gestaltet werden können. Der Vielzahl informeller
Jugendgruppen, kommunaler Jugendclubs, der Jugendverbände,
Sportverbände und Jugendkultureinrichtungen muss die Möglichkeit
gegeben werden, sehr flexibel mit der Auslegung von Programmfor-
maten und deren Kriterien umgehen zu können, um überhaupt an
internationaler Jugendarbeit teilzuhaben.
Im Jugendkeller St. Nepomuk in Kehl („J-Rock in Germany – eine
neue Jugendkultur“, Seite 18) hat sich eine Projektgruppe gebildet,
die der Herkunft einer neuen Jugendmusikkultur nachspürt und nach
einem Jahr Arbeit eine Jugendbegegnung in Tokio durchführt. Bei
dem Programm in Japan haben sich die Kehler TeilnehmerInnen mit
verschiedenen Jugendlichen, älteren MusikerInnen und Musikjour-
nalistInnen aus der Szene getroffen und ein Video über den Anfang
dieser Jugendkultur erstellt. Alles von einem anerkannten Träger und
Partner begleitet und verantwortet. Der Erfolg dieser Maßnahme ist
zweifellos gegeben: der interkulturelle Lerneffekt bei den Jugend-
lichen, eine lokale Nachhaltigkeit und eine fachliche Valorisierung
wurde durch den Träger nachgewiesen. Im dem originellen Programm
ergänzen sich Elemente einer Jugendbegegnung, eines außerschu-
lischen Studienprogramms und einer Auslandsfahrt im Rahmen einer
lokalen Jugendinitiative.
Die Jugendkunstschule Atrium in Berlin („Mit offenen Augen im
Jahrmarkt der Künste“, Seite 66) kooperiert im Rahmen einer „Lehre-
rInnen-Abordnung“ mit einer Grundschule. Ein außerschulischer Trä-
ger gestaltet in seinen Räumen Workshops für eine Schule. Da liegt
es nahe, auch mit diesen Jugendlichen/SchülerInnen ein Austausch-
projekt mit künstlerischen Mitteln durchzuführen. Diese Maßnahme
hat bereits zweimal erfolgreich in Polen und Deutschland stattge-
funden. LehrerInnen, KünstlerInnen und JugendarbeiterInnen haben
gemeinsam dieses Projekt begleitet: eine Gratwanderung zwischen
SchülerInnenaustausch, Jugendkulturbegegnung, Ferienfreizeit und
Klassenfahrt.
Die gewollte Netzwerkbildung und spartenübergreifendes
innovatives Arbeiten fördern die Weiterentwicklung des internati-
onalen Jugendkulturaustauschs. Dabei erschließen sich zugleich
neue Bedürfnisse der Träger und veränderte Erwartungen der Teil-
nehmenden. Beim deutsch-japanischen Fachkräfteprogramm („Zum
Erfahrungsaustausch um die halbe Welt“, Seite 50) wurde den deut-
schen TheaterpädagogInnen die Möglichkeit geboten, kreative Werk-
stätten mit japanischen SchülerInnen zu gestalten und eine Werk-
statt eines japanischen Kollegen zu beobachten. Die Erfahrungen
haben den Anstoß gegeben, kreative Werkstätten mit Jugendlichen
und den japanischen KollegInnen aufgrund ihres großen Potentials
zum Erfahrungsaustausch zukünftig zu einem festen Bestandteil
des Fachkräfteprogramms werden zu lassen. Somit ändert sich das
„klassische“ Programmformat und neben den doch manchmal eher
trockenen, traditionellen Studienbesuchen, Präsentationen und Dis-
kussionen entstand eine neue, interaktive Programmeinheit.
Vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung internationaler
Jugendkulturarbeit sind alle agierenden Seiten in einer Mitwirkungs-
pflicht: Die Förderinstitutionen sollten sich offen für Veränderungen
zeigen und sich bei neuen, abweichenden Konzepten und Anträgen
bewusst machen, dass diese Vielfalt an neuen Formen und Methoden
internationaler Jugendarbeit, die Vielfalt der persönlichen Lernzu-
gänge verschiedener Jugendgruppen und der entsprechenden Lern-
plattformen widerspiegelt, die die Träger Jugendlichen heute bieten
12 _ Qualitätsentwicklung
müssen. Eine umfassende Uniformität zukünftiger Programmformate
ist hoffentlich auch für die politisch Verantwortlichen der Förderpro-
gramme eine schreckliche Vorstellung. Die Träger von Begegnungen
müssen noch stärker ihre eigenen Konzepte und Formate verdeut-
lichen und deren Anerkennung und finanzielle Förderung, durch die
Mithilfe von Netzwerken und Dachverbänden erstreiten.
Kurzes Fazit
Die immer größer werdende Vielfalt im Bereich der internationalen
Jugendarbeit stellt die kulturelle Kinder- und Jugendbildung vor die
Herausforderung, ihren Standort in der internationalen Jugendarbeit
noch klarer zu definieren. Dabei werden an sie komplexe Anforde-
rungen gestellt, welche eine qualitative Verträglichkeit der Inhalte
und Methoden der kulturellen Bildung im internationalen Kontext
voraussetzen. Genauso wie die anderen Bereiche der internationa-
len Jugendarbeit, muss kulturelle Kinder- und Jugendbildung sich
mit der Differenzierung von Jugendpartizipation, der Transparenz
der Lernergebnisse, der Qualifizierung der BegegnungsleiterInnen
und der Vermittlung interkulturellen Lernens beschäftigen. Eine hohe
Qualität der künstlerischen Arbeit in internationalen Begegnungen
und ein effektives Nutzen der Synergieeffekte der künstlerischen
Arbeit und des sozialen/ interkulturellen Lernens kennzeichnet die
Aktivitäten der kulturellen Kinder- und Jugendbildung in der interna-
tionalen Jugendarbeit und trägt zur Schärfung ihres Profils bei. Diese
Qualität ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Die Herausforderung
– die Ziele kultureller Bildung und internationaler Jugendarbeit ohne
Qualitätsverluste zu vereinen – muss durch die Träger bewusst
angenommen werden. Es bedarf eines vertieften kontinuierlichen
Erfahrungsaustausches der Fachkräfte und der Strukturen der inter-
nationalen Jugendkulturarbeit. Mit der Vorstellung der folgenden 21
Praxisbeispiele möchten wir einen Beitrag dazu leisten.
Zur Entstehung
Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V.
(BKJ) hat im Herbst 2007 einen Aufruf an Träger und Förderer von
internationalen Jugendkulturbegegnungen gestartet, solche Begeg-
nungsprogramme, bei deren Umsetzung ein oder mehrere künst-
lerische Medien genutzt wurden, für die Veröffentlichung in dieser
Publikation vorzuschlagen. Ihrerseits hat die BKJ die Begegnungen,
die sie als Zentralstelle des DFJW, des DPJW und des Kinder- und
Jugendplans des Bundes in den Jahren 2006 und 2007 gefördert
hat, in die Auswahl mit eingebracht. Aus den 61 Vorschlägen hat das
Redaktionsteam 30 Begegnungen ausgewählt und die Verantwort-
lichen mit der Bitte um Zusendung weiterer Materialien und der Bereit-
schaft für ein telefonisches Interview angeschrieben. Auf Grundlage
der Rückmeldungen folgte eine zweite Auswahl mit einer Liste von
21 nun dokumentierten Begegnungen. Aus deren Anträgen, Sachbe-
richten, Dokumentationen, Internetseiten, audiovisuellen Quellen
und Interviews konnten die hier vorliegenden Berichte erarbeitet
werden. Nach Fertigstellung der Beiträge wurden diese mit den Leite-
rInnen der Begegnungen abgestimmt. Die Kriterien der zweistufigen
Auswahl orientierten sich an der Qualität und Nachvollziehbarkeit der
vorliegenden Materialien und am Ziel der Publikation, eine Breite an
künstlerischen Sparten, Programmformaten sowie eine inhaltliche
und geographische Vielfalt zu präsentieren.
Die in der Publikation enthaltenen Beiträge über Begegnungen
sind nicht kategorisiert, nicht nach künstlerischen Sparten, Partner-
ländern, Projektträgern, Förderinstitutionen, Programmformaten
oder anderen Kriterien eingeteilt. Es wurde soweit wie möglich ver-
sucht, durch das Zusammenspiel und die Akzeptanz von Einzigar-
tigkeit, die Vielfalt des internationalen Jugendkulturaustauschs zu
verdeutlichen.
Beim Betrachten von Informationen über Maßnahmen des
internationalen Jugendkulturaustauschs kann es passieren, die Viel-
schichtigkeit und den Anspruch dieser Begegnungen nur mit künst-
lerischen Sparten zu verbinden. Die Versuchung ist groß, allein durch
die Bezeichnung Theaterwerkstatt, Zirkusaustausch oder Filmprojekt
auf scheinbar vorgeschriebene Abläufe und Inhalte der Begegnung zu
schließen. Bei häufiger Beschäftigung mit internationalen Jugend-
kulturbegegnungen wird dieser falsche Eindruck, der Fokus auf
das künstlerische Mittel, durch die Einzigartigkeit der Erfahrungen
des Projektmanagements oder der inhaltlichen und methodischen
Umsetzung, weniger selbstverständlich. Trotzdem erschließen sich
beispielhafte Projekte der Integrationspädagogik, Entwicklungszu-
sammenarbeit oder einfallsreicher Teamarbeit erst auf den zweiten
Blick. Um eine andere Sichtweise zu fördern, hat das Redaktionsteam
Schatzkisten in den Beiträgen über die Begegnungen versteckt,
deren Inhalt auf die beispielhafte Umsetzung einzelner Projektziele
hinweist, auf innovative methodische Lösungen aufmerksam macht
oder einen besonderen Ansatz des Trägers verdeutlicht. Sie stellen
Palmira Repsyte Scharf & Christian Scharf _ 13
14 _ Qualitätsentwicklung
keinen Anspruch auf ausführliche Bewertung der Projektdurchfüh-
rung oder eine umfangreiche Analyse eines ausgewählten Aspektes
dar, sondern sollen lediglich einen näheren Einblick in das vielfältige
„Gewürzregal der Projektküche“ internationaler Jugendkulturaus-
tausch ermöglichen.
Was interessiert Sie speziell?
KünstlerInnen und Kunstschaffende können durch die 21 Beiträge
dieser Publikation Impulse erhalten, ihre Rolle und die des Einsatzes
ihrer künstlerischen Arbeit innerhalb internationaler Begegnungen
zu reflektieren.
Erfahrene PraktikerInnen der internationalen Jugendarbeit können
Anregungen erhalten, neue künstlerische Sparten in ihre Maßnahmen
zu integrieren oder über den fachgerechten Umgang mit ihnen inner-
halb ihrer Arbeit nachzudenken.
EinsteigerInnen in die internationale Begegnungsarbeit und
Jugendliche können Ideen für ihr erstes eigenes Projekt erhalten und
sich von den Erfahrungen anderer inspirieren lassen.
Aktive und potentielle Förderer können erkennen, dass Investitionen
in internationale Jugendkulturbegegnungen eine lohnenswerte und
nachhaltige Anlage sind.
Die Beispiele sollen aber auch die Notwendigkeit des Zusam-
menspiels von Kunst, lokaler Jugendkulturarbeit, Begegnungspäda-
gogik, dem organisatorischen Rahmen und den thematischen Inhal-
ten internationalen Jugendkulturaustauschs unterstreichen.
Der Titel dieses einleitenden Beitrags „Anregungen für Qua-
litätsentwicklung im internationalen Jugendkulturaustausch“ ist
nicht nur auf die bis hierher beschriebenen Beobachtungen und
Überlegungen bezogen. Das Vorhandensein von Sprachanimation,
vorwiegend bei den Projekten, die durch die bilateralen Jugendwerke
und Koordinierungszentren gefördert werden, die verstärkte Tendenz
Begegnungen mit außereuropäischen Partnergruppen durchzufüh-
ren, die Entwicklung von Erstbegegnungen über Partnerschaften hin
zu nachhaltig wirkenden Netzwerken, das gestiegene Interesse und
die Mitarbeit von Trägern aus dem Bereich der Kulturellen Jugendbil-
dung am Europäischen Freiwilligendienst und die inhaltliche Ausge-
staltung von internationalen Begegnungen mit TeilnehmerInnen unter
12 Jahren birgt durchaus weiteren Diskussions-, Entwicklungs- und
Handlungsbedarf in sich. Unter den 21 Begegnungsbeispielen wird es
darüber hinaus, abhängig vom Blickwinkel des Betrachtenden, noch
weitere Themen und Aspekte geben, die Zustimmung oder Ablehnung,
die Beigeisterung oder Verwunderung auslösen.
Ein Dankeschön wollen wir den Verantwortlichen der hier doku-
mentierten Begegnungen übermitteln. Es war, über den Rahmen die-
ser Publikation hinaus, sehr bereichernd und erfrischend, über die
Interviews und Materialien einen tieferen Einblick in die Vielfalt der
Begegnungen internationalen Jugendkulturaustauschs zu bekom-
men. Ebenso vielen Dank an alle fleißigen HelferInnen, insbesondere
an Moritz Kaplonek vom EXCHANgE Projektbüro.
Des weiteren gilt der Dank an dieser Stelle allen Personen, Trä-
gern und Förderern, ob nun in dieser Publikation erwähnt oder auch
nicht, die mit ihrer Arbeit, ihren Begegnungen und ihrem persönlichen
Engagement internationale Jugendkulturarbeit mit Leben erfüllen,
Kindern und Jugendlichen das Entdecken neuer, anderer Perspekti-
ven ermöglichen und in diesem kleinen Rahmen zur Entwicklung einer
toleranten, aktiven Zivilgesellschaft in Deutschland, Europa und der
Welt beitragen.
„Auf dem Papier ist es ein Theaterprojekt, in meinem Kopf wird es
immer mehr ein Geschenk. Ich will nicht weg, noch nicht. Im Zug nach
Rom bin ich etwas schwermütig. Dann sagt jemand, dass das Projekt
unser Leben verändert hat. Ich denke: Ja, hat es - gut so!“ (Maximilian
Buschner, Projekt „Es war einmal… „, Seite 24)
Palmira Repsyte Scharf & Christian Scharf
1 Im Ergebnis dieser Unterteilung wurde festgestellt, dass die Verantwort-
lichen und ProjektleiterInnen (die sich an dieser Studie beteiligten), zu 54% Pro-
zent ihr Projekt in der ersten (einfachsten) Partizipationsebene verwirklicht
sahen und nur 9% Prozent in der siebten (schwierigsten). In: Christian Scharf
(Hrsg.) / LKJ Sachsen-Anhalt, Internationale Jugendarbeit in Sachsen-Anhalt
2001 – 2003, RabenStück Verlag für Kinder- und Jugendhilfe 2003
2 In: Hendrik Otten / Peter Lauritzen (Hrsg.), Jugendarbeit und Jugendpolitik
in Europa, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004
3 Das Europäische Portfolio für JugendleiterInnen und JugendbetreuerInnen
ist auf Initiative des Europarats entwickelt wurden, um die eigenen Fach-
kompetenzen als TeamerIn, LeiterIn, etc. in europäischen Begegnungs- und
Bildungszusammenhängen besser einzuschätzen und weiterentwickeln zu
können. Nähere Infos und download u.a. auf www.jugend-lsa.de/exchange/
portfolio
Der Titel dieser Publikation „Kulturelle Vielfalt erleben“ mag auf den
ersten Blick nach bunt und lustig, nach Multikulti-Stadtteilfest, nach
fröhlichen Tänzen und Gesängen in unterschiedlichsten Sprachen
klingen. Aber Kulturelle Vielfalt ist bei genauerem Hinsehen wohl doch
für jeden von uns nach wie vor eine Herausforderung: Auch wir Kultur-
pädagogInnen, KünstlerInnen, SozialpädagogInnen und Erwachsene
ganz generell, wissen in der Regel noch nicht, wie wir in unserem täg-
lichen Leben mit der mitten in unserer Gesellschaft angekommenen
kulturellen Vielfalt umgehen sollen. Geschweige denn, wie wir unsere
Haltung dazu Jugendlichen vermitteln können.
Kulturelle Vielfalt in all ihren Facetten fordert viele von uns nach wie
vor täglich aufs Neue auch im privaten Leben heraus: Die Medien lie-
fern uns z.B. täglich Nachrichten aus Ländern frei Haus, in denen es
nicht, wie wir es gewohnt sind, eine Trennung von Staat und Kirche
gibt, so dass wir dort gefällte politische Entscheidungen ganz anders
einordnen müssen. Oder die Zusammensetzung der Bevölkerung in
unserem Stadtteil ändert sich kontinuierlich, immer mehr Geschäfte
mit einem Warenangebot aus anderen Kulturkreisen eröffnen in
unserem Umfeld - was die Einen mit leichtem Unbehagen, die Anderen
mit Freude über das erweiterte kulinarische Angebot erfüllt.
Unseren Kindern und Jugendlichen landauf landab geht es natür-
lich nicht anders: in Kindergarten und Schule sitzen, spielen und
lernen Kinder mit unterschiedlichsten Muttersprachen und Haut-
farben jeden Tag miteinander. In ihrer Freizeit sind es junge Leute
heute gewohnt, die verschiedensten kulturellen Ausdrucksformen
nebeneinander zu erleben, vom amerikanischen Musiksender bis
zum indischen Bollywood-Streifen im Kino. Doch die meisten dieser
im Alltag gemachten multikulturellen Erfahrungen werden en pas-
sant in die eigene Lebenseinstellung integriert, laufen Gefahr im Sta-
dium des oberflächlichen ersten Eindrucks und des schnell Be- oder
Verurteilens stecken zu bleiben. Solche Alltagserfahrungen mit ver-
schiedenen Formen kultureller Vielfalt werden nicht wirklich bewusst
wahrgenommen, geschweige denn ein wenig hinterfragt und als neue
Elemente wirklichen interkulturellen Er-lernens in die eigene Persön-
lichkeit und Lebenseinstellung integriert.
Hier bietet die Teilnahme an Maßnahmen des internationalen Jugend-
kulturaustauschs Jugendlichen die Chance, einen wirklichen Schritt
weiter zu gehen und interkulturelles Lernen, Kulturelle Vielfalt
unter spannenden Bedingungen zu erleben. So bestätigten 57 % der
21 Beispiele aus der Praxis
Ein großer Raum. Verteilt im Raum stehen Jugendliche mit nachdenk-
lichen Gesichtern. Wie versteinert. Stille. „Sie haben das Gefühl, dass
Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten in der Gesellschaft, in der Sie leben,
Anerkennung finden.“ – ertönt die Stimme eines Anleiters. Jugendli-
che, die für sich die Frage mit „ja“ beantworten können, machen einen
Schritt nach vorn. „Sie haben keine Angst, auf der Straße angegriffen
zu werden.“ – ein weiterer Schritt folgt. Nicht bei allen. „Sie haben
keine Angst um die Zukunft Ihrer Kinder“ – es geht voran. Einige blei-
ben stehen. Die ganze Zeit. „Warum stehe ich ganz hinten?“ – fragt
sich verblüfft ein Jugendlicher aus Finnland, der am Anfang der Übung
die Rolle eines 27-jährigen Obdachlosen zugeteilt bekam. Eine deut-
sche Teilnehmerin, die sich in die Rolle der Tochter des örtlichen Bank-
direktors hineinversetzen musste, schaut sich verblüfft um – alle
stehen verstreut hinter ihr. „Es ist irgendwie unfair...“ – das Gefühl
schwebt im Raum und gibt Anstoß für eine folgende Diskussion über
die ungleiche Chancenverteilung in der Gesellschaft und die Verant-
wortung jedes einzelnen . 1
„Arme“ Kunst, die bereichert
Die Auseinandersetzung mit einer Welt, wie sie die meisten Jugend-
lichen aus Deutschland, Finnland, Frankreich und Polen vorher noch
nicht kannten – mit einer Welt der Armut und Ungerechtigkeit – fand
während der gesamten achttägigen internationalen Jugendbegeg-
nung „Arte Povera“ in Weimar statt.
Die Offenheit der Teilnehmenden und die Bereitschaft, ihre
Erfahrungen aus dem Heimatland und sogar aus der eigenen Familie
auszutauschen, hat eine tiefe Auseinandersetzung mit dem Thema
Armut in den Kreativworkshops ermöglicht. In dem Workshop der
bildenden Künste gestalteten die Jugendlichen mit „armen Materi-
alien“ aus Natur (Äste, Steine, Holz) und Alltag (Tüten, Plastikbecher,
Verpackungsmaterialien) Kunstobjekte, die sie bei der Abschlussprä-
sentation dem Urteil des Publikums stellten. Die Kunstgruppe erfuhr
dadurch, dass man mit Dingen, die so gut wie nichts kosten, wunder-
bares vollbringen kann.
Ebenso aktiv waren die Teilnehmenden des Audioworkshops.
Sie erkundeten die Möglichkeiten des Mediums Radio / Audio beim
Besuch im lokalen Radiosender, interviewten die BewohnerInnen
Weimars zu Armut und Hartz IV und erstellten einen Soundtrack
mit selbst komponierter Musik. Eine Power-Point-Präsentation, die
Soundtrack und Interviews begleitete, machte mit vielen aufrütteln-
den Bildern betroffen.
Die TeilnehmerInnen des Fotoworkshops waren in Erfurt unter-
wegs, um den Gegenentwurf zur Konsumgesellschaft kennen zu ler-
nen und sich davon inspirieren zu lassen. Das interessante Gespräch
über Armut und Ausgrenzung mit den Nonnen des Augustinerklosters
lieferte reichlich Stoff zum Nachdenken. Unter der professionellen
Begleitung des Workshopleiters entstanden Fotos zu diesem Thema
und manches wurde für die zukünftige Beschäftigung mit der Kamera
auf den Weg mitgenommen.
Bei der Präsentation der Ergebnisse vor Publikum, ernteten die
Projektteilnehmenden lauten und verdienten Applaus für ihre krea-
tiven Arbeiten.
Arte Povera – Arme Kunst oder die Kunst der Armut
TITEL /// „Arte Povera – Arme Kunst oder die Kunst der Armut“PRoGRAMMFoRM /// multilaterale JugendbegegnungKüNSTLERIScHE SPARTE /// Bildende Kunst, Foto, Theater, AudioZEIT /// 26.07. – 02.08.2007, WeimarTEILNEHMER/INNEN /// 31 Jugendliche aus Finnland, Frankreich, Polen und Deutschland im Alter von 15 bis 20 JahrenFÖRDERuNG /// Jugend in Aktion, Kultusministerium ThüringenPARTNER /// Finnland: Jugendarbeit der Stadt HämeennlinnaFrankreich: Association Blois-Weimar, BloisPolen: Malopolskie Centrum Kultury Sokol, Nowy Sacz, Europäische Jugendbildungs- und Begegnungsstätte Weimar (EJBW)TRäGER /// LKJ Thüringen e. V.
16 _ Arte Povera
Hinter dem Projektnamen „Arte Povera“ versteckt sich eine poli-tische Aussage. Der Begriff Arte Povera (ital. arme Kunst) wurde 1967 von dem Kunstkritiker und Kurator Germano Celant geprägt und steht für eine Bewegung von bildenden KünstlerInnen aus Rom und Norditalien aus der zweiten Hälfte der 1960er- und den 1970er-Jahren. Die Werke der Arte Povera sind typischerweise räumliche Installationen aus „armen“, d.h. gewöhnlichen und all-täglichen Materialien (Erde, Glassplitter, Holz, Bindfaden, u.ä.).
1 Übung „Ein Schritt nach vorn“ aus KOMPAS – Handbuch zur Menschenrechtsbil-dung für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit. Deutsches Institut für Menschenrechte, 2005.
Miteinander eigene Grenzen überwinden
Alles andere als Applaus hörten die Teilnehmenden eines Straßenthe-
aterworkshops bei ihren Aufführungen. Die Jugendlichen testeten
die Reaktion der Menschen auf der Straße oder in Museen in der Kon-
frontation mit dem Thema Armut und forderten sie regelrecht zum
Dialog heraus. Die Theatergruppe erfuhr am eigenen Leib, wie man als
Mittelloser durch manche Menschen in unserer Gesellschaft behan-
delt wird.
Erfahrungen und Engagement für eigenes Handeln
Das Thema Armut schloss auch das Einfühlen in verschiedene soziale
Schichten und ethnische Gruppen ein. Die Bereitschaft dazu war bei
den Jugendlichen hoch und wurde durch das Projekt bestätigt. Viele
„Aha-Erlebnisse“ und neue Erkenntnisse haben die Jugendlichen des
internationalen Projektes „Arte Povera“ für ihr Leben mitgenommen.
Als BürgerInnen der Europäischen Union waren sich die Jugendlichen
bewusst, zu einer privilegierten Gruppe zu gehören. Dies wurde für sie
auch durch die Teilnahme an einer solchen Jugendbegegnung greif-
bar, die ihnen Möglichkeiten einer besonderen Form der Teilhabe an
soziokulturellen Prozessen aufzeigte. Die Vorzüge europäischer Frei-
zügigkeit beim Reisen und der relative Wohlstand, von dem die Bevöl-
kerung in diesen Ländern profitiert, konnten alle TeilnehmerInnen
nach dieser Begegnung umso bewusster wahrnehmen. Sie erhielten
Anstoß zur Reflektion über die Lebensumstände Unterprivilegierter
und viele nahmen neue Sichtweisen zum Thema Armut und den Aus-
wirkungen sozialer Stellung mit nach Hause.
„Jedoch war die Arbeit am Thema eher ein Begleitelement des Pro-
gramms, ein Vorwand, einander zu begegnen. Im Mittelpunkt stand
natürlich, Jugendliche aus den anderen Ländern kennen zu lernen,
deren Eigenarten zu spüren und auf sich wirken zu lassen und daraus
etwas Neues zu machen. Es wurde in gemischten Teams gearbeitet,
erkundet und gefeiert, so dass ein intensives Miteinander erprobt
und das Erleben verschiedener kultureller Eigenarten spielerisch
ermöglicht wurde. „Länderabende“, ein Besuch in der Gedenkstätte
Buchenwald, Spiele und Abende in der Stadt, Nächte in der Disko oder
am Lagerfeuer rundeten die internationale Begegnung ab, die bei den
Jugendlichen viele schöne Erinnerungen hinterließ.“ (Ulrike Enders)
Schatzkiste: interessante methodische umsetzung
eines sensiblen Themas
Die Sensibilisierung Jugendlicher für unterschiedliche Vorausset-
zungen und Chancen im Leben ist den ProjektorganisatorInnen sehr
gut gelungen. Das Thema Armut wurde durch die inhaltliche Vorbe-
reitung in den Heimatländern, der Vorstellung der mitgebrachten
Symbole und eine wirkungsvolle Übung zur Menschenrechtsbildung
eingeführt. Der Lernprozess wurde durch Brainstorming, Erfahrungs-
austausch der Teilnehmenden sowie weitere Inputs im Laufe der
Woche komplettiert. Der erlebnisorientierte Ansatz und die künstle-
rischen Workshops trugen dazu bei, den Anstoß zur Reflektion über
verschiedene Lebensumstände und ihre Auswirkungen auf den Ein-
zelnen zu geben. Die vielen Facetten des Themas konnten so mithil-
fe „kreativer Brillen“ neu gesehen werden. Die Evaluation der Erfah-
rungen und die abschließenden Inputs über die Armut in der Welt, die
UNO und die Millenniums-Entwicklungsziele sowie die Möglichkeiten
europäischer Austauschprogramme, haben den Jugendlichen einen
weiteren Anstoß geboten, sich künftig stärker sozial zu engagieren,
um der Armut in ihrem Umfeld etwas entgegen zu setzen.
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es etwas gibt, das mehr den
Horizont erweitert, als international mit Kunst und Kultur zu arbeiten.“
(Ulrike Enders)
Kontakt
LKJ Thüringen e.V.
Ulrike Enders
Marktstr.6 , 99084 Erfurt
Fon: 0361.562 33 06
www.lkjthueringen.de
Seit einigen Jahren wächst in Deutschland die Szene um die japa-
nische Rockmusik sehr schnell an. Mit Genren wie J-Punk, J-Metal
aber vor allem Visual Kei, gewinnt diese Musikszene mehr und mehr
an Popularität. Das J-Rock-Projekt wollte den Ursprung sowie die
Geschichte untersuchen und die Szene aus heutiger Sicht darstellen.
Wie sieht es innerhalb dieser Jugendkultur in Deutschland und Europa
aus? Und wie in Japan?
Neben Recherchen in Deutschland und den Nachbarländern
Schweiz und Frankreich war ein Teil des Projekts auch eine Jugendbe-
gegnung in Tokio. Dort wurden mit Hilfe des Partners vor Ort Informa-
tionen über die japanische J-Rock-Bewegung und im speziellen über
die Visual Kei - Szene zusammen getragen.
Es war für das Projekt wichtig, diese Szene so realistisch
wie möglich zu erleben und darzustellen, was bisher in vielen Medi-
en leider nicht der Fall gewesen war. In zahlreichen Interviews und
Umfragen mit Fans und Nichtfans, Bands und Leuten aus der Musik-
& Medienindustrie sowie Modebranche, haben die Jugendlichen des
Jugendkellers St. Nepomuk in Kehl Erlebnisse und Informationen
gesammelt, die Ergebnisse auf einer Homepage präsentiert und
einen Dokumentarfilm erstellt.
Die Entstehung des Projekts kam also aus der Szene. Die
jugendlichen Fans von Visual Kei beklagten, dass ihre Subkultur in
den Medien falsch dargestellt wird und wollten durch das Projekt ein
Stück weit Aufklärung betreiben.
Was ist das Visual Kei?
Unabhängig voneinander betrachtet betont das Wort „visual“ den
optischen Eindruck der Musikrichtung und „kei“ bedeutet aus dem
Japanischen übersetzt: Abstammung, Clique, Gruppe. Inspiriert vom
Glamour-Rock der 70er Jahre und dem traditionellen japanischen
Kabuki Theater treten die Musiker in sehr phantasievollen Kostümen
auf. Der Musikstil reicht von Hardrock bis Pop. Gesungen wird vorwie-
gend in japanisch, aber auch in Englisch und bisweilen tauchen auch
Wörter oder Satzfetzen in Deutsch oder Französisch auf.
Die erste Band, die den Durchbruch schaffte und als der
Ursprung der Szene gilt, heißt X-Japan. Mit der Zeit entwickelte sich
der Name Visual Kei, eine Szene entstand und die Musik- und Mode-
branche reagierte.
„Den Kontakt zu unseren japanischen Partnern habe ich während
eines Fachkräfteprogramms von IJAB – Fachstelle für internationale
Jugendarbeit, bekommen, an dem ich 2006 teilnahm. Da es die Idee
zu diesem Projekt bzw. das Projekt an sich schon viel früher gab, wuss-
te ich genau wonach ich in Japan suchen musste und welche Partner
ich für das Programm benötigte. Meine Jugendlichen hatten mir eine
Vielzahl von Tipps und Aufträgen mitgegeben.“ (Marcus Fink)
Schatzkiste: beispielhafte Vor- und Nachbereitung
In insgesamt 11 Vorbereitungstreffen wurden die Jugendlichen in
verschiedenen Workshops und Seminaren seit Dezember 2006 für
das Projekt und auf die Jugendbegegnung vorbereitet, bzw. sie berei-
teten selbst die Programmpunkte vor.
So wurden einzelne Programmpunkte den TeilnehmerInnen
zugewiesen, die sie jeweils allein oder in Kleingruppen bearbeiteten.
Z.B. die Erstellung eines Fragebogens, Interviewvorbereitungen,
Kurzreferate für Diskussionen und Erläuterungen zu den geplanten
Treffen. Des weiteren wurde ein Interviewtraining durchgeführt und
es gab eine Einweisung in Foto, Film und Schnitt, um den geplanten
Dokumentarfilm erstellen zu können. Zur Vorbereitung auf die Jugend-
begegnung in Japan gab es noch weitere Workshops.
Das Kennenlernen kultureller Hintergründe und die Einfüh-
rung in den „Japan-Knigge“ war ein großer Bereich. Hier wurde von
der Begrüßung bis hin zu Verhaltensweisen in Restaurants vieles
durchgesprochen, eingeübt und diskutiert. Bei der Durchführung des
Austauschprogramms in Tokio kümmerte sich jeder Teilnehmer um
den von ihm vorbereiteten Teil. Hier gehörten auch die Übergabe des
Gastgeschenks und weitere formale Dinge dazu.
Bei der Nachbereitung wurden, nach einem Brainstorming der
Eindrücke, detailliert verschiedene Programmpunkte besprochen,
besonders Erfreuliches, Überraschendes, aber auch weniger Erfreu-
liches analysiert. Alle Teilnehmenden haben sich mit der Nachberei-
J-Rock in Germany – eine neue Jugendkultur
TITEL /// J-Rock in Germany – eine neue JugendkulturPRoGRAMMFoRM /// Bilaterale Jugendbegegnung mit intensivem Rechercheprogramm (Rückbegegnung in Planung)KüNSTLERIScHE SPARTE /// Musik, Video, FotoZEIT /// 26.05. – 06.06.2007, TokioTEILNEHMER/INNEN /// 14, je 7 Jugendliche zwischen 18 und 23 JahrenFÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ, Jugendstiftung Baden-Württ-emberg, Stadtjugendring Kehl e.V. & Kreisjugendring Ortenau e.V.PARTNER /// Tokio School of Music/Tiger Music/NYCTRäGER /// Jugendkeller St. Nepomuk
18 _ J-Rock in Germany
tung in Form eines Berichtes, z.B. über einen Konzertbesuch, den
Reisebericht oder das Dokumentationsvideo beschäftigt.
Am 23. November 2007 fand in der Stadthalle in Kehl die
Abschlussveranstaltung des Projektes statt. Neben dem Dokumen-
tarfilm, wurden auch ein CosplayContest (Kostümwettbewerb/Mode-
schau), eine Live-Band, Karaoke, eine Fotoausstellung, eine japa-
nische Gamecorner und japanisches Essen von den Jugendlichen in
Eigenregie organisiert.
„Jedes Projekt braucht eine Dokumentation oder ein Resultat mit
dem sich die Jugendlichen identifizieren können und auf das sie stolz
sind. Eine Wandtafel mit den Lieblingsfotos der TeilnehmerInnen zu
gestalten reicht längst nichts mehr aus. Das Produkt von J-Rock in
Germany – das J-Rock Video – ist jedoch mehr als ein gruppeninter-
nes Götzenbild. Das Video kommt innerhalb und außerhalb der J-Rock
Szene sehr gut an. Es existiert eine rege Nachfrage, da es eine solche
Dokumentation über Visual Kei in Deutschland noch nicht gibt. Mitt-
lerweile haben wir unser Video schon an verschiedene Fernsehsen-
der, Radiostationen, Universitäten und Musikmagazine verschickt.“
(Markus Fink)
Kontakt
Jugendkeller St. Nepomuk
Marcus Fink
Gustav-Weis-Str. 02, 77649 Kehl
Fon: 07851.48 14 76
www.juke-st-nepomuk.de & www.jrig.net
J-Rock in Germany _ 19
Email nach Hause:Es ist wirklich eine spannende Expedition ins Land der auf-gehenden Sonne. Ein erster Höhepunkt war der Besuch des Yoyogi-Parks. Dort spielen sonntags regelmäßig Bands. Der Park ist zugleich Treffpunkt für die »Visual Kei«-Gemeinde. Skurriler geht es kaum, auch wir waren aktiv und gaben ein paar deutsche Lieder zum Besten, wofür wir sogar Applaus erhielten. Mayumi Kojima, die unsere Gruppe betreute, war ein Glücksfall. Sie ist seit Jahren in der Jugendkulturszene tätig und hat viele Kontakte. So war es möglich, Interviews mit Konzertveranstaltern, den Chefs einer Plattenfirma, Bands und deren Managern zu führen. Wir besuchten zahlreiche Veranstaltungen, wurden zu After-show-Partys eingeladen und trafen Stars der Szene, die auch in Deutschland populär sind.Ein weiterer Höhepunkt waren die Treffen mit SchülerInnen der „Tokio School of Music“. Wir unternahmen viel gemeinsam, disku-tierten in englischer Sprache und tauschten uns über die Lebens-weisen in Deutschland und Japan aus.Doch jetzt kommt es: ein Journalist einer großen japanischen Zei-tung wurde auf den Besuch aus Deutschland aufmerksam und berichtete über unser J-Rock-Projekt. Der Artikel wurde auch in einem der größten japanischen Webportale veröffentlicht und in der internationalen Zeitung »Weekly Journey«.Heute morgen war dann erst einmal frei, doch es trafen sich alle beim Shoppen und dann hier im Internetcafe. Gleich geht es weiter zu Crown Records. Dort interviewen wir Gackt‘s Director und werden noch einiges mehr über Visual Kei erfahren. Und im Anschluss nehmen wir mit unserer Partnergruppe noch mal die verschiedenen VK-Szenen unter die Lupe. Am Abend ist dann Karaoke singen – um die 20 Leute in einer Kabine: lassen wir uns überraschen.
Manege frei!
Ayman ist aufgeregt, das Licht flackert, er springt vom Trapez und
landet sicher. Applaus.
Maria wirft noch einen kurzen Blick auf ihr Publikum, ein Trommelwir-
bel: dann der Salto. Der Kopf berührt nicht den Boden. Applaus.
Sabrin kämpft mit dem Einrad, vor und zurück, schnell vor und zurück,
den Blick nach vorn, die Arme nach oben. Applaus.
Im Publikum in Jerusalem sitzen orthodoxe Juden neben mosle-
mischen Frauen mit züchtigem Kopftuch und neben jungen Akro-
batenmüttern mit freiem Bauchnabel. Zirkusalltag? Circolibre!
Circolibre ist der Name einer Initiative, die im Jahr 2004 beim
Cabuwazi Kinder- und Jugendzirkus in Berlin ihren Anfang nahm.
Diese Gruppe von Zirkus- und TheaterpädagogInnen, ArtistInnen
und OrganisatorInnen engagiert sich ehrenamtlich im Austausch
mit Kinder- und Jugendzirkusgruppen aus Israel und aus den palästi-
nensischen Gebieten.
Die Grundidee der Jugendbegegnungen von Circolibre ist,
dass die TeilnehmerInnen für eine bestimmte Zeit zusammen leben,
trainieren und auftreten. Durch das gemeinsame Handeln für ein
Ziel, in der Regel eine gemeinsame Zirkusaufführung, soll die aktive
Begegnung zwischen den TeilnehmerInnen gefördert werden. Bei den
gegenseitigen Programmen legt Circolibre einen besonderen Wert
auf die Qualität sowohl der Zirkus-,als auch der Austauschpädagogik,
um die Lebensumstände und den Alltag der Jugendlichen aus dem
Partnerland nachhaltig vermitteln zu können. Damit dieser Anspruch
verwirklicht wird, konzentriert Circolibre die Programminhalte der
Begegnung nicht nur auf gemeinsame Trainings oder Proben, sondern
sieht den Kern des Projekts in der individuellen Begegnung und dem
gegenseitigen Kennenlernen der Jugendlichen untereinander.
Gemeinsam und doch getrennt
Im August 2006 besuchten Jugendliche der Israel Circus School aus
Kfar Yehoshua und des Maghar Circus den Kinder- und Jugendzirkus
Cabuwazi zu einem gemeinsamen Begegnungsprogramm in Berlin.
16 Jugendliche, sowohl Juden als auch AraberInnen, trafen eine
deutsche Gruppe junger ArtistInnen, bereiteten eine gemeinsame Zir-
kusshow vor und erlebten gemeinsam spannende und interessante
Tage. Es war der Wunsch aller TeilnehmerInnen und TeamerInnen, die-
sem Aufenthalt auch eine Rückbegegnung in Israel folgen zu lassen.
So kam es, dass im April 2007 zum ersten Mal eine Berliner Jugend-
gruppe zu einer Begegnung nach Israel reiste, die jüngste Teilneh-
merin 14, die älteste 18 Jahre alt.
Als alles geklärt war, die Fördermittel gesichert, die Eltern
überzeugt und die Requisiten verpackt waren, gab es zwei Tage vor
der Abreise dann fast doch noch das Aus für die Begegnung. Die bei-
den israelischen Organisatoren der jüdischen Zirkusgruppe aus Kfar
Yehoshua und der arabisch-drusischen aus Maghar, hatten unüber-
windbare Differenzen, die ein gemeinsames Programm unmöglich
machten. Die Begegnung musste anders arrangiert werden. Schließ-
lich wurde sich mit beiden Partnern geeinigt, dass die deutsche
Gruppe die Hälfte der Zeit bei dem einen Partner bleibt, um danach
die andere Hälfte der Zeit mit dem zweiten Partner zu verbringen.
Patch-Work-Beziehungen gibt es also auch in der internationalen
Jugendarbeit. Die deutschen TeilnehmerInnen bekamen ihre erste
Einheit in interkulturellem Lernen, noch bevor das Projekt begonnen
hatte:
Circolibre – Toleranz in der Manege
TITEL /// CircolibrePRoGRAMMFoRM /// Bilaterale Jugendbegegnung (mehrjähriges Gesamtprojekt)KüNSTLERIScHE SPARTE /// ZirkusZEIT /// 29.03. – 10.04. 2007, Kfar Yehoshua, Maghar (Israel)TEILNEHMER/INNEN /// 30 (je 15) Teilnehmende aus Deutschland und IsraelFÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ PARTNER /// Israel: Israel Circus School (Kfar Yehoshua) und Maghar Circus (Maghar)TRäGER /// Circus Cabuwazi
20 _ Circolibre
„Die Jugendlichen reagierten zuerst überrascht auf die Änderungen,
konnten sich jedoch flexibel und offen auf die neue Situation ein-
stellen. Unter Anleitung und Begleitung der TeamerInnen haben sie
sich außerdem mit der Situation, ihren Ursachen, sowie möglichen
Lösungsansätzen auseinander gesetzt.
Trotzdem liefen die Begegnungen während des Trainings und dem Auf-
enthalt in beiden Orten erfolgreich ab und vertieften die Beziehungen
und Freundschaften der Jugendlichen beider Länder. Dies wurde unter
anderem auch in den abschließenden Präsentationen mit viel Freude
und Einsatz zum Ausdruck gebracht.“ (Anne Timm)
Der interkulturelle Anspruch
Circolibre vermittelt Zirkus und der Zirkus steht auch im Mittelpunkt
der Maßnahme. Sonst könnten die Jugendlichen ebenso gut mit einem
Reiseveranstalter in ferne Länder fahren oder sich in internationalen
Spaßcamps treffen. Es wird erwartet, im Austausch mit anderen oder
durch die internationalen TrainerInnen neue Techniken zu lernen oder
schon gelernte Techniken zu verbessern. Zirkus ist nicht national-
staatlich vorbelastet, Zirkus gehört nicht zum nationalen Kulturer-
be eines bestimmten Landes, ist nicht typisch spanisch, indisch,
russisch oder brasilianisch. Doch es gibt schon deutliche kulturelle
Unterschiede in den Stücken und Darbietungsformen, die einen inter-
nationalen Austausch auch seitens der Zirkus-Fachlichkeit lohnens-
wert machen. Beispiele dafür sind der in Israel andere Umgang mit
dem Publikum, bzw. der Umgang des Publikums mit den ArtistInnen,
oder die vermehrt eingefügten Tanzeinlagen im arabisch-drusischem
Zirkus.
Neben dem Erlernen akrobatischer Fähigkeiten erfuhren
die TeilnehmerInnen durch das Training den Geist der Toleranz, des
gegenseitigen Respekts und des Verantwortungsbewusstseins - die
Voraussetzung für gemeinsame künstlerische Arbeit. Sie lernten,
ihre Ängste zu überwinden, die eigenen Fähigkeiten einzuschätzen
und wurden in ihrem Selbstbewusstsein durch den Erfolg gestärkt.
Die Freude am Gemeinsamen schuf eine wichtige Grundlage für das
wachsende Vertrauen, denn die Zirkuskultur lebt von gegenseitigem
Respekt, Toleranz und Vertrauen.
Zum Lernen übereinander gehört die Sprache und auch
hier ist die Methode Zirkus im Vorteil, denn im Zirkus stellt die Spra-
che keine unüberwindbare Grenze dar - ob in Kreuzberg, Jerusalem
oder Maghar. Wenn junge AkrobatInnen aus verschiedenen Ländern
und Kulturen menschliche Pyramiden bauen, mit Bällen jonglieren
oder am Trapez turnen, ist nicht nur das Publikum davon überzeugt,
dass sie sich mit „Händen und Füßen“ verstehen. Sicher hat dabei das
Machbare auch Grenzen, denn selbstverständlich gibt es bei Circoli-
bre auch Diskussionen, Auswertungsrunden und Konflikte, die einer
verbalen Kommunikation bedürfen.
Doch das wichtigste Ziel jeder internationalen Begegnung,
den interkulturellen Austausch, sieht die Circolibre-Gruppe neben
gemeinsamen Exkursionen vor allem durch das Zusammenleben
in den Gastfamilien erreicht, wo die Lebensrealität am stärksten
gespürt und mit den GastgeberInnen besprochen werden kann:
Circolibre _ 21
Hier sind Vera & Anja aus der Gastfamilie von Hallel!
„... gegen 18.30 Uhr sind wir ins Auto gestiegen und nach Giv‘at Ela
zu Jonathans Familie gefahren, um dort mit gut 20 Leuten Pessach
zu feiern.
Nachdem uns alle mehr oder weniger begrüßt haben, saßen wir
gelangweilt auf dem Sofa. Der Tradition nach mussten wir alle
die Geschichte von Moses lesen und viele Bräuche erfüllen. Nach
wirklich viel komischem Essen, wie gefülltem Fisch, gab es auch lecke-
res Essen. Ihr wollt wissen was? Ihr werdet es nicht glauben, aber es
gab SCHNITZEL!!! Wenn man schon richtig voll gefressen war, fingen
sie an den Nachtisch aufzutischen (Brotkuchen) und viele Lieder
zu singen ...“
22 _ Circolibre
Die ganze Vielfalt internationaler Jugendarbeit in einem Zirkus:
Jugendbegegnungen, internationaler Freiwilligendienst, Fachkräf-
teprogramme und europäische Vernetzung
Seit 2004 führt die Projektgruppe Circolibre (des Kinder- und
Jugendzirkus Cabuwazi) jährlich mehrere Fachkräfte- und Jugend-
austausch-Programme im Nahen Osten und Deutschland durch.
Dabei wird bewusst mit Zirkussen aus den verschiedenen Regionen,
unabhängig des politisch-kulturellen Kontextes, in dem sie leben,
zusammen gearbeitet. Von Anfang an wurden zwei Projekte paral-
lel durchgeführt. Begegnungsprogramme mit Jugendzirkussen aus
Israel wurden realisiert und Zirkusprojekte in der Westbank durch-
geführt, jeweils mit dem Ziel der Unterstützung von Zirkusgruppen
und des Austausches mit den Menschen. Da sich eine Zusammenar-
beit zwischen Israelis und PalästinenserInnen als schwierig erwies,
ließ Circolibre die Projekte separat laufen, wollte die Aktivitäten aber
nicht vor den Partnern oder der Öffentlichkeit verheimlichen, und
den Kontakt auf beiden Seiten nicht missen. So wurden gemeinsame
Begegnungen dennoch möglich – in Berlin lernten sich Israelis und
Palästinenser beim Besuch des internationalen Jugendfestivals von
Circus Cabuwazi in den Jahren 2005 und 2007 kennen.
Im September 2006 kamen Eslam Gabi (aus Nablus) und Aaron Tobi-
ass (aus Jerusalem) als erste Europäische Freiwillige von den Zir-
kuspartnern in Israel und der Westbank für ein Jahr nach Berlin. Das
Engagement, finanziert über den Europäischen Freiwilligendienst,
wird auch 2007 und 2008 mit neuen Freiwilligen weitergeführt.
Seit seiner Gründung im Jahr 1996 organisiert Cabuwazi regelmäßig
Austauschprogramme mit anderen Kinder- und Jugendzirkussen aus
Europa. Auch die Jugendzirkusszene in Europa hat die Notwendigkeit
europäischer Zusammenarbeit erkannt und im Herbst 2005 das Net-
work for international Circus Exchange – NICE in Berlin gegründet.
Die Vorteile dieser Vernetzung sollen sich durch eine Vielzahl und
Vielfalt gemeinsamer Programme, vor allem für die teilnehmenden
Jugendlichen auswirken, aber auch die Kooperation untereinander
vereinfachen.
Schatzkiste: ein Ethik-code!
Ein Ethik-Code ist eine öffentliche Selbstverpflichtung auf eine ver-
bindliche Grundlage aller Entscheidungsprozesse und Tätigkeiten.
Der Ethik-Code ist ein Bezugsrahmen, aus dem im Einzelfall konkrete
verhandelte Verhaltens- und Handlungsanweisungen abgeleitet
werden können. Bekannte Beispiele sind die Ethik-Codes bei den
Profi Radfahrern der Tour de France oder den Models der italienischen
Modebranche.
Der Ethik-Code von Circolibre ist etwas Besonderes und
wohl eher selten im Feld der internationalen Jugendarbeit. Ein gutes
Beispiel, das Vorbild für viele OrganisatorInnen von Jugendbegeg-
nungen sein kann. Hier einige Auszüge des 15-Punkte-Ethik-Codes:
Hallo hier ist Charlien!
„Also ich erzähle was von meiner arabischen Gastfamilie, weil die
einfach mal der Hammer war. Katja und ich hatten so Glück, dass
wir so eine perfekte Familie hatten. Es ging schon am Anfang los.
Wir wurden total herzlich und warm empfangen. Als wenn wir uns
schon Jahre kennen würden. Die Familie hat sich so um uns geküm-
mert, als wären wir ihre echten Töchter. Wir haben jeden Tag total
leckeres Frühstück bekommen und selbst unsere Sachen hat sie
gewaschen. Und wenn wir unser Bett machen wollten, ist unsere
Gastmama schon richtig böse geworden, da sie es machen wollte,
um uns die Arbeit abzunehmen.
Sie ist immer voll früh mit uns aufgestanden, obwohl sie noch länger
hätte schlafen können. Und weil das alles so schön war, war der
Abschied besonders hart. Wir haben sogar ein Geschenk bekom-
men. Aber das tollste war, dass sie noch einen Ausflug mit Katja
und mir gemacht haben. Und zwar dahin wo meine Oma geboren
wurde.“
Circolibre _ 23
Alle Freiwilligen und MitarbeiterInnen von Circolibre verpflichten sich
auf folgende Grundsätze:
1. Das grundlegende Ziel von Circolibre ist, mit den Mitteln des Zirkus
Freude und Freundschaft zu leben. Wir begeben uns deshalb an
sozial und politisch ausgegrenzte oder benachteiligte Orte auf
der ganzen Welt, um spielerisch und staunend, lachend und sehr
ernsthaft innere und äußere Grenzen zu überwinden.
4. Wir nehmen nicht aus finanziellen Gründen an Projekten von
Circolibre teil. Wir sollten keinen ökonomischen Nachteil erleiden,
aber auch keinen Vorteil erzielen. Für einen besonderen Auf-
wand kann eine Entschädigung gezahlt werden. ...
10. Beim Zusammenstellen eines Programms/Workshops nehmen
wir Rücksicht auf die Sensibilität der Menschen, ihre Kultur und
die spezielle Situation, in der sie leben.
11. Wir informieren uns im Vorfeld einer Reise über die politische
Lage, die Gesetze, die Kultur, die medizinische Situation und son-
stige Besonderheiten des Landes. Wir setzen uns mit unseren
eigenen (persönlichen) Identitäten sowie den jeweiligen kultu-
rellen und politischen Unterschieden auseinander, um uns sensi-
bel und einfühlsam im anderen Land bewegen zu können.
12. Wir erstellen Dokumentationen und Auswertungen unserer Pro-
jekte und Aktivitäten, um unsere Erfahrungen weitergeben, ver-
arbeiten und verbreiten zu können. Von unseren Reisen wollen wir
das persönlich Erlebte und Gefühlte weitererzählen.
13. Circolibre finanziert sich über Spendengelder, Mitgliederbeiträge,
Sponsorengelder, Benefizveranstaltungen, Fördermittel u.a.
Wir achten auf die ethische, menschenrechtliche und umwelt-
politische Einstellung unserer Sponsoren und Partner.
Kontakt
Circus Cabuwazi
Bouchéstr. 75, 12435 Berlin
Fon: 030.53 00 04-22
www.cabuwazi.de
Seit 1997 führt der Offene Kunstverein Potsdam regelmäßig euro-
päische Jugendbegegnungen durch oder beteiligt sich an denen der
Partnerorganisationen. So konnten in den vergangenen Jahren etwa
200 Jugendliche an internationalen künstlerischen Begegnungen
teilnehmen. Immer waren es anspruchsvolle, inspirierende Projekt-
inhalte die sowohl in bildender als auch in darstellender Kunst ihren
Ausdruck fanden. Vom Schauspiel mit bespielbaren Großplastiken bis
zur Performance oder eigenen Filmproduktionen, konnten immer wie-
der neue künstlerische Techniken vermittelt werden, die im Rahmen
der Jugendbegegnungen das Medium für interkulturelles Lernen und
europäische Verständigung bildeten.
Es war einmal ... – la fabbrica dei racconti
Polignano a Mare, Süditalien, April 2007: Eine Gruppe von 40 Jugend-
lichen findet einen gemeinsamen Rhythmus: Am Morgen „ice-brea-
king games“, die alle miteinander bekannt machen: Durch Bewe-
gung und kleine theatralische Übungen. Auch die bisher im Theater
Ungeübten bekamen Mut, trauten sich was. Zwei Tage lang wurden
Geschichten erzählt, nein, sie wurden gespielt, durch die Form des
Erzähl-Theaters, der Mime, des gemeinsamen Bewegungs-Reper-
toires der Menschheit, das sprachliche Grenzen durchbricht.
Die Geschichten mussten im Vorfeld der Begegnung durch die Teil-
nehmenden gesammelt werden – Legenden und Sagen der Regionen,
vermitteltet von den Großeltern oder lokalen MigrantInnen.
Geprobt wurde in einem Sozialzentrum; hier treffen sich meist
nur ältere Menschen, um gemeinsam den Tag zu verbringen – neugie-
rig schauten sie nun den Proben der jungen Leute zu und am Sams-
tagabend wurde dann gemeinsam das Tanzbein geschwungen.
Am Sonntag das Kennenlernen der näheren Umgebung –
die spanische Gruppe hat ein Stadt-Spiel entwickelt, das die Teilneh-
menden bis weit nach Mitternacht in alle Winkel der schönen Altstadt
am Meer treibt.
In den folgenden Tagen wurden in mehreren kleinen Gruppen
Geschichten zu Szenen verdichtet und an verschiedenen Orten in der
Altstadt ausprobiert. Es entsteht eine neue Sprache aus deutschen,
englischen, italienischen, spanischen und bulgarischen Elementen
– Musik kommt dazu; unplugged, sparsam; ein bisschen Mundhar-
monika, Schlagzeug und die Geräusche der Stadt.
Nach einer Woche ist es soweit „Es war einmal – era una vez
– once upon a time“ – die kleine Stadt am Meer erlebt zum ersten
Mal eine internationale Inszenierung in ihren Gassen, auf Plätzen
und Terrassen. Es wird erzählt vom Dummkopf und den Feen; von den
Drei Gleichen, vom Zarewitsch; von Heiligen und Helden; von bösen
Königen und ihrer Bestrafung - am Ende eine Prozession durch die
Stadt und glückliche TeilnehmerInnen des Projekts tanzten zusam-
men mit den BewohnerInnen von Polignano de Mare.
„Tags zuvor waren wir irgendwo verbuddelt, irgendwo im Alltag, irgend-
wo in Potsdam. 24 Stunden später: Wir alle sind Teilnehmende an
einem internationalen Jugendprojekt in Süditalien. Neben uns noch
SpanierInnen, BulgarInnen und ItalienerInnen. Wir verstehen uns, ler-
nen voneinander, werden unglaublich schnell Freunde. Spätestens am
zweiten Tag legt sich dieses multinationale Potpourri junger Menschen
wie ein schützender Schleier um mich, um jeden – so fühle ich.
Die empfundene Schwere der deutschen Provinz fällt von mir ab wie
Es war einmal ...Eine Geschichte europäischer Jugendlicher, die nicht aufhören können, Geschichten zu erzählen.
TITEL /// la fabbrica dei racconti; erase otra vez; le vite possibili PRoGRAMMFoRM /// multilaterale Jugendbegegnung(en)KüNSTLERIScHE SPARTE /// Theater, LiteraturZEIT /// 21.04. – 02.05.2007, Polignano a Mare, Italien01.10. – 11.10.2007, EL Escorial, Spanien23.12. – 03.01.2008, Polignano a Mare, ItalienTEILNEHMER/INNEN /// Pro Maßnahme 8-9 deutsche und 24-26 TN aus den PartnerländernFÖRDERuNG /// (in Abhängigkeit der 3 Einzelprojekte):Jugend in Aktion, BMFSFJ über BKJ, weiterePARTNER /// Italien: Residue Teatro, Rom; Spanien: Aciocation 217 Matterhorn, Madrid; Bulgarien: art in action, Sofia; Portugal: Ocre, Lissabon TRäGER /// Offener Kunstverein e.V.
24 _ Es war einmal ...
vertrockneter Blätterteig, alle Knoten im Kopf lösen sich. Spätestens
am vierten Tag habe ich das Gefühl, dass trotz langer, konzentrierter
Arbeit unsere Gruppe eine völlig andere Kraft bekommt – magische
Energie. Abends geht man nicht mehr durch kalte geschäftige deut-
sche Straßen, nein wir schweben durch einen italienischen Traum,
durch die schneeweiße Altstadt auf den Klippen, durch verwinkelte
Gassen, sehen hier und da herunter auf einen samtblauen Ozean. Wir
proben in der Altstadt, machen Performance vor PassantInnen.
Obwohl das Schauspiel am Tage merklich an den physischen Kräf-
ten zehrt, werden die Nächte kürzer: Jeder erkennt den Wert der Zeit,
die wir hier verbringen. Auf dem Papier ist es ein Theaterprojekt, in
meinem Kopf wird es immer mehr ein Geschenk. Das Meer wird wär-
mer, das Essen immer besser, liebevoll zubereitete italienische Spei-
sen: Ist das Projektverpflegung oder ein Restaurantbesuch? Langsam
überkommt mich Unbehagen: Ich will nicht weg, noch nicht. Die Auffüh-
rung des erarbeiteten Stücks wird großartig. Am Morgen der Rückreise
gibt es Tränen. Im Zug nach Rom bin ich etwas schwermütig. Dann sagt
jemand, dass das Projekt unser Leben verändert hat. Ich denke: Ja,
hat es – gut so!“ (Maximilian Buschner, Teilnehmer)
Es war noch einmal ... – Erase otra vez
El Escorial, Spanien, Oktober 2007: Die spanischen PfadfinderInnen
haben eine Fortsetzung organisiert! Wieder war der Weg des gemein-
samen Ausdrucks das Theater auf der Straße.
Das Thema dieses Mal: Vorurteile und Tabus. Die Gruppe
tauschte ihre persönlichen Erfahrungen aus und sprach über ver-
schiedene Vorurteile im eigenen Land.
Zwei Tage wurde wieder damit verbracht, sich das vor dem
Projekt gesammelte Material gegenseitig vorzustellen (Interviews,
Videos, Ideen) und versucht, eine klare Vorstellung davon zu bekom-
men, was gesagt werden soll und welche Botschaft auf der Straße
vermittelt werden kann. Nach einigen Tagen harter Arbeit in drei
gemischten Gruppen gab es drei Aufführungen, zwei davon in El Esco-
rial und eine in Madrid.
„Es war eine besondere Erfahrung für mich, auf dem „Plaza de España“
in Madrid zu spielen. Dort war ich so oft in meinem Leben! Ich komme
aus Madrid und ich wohne seit einem Jahr in Deutschland. Zum ersten
Mal konnte ich mit ausländischen Augen meine Stadt ansehen - mit
den Augen von Menschen aus vier verschiedenen Ländern.
Für einige TeilnehmerInnen war der Geschmack des Wassers
komisch. Andere deutsche Jugendliche hatten den Eindruck, dass
die typische spanische „Tapas Bar“ einem Dönerladen in Deutschland
glich: keine Kerzen, viele Spielautomaten, kleines Bier (caña) und sehr
gute Kleinigkeiten zu essen. Es ist interessant zu sehen, wie wir alles
aufgrund unserer eigenen Erfahrungen wahrnehmen.
Mit Menschen anderer Nationalität Theater zu spielen ist
anders: Wir haben unsere Muttersprache nicht zur Verfügung und so
müssen wir uns mit Hilfe von etwas anderem ausdrücken, und das ist
für mich die Essenz von Theater dieser Art und in dieser besonderen
Situation: die Magie der wortlosen Kommunikation.“
(Nathalie Fribourg, Teilnehmerin, Europäische Freiwillige beim
Offenen Kunstverein Potsdam)
Es war wieder einmal ... – le vite possibili
Polignano a Mare, Süditalien, Dezember 2007: Die Italiener haben
wieder eingeladen, schon bekannte, aber auch neue Partnerorgani-
sationen und TeilnehmerInnen sind der Einladung gefolgt! Der 3. Teil
der „Fabbrica dei racconti“ war diesmal „auf der Suche nach dem Glück
– der vite possibili“ (der möglichen Leben). Ein erster Schritt des Pro-
jektes war wiederum die intensive thematische Auseinandersetzung
in der Vorbereitung - Immigration im eigenen Land, im Leben anderer
Menschen aus der unmittelbaren Umgebung. In dem Interviewmate-
rial gab es überraschend viele Parallelen: das Bewusstsein nationaler
Identität ist eine Seltenheit, obwohl auch wiederholt das Phänomen
der „Bewusstwerdung der Identität des Herkunftslandes in der Ferne“
auftrat. Für keinen Interviewpartner war die Frage nach Heimat und
Identität leicht zu beantworten. Immigration ist und bleibt ein unge-
löstes Problem. Grenzen zwischen den Menschen und zwischen den
Es war einmal ... _ 25
26 _ Es war einmal ...
Ländern stellen ein im Kern unlösbares Problem dar. Bei der Projektar-
beit gelang es, aus diesem Dilemma kreative Impulse abzuleiten, auf
der Grundlage einer Präsentationsform mit offenem Ende.
„Deutschland wurde im Allgemeinen geschätzt für seine Sauberkeit
und Rechtsstaatlichkeit, die Deutschen gelten weiterhin als eher
humorlos und rational, aber freundlich. Diese Einschätzungen erwie-
sen sich teilweise als Vorurteil. Wir als junge Deutsche reagieren auf
derartige Wesenszuschreibungen eher mit Widerwillen.“
(Philip Baumgarten, Teilnehmer)
Es wird einmal ... – Spur der Spiele
Potsdam, Deutschland, Juli 2008: Junge Menschen aus verschie-
denen europäischen Ländern sollen Aktionsformen von künstle-
rischem Spiel entdecken, aufspüren und kommunizieren. Neben
dem Kennenlernen von verschiedenen Spielformen und Spielweisen
soll die Frage gestellt werden: Wie wird in unterschiedlichen europä-
ischen Kulturen gespielt, gibt es kulturelle Unterschiede des Spie-
lens? Aber da beginnt schon wieder eine weitere Geschichte, sie soll
ein anderes mal erzählt werden ...
Schatzkiste: ownership – Besitztumsgefühl
Wurde das erste Projekt noch durch MitarbeiterInnen des Vereins
vorbereitet und maßgeblich begleitet, gab es im zweiten und dritten
Teil (die vorher nicht geplant waren) einen beispielhaften Wechsel
des Besitztumsgefühls und damit auch der inhaltlichen und organi-
satorischen Verantwortung, weg von den Hauptamtlichen hin zu den
Jugendlichen. Es wurde ihr Projekt, sie wollten sich wieder begegnen
und ihre Erfahrungen vertiefen. Nur so, durch die Weitergabe von Ver-
antwortung und das möglich machen von eigener Gestaltung, kann
eine Folgegeneration von internationalen ProjektteamerInnen und
-organisatorInnen entstehen.
„Der Erfolg dieses mehrteiligen Projekts, die Kontinuität der Begeg-
nungen hat uns selbst auch sehr überrascht. Der Wille der Jugend-
lichen, weiter machen zu wollen und die Intensität der thematischen
Auseinandersetzung im Vorfeld war überwältigend. Es war wie eine
magische Kraft, die von dem ersten Projekt in Italien ausgegangen
ist.“ (Ulrike Schlue)
Kontakt
Offener Kunstverein e. V.
Ulrike Schlue
Hermann-Elflein-Str. 10, 14467 Potsdam
Fon: 0331.647 10 20
www.okev.de
Die Wirklichkeit _ 27
Benin, ein kleines Land im Westen Afrikas. Afrika, der fremde Konti-
nent. Bilder entstehen im Kopf. Bilder, geprägt durch Berichte, Mel-
dungen, Nachrichten aus den Medien. Doch wie sieht die Wirklichkeit
aus? Helfen Mittel der Kunst, die Wirklichkeit genauer, intensiver, mit
allen Sinnen wahrzunehmen und dann auch besser zu verstehen? In
der Begegnung zwischen Deutschland und Benin wurde über ver-
schiedene Tanz- und Musikformen und mit den Mitteln der Fotografie
das Fremde erspürt, beobachtet, erfahren, bis es etwas vertrauter
geworden ist.
Dem unbekannten entgegen kommen
Die Reise nach Benin begann noch in Deutschland. Die dreizehn
Leipziger TanzschülerInnen der Musikschule Johann Sebastian Bach
haben sich intensiv darauf vorbereitet. Bei den gemeinsamen Vor-
bereitungstreffen haben sie Bilder aus dem Land angeschaut; auf
der Karte nach berühmten Orten, die sie besuchen wollten gesucht;
Listen zusammengestellt, was unbedingt mitgenommen und beach-
tet werden muss und Erfahrungsberichten der Projektleiterin über
Afrika gelauscht. Sie haben sich auch vorbereitet, Armut und Not zu
begegnen. Sie wollten nicht nur Gäste und BeobachterInnen sein,
haben Spenden für ein Kinderprojekt in Benin gesammelt. Dabei
versuchten sie sich in die Situation der Kinder hinein zu fühlen und
die Welt mit ihren Augen zu betrachten: „Was brauchen die Kinder
am meisten? Worüber würden sie sich freuen?”. Die Auseinanderset-
zung damit, was es in Benin nicht geben könnte und was Kindern und
Jugendlichen eine Freude bereiten würde, ohne dass das Gefühl des
Almosenempfangens entsteht, war ein wichtiger Schritt, um die Per-
spektive der anderen Seite anzunehmen, um sie respektieren und
verstehen zu können.
Andere Seite berühren
Das Erleben der Fremdheit der afrikanischen Wirklichkeit an sich war
eine wichtige interkulturelle Erfahrung. Die Exkursionen, Unterneh-
mungen, Marktbesuche eröffneten die Möglichkeit, sich ein Bild über
das Land und dessen Lebensformen zu machen. Auch die Begeg-
nungen mit Menschen, die sehr hart arbeiten und dennoch fast nichts
besitzen und trotzdem Zufriedenheit und Fröhlichkeit ausstrahlen,
hat viele zum Nachdenken gebracht. Die Jugendlichen brachten diese
enorme Erlebnisflut in ihren Tagebüchern, Gesprächen, Diskussionen
und in der gemeinsamen kreativen Arbeit zum Ausdruck.
„In Benin haben wir die Wirklichkeit gesehen – unsere Wirklichkeit,
als EuropäerInnen mit europäischem Blick. Ein wenig konnten wir in
die Wirklichkeit unserer beninschen Freunde eintauchen, konnten
sie schmecken, fühlen, riechen, ihren Rhythmus, ihr Tempo leben. Im
gemeinsamen Tun haben wir gespürt, wie nah wir einander in Wirklich-
keit sind. Dazu waren die Workshops in modernem und afrikanischem
Tanz und Perkussion sowie Fotografie und die gemeinsamen Unter-
nehmungen wunderbare Gelegenheiten.“ (Marit Vissiennon)
Entdecken
Die Wirklichkeit erschließt sich jedoch nicht nur über Äußeres. Dazu
gehört auch das Wissen darüber, wie das Leben organisiert ist, wie
Schule und der Übergang in Ausbildung und Beruf funktionieren und
welche Lebensperspektiven sich Jugendlichen in Benin bieten. Und
das kann nur in einem unmittelbaren Austausch entdeckt werden.
Die Wirklichkeit mit eigenen Augen sehen
TITEL /// Fremde. Die Wirklichkeit mit eigenen Augen sehen, Beninisch – deutsches Kulturatelier PRoGRAMMFoRM /// bilaterale Jugendbegegung (Rückbegegnung geplant für 2008) KüNSTLERIScHE SPARTE /// Musik, Tanz, Foto ZEIT /// 22.07.-06.08.2007, Abomey-Calavi, BeninTEILNEHMER/INNEN /// 13 Deutsche und 16 beninische Jugendli-che zwischen 17 und 26 JahrenFÖRDERuNG /// BMFSFJ durch BKJ, Botschaft Benins in Berlin,Deutsche Botschaft in CotonouPARTNER /// GALOP Solidarité (Benin) TRäGER /// LKJ Sachsen e. V.
Im Miteinander das Andere entdecken, den Wahrheitsgehalt gängiger
Klischees überprüfen, die Barriere vor dem Anderen, Fremden etwas
kleiner werden zu lassen, war Ziel dieser Jugendbegegnung.
Musik, Tanz und Fotografie als künstlerische Ausdrucksmittel wurden
vor allen genutzt, um den Kontakt und die Begegnung Miteinander zu
befördern und den Blick für die Realität für einander zu schärfen.
Neben den (unerwarteten) wunderbaren Entdeckungen der Gemein-
samkeit und der Vertrautheit, bereicherten auch anderen Facetten
des interkulturellen Lernens die Erfahrungen der Jugendlichen.
„Ich habe durch diesen Kanal des Kulturaustauschs mit unseren deut-
schen Freunden ein gewisses Bild vom europäischen Kontinent und
besonders von Deutschland entdeckt und ein beeindruckendes Bild
ist, wie die jungen Deutschen auf der Zeit reiten. Diese Kultur ist ganz
verschieden von der Kultur der Gummizeit in Benin. Das war eine Gele-
genheit, zu versuchen, eine Antwort auf meine Fragen zu finden wie:
Warum hat Europa alle diese gesellschaftlichen Probleme, obwohl sie
Wohlstand haben und auch die Gelegenheit, die positiven Tatsachen
ihrer Kultur zu analysieren und daraus wirklich eine Lehre für unsere
sozial-kulturelle Entfaltung zu ziehen?“ (André Oke Loko, Benin)
Im Fotografie-Workshop ging es um das genaue Wahrnehmen und das
gemeinsame Auswerten der fotografierten Realität. Am Anfang arbei-
teten die Teilnehmenden in nationalitätsgemischten Gruppen und
später gingen sie getrennt auf Motivsuche, um 'typisch afrikanisches'
festzuhalten. Bei der Präsentation zeigte jede Gruppe zunächst ihre
Fotos. Danach gab es Reaktionen und Assoziationen durch die andere
Gruppe sowie Erläuterungen der Fotografien, was sie mit dem kon-
kreten Foto verbinden. Es war der Abend mit den intensivsten inter-
kulturellen Erfahrungen und Auseinandersetzungen. Für beide Seiten
war es frappierend zu bemerken, wie unterschiedlich die Blickwinkel
auf ein und dasselbe Bild sein können und wie jene durch die eigene
Kultur vorgeprägt sind.
Das Erlebte mitteilen
Die Abschlusspräsentation der Kulturwerkstatt fand im Rahmen einer
Gala im Palais de Congrès in Cotonou statt, zu der eine Vertreterin
des Jugendministeriums sowie der deutsche Botschafter anwesend
waren. Sie würdigten dabei die Bedeutung dieses in seiner Form sel-
tenen Brückenschlags. Die Präsentation zeigte in einer Choreografie,
in der Elemente des modernen Tanzes mit beninschen Tanzschrit-
ten verbunden wurden, das Aufeinanderzugehen der Jugendlichen
beider Kontinente. Die Fotoausstellung, Erfahrungen und Erkennt-
nisse der TeilnehmerInnen „in Kunst verpackt“ wurden auch nach
Deutschland gebracht, um sie im Rahmen entwicklungspolitischer
Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Afrikanischen
Gesellschaft Leipzig den Familien, Freunden und der Öffentlichkeit
vorzustellen.
Veränderung vollziehen
Die Auswirkungen bei den TeilnehmerInnen reichen von der Faszina-
tion von Land und Leuten über die Erweiterung des eigenen Horizonts
und spürbare Verhaltensänderungen bis hin zu entstandenen Freund-
schaften. Die Jugendlichen tragen ihre Faszination in ihre Familien-,
Freundes- und Bekanntenkreise und sorgen damit in kleinem Rahmen
für die Verbreitung eines positiven Afrikabildes.
„Das Reisen in ein Entwicklungsland hat die Auseinandersetzung mit
den Fragen des Reichtums und der Armut und nach “den wichtigen
Dingen im Leben” zur Folge. Gerade für junge Menschen in der Ori-
entierungsphase ist das eine unersetzliche Möglichkeit, sich grund-
sätzlichen Lebensfragen zu stellen. Das Erleben von Situationen,
für die es keinen durch Sozialisation erworbenen “Handlungsplan”
gibt, bringt den Einzelnen an Grenzen, gibt ihm aber auch die Chance
diese Situation leben zu lernen. Durch die Projekterfahrung wurden
die Jugendlichen motiviert, wieder bei einem Afrikaprojekt mitzuma-
chen oder sogar sich freiwillig auf diesem Kontinent zu engagieren.”
(Marit Vissiennon)
28 _ Die Wirklichkeit
Die Wirklichkeit _ 29
Schatzkiste: umsetzung des interkulturellen Lernens
Der Prozess des interkulturellen Lernens wurde in dem gesamten Pro-
jektzeitraum professionell angeleitet und begleitet. Die deutschen
Teilnehmenden wurden beim Vorbereitungstreffen auf die fremde
Kultur vorbereitet und sensibilisiert, offen mit dem Erleben von nicht
vertrauten Situationen umzugehen. Das Eintauchen in die andere Kul-
tur wurde durch eine Vielfalt der Impulse und unmittelbare Begegnung
mit Jugendlichen angeregt. Durch die Möglichkeiten der verbalen und
künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Erlebten in der deut-
schen und in der internationalen Gruppe konnten die Beobachtungen
und Eindrücke der Teilnehmenden aus verschiedenen Perspektiven
reflektiert werden. Die Zusammenarbeit in den Workshops und die
Auseinandersetzung mit der subjektiven Sicht der Dinge hat verdeut-
licht, dass nicht nur Beobachtungen und Vergleiche zum Kennenler-
nen der anderen Kultur führen. Dass vor allem die Offenheit, eigene
kulturelle Vorprägung wahrzunehmen und Mut, sie zu hinterfragen
notwendig sind, um andere Kulturen verstehen und respektieren zu
können, wurde den Jugendlichen spürbar nahe gebracht.
Kontakt
Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und
Jugendbildung (LKJ) Sachsen e.V.
Marit Vissiennon
Sternwartenstr.4 , 04103 Leipzig
Fon: 0341.257 73 35
www.lkj-sachsen.de
www.kulturaustausch-benin-leipzig.de
„Die Leute gehen heute lieber ins Kino, sehen fern oder hängen vor
der Playstation, statt Romane zu lesen. Also müssen Autoren sie auf
ihre Bücher aufmerksam machen. Provokation ist eine Möglichkeit,
ihnen zu sagen: Wacht auf, beobachtet eure Umwelt, macht euch euer
eigenes Bild, werdet euer eigener Regisseur.“
(Frederic Beigbeder)
Die Gruppe ist angereist. Die meisten Jugendlichen haben eine lange
Fahrt hinter sich – aus Rumänien, Schweden, Slowenien und Ungarn.
Heute ist der erste Tag der internationalen Jugendbegegnung, die
Claudia leitet. Das Juli-Wetter lädt ein zum Arbeiten auf der sonnigen
Wiese am Teich, im Schatten der hundertjährigen Bäume. Das Schloss
bietet eine malerische Kulisse für die Eröffnung. Zur Begrüßung
möchte Claudia das Zitat aus dem Roman von Frederic Beigbeder
„39,90“ vorlesen. Dieses Buch hatte sie bewegt und inspiriert, ein
Projekt gegen die der Medien ins Leben zu rufen. Claudia Martsch ist
19 Jahre alt, Freiwillige im FSJ Kultur Sachsen-Anhalt in der Jugend-
bildungsstätte Peseckendorf und kann es immer noch nicht fassen,
dass es ihr gelungen ist, diese Begegnung zu organisieren. Hier ist
ihre Projektgeschichte.
September 2006
Wie alle Freiwilligen des FSJ Kultur konnte auch Claudia im Rahmen
ihres Freiwilligenjahres ein eigenes Projekt umsetzen. Dies sollte
nach ihrer Vorstellung am Anfang eine Buchbesprechung zu „39,90“
werden. Da aber das Problem der Medien als vierte Macht im Staat
keine rein nationalstaatliche Herausforderung darstellte und eine
Buchbesprechung wenig kreative Beteiligung ermöglichte, hatte sie
sich nach einer Beratung mit dem Team der Bildungsstätte für die
Form einer europäischen Jugendbegegnung, eines internationalen
Jugend-Medien-Workshops entschieden.
Die Idee war da, wie sollte es weiter gehen? Wo ist am Besten
anzufangen, für jemanden, der noch keine Erfahrungen in der Orga-
nisation von internationalen Jugendbegegnungen hat?
Der erste Weg führte sie zu ihren beiden MentorInnen – der
Bildungsreferentin und dem Leiter der Bildungsstätte:
„Claudias Idee war toll. Schon seit geraumer Zeit wollten wir als
Jugendbildungsstätte wieder verstärkt eigene Aktivitäten im Bereich
der internationalen Jugendarbeit durchführen. Leider fehlten uns
bisher oft die Personen und Ressourcen. Ermutigt durch ein Seminar
des Landesjugendamtes und getragen durch die Idee unserer neuen
FSJlerin haben sich diese Möglichkeiten dann erschlossen. Als Bil-
dungsstätte konnten wir sozusagen die Hardware für die Begegnung
liefern – Unterkunft, Verpflegung, Räume. Aber dadurch, dass wir
außer unseren Workcamps im Sommer kaum internationale Maßnah-
men durchgeführt haben, fehlte uns die Software: Partner im Ausland,
ausreichende Fördermittel und Erfahrungen in der Programmgestal-
tung. Wir sind jedoch als Jugendbildungsstätte Peseckendorf Mitglied
in der Arbeitsgruppe EXCHANgE Sachsen-Anhalt. Das Projektbüro der
Arbeitsgruppe hat uns dann einige wichtige Tipps gegeben, bei der
Beantragung der Fördermittel geholfen und die Möglichkeit vermittelt,
an einem Contact-Making-Seminar in Tours/Frankreich teilzunehmen.“
(Torsten Boek, Leiter der Jugendbildungsstätte Peseckendorf)
oktober 2006
Zu dem Contact-Making-Seminar – einer Art Partnerbörse für Orga-
nisationen, Verbände und Initiativen, die Partner für internationale
Jugendbegegnungen suchen – in Tours konnte Claudia nicht selbst
fahren, doch die Bildungsreferentin aus Peseckendorf knüpfte dort
nicht nur die wichtigen Kontakte für Claudias Begegnung, auch wei-
tere Absprachen und Projektpartner für die Bildungsstätte wurden
gesichert. Vor allem die europäische Dimension und Tragweite des
Projektes wurde dort erörtert, organisatorische Fragen, das Profil der
Gruppe, Ziele und Methoden besprochen und schon weitestgehend
festgelegt.
Medienwelten: open your eyes – open your mind!
TITEL /// „Open your eyes! Open your mind!“PRoGRAMMFoRM /// Multilaterale Jugendbegegnung (Erstbegegnung der Partner)KüNSTLERIScHE SPARTE /// Video, bildende Kunst, neue MedienZEIT /// 05.–13.07.2007, Peseckendorf, DeutschlandTEILNEHMER/INNEN /// 22 Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahre aus Deutschland, Rumänien, Schweden, Slowenien, UngarnFÖRDERuNG /// EU Programm „Jugend in Aktion“LVWA – Landesjugendamt Sachsen-AnhaltPARTNER /// Rumänien: HAIR ASOCIATION – Youth Foundation BUZAU, Schweden: A-net Youth forum, Slowenien: Vöter The wind – association for extending information and knowledge, Ungarn: Pillar Foundation TRäGER /// Jugendbildungsstätte des Paritätischen Peseckendorf, Integral gGmbH
30 _ Medienwelten
Januar 2007
Claudia hatte mittlerweile alle Anträge geschrieben und eine Gruppe
von vier deutschen TeilnehmerInnen organisiert. Diese Jugendlichen
haben von nun an gemeinsam die Detailarbeit für das Projekt gelei-
stet: Emails an die Jugendlichen der anderen Gruppen geschrieben,
das Programm für die Begegnung vorbereitet und sich inhaltlich
durch Besuche an der FH Magdeburg und bei der größten Lokalzei-
tung vorbereitet. Da Claudias MitstreiterInnen auch ein FSJ Kultur
absolvierten, nutzten sie die Seminare im Rahmen des Freiwilligen-
dienstes als Plattform für ihre Absprachen. Die Gruppe hat die Flyer
für die Jugendbegegnung entwickelt, Zeitungsartikel in der lokalen
Presse veröffentlicht und Gespräche mit SchülerInnen der Europa-
schule Oschersleben und lokalen Jugendeinrichtungen geführt.
April 2007
Die Partnerorganisationen standen bereit und die TeilnehmerInnen
freuten sich auf die Zeit im Sommer. Nun wäre es an der Zeit gewe-
sen in die gemeinsame Detailplanung zu gehen und ein Vorberei-
tungstreffen der Partner durchzuführen. Leider hatte aber das neue
EU-Programm „Jugend in Aktion“ einige Startschwierigkeiten, so
dass bis Juni keine verbindlichen Förderzusagen gegeben werden
konnten. Das Risiko war für Claudias Bildungsstätte und die euro-
päischen Partner zu hoch, da alle erst einmal selbst für die Kosten
hätten aufkommen müssen. So wurden halt die Vorbereitungen per
Telefon und Email intensiviert. Nicht ideal, aber für die Beteiligten
der einzige Weg.
Juli 2007
Das Projekt hat begonnen und Claudia hat die Passage aus „39,90“
von Frederic Beigbeder vorgetragen. Die Reaktionen waren noch
etwas verhalten, niemand traute sich so richtig zu reden. Doch Clau-
dia ist vorbereitet. Sie weiß, dass es in den nächsten zwei Tagen
erst einmal darum geht, eine offene, gute Gruppenatmosphäre zu
schaffen. Es wird sich kennen gelernt – gegenseitige Interview-
Poster entstehen, Teamübungen im Hochseilgarten werden durch-
geführt und das gemeinsame Programm ausführlich erläutert.
Dann geht es zum Thema. Mitgebrachtes Werbematerial aus der
Heimat wird vorgestellt, Informationen über Medien und Werbung
im Internet werden recherchiert. Jetzt ist es wichtig, darüber ins
Gespräch zu kommen. Dabei hilft ein interaktives Gruppenspiel:
„What’s Europe for you?“ soll die Bedeutung eigener und europä-
ischer Werte hinterfragen.
Eine Woche ist fast schon vergangen. Die Gruppe hat sich
gefunden, das Thema ist erkundet und seit zwei Tagen haben sich
die TeilnehmerInnen in vier Kleingruppen aufgeteilt, wovon sich je
zwei Gruppen mit dem Medium Video und zwei mit dem Medium Print/
Poster beschäftigen. In den Gruppen wurde zuerst das Medium erläu-
tert und ausprobiert. Danach wird Material gesammelt – Interviews in
der Gruppe, beim Offenen Kanal, in einer Werbeagentur und einer Dru-
ckerei. Das Erlebte wird abends zwischen den Gruppen ausgetauscht
und in der Freizeit reflektiert.
„Es war besonders interessant, den Stellenwert der Medienwerbung
in den verschiedenen Ländern zu beleuchten, die Unterschiede im
östlichen und westlichen Europa zu entdecken und uns selbst zu fra-
gen, ob und wie unser Verhalten dadurch beeinflusst wird. Vor allem
vor diesem Hintergrund muss die Medienkompetenz Jugendlicher als
eine der wichtigsten Kulturtechniken des 21. Jahrhunderts stärker
als bisher gefördert werden.“ (Claudia Martsch)
Der Tag der Präsentation der Ergebnisse. Es ist keine öffentliche Auf-
führung. Gäste wurden nur von den Förderinstitutionen, Kooperati-
onspartnern und befreundeten Verbänden eingeladen. Die Jugend-
lichen beachteten die Gäste kaum. Es ist ihr Abend – Spannung, was
die anderen Gruppen geschaffen haben und wie ihre eigene Präsen-
tation ankommt. Bis in die frühen Morgenstunden waren die Filme
geschnitten und an den Szenen „gefeilt“ worden.
Den schwarzen Theatersaal erhellen nun Scheinwerfer. Geför-
dert durch eine spartanische Moderation sind die Filme und Poster
der Mittelpunkt des Abends. Bestaunt vom Publikum, bejubelt von
den TeilnehmerInnen. Danach ein reger Austausch: Reflexion, Lob,
Selbstkritik. Und dann wird gefeiert!
Die entstandenen Poster und Filme werden nicht die Welt
verändern, doch sie haben die Jugendlichen verändert, die sie erstellt
haben.
Vor der Schlosskulisse wird am letzten Tag schnell noch ein Gruppen-
foto zur Erinnerung gemacht. Verwirrung kurz vor dem Abschied, alle
schauen Claudia an – was nun, wie geht es weiter. Claudia tröstet
ihre TeilnehmerInnen als hätte sie selbst diese Abschiedssituationen
32 _ Medienwelten
schon oft erlebt: „Es gibt ein nächstes Mal. Hier in Peseckendorf oder
anderswo, Europa ist jetzt kleiner und vertrauter geworden.“
Schatzkiste: Fachliche unterstützung auf allen Ebenen
Internationale Jugendarbeit braucht Motivation, Vertrauen und ein
unterstützendes, fachliches Umfeld, um neue Generationen von
Projektverantwortlichen und TeamerInnen bilden zu können. Durch
die Möglichkeit, ein eigenes Projekt innerhalb ihres Freiwilligen Sozi-
alen Jahres im Bereich Kultur durchführen zu können, wurde Claudia
motiviert, ein Thema, das sie beschäftigt, mit anderen zu teilen. Nicht
überall ist es innerhalb des FSJ selbstverständlich, diese Freiheit zu
haben. Das Team der Bildungsstätte Peseckendorf hat ihr das Ver-
trauen entgegen gebracht, ein internationales Projekt fast eigenstän-
dig umsetzen zu dürfen. Es wurden seitens der MentorInnen Zeit und
Ressourcen investiert, die nicht nur dem Projekt zu Gute kamen, son-
dern auch der Einrichtung genutzt haben.
Die fehlenden Partnerorganisationen und Fördermittel konn-
ten durch die Zusammenarbeit der Bildungsstätte mit der Arbeits-
gruppe EXCHANgE Sachsen-Anhalt gewonnen werden, einer Art regi-
onalem Netzwerk für internationale Jugendarbeit. EXCHANgE konnte
Erfahrungen mit dem EU-Programm „Jugend in Aktion“ weitergeben
und durch die Vernetzung mit anderen regionalen Strukturen in Eur-
opa, im Rahmen des Netzwerks „YER – Youth in European Regions“,
den Kontakt zu potentiellen Partnern bei einem Contact-Making-
Seminar vermitteln.
So sollte ein Unterstützungssystem aussehen. Die Zusammenarbeit
der Fachkräfte auf lokaler, regionaler und europäischer Ebene haben
es Claudia ermöglicht, innerhalb einer doch relativ kurzen Zeit ihr Pro-
jekt zu verwirklichen.
Kontinuität? Für Claudia ist das keine Frage: natürlich macht
sie weiter. Die Semesterferien im Sommer sind schon fest für das Fol-
geprojekt eingeplant. Sie wird dann als erfahrene Teamerin die neue
FSJlerin bei ihrem Projekt in Peseckendorf unterstützen und einige
neue Bücher hat sie auch schon gelesen
Kontakt
Jugendbildungsstätte des
Paritätischen Peseckendorf, Integral gGmbH
Torsten Boek/Renate Kriegel
Kastanienallee 32, 39398 Peseckendorf
Fon: 039408.903 29
www.Jugend-LSA.de/jugendbildungsstaette
Somos _ 33
„Aber bitte nicht zu Hause nachmachen!“ ruft der Zirkusdirektor
den Kindern im Publikum zu, als sich einige der jungen ArtistInnen
aus Deutschland und Nicaragua barfuss über Glasscherben bewe-
gen. Davor gab es schon grazilen Seiltanz, coole Jonglage, charmante
Clownerie und waghalsige Menschenpyramiden. Zum Abschluss noch
die Einradshow und wieder geht einer der vielen Auftritte des gemein-
samen Austauschprogramms zwischen dem Kinder- und Jugend-
zirkus Radelito aus Köln und dem Zirkus Colorinto aus Corinto erfolg-
reich mit viel Applaus zu Ende. Doch wer das knapp zweistündige
Programm begeistert angesehen hat, kann sich im Entferntesten
nicht vorstellen, welche Arbeit und welches Engagement aller Betei-
ligten dahinter verborgen ist.
Bereits 2005 waren 15 Kölner Jugendliche zu Gast in Nicara-
gua. Ihr Ziel: Zusammen mit den Jugendlichen des Betreuungs- und
Ausbildungszentrums Centro de Menores einen Jugendzirkus in
Corinto ins Leben zu rufen. Neben vielen Ideen, ihren Fähigkeiten und
der Offenheit für etwas Neues, gab es jede Menge Zirkusrequisiten im
Gepäck, die sie durch eigenes Fundraising besorgt hatten.
Dann im Oktober 2006 der Rückbesuch: Drei Wochen lang
waren die 15 Colorintos mit den Radelito FreundInnen aus Köln
zusammen. Dabei standen nicht nur gemeinsame Zirkusproben und
-aufführungen im Programm. Die Unterkunft und Betreuung in den
Familien, die Teilnahme am Köln-Marathon, der Besuch eines Artisten-
Gottesdienstes und viele andere Aktivitäten gestalteten die Maßnah-
me als Höhepunkt der Partnerschaft.
Zusammenarbeit mit einem Land aus Lateinamerika
SkeptikerInnen, die es immer gibt, kennt auch das Somos-Projekt:
„Was soll die ganze Spielerei, die Menschen der Entwicklungsländer
haben überhaupt keine Chance auf einen Beruf in diesem Bereich. Von
eurem Zirkuskram können sie nicht satt werden“. Doch erfolgreiche
Kooperation und Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Schwellen-
ländern verläuft meist nicht in geradlinigen Kausalitäten. Oft sind es
die auf längere Zeit und auf Bewusstseinsveränderung angelegten
Projekte, die dort wo relative Not bestimmend ist, zu nachhaltigen
Veränderungen führen. Bildung und Kultur sind Investitionen in die
Infrastruktur der Lebensverhältnisse. Der Kölner Zirkus Radelito hat
mit seiner Partnerschaft gezeigt, dass es darum ging, positive Kräfte,
Zuversicht und Freude zu vermitteln. Davon war auch der zur Begrü-
ßung aus Berlin angereiste Botschafter Nicaraguas Alvaro Mollona
beeindruckt gewesen: „Die jungen Menschen haben durch die Zirkus-
arbeit eine neue Lebensperspektive erhalten.“
Die Radelitos sind auf dem Gebiet ihrer kulturellen Entwick-
lungszusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen nicht allein. Sie
bekommen und geben Unterstützung in einem informellen Netzwerk
von Personen, Vereinen und Institutionen, die sich auch mit Lateina-
merika und Nicaragua beschäftigen. Neben den Menschen aus dem
näheren Umfeld von Radelito, sind dies vor allem die Stadt Köln mit
ihrem Städtepartnerschaftsprogramm und InWent – Internationale
Weiterbildung und Entwicklung gGmbH mit ihrem ASA–Programm für
entwicklungspolitischen Jugendaustausch.
Die OrganisatorInnen sind überzeugt davon, dass sie mit
ihrem Programm Jugendliche für ein längerfristiges Engagement in
entwicklungspolitischen Fragen gewinnen können. Acht der Somos-
Somos ... viel wertvoller als all das Geld der Welt
TITEL /// Internationale Jugendzirkusbegegnung „Somos“PRoGRAMMFoRM /// Bilaterale Jugendbegegnung mit mehreren Hin- und RückbegegnungenKüNSTLERIScHE SPARTE /// ZirkusZEIT /// 02. – 23.10.2006, Köln, Wiesbaden, weitere OrteTEILNEHMER/INNEN /// 33 im Alter zwischen 12 und 20 Jahren, davon 18 aus Deutschland und 15 aus NicaraguaFÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ, Stadt Köln und Stadt WiesbadenPARTNER /// Nicaragua: Circus Colorinto des Jugendzentrums Centro de Menores, Corinto TRäGER /// Con.Action e.V./Kinder- und Jugendzirkus Radelito
TeilnehmerInnen haben ein von InWent unterstütztes Multiplikato-
rInnen-Training besucht, so dass sie im Sommer 2007 als solche nach
Nicaragua reisen konnten. Mittlerweile gibt es ständig Jugendliche
bei den Partnern in Nicaragua, die ein Freiwilliges Soziales Jahr im
Ausland oder ein ASA-Programm dort absolvieren. Radelito redet nicht
nur über die UN-Dekade „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“,
sondern setzt eigene Aktivitäten im Sinne dieser um.
„Verständnis und Respekt lernt man nicht aus Büchern, sondern durch
gemeinsame Erlebnisse. Ich habe hier etwa 20 neue Freunde kennen
gelernt und alte Freunde wieder getroffen – es war kein Projekt, es war
ein großes Familientreffen. Das war einfach viel wertvoller als all das
Geld der Welt.“ (Eine Teilnehmerin im Evaluationsbogen)
Schatzkiste: Fundraising, Eltern- und Ehemaligenarbeit
Allen Beteiligten war von Anfang an klar, dass sich das Somos-Projekt
sehr kostenintensiv gestalten wird. Allein mit den Fördersätzen der
öffentlichen Zuwendungsgeber konnte das nicht finanziert werden.
Es mussten alle verfügbaren Register der alternativen Mittelbeschaf-
fung gezogen werden. Hier zahlte sich die kontinuierliche Zirkusarbeit
aus, denn Radelito hatte etwas zu bieten: eine tolle Show. Im April
2006 stellte der renommierte Zirkus Roncalli dem Schulzirkus Rade-
lito für eine Aufführung sein Zirkuszelt zur Verfügung. Über 1000 Köl-
nerInnen kamen, bestaunten die Leistungen der Jugendlichen und
zahlten dafür. Damit war der Grundstein für die Reisekosten der nica-
raguanischen Jugendlichen nach Köln gelegt. Um das Folgeprogramm
2007 in Nicaragua abzusichern, wurde diese Form des Fundraising im
Mai 2007 erfolgreich wiederholt.
Hier zeigt sich ein Vorteil des internationalen Jugendkulturaus-
tauschs: Es entstehen meist Produkte, die, auch wenn nicht entschei-
dend für die pädagogischen und interkulturellen Ziele, einem breiten
Publikum präsentiert werden können.
Doch das wirklich Beeindruckende an der Ressourcengewinnung
des Radelito-Projekts, ist die Eltern- und Ehemaligenarbeit. Ohne
die Zusammenarbeit und die Beteiligung dieser „Ressourcen-
gruppe“ würden dem Projekt nicht nur Mittel, Materialien, Unterkunft
und Transport fehlen, es würde auch ein Großteil des Charakters
verloren gehen: Herzlichkeit, Gastfreundschaft und generationsüber-
greifender Zusammenhalt.
Viele Eltern nutzen auch ihre Freizeit, um während des Projekts ein-
fach mal so vorbei zu kommen. Unkompliziert – da sein, mit anpacken
oder nur zusehen, hier mal ein Kuchen, eine Dose Süßes, Handschuhe
und Socken aus dem Sonderangebot, mal eben 5 Ladungen Wäsche
waschen, tocknen, bügeln. Immer alles mit einem freundlichen
Lächeln, mit Begeisterung und Zuwendung.
Andere Eltern haben mit ihren Autos die Jugendlichen gefahren, zwei
sind Krankenschwestern und haben uns medizinisch versorgt und
ehemalige TeilnehmerInnen haben Requisiten geschweißt und die
Videodokumentation übernommen.“ (Georg Steinhausen)
Kontakt
Con.Action e.V./Kinder- und Jugendzirkus Radelito
Hans van Ooyen, Georg Steinhausen, Karl Lichtenberg
Olefstr. 2, 50937 Köln
Fon: 0221.73 70 69
www.radelito.de
34 _ Somos
Eine Woche Hip-Hop Fieber _ 35
Movement 2006
Die jungen KünstlerInnen, MusikerInnen und TänzerInnen aus
Deutschland, Tschechien und Österreich trafen sich eine Woche lang,
um über verschiedene Elemente der Hip-Hop-Kultur theoretisch in
einen Diskurs zu treten und praktisch Techniken auszutauschen.
In Rap, Graffiti, Breakdance, Beatbox oder in der DJ-Perfor-
mance konnten sich die TeilnehmerInnen nicht nur üben, sondern
bekamen auch die Möglichkeit, ihr Können vor Publikum unter Beweis
zu stellen. Die hierbei entstandenen privaten Kontakte und Freund-
schaften dienen als Grundlage für einen langfristigen, kulturellen
Dialog und für wechselseitiges Kennenlernen der Kulturräume.
Höhepunkt der Woche war dann das Live-Konzert, bei dem
neben den aus Tschechien angereisten „Czeckers“ (Beatbox, Rap)
auch die lokalen Größen „Breakfast“ (Breakdance) und der Beatboxer
„Joker“ ihren Auftritt hatten.
Doch weder die Müdigkeit noch das durchwachsene Wetter
konnten die Teilnehmenden am letzten Tag davon abhalten, sich
auf den Wänden der „Hall of Fame“ künstlerisch auszudrücken. Den
ganzen Sonntag über kamen Neugierige und Szenegänger vorbei, um
spontane Aktionen zu erleben und den KünstlerInnen bei ihrer Arbeit
zuzusehen.
Am Ende waren nicht nur die Jugendlichen begeistert von den Fer-
tigkeiten, welche die ReferentInnen ihnen vermittelten. Auch diese
selbst zeigten sich begeistert darüber, dass die TeilnehmerInnen so
enthusiastisch mitgemacht hatten:
„Hip-Hop-Workshops mit internationaler Beteiligung gibt es öfter.
Modellhaft an Movement war, dass die künstlerische Arbeit mit inter-
kulturellen Reflexionseinheiten kombiniert wurde: kulturelle Stan-
dards und Gruppenrituale wurden sichtbar gemacht und diskursiv
bearbeitet. Fragen wie „Grundwerte der Subkultur Hip-Hop“ lösten
dabei interessante Diskussionen aus, welche einige Perspektiven-
wechsel ermöglichten.“(Andreas Dittlmann)
Das Vermitteln von interkulturellen Kompetenzen stand beim Hip-
Hop-Camp im Vordergrund. Die TeilnehmerInnen haben sich durch die
Auseinandersetzung mit der Hip-Hop-Kultur an das interkulturelle
Handlungsfeld angenähert. Die eigenen Ausdrucksformen (Musik,
Tanz, Kunst) wurden weiterentwickelt und spezifiziert.
„Hip-Hop-Kultur“ zeigt, dass kulturelle Globalisierung nicht
automatisch zur kulturellen Vereinheitlichung führt. Denn bestimmte
Formen in den vier Ebenen des HipHop zirkulieren weltweit, zum Teil
vermarktet über den Mainstream der Popmusik, zum Teil zirkulieren
sie im globalen Underground. In den lokalen Szenen bildeten und bil-
den sich dann die jeweiligen Stile heraus.
Teil des Gesamtprojekts „Junge Impulse an der D-cZ Grenzregion“
Movement 2006 reihte sich in eine Vielzahl anderer wohlklingender
Projekte der kulturellen Jugendbildung ein, die durch die USG (Uni-
ted Scene Group) umgesetzt wurden: Waldart, Rumble Reagee, die
Wildnis in mir, sprich code: dilna slov, Herr der Rauten, Nebelklänge,
Himmelsnest oder Heavy Gates of Europe, so ihre Titel.
Das Gesamtprojekt „Junge Impulse an der D-CZ Grenzregion“
war ein strategisches Instrument zur (inter-)kulturellen Regional-
entwicklung, welches im Zusammenspiel verschiedener Träger und
Eine Woche Hip-Hop-Fieber
TITEL /// Hip-Hop-Camp „Movement 2006“PRoGRAMMFoRM /// trilaterale JugendbegegnungKüNSTLERIScHE SPARTE /// Hip-Hop (Musik, Tanz, Bildende Kunst)ZEIT /// 21. – 28. 08. 2006, PassauTEILNEHMER/INNEN /// 29 Jugendliche im Alter zwischen 18 und 27 Jahren, davon 21 aus Deutschland und 8 aus Tschechien und ÖsterreichFÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ, Deutsch-Tschechischer Zukunftsfond, Europäischer Fond für regionale Entwicklung (EFRE), Stadt Passau, weiterePARTNER /// Tschechien: Divadlo Archa, Sidliste pod RalskemÖsterreich: „e-luma“, Salzburg TRäGER /// United Scene Group e. V.
36 _ Eine Woche Hip-Hop Fieber
Anbieter kultureller Bildungsarbeit der Region ausgearbeitet wurde.
Es wurde durch ein Bündel von Impulsmaßnahmen die regionale Iden-
tität hinsichtlich der stattfindenden Transformationsprozesse, ins-
besondere für Jugendliche durch die Vermittlung von interkulturellen
Kompetenzen stabilisiert.
Hauptziel des Projekts war somit die Förderung der interkul-
turellen Kompetenzen von Jugendlichen im deutsch-tschechisch
Grenzraum, durch Vernetzung der Angebotslandschaft für kulturelle
Bildung mit unterschiedlichen Schwerpunktzentren (Musik, bildende
Kunst, Medienarbeit, Tanz, Theater).
Das Vorhaben war mit den Einzelintentionen Impulsgeber
dafür, dass KünstlerInnen und Kulturinitiativen motiviert wurden,
eigene Kinder- & Jugendprojekte entsprechend ihren Möglichkeiten
in Angriff zu nehmen. Es war aber auch als Gedankenanstoß für Leh-
rerInnen, ErzieherInnen und engagierte Eltern gedacht – mit dem Ziel,
deren Motivation zu fördern, mit ihren Kindern kulturelle Angebote
verstärkt wahrzunehmen und eigene Initiativen mit den gegebenen
Möglichkeiten zu entwickeln. Die USG war Träger, Koordinator und
Moderator in diesem Prozess.
Schatzkiste: interkulturelle Regionalentwicklung
durch kulturelle Bildung
„Ich glaube, der Unterschied zu anderen Projekten ist, dass wir nicht
aus der Jugendarbeit heraus kommen, sondern in der Regionalent-
wicklung unsere Wurzeln haben. Wir wollten innerhalb des Drei-Län-
der-Ecks Deutschland-Tschechien-Österreich mit unseren Projekten
einen Impuls geben, eine Bewusstseinsveränderung innerhalb der
Bevölkerung erreichen, dass sich diese Region als gemeinsame Euro-
päische Region versteht und nicht nur Bayerischer Wald, Südböhmen
und Oberösterreich für sich. Diesen regionalentwicklungspolitischen
Ansatz haben wir versucht mit der Methode und Dimension des Künst-
lerischen verschiedenen Zielgruppen zu vermitteln. Das Hip-Hop-
Camp „Movement 2006“ war ein Projekt von vielen.“
(Andreas Dittlmann)
Insgesamt hat die United Scene Group seit ihrer Gründung im Jahr
1996 mehr als 100 verschiedene künstlerische Jugendprojekte mit
internationaler Beteiligung in der Drei-Länder-Region durchgeführt.
Dabei war es für die USG und ihre Partner selbstverständlich und kei-
neswegs uneigennützig, auch andere Regionen und Länder in diesen
Austausch einzubeziehen. Dittlmann: „Es war am Anfang sehr schwie-
rig für uns, Jugendliche aus Bayern für eine Begegnung zu begeistern,
die „nur“ mit Tschechen oder Österreichern läuft. Außerdem kann man
das Verständnis nachbarschaftlicher Gemeinsamkeiten viel stärker
herausarbeiten, wenn man sich mit der Kultur eines Koreaners oder
US-Amerikaners konfrontiert sieht.“
Kontakt
United Scene Group e.V.
Andreas Dittlmann
Niebelungenstr. 07, 94032 Passau
Fon: 0851.988 18 44
www.usg-online.de
www.united-scene-group.net/projektrueckblick
Von essbaren Büchern _ 37
Die Europäische Sommerwerkstatt ist ein vom Kinderbüro der Stadt
Weimar angeregtes internationales Jugendkulturprojekt. Sie findet
jährlich in Weimar statt und seit 10 Jahren wird von dem polnischen
Künstler Wieslaw Karolak eine inhaltliche Projektidee im Vorfeld
mit seinen StudentInnen erarbeitet und dann beim Projekt gemein-
sam mit Teilnehmenden aus verschiedenen europäischen Ländern
umgesetzt. 2007 waren es Jugendliche aus Polen, der Schweiz und
Deutschland im Alter von 12 bis 15 Jahren.
„Eine kreative Werkstatt ist eine Art non-formaler Bildungssprozess.
Dieser methodische Ansatz ist effektiver als traditionelle Unter-
richtsmethoden und stellt den gemeinsamen Prozess der kreativen
Gestaltung in den Vordergrund und nicht das materielle Produkt. Die
Werkstatt als Methode der kreativen Arbeit ist ein europäisches Ver-
mächtnis.“ (Wieslaw Karolak, Kunstakademie Lodz, Polen)
„Bücher und Buchobjekte in Beziehung zur Umgebung“ war das
Thema der aktuellen Sommerwerkstatt. Die Teilnehmenden haben
sich gemeinsam auf den Weg der Bücher begeben. Auf diesem Weg
begegneten sie Büchern über Menschen, Gruselgeschichten und
Gegenständen. Durch die gemeinsame interkulturell-künstlerische
Arbeit sind die jungen BuchproduzentInnen in ihre verschiedenen
Welten gegenseitig eingetaucht und haben eigene „Lebensbücher“
Von essbaren Büchern
TITEL /// 14. Europäische Sommerwerkstatt: Bücher (und Buchobjekte in Beziehung zur Umgebung)PRoGRAMMFoRM /// trilaterale JugendbegegnungKüNSTLERIScHE SPARTE /// 29.07–04.08.2007, Weimar ZEIT /// 02. – 23.10.2006, Köln, Wiesbaden, weitere OrteTEILNEHMER/INNEN /// 32 Jugendliche im Alter von 12 bis 15 Jahren aus Polen, Schweiz, DeutschlandFÖRDERuNG /// DPJW durch BKJPARTNER /// Polen: InSEA (International Society for Education through Art) Verband der Kunsterzieher, Schweiz: Pro-Juventute TRäGER /// IG Papiergraben/Ferienpass
geschrieben: Über die Erfahrung des Fremdseins, das Gefühl, erste
Freundschaften knüpfen zu können und das Erlebnis der Gemein-
schaft in einer neuen Gruppe.
Die verschieden Übungen passten haargenau in die unter-
schiedlichen Phasen kurzzeitpädagogischer, interkultureller Grup-
pendynamik. Beispiele:
Meine Krawatte erzählt
Die Begegnung beginnt. Ein mulmiges Gefühl entsteht: ein fremdes
Land, eine Gruppe von unbekannten Menschen. Der erste Schritt ist
schüchtern und vorsichtig, alle bekannten Fremdwörter verstecken
sich in den tiefsten Ecken und wollen nicht raus kommen. Ohne Wörter
anzufangen ist leichter. Die Krawatten werden gestaltet. Auf ihnen
finden Hobbys und Eigenschaften Platz, die man den Anderen mit-
teilen möchte. Bunte Blumenwiesen, scharfe Chilis, eine Geige unter
dem Mond und ein Hilfeschrei von einer einsamen Insel erzählen
Geschichten ihrer BesitzerInnen. Mit dieser Unterstützung fällt auch
das Vorstellen leichter. Die Knoten der Krawatten und die ersten Kon-
takte werden gemeinsam geknüpft.
Ich-Du-Wir
An einem langen Tisch, bespannt mit einem weißen Tuch, sitzen sich
die TeilnehmerInnen einander gegenüber. Die leere Kontur eines
Kopfes schaut jeden Teilnehmenden aus dem Tischtuch an. Der Blick
wird auf den Gegenübersitzenden gerichtet und die entstandenen
Eindrücke finden um die Kontur herum Platz: Fröhlichkeit oder eher
Nachdenklichkeit, Liebe für Musik oder eher Leidenschaft für Sport.
Dann werden die Plätze getauscht. Nun vervollständigt man das vom
Anderen begonnene Portrait. So entstehen die Portraits der Teilneh-
menden in Interaktion miteinander. Nicht als realistisches Bild, son-
dern als eine phantasievolle und kreative Darstellung. Anschließend
wird der Blick auch auf die PlatznachbarInnen gerichtet. Auf dem
Tischtuch beginnt ein buntes Tauschen: Liebe zur Musik wandert zu
dem Nachbarn und seine Leidenschaft fürs Basketball spielen wird
38 _ Von essbaren Büchern
empfangen; ansteckendes Lachen wird im Austausch für blühende
Fantasie abgegeben. Der Fluss der Noten fließt, Herzchen und Wolken
bilden Girlanden, Straßen der Farben füllen die Tischlandschaft. So
entsteht ein geschlossenes und verbundenes Bild als Buch der Por-
traits der ganzen Gruppe. Das stumme Betrachten und Staunen geht
über in Erläuterungen, Erklärungen, Austausch – viele Wege führen
zueinander.
Das große gemeinsame Bild
Gemeinsam soll ein Bild gestaltet werden, an dem alle einen gleichen
Anteil haben – wie auf dem Papier, so auch im Leben. Auf dem far-
big-quadratischem Blatt werden mit verbundenen Augen Ornamente
und Figuren gemalt. Danach wird jedes Bild in zwei gleiche Dreiecke
zerschnitten. Jeder Teilnehmende sucht sich ein Bild mit Formen und
Farben, die zu seinem Bild passen und klebt es zusammen. Diese Teile
werden wiederum mit anderen passenden Teilen zusammengefügt.
So entsteht nach und nach ein großes, von allen gefertigtes gemein-
sames Bild(erbuch), in dem sich alle nach einigem Suchen als Teil
einer festen Gemeinschaft wieder finden.
Das Buch der geheimnisvollen und mysteriösen Geschichten
Das Gemeinschaftsgefühl blüht in allen Prachtfarben. Die täglichen
Spaziergänge durch Weimar eröffnen neben vielen Orten der Kul-
tur auch merkwürdiges: Höhlen und Grotten, finstere Gänge und
Keller, skurrile Skulpturen. Die Idee, ein Buch mit geheimnisvollen
Geschichten zu gestalten, entsteht. Vor dem Beginn der Bucher-
stellung wird geübt, Vertrauen zueinander aufzubauen und Eigenes
loslassen zu können. Ein Sehender führt die Hände seines Partners
mit verbundenen Augen. Gemeinsam zeichnen sie. Danach bekommt
jede Gruppe von jeweils fünf TeilnehmerInnen (aus verschiedenen
Ländern) ein leeres Blatt mit fünf Feldern. In der Mitte zeichnet jemand
eine Geschichte und erklärt sie. Die Anderen nehmen die Figuren auf
und führen die Geschichte weiter. Ein hohes Maß an Kooperation, die
Fähigkeit, sich zu verständigen und Kompromisse schließen zu kön-
nen, kommen zum Vorschein. Sehr aufmerksam, mit großem Interes-
se und Stolz, werden die entstandenen Ergebnisse begutachtet.
Das Buch der Gegenstände – was uns die Dinge sagen können
Es kommt die Zeit, das Erlebte in der Gruppe in die eigene Welt ein-
fließen zu lassen. Die Teilnehmenden gestalten ein eigenes Buch.
Sie hören der Geschichten der Gegenstände aus ihrem Umfeld und
schreiben sie in ihr persönlichen Buch, was auch eine einfallsreiche
Form z.B. der Konturen des Gegenstands annimmt. Alle Bücher wer-
den ausgestellt und von den AutorInnen vorgelesen.
Bücher zum Essen
Viele neue Eindrücke, Gefühle, Erlebnisse und Erfahrungen haben die
TeilnehmerInnen aus den drei Ländern in den letzten Tagen erhalten.
Eine bunte Mischung, die Zeit zum Sortieren braucht, den Platz im
alltäglichen Leben zu finden, um sich in etwas Nachhaltiges, Wert-
volles zu transformieren. Aber zuerst wird gebacken. Aus gemeinsam
hergestelltem Salzteig werden vielfältige und phantasievolle Pizzas
zubereitet. Der Belag der Pizzas – die Eindrücke der Sommerwerk-
statt – werden nach eigenem Geschmack ausgesucht. Die Fahnen
der Länder, historische Bauten und Sehenswürdigkeiten der Stadt,
Herzen und viel Eiscreme ergeben eine „leckere“ Mischung. Nicht alle
gebackenen Kreationen „sprechen für sich“. Die KöchInnen erläutern,
tauschen sich aus.
Das Buch der Persönlichkeiten
Zeit und Erfahrung verändert. Finde ich mich wieder? Gipsmasken
der Gesichter werden angefertigt. Sie werden mit den dazugehö-
rigen Krawatten an einem Stock befestigt und auf der Wiese in einer
Reihe aufgestellt. Das sind wir! Durch die stummen weißen Masken
irgendwie gleich, aber durch unsere Einzigartigkeit anders und unver-
wechselbar.
Von essbaren Büchern _ 39
Ein ganz normales Kind(er)leben – international, nicht immer pro-
blemlos, grenzenlos. Es ist ein kleiner Baustein beim Bau des Hauses
Europa. Das Erleben der Gemeinschaft durch Tun, der Weg der kleinen
Schritte.
„Kulturprojekte ermöglichen eine besonders kreative Lernsituation.
Kreativität, Phantasie, Erfahrungen, Fertigkeiten und Fähigkeiten
werden auf ein gemeinsames Ziel hin eingesetzt. In der Sommer-
werkstatt wurden vielfältige Möglichkeiten künstlerischen Experi-
mentierens ausprobiert und künstlerische Techniken nicht isoliert
vermittelt, sondern vorrangig die sozialen Funktionen des gemein-
samen Gestaltens und Lernens gefördert.“ (Steffi Engelstädter)
Schatzkiste:
Den Gruppenprozess unterstützende künstlerische übungen
Ein internationales Jugendprojekt mit Teilnehmenden zwischen 12
und 14 Jahren benötigt andere Methoden als Begegnungen, an den
Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren oder älter teilnehmen. Unter
der Anwendung der kreativen Werkstatt als künstlerische Metho-
de wurde der Gruppenprozess in allen Begegnungsphasen effektiv
genutzt, um Interaktion und interkulturelles Lernen zwischen den
Teilnehmenden zu gestalten. Respektvoll und schrittweise fanden
Vorstellung und Kennenlernen der Teilnehmenden statt. In späteren
Phasen wurden die Interaktion und Kommunikation stärker gefördert,
der Blick vom „Ich“ auf das „Wir“ gerichtet. Beim Gestalten haben die
Teilnehmenden durch gemeinsame Portraits die vielfältigen Facetten
der Persönlichkeit von anderen und gemeinsame Berührungspunkte
entdeckt. Sie haben unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit
erlebt: aus den eigenen Bildern ein Gruppenbild gestaltet, die Ideen
von Anderen in kreative Gruselgeschichten ergänzt und ihr eigenes
Buch der Gegenstände geschrieben. Auch der Reflexion des Erlebten
wurde, wie einem guten Buch, genug Zeit gelassen. Ein Lehrbuch zum
Einsatz bildender Kunst in internationalen Jugendbegegnungen mit
jüngeren Zielgruppen.
P.S.
Die geplante Übergabe der entstandenen Bücher an die Anna-Amalia-
Bibliothek, die vor drei Jahren teilweise einem verheerenden Brand
zum Opfer fiel und Ende 2007 wieder eröffnet wurde, hat nicht statt-
gefunden. Die TeilnehmerInnen wollten ihre Bücher mit nach Hause
nehmen.
Kontakt
IG Papiergraben/Ferienpass
Steffi Engelstädter
Goetheplatz 9 b, 99423 Weimar
Fon: 03643.90 20 87
www.papiergraben.de
Wer an Grenzen denkt, stellt sich Betonmauern, Stacheldrahtzäune
und grimmige Grenzbeamte vor. Doch diese sichtbaren Grenzen ver-
schwinden so langsam in Europa. Die Grenzen sind schlauer gewor-
den. Sie verstecken sich in vielen unverständlichen Sprachen, in
großen Entfernungen, im oft demotivierendem Umfeld, in gespürter
Chancenlosigkeit und in der Angst vor dem Fremden. Der Herausfor-
derung, diese Grenzen zu überwinden, stellten sich fünfzig Jugendli-
che aus Marseille, Duisburg und Schwerin im Jugendkulturprojekt „Ein
grenzenloses Miteinander“. Durch verschiedene künstlerische Akti-
onen und Erlebnisse wollten sie bestehende Barrieren überschreiten
und gemeinsam für ein Ziel eintreten – eine Welt ohne Intoleranz und
Rassismus. Um dies zu ermöglichen, standen den Teilnehmenden
engagierte JugendarbeiterInnen, hilfsbereite SprachassistentInnen
und erfahrene KünsterInnen zur Seite.
Das gemeinsame Ziel vereint
In den vierzehn Tagen dieser Jugendbegegnung stand die Zusam-
menarbeit mittels künstlerischer und kulturpädagogischer Arbeits-
formen im Vordergrund. Die Jugendlichen hatten die Möglichkeit,
sich in zahlreichen Kunstsparten auszuprobieren und gemeinsam
eine Vorstellung auf der Freilichtbühne in Schwerin auf die Beine zu
stellen. Unterstützt von Fachleuten haben sie ebenso in Eigenregie
eine Webpräsentation, einen Dokumentarfilm und eine CD erstellt.
Der Weg führte die deutschen und französischen Teilnehmenden
durch Diskussionen, Auseinandersetzungen und ließ sie in die Welt
der Jugendkultur mittels Theater, orientalischem und modernem
Tanz, Rap, Hip-Hop, Audiobearbeitung, Video, Malerei, Grafik und pla-
stischem Gestalten eintauchen. Die international gemischten Grup-
pen haben in einer Woche verschiedene künstlerische Beiträge für
ein interdisziplinäres Bühnenprogramm vorbereitet. Jeden Tag kam
die Gruppe in einer großen Runde zusammen, um zurück zu schauen,
das Entstandene in der Gemeinschaft zu genießen und die Verände-
rungswünsche sowie choreografischen Ideen in die weitere Arbeit
optimal einfließen zu lassen. Somit konnte das Projekt zu keinem Zeit-
punkt an den Interessen und Bedürfnissen der Teilnehmenden vorbei
geführt werden. Bereits zum Ende der ersten Projektwoche wurde
die Gruppenarbeit beendet und in die Gesamtproben für die Durch-
führung der Abschlussveranstaltung überführt. Alle Teilnehmenden
zeigten in dieser Arbeit ein hohes Engagement, Begeisterung und
große Ausdauer. Die intensive Projektarbeit wurde durch Erlebnisse
bei gemeinsamer Freizeit aufgelockert. Es wurden lokale Sehenswür-
digkeiten besucht und in einer Nachtaktion die Schweriner Sternwarte
erkundet. Museumsbesuche, Sommernachts-Disco, Lagerfeuer, eine
Bade- und Bootstour sowie der Grillabend fehlten auch nicht.
Fataler Tag zwei
Tag zwei begann prima. Alle Räume der Jugendkunstschule waren
mit Leben erfüllt. Im Tonstudio agierten französische und deutsche
RapperInnen, im Ballettsaal wurde sowohl orientalisch als auch
Breakdance getanzt und auf der Probebühne trainierten die Schau-
spielerInnen. Doch nach den Workshops, auf dem Fußweg zur Jugend-
herberge, wurde die internationale Gruppe von einheimischen, mit
Steinen bewaffneten Jugendlichen überfallen und durch den Schloss-
garten gejagt. Rassismus, bis dahin nur eine Erscheinung irgendwo
Die Angst vor dem Fremden
TITEL /// Ein grenzenloses MiteinanderPRoGRAMMFoRM /// bilaterale Jugendbegegnung, deutsch (Schwerin)/deutsch (Duisburg) – französischKüNSTLERIScHE SPARTE /// Theater, Tanz, Musik, Video, bildende KunstZEIT /// 15.–29.07.2007, SchwerinTEILNEHMER/INNEN /// 40 Jugendliche von 17–23 Jahren aus Deutschland und FrankreichFÖRDERuNG /// DFJW über BKJ, Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern und weiterePARTNER /// Association de Promotion de L’Ingénierie Socio-Alternative, Marseille, Frankreich TRäGER /// Schule der Künste Schwerin e. V.
40 _ Die Angst vor dem Fremden
außerhalb der heilen Welt der internationalen Begegnung, war plötz-
lich real. Nach dem rassistischen Übergriff auf die Projektteilneh-
merInnen standen alle unter Schock. Die Gewalt erzeugte bei vielen
Jugendlichen eine enorme Angst, so dass einige keinen Schritt mehr
vor die Tür der Jugendherberge setzen wollten – die Fortsetzung des
Projekts war gefährdet.
Die Diskussion in der großen Runde am Abend konfrontierte die
Teilnehmenden mit einer bitteren Wirklichkeit und erinnerte aber zu-
gleich an die wichtige friedensstiftende Rolle einer internationalen
Begegnung.
Die gemeinsame Auffassung aller Beteiligten war eindeutig:
„Wir machen weiter!“ Nicht nur die Jugendlichen wurden durch diesen
Zwischenfall zum couragierten Handeln bewegt. Viele VertreterInnen
der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, breite Schichten der
Öffentlichkeit und der Bevölkerung wurden sensibilisiert. Nationale
und internationale Presse hatten es zu ihrer Pflicht gemacht, über
das Projekt und das Geschehen zu berichten. Insbesondere die betei-
ligten Jugendlichen kamen im Rahmen der Berichterstattung deutlich
zu Wort. Die OrganisatorInnen des Projekts legten in den Gesprächen
mit den MedienvertreterInnen konsequent darauf Wert, dass die
Inhalte der Begegnung im Mittelpunkt der Interviews standen und
nicht nur der Überfall.
„Jetzt erst recht muss dies gemacht werden. Wir haben uns vorge-
nommen hier zwei Wochen zu verbringen, um etwas Tolles auf die
Beine zu stellen, da werden wir uns nicht von ein paar Leuten, die es
nicht anders oder besser kennen, irritieren lassen.“ (Yadigar Uzun,
Teilnehmerin)
Kulturfest auf der Freilichtbühne
Die ausführliche Berichterstattung hat nicht zuletzt dazu beigetra-
gen, dass sehr viele Gäste kamen, um das bunte Treiben, den orienta-
lischen und modernen Tanz, die Hip-Hop-ArtistInnen, Theatersketche
und Atelierarbeit einmal aus der Nähe anschauen. Die Vorstellung ging
reibungslos über die Bühne und am Ende waren sich alle einig: Die
turbulenten, manchmal recht kräftezehrenden Tage der Vorbereitung
haben sich wirklich gelohnt. Im Anschluss spielten verschiedene
Jugendbands der Region. Trotz einsetzenden Regens blieben ihnen
die Fans und die ProjektteilnehmerInnen die gesamte Zeit treu. Die
Premiere-Party rundete das einmalige Erlebnis einer gelungenen
internationalen Aktion ab und verkündete den bevorstehenden
Abschied, der sicherlich keinem leicht viel.
Ein rassistischer Überfall, ein schier unüberschaubarer Pressean-
sturm, unzählige Sponsoren und viele freundliche und hilfsbereite
Schweriner BürgerInnen – diese zwei Wochen führten die Jugend-
lichen wahrlich durch ein Wechselbad der Gefühle. Mit ihren eige-
nen Worten hat es Sinem aus Duisburg auf der Bühne auf den Punkt
gebracht: „Am Anfang waren wir Jugendliche aus unterschiedlichen
Regionen, aber jetzt, jetzt sind wir eine Familie.“ Ein internationales
Projekt schafft Verständigung über kulturelle Unterschiede hinweg
und hilft auch, die eigenen Grenzen im Kopf zu überwinden. Diese Tage
haben den TeilnehmerInnen Eindrücke vermittelt, die sie ein Leben
lang bewahren werden. Und im nächsten Jahr treffen sich alle wieder
– in Marseille.
„Trotz einem geringen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund
gibt es in Mecklenburg-Vorpommern eine verstärkte rechtsradikale
Tendenz, die auf Ängsten vor Fremden aufbaut. Und gerade hier, in
einer infrastrukturell abgeschnittenen Region bilden internationale
Jugendbegegnungen eine einmalige Chance, junge Menschen mit
kosmopolitischen Standpunkten und Ideen vertraut zu machen, ihr
Interesse für die Länder und Menschen Europas, deren Geschichte
zu wecken und aufzuzeigen, dass weniger die Unterscheidungsmerk-
male als die bestehenden Gemeinsamkeiten Zusammenarbeit und
Zusammengehen befördern. Gerade mittels solcher Veranstaltungen
Die Angst vor dem Fremden _ 41
42 _ Die Angst vor dem Fremden
kann man der in breiten Teilen der Gesellschaft verwurzelten Affinität
zu rassistischen und rechtsextremen Gedanken begegnen. Wenn wir
über solche internationalen Projekte Kindern und Jugendlichen auf-
zeigen, dass kulturelle Vielfalt Chancen und keine Gefahr bedeutet,
wird es eine Normalität.“ (Holger Reschke)
Schatzkiste: umgang mit Konflikten
Ein wesentlicher Anspruch an interkulturelles Lernen in internationa-
len Jugendbegegnungen ist es, im Projekt vorhandenes Lernpotential
aufzugreifen und zu nutzen. Auslöser hierbei sind oft in der Gruppe
selbst zu finden. Sei es auch noch so lapidar, wie das andere Essver-
halten, kulturell geprägte Vorurteile oder „komisch“ erscheinende
Rituale und Traditionen. In der Interaktion zwischen den Teilneh-
menden kommen Situationen zum Vorschein, in denen verschiedene
interkulturelle Auffassungen „aufeinander prallen“. Sie äußern sich
durch Spannungen in der Gruppe, Missverständnisse oder Konflikte.
Es gibt aber auch Lernpotenziale, die aus dem Umfeld des Projekts
auf die Gruppe wirken. Auch wenn es etwas seltsam klingt, der ras-
sistische Überfall auf die Gruppe am zweiten Tag des Projekts hat
den Gruppenprozess unterstützt und Lernerfahrungen ermöglicht.
Jedoch nur, weil die Fachkräfte und OrganisatorInnen das einzig Rich-
tige getan haben – sich mit dem Geschehenen in der Gruppe ausei-
nander zu setzen. Sie haben nicht versucht, die Teilnehmenden „zu
schützen“, in dem man „alles regelt“ und offene Gespräche über Angst
und Unsicherheit meidet. Nicht nur die Erfahrung, sondern vor allem
ihre pädagogisch angeleitete Reflexion, trägt zum interkulturellen
Lernen bei. Genauso lobenswert ist die Tatsache, dass die Veranstal-
terInnen der Verführung stand halten konnten, den Lernprozess und
die Bedürfnisse der Teilnehmenden trotz der enormen Aufmerksam-
keit der nationalen und internationalen Medien in den Vordergrund
zu stellen.
Kontakt
Schule der Künste Schwerin e.V.
Holger Reschke
Platz der Jugend 25
19053 Schwerin
Fon: 0385.581 56 99
www.sdkev.de
Jugendkunstschulen _ 43
Von Inspiration und Motivation berichten diejenigen, die durch einen
Fachkräfteaustausch im eigenen und fremden Land neue Impulse
für ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gewonnen haben. Kon-
krete Projektideen, Kooperationskontakte und ein „befreiender Blick
über den eigenen Tellerrand“ – so die Kommentare der Reflektions-
runde der TeilnehmerInnen des Austauschprogramms für Fachkräfte
der Jugendkunstschulen. Das Programm des Bundesverbands der
Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen (bjke)
und des finnischen Kunstschulverbands für Kinder und Jugendliche
„Suomen lasten Ja Nourten Kuvataidekoulujen liito RY“ führte die
deutsche Delegation 2005 nach Finnland. 2006 wurde den finnischen
KollegInnen ein Einblick in die künstlerische Kinder- und Jugendarbeit
in Deutschland geboten.
2005 in Finnland
Das Programm in Finnland bot sowohl Einblick in Strukturen als auch
in die konkrete praktische Arbeit der Kinder- und Jugendkunstschu-
len. Innerhalb des knapp einwöchigen Aufenthalts in Helsinki und
Städten der Umgebung sind mehrere Jugendkunstschulen, eine
Musikschule und das zuständige Unterrichtsministerium besucht
worden. Dadurch war ein Einblick in die Praxis (Räume, Mitarbeite-
rInnen, Medien, Angebote, Schwerpunkte), in die Arbeit einer Einrich-
tung in einer anderen Kunstsparte (Musikschule) und in die formalen
Strukturen (Ministerium) möglich.
Die deutschen Fachkräfte aus acht Bundesländern trafen in
Finnland auf grundlegende Gemeinsamkeiten: begeisterte, engagier-
te, qualifizierte KünstlerInnen, KunstpädagogInnen, „LehrerInnen“,
die in ihren Einrichtungen mit Kindern und Jugendlichen nach Wegen
suchen sich künstlerisch auszudrücken.
In Finnland liegt der Fokus der Jugendkunstschularbeit auf der
Bildenden Kunst – für Theater und Tanz gibt es eigene Einrichtungen.
Das Konzept der Kunstschulen beruht auf einer landesweiten gesetz-
lichen Grundlage, die eine anteilige staatliche Finanzierung der loka-
len Arbeit grundsätzlich ermöglicht. Kommunen, die eine Kunstschule
oder eine ähnlich künstlerisch arbeitende Einrichtung mit definiertem
„Grundunterricht“ unterhalten, werden finanziell „belohnt“.
Grundunterricht, Curriculum, LehrerInnen – Begriffe, die in der
außerschulischen Jugendbildung in Deutschland aufgrund der ver-
dächtigen Nähe zur strengen Regelschulstruktur lieber gemieden
werden, sind im finnischen Kunstschulsystem selbstverständlich.
Das hat einen Perspektivwechsel der deutschen TeilnehmerInnen
geradezu provoziert. Zahlreiche Diskussionen mit den finnischen
KollegInnen, aber auch untereinander wurden hierdurch in sehr pro-
duktiver Weise ausgelöst.
„Die Teilnehmenden sind mit der Erwartung hin gefahren, einen ganz
wichtigen Teil des tollen Pisa-Gewinner-Bildungssystems kennen zu
lernen. Auf die immer wiederkehrende Frage der Deutschen, warum
denn Finnland bei der PISA-Studie so gut abgeschnitten habe, begeg-
nete uns eine breite Palette von Antworten. Sie reichte von Ratlosigkeit
bis hin zu der von einer Musikschulleiterin vorsichtig vorgebrachten
Idee reichte, dass die Natur in Finnland eine ganz besondere Rolle für
die Entwicklung spiele und sicherlich auch Einfluss auf die Bildungs-
Jugendkunstschulen zwischen Curriculum und Kunst – Erfahrungen eines deutsch-finnischen Fachkräfteprogramms
TITEL /// Kulturelle Jugendarbeit als Bildungsprojekt – Perspektiven zwischen Deutschland und Finnland PRoGRAMMFoRM /// FachkräfteprogrammKüNSTLERIScHE SPARTE /// InterdisziplinärZEIT /// Finnland: 26.09.–02.10.2005, Helsinki, Hämeenlinna, Porvoo, Vantaa; Deutschland: 25.–29.09. 2006, Berlin, Potsdam, BrandenburgTEILNEHMER/INNEN /// 15 deutsche und 15 finnische Fachkräfte FÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ, weiterePARTNER /// Finnland: Suomen Lasten Ja Nuorten Kuvataidekoulujen Liito RY, Finnisch Association of Art schools for children and young people TRäGER /// bjke – Bundesverband der Jugendkunstschulen und Kulturpädagogischen Einrichtungen e. V.
44 _ Jugendkunstschulen
entwicklung habe. Was den schulischen Kunst- und Musikunterricht
betrifft, sitzen Finnen und Deutsche jedoch im gleichen Boot: An
den Regelschulen werden Kunst- und Musikunterricht immer weiter
abgebaut. Es erschien, dass Kunst und Kultur zu den Pisa-Ergeb-
nissen nicht so beigetragen haben, wie die deutschen KollegInnen
dies erwartet (und natürlich gehofft) hatten. Naheliegender war eine
grundsätzlich andere Haltung zu und Umsetzung von Bildung als eine
der wichtigen „Ressourcen“ des Landes. Davon lebte auch unsere Dis-
kussion.“ (Mechthild Eickhoff)
2006 in Deutschland
Die finnisch-deutsche Delegation besuchte sechs Einrichtungen in
den Bundesländern Berlin und Brandenburg. In den Einrichtungen
führten jeweils Fachleute (LeiterInnen, MitarbeiterInnen, Künst-
lerInnen, zuständige PoltikerInnen) durch die Häuser, erläuterten
Konzepte und Organisationsformen. Unterschiedliche Modelle von
Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen konn-
ten miteinander verglichen werden. Durch die besondere Organi-
sationsform der beiden Berliner Jugendkunstschulen „Atrium“ und
„Pankow“ mit ihren Lehrerabordnungsstunden für den Betrieb der
außerschulischen Jugendkunstschule entstanden rege Diskussionen
über die Kooperation mit Regelschulen. In den Vordergrund rückten
Vergleiche über die jeweilige finanzielle und personelle Situation vor
Ort. Von besonderem Interesse war ein Kursbesuch in der Jugend-
kunstschule Pankow, der zum direkten Vergleich der Arbeitsweisen
der KunstpädagogInnen anregte.
Die Spartenvielfalt als Grundidee deutscher Jugendkunstschu-
len wurde vor Augen geführt.
Deutlich wurde auch, dass sich deutsche Jugendkunstschulen
in einem dichteren Netz von Kooperationen und inhaltlichen Ansprü-
chen, beispielsweise bezogen auf Schule, auf Integration oder Partizi-
pation bewegen. Es gab viel Anlass für eine weiterführende Auseinan-
dersetzung mit der Aufgabe und dem Auftrag, aber auch mit Freiheit
und Flexibilität einer Kunstschule.
„Finnische Kunstschulen gestalten künstlerische Ausbildung,
die Betonung liegt auf dem Handwerk und der künstlerischen Ausei-
nandersetzung, nicht so maßgeblich auf der Persönlichkeitsbildung.
Das Verständnis der Aufgabe der Kunstschulen dort ist nicht so politi-
siert wie unseres. Wir sind trainiert, auf Schlüsselkompetenzen durch
kulturelle Bildung sofort einzugehen und das Bewusstsein, dass
wir für präventive gesellschaftliche Arbeit wichtig sind, ist selbst-
verständlich und kann zu Angeboten wie „Filzen für den Frieden“
führen. Wenn man intensiver an der Qualität der eigenen Arbeit
forschen könnte und nicht immer gezwungen wäre „Feuerwehr zu
spielen“, Richtungen zu wechseln oder mehrere Wege gleichzeitig
zu gehen, fände ich das sehr wohltuend.“ (Mechthild Eickhoff)
Fazit
Internationaler Fachkräfteaustausch inspiriert die jeweils eigene
Arbeit in besonderem Maß. Der persönliche Bezug schafft größere
Verbindlichkeiten, ermöglicht präzisere Vorstellungen von der „Wirk-
lichkeit“ kultureller Bildung im anderen Land. Dies öffnet den eigenen
Horizont, hinterfragt eigene Ansätze und Strukturen, beispielsweise
auf die Notwendigkeit einer curricularen Basis für die Jugendkunst-
schulen in Deutschland oder eines geregelten „Tarif“-Systems zur
Bezahlung der verantwortlichen Kräfte. Die Inspiration und Motivati-
on der Fachkräfte, die durch den Austausch im eigenen und fremden
Land gelungen ist, wirkt sich direkt auf die Arbeit mit Kindern und
Jugendlichen aus. Internationale Fachkräfteprogramme festigen die
Rolle der teilnehmenden haupt- und ehrenamtlichen Fachkräfte als
Schlüsselpersonen in ihren Einrichtungen und Organisationen. Auch
werden die Qualifizierung durch Fachkräfteprogramme und die inter-
nationale Vernetzung zu wichtigen Qualitätskriterien für die eigene
kulturpädagogische Arbeit.
Weiterentwicklung
Alle TeilnehmerInnen an den beiden Fachkräfteprogrammen betonten
ihre Begeisterung für fachliche Kontakte dieser Art, die sich u.a. auch
Jugendkunstschulen _ 45
in konkreten Planungen für internationale Projekte mit finnischen
Partnern niedergeschlagen hat. Ein Austausch im Bereich der digi-
talen Medien, eine Ausstellung, das Aufgreifen der Inhalte und Metho-
den der künstlerischen Medienarbeit des Partnerlandes für die eigene
Arbeit sind nur einige Beispiele für Folgewirkungen und Kooperati-
onsprojekte, die nach den beiden Programmen entwickelt wurden.
Die beiden Trägerorganisationen der Fachkräfteprogramme haben
ineinander jeweils einen zuverlässigen Partner entdeckt und arbei-
ten auch weiterhin an einem kontinuierlichen, am Bedarf der Einrich-
tungen orientierten Austausch zwischen finnischen und deutschen
Kunstschulen.
Schatzkiste: Beidseitigkeit und Nachhaltigkeit als Beginn
der europäischen Vernetzung
Der Austausch der Fachkräfte aus finnischen und deutschen Kunst-
schulen ermöglichte es, Einrichtungen und Arbeitsinhalte vor Ort
zu erleben, miteinander zu vergleichen, gemeinsame Projekte auf
der Ebene der Fachkräfte und der Jugendlichen anzustoßen, sowie
auf gleicher Augenhöhe konkrete Fachthemen zu diskutieren. Was
mit dem Besuch in Finnland begonnen wurde, setzte sich inhaltlich
und fachlich systematisch in der Präsentation und Diskussion der
deutschen Einrichtungslandschaft und des Kinder- und Jugendhil-
fesystems in Deutschland fort. Darüber hinaus wurden Kontakte
geknüpft, gefestigt und langfristige, nachhaltige Kooperationskon-
takte geschaffen. In der nächsten Zukunft soll der Austausch von
Jugendlichen und Fachkräften aus ganz Europa verwirklicht werden.
Dafür wird das 2006 gegründete Netzwerk „Arts4all“ von Jugend-
kunstschulen aus vielen Ländern Europas eine stärkende Rolle spie-
len. Auch die Initialzündung für die Gründung von „Arts4all“ hat das
deutsch-finnische Fachkräfteprogramm geliefert.
Kontakt
bjke – Bundesverband der Jugendkunstschulen
und Kulturpädagogischen Einrichtungen e. V.
Mechthild Eickhoff
Kurpark 5, 59425 Unna
Fon: 02303.693 24
www.bjke.de
Sie lauschten den Ausführungen des Redners auf den Golan-Höhen
– von vergangen Zeiten und Kriegen, vom Leben Jugendlicher zwi-
schen Schule, Familie und Armee und von der ewig komplizierten poli-
tischen Lage. Für sie hat in den vergangenen zwei Wochen Frieden ein
Gesicht bekommen: Es sind die verschiedenen Gesichter innerhalb
ihrer Gruppe, geformt durch die gemeinsame inhaltliche Auseinan-
dersetzung, die Interviews auf den Straßen und die Projektarbeit
an ihrem Dokumentarfilm. Nur einige Wochen später, zwischen der
Hin- und Rückbegegnung, beginnt erneut ein kriegerischer Konflikt
im Grenzgebiet von Israel und Libanon. Die Vorstellung, dass dort,
wo sie noch vor kurzem mit ihren neuen Freunden campierten, der
Alttag nun wieder von Raketen bestimmt wird, lässt die Gesichter des
Friedens erblassen.
Sie sind 10 Jugendliche aus Sachsen, die im Mai und August 2006 an
einer internationalen Jugendbegegnung der Evangelischen Jugend
Sachsen teilgenommen haben, um Spuren des Friedens zu suchen
– in Deutschland und in Israel.
Über 30 Anmeldungen hat Projektleiter Thomas Feist für diese Maß-
nahme erhalten, da fiel es schwer eine Auswahl zu treffen. Dies gelang
durch einen Fragebogen, den alle InteressentInnen ausfüllen muss-
ten, „dabei spielte es keine Rolle, ob jemand nun getauft und kon-
firmiert war oder nicht, allein die Darlegung des Interesses für das
Projekt war ausschlaggebend“ (Thomas Feist)
Tagebuchauszug einer Teilnehmerin am Tag der Ankunft in Israel:
Menschenmasse /// junge Wilde und jetzt /// so Stille ///
sitzen auf dem noch /// sonnenwarmen Asphalt. ///
Yitzhak-Rabin-Platz ///
vor 10 Jahren hier Schüsse – Drama –
Ende des Friedensprozesses? /// ///
Junge Musiker singen die ‚alten, traurigen Lieder‘. ///
alle sitzend. Massen. /// ein Menschenmeer schweigt still ///
vor der /// flackernden Kerze im Bildschirm. ///
Singen stumm die Melodien. /// Weit /// der Blick. ///
nach hinten gerichtet – /// auch nach vorne? /// ///
Und paradox – /// heute hier die Trauernden, Sirenenalarm
in dem das Land erstarrt, /// „night of sad songs“ und weinende
Mütter, die ihre Geschichten erzählen von verlorenen Söhnen – ///
morgen die Helden, „für das Vaterland gestorben“,
„in den Tod für uns gegangen“ der Sinn hatte für die
Unabhängigkeit Israels?! /// ///
und im /// Palästinenser-Gebiet wird /// heute gejubelt ///
und morgen getrauert. /// ///
(Caroline Richter, Teilnehmerin)
Auf Friedenssuche mit der Videokamera –eine deutsch-israelische Jugendbegegnung in Konfliktzeiten
TITEL /// Frieden hat ein GesichtPRoGRAMMFoRM /// Bilaterale Jugendbegegung (Hin- und Rückbegegung)KüNSTLERIScHE SPARTE /// Film / Video, Literatur, Neue Medien, FotoZEIT /// 01.–12.05.2006 – Holon, weitere Orte , Israel07.–18.08.2006 – Leipzig, Berlin, Dresden, DeutschlandTEILNEHMER/INNEN /// 20 (je 10) Jugendliche zwischen 18 und 25 JahrenFÖRDERuNG /// Jugendwettbewerb Frieden für Europa – Europa für den Frieden des Fonds Erinnerung und Zukunft in Trägerschaft von MitOst e. V., BMFSFJ über AEJPARTNER /// Israel, Stadtverwaltung Holon/NGO „I & EYE“ (Israeli and European Youth Exchanges) TRäGER /// Landesjugendpfarramt Sachsen
46 _ Auf Friedenssuche
„Ist Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg?“
Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand die Begegnung mit
einfachen und doch besonderen (Mit-)Menschen und die Suche nach
den biographischen Kriterien, die sie zu dem werden ließen, was sie
sind. Durch die geringe Distanz zwischen diesen „Gesichtern des Frie-
dens“ und ihnen selbst fanden die Jugendlichen Anknüpfungspunkte
für eigenes Handeln und Engagement für den Frieden.
Es wurden Menschen getroffen, die „wie du und ich“ sind
– „Gesichter des Friedens“ mitten aus der Gesellschaft. Gerade
die Nähe des Handelns im Alltag des „Normalbürgers“ hat aufge-
zeigt, dass Frieden im Zusammenleben von Menschen und beispiel-
haftes Handeln für den Frieden auch heute, auch für junge Menschen,
machbar ist.
Das Thema Frieden beschäftigte die Gruppe auf verschie-
denen Ebenen. Neben einem friedvollen Zusammenleben, welches
ethischen Grundsätzen folgt, wurde auch der soziale Frieden, Frie-
den zwischen arm und reich sowie zwischen verschiedenen Gesell-
schaftsschichten, Frieden zwischen verschiedenen Volksgruppen,
Ethnien und Konfessionen aufgearbeitet. Somit konnte zum einen
der Facettenreichtum des Begriffs aufgezeigt und zum anderen das
Betätigungsfeld für junge Menschen weiter geöffnet werden.
Die Realität im Film einfangen und nicht den Frieden glorifizieren
Der im Rahmen des Projekts produzierte Dokumentarfilm wurde
in Teamwork zwischen der Regisseurin Tabea Sternberg und den
Jugendlichen erarbeitet. Ein Film eignet sich hervorragend, um die
TeilnehmerInnen anzuregen, ihr Projekt von der Außenperspektive
her wahrzunehmen. Es gelang, die Jugendlichen von Anfang an in den
Realisierungsprozess des Films einzubinden, so dass die Arbeit an
dem Film ein wichtiges Instrument der Identifizierung der Teilneh-
merInnen mit „ihrem“ Projekt wurde. Durch den Film ließ sich die
Nachhaltigkeit des Projektes erheblich beeinflussen.
„In dem 30 Minuten langen Film haben die TeilnehmerInnen
Menschen aus beiden Ländern interviewt und gefilmt. Dabei sollte
keine Friedens-Glorifizierung betrieben werden. Ziel war es, die Rea-
lität kennen zu lernen und einzufangen“, so die Regisseurin Tabea
Sternberg. „Ein Beispiel: im Film ist zu sehen, wie die Projektgruppe
zwei israelische Bauern trifft, Siedler mit großen Gewächshäusern.
Einer von ihnen vertraut seinen palästinensischen Arbeitern voll
und ganz, der andere beschäftigt nach einem Überfall nur noch
Thailänder.“
Während sich die Gruppe bei dem Aufenthalt in Israel neben
dem Holocaust vor allem mit dem dortigen Konflikt beschäftigte,
lag der Schwerpunkt der Friedenssuche bei der Rückbegegnung in
Deutschland auf der friedlichen Revolution von 1989 und davor. Unter
anderem schlug ein Pfarrer den Bogen von der damals durch ihn ins
Leben gerufenen Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“, die sich zu
einer Protestbewegung unter Jugendlichen in der DDR entwickelte,
bis hin zu den Ereignissen, die dann zum Mauerfall führten. Einige der
israelischen TeilnehmerInnen äußerten sich, dass auch in ihrem Land
noch so manche Mauer fallen muss.
Acht TeilnehmerInnen erhielten den Kompetenznachweis Kultur
„Der Kompetenznachweis Kultur kann sehr gut auch im internationa-
len Bereich vergeben werden, dort, wo mit kulturell-künstlerischen
Medien und Methoden gearbeitet wird. Ich bin überzeugt davon und
das hat sich in meiner Praxis auch gezeigt, dass dies eine andere Art
der Reflexion für Jugendliche darstellt, sich innerhalb eines solchen
Projektes der eigenen Stärken bewusst zu werden – immer voraus-
gesetzt, dass ein verbindlicher Rahmen und verbindliche Standards
vorhanden sind. Für mich als Leiter dieser Maßnahme war das dialo-
gische Verfahren des Kompetenznachweises eine wichtige Hilfe, um
die Evaluation des Projekts gemeinsam und partnerschaftlich mit den
Jugendlichen gestalten zu können. Damit ist für mich das Verfahren
nicht nur für die persönliche Entwicklung der acht deutschen Teilneh-
merInnen wichtig, die nach der Begegnung den Kompetenznachweis
Kultur erhielten, es trägt ebenso wesentlich zur Auswertung der
gesamten Jugendbegegnung bei.“
Schatzkiste: sehr gute, partizipative Öffentlichkeitsarbeit
Was nicht in der Öffentlichkeit passiert, passiert nicht. Diesen
Leitspruch der PR-ManagerInnen haben die OrganisatorInnen des
Projekts sehr ernst genommen. Vor allem die eigens für das Projekt
gestaltete Homepage stellt dies unter Beweis. Beeindruckend an der
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist die Anzahl und Vielfalt der Medi-
en, die über das Projekt berichtet haben. Hinzu kommt, dass für die
Zeitungs-, Radio- oder Fernsehberichte nicht immer die gleichen Teil-
nehmerInnen etwas zum Besten gaben, sondern jene Aufgabe schon
im Vorfeld in der Gruppe gut verteilt war. So wurde die Öffentlichkeit
jugendgemäß informiert und die TeilnehmerInnen hatten damit auch
die Chance, ihre Projektziele vor laufendem Mikro zu reflektieren und
zu schärfen.
Die Übernahme der Schirmherrschaft durch eine Person des
öffentlichen Lebens (hier die Bundesjugendministerin von der Leyen)
ist ebenso ein nützliches Instrument im Baukasten der PR-Arbeit, das
nicht nur großen Projekten oder Kampagnen vorbehalten ist.
Kontakt
Landesjugendpfarramt Sachsen
Dr. Thomas Feist
Schmidstr. 1, 04158 Leipzig
Fon: 0341.912 09 76
www.international-sachsen.de
www.facesofpeace.int.tc
Auf Friedenssuche _ 47
Seit 1987 hat sich das Projekt „Sonnensegel“ mit seinem bildungs-
politischen Ansatz und dem Bemühen, Kunst zu demokratisieren
und für alle verfügbar zu machen, erfolgreich entwickelt und viele
Erfahrungen in die internationale Zusammenarbeit im Bereich der
kulturellen Kinder- und Jugendbildung einfließen lassen. In diesem
Rahmen wurde auch die Partnerschaft mit der Kinder- und Jugend-
kunstschule in Vilnius, Litauen aufgebaut.
„Vor einigen Jahren haben wir zu einem Projekt unter dem Motto
„Willkommen in Europa“ litauische Jugendliche nach Deutschland ein-
geladen. Die Grundidee dabei war es, Kontakte mit einer Kunstschule
der neuen EU-Staaten zu knüpfen. Wir empfanden eine Verpflichtung,
mit osteuropäischen Partnern Kulturkontakte zu pflegen sowie den
Dialog der Kulturen unter Jugendlichen zwischen Ost und West voran-
zubringen. Die litauischen Partner haben unsere KunstschülerInnem
zu einer Rückbegegnung eingeladen, um sich mit dem Thema „Gemein-
samkeiten und Unterschiede in der Architektur“ auseinander zu set-
zen. Aus diesen zwei Projekten hat sich der Wunsch entwickelt, nicht
nur in den überholten Gastgeber- und Gastrollen zu arbeiten, sondern
gemeinsam Konzepte und Programme im Vorfeld partnerschaftlich
zu entwickeln. Und so war dieses Projekt ein absoluter Höhepunkt
in der Zusammenarbeit unserer Kunstschulen. Vom Anfang bis zum
Ende haben wir das Projekt miteinander international gestaltet. Die
Jugendlichen standen im Vorfeld im Erfahrungsaustausch, haben
Kontakte geknüpft und mit Hilfe der neuen Medien eine Konzeption
erarbeitet. Erst dann haben wir, erwachsene KünstlerInnen und Päda-
gogInnen, diesen Prozess aufgegriffen und unsere langjährigen Kurs-
teilnehmerInnen dabei unterstützt. Wir haben uns dafür wirklich Zeit
gelassen. Gemeinsam sind wir zu der Überschrift gekommen „Name-
Stadt-Land“. Es war ein Wunsch von beiden Seiten, sich mit der Natur
zu beschäftigen und sich mit unseren künstlerischen Mitteln damit
auseinander zu setzen.“ (Martina Stein)
Spiel mit Steinen und Wasserschlangen
Für die meisten TeilnehmerInnen war es die erste intensive Ausei-
nandersetzung mit der Natur. Es hat bei den jungen KünstlerInnen
den Sehsinn geschärft für die unendliche Fülle an Mustern, Formen
und Farben, die die Umgebung bietet. Durch einen Filmbeitrag über
Land-Art und Blicke durch Passepartouts in die Umgebung wurden
die Jugendlichen angeregt, in der Natur künstlerisch zu arbeiten.
Diese Signale aufzunehmen und sichtbar zu machen, war der näch-
ste Schritt. Es entstanden Installationen auf Wegen, an Bäumen und
am Wasser. Unter fachkundiger Anleitung der KunstpädagogInnen
aus Deutschland und Litauen, wurden für die Kunstobjekte Blätter,
Zweige, Steine und Farbpigmente benutzt. Mit Zahnstochern wurden
die Baumblätter zu langen Schlangen verkettet, blutrot und rapsgelb
betuscht und durch ein Flüsschen gezogen. Nur kurz wirbelte der
unwirkliche Farbstrudel durchs Wasser, festgehalten von den Klicks
kleiner Digitalkameras. Ein Labyrinth aus Steinen, eine kunstvolle
Anordnung der Stöckchen und kleinen knorpeligen Äpfeln – Versuche,
das Außergewöhnliche in der Natur durch ein junges Auge zu entde-
cken und damit zu spielen. So entstanden vergängliche Gebilde, die
nur wenige Tage oder gar Stunden überdauerten. Die Vergänglichkeit
der Natur-Kunst wurde in Fotos festgehalten und in dieser Form in
die Stadt getragen.
Aus den Naturobjekten, Installationen, großformatigen Fotos
und der begleitenden Fotodokumentation entstand eine von den
Name – Stadt – Land – Art
TITEL /// Name – Stadt – Land – ArtPRoGRAMMFoRM /// Bilaterale Jugendbegegung KüNSTLERIScHE SPARTE /// Land-Art, Bildende Kunst, Foto, InstallationZEIT /// 20.–29.06.2007, Brandenburg-MötzowTEILNEHMER/INNEN /// 10 litauische und 14 deutsche Jugendliche im Alter von 12 bis 16 Jahren FÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ,Land Brandenburg/LandesjugendamtPARTNER /// Litauen: Kinder- und Jugendkunstschule „Dailes mokykla“, Vilnius TRäGER /// Kinder- und Jugend-Kunst-Galerie „Sonnensegel“ e. V.
48 _ Name – Stadt – Land – Art
Jugendlichen gestaltete Ausstellung in der St. Petri Kapelle am
Dom Brandenburg an der Havel. Die Werke der jungen KünstlerInnen
erfuhren eine deutliche Würdigung. Im Ergebnis eines Wettbewerbes
zur Eröffnung des Altstädtischen Rathauses von Brandburg schmü-
cken digital bearbeitete Bildausschnitte des Projektes heute den
Vorraum der Oberbürgermeisterin.
Land-ArtDie Kunst-Bewegung Land-Art entstand in den USA der späten sech-ziger Jahre. Die Natur wird nicht nur abgebildet, sondern selbst als Medium verwendet. Die KünstlerInnen arbeiten mit den verschie-densten Materialien, die in der Landschaft zu finden sind, wie Sand, Lehm, Stein, Moos, Farn, Blätter, Holz oder Blüten. Angesichts der Vergänglichkeit der Kunstwerke, die meistens außerhalb des tra-ditionellen Ausstellungsbereiches Galerie und Museum realisiert werden, bedienen sich die Land-Art-KünstlerInnen verschiedener Hilfsmittel zur Verbreitung ihrer Kunst. So halten sie ihre Werke ins-besondere auf Fotografien und Filmen fest.
Das wichtigste Ergebnis
In der deutsch-litauischen Zusammenarbeit entstanden nicht nur
sichtbare Werte. Das Wertvollste – Erlebnisse, Erfahrungen, inter-
kulturelle und soziale Kompetenzen – ist unmöglich mit Video- oder
Fotokamera festzuhalten. Das pädagogische Programm des Pro-
jektes umfasste mehr als nur die Auseinandersetzung mit der Natur
mittels künstlerischer Aktivitäten. Sowohl die Arbeit in den national
gemischten Gruppen als auch die der Freizeit bot den Jugendlichen
ausreichend Möglichkeit, Geschichten über Deutschland und Litauen,
das eigene Zuhause und den Alltag zu erzählen. Während der gemein-
sam verbrachten Zeit, zahlreichen Exkursionen zu den kulturellen
Sehenswürdigkeiten in Brandenburg, Potsdam und Berlin, sowie
einem Wochenende in deutschen Familien haben die Teilnehmenden
einander auf eine andere Weise kennen gelernt. Die Kooperation in
den gemischt-nationalen Gruppen während der Workshops und die
gemeinsame Gestaltung der Abschlussausstellung war dafür eine
wichtige Voraussetzung.
„Wir waren fasziniert von der künstlerischen Professionalität und
der angenehmen Art der litauischen Jugendlichen. Westeuropäische
Jugendliche sind oft anspruchsvoll, anmaßend, laut, selbstbewusst.
Diese jungen Leute waren auch selbstbewusst, aber eben anders –
bescheidender, zurückhaltender – wir fanden das sehr sympathisch.“
(Armin Schubert)
Schatzkiste:
Wertvolle Erfahrung der gleichberechtigten Partnerschaft
Sowohl die Teilnehmenden als auch die Fachkräfte profitieren vom
Austausch am meisten, wenn die gemeinsame Begegnung in einer
gleichberechtigten Partnerschaft vorbereitet, durchgeführt und aus-
gewertet wird. Die Gestaltung eines Projektes vor dem Hintergrund
der Bedürfnisse und der sozialen Realitäten der Teilnehmenden und
die gemeinsame Planung aller Schritte, trägt nicht nur zur fairen
partnerschaftlichen Aufteilung der Verantwortung des Projektes bei,
sondern erhöht enorm das Zufriedenheitsgefühl aller Beteiligten und
sollte in keinem Projekt der internationalen Jugendarbeit in irgendei-
ner Weise verhandelbar sein.
Diese Art von Partnerschaft vermittelt nicht nur demokratische
Werte von Beteiligung, Respekt und Annerkennung. Die Gleichberech-
tigung der Kulturen wird exemplarisch vor- und ausgelebt.
Kontakt
Kinder- und Jugend-Kunst-Galerie „Sonnensegel“ e. V.
Armin Schubert , Martina Stein
Gotthardtkirchplatz 4, 14770 Brandenburg
Fon: 03381.52 28 37
www.sonnensegel.de
Name – Stadt – Land – Art _ 49
Der Fachkräfteaustausch mit dem Titel „Deutsch-Japanisches Studi-
enprogramm“ wird seit 1971 von IJAB – Fachstelle für internationale
Jugendarbeit gemeinsam mit großen Organisationen der deutschen
Jugendarbeit jährlich organisiert. Der Austausch für die Fachkräfte im
Theaterbereich konnte 2004 erstmalig durch die Bundesarbeitsge-
meinschaft (BAG) Spiel & Theater in Kooperation mit der BKJ durchge-
führt und ab 2005 mit einem neuen Partner, dem Japan Arts Council,
fortgesetzt werden. In den Jahren 2004–2007 lag der Fokus des Pro-
gramms auf der Theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen. 2008
und 2009 sollen auf Wunsch der deutschen KollegInnen die bildenden
Künste den Schwerpunkt des Fachkräfteprogramms bilden. Im Fol-
genden wird vorwiegend über den zweiten Teil 2007, das Programm in
Japan 2007 berichtet. Einige Überlegungen beziehen sich aber auch
auf die Erfahrungen der Jahre 2004–2006.
Geografie und Stationen des Studienprogramms
Das Studienprogramm war eine besondere und fachlich reizvolle
Gelegenheit, ein kulturell sehr entferntes Land von professioneller
(fachlicher) Seite zu erleben und dort bleibende Eindrücke von ver-
schiedenen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens und der Theater-
arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu sammeln. Die Programme der
letzten Jahre führten vor allem in Städte und Regionen im Norden und
Süden Japans und nach Tokio. Die Programme waren inhaltlich sehr
anspruchsvoll und umfassten den Austausch mit FachkollegInnen
öffentlicher und privater Grundschulen, Oberschulen, Schulen mit
verschiedenen Schwerpunkten (u. a. Theater), Einrichtungen der
außerschulischen Bildung und eines Künstlerdorfs mit theaterpäda-
gogischem Konzept. Es gab Gelegenheiten, unterschiedliche Theater-
häuser und ihre jeweiligen künstlerischen Konzepte kennen zu lernen,
traditionelles und zeitgenössisches Theater zu sehen und die Mög-
lichkeit zum intensiven Meinungsaustausch mit Theaterfachleuten
verschiedener Einrichtungen und Organisationen, mit LehrerInnen
und RegisseurInnen. Theaterwerkstätten mit den SchülerInnen sowie
die Teilnahme an den Workshops für traditionellen japanischen Tanz
und japanisches Trommeln bereicherten den Aufenthalt durch unmit-
telbaren Kontakt zu Jugendlichen und einer tatsächlichen Berührung
mit der japanischen Kunst. Dazu ermöglichten zweitägige Aufenthalte
in Gastfamilien das unmittelbare Eintauchen in den Alltag des kultu-
rell und geografisch fernen asiatischen Landes.
Intensive Vorbereitung
Um das vielfältige Angebot des Studienprogramms effizient nutzen
zu können, bereiteten sich die TeilnehmerInnen in einem zweitägigen
Seminar intensiv auf ihre Reise nach Japan vor. Verschiedene Fachre-
ferentInnen gaben eine Einführung in die Themen Kulturpolitik, kul-
turelle Bildung und Theaterarbeit in Japan. Ergänzt wurden die Fach-
beiträge durch interkulturelle Trainings, die die TeilnehmerInnen auf
die komplexen Kommunikationsstrukturen und ein entsprechendes
Verhalten in Japan sowie auf den Familienaufenthalt vorbereiten
sollten. Ehemalige ProgrammteilnehmerInnen teilten ihre Eindrücke
mit und gaben praktische Hinweise. Gemeinsam wurden Landkarten
studiert und ein paar Wörter Japanisch gelernt. Alle Teilnehmenden
mussten sich ausgiebig in Arbeitsgruppen mit den Zielen und Auf-
Zum Erfahrungsaustausch um die halbe Welt
TITEL /// Treffen – Begegnung – Festival. Kinder- und Jugendtheaterarbeit in Deutschland und in JapanPRoGRAMMFoRM /// Fachkräfteprogramm (mehrjährige Hin- und Rückbegegnungen)KüNSTLERIScHE SPARTE /// Theater, SpielZEIT /// 07.–20.10.2007 in Tokio, Kioto und Himeji(26.05.–07.06.2007 Berlin, Hannover, Frankfurt/Main – nicht im Beitrag beschrieben)TEILNEHMER/INNEN /// 40 Fachkräfte der Kinder- und Jugendtheaterarbeit aus Deutschland und JapanFÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ PARTNER /// Japan Arts Council TRäGER /// Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung , BAG Spiel & Theater e. V.
50 _ Zum Erfahrungsaustausch
gaben des Fachkräfteprogramms auseinandersetzen. Das Vorberei-
tungsseminar war eine sehr wichtige und unersetzliche Vorstufe zum
Programm, da das Studienprogramm für viele Beteiligte den ersten
Schritt in den asiatischen Raum bedeutete.
Die fachübergreifenden Aspekte
und Themen, die sich durch das gesamte Programm zogen, konzen-
trierten sich im Wesentlichen auf die Fragen nach den kulturellen
Interessen der japanischen Jugendlichen, nach den Auswirkungen
kultureller und gesellschaftlicher Umbrüche auf die Jugend in Japan,
nach dem Stellenwert und den finanziellen Möglichkeiten der kul-
turellen (Jugend-) Bildung in Japan, nach den Besonderheiten der
japanischen Kinder- und Jugendkultur sowie nach der Definition der
Rolle von Kindheit und Jugend im Generationenverhältnis. Im Blick
hatten die TeilnehmerInnen auch eine Recherche der infrastruktu-
rellen Voraussetzungen für Jugendarbeit in Japan.
Bei den Besuchen in theater- und spielpädagogischen Einrichtungen
weckten besonderes Interesse der deutschen Fachkräfte die jewei-
ligen theater- bzw. spielpädagogischen Konzepte, die Aus-, und
Weiterbildungsstrukturen in diesem Bereich, die Zielgruppen der
Einrichtungen, die Auseinandersetzung mit Moderne und Tradition.
Erkundet wurden auch Kooperationsformen, die mit Schulen und/
oder anderen Einrichtungen durchgeführt werden. Dieser Bereich
war besonders unter der in Deutschland intensiven Diskussion zur
flächendeckenden Einführung von Ganztagsschulen und von Koope-
rationsmodellen außerschulischer Träger mit verschiedenen Schul-
formen spannend.
Diese_ und andere Schwerpunkte des Programms wurden von den
Teilnehmenden während des Aufenthaltes in Japan dokumentiert,
so dass sich jeweils einige Mitglieder der Gruppe mit einem Thema
intensiver auseinander setzten, gezielt während der Besuche und
Diskussionen Informationen sammelten, Interviews mit den japa-
nischen und deutschen KollegInnen führten und ihre Erfahrungen
für dieses spezielle Thema dann ausführlich in der Projektdokumen-
tation beschrieben haben.
Fachspezifische Fragen
konzentrierten sich im Bereich des Kinder- und Jugendtheaters auf
die aktuellen Erfahrungen, inhaltliche Schwerpunkte und die Frage
nach der Ästhetik des Kinder- und Jugendtheaters. Abgefragt und
diskutiert wurden diesbezüglich die Ausprägung von Angebotsstruk-
turen, die sich an den Bedürfnissen und Wünschen der Jugendlichen
orientieren, z. B. zielgruppenorientierte Angebote für die Theater-
arbeit mit Menschen mit Behinderungen oder mit Jugendlichen mit
Migrationshintergrund. Es galt herauszufiltern, wie in der Alltagskul-
tur und speziell in der Theaterarbeit das Verhältnis von Tradition und
Moderne geprägt ist. Diskutiert wurde auch die Frage nach den Erfah-
rungen im Bereich der Zusammenschau von Theater mit Kindern und
Jugendlichen und von Theater für Kinder und Jugendliche. Wie also
ist das Verständnis von „Theater spielen und Theater sehen“ in Japan
definiert. Von großem Interesse war es, zu diskutieren, inwieweit in
Deutschland und Japan die neuen Medien bei der Theaterarbeit zum
Einsatz kommen und wie verschieden theaterpädagogische Projekte
in Zusammenarbeit mit Gruppen und Organisationen aus Entwick-
lungsländern von japanischen und deutschen KollegInnen gesehen
werden (z. B. Arbeit mit Straßenkindern).
Japanische Kultur bewegt sich im Spannungsfeld von Tradition und
Moderne. Für die ProgrammteilnehmerInnen wirft dieses Verhältnis
spannende Fragen nach dem eigenen Umgang mit Traditionen in der
Theaterarbeit auf. Das traditionelle Theater Japans ist für deutsche
Theaterfachleute eine Fundgrube bei der Diskussion um Begriffe
wie Ritual und Performance. Auch die Fragen nach der Art und Weise
der Kulturvermittlung sind für den Austausch von großem Interesse.
Viele Lebensbereiche Japans sind mittlerweile unverkennbar westlich
Zum Erfahrungsaustausch _ 51
geprägt. Die TeilnehmerInnen tauchten aber ungeachtet dessen in
eine fremde Kultur ein, die neben vielfältigen fachlichen Eindrücken
auf interkultureller Ebene interessante Erfahrungen und Beobach-
tungen, insbesondere bei der Auseinandersetzung mit der eigenen
Kultur, garantiert.
Die moderne Industriegesellschaft hat mit Beginn der 90er Jahre weit
reichende gesellschaftliche Umbrüche in Japan hervorgebracht, die
sich auf das Bildungssystem und die Struktur der Familie und Arbeits-
welt massiv auswirken. Interessant ist es zu fragen, welche Rolle
Kunst und Kultur in dieser gesellschaftlichen Auseinandersetzung
einnehmen.“ (Ute Handwerg)
Schatzkiste: Werkstätten im Fachkräfteprogramm
Im Fachkräfteprogramm wurden die deutschen Theaterfachleute
angefragt, als Beispiel der Jugendtheaterarbeit in Deutschland, The-
aterwerkstätten mit japanischen SchülerInnen zu gestalten. Es gab
zwar wenig Zeit für die Vorbereitung und Durchführung, keine opti-
malen Räumlichkeiten für die sechs Arbeitsgruppen und dazu viele
erwachsene ZuschauerInnen und VertreterInnen der Medien. Trotz-
dem waren diese Werkstätten, so die deutschen Teilnehmenden, das
Programmelement, das den unmittelbaren Kontakt mit Jugendlichen,
eine Annäherung an ihre Meinungen, Interessen, Vorstellungen und
Wünsche und somit einen interkulturellen Vergleich am intensivsten
ermöglichte. Diese Erfahrung gab den OrganisatorInnen auf beiden
Seiten den Anstoß, die Werkstätten mit Jugendlichen und Fachkräf-
ten zukünftig als konstantes Element in das Programm einzubauen,
um ihnen einen intensiveren Diskurs über die unterschiedlichen
Arbeitsformen sowie deutlichere Einblicke in die praktische thea-
terpädagogische Arbeitssituation zu ermöglichen. Das gemeinsame
Erlebnis, der gemeinsame Arbeitsprozess bereicherte und intensi-
vierte den Fachkräfteaustausch. Ein schönes Beispiel dafür, dass
Fachkräfteprogramme der internationalen Jugendarbeit nicht immer
nur aus langen Vorträgen, theoretischen Diskussionsrunden und Pro-
jekt-Besuchen bestehen müssen.
Kontakt
Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung
Rolf Witte
Küppelstein 34, 42857 Remscheid
Fon: 02191.79 43 91
www.bkj.de
BAG Spiel & Theater e. V.
Ute Handwerg
Simrockstraße 8, 30171 Hannover
Fon: 0511.458 17 99
www.bag-online.de
52 _ Zum Erfahrungsaustausch
Aller guten Dinge sind drei: getreu diesem Motto startete im Juli
2007 für 10 Tage das dritte trilaterale Jugendzirkustreffen mit Teil-
nehmerInnen aus Dünkirchen, Warschau und Rostock im Zirkuszelt
„Fantasia – Ein Zelt voller Leben“. Der baf – Behinderten Alternative
Freizeit e. V. baut dieses Zelt jedes Jahr von Mai bis Juli im Rostocker
Hafen auf und führt dort integrative Zirkusprojektwochen, offene
Workshops und internationale Begegnungen durch.
Der dritte interkulturelle Jugendaustausch im „Circus Fan-
tasia“ war im Besonderen erfolgreich durch die intensiveren und
verbesserten Methoden und Strukturen in der sozialpädagogischen
Arbeit, beim Spracherwerb sowie auf der Ebene der Partizipation der
TeilnehmerInnen im Vergleich zu den Vorjahren.
Die Kurstage liefen entsprechend einem bestimmten, bereits
im Vorab klar durchstrukturierten Schema ab: innerhalb der Warm-
up Stunden variierten Gruppenspiele mit Sprachanimation, Spiele
zur Gruppenfindung sowie Aggressions- mit Kommunikationsspiele.
Danach trainierten die Jugendlichen in ihren Zirkusgruppen für die
Abschlussshow. Inhalte der Kurse waren neben vielfältigen persön-
lichen und Gruppenentwicklungsmöglichkeiten Pantomime, Einrad,
Jonglage, Clownerie und Equilibristik. Eine weitere neue Idee wurde
mit der Einführung von freien Trainingsangeboten an den Nachmit-
tagen umgesetzt. Dafür gab es weitere Kursangebote, wie Stabbau
und -drehen, Dokumentation und Breakdance. Diese fanden großen
Anklang bei den Jugendlichen.
Im Verlauf der Trainingswoche entwickelte sich besonders
während der Abendstunden ein ganz eigenes Flair auf dem Platz des
„Circus Fantasia“. Es wurde jongliert, für die Feuershow trainiert, und
viele RostockerInnen fanden durch die lockere, offene, kreative und
multikulturelle Atmosphäre den Weg zum Stadthafen und zu uns ins
Zelt. So wurden diese Stunden zu einem besonderen Höhepunkt des
Projekts und darüber hinaus eine große Bereicherung für die nachhal-
tige Tätigkeit und Öffentlichkeitsarbeit des Vereins.
Innovativ
Die Teilhabe der Jugendlichen erfolgte in der Form, dass ihnen
zunächst mehr Selbstverantwortung für die Zeit des Austausches
übertragen wurde. So wurde als gut funktionierende Neuheit in die-
sem Jahr ein Zirkusrat mit jeweils zwei VertreterInnen eines Landes
(Junge und Mädchen) gewählt, welcher die Interessen, Wünsche,
Beschwerden und Bemerkungen der Gruppen bei den Teamsitzungen
zu vertreten hatte, die täglich abends mit den SprachmittlerInnen und
der Projektleiterin des baf e.V. stattfanden.
Am letzten Tag fand eine zweistündige Aktionsevaluations-
runde statt, bei der die TeilnehmerInnen mittels eigens dafür entwi-
ckelter Spiele ihre Meinung kundtaten.
Interkulturell
Neben den erlernten Zirkustechniken erlangten die Jugendlichen eine
andere Betrachtungsweise von sich und anderen, beschäftigten sich
teilweise eingehender mit anderen Sprachen. Das Interesse für ande-
re Länder und Reisen wurde geweckt. Auf individueller Ebene lernten
sich die TeilnehmerInnen selbst besser kennen und Denkanstöße
über Toleranz und Akzeptanz wurden gegeben.
Ein Zelt voller Leben – innovativ, interkulturell und integrativ
TITEL /// Deutsch-Französisch-Polnisches Jugendkulturtreffen im „Circus Fantasia“PRoGRAMMFoRM /// Trilaterale Jugendbegegnung (mehrjährig)KüNSTLERIScHE SPARTE /// ZirkusZEIT /// 07.–19.07.2006, RostockTEILNEHMER/INNEN /// 55 Jugendliche aus Deutschland, Polen und FrankreichFÖRDERuNG /// DFJW über BKJ, weitere PARTNER /// Frankreich: Maison de Quartier du Carrè de Vieille/du Jeu de Mail, Dunkerque; Polen: Polskie Stowarzyszenie Pedagogów I Animatoròw KLANZA, LublinTRäGER /// baf – Behinderten Alternative Freizeit e. V.
Ein Zelt voller Leben _ 53
Die zum Teil verschiedenen Auffassungen der nationalen Grup-
pen von Partizipation, Selbstvertrauen und -verantwortung wurden
sowohl mit den Jugendlichen wie auch mit den TeamerInnen ausdisku-
tiert. Natürlich gab es auch Probleme zwischen den Gruppen. Letztlich
gab es jedoch eine gute Basis, um Grenzen auszuloten, sich selbst zu
behaupten, Ziele zu erreichen und sich auf dem Platz wohl zu fühlen.
Integrativ
Andere Kulturen und andere Menschen trotz individueller Beein-
trächtigungen zu tolerieren und zu akzeptieren, ist nicht immer und
nicht für jeden eine Selbstverständlichkeit.
Die „Methode“ des baf e.V., die TeilnehmerInnen mit körper-
lich und geistig behinderten Menschen zu konfrontieren, führt häufig
zu ungewünschten Reaktionen auf beiden Seiten und ist immer ein
andauernder Prozess, der nicht mit der Anreise beginnt und nicht
mit der Abreise endet. Deswegen ist es von Vorteil, diese Jugend-
austauschprogramme auch mit den gleichen TeilnehmerInnen
zu wiederholen. Nur dadurch sind diesbezügliche Entwicklungen
erkenn- bzw. messbar. Normalerweise findet der engere, persönliche
Kontakt zwischen den TeilnehmerInnen nach 2 bis 3 Tagen – nach
der Aufwärmphase – statt. Die Kontaktaufnahme und -haltung zu
und mit benachteiligten und behinderten Jugendlichen ist bei inte-
grativen Maßnahmen schwieriger und dauert länger. Ein zusammen-
führendes Erlebnis und großer Durchbruch auf dieser Ebene war der
Ausflug in den Affenwald, der erst am fünften Tag stattfand. Die
Jugendlichen hatten sich gemeinsam und mit großer Mehrheit für
dieses Ausflugsziel entschieden. Zur Überraschung der TeamerInnen
waren alle drei Gruppen gleichermaßen begeistert und fasziniert von
den Tieren.
„Unser Leitziel ist es, integrative Freizeitangebote zu entwickeln.
Dabei ist die Zirkus- und spielpädagogische Arbeit ein Schwerpunkt.
Wir reduzieren unseren Integrationsgedanken aber nicht nur auf
geistig und körperlich behinderte Kinder und Jugendliche. Integration
bedeutet für uns ebenso die Arbeit mit Jugendlichen aus gefährdeten
Milieus und sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen. So hatten
einige unserer TeilnehmerInnen aus Polen familiäre Gewaltsituati-
onen erlebt und leben in Heimen, unsere französischen Jugendlichen
kommen fast ausschließlich aus schwierigen Wohnvierteln in den
Außenbezirken von Dunkerque.“ (Stefan Brunst)
Schatzkiste:
Frei verfügbare, individuelle Freizeit innerhalb der Begegnung
Interkulturelles Lernen erweist sich speziell in nicht organisierten
Programmpunkten als sehr relevant, denn gerade hier findet die indi-
viduelle Kontaktaufnahme und Auseinandersetzung mit anderen Kul-
turen auf unterschiedlichsten Ebenen statt. Deshalb wurde innerhalb
der Durchführung des Projekts nicht jede Minute verplant, sondern
Zeit zum Nachdenken, Tagebuch schreiben und Loslassen gegeben.
Leider wird zu häufig in internationalen Begegnungen jede
Minute so pädagogisch wertvoll verplant, dass es kaum Rückzugs-
möglichkeiten für individuelle Bedürfnisse gibt. Von stimulierender
Gruppendynamik zu frustrierendem Gruppenzwang ist es oft nur ein
kleiner Schritt, der aber für den individuellen Lernerfolg innerhalb der
Begegnung entscheidend sein kann. Beim Projekt Circus Fantasia in
Rostock wurde dies erkannt und das Programm, aufgrund der Erfah-
rungen aus vergangenen Begegnungen, entsprechend gestaltet.
Kontakt
baf – Behinderten Alternative Freizeit e. V.
Stefan Brunst
Doberaner Str. 21, 18507 Rostock
Fon: 0381 4907851
www.bafev.de
54 _ Ein Zelt voller Leben
Der jährlich am Pfingstwochenende stattfindende Karneval der
Kulturen um den Kreuzberger Büchnerplatz herum, ist ein Fest der
Begegnung, der Integration, der Toleranz und des gegenseitigen
Respekts. BerlinerInnen unterschiedlicher Nationalitäten sowie
Gruppen aus In- und Ausland bilden in einer mehrstündigen Parade
eine farbenprächtige Karawane. Bunte Formationen, sowie kreativ
gestaltete mobile Bühnen für Musik und Performance sind tragende
Elemente der Darbietung. Vor Rund einer Millionen BesucherInnen
wird getanzt, musiziert, gespielt, improvisiert und gefeiert.
Seit Bestehen des Karnevals der Kulturen (1996) sind auch
die Teilnehmenden einer deutsch-französischen Jugendbegegnung
dabei, organisiert vom JugendKunst- und Kulturzentrum „Schlesische
27“ und dem Projektpartner Centre Culturel Oecuménique Jean-Pierre
Lachaise in Villeurbanne aus Frankreich.
Zehn Tage lang bauten die 28 Jugendlichen gemeinsam an
ihrem Umzugswagen, gestalteten ihre Kostüme aus verschiedenen
Stoffen, bauten Tanzobjekte und entwickelten eine eigene Choreo-
graphie für den Umzug. Dann sollte der Karneval beginnen. Doch wie
es sich für ein „Wolkenbruch-Projekt“ gehört, wurden große Teile des
Festes um den Büchnerplatz aufgrund von Sturmwarnungen abge-
sagt. Nur der eigentliche Umzug am Sonntag konnte stattfinden. Noch
eine Woche vorher hätte niemand der Teilnehmenden sich vorstellen
können, vor einer riesigen Menschenmenge in selbst gestalteten
Kostümen vier Stunden durch die Straßen von Kreuzberg zu ziehen.
Doch dies ist nur die halbe Geschichte, es passierte viel mehr.
Ein Thema passend zum Tanzobjekt
Da die TeilnehmerInnen des Projekts sehr verschieden in ihrer sozialen
Herkunft, ihren Erfahrungen und ihren künstlerischen Fähigkeiten
waren, war es den OrganisatorInnen wichtig, dass bei den künstle-
rischen Workshops alle Jugendlichen nach Möglichkeit die gleichen
Ausgangsvoraussetzungen haben. Alle sollten sich beteiligen kön-
nen, auf möglichst gleichem Niveau. In den vergangenen Jahren war
es vorgekommen, dass z.B. „erfahrene TänzerInnen“, den anderen
die Lust am Tanzen fast genommen hätten. Aus diesem Grund wurde
bei der diesjährigen Begegnung wieder ein Tanzobjekt eingeführt:
der Regenschirm, ausgewählt auf Grund der Thematik. Gleichzeitig
erlaubte dieses Motto die individuelle und gemeinschaftliche Ausei-
nandersetzung mit dem Thema Klimawandel, das in der Gestaltung
der Kostüme, des Wagens und des Tanzes eine Bearbeitung fand.
Das Tanzobjekt Regenschirm wirkte Wunder, da auch die schon etwas
talentierteren TänzerInnen innerhalb der Gruppe am Anfang genauso
unerfahren damit umgegangen sind, wie jene Jugendlichen, denen
ihre Füße beim Tanzen im Weg standen.
Kooperation zwischen beruflicher und kultureller Bildung: „Lokal arbeiten wir eng mit verschiedenen Einrichtungen der beruf-lichen Bildung zusammen. Durch die Mitwirkung der Jugendlichen in künstlerischen Projekten werden sie in ihrer Selbstverwirkli-chung gestärkt. Ihr Selbstbewusstsein und die sinnliche Wahr-nehmung sowie ihr kreatives Denken und Handeln werden durch kulturelle Bildung gefördert. Der Prozess, der in der lokalen Arbeit beginnt, wird durch interkulturelles Lernen während einer bilate-ralen Begegnung qualitativ ergänzt. Unsere Partner, die Ausbil-dungswerkstätten, unterstützen die Teilnahme der Jugendlichen an den internationalen Projekten, indem sie z.B. die Teilnahmebei-träge übernehmen. Der Erwerb von sozialen und interkulturellen Kompetenzen während der Projekte der internationalen kulturellen Bildung ergänzt die Bildungsangebote der Träger der beruflichen Bildung und trägt zum erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben bei.“ (Sandrine Ribeiro, Projektleiterin)
Wolkenbruch – Pluie d’été
TITEL /// Wolkenbruch
PRoGRAMMFoRM /// Bilaterale JugendbegegnungKüNSTLERIScHE SPARTE /// Tanz, bildende KunstZEIT /// 18.–28.05.2007, BerlinTEILNEHMER/INNEN /// 28 Jugendliche im Alter von 18 bis 25 JahrenFÖRDERuNG /// DFJW durch BKJ PARTNER /// CCO Jean Pierre Lachaize, Lyon TRäGER /// JugendKunst und Kulturzentrum Schlesische27
Wolkenbruch _ 55
Jugendliche aus Stadt und Land
Die französischen Jugendlichen waren bunt gemischt: Studen-
tInnen, junge Arbeitslose und SchülerInnen. Für einige war der Reiz
des Neuen, des fremden Landes, einer anderen Kultur und der
deutschen Hauptstadt Berlin entscheidend. Für andere stand die
künstlerische Herausforderung des Projekts an erster Stelle der Teil-
nahmemotivation.
Die deutsche Gruppe war ganz anders gemischt zusammen-
gesetzt: Die eine Hälfte der deutschen Jugendlichen kam aus Bad
Freienwalde im ländlichen Brandenburg, wo sie eine Ausbildung zu
HauswirtschaftshelferInnen absolvierten. Die andere Hälfte kam
aus Berlin und besuchte im Rahmen einer Integrationsmaßnahme
ein Ausbildungszentrum.
Es war für die Jugendlichen beider Gruppen die erste inter-
nationale Begegnung. Für die TeilnehmerInnen aus Bad Freienwalde
(einige hatten trotz ihrer Jugendlichkeit schon eine eigene Familie)
waren jedoch die 50 km Fahrt nach Berlin bereits eine Weltreise und
ein erster maßgeblicher Schritt auf der Leiter der Lernerfolge in die-
sem Projekt. Der wichtigste Schritt erfolgte für diese Gruppe jedoch
am zweiten Tag:
„Gleich am Anfang des Austausches stellten wir fest, dass die Jugend-
lichen mit den größeren sozialen Problemen aus Brandenburg kamen
und nicht wie von uns vorher vermutet, aus Kreuzberg. Oft vergesse
ich, wenn ich in Kreuzberg arbeite, dass es auch auf dem Land soziale
Brennpunkte gibt. Die TeilnehmerInnen aus Brandenburg hatten ein
Gepäck voller Probleme, Ängste und Hemmungen mitgebracht, das
ganz langsam beim Austausch zum Vorschein kam. Nach zwei Tagen
nahmen wir eine allgemeine schlechte Stimmung unter den deutschen
TeilnehmerInnen aus Bad Freienwalde wahr. Nach dem Frühstück
versammelte ich die Gruppe, um den Grund dieser Unzufriedenheit
zu erkunden. Ein Teil hatte sich gezwungen gefühlt, am Austausch
teilzunehmen. Ihre LehrerInnen hatten dem 1. Jahrgang sehr deutlich
gesagt, dass sie diese Erfahrung nicht verpassen sollten. Der andere
Teil hatte Sehnsucht nach Hause. Einige von ihnen wollten das Projekt
verlassen. Nach unserem Gespräch, in dem sich alle über ihre Pro-
bleme, Erwartungen und Motivationen ausdrücken konnten, wurde
die Entscheidung getroffen, noch einige Zeit zu warten und zu sehen,
ob sich ihre Stimmung aufhellen kann, bevor sie vorzeitig nach Hause
fahren. Und die Stimmung wurde viel besser, alle blieben freiwillig
beim Projekt. Es war ihre eigene Entscheidung.“ (Sandrine Ribeiro)
Den Blödsinn mit übersetzen ...
In der Gruppe wurde Deutsch-Französisch miteinander kommuniziert.
Es wurde darauf geachtet, dass beide Sprachen gleich stark zum
Ausdruck kamen. Die TeilnehmerInnen hatten sehr geringe oder gar
keine Kenntnisse der anderen Sprache, daher bekamen alle Jugend-
lichen ein kleines Heft mit einem Grundwortschatz für den täglichen
Gebrauch in beiden Sprachen. In den Ateliers hingen Vokabellisten,
um einen spezifischen Wortschatz zu vermitteln und die Selbststän-
digkeit der Jugendlichen bei der Kommunikation zu unterstützen.
Die Sprachanimationen und die den Jugendlichen zur Seite stehenden
DolmetscherInnen haben geholfen, die Welt der Partnersprache zu
eröffnen und die Verständigung zu ermöglichen. In den halbstündigen
Sprachanimationen, die jeden Morgen vor Beginn der Ateliers statt-
fanden, wurden in 15 verschiedenen, teils spielerischen Übungen die
TeilnehmerInnen nicht nur für die Sprache der anderen sensibilisiert,
sie trugen auch wesentlich zur Gruppendynamik bei, aber vor allem
die Sprachanimation zeigt alle Möglichkeiten der Kommunikation, die
nicht unbedingt mit Wörtern stattfinden: dann erfinden die Teilneh-
merInnen ihre eigenen Wege, um sich verständlich zu machen, und
damit sind sie sehr kreativ. In der Auswertung der Maßnahme durch
die TeilnehmerInnen wurde angemerkt, dass diesen Übungen und
allgemein der Sprachvermittlung noch mehr Zeit eingeräumt werden
sollte. Besonders gefiel den Jugendlichen übrigens die konsequente
Übersetzung der SprachmittlerInnen, die auch „Witze und Blödsinn“
mit übersetzten und somit viel zur guten Stimmung in der Gruppe
beitrugen.
56 _ Wolkenbruch
Schatzkiste: Freiwillige Teilnahme als Anspruch
und Bedingung internationaler Jugendarbeit
„Jede Reise muss freiwillig sein, um zu vergnügen“, sagte Ernst Bloch.
Diese Freiwilligkeit, im übertragenen Sinne, ist eines der Wesens-
merkmale außerschulischer Jugendbildung. Von Jugendlichen –
in diesem Fall BerufsschülerInnen – die, auch wenn in guter Absicht
der Lehrenden, zur Teilnahme an internationalen Begegnungen quasi
verpflichtet werden, kann eine Offenheit für neue Lebenserfahrungen
und interkulturelles Lernen nicht erwartet werden. Vor allem dann
nicht, wenn eine „freiwillige“ Beteiligung innerhalb ihrer eigentlichen
Freizeit erfolgen soll oder sie mit erhobenem Zeigefinger moti-
viert werden.
Die rechtzeitige und erfolgreiche Intervention des Projektteams
hat den Problemen, Erwartungen und Motivationen der Jugendlichen
Zeit und Raum gegeben. Erst nach dieser Auseinandersetzung trafen
die TeilnehmerInnen zum ersten Mal die Entscheidung, bewusst an
diesem Projekt teilnehmen zu wollen.
„Es ist für die Jugendlichen oft die erste Begegnung mit einem ande-
ren Land. Sie lernen eine andere Welt kennen, entdecken Land und
Natur oder Stadt und bekommen Impulse in andere Länder zu ver-
reisen. Klischees in den Köpfen werden gesprengt. Sie sind einfach
nicht mehr da. Die Türen in den Köpfen der Jugendlichen öffnen sich.
Manchmal treten sie diese Türen ein. Manchmal nicht. Auf jeden Fall
bleibt immer eine Spalte offen.“ (Sandrine Ribeiro)
Kontakt
JugendKunst und Kulturzentrum Schlesische27
Sandrine Ribeiro
Schlesiche Str. 27, 10997 Berlin
Fon: 030.61 77 67 33
www.schlesische27.de
Wolkenbruch _ 57
Täglich eingehende Nachrichten von der bevorstehenden Klimakata-
strophe, von überfischten Weltmeeren, dem Massensterben der Bie-
nenvölker, von drohenden Überflutungen und zu erwartenden kriege-
rischen Auseinandersetzungen veranlassten fünfzehn Jugendliche
aus Oldenburg dazu, nach positiven Visionen Ausschau zu halten.
„Wozu noch zur Schule gehen, warum über Familienplanung nach-
denken, wenn doch alles bald vorbei zu sein scheint?“
In Form eines „Brainstorming“ haben sie moralische, gesell-
schaftliche, technologische, biologische und utopische Visionen
zusammengetragen. Die Ergebnisse wurden in einer internationalen
Jugendbegegnung sowohl verbal, nonverbal und visuell mit Jugend-
lichen aus Frankreich und Lettland im Sommer 2007 diskutiert und
nahmen eine künstlerische Form innerhalb von Theaterworkshops
an. Die Aufführungen des Theaterstücks fanden im Stadtzentrum von
Oldenburg im Rahmen eines Kultursommerprogramms statt.
Bevor es losging
Es verhält sich wie mit dem Huhn und dem Ei. Was war zuerst da
– die internationale Jugendbegegnung oder der internationale Frei-
willigendienst? Den lettischen Partner lernten die Jugendlichen und
Erwachsenen des Vereins Jugendkulturarbeit als erstes kennen.
Im Internet lasen sie über eine interessante Jugendbegegnung in
Bielefeld, setzen sich ins Auto und fuhren auf gut Glück von Olden-
burg nach Nordrhein-Westfalen. Es ging gut – die neu gewonnenen
lettischen Partner begeisterten die Oldenburger Jugendlichen von
einem Programm namens Europäischer Freiwilligendienst (EFD). Ein
paar Monate später wurde auf einem BKJ-Treffen für das bilaterale
FSJ-Kultur in Paris der Partner aus Villeurbanne/Frankreich gefun-
den. Gemeinsam stiegen sie nicht nur in den Freiwilligenaustausch
ein, sondern vereinbarten, noch bevor der erste Freiwillige ausge-
tauscht wurde, eine trilaterale Jugendbegegnung mit dem Medium
Theater in Oldenburg durchzuführen.
Es ist nicht relevant, was zuerst da war, denn jetzt gibt es
beides: jedes Jahr eine Jugendbegegnung und den Freiwilligenaus-
tausch über FSJ Kultur und EFD mit Lettland und Frankreich. Eine tolle
Symbiose.
Schauplatz Sportplatz
Im „Rennplatzviertel“ von Oldenburg herrschte neun Tage lang ein
sehr lebhaftes Bild: fünfunddreißig deutsche, lettische und franzö-
sische Jugendliche belebten den Campingplatz am historischen See,
das Freibad und den Sportplatz mit Lachen, Musik und multikultu-
rellem Charme:
„Als Begegnungsort wurde ein Sportplatz am Rand des sozialen
Brennpunktes Rennplatzviertel ausgewählt. Hier leben viele Kinder
und Jugendliche aus Aussiedlerfamilien, MigrantInnen und Familien
mit schwierigem sozialem Hintergrund. Gerade hier setzte die Maß-
nahme auch an und so lernten die Jungen aus dem Sportverein (die
eigentlich nicht zum Projekt gehörten) die interkulturelle Geselligkeit
der deutsch-französisch-lettischen Gruppe kennen und schätzen.
Russischsprachige Jungen nahmen ihre Sprache wahr, kamen ins
Gespräch und stellten massiv interessierte Fragen nach Möglich-
keiten, Bedingungen und vor allem der Wiederholung des Projektes.“
(Dettmar Koch)
über Sprache, Musik und begeisterte Nachbarn
Fehlende Fremdsprachkompetenzen sind häufig ein Hindernis für
Einfach die Welt verändern
TITEL /// Einfach die Welt verändern – Junge Utopien in EuropaPRoGRAMMFoRM /// Trilaterale Jugendbegegnung KüNSTLERIScHE SPARTE /// TheaterZEIT /// 11.–20.07.2007, OldenburgTEILNEHMER/INNEN /// 12 deutsche, 12 französischen und 11 lettischen Jugendliche im Alter von 15 bis 27 JahrenFÖRDERuNG /// DFJW über BKJ PARTNER /// Frankreich: Centre Culturell Oecumeniqué Jean-Pierre Lachaize, Villeurbanne; Lettland: Pasaule musu Majas, RezekneTRäGER /// Jugendkulturarbeit e. V.
58 _ Einfach die Welt verändern
Jugendliche, um an internationalen Jugendbegegnungsprojekten
teilzunehmen. Um dieses Hindernis zu umgehen, wurde im Projekt
viel Wert auf die Sprachanimation, Sprachmittlung und Lust, sich
einer Fremdsprache zu nähern, gelegt. Jeden Morgen wurde von allen
drei Ländern abwechselnd ein Sprachanimationstraining organisiert.
Spielpädagogische Übungen, Rhythmus und Gesang, gemeinsamer
Spaß und Bewegung machten die einstündige Animation zum Grup-
penvergnügen, aus dem Fragmente in das gemeinsame Theaterstück
eingebaut wurden. Sowohl Kurzgedichte als auch ein gemeinsames
Lied schlossen das Training jeweils ab. An den Abenden entwickelte
sich als fester Bestandteil und auf Eigeninitiative der Teilnehmenden
eine gesellige Runde, die ohne Animation, mit Gitarre und Bongo zum
Mitsingen einlud. Diese Zeit hinterließ besonders auch bei Anliegern,
bzw. Nachbarn des Camps einen sehr angenehmen Eindruck des
internationalen Flairs im Stadtteil.
„Bei der Sprachanimation ist es wichtig, nichts zu verschulen, sondern
mit Rhythmus und Musik anzufangen oder z.B. auch mit deutschen
Volksliedern zu arbeiten. Wir haben Lieder gesungen und dies hat
Interesse geweckt, die Wörter zu hinterfragen. Das Programm alleine
reicht nicht.“ (Dettmar Koch)
Schatzkiste:
Partizipation auf verschiedenen Ebenen als Qualitätsmerkmal
Jugendkulturarbeit Oldenburg e.V. arbeitet in enger Kooperation mit
der Integrierten Gesamtschule Flötenteich und betreut dort ver-
schiedene Arbeitsgruppen: eine Jugendtheatergruppe, zwei Schü-
lerInnenfirmen und eine AG Jugendkulturmanagement. Alle diese
und noch weitere SchülerInneninitiativen und Gruppen wurden in die
Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Projekts einge-
bunden. Die SchülerInnenfirma, die ihr Büro gleich neben dem des
Vereins hat, gestaltete die Poster. Eine andere SchülerInnenfirma und
eine Jugendwerkstatt unterstützen das Projekt beim Catering. Die
SchülerInnen-Arbeitsgruppe Jugendkulturmanagement kümmerte
sich nicht nur um technische Details der Begegnung (Unterkunft,
lokaler Transport, etc.), sondern entwickelte ein eigenes Tool zur
Evaluation des Jugendprojekts. Dazu besuchten sie Workshops über
das Auswertungsprogramm internationaler Begegnungen der BKJ
(GrafStat) und informierten sich über ein ähnliches Programm der
Robert-Bosch-Stiftung. Schließlich nahm die Jugendtheatergruppe
der Schule, die in der Begegnung entstandenen Theaterstücke und
thematischen Diskussionen in ihr neues Programm auf, welches im
Herbst Premiere feierte.
Neben der inhaltlichen Teilhabe durch die Bestimmung und
Gestaltung der Themen und Inhalte der trilateralen Begegnung, stellt
die Einbindung der Jugendlichen aus den SchülerInnenfirmen in die
organisatorisch-technischen Bereiche und in das Follow up des Pro-
jekts eine besondere Qualität dieser Begegnung dar. Kein Wunder,
dass sie in der Projektauswertung zwar auch angaben, sich auf das
Folgeprogramm 2008 in Lettland oder Frankreich zu freuen, aber
eigentlich wollen sie viel lieber, so schnell wie möglich, eine neue
Begegnung in ihrer Stadt umsetzen. Das wird dann wohl erst 2009 der
Fall sein, denn die Erwachsenen brauchen eine Pause – Partizipation
zu ermöglichen, kann ganz schön schlauchen.
Kontakt
Jugendkulturarbeit e.V.
Dettmar Koch
Auf dem Hock 6, 26125 Oldenburg
Fon: 0441.78 85 99 26
www.jugendkulturarbeit.com
Einfach die Welt verändern _ 59
Dein Interesse? (bitte nur ein Kreuz)
( ) ein Musikprojekt in Lokossa/Benin auf die Beine stellen ...
( ) als Kultur-AssistentIn einen Deutschclub in
Hanoi/Vietnam gründen ...
( ) eine Organisation unterstützen, die Aufklärungsprojekte
in Kolda/Senegal organisiert ...
Seit Ende der 90er Jahre scheint das Interesse junger Menschen aus
Sachsen-Anhalt zu wachsen, Erfahrungen im Ausland zu sammeln,
sich dort ehrenamtlich zu engagieren, wo andere Jugendliche nicht
einmal beim Zappen am Fernseher hängen bleiben. Trotz der rapide
wachsenden Anfrage, mangelte es jedoch an bezahlbaren Angeboten
für den Freiwilligendienst im nicht-europäischen Ausland. Vor diesem
Hintergrund entwickelte das Projektbüro EXCHANgE der Landesverei-
nigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e. V. im
Jahr 2005 den Freiwilligendienst „Kultur-Joker-International“. Dieses
Programm ist eine Erweiterung des „Kultur-Jokers“ beim Jugendinfor-
mationsdienst Sa-Anh (JISSA) im Rahmen des Programms der BKJvon
„kek – Kultur, Engagement, Kompetenz“, ein BKJ-Bundesmodellpro-
jekt für generationsoffene Freiwilligendienste, das Jugendlichen
von 18 bis 27 Jahren in Sachsen-Anhalt einen Freiwilligendienst
in einer kulturellen Einrichtung der Region ermöglicht. Der „Kultur-
Joker-International“ erstreckt sich auf insgesamt sechs Monate
und beinhaltet einen dreimonatigen Auslandsaufenthalt in Senegal,
Benin oder Vietnam.
Das Programm ist mit einer Laufzeit von drei Jahren gestartet.
Nach dem Ende des Kultur-Jokers-International, Mitte 2008, sollen
Programmformat, Partner und Struktur modifiziert im Rahmen des
„weltwärts“-Programms und der Aktion 3 des EU-Programms „Jugend
in Aktion“ weitergeführt werden.
Vorbereitung: interkulturelle Einführung und
überlebenswortschatz aus erster Hand
Die Begegnung mit fremden Kulturen und das Eintauchen in ein völ-
lig unbekanntes Leben erfordern nicht nur Idealismus, sondern auch
eine Portion kulturelle Sensibilität und menschliche Reife. Nach der
Auswahl der Freiwilligen erfolgen durch das Projektbüro Einstiegs-
Interviews und weitere Vorbereitungsgespräche. Die Jugendlichen
werden intensiv auf ihren Auslandsaufenthalt sowie die Gegeben-
heiten vor Ort vorbereitet. Gemeinsam wird das Projekt geplant und
Abläufe werden besprochen. Bei der Vorbereitung arbeiten die Freiwil-
ligen eng mit hier lebenden MigrantInnen aus den jeweiligen Ländern
zusammen. Sie erhalten eine interkulturelle Einführung aus erster
Hand und sammeln einen “Überlebenswortschatz”. Die MentorInnen
begleiten die Freiwilligen nicht nur bei der Vorbereitung, sondern
pflegen ebenso einen intensiven Kontakt mit ihnen während ihres
Aufenthaltes im Aufnahmeland.
„Einen internationalen Freiwilligendienst zu organisieren heißt, mit
verschiedenen Herausforderungen umgehen zu müssen. So kann es
passieren, dass es Schwierigkeiten in der Kommunikation gibt, dass
Absprachen missverstanden werden oder Projektpläne modifiziert
werden müssen. Bezogen auf Arbeitsmuster und Herangehensweisen
KulturJokerInternational = Freiwilligendienst im Ausland + kulturelle Jugendbildung
TITEL /// Kultur – Joker – InternationalPRoGRAMMFoRM /// Internationaler FreiwilligendienstKüNSTLERIScHE SPARTE /// Foto, Video, Tanz, MusikZEIT /// 6 Monate (3 davon in Ausland), Sachsen-Anhalt und z. Zt. in Vietnam, Benin und SenegalTEILNEHMER/INNEN /// 18 Jugendliche im Alter von 18 bis 25 JahrenFÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ/Programm >kek< – Kultur, Engagement, Kompetenz PARTNER /// Benin: Gymnasium „La Fontaine de Vie“ in Lokossa (über Weltbürger Sachsen-Anhalt);Vietnam: zentraler Jugendverband Vietnams/VYCT in Hanoi (über LKJ Sa-Anh/ Netzwerk für deutsch-vietnamesische Jugendbegegnung Sachsen-Anhalt);Senegal: Forum pour un Développement Durable Endogène (FODDE) in Kolda (über Jugendwerkstatt Frohe Zukunft Halle) TRäGER /// LKJ Sachsen-Anhalt e. V.
60 _ KulturJokerInternational
gibt es mitunter große Unterschiede zwischen den beteiligten Orga-
nisationen der verschiedenen Kulturkreise. Umso wichtiger ist es,
Absprachen so konkret wie möglich zu gestalten und die Freiwilligen
auf mögliche Herausforderungen und Verhaltensformen vorzuberei-
ten.” (Sylvia Gössel)
Vor ort: Projekte der Freiwilligen
Die Jugendlichen sind für drei Monate in einem Land Afrikas oder
Asiens und wirken dort an einem Jugendprojekt der Partner mit. In
der Regel vermitteln sie etwas aus ihrer (Jugend)Kultur oder werden
in Jugendprojekte der Partnerorganisationen integriert. In Senegal
z.B. arbeiten die Freiwilligen bei Projekten der NGO FODDE (Forum
pour un Développement Durable Endogène) mit, und können in einer
Mittelschule vor Ort kreative Kurse geben. Die individuellen Projekte
hängen direkt von den Interessen und Kompetenzen der Freiwilligen
ab. So nahm eine der Jugendlichen mit LehrerInnen und SchülerInnen
ein typisches senegalesisches Lied auf CD auf und ließ es dann in
einem Kunstworkshop illustrieren.
„Gestern Abend fand ein Essen in einer Bar im Freien zur Begrüßung
des ehemaligen Präsidenten der NGO Vreidenslanden statt. Dieser
Präsident hat zur Entstehung von FODDE und ihrer Philosophie beige-
tragen, nämlich eine NGO von Senegalesen getragen für eine endo-
gene Entwicklung im Senegal. Zur Unterhaltung war eine traditionelle
Musikgruppe eingeladen mit hervoragenden Tänzern. Ich durfte sogar
mit Tanzen in meinen rot-orangen afrikanischen Klamotten vom
Schneider. Alle waren entspannt und es war eine schöne Zeit. Mir ist
dann auch klar geworden, dass ich am liebsten nur bei NGOs arbeiten
möchte. Inch Allah – wie alle es hier sagen – wird schon auch klappen.“
(Tina Tifi Mambi, Senegal)
In Vietnam werden die Freiwilligen als Kultur-AssistentInnen in ver-
schiedenen öffentlichen Jugendeinrichtungen eingesetzt – Freizeit-
zentren, Jugendclubs oder studiumsvorbereitende Schulen. Sie tau-
schen sich über die neuesten Musikrichtungen aus und lernen Lieder,
die sie z.B. während einer Weihnachtsfeier zum Besten geben. Da die
Vermittlung kultureller Kompetenzen durch MuttersprachlerInnen
auch in Vietnam immer wichtiger wird, gibt es ein großes Interesse der
Jugendlichen dort, Menschen aus Europa auch im familiären Umfeld
zu begegnen.
„‚Die Universität der Kultur‘, ein freiwilliger Club der angehenden Tour-
guides, ist echt eine klasse Sache, vor allem wenn wir als Besucher
ein komplettes Kulturprogramm mit traditionellen Liedern, kleinen
Filmen über touristische Attraktionen und kleine Vorträge über viet-
namesische Besonderheiten, Spezialitäten und Sehenswürdigkeiten
geboten bekommen. Da fühlt man sich mit seinem dürren Stichpunkt-
zettel gleich ganz nackig! Ich wurde angefragt, einen kleinen Vortrag
über den Charakter der Deutschen und über die Überraschungen,
die Deutsche als Touristen im Ausland bereithalten, zu halten. Aber
was soll’s, die Studenten sehen sehr interessiert aus und hören nach
meinem Eindruck auch gespannt zu. Das Englisch der Vietnamesen ist
nämlich vielfach noch nicht so weit. Hier scheint’s aber funktioniert zu
haben und es gibt einen regen Gedankenaustausch. Später habe ich
alle Lacher auf meiner Seite, als ich eine kleine, erst kürzlich erlebte
Anekdote zum Besten gebe.“(Tina Reinhardt)
Nachbereitung: Erlebnisse werden kreativ bearbeitet
Der enorme Fluss an Erlebnissen überwältigt jeden jungen Menschen,
der mit einem anziehend exotischen und beängstigend fremden Land
konfrontiert wird. Die Zeit zum Nachdenken, für Reflexionen und die
Möglichkeit, sich mit jemanden auszutauschen sind genauso wichtig,
wie die Erfahrungen selbst. Deshalb wurde angestrebt, immer zwei
Freiwillige in ein Projekt gleichzeitig zu entsenden.
Als ein beliebtes Mittel haben sich bei den Jugendlichen die
neuen Medien erwiesen. Sie wurden genutzt, um die neuen, noch „fri-
schen“ Eindrücke einzufangen und dadurch diese mit Freunden oder
Interessierten zu teilen.
KulturJokerInternational _ 61
62 _ KulturJokerInternational
„Wieder zurück in Deutschland. Das andere Leben fängt neu an. Um
den Übergang von einer in die andere Welt zu meistern, setzen sich die
Jugendlichen durch künstlerische Methoden mit ihren Erfahrungen
auseinander. In der Zusammenarbeit mit der Entsendeorganisation
gestalten sie eine Fotoausstellung, aus dem gesammelten Videoma-
terial entsteht ein Film, eine visuelle Präsentation oder eine schrift-
liche Reportage wird vorbereitet und einem breiten Publikum zugäng-
lich gemacht. So vermitteln sie ihre individuellen Erfahrungen anderen
Jugendlichen mit offenen Augen und aufgeschlossenen Herzen, die
von einer bereichernden Zeit im fernen Ausland bisher nur träumen.“
(Sylvia Gössel)
Schatzkiste: Internationaler Freiwilligendienst und
Integration Jugendlicher mit Migrationshintergrund
Eine wichtige Besonderheit dieses Projektes ist die Einbeziehung
von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Dadurch entsteht eine
Verknüpfung zwischen internationaler Jugendarbeit und der Jugend-
arbeit im Migrationsbereich, die dieses Projekt beispielhaft macht.
„Die Welt, die die Jugendlichen erforschen wollen und die Auswahl der
Länder für den Freiwilligendienst ist groß. Im Fokus unserer Arbeit ste-
hen Kulturen, die im alltäglichen Leben in Deutschland eine erhöhte
Bedeutung haben, aber über die das Wissen im Allgemeinen sehr
gering ist. Die größte MigrantInnengruppe in Sachsen-Anhalt sind
VietnamesInnen. Eine Studie aus den Jahren 2001 bis 2003 hatte
ergeben, dass gerade Jugendliche mit Migrationshintergrund kaum
in die Jugendarbeit des Landes Sachsen-Anhalt integriert sind. Wir
streben in unserer Arbeit an, dieser Tendenz entgegen zu wirken. Auch
in diesem Projekt entsendeten wir beispielsweise junge Deutsche und
junge VietnamesInnen zusammen nach Vietnam. Bei dieser Freiwilli-
genkonstellation ist die Polarisierung ‚wir – Deutsche, sie – Ausländer
nicht mehr in dieser Form möglich. Die Auseinandersetzung mit der
eigenen kulturellen Identität findet intensiver statt. So wird nicht nur
die Begegnung zwischen deutschen und Jugendlichen mit Migrati-
onshintergrund ermöglicht, sondern auch die Sensibilität für die Situ-
ation junger MigrantInnen in Deutschland erhöht.“
(Sylvia Gössel)
Kontakt
LKJ Sachsen-Anhalt e.V.
Sylvia Gössel
Liebigstr. 5, 39104 Magdeburg
Fon: 0391.2445162
www.jugend-lsa.de/kulturjoker/international.htm
Olivers Traum _ 63
Die Romanfigur von Charles Dickens „Oliver“ steht wie kaum eine
andere für Millionen von Kindern in dieser Welt, die als Waisen und
ohne soziale Bindung aufwachsen. Der junge Oliver durchlebt gesell-
schaftliche Missstände und Gewalt, Kinderarbeit, Ausbeutung und
Kriminalität. Oliver steht aber auch für Auflehnung, Stärke und Zivil-
courage von Kindern. Ganz im Sinne dieses Leitbildes, aber ohne
Bindung an die literarische Vorlage, wurde in knapp zehn Tagen eine
Tanz-Theaterproduktion erarbeitet. Die 25 Kinder und Jugendlichen
von 12 bis 16 Jahren aus Brasilien, Bolivien, Burkina Faso, Uganda
und Deutschland, die teilweise ohne Eltern oder in großer Armut auf-
wachsen oder traumatische Erlebnisse hinter sich haben, wurden
nach Lingen eingeladen, um in der gemeinsamen künstlerischen
Arbeit einander kennen zu lernen und sich mit ihren Lebenssituati-
onen auseinanderzusetzen.
äußere Armut und innerer Reichtum
Schon im ersten Austausch wurde deutlich, dass trotz erheblicher kul-
tureller Unterschiede die Wünsche und die Sorgen der Teilnehmenden
sich sehr stark ähnelten: Neben beruflichen Perspektiven von der
Tierärztin bis zum Popstar, bei gleichzeitiger Angst vor fremdem, aber
auch dem eigenen Kriminalitätspotenzial, waren die Anerkennung der
eigenen Person und Fähigkeiten bzw. das Finden eines dauerhaften
Zuhauses die unüberhörbaren Wünsche. In den Theaterübungen,
Improvisationen, gemeinsamen Szenen und alles vereinenden sze-
nischen Tanz- und Bildercollagen kamen ihre Lebenserfahrungen
und Träume zum Ausdruck. Der Austausch der Erfahrungen hat die
Erkenntnis ermöglicht, dass es auch andere Menschen gibt, die ein
ähnliches Schicksal haben und wenn man sich mit ihnen auseinander
setzt, dann ist das eigene Schicksal leichter zu ertragen.
„Die Kinder selbst gaben die Bestätigung für zuvor Geahntes: Die
Beschäftigung mit ihrer Geschichte und ihren Geschichten war von
vitaler Bedeutung. Viel virulenter als die Beschäftigung mit der
Romanvorlage von Oliver Twist, die ohnehin nur die wenigsten Kinder
kannten. Wir wollten etwas über ihre Wirklichkeit erfahren. Wir wollten
die Kinder kennen lernen und mit ihnen gemeinsam eine Geschichte
erzählen, die mit ihnen zu tun hat, aber in ästhetischer Distanz zu
ihren Erfahrungen steht.“ (Tom Kraus)
Kulturelle Bildung im sozialen Kontext
Da es sich bei Olivers Traum um eine sechssprachige (Deutsch,
Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Russisch)
Gruppe handelte, wurde die entstehende Inszenierung mit Mit-
teln und Zeichen des nonverbalen Bewegungs- und Tanztheaters
gestaltet. Die Sprachen dabei waren der Tanz, das Theater und die
Olivers Traum
TITEL /// Olivers Traum – ein interkulturelles und interdisziplinäres Tanztheaterprojekt mit KindernPRoGRAMMFoRM /// Multilaterale JugendbegegnungKüNSTLERIScHE SPARTE /// Tanz, TheaterZEIT /// 09.–23.07.2006, Lingen (Ems) DeutschlandTEILNEHMER/INNEN /// 44 Jugendliche (Aids-Weisen und Straßenkinder) im Alter von 12 bis 16 Jahren aus Afrika, Asien, Südamerika und Europa FÖRDERuNG /// BMFSFJ über BKJ, Niedersächsische Lotto-Stiftung, Deutsches Kinderhilfswerk, RWE, Stadt Lingen (Ems), weitere PARTNER /// Europäisches Zentrum der International Amateur Theatre Association IATA/AITA; COMPA-Teatro Trono, Bolivien;Centro Social Sao José do Monte, Brasilien; People’s Theatre Association, Bangladesh; Tender Talents Magnet School, Uganda;Theatergruppe Ernest Minoungou, Burkina Faso;Eylarduswerk Bad Bentheim TRäGER /// TPZ Lingen e. V.
64 _ Olivers Traum
Musik. Im gemeinsamen Spiel auf der Bühne entdeckten die Kinder
und Jugendlichen ihre spielerische Kraft, Ausdrucksfähigkeit und
künstlerischen Potenziale. Im gegenseitigen Austausch wichen die
kulturellen Unterschiede einem verbindendem Gemeinschaftsgefühl.
Neugierde, gegenseitiges Vertrauen und menschliche Wärme fand
Platz in den Freiräumen zwischen den künstlerischen Workshops:
Ein plötzliches Anlehnen, ein unvermitteltes Zur-Seite-Ziehen oder ein
unmissverständliches Festhalten durchbrachen den Alltag. In dem
vorsichtigen Annäherungsprozess verblassten Ängste vor dem Frem-
den und Unbekannten, verschwanden Hemmungen und Grenzen zwi-
schen den Menschen. Das während der Workshoparbeit gewonnene
Vertrauen der Teilnehmenden untereinander und zu den Regisseuren
ermöglichte die persönliche Begegnung jenseits aller Kulturen und
Sprachen.
„Ein Vorteil von Theaterpädagogik gegenüber dem professionellen
Theater ist, dass Motive und Geschichten oft auf Grundlage der Sozi-
alisationen der Akteure selbst generiert und von allen Beteiligten
gemeinsam entwickelt werden können. Die ästhetisierte Vermen-
gung von Selbst, Rolle und Geschichte verdichtet sich in gesellschaft-
licher Relevanz. Dies ist ein soziokultureller und politischer Vorgang
zugleich.“ (Tom Kraus)
Eine bewegende Aufführung
Die Ergebnisse des Projekts wurde im Rahmen des 9. Welt-Kinder-
theater-Festes in Lingen (Ems) vor 800 ZuschauerInnen mehrfach
öffentlich vorgestellt. Die emotional berührenden Bilder der sze-
nischen Collage ließen die harte Wirklichkeit der jungen Menschen
erahnen, sie zeigten ihre Sorgen, Ängste und Träume, stellten sie aber
nicht bloß, sondern verliehen ihnen eine große Würde. Die starke, unter
die Haut gehende Aufführung machte deutlich, welche Kraft Thea-
ter haben kann. Das Publikum dankte ihnen mit Standing Ovations.
Schlussbild. Ein Klangteppich. In Zeitlupe bewegen sich die Kinder
rückwärts vom Publikum weg, scheinen sie den ZuschauerInnen lang-
sam zu entgleiten, werden die Kinder unaufhaltsam von der Dunkel-
heit der Hinterbühne aufgesogen und schließlich von ihr verschluckt.
„Geht nicht weg, bleibt bei uns“, waren die Gedanken und Gefühle einer
Zuschauerin. (Tom Kraus)
Das Bleibende und Weiterführende
„Olivers Traum“ war nicht nur ein einmaliges Theaterstück, das alle
Beteiligten bewegte und tiefe Eindrücke hinterließ. Das Projekt traf
auf eine breite Resonanz in der Öffentlichkeit und in den Fachkreisen
der Kindertheaterarbeit. Es hat die künstlerischen und sozialpädago-
gischen Potenziale der internationalen Kindertheaterarbeit verdeut-
licht und die Diskussion über die Bedeutung von Kunst und Theater im
sozialen Kontext mit wertvollen Erkenntnissen bereichert.
Bei internationalen Projekten entwickeln sich über sprachliche
und kulturelle Grenzen hinweg nicht nur kontinuierliche Freund-
schaften, sondern auch langfristige Patenschaften für Kinder aus
sozial schwachen Verhältnissen oder in schwierigen Lebenssituati-
onen. Die Zusammenarbeit und der Erfahrungsaustausch auf interna-
tionaler Ebene tragen zur Bildung neuer Netzwerke auf allen Ebenen
bei. So wurde z.B. in Bangladesch eine völlig neue Struktur der Thea-
terlandschaft von Kindern und Jugendlichen – vornehmlich aus dem
Milieu der Straßenkinder – entwickelt, die mittlerweile mehr als 35
Gruppen zählt. Ebenso wurde der Grundstein für ein internationales
Netzwerk der Kindertheaterhäuser gelegt.
„Das soll Mut machen, diese Wege der künstlerisch-kulturellen
Bildung von jungen Menschen im interkulturellen Kontext weiter zu
beschreiten.“(Norbert Radermacher)
Straßenkinder als Zielgruppe kultureller Bildung?
Muss kulturelle Bildungsarbeit immer Zielgruppenarbeit sein? Bedeu-
tet diese sicherlich gut gemeinte Einteilung in Teilnehmerspezies
nicht gleichzeitig auch eine ungewollte Stigmatisierung des jewei-
ligen Klientels?
Olivers Traum _ 65
„Das Geheimnis des Erfolgs von Olivers Traum lag in den Kindern selbst
begründet. Allen Unkenrufen im Vorfeld des Projektes zum Trotz, war
die Arbeitsatmosphäre geprägt von großer Lust auf Gestaltung, Neu-
gier, Lebendigkeit und Disziplin zugleich. Fragen nach möglichen
Sonderformen des Umgangs mit Waisen- und Straßenkindern wur-
den spätestens mit der ersten Begegnung hinfällig. Im spielerischen
und achtsamen Umgang miteinander erfüllten sich alle Wünsche, mit
denen die Beteiligten nach Lingen gereist waren. Und vielleicht sind
Spiel und Achtsamkeit die ausschlaggebenden Parameter, die im Kon-
text kultureller Bildung vonnöten sind, damit Menschen sich wirklich
einander begegnen können.“ (Tom Kraus)
Schatzkiste: professioneller künstlerischer Anspruch
würdigt Teilnehmende
Das Projekt stellt eine gelungene Mischung aus hohen künstlerischen
Ansprüchen und pädagogischen Zielen dar. Es gibt sich nicht zufrie-
den mit der Nutzung von künstlerischen Methoden zur Stärkung
des Selbstbewusstseins, der Toleranz und der Förderung des krea-
tiven Potentials junger Menschen. Professionelle KünstlerInnen aus
Deutschland, Russland und Uganda, die über große Erfahrungen in der
interkulturellen Arbeit verfügen, sind den Kindern zur Seite gestellt
worden. Dadurch bekamen die jungen TeilnehmerInnen nicht nur die
Möglichkeit des kreativen Ausdrucks, sondern erfuhren auch Respekt
und Wertschätzung, die für sie von großer Bedeutung sind. Der hohe
künstlerische Anspruch mit einer besonderen TeilnehmerInnen-
gruppe und einem wichtigen, sozialpolitischen Thema trug dazu bei,
dass dieses Theaterprojekt eine sehr starke öffentliche Resonanz
erzielte.
Kontakt
Theaterpädagogisches Zentrum
der Emsländischen Landschaft e.V.
Universitätsplatz 5–6, 49808 Lingen
Fon: 0591.91 66 30
www.tpz-lingen.de
Was unterscheidet eine internationale Jugendbegegnung
von einer Klassenfahrt?
Vor allem muss die Begegnung außerhalb des schulischen Rahmens
durchgeführt werden, eine anerkannte außerschulische Partner-
organisation im Ausland soll vorhanden sein, LehrerInnen sind nicht
erwünscht und eigentlich darf niemand jünger als 12 Jahre sein.
Am Projekt „Jahrmarkt der Künste“ in Ostróda/Polen haben 10
Jugendliche der 6. Klasse der Hannah-Höch-Ganztagsschule aus
Berlin Reinickendorf teilgenommen. Sie trafen sich dort für acht Tage
mit 10 gleichaltrigen SchülerInnen der polnischen Kleinstadt und
10 weiteren Kindern im Alter von 12 bis 14 Jahren, die eine Schule
im litauischen Druskininkai besuchen – insgesamt 30 Teilnehmende,
plus zwei WorkshopleiterInnen, einer Sprachmittlerin und drei
LehrerInnen.
Wesensmerkmale internationaler Jugendbegegnungen sind:
Eine gemeinsam strukturierte Lernerfahrung muss das Programm
bestimmen, die eigenen und die anderen Kulturen sollen erkannt und
reflektiert werden, die Begegnung muss organisatorisch gesichert
und eine sprachliche Kommunikation gewährleistet sein.
„Das Auge“
heißt die Zeitung der Hannah-Höch-Ganztagsschule in Berlin Reini-
ckendorf, in der die jungen RedakteurInnen über ihren Schulalltag, die
Fortschritte bei den Umbauarbeiten am Schulgebäude und außerge-
wöhnliche Ereignisse berichten. Die 38. Ausgabe ist einem besonde-
ren Thema gewidmet: dem „Jahrmarkt der Künste“ in Ostróda. Bilder
und Geschichten schildern die Eindrücke der zehn Jugendlichen, die
an der internationalen Begegnung in Polen teilnahmen. Das Litera-
turprojekt „Deutsch-polnisches Buch“ an der Jugendkunstschule
ATRIUM, welches die Kinder im Rahmen ihrer Schulzeit besuchen, gab
die Anregung, eine künstlerische Jugendbegegnung gemeinsam mit
polnischen und litauischen Jugendlichen zu gestalten. Die Schüler-
zeitung „das Auge“ hat das Vorhaben von der Idee bis hin zur Auswer-
tung begleitet und dokumentiert.
Die größte Herausforderung, noch bevor das Projekt über-
haupt begann: Es galt die Unsicherheit der Eltern zu überwinden,
ihre Sprösslinge für eine Woche in das unbekannte, vorurteilsvolle
Land fahren zu lassen. Im Gespräch mit den Verantwortlichen in der
Schule und mit den LeiterInnen des ATRIUM haben die Erwachsenen
ihren Ängsten Luft machen können. Erfahrungsberichte und eine
Power-Point-Präsentation aus früheren Projekten, die Anwesenheit
und Ansprache des Projektpartners aus Ostróda und die Vorstellung
des spannenden Programms der Begegnung haben letzte Befürch-
tungen ausräumen können. Neben den inhaltlichen Aspekten war
jedoch auch entscheidend, dass die Teilnahmegebühr aufgrund der
Fördermittel und des Eigenbeitrags des ATRIUM für alle Eltern nicht
zu hoch lag.
Augenblicke
Schon am Bahnhof in Berlin platzten die Kinder vor Neugierde und
Freude auf ein spannendes Erlebnis. Für fast alle der TeilnehmerInnen
war es die erste Reise ins Ausland oder die erste Reise ohne Eltern.
Die Aufregung war dementsprechend groß, und dann:
„Die Reise begann mit einer Katastrophe: Wir verpassten den Zug und
stiegen dann auch noch in einen Falschen ein. Als wir dann mit drei
Stunden Verspätung ankamen, waren wir hundemüde. Die anderen
Kinder haben uns groß angeguckt und getuschelt. Aber wir wollten nach
Mit offenen Augen im Jahrmarkt der Künste
TITEL /// „Jahrmarkt der Künste“ PRoGRAMMFoRM /// Trilaterale Jugendbegegnung KüNSTLERIScHE SPARTE /// Bildende KunstZEIT /// 25. 06–02.07.2006, Ostróda , PolenTEILNEHMER/INNEN /// 10 deutsche, 10 polnische und 10 litauische Jugendliche im Alter von 12 bis 14 JahrenFÖRDERuNG /// DPJW über BKJ PARTNER /// Polen: Szkola Podstawawa Nr. 1, Ostroda;Litauen: Druskininku Senamiescio vidurine mokykla TRäGER /// ATRIUM – Jugendkunstschule
66 _ Mit offenen Augen
11 Stunden Fahrt einfach nur ins Bett.“ (Lasse Riediger, Teilnehmer)
Das Programm der Begegnung war sehr umfangreich. Vormittags fan-
den die verschiedenen Werkstätten statt, in denen eigene Produkte
erarbeitet wurden, die auf dem Jahrmarkt in Ostróda am Ende des
Projekts verkauft werden sollten: Keramik und Ton, Papierschöp-
fen, Wachskerzen gießen, Serviettentechnik, Weben, Steinschmuck
basteln, Waldungeheuer aus natürlichem Material herstellen, Karten
basteln und Aquarell malen.
Aber auch Ausflüge in die nächste Großstadt (Olsztyn), in einen
ethnografischen Park und auf einen Bauernhof bereicherten das
Zusammenleben der TeilnehmerInnen.
„Unsere Kinder wurden aufgeteilt, so dass wir immer in gemischten
Gruppen arbeiteten. Bei fröhlichen Liedern, Spielen und Tänzen wurden
wir miteinander bekannt gemacht. Unsere Jungen stellten die ersten
Kontakte her, in dem sie die litauischen und polnischen Jungen zum
Fußballspiel einluden. Die polnischen Kinder luden dafür alle zu einer
Geburtstagsfeier ein. Die Sprache, die alle etwas konnten, war Eng-
lisch. In den Workshops wurden in gemischten Gruppen viele Sachen
für unseren Abschlussbasar gestaltet, der an der Strandpromenade
von Ostróda am vorletzten Tag stattfand . Alle Gruppen zeigten ein
kleines Programm und unsere selbst gefertigten Sachen wurden durch
die TeilnehmerInnen verkauft. Von den Einnahmen konnten wir dann
Pizza essen und alle bekamen noch ein Eis.“ (Marion Adler, Lehrerin)
Ein anderer Blickwinkel
Es gab viele kleinere und größere Herausforderungen, die die Kinder
meistern mussten. Sie haben geübt, genügsam und anpassungsfähig
zu sein. Die spartanische Unterkunft im 4-Bett-Zimmer in einem Inter-
nat war für die meisten Kinder das geringste Problem. Dafür hat das
gewöhnungsbedürftige Essen und Trinken einige Diskussionen ver-
ursacht. Doch viel wichtiger war es, die Grenze der Kontaktaufnahme
zu überwinden, mit anderen Kindern und mit den BesucherInnen, die
auf dem Jahrmarkt die künstlerischen Kreationen erwerben wollten.
Selbstbewusstsein, Mut, Bruchteile Englisch und ein paar gelernte
Wörter Polnisch waren dabei sehr hilfreich.
Bei so viel Neuem und Unbekannten waren die kreativen Werk-
stätten wie „ein Stück Zuhause“. Die Arbeit mit künstlerischen Metho-
den in der Gruppe war etwas Vertrautens, was nicht nur die Kinder
aus drei Ländern näher in Kontakt brachte, sondern auch Sicherheit
und Vertrauen gab, allen ungeplanten und ungeahnten Herausfor-
derungen zu begegnen. Ein Schritt nach dem anderen. Immer mehr
gelernt, über das Land, über die Kinder aus Polen und Litauen und
über sich selbst.
Rückblick
Bei dem Nachtreffen der deutschen Gruppe in Berlin wurden Fotos
angeschaut, Erinnerungen ausgetauscht und mit einem Seufzen an
das schöne Sommererlebnis gedacht. Beim Betrachten der Gruppen-
bilder auf dem Anhänger eines Traktors beim Ausflug kamen Fragen
über die Verkehrsregeln in Polen und Deutschland auf. Diese mün-
dete in eine Diskussion über das Verbotene und Erlaubte, über die
Gesetze und Regeln und vieles andere, was vor Ort noch nicht so
bewusst war. Das Nachbarland ist vertrauter geworden. Die Nach-
richten über Polen wecken mehr Aufmerksamkeit als vorher, es ist
greifbarer geworden. Jetzt können sie den Namen des Landes mit
Bildern, Gerüchen, Geschmäckern und vielen schönen Gedanken über
das unvergessliche Erlebnis und außergewöhnlich gastfreundliche
Menschen füllen.
Blickfang
Das Abschiedsgeschenk des litauischen Mädchens hat längst einen
Platz auf dem Schreibtisch gefunden und erinnert daran, dass im
Schubkasten der angefangene Brief wartet. Die letzte Herausforde-
rung – Fremdsprachkenntnisse verbessern – gilt es noch zu überwin-
den. Vielleicht gelingt es, einen großen Schritt in diese Richtung bei
der Rückbegegnung in Berlin zu machen.
Mit offenen Augen _ 67
68 _ Mit offenen Augen
Schatzkiste: Zusammenarbeit mit Schule und
Ergänzung des schulischen Bildungsangebots/Verbindung
zwischen Schule und Außerschulischem
Die Jugendkunstschule ATRIUM arbeitet eng mit der Hannah-Höch-
Ganztagsschule zusammen. Die Jugendlichen nehmen im Rahmen
ihrer Schulzeit an den künstlerischen Bildungsangeboten des ATRI-
UMS teil. Somit wird das schulische Angebot durch die Aspekte der kul-
turellen Bildung ergänzt, die im Schulalltag so nicht vermittelbar oder
nicht leistbar sind (besonders in Zeiten der aktuellen Diskussion über
die Notwendigkeit der Ganztagsschule). Auch der Praxis-Alltag ande-
rer Träger der Kinder- und Jugendkulturarbeit zeigt, dass die Grenze
zwischen Schule und außerschulischen Angeboten immer weniger
erkennbar wird. Die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der
außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit und den Einrichtungen
der schulischen und beruflichen Bildung bereichert alle Beteiligten.
Die schulischen Einrichtungen stärken ihr Profil und können eine
breitere Palette an Aktivitäten anbieten, die außerschulischen errei-
chen Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Familien, die
erst durch die Kooperationsprojekte auf ihre Angebote aufmerksam
werden. Gerade sie profitieren von der Verbindung zwischen Schule
und außerschulischer Bildung am meisten. Sie erhalten die Möglich-
keit, an internationalen Projekten teilzunehmen und interkulturelle
Erfahrungen zu sammeln.
„Die Eltern werden in den Zeiten, die die Schule nicht anbietet, auf die
Angebote mehr zugreifen. Es ist nur wichtig, dass die außerschulische
Bildung ihre Kraft erhält. Politisch-kulturelle Bildung könnte in der
Schule nicht geleistet werden. So muss miteinander gearbeitet werden.
Die Begegnung hätte die Schule ohne Atrium gar nicht hingekriegt. Wir
haben bei uns im Atrium die Werkstätten gemacht. Eltern sind darüber
auf das Atrium aufmerksam geworden. Das Profil des Trägers wurde
geschärft. Die Schule war stolz auf die Kooperation und dass das Pro-
jekt mit Hilfe des Atrium möglich war. Damit profiliert sich die Schule,
indem sie mit einem wichtigen außerschulischen Träger Kooperation
hat und dem Auftrag, über die Schule hinauszuwirken, nachkommt,
durch qualitativ gute Partner.“ (Lutz Lienke)
Kontakt
ATRIUM – Jugendkunstschule
Lutz Lienke
Senftenberger Ring 97, 13435 Berlin
Fon: 030.403 82 96-0
www.atrium-berlin.de
Step by Step _ 69
1927 führten die „Kinderfreunde“, wie die damalige Kinderorganisa-
tion der Falken hieß, ein erstes Zeltlager durch, an dem zehn bis vier-
zehnjährige Jugendliche auch aus dem europäischen Ausland, betei-
ligt waren. Heute bekannte Konzepte der kulturellen Jugendbildung
und des interkulturellen Lernens gab es noch nicht, war doch in der
damaligen Zeit das Lebensalter der Jugend als pädagogisches Zielob-
jekt erst in dessen Entwicklungsphase. Doch Begriffe und Inhalte der
Völkerfreundschaft, des Weltfriedens und der Solidarität waren schon
damals, spätestens mit der Internationalisierung der Arbeiterjugend-
bewegung, das Ziel internationaler Jugendtreffen. In dieser Tradition,
der eines klassischen Arbeiterjugendverbandes mit tiefen internati-
onalen Wurzeln und solidarischer Verantwortung, sehen die Falken
sich und ihren Kinder- und Jugendverband. Im Kreisverband Duisburg
gehören internationale Begegnungen und Zeltlager ebenfalls seit lan-
ger Zeit zum Standard, doch das Projekt „European Future is in YOUth!“
und das „Step by Step Camp“ setzten neue Maßstäbe. Das Camp hat
drei langjährige, bisher nur bilaterale Partner zusammengeführt, und
mit den künstlerischen Formen Musik, Video, Theater und neue Medi-
en versucht, die europäische Zukunft auszuloten.
Heute wie damals treffen sich die Falken bei ihren Camps in Zelten.
Doch auch wenn diese von außen noch als Zelte zu erkennen sind, hat
sich das Innenleben der aktuellen Jugendkultur angepasst.
„Zwischen Musikzelt und Theaterzelt ...
findest du rechts vom Videozelt das Internetzelt“ und wenn die Besu-
cherin nicht richtig zugehört hat, könnte sie auch im Küchenzelt, im
Speisezelt, im Kinozelt oder im Raucherzelt landen, oder in einem
der 15 Schlafzelte. Die Zeltstadt war beeindruckend. Insgesamt 28
große Zelte bildeten das „Step by Step Camp 2007“ auf der Wiese der
Grundschule Am Borgschen Hof am ehemaligen Duisburger Industrie-
standort Rheinhausen.
Nicht viele der 30 Jugendlichen aus der Türkei, Ungarn und
Deutschland haben vorher schon einmal einen Rap gesungen, ein
Video gedreht, ein Theaterstück gestaltet oder eine Homepage auf-
gebaut, erst recht nicht mit jungen Leuten aus anderen Ländern und
vor allem nicht mit Hilfe der Brückensprache Englisch – doch eben
deswegen waren sie dabei. Sie wollten neue Horizonte entdecken und
eine interkulturelle Gemeinschaft erleben.
Dabei sollte das Thema Europa nicht als ein geografisch-tou-
ristisches Gebilde betrachtet werden. Die Jugendlichen haben sich
mit den Lebensbedingungen in Familie, Freizeit, Schule und Berufs-
ausbildung in den verschiedenen Ländern beschäftigt. Aber auch
Themen des Verständnisses Europäischer Bürgerschaft und dessen
Auswirkungen auf den lokalen Partizipationsrahmen der beteiligten
Jugendlichen wurden in den Workshops behandelt.
Different nations all together in the camp ...
ist der Refrain des entstandenen Songs, das Resultat des Musikzelts.
Am Anfang stand der Beat, der Rhythmus des Songs, verschiedene
Instrumente und Töne der drei Kulturräume und der gemeinsamen Pro-
jektzeit bildeten den Soundteppich. So sind am Anfang die Geräusche
des Duisburger Bahnhofs zu hören, dann ein Stimmgewirr und mit
dem Einsetzen der Bassgitarre und einer orientalischen Trommel wird
in drei Sprachen ein guter Rap-Song dargeboten. Den TeilnehmerInnen
war klar, dass der Rap – Sprachgesang vor allem von Inhalten lebt. So
hat die Arbeit an den Texten auch die meiste Zeit des gemeinsamen
Step by Step – the European Future is in YOUth!
TITEL /// Step by Step Camp 2007 – European Future is in YOUth! PRoGRAMMFoRM /// Trilaterale Jugendbegegnung KüNSTLERIScHE SPARTE /// Musik, Video, Theater, neue MedienZEIT /// 18.–28.07. 2007, Duisburg RheinhausenTEILNEHMER/INNEN /// 30 Jugendliche aus Deutschland, Türkei und UngarnFÖRDERuNG /// EU Programm „Jugend in Aktion“, RT MedienPARTNER /// Ungarn: Sellö Egyesület, Györ;Türkei: ÇADIG, ÇanakkaleTRäGER /// SJD – Die Falken KV Duisburg
Wirkens in Anspruch genommen. Zwei Tage lang wurden Ideen und
Botschaften ausgetauscht, überarbeitet und der Rap-Melodie ange-
passt, jede Meinung, jeder Beitrag war wichtig. Und jede Gelegenheit
zum Üben musste genutzt werden. So versammelte sich schnell ein
kleines Publikum, wenn die Rapper Küchendienst hatten und beim
Spülen einfach weiter probten. Die Videogruppe ging etwas leiser
an ihre Arbeit. Bereits am ersten Tag stand fest, dass das Resultat
eine Mischung aus Camp-Dokumentation und der Arbeit an eigenen
Vorurteilen enthalten soll. Nach einer kurzen Einführung in die Magie
der Kameraführung, des richtigen Lichts und dem Bau einer Mirko-
fon-Angel, bestimmten gegenseitige Interviews und die Begleitung
der anderen Workshops das Gruppenleben. Die Teilnehmenden des
Videozeltes haben ihren Fokus auf teils überspitzte, positive Vorur-
teile der anwesenden Kulturen gelegt, um damit eine Diskussion über
Klischees und einseitige Wahrnehmung im Publikum anzuregen.
„Die individuelle Eigenverantwortlichkeit junger Menschen zu för-
dern, steht auf den Fahnen aller Partner des Projekts, das ist unser
Bindeglied. Es ist die Einsicht, dass jeder einzelne nicht nur für das
eigene Tun, sondern auch für die eigene Entwicklung verantwortlich
ist. Wichtig dafür ist ein Handlungsrahmen, der die Grundlage für die
Entwicklung dieser Fähigkeit bietet, in denen die Jugendlichen Erfah-
rungen sammeln, bündeln und vertiefen können. Hier bot das „Step
by Step Camp“ über die kulturellen Workshops hinaus, insbesondere
durch organisatorische Notwendigkeiten und die Möglichkeiten des
Zusammenlebens, ein geeignetes und gleichsam geschütztes Hand-
lungsfeld. Ein Feld jedoch, in dem jeder individuell neu erfahrene Tech-
niken und bislang unbeachtete kulturelle Kompetenzen ausprobieren
konnte.“ (Frank Witzke)
Befähigung zu kulturellen Techniken
Etwas darf bei den Projekten der Falken Duisburg nie fehlen: der
Anspruch auf Partizipation. Denn der Anspruch auf eigenverantwort-
liches Handeln zieht zwangsläufig die Beschäftigung mit Fragen der
Teilhabe nach sich. Zunächst soll den jungen Menschen die Teilhabe
an der Gesellschaft erschlossen werden, ein Anspruch der auch kul-
turelle Techniken und Traditionen mit einschließt. Vielfach sind diese
Techniken und Traditionen erst bekannt zu machen, bevor ein Zugang
überhaupt möglich werden kann.
Eine Beschäftigung mit „Kultur“ im weitesten Sinne, erhält
jedoch im Rahmen einer internationalen Jugendbegegnung eine
besondere Bedeutung. Der Bezug auf eine eigene kulturelle Identi-
tät bzw. deren notwendige Herausbildung oder Bewusstmachung ist
zum Erwerb von interkulturellen Kompetenzen eine zwingend erfor-
derliche Voraussetzung. Dazu gehört ein bewusster, vielleicht auch
spielerischer Umgang mit eigener oder fremder Sprache, wie etwa
beim Rap oder im Theater, genauso wie der Zugang zu Rhythmik, musi-
kalischen Techniken und anderen Ausdrucksformen.
Schatzkiste: vom Medium als Vehikel und nicht als Botschaft
Es waren keine jungen Künstler, die zum Projekt kamen um ihre
besonderen Fähigkeiten zu zeigen oder zu trainieren, sondern ganz
normale Jugendliche. Sie haben sich nicht zu dem Projekt angemeldet,
weil es dort den einen besonderen Workshop gab. Es konnte erkannt
werden, wie die eigene Stimme im Rap aus drei verschiedenen Spra-
chen klingt, wie sich im Theater ein Charakter darstellt oder welches
Licht im Dunkeln bei einem Videointerview benutzt werden kann. Das
gemeinsame Probieren und Agieren stand im Vordergrund.
Die Ergebnisse der Workshops im „Step by Step Camp“ waren
nicht für die Welt außerhalb der Zeltstadt bestimmt, doch inner-
halb des Camps war der Rap der größte Hit und wird es für die Teil-
nehmerInnen ein Leben lang bleiben: ihr Song, bei dem sie zum ersten
Mal im Leben ein künstlerisches Medium als eigene Ausdrucks-
form sahen.
Es spielt jedoch für den Erfolg der interkulturellen Kommuni-
kation innerhalb der Gruppe überhaupt keine Rolle, wie gut oder wie
schlecht gesungen, gefilmt oder gespielt wurde, solang sich davor,
während und danach die Jugendlichen über die Inhalte und ihre
Gefühle ausdrücken können. Genau auf diese Phasen haben die Orga-
nisatorInnen und TeamerInnen des Projekts geachtet. „The medium
is the message“, erkannte der Medientheoretiker Marschall McLuhan
(1962, The Gutenberg Galaxy). In einer internationalen Jugendbegeg-
nung ist das Medium jedoch mehr ein Vehikel, welches die Botschaft
zu transportieren hat (Krauß/Schmittinger in Otten/Treuheit, 1994).
Kontakt
SJD – Die Falken KV Duisburg
Frank Witzke
Krummacherstr. 33, 71051 Duisburg
Fon: 0203.264 78
www.european-youth.eu
InformationenFörderinstitutionen // Informationsquellen // Beratungsstellen
DEuTScHLAND
Kinder- und Jugendplan des Bundes – KJP
Das Hauptinstrument der Jugendförderung, und somit auch der
internationalen Jugendarbeit, (auf Bundesebene) ist der Kinder- und
Jugendplan des Bundes. Es gibt verschiedene Wege, die Bundesmit-
tel zu beantragen: das Direktverfahren, insbesondere von bundes-
zentralen Organisationen für ihre eigenen Projekte, das Zentralstel-
lenverfahren von Trägern, die einem bundeszentralen Dachverband
angehören (z.B. über die BKJ) und das Länderverfahren, durch das
Bundesmittel über die Obersten Jugendbehörden der Länder an Trä-
ger auf der lokalen Ebene vergeben werden, wenn diese nicht einem
bundeszentralen Dachverband angehören.
www.bmfsfj.de
Koordinierungszentrum Deutsch-Israelischer
Jugendaustausch – conAct
ConAct unterstützt bestehende Kontakte zwischen Deutschland und
Israel und versucht, neue Ideen für den außerschulischen Jugend-
austausch und den Austausch von Fachkräften der außerschu-
lischen Jugendhilfe anzuregen. Dies geschieht durch die Vernetzung
von Informationen, die Beratung zur Planung und Finanzierung von
deutsch-israelischen Jugendbegegnungen und die Durchführung von
Projekten zur Weiterentwicklung und Reflexion des deutsch-israe-
lischen Jugendaustausches.
www.conact-org.de
Deutsch-Französisches Jugendwerk – DFJW
Das DFJW fördert den Jugendaustausch zwischen Jugendorganisa-
tionen, Sportvereinen, Sprachzentren, Berufsbildungseinrichtungen,
Gewerkschaften, Schulen und Universitäten, Gemeinden und Part-
nerschaftskomitees in Deutschland und Frankreich. Das DFJW hilft
seinen Partnern bei finanziellen, pädagogischen und sprachlichen
Fragen des Austauschs. Es unterstützt sie bei der inhaltlichen Vorbe-
reitung und Analyse der Begegnungen, es informiert und berät.
www.dfjw.org
Deutsch-Polnisches Jugendwerk – DPJW
Das DPJW ist eine binationale, deutsch-polnische Organisation mit der
Rechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation. Deutsche
und polnische MitarbeiterInnen, die in zwei Büros in Potsdam und in
Warschau tätig sind, sind für die Förderung des deutsch-polnischen
Jugendaustausches zuständig. Zu den Aufgaben des DPJW gehört
die finanzielle Unterstützung der Aktivitäten, die Hilfestellung bei
der Partnersuche im jeweils anderen Land, Beratung in allen inhalt-
lichen und technischen Fragen des deutsch-polnischen Jugendaus-
tausches und das möglichst genaue Informieren über das jeweilige
Partnerland.
www.dpjw.org
Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer
Jugendaustausch – Tandem
Tandem bedeutet grenzüberschreitender Jugendaustausch zwischen
Deutschland und Tschechien. Die Tandem-Büros in Regensburg und
Pilsen koordinieren, vernetzen und fördern deutsch-tschechische
Jugendbegegnungen, Fachkräfteprogramme und Fortbildungen für
haupt- und ehrenamtlich Tätige in der Jugendarbeit sowie für Leh-
rerInnen.
www.tandem-org.de
Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch
Die Stiftung fördert die Begegnungen deutscher und russischer
Jugendlicher, mit dem Ziel, sie zum gemeinsamen Handeln anzuregen
und damit zum Aufbau dauerhafter Beziehungen zwischen Deutsch-
land und Russland beizutragen. Die MitarbeiterInnen der Stiftung
stehen als AnsprechpartnerInnen, BeraterInnen und Förderer der
Maßnahmen des schulischen, außerschulischen und beruflichen
Austausches sowie der Sprachförderung zur Verfügung.
www.stiftung-drja.de
Bund Deutscher Amateurtheater e.V. – BDAT
Der BDAT ist der öffentlich anerkannte und geförderte Dachverband
für das organisierte deutsche Amateurtheater. Der BDAT bezuschusst
und fördert nationale und internationale Spielbegegnungen, Festivals
und Theaterprojekte.
www.bdat.info
Informationen _ 71
Austausch im musikalischen Bereich
Im Bereich Musik gibt es mehrere Zentralstellen bei BKJ-Mitgliedsor-
ganisationen, die speziell für musikalische Projekte Zuschüsse aus
verschiedenen Fördermitteln bewilligen können.
Arbeitskreis Musik in der Jugend – AMJ
Zuständig für bi- und trinationale Chor-Projekte unter Beteiligung von
Polen oder Frankreich.
www.amj-musik.de
Deutsche Bläserjugend – DBJ
Zuständig für bi-, tri- und multinationale Bläser-Begegnungen.
www.deutsche-blaeserjugend.de
Jeunesses Musicales Deutschland – JMD
Zuständig für bi-, tri- und multinationale Jugend-Orchesterbegeg-
nungen, allerdings nicht für deutsch-polnische Begegnungen.
www.jeunessesmusicales.de
Verband deutscher Musikschulen – VdM
Zuständig für Begegnungen von VdM-Mitglieds-Musikschulen.
www.musikschulen.de
Goethe-Institut
Die Auslandsmusikarbeit der Bundesrepublik Deutschland ist unter
dem Dach des Goethe-Instituts zusammengefasst. In den Bereichen
Chor-, Amateur- und Jugendmusik sowie künstlerischer Nachwuchs
unterstützt der Bereich Musik II des Goethe-Instituts die Repräsen-
tation des deutschen Musiklebens im Ausland und den Austausch
mit dem Ausland durch: Gastspielreisen und Austauschvorhaben,
Teilnahme an internationalen Musikwettbewerben im Ausland,
musikpädagogische Projekte in Entwicklungs- und Transformations-
ländern, Gastspielreisen von Musikensembles aus Entwicklungs- und
Transformationsländern nach Deutschland, Informations- und Fort-
bildungsaufenthalte ausländischer MusikerInnen in Deutschland,
internationalen Jugendaustausch im Bereich der Musik im Rahmen
des Kinder- und Jugendplans des Bundes.
www.goethe.de
Fachstelle für Internationale Jugendarbeit
der Bundesrepublik Deutschland e.V. – IJAB
IJAB ist im Auftrag des BMFSFJ, der Europäischen Kommission, seiner
Mitgliedsorganisationen und anderer zentraler Träger der Jugendar-
beit auf den Gebieten der internationalen Jugendpolitik, Jugendarbeit
und Jugendinformation tätig. Aufgabe ist die Förderung der internati-
onalen Jugendarbeit und der jugendpolitischen Zusammenarbeit, um
das gegenseitige Verständnis junger Menschen aus verschiedenen
Ländern und Kulturkreisen zu erweitern, ihre Beziehungen zueinan-
der zu festigen und um Vorurteile abzubauen.
www.ijab.de
Datenbank für Internationale Jugendarbeit – DIJA
DIJA ist eine Online-Arbeitshilfe für Fachkräfte im Bereich der inter-
nationalen Jugendarbeit und solche, die es werden wollen. Mit ihrem
vielfältigen und ständig erweiterten Informationsangebot unter-
stützt DIJA alle, die sich in der internationalen Zusammenarbeit
engagieren.
www.dija.de
EuRoPäIScHE uNIoN
JuGEND für Europa
„JUGEND für Europa, Deutsche Agentur für das EU-Programm JUGEND
IN AKTION“ führt im Auftrag der Europäischen Kommission und des
BMFSFJ das EU-Programm „JUGEND IN AKTION“ dezentral durch und
fördert internationale außerschulische Aktivitäten von Jugendlichen
zwischen 13 und 30 Jahren sowie Initiativen junger Menschen.
www.jugendfuereuropa.de
Eu Programm JuGEND IN AKTIoN
Bis einschließlich 2013 stellt das Aktionsprogramm der Europäischen
Kommission insgesamt 885 Millionen Euro für Jugendgruppen,
gemeinnützige Vereine und Einrichtungen der Jugendarbeit in 31 Län-
dern zur Verfügung. Damit möchte die EU Bürgersinn, Solidarität und
demokratisches Engagement unter jungen Menschen stärken und
ihnen zu mehr Mobilität und Zusammenarbeit in Europa verhelfen. Vor
allem Jugendinitiativen, Jugendbegegnungen und der Europäische
Freiwilligendienst sollen von den Fördergeldern profitieren. Die in den
Projekten erworbenen Qualifikationen werden künftig europaweit mit
einem Youthpass belegt.
http://ec.europa.eu/youth
www.jugendfuereuropa.de
Eurodesk
Eurodesk ist ein europäisches Informationsnetzwerk mit Nationala-
genturen in 30 Ländern und 900 weiteren regionalen Servicestellen.
Ziel des Netzwerkes ist es, Jugendlichen und MultiplikatorInnen der
Jugendarbeit den Zugang zu Europa zu erleichtern. Vielfältige Infor-
mationen zu den Themen Jugend, Bildung, Ausbildung, Mobilität etc.
sollen helfen, von einem zusammenwachsenden Europa zu profitie-
ren und Chancen und Möglichkeiten grenzübergreifender Aktivitäten
zu nutzen. In Zusammenarbeit mit seinen Partnern berät Eurodesk
OrganisatorInnen, MultiplikatorInnen und Verantwortliche in der
72 _ Informationen
Jugendarbeit über Fördermöglichkeiten von Jugendmaßnahmen. Die
Beratung bezieht sich primär auf europäische Förderprogramme und
Förderprogramme des Bundes.
www.eurodesk.de
Städtepartnerschaften
Die Europäische Kommission fördert auch Projekte und Veranstal-
tungen sowie Konferenzen und Ausbildungsseminare im Rahmen
von Städtepartnerschaften, die zur Annäherung der Völker und zur
Stärkung des europäischen Bewusstseins beitragen. Am Förderpro-
gramm der Europäischen Kommission können Städte und Gemeinden
aus den Mitgliedsstaaten der Union sowie aus den Beitrittsländern
teilnehmen.
http://ec.europa.eu/towntwinning/index_de.html
EuRoPARAT
Direktorat für Jugend und Sport des Europarats
Das Direktorat für Jugend und Sport gehört zur Generaldirektion
Bildung, Kultur und kulturelles Erbe, Jugend und Sport des Euro-
parates. Es bietet finanzielle und pädagogische Unterstützung für
internationale Jugendprojekte, die zum Ziel haben, gesellschaftliches
Engagement Jugendlicher, Jugendmobilität zu fördern und die Werte
der Menschenrechte, Demokratie und kulturellen Vielfalt zu verbrei-
ten. Das Direktorat strebt an, Fachkompetenzen und Wissen über
die Lebenssituationen, Hoffnungen und Ausdruckweisen der jungen
EuropäerInnen zusammen zu tragen und zu verbreiten.
www.coe.int/youth
Europäische Jugendzentren in Budapest und Straßburg
Die europäischen Jugendzentren in Budapest und Straßburg sind
beständige Strukturen für die Umsetzung der Jugendpolitik des Euro-
parats. In diesen internationalen Trainings- und Begegnungszentren
mit Übernachtungsmöglichkeiten finden die meisten Aktivitäten des
Europarats im Jugendbereich statt.
Budapest: www.eycb.coe.int
Straßburg: www.coe.int/t/dg4/youth/EYc/Strasbourg_en.asp
Die europäische Jugendstiftung – EYF
Die europäische Jugendstiftung (European Youth Foundation, EYF)
wurde 1972 vom Europarat gegründet, um internationale Jugendak-
tivitäten von nationalen und internationalen Jugendorganisationen
finanziell zu unterstützen. Diese Aktivitäten sollen dazu beitragen,
den Frieden, das gegenseitige Verstehen und die Kooperation zwi-
schen den Menschen in Europa und der Welt zu fördern. Gefördert
werden: internationale Treffen (Seminare, Camps, Festivals etc.),
Dokumentations- und Informationsmaterial zu Jugendthemen, admi-
nistrative Kosten internationaler, nichtstaatlicher Jugendorganisati-
onen, Pilotprojekte.
www.eyf.coe.int/fej
Mobilitätsfond für benachteiligte Jugendliche
Der Internationale Eisenbahnerverband und der Europarat haben
einen Fond (The Solidarity Fund for Youth Mobility, SFYM) gegründet,
um die Mobilität benachteiligter Jugendlicher in Europa zu fördern.
Eine Förderung ist zulässig bei Erfüllung folgender Kriterien: Grup-
pengröße von mindestens 10 Jugendlichen, Erstattung nur bei Rei-
sekosten für ein internationales Projekt oder eine Begegnung, Reise
muss per Bahn unternommen werden. Antragsfrist: mindestens
einen Monat vor Antritt der Reise.
www.eyf.coe.int/fsmj
STIFTuNGEN
Robert Bosch Stiftung – Junge Wege in Europa
Der Förderwettbewerb „Junge Wege in Europa“ bietet SchülerInnen
und Jugendlichen aus Deutschland sowie Mittel- und Osteuropa die
Möglichkeit, ihre Ideen, Interessen und Zukunftserwartungen in
gemeinsamen Projekten zu verwirklichen. Dabei können sie sich mit
spannenden Themen beschäftigen sowie interessante Menschen
und neue Orte kennen lernen.
„Junge Wege in Europa“ ist ein Programm der Robert Bosch Stiftung,
das von MitOst e.V. durchgeführt wird. Die Ausschreibung des För-
derwettbewerbs erfolgt zweimal jährlich im Herbst und im Frühjahr.
Projektpartner aus Deutschland und Mittel- und Osteuropa können
sich mit einem gemeinsam erstellten Projektplan für eine Förderung
bewerben. Angesprochen sind Jugendliche im Alter von 13 bis 21 Jah-
ren mit ihren LehrerInnen und BetreuerInnen.
www.jungewege.de
Allianz Kulturstiftung
Der Blick auf die großen Potenziale, die in den Bereichen Jugend und
Kultur in Europa liegen, ist das Leitmotiv der Allianz Kulturstiftung. In
diesem Sinn fördert und unterstützt sie Kunst-, Kultur- und Bildungs-
projekte im Geiste der europäischen Integration und mit besonderer
Beteiligung der Jugend. Gemäß ihrem Stiftungszweck unterstützt
die Allianz Kulturstiftung grenzüberschreitende Bildungs- und Kul-
turprojekte, die dem europäischen Integrationsprozess und der
Herausbildung einer europäischen Identität förderlich sind. Eine
wichtige Zielgruppe ihrer Arbeit stellt der akademische und künst-
lerische Nachwuchs dar, für den die Stiftung eigene Austausch- und
Begegnungsprojekte entwickelt hat.
www.allianz-kulturstiftung.de
Informationen _ 73
Die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) e. V.
Als Zusammenschluss von mehr als 50 Institutionen, Fachverbänden und Landesvereinigungen fördert und stärkt die
Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) schulische wie außerschulische kulturelle Angebote für
Kinder und Jugendliche auf Landes-, Bundes- sowie internationaler Ebene. Die BKJ vertritt jugend-, bildungs- und kulturpo-
litische Interessen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung und ist damit auch für die Bundesregierung zentraler Partner.
Mit Modellprojekten, Tagungen, Publikationen, Wettbewerben und Fortbildungen liefert die BKJ Impulse für die Praxis und
sichert durch wissenschaftliche Begleitung und Evaluation nachhaltig die Qualität Kultureller Bildung.
Kulturelle Bildung International
Die kulturelle Vielfalt ist ein Reichtum unserer Gesellschaft. Das Zusammenleben mit sehr unterschiedlichen kulturellen
Traditionen und Werten stellt aber auch eine tägliche Herausforderung dar. Kulturelle Kinder- und Jugendbildung nutzt
Unterschiede als Motor für spannende Entwicklungen. In künstlerisch-kreativen Prozessen und in der Begegnung mit
verschiedensten Kulturen und Künsten werden Kinder und Jugendliche offen für soziales Miteinander und Solidarität.
Kulturelle Vielfalt erleben heißt, über Ländergrenzen und Sprachbarrieren hinweg aktiv zum friedlichen Zusammenleben
beizutragen und gemeinsam mit Jugendlichen aus dem Ausland die kreativen Seiten des Themas „Globalisierung“ zu
entdecken.
Der internationale Jugendkultur- und Fachkräfteaustausch ist ein Schwerpunkt in der Arbeit der BKJ. Im gelebten Dialog
mit Menschen anderer Nationalitäten eröffnen sich Kindern, Jugendlichen und Fachkräften fremde Welten und neue Sicht-
und Handlungsweisen. Diese Begegnungen ermöglichen es vor allem, wirklich neue Lebenserfahrungen in interkulturell
geprägten Situationen zu sammeln.
JugendkulturService International
Unter dem Motto „Wir fördern kreative und interkulturelle Kompetenz“ informiert, berät und qualifiziert die BKJ die Orga-
nisatorInnen internationaler Jugendkultur-Projekte und Fachkräfte-Begegnungen. Darüber hinaus ist die BKJ finanzielle
Förderstelle für die Zusammenarbeit mit vielen Partnernationen. Sie vermittelt Kontakte zu Partnerorganisationen im
Ausland und berät bei Antragstellung, Projekt- und Finanzierungsplanung.
JugendkulturPolitik International
Auf europäischer und internationaler Ebene stärkt die BKJ zudem den Erfahrungsaustausch, die aktive Zusammenarbeit
sowie die politische Lobbyarbeit für die Kulturelle Bildung. Sie hat Kontakte zu Partnerorganisationen in vielen Ländern
und ist Mitglied in internationalen Netzwerken.
Kontakt
Bundesvereinigung
Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) e. V.
KulturService International/KulturPolitik International
Küppelstein 34, 42857 Remscheid
Fon: 02191.79 43 90
Fax: 02191.79 43 89
www.bkj.de
74 _ Die BKJ
Wir fördern kreative und interkulturelle Kompetenz
Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V.
Weitere Informationen erhalten Sie bei:
Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V.
Küppelstein 34 , 42857 Remscheid
Fon 02191.79 43 90, Fax 02191.79 43 89
[email protected], www.bkj.de
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