l a n r swiss e ee r revi e w d j o u medical orm · 09.05.2018 · adrenalin- und glukagonbindung...

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Swiss Medical Forum Offizielles Fortbildungsorgan der FMH Organe officiel de la FMH pour la formation continue Bollettino ufficiale per la formazione della FMH Organ da perfecziunament uffizial da la FMH www.medicalforum.ch With extended abstracts from “Swiss Medical Weekly” 40 3. 10. 2018 808 R. Krapf Erfolg für die Sekundär- prävention 817 N. Heimgartner, A. Gaspert, U. Eriksson, M. Zobrist Hyperkalzämie: für einmal gutartig? 821 R. Gnannt, L. Weibel, T. Pfammatter Die arterio-venöse Malformation P e e r r e v i e w e d j o u r n a l 810 W. D. Winkler, M. Manz, M. Sauter Akute Pankreatitis SMF – FMS Schweizerisches Medizin-Forum – Forum Médical Suisse – Forum Medico Svizzero – Forum Medical Svizzer Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

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SwissMedical Forum

Offizielles Fortbildungsorgan der FMHOrgane officiel de la FMH pour la formation continueBollettino ufficiale per la formazione della FMHOrgan da perfecziunament uffizial da la FMH www.medicalforum.ch

With extended abstracts from “Swiss Medical Weekly”

40

3. 1

0. 2

018

808 R. KrapfErfolg für die Sekundär­prävention

817 N. Heimgartner, A. Gaspert, U. Eriksson, M. ZobristHyperkalzämie: für einmal gutartig?

821 R. Gnannt, L. Weibel, T. PfammatterDie arterio­venöse Malfor mation

Peer re v i e w e d j

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810 W. D. Winkler, M. Manz, M. SauterAkute Pankreatitis

SMF – FMS Schweizerisches Medizin-Forum – Forum Médical Suisse – Forum Medico Svizzero – Forum Medical Svizzer

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Kurz und bündig

R. Krapf

808 Erfolg für die Sekundärprävention Übersichtsartikel AIM

W. D. Winkler, M. Manz, M. Sauter

810 Akute PankreatitisObwohl die akute Pankreatitis bei der Mehrzahl der Patienten mild verläuft, handelt es sich um eine potentiell schwere akute Erkrankung.

Fallberichte

N. Heimgartner, A. Gaspert, U. Eriksson, M. Zobrist

817 Hyperkalzämie: für einmal gutartig?Eine 72-jährige Patientin stellte sich notfallmässig wegen Schwäche, rezidivierender Stürze sowie Obstipation und Nausea vor. Die Beschwerden hatten im Verlauf der letzten Monate stetig zugenommen.

R. Gnannt, L. Weibel, T. Pfammatter

821 Die arterio-venöse MalformationEin 51-jähriger Patient stellt sich nach neu aufgetretenen, mehrmaligen Makrohämat-urieepisoden und intermittierend starken Flankenschmerzen beim Urologen vor. Er leidet zudem an einer milden Hämophilie.

NEU

Versicherungsmedizinische Gutachten – dritte, vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage

Ihre Bestellmöglichkeiten: T +41 (0)61 467 85 55, F +41 (0)61 467 85 56, [email protected], www.emh.ch, EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, CH-4132 Muttenz

Prof. Dr. Gabriela Riemer-Kafka (Hrsg.), Universität LuzernVersicherungsmedizinische Gutachten2017. 187 Seiten. Broschiert.sFr. 43.– / € (D) 43.– / € (A) 43.–EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG in Kooperation mit Stämpfli Verlag AG BernISBN 978-3-03754-102-9ISBN eBook 978-3-03754-103-6

Einwandfrei verfassen, eindeutig verstehen. Ein interdisziplinärer juristisch-medizinischer LeitfadenDas versicherungsmedizinische Gutachten ist ein Beweismittel, das in strittigen Fragen von Versicherungen, Gerichten oder den versicherten Personen selbst in Auftrag gegeben wird. Da eine rasche und richtige Entscheidfindung von der Überzeugungskraft und Qualität des Gutachtens abhängt, müssen die inhaltlichen und formalen Anforderungen an ein solches entsprechend definiert werden. Der vorliegende juristisch- medizinische Leitfaden zeichnet sich dadurch aus, dass Ärzte und Juristen gemeinsam die im Zusammenhang mit der Erstellung von Gutachten sich ergebenden Fragen erarbeitet haben, um damit das gegenseitige Verständnis zu fördern und Brücken zwischen diesen beiden unterschiedlichen Disziplinen, jede mit der ihr eigenen Denkweise, zu schlagen.

Weitere Informationen finden Sie unter www.emh.ch in der Rubrik «Bücher».

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INHALTSVERZEICHNIS 805

Redaktion

Prof. Dr. Nicolas Rodondi, Bern (Chefredaktor); Prof. Dr. Stefano Bassetti, Basel; Dr. Ana M. Cettuzzi-Grozaj, Basel (Managing editor); Prof. Dr. Idris Guessous, Genf; Prof. Dr. Reto Krapf, Liestal; Prof. Dr.  Martin Krause, Münsterlingen; Prof. Dr. Klaus Neftel, Bern; Prof. Dr. Gérard Waeber, Lausanne; PD Dr. Maria Monika Wertli, Bern

Beratender Redaktor

Prof. Dr. Rolf A. Streuli, Langenthal

Advisory Board

PD Dr. Daniel Franzen, Zürich; Dr. Jérôme Gauthey, Biel; Dr. Francine Glassey Perrenoud, La Chaux-de-Fonds; Dr. Markus Gnädinger, Steinach; Dr. Daniel Portmann, Winterthur; Prof. Dr. Sven Streit, Bern

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Fallberichte

C. Butler Ransohoff, J. Charimo, T. Kapp, C. de Montmollin

825 Differenzialdiagnose präperitonealer AbszessEin 79-jähriger Patient stellte sich initial mit Schmerzen im rechten Unterbauch und einer dort seit fünf Tagen neu aufgetretenen Schwellung auf unserer Notaufnahme-station vor.

Swiss Medical WeeklyEditorial Board: Prof. Adriano Aguzzi, Zurich (ed. in chief); Prof. Manuel Battegay, Basel; Dr. Katharina Blatter, Basel (Managing editor); Prof. Jean-Michel Dayer, Geneva; Dr. Natalie Marty, Basel (Managing editor); Prof. André P. Perruchoud, Basel (senior editor); Prof.  Christian Seiler, Berne; Prof. Peter Suter, Geneva (senior editor)

The “Swiss Medical Weekly“ is the official scientific publication of the Swiss Society of Internal Medicine, Swiss Society of Infectiology, Swiss Society of Rheumatology and Swiss Society of Pulmonary Hypertension. The journal is supported by the Swiss Academy of Medical Sciences (SAM) and the Swiss Medical Association (FMH).

Abstracts of new articles from www.smw.ch are presented at the end of this issue.

Ihre Bestellmöglichkeiten: T +41 (0)61 467 85 55, F +41 (0)61 467 85 56, [email protected], www.emh.ch, EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, CH-4132 Muttenz

Anne-Christine Loschnigg-Barman, Judith Alder

Manchmal ist Mama müde Ein Kinderbuch zum Thema Brustkrebs

EMH Schweizerischer Ärzteverlag 2011. 36 Seiten, 17 Abbildungen in Farbe. Gebunden. sFr. 14.50 / € 14.50 ISBN 978-3-03754-061-9

Das Kinderbuch «Manchmal ist Mama müde» richtet sich an Kinder im Alter von 2 bis 8, deren Mutter an Brustkrebs erkrankt ist. Das Buch soll den Kindern helfen, die Krankheit der Mutter besser zu verstehen, und die Eltern unter stützen, Worte für das Unfassbare zu finden.Die fröhlichen Illustrationen sprechen Kinder direkt an. Der einfühlsame Text vermittelt ihnen, dass sie mit ihren Sorgen und Ängsten ernst ge nommen werden und dass die Krankheit nichts an der Liebe zum Kind verändern kann.

Weitere Informationen finden Sie unter www.emh.ch in der Rubrik «Bücher und mehr».

Manchmal ist Mama müde

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INHALTSVERZEICHNIS 806

ImpressumSwiss Medical Forum – Schweizerisches Medizin-ForumOffizielles Fortbildungsorgan der FMH und der Schweizerischen Gesellschaft für Innere Medizin

Redaktionsadresse: Eveline Maegli, Redaktionsassistentin SMF, EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 58, Fax +41 (0)61 467 85 56, [email protected], www.medicalforum.ch

Manuskripteinreichung online: http://www.edmgr.com/smf

Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte­verlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55, Fax +41 (0)61 467 85 56, www.emh.ch

Marketing EMH / Inserate: Dr. phil. II Karin Würz, Leiterin Marketing und Kommunikation, Tel. +41 (0)61 467 85 49, Fax +41 (0)61 467 85 56, [email protected]

Abonnemente FMH-Mitglieder: FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18, 3000 Bern 15, Tel. +41 (0)31 359 11 11, Fax +41 (0)31 359 11 12, [email protected] Abonnemente: EMH Schweize­rischer Ärzteverlag AG, Abonnemente, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 75, Fax +41 (0)61 467 85 76, [email protected]: zusammen mit der Schweizerischen Ärzte­ zeitung 1 Jahr CHF 395.– / Studenten CHF 198.– zzgl. Porto; ohne Schweize­rische Ärzte zeitung 1 Jahr CHF 175.– / Studenten CHF 88.– zzgl. Porto (kürzere Abonnementsdauern: siehe www.medicalforum.ch)

ISSN: Printversion: 1424­3784 / elektronische Ausgabe: 1424­4020Erscheint jeden Mittwoch

© EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG(EMH), 2018. Das Swiss Medical Forum ist eine Open­ Access­Publika tion von EMH. Entsprechend gewährt EMH allen Nutzern auf der Basis der Creative­Commons­Lizenz «Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbei­tung en 4.0 International» das zeitlich unbeschränkte Recht, das Werk zu ver­viel fältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen unter den Bedin­gungen, dass (1) der Name des Autors genannt wird, (2) das Werk nicht für kommerzielle Zwecke verwendet wird und (3) das Werk in keiner Weise bear­beitet oder in anderer Weise verändert wird. Die kommerzielle Nutzung ist nur mit ausdrück licher vorgängiger Erlaub­nis von EMH und auf der Basis einer schriftlichen Vereinbarung zulässig.

Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift pu blizierten Angaben wurden mit der grössten Sorgfalt überprüft. Die mit Verfassernamen gezeichneten Ver­öffentlichungen geben in erster Linie die Auffassung der Autoren und nicht zwangsläufig die Meinung der SMF­Redaktion wieder. Die angegebenen Dosierungen, Indikationen und Appli­kationsformen, vor allem von Neuzu­lassungen, sollten in jedem Fall mit den Fachinformationen der verwende­ten Medikamente verglichen werden.

Herstellung: Die Medienmacher AG, Muttenz, www.medienmacher.com

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Das «Kurz und bündig» noch aktueller lesen: «online first» unter www.medicalforum.ch

Kurz und bündigProf. Dr. med. Reto Krapf

Praxisrelevant

Erfolg für die SekundärpräventionIn Schweden zeigte ein Vergleich von Typ-2-DiabetespatientInnen im Alter von etwa 60 Jahren (gut 270 000 an der Zahl, Mann zu Frau praktisch ausgeglichen), dass sich bei Kon trolle fünf verschiedener Risikofaktoren (HbA1C, Rauchen, Blutdruck, Albuminurie, LDL-Cholesterin) in allgemein empfohlene Zielbereiche Folgendes zeigte: kein erhöhtes Risiko zu sterben oder einen Myokar-dinfarkt/Hirninfarkt zu erleiden im Vergleich zu etwa 1 355 000 nicht- diabetischen Kontrollindividuen. Die mühsame und langwierige Motivati-onsarbeit in Ihrer Praxis lohnt sich also! Noch zwei weitere von den interessan-ten Aspekten dieser Arbeit: Reduzierte körperliche Aktivität war in verschie-denen Outcome-Modellen immer bei den stärksten negativen Risikofak-toren. Die Rolle der Albumin urie be-stätigt die vielleicht noch nicht allge-mein umfassend realisierte Tatsache, dass chronische Nierenerkrankungen auch relativ moderater Art einen enorm wichtigen Risiko- und Progres-sionsfaktor für die kardiovaskuläre Alterung darstellen. N Engl J Med 2018, doi: 10.1056/NEJMoa1800256. Verfasst am 03.09.2018, auf Hinweis von Prof. M. Braendle (St. Gallen).

Neues aus der Biologie

GLP-1R-Agonismus auch sinnvoll beim Morbus Parkinson?Neurodegenerative Erkrankungen, v.a. der M. Parkinson, dürften angesichts des ungebrochenen Trends zur Lang-lebigkeit (Schweiz) weiter zunehmen. Die sogenannte Neuroinflammation wird heute nicht mehr als Reaktion auf die Zelldegeneration des Zentralnerven-systems (ZNS), sondern zumindest als eines der wichtigen «primum movens» in der Neuro-degeneration angesehen. Aktivierte (Mecha-nismus?) Mikroglia (Makrophagen) sezernieren Entzündungsfaktoren (u.a. TNF, Interleukin-alpha), welche die Astrozyten zur Sekretion eines neurotoxischen Faktors verleiten (sog. Konversion der Astrozyten in einen neuro-toxischen A1-Phänotypen). Dieser Faktor in-duziert dann Aggregate von alpha-Synuklein

(«Lewy bodies», Lewy-Neuriten), gefolgt von extrapyramidalen Bewegungsstörungen. Auf den ZNS-Mikrogliazellen wird der «glucagon-like peptide-1»-Rezeptor (GLP-1R) exprimiert, dessen Aktivierung diese Entzündungskas-kade hemmt. Mittels eines pegylierten, ZNS-gängigen Agonisten bei zwei verschiedenen Mäusegruppen (transgene Erhöhung oder externe Zufuhr von Alpha-Synuklein-Aggre-gaten) führte dieser Agonist via die unter anderem aus Lymphozyten bekannte Hem-mung von NF-kappaB in der Mikroglia zu

Immer noch lesenswert

Entdeckung des zyklischen AMP als  «second messenger»Earl Sutherland beschrieb in einer Reihe ver-schiedener Studien, dass im Gefolge einer Adrenalin- und Glukagonbindung an Hepato-zyten eine hepatische Phosphorylase aktiviert wird. Er beobachtete auch, dass diese Akti vität durch Zugabe von 5-Adenosinmonophosphat massiv zunahm und dann zur Bildung eines

zyklischen Adenosinmonophosphates (cAMP) führte. Erst später fand man, dass Adrenalin/Glukagon nach der Re-zeptorbindung vor der cAMP-Bildung erst einen sogenannten G-Protein-ge-koppelten Rezeptor aktivieren müssen. cAMP fördert via die von ihr induzierte Proteinkinase A dann die weiteren intrazellzulären Aktivierungs schritte durch multiple Transfers von Phos-phat auf verschiedene intrazelluläre Moleküle.J Biol Chem 1956, http://www.jbc.org/content/218/1/483.long.Verfasst am 05.09.2018.

Auch noch aufgefallen …

Verhinderung der Diabetes Rezidive nach Magen-Bypass-Operationen?Ein Jahr nach einer Roux-en-Y-Opera-tion erfreuen sich 60% der operierten Diabetespa tientInnen einer Vollremis-sion. Im Gefolge dieser Daten wird an verschiedenen Orten empfohlen, Dia-betespatientInnen mit unbefriedigen-der Blutzuckerkontrolle auch zu ope-rieren, wenn ihr Body-Mass-Index (BMI) erst >30  kg/m2 beträgt! Die da-bei zu erwartende Zunahme opera-tiver Eingriffe verklärt aber den Blick auf die Tatsache, dass die Hälfte dieser DiabetespatientInnen innerhalb von

fünf Jahren ein Diabetesrezidiv erleiden! Kann man das vorausahnen und durch früh-zeitige Interventionen allenfalls verhindern? Eine neu entwickelte Risikoanalyse («5y-Ad-DiaRem») bestehend aus einer präoperativen Information (Diabetesdauer, Zahl der antidia-betischen Medikamente und HbA1C) sowie einem Datenset ein Jahr postoperativ (zusätz-lich zu präoperativ noch: postoperativer Ge-wichtsverlust und Remissionsstatus) erlaubt es, ein 5-Jahres-Rezidiv ziemlich genau vor-

Fokus auf … Komplementärmedizin bei entzündlichen Darmerkrankungen

– Prävalenz des Gebrauchs alternativer Methoden bei diesen

Krankheiten: 20–60%.

– Nur ¼ berichtet dies dem Arzt (oder werden befragt).

– Probiotika haben eine heterogene mikrobielle Zusammenset-

zung, sind also nicht miteinander vergleichbar*:

• antientzündliche Effekte, beste Evidenz für Prävention und

Remissionserhaltung der sog. Pouchitis;

• gewisse positive Effekte bei Induktion/Erhaltung von Remis-

sionen bei Colitis ulcerosa;

• keine überzeugende Evidenz bei Morbus Crohn.

– Curcumin: wirksam als Begleittherapie bei Colitis ulcerosa,

nicht bei Morbus Crohn.

– Cannabis: kein überzeugender Effekt auf klinische Remissio-

nen.

– Fischöle: fraglicher Steroid-sparender Effekt bei Colitis ulce-

rosa, unwirksam bei Morbus Crohn.

– Akupunktur, Yoga, Hypnotherapie, körperliche Aktivitäten,

kognitive Verhaltenstherapien können wirksam sein (Details

in Tab 2 der Arbeit).

* Beste Evidenzen für ein Präparat, das Streptococcus thermophi-lus, 4 Stämme von Laktobazillen und 3 Stämme von Bifidobakte-

rien enthält, Tagesdosen typischerweise 300–900 Mrd. Bakterien.

Gastroenterol Hepatol (NY). 2018;14:415–25. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6111500/.Verfasst am 04.09.2018.

einer Hemmung der Entzündungsantwort und einer Verlängerung der Überlebenszeit der dopaminergen Neuronen. Die Mäuse lebten auch länger mit signifikant reduzierter Ver-haltens- und Bewegungsstörung. Nature Medicine 2018, doi.org/10.1038/s41591-018-0051-5.Verfasst am 05.09.2018.

KURZ UND BÜNDIG 808

SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(40):808–809

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auszusagen. Deutlich besser jedenfalls als gegenwärtig angewandte «Scores» wie ABCD (Alter, BMI, C-Peptid, Dauer des Diabetes). Die Hoffnung ist, dass sich die Hausärzte indivi-dualisert auf die von einem Wiederauftreten des Diabetes bedrohten PatientInnen konzen-trieren können.Diabetes Care 2018, doi.org/10.2337/dc18-0567.Verfasst am 03.09.2018, auf Hinweis von Prof. M. Braendle (St. Gallen).

Knochendichte genetisch als wichtiger Frakturprädiktor bestätigtDie Knochendichte ist – neben oder gar nach dem Alter – der wichtigste prognostische Fak-tor für das Erleiden einer Fraktur. Eine soge-nannte GWAS-Studie («genome wide associa-tion study») fand 15 verschiedene Orte im menschlichen Genom, die mit erhöhter Frak-turwahrscheinlichkeit assoziiert sind. Aus-nahmslos sind alle dieser Gen-Orte auch mit der Knochendichte assoziiert. Interessanter-weise stehen Orte, die mit einem veränderten Vitamin-D-Status und/oder Kalziumhaushalt assoziiert sind, nicht damit im Zusammen-hang.BMJ 2018, doi.org/10.1136/bmj.k3225.Verfasst am 03.09.2018.

Für ÄrztInnen am Spital

Arztfaktoren in der Prognose des  Herzinfarktes bei FrauenEine ansehnliche Literatur beschreibt die schlechtere Prognose für Frauen mit akutem Myokardinfarkt. Eine neue Beobachtung aus Florida zwischen 1991 und 2010 findet eine höhere Mortalität, falls der hauptverantwort-liche Arzt ein Mann war. Die Mortalität sank

mit einem höheren Frauenanteil zum Beispiel auf der Notfallstation und wenn die männ-lichen Ärzte in der Vergangenheit Gelegenheit hatten, mehr Frauen mit akutem Koronarsyn-drom zu behandeln [1]. Schon letztes Jahr hatte das JAMA berichtet, dass die Mortalität älterer PatientInnen bei Behandlung durch Frauen tiefer ausfiel als bei Männern [2]. Ange-sichts des gestiegenen Frauenanteils im ärzt-lichen Beruf eine beruhigende Tatsache. Die neue Studie bringt aber insofern einen neuen (durchaus interessanten) Aspekt, als dass eine

Geschlechtskonkordanz einen positiven Effekt hatte und sie den Männern trotzdem eine re-levante Lernkurve zubilligt. Allerdings werden wir kurz und bündig angesichts der vielen, im Alltag wirksamen Varia blen den Verdacht nicht los, dass die publizierten Resultate auch etwas einem Tribut an den aktuellen Zeitgeist ent-sprechen könnten ...1 PNAS 2018, doi.org/10.1073/pnas.1800097115. 2 JAMA Internal Medicine 2017,

doi: 10.1001/jamainternmed.2016.7875. Verfasst am 04.09.2018.

Abbildung 1: Ändert sich die Prognose durch die Betreuung einer Frau?

(© Katarzyna Bialasiewicz | Dreamstime.com)

SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(40):808–809

KURZ UND BÜNDIG 809

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Überblick über Ätiologie, Pathogenese, Diagnostik und Management

Akute PankreatitisDr. med. Wulf Daniel Winkler, Dr. med. Michael Manz, Dr. med. Matthias Sauter

Abteilung für Gastroenterologie, Bauchzentrum, St. Claraspital, Basel

Die akute Pankreatitis ist ein häufiges und wichtiges Krankheitsbild. Obwohl die Sterblichkeit in den letzten Jahren unter anderem durch eine frühe intensiv-medi-zinische Betreuung gesenkt werden konnte, bleibt die Letalität bei Auftreten von Komplikationen wie Multiorganversagen und infizierten Nekrosen hoch.

Epidemiologie / Pathophysiologie

Die akute Pankreatitis ist ein häufiges Krankheitsbild mit einer Inzidenz von ~30/100 000 Einwohnern/Jahr (Daten aus dem Vereinigten Königreich/Wales) [1]. In den letzten zehn Jahren ist es gemäss Studien aus Wales zu einer Zunahme um insgesamt etwa 30% ge-kommen, dies vor allem bei jungen Menschen und bei bekanntem Nikotin- und übermässigem Alkoholkon-sum [2]. Die Letalität ist in den letzten Jahrzehnten ste-tig gesunken und liegt aktuell bei 2–5% [2]. Schwere Verläufe (schwere nekrotisierende Pankreatitis oder persistierende Organdysfunktion) sind aber weiterhin mit einer hohen Mortalität von bis zu 30% vergesell-schaftet [3]. Hauptgründe dieser hohen Mortalität sind in den ersten zwei Wochen das Multiorganversagen und das «systemic inflammatory response syndrome» (SIRS). Im späteren Verlauf treten vor allem infektiöse Komplikationen, insbesondere infizierte Nekrosen und Pseudozysten, auf [2].Auch wenn verschiedene Faktoren eine Pankreatitis verursachen können, kommt es nur bei einer kleinen Anzahl von Patienten wirklich dazu. So beträgt bei-spielsweise das Lebenszeitrisiko für eine Pankreatitis bei Patienten mit Gallensteinen nur ca. 5%, bei Patien-ten mit Alkoholüberkonsum nur 2–10% [2]. Die genauen Pathomechanismen sind noch nicht abschlies send ver-standen (siehe später). Zu Beginn der Entzündung kommt es zu einer intraazinären Aktivierung einer grossen Menge von pankreatischen Verdauungsenzy-men, noch bevor diese sezerniert werden können. Hier-bei ist die Menge an vorzeitig aktivierten Verdauungs-enzymen zu gross, als dass sie durch die verschiedenen Pankreas-eigenen Inhibitionsmechanismen neutrali-siert werden können.

Ätiologie

Die zwei häufigsten Ursachen sind die biliäre (40–70%) und die alkoholtoxische Genese (25–35%; Tab. 1) [2, 4, 5].

Bei der idiopathischen Pankreatitis, die mit dem Alter zunimmt, bleibt die Ursache trotz Bildgebung und Anamnese inklusive Alkohol- und Medikamentenana-mnese unklar. Vermutlich ist eine Subgruppe ebenfalls als biliär anzusehen (siehe später).Bei der biliären Pankreatitis entsteht durch eine transi-ente Blockierung des Pankreasganges auf Höhe der Pa-pilla vateri eine Abflussstörung, direkt steinbedingt oder durch eine Papillenschwellung nach stattgehab-tem Steinabgang. Dieser Stauungsmechanismus spielt auch bei der Post-ERCP-Pankreatitis (ERCP = endosko-pische retrograde Cholangiopankreatikographie), die 1–5% aller Pankreatitiden verursacht, und möglicher-weise beim Pankreas divisum eine Rolle [2].Der zweithäufigste Grund für eine akute Pankreatitis ist übermässiger Alkoholkonsum (25–35%) [2, 4, 5]. Bei ei-nem Konsum von 4–5  alkoholischen Standardgeträn-ken pro Tag über einen Zeitraum von ≥5 Jahren ist das Ri-siko relevant erhöht [2]. Hierbei muss eingeschränkt werden, dass die Definition für ein Standardgetränk von Land zu Land variiert, von 8 g im Vereinigten Königreich bis 20 g in Japan (Schweiz: 10 g, entspricht ca. 3 dl Bier, 2 dl Wein) [6]. Im Gegensatz zur chronischen Pankreatitis ist bei der akuten Pankreatitis der Zusammenhang zwischen Alkohol und Ätiologie weniger klar; insbe-sondere unklar ist, warum es erst nach jahrelangem Konsum zu einer Pankreatitis kommt, nicht aber bei einem einmaligem Alkoholexzess, wobei verschiedene Pathomechanismen diskutiert werden [7–9]. Etwa 5% aller Pankreatitiden sind medikamentös be-dingt [2]. Es werden verschiedene Medikamente ur-sächlich angeschuldigt; die wichtigsten sind Thiopu-rine, Valproat, ACE-Hemmer, Didanosin und Mesalamin (Tab. 2) [10]. Eine gefürchtete iatrogene Komplikation ist die Post-ERCP-Pankreatitis (1–5 % aller Pankreatitiden, bei rund 5% aller ERCP) [11–13], bei der es vermutlich durch die Manipulation zu einer transienten Schwellung und folglich einer Abflussstauung kommt. Die einmalige

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Wulf Daniel Winkler

SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(40):810–816

ÜBERSICHTSARTIKEL AIM 810

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rektale Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) während oder nach dem ERCP scheint das Ri-siko für diese Pankreatitis zu senken [11, 12].Weitere Risikofaktoren sind Nikotinabusus, Adipositas, Diabetes mellitus, Hypertriglyzeridämie, Hyperkalz-ämie, Virusinfektionen (Zytomegalievirus [CMV], Ep-stein-Barr-Virus [EBV], Mumps), ein stattgehabtes Ab-dominaltrauma, die Autoimmunpankreatitis und hereditäre Syndrome (Mutationen im PRSS1-, SPINK1-, CFTR-Gen) [2], wobei im Gegensatz zur chronischen Pankreatitis bei akuter Pankreatitis eher nur eine ge-ringe genetische Assoziation gesichert ist. Ob das Pan-kreas divisum, eine anatomische Variante, die in Aut-

opsiestudien in bis zu 7% vorkommt, einen Risikofaktor darstellt, ist seit jeher umstritten.

Symptome und Diagnosestellung

Die Diagnose einer akuten Pankreatitis wird gestellt, wenn mindestens zwei der drei folgenden Kriterien er-füllt sind:1. typische Klinik mit gürtelförmigen Oberbauch-

schmerzen mit Ausstrahlung in den Rücken;2. erhöhte Lipase oder pankreasspezifische Amylase

>3-fach der Norm;3. typische Befunde in der Bildgebung (Computertomo-

graphie [CT] / Magnetresonanztomographie [MRT]).Somit ist das Vorliegen einer typischen Klinik und der oben genannten Laborkonstellation ausreichend für die Diagnosestellung. Dabei ist die Intensität der Schmerzen weder für den Verlauf noch die Schwere der Entzündung ausschlaggebend. Auch die Höhe und der Verlauf der Pankreasenzyme haben keine prognosti-sche Wertigkeit. Weitere mögliche Symptome/Be-funde sind Übelkeit und Erbrechen (bis 80%), Sym-ptome einer Darmparalyse (bis 70%), Tachykardie (50%) und Vigilanzstörungen (10%). Die klassischen historischen Hautzeichen, das Grey-Tur-ner-Zeichen (periumbilikal), das Cullen-Zeichen (Flan-kenbereich) und das Fox-Zeichen (Leistenregion), kön-nen nur sehr selten beobachtet werden [14].Differenzialdiagnostisch kann eine Lipase- oder Amyla-seerhöhung auch durch andere Erkrankungen wie zum Beispiel Entzündungen im Bereich der Gallenwege, eine Niereninsuffizienz oder eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung verursacht werden (siehe Tab. 3: Diffe-rentialdiagnose einer Lipase-/Amylaseerhöhung).Ein Lipaseanstieg kann zirka 3–6  Stunden nach Sym-ptombeginn gemessen werden. Der Maximalwert wird nach etwa 24 Stunden erreicht. Die Normalisierung er-folgt bei leichten Verläufen meist nach 4–14 Tagen. Die Amylase sinkt schneller als die Lipase.

Bildgebung

Eine Oberbauchsonographie mit Frage nach Gallenstei-nen ist in jedem Fall indiziert. Sie hat die grösste Sensi-tivität und Spezifität für eine Cholezystolithiasis [15]. Bei kleinsten Konkrementen oder Sludge, insbesondere aber bei einer Choledocholithiasis oder nach Steinab-gang ist die diagnostische Wertigkeit jedoch reduziert. Das Pankreas präsentiert sich bei einer Pankreatitis in der Sonographie echoarm aufgelockert und eventuell können peripankreatische Flüssigkeit oder fokale Lä-sionen (Einblutungen/Nekrosen) abgegrenzt werden.

Tabelle 1: Die häufigsten Ursachen einer akuten Pankreatitis (adaptiert nach [2, 35]).

Ursache Häufigkeit Diagnostischer Zugang

Gallensteine 40% Bekannte Gallensteine, Slugde, erhöhte Leberenzyme

Alkohol 30% Anamnese, erhöhte y-GT, Makrozytose

Medikamentös <5%

ERCP 5–10%

Hypertriglyzerinämie 2–5%

Chirurgische Komplikationen

5–10% z.B. koronarer Bypass

Autoimmun <1%

Trauma <1% «Dash board injury», Motorrad-Lenkstange

Infektion <1% Zytomegalievirus, Mumps, Epstein-Barr-Virus

Genetische Ursachen Unbekannt

Obstruktion Selten Morbus Crohn, Pankreas divisum

ERCP = endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie

Tabelle 2: Medikamente, die mit einer akuten Pankreatitis assoziiert sind (adaptiert nach [36]).

Gesicherte Auslöser

Azathioprin, Mercaptopurin, Mesalazin, Sulfasalazin

MethyldopaAsparaginase, Antimon-haltige MedikamenteDidanosin

Pentamidin, Phenformin, Valproat Cimetidin, Cisplatin, Cytarabin

Furosemid, Enalapril, Hydrochlorothiazid

Tetrazyklin, Erythromycin, Metronidazol, Sulfamethoxazol/Trimethoprim, Lamivudin, Interferon-α2b

Fenofibrat, Simvastatin, Steroide, Paracetamol

Wahrscheinliche Auslöser

Rifampicin

Doxycyclin

Famotidin

Maprotilin

Als gesichert gilt, wenn >20 beschriebene Fälle (bestätigt durch Reexposition) bekannt sind, als wahrscheinlich, wenn <20 Fälle (und/oder Reexposition) bekannt sind.

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Je nach klinischer Präsentation sowie sonographi-schem und/oder laborchemischem Verdacht auf eine biliäre Genese (dynamische Leberwerterhöhung) kann eine weitere Bildgebung mittels einer Magnetresonanz-Cholangiopankreatiographie (MRCP) erfolgen [4, 16].Eine abdominale CT sollte nicht routinemässig bei Krankheitsbeginn durchgeführt werden, sondern un-klaren Situationen und Fällen mit fehlender Besse-rung nach 48–72 Stunden vorbehalten bleiben [4]. Eine CT ist für die Diagnose einer akuten Pankreatitis nicht nötig, im Verlauf dient sie zum Nachweis von Kompli-kationen. Der endoskopische Ultraschall (EUS) hat die Möglich-keit, im Falle einer bislang idiopathischen Pankreatitis die Ursache aufzuzeigen (z.B. eine bislang unentdeckte Choledocholithiasis, Sludge in der Gallenblase oder eine intraduktale papillär-muzinöse Neoplasie [IPMN]).

Risikostratifizierung / Verlauf

Die Mehrzahl der Patienten mit akuter Pankreatitis (ca. 80%) erlebt einen milden Verlauf, das heisst ohne lo-kale Komplikationen und ohne Funktionseinschrän-kung eines anderen Organs (Lunge, Herz, Niere, siehe unten) [2, 4, 17]. Eine (kurze) Hospitalisation ist in der Regel dennoch gerechtfertigt, da trotz verschiedener Scores die initiale klinische Beurteilung nicht mit Si-cherheit zwischen einem leichten und einem schwe-ren Verlauf unterscheiden kann. Bei Patienten mit ei-nem leichten Verlauf ist meist innert 48 Stunden eine klinische Verbesserung eingetreten und es konnte be-reits wieder mit oraler Kost begonnen werden.

Gemäss den revidierten Atlanta-Kriterien von 2013 kommt es bei einem «mässig-schweren» Verlauf entwe-der zu lokalen Komplikationen (peripankreatische Flüssigkeit / Nekrosen) und/oder einer vorübergehen-den (<48 Stunden) Funktionseinschränkung eines an-deren Organs (Hypoxie, Niereninsuffizienz, Hypoto-nie; siehe Tab. 4) [4, 17]. Bei einem «schweren» Verlauf kommt es zu anhaltendem Organversagen >48  Stun-den, definiert durch den Marshall-Score (z.B. http://www.pmidcalc.org/?sid=23100216&newtest=Y) [4, 17]. Auch nach Entwicklung und Validierung neuerer Scores bleibt es weiterhin eine Herausforderung, den schweren Verlauf bereits bei der initialen Präsentation vorherzusagen. Auch wenn Laborwerte wie ein erhöh-ter/steigender Harnstoff oder Hämatokrit, das Vorlie-gen eines SIRS oder ein erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) auf einen schweren Verlauf hinweisen, mag kei-ner dieser Parameter einen solchen mit Sicherheit vor-herzusagen oder auszuschliessen. Auch neuere Tools wie der BISAP-Index («Bedside Index of Serverity In Acute Pancreatitis» [18–20]: Tab. 4) scheinen nicht bes-ser zu sein als altbewährte Scores wie beispielsweise der Ranson-Score (Tab.  4) [21] . Sie ersetzen nicht die wiederholte klinische Beurteilung. Weitere Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf sind höheres Alter (>60  Jahre), Adipositas, Alkohol-abusus und andere Komorbiditäten.

Therapie und Management

VolumentherapieDie einzige frühe Intervention, die in prospektiven randomisierten Studien ungeachtet der Ätiologie ei-nen Überlebensvorteil erbracht hat, ist die frühe ag-gressive Volumentherapie, mit 5–10  ml/kg Körperge-wicht pro Stunde, sofern keine Kontraindikationen (z.B. Herzinsuffizienz) bestehen [2, 4, 22]. Die Ursache des erhöhten Volumenbedarfs liegt in der intravasalen Hypovolämie. Diese ist bedingt durch eine Volumen-verschiebung in den «dritten Raum» aufgrund vasku-lärer Hyperpermeabilität, eine reduzierte Perfusion des bereits geschädigten Pankreas sowie durch die re-duzierte orale Flüssigkeitsaufnahme, Erbrechen und vermehrte Transpiration. Der grösste Benefit hierfür liegt in den ersten 12–24 Stunden (danach ist der Vor-teil beschränkt bis gar nicht mehr vorhanden) [2]. Die Volumentherapie wird anhand der Vitalparameter und der Urinausscheidung monitorisiert. Ziel ist ein Ab-fall des Harnstoffs (verbesserte renale Perfusion) und des Hämatokrits (Hämodilution). Die späte (>48  Stun-den) aggressive Volumentherapie scheint nicht mit ei-nem Benefit, sondern eher mit einem schädlichen Effekt

Tabelle 3: Differentialdiagnosen einer erhöhten Amylase und/oder Lipase (adaptiert nach [35]).

Erkrankungen mit einem ähnlichen klinischen Bild wie eine akute Pankreatitis

Amylase Lipase

Chronische PankreatitisPankreaspseudozyste

Pankreaskarzinom

Erkrankungen des biliären Systems: Cholezystitis, Cholangitis, Choledocholithiasis

Intestinale Pseudoobstruktion, Ischämie, Perforation

Akute Appendizitis

Ektope Schwangerschaft

Andere Erkrankungen

Amylase Lipase

Parotitis Heparin-Therapie

Makroamylasämie

Ovarialzyste / Ovarialtumor

Bronchuskarzinom

Diabetische Ketoazidose

Schädel-Hirn-Trauma mit intrazerebraler Blutung

HIV-Infektion

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assoziiert. Zudem sollten die Elek trolyte regelmässig kontrolliert und gegebenenfalls substituiert werden.

AnalgesieDie ausreichende Flüssigkeitssubstitution kann auch das prädominante Symptom der Abdominalschmerzen verbessern. Des Weiteren sind oftmals Opioide notwen-dig, welche gegebenenfalls auch als bedarfs adaptierte Therapie («patient controlled analgesia» [PCA]) appli-ziert werden sollten.

ERCPDie Datenlage zur Frage, ob eine frühe ERCP in jedem Fall einer bilären Pankreatitis durchgeführt werden soll, ist

begrenzt. Sinnvoll scheint eine frühe ERCP in Fällen von akuter schwerer biliärer Pankreatitis und gleichzeitigen Zeichen einer akuten Cholangitis. In allen anderen Fäl-len ist die ERCP nur indiziert, falls ein klinischer Ver-dacht auf eine anhaltende biliäre Obstruktion besteht [2, 4]. Im Zweifelsfall erfolgt ein MRCP oder eine Endosono-graphie.

AntibiotikaDie präemptive Gabe von Antibiotika hat bei der akuten Pankreatitis keinen Benefit gezeigt. Antibiotika sind in-diziert in Fällen von gleichzeitiger Cholangitis, einer Ka-theterinfektion, nachgewiesener Bakteriämie oder (lo-kalen) infektiösen Komplikationen (siehe später).

Tabelle 4: Atlanta-Kriterien, Marshall-Score, BISAP-Index, Ranson-Kriterien [17–21].

Atlanta Kriterien: Einteilung der Pankreatitis in leicht/mittelschwer/schwer

LeichtKeine lokalen Komplikationen, keine Organeinschränkung

Mittel-schwerLokale Komplikationen (peripankreatische Flüssigkeit / Nekrosen) und/oder Funktionseinschränkung eines anderen Organs (<48 Stunden) anhand Marshall-Score (s.u.)

SchwerAnhaltende Organeinschränkung >48 Stunden anhand Marshall-Score (s.u.)

Marshall-Score: zur Beurteilung bezüglich Organeinschränkung

Pulmonal (PaO2:FiO2) Score z.B. auf https://qxmd.com/calculate/calculator_376/modified-marshall-score.Organversagen definiert als ≥2 Punkte in einem der Organ-systeme

Hypotonie

Niereninsuffizienz

BISAP-Index («Bedside Index for Severity of Acute Pancreatitis»): je 1 Punkt für:

BUN («blood urea nitrogen»; Harnstoff) >25 mg/dl Signifikant erhöhte Mortalität bei ≥3 Punkten; Mortalität >20% bei 5 Punkten.«Impaired mental status» (Somnolenz)

Vorliegen eines SIRS («systemic inflammatory response syndrome):≥2 der folgenden Kriterien:– Herzfrequenz >90/min– Atemfrequenz >20/min oder PaCO2 <32 mm Hg– Temperatur >38 °C oder <36 °C– Leukozyten >12 000 or <4000 Zellen/mm3

«Age» (Alter) >60

«Pleural effusion» (Pleuraerguss)

Ranson-Kriterien:

Initiales Assessment Beurteilung bei Eintritt:

Alter >55 Jahre 1 Punkt >3 Punkte: schwerer Verlauf wahrscheinlich; Intensiv- Monitoring erwägenLeukozytenzahl >16 000/mm3 1 Punkt

LDH >350 U/l 1 Punkt

ASAT (GOT) >250 U/l 1 Punkt

Glukose >11,1 mmol/l 1 Punkt

Assessment nach 48 Stunden Beurteilung nach 48 Stunden (alle Punkte zählen):

Hämatokritabfall >10% im Vergleich zum Eintritt 1 Punkt

Punktezahl Berechnete Mortalitäts- wahrscheinlichkeit

Harnstoffanstieg über 1,8 mmol/l (>10,8 mg/dl) 1 Punkt

2357

1%15%40%100%

Serumkalzium <2 mmol/l 1 Punkt

PaO2 < 8 kPa (<60 mm Hg) 1 Punkt

Basendefizit >4 mEq/l 1 Punkt

Flüssigkeitsbedarf >6 l/48 Stunden 1 Punkt

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Therapie von lokalen Komplikationen: Flüssigkeitskollektionen / NekrosenInfektiöse Komplikationen (Pneumonie, Cholangitis, Harnwegsinfekte und infizierte pankreatische Nekro-sen / Pseudozysten) haben einen grossen Einfluss auf die Morbidität und Mortalität. Im Falle eines schweren Verlaufs mit infektiöser Komplikation ist eine Verle-gung an ein Zentrum mit Erfahrung bei der intensivme-dizinischen Betreuung und minimalinvasiven Therapie von lokalen Komplikationen (infizierten Nekrosen) in-diziert [2, 4, 24]. «Lokale Komplikationen» beinhalten das Auftreten von (peri)pankreatischen Flüssigkeitskollektionen und Nekrosen des Organs selbst und/oder des umgebenden Fettgewebes. Diese können initial steril sein, sich aber im Verlauf superinfizieren [2, 4, 24]. Man unterscheidet einerseits die akute (peri)pankeati-sche Flüssigkeitskollektion («acute peripancreatic fluid collection» [APFC]) im Rahmen der akuten interstitiel-len Pankreatitis von der Pseudozyste, die sich im Ver-lauf bildet (in der Regel ≥4 Wochen) [4, 17]. Andererseits wird die akute Nekrose («acute necrotic collection» [ANC]) von der sich im Verlauf ausbilden-den abgekapselten Nekrose mit radiologisch sichtbarer Kapsel unterschieden («walled-off necrosis» [WON], in der Regel ≥4 Wochen). In der Anfangsphase handelt es sich bei der Nekrose um festes oder fest-flüssiges Mate-rial, das sich im Laufe der Zeit mehr und mehr verflüs-sigt und die oben genannte Kapsel bildet [4, 17].Diese lokalen Komplikationen sind primär steril und bedürfen beim asymptomatischen Patienten auch im Falle einer «sterilen Nekrose» (d.h. Hinweisen für eine Nekrose in der Bildgebung ohne Lufteinschlüsse und ohne klinische Hinweise für eine Sepsis) keiner Thera-pie. Eine interventionelle Therapie kann im Falle einer lokalen Obstruktion (z.B. des Ductus choledochus oder bei einer symptomatischen Duodenal-/Magenkompres-sion durch die Zyste oder Nekrose) indiziert sein.Bei Verdacht auf eine infizierte Nekrose, die meist >2 Wo-chen nach Beginn der Pankreatitis auftritt, ist eine The-rapie indiziert [4, 17]. An eine infizierte Ne krose ist zu denken bei plötzlicher klinischer Verschlechterung mit Fieber / Anstieg der laborchemischen Entzündungszei-chen nach initialer Beschwerdebesserung oder Luftein-schlüssen im Bereich einer Nekrose in der CT. In die-sem Fall sollte eine CT-gesteuerte Punktion («fine needle aspiration» [FNA]) zur Anfertigung eines Gram-Präparats und Kulturgewinnung durchgeführt wer-den, mit nachfolgendem Therapiebeginn mit einem Antibiotikum, das in die Nekrose penetriert (Carbape-neme, Chinolone). Eine antimykotische Therapie wird nur bei Pilznachweis empfohlen [4]. Gemäss den ame-rikanischen Guidelines (2013) ist es auch opportun, in

Abbildung 1: Axiale Computertomographie (CT) eines 45-jäh-

rigen Patienten mit einer akuten nekrotisierenden Pankreatitis.

A) Grosse Nekrosezone (roter Pfeil) mit beginnender Abszedie-

rung. B) CT-gesteuerte Punktion am Tag 10 bei persistierendem

Fieber mit septischem Verlauf. Aufgrund Entleerung von

übelriechendem Eiter Einlage einer Drainage. C) Tag 14: Nach

Entfernung der Drainage, kleine residuelle Flüssigkeitskollek-

tion. L: Leber; Ma: Magen; Mi: Milz.

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gewissen Fällen auf eine Punktion zur verzichten und eine empirische Antibiotikatherapie zu beginnen [4]. Bei fehlender Besserung oder im Verlauf erneuter Ver-schlechterung unter antibiotischer Therapie sollte je nach Verlauf und lokaler Expertise ein minimalinvasi-ves Debridement (endoskopisch, radiologisch oder chi-rurgisch) durchgeführt werden. Als ersten Schritt kann eine ultraschallgesteuerte, transgastrische Drainage der Nekrose mit Einlage eines Stents erfolgen, gegebe-nenfalls im Verlauf mit wiederholter endoskopischer oder chirurgisch-minimalinvasiver Nekrosektomie. Ob der endoskopische Approach dem chirurgisch-mi-nimalinvasiven überlegen ist, bleibt weiterhin Gegen-stand der Forschung [25–29]. Generell sollte eine inva-sive Massnahme nach Möglichkeit, das heisst falls der Patient stabil ist, so lange hinausgezögert wer-den, bis die Ne krose abgekapselt ist (WON). Die of-fene chirurgische Nekrosektomie, die früher in fast jedem Fall einer infizierten Nekrose durchge-führt wurde, ist mittlerweile dem instabilen Patienten vorbehalten. Beispiele einer nekrotisierenden Pankre-atitis und einer Pseudozyste mit lokaler Komplikation und deren interventionelle Therapie sind in den Abbil-dungen 1 und 2 dargestellt.

ErnährungstherapieDas Ernährungskonzept bei der akuten Pankreatitis ist aus mehreren Gründen äusserst wichtig.

Die systemische Entzündungsantwort führt zu einem erhöhten metabolischen Bedarf mit kataboler Stoff-wechsellage und zur Freisetzung von proinflammato-rischen Zytokinen und freien Radikalen [30, 31]. Die Folge sind einerseits eine Abnahme des Körperge-wichts mit Malnutrition mit entsprechenden Konse-quenzen, andererseits eine vermehrte bakterielle Translokation (eingeschränkte «gut barrier function») mit lokalen potentiell deletären infektiösen Komplika-tionen. Die Erhaltung der «gut barrer function» durch enterale Ernährung scheint wiederum das Risiko lo-kaler Komplikationen zu reduzieren. Aus diesen Grün-den ist die Ernährungstherapie ein wichtiges Stand-bein der Therapie dieser Erkrankung [30–32].

Bei milden Verläufen der Pankreatitis kann früh mit einer fettarmen festen oder flüssigen Kost begonnen werden, sofern sie toleriert wird und keine Übelkeit oder Erbrechen bestehen. Diese Kost kann nach Mass-gabe der Beschwerden gesteigert werden. Das Einhal-ten einer initialen Nüchternphase («to put the pan-creas at rest») für 72  Stunden ist nicht notwendig, vielmehr scheint das Nüchternlassen mit einer intesti-nalen Atrophie und erhöhten Darmpermeabilität und

Abbildung 2: A) Magnetresonanztomographie (Koronarschnitt) eines 72-jährigen Patienten mit infizierter Pankreaszyste (roter Pfeil) mit Kompression

der Gallenwege. B) Computertomographie (Axialschnitt) mit perkutaner Punktion. L: Leber; G: Gallenblase; N: Niere.

Korrespondenz: Dr. med. Matthias Sauter Leitender Arzt Bauchzentrum Abteilung für Gastroenterologie St. Claraspital Kleinriehenstrasse 30 CH-4016 Basel matthias.sauter[at] claraspital.ch

Um Malnutrition zu vermeiden und die «gut barrier function» zu erhalten, sollte schon früh mit einer oralen (oder enteralen) Ernährung begonnen werden.

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gen, sofern toleriert. Ob eine frühe enterale (sprich post-pylorische) Gabe via Duodenalsonde der oralen «on demand»-Kost mit gegebenenfalls Magensonde wirklich überlegen ist, ist trotz prospektiver Studien nicht eindeutig erwiesen [34]. Eine parenterale Ernäh-rung sollte dann erwogen werden, wenn eine enterale Gabe nicht möglich ist respektive zur vollständigen Kaloriendeckung nicht ausreicht, in der Regel nicht vor sieben Tagen [30–32].

CholezystektomieIm Fall einer leichten biliären Pankreatitis, soll die Cholezystektomie in der Regel während der Hospitali-sation erfolgen. Im Falle eines schweren Verlaufs wird bis zur Regredienz der Entzündung und der peripan-kreatischen Flüssigkeit zugewartet, wobei hier das Ri-siko der Operation versus das Risiko einer erneuten bili-ären Pankreatitis sorgfältig gegeneinander abgewogen werden muss [4, 17].

Disclosure statementDie Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

LiteraturDie vollständige Literaturliste finden Sie in der Online-Version des  Artikels unter www.medicalforum.ch.

Das Wichtigste für die Praxis

• Obwohl die akute Pankreatitis bei der Mehrzahl der Patienten mild ver-

läuft, handelt es sich um eine potentiell schwere akute Erkrankung.

• Bei der initialen Präsentation soll mithilfe der klinischen Untersuchung,

der Suche nach Organdysfunktionen und verschiedener Scores versucht

werden, leichte von potentiell schweren Fällen herauszufiltern.

• Die initiale Therapie besteht aus ausreichender Flüssigkeitssubstitution,

Korrektur von Elektrolytstörungen, Analgesie und Beginn einer oralen/

enteralen Ernährung, sobald diese toleriert wird. Die adäquate frühe

(orale/enterale) Ernährung scheint durch Erhaltung der «gut barrier func-

tion» das Risiko für lokale infektiöse Komplikationen zu reduzieren und

hat somit hohe Priorität bei Management dieser Erkrankung.

• Lokale Komplikationen beinhalten (peri-)pankreatische sterile Flüssig-

keitskollektionen und Nekrosen, die bakteriell superinfizieren oder lokal

zu Kompression von Dünndarm oder auch Gallenwegen führen können.

• Die optimale Therapie der infizierten Komplikationen (endoskopisch vs.

chirurgisch) ist weiterhin Gegenstand aktueller Forschung.

somit einer erhöhten Rate an Infektkomplikationen im Verlauf vergesellschaftet zu sein [31,  33]. Bei einer milden Pankreatitis scheint eine enterale Gabe ohne Benefit zu sein [30–33]. Auch im Falle einer schweren Pankreatitis soll eine frühe orale (oder enterale [via Sonde]) Ernährung erfol-

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Faszinierendes aus der Welt der Elektrolyte

Hyperkalzämie: für einmal gutartig? Nadine Heimgartnera,b, dipl. Ärztin, Dr. med. Ariana Gaspertc, Prof. Dr. med. Urs Erikssona, Dr. med.  Matthias Zobrista,b

a Medizinische Klinik, Departement Medizin, GZO Spital Wetzikon AG, Wetzikon; b Abteilung Nephrologie & Dialyse, Departement Medizin, GZO Spital Wetzikon AG, Wetzikon; c Institut für Pathologie und Molekularpathologie, UniversitätsSpital, Zürich

Hintergrund

Hyperkalzämien werden oft erst verzögert erkannt. Dies insbesondere dann, wenn sich aus der Anamnese keine entsprechende Vortestwahrscheinlichkeit – bei-spielsweise ein Tumorleiden  – ableiten lässt. Die mit einer Hyperkalzämie verbundenen Symptome sind nämlich meist wenig spezifisch. Das folgende Fallbei-spiel zeigt eindrücklich, wie sich über die Abklärung einer Hyperkalzämie ein Fenster zu einer unerwarteten Diagnose öffnet.

Fallbericht

AnamneseEine 72-jährige Patientin stellte sich notfallmässig wegen Schwäche, rezidivierender Stürze sowie Obstipa-tion und Nausea vor. Die Beschwerden hatten im Verlauf der letzten Monate stetig zugenommen. Anamnestisch waren zudem eine schizoaffektive Störung, eine arteri-elle Hypertonie sowie eine Osteoporose bekannt. Die Patientin stand unter einer Bisphosphonattherapie (Alendronat) und Kalzium-Substitution. Weitere rele-vante Medikamente beinhalteten: Olanzapin, Escitalo-pram, Tramadol, Pantoprazol, Enalapril und Quetiapin. Es bestanden keine Fall-relevanten Allergien. Fremd-anamnestisch war die Patientin in den letzten Wochen kognitiv verlangsamt und vermehrt depressiv sowie zunehmend immobiler geworden und habe sich nicht mehr selbstständig versorgen können.

StatusEs präsentierte sich uns eine verlangsamte, am ehesten hypoaktiv-delirante, dezent hypervoläme (pulmonal bibasale Rasselgeräusche, kardial ²⁄6-Systolikum über Erb ohne Ausstrahlung, Beine nicht ödematös, hyperten-sive Blutdruckwerte [BD 197/114, Puls 78/min, Sättigung 91% unter Raumluft]) Patientin ohne fokal-neurolo-gische Auffälligkeiten – insbesondere keine Hypore-flexien. Ansonsten fiel eine leichte Klopfdolenz über beiden Nierenlogen auf. Die Lymphknotenstationen waren unauffällig und palpatorisch lagen keine Orga-nomegalien vor. Der BMI lag bei 31 kg/m2.

LaborbefundeIm Labor zeigte sich eine schwere Hyperkalzämie von 4,49 mmol/l (Albumin-korrigiert, Norm 2,2–2,6 mmol/l), eine deutlich eingeschränkte Nierenfunktion mit einem Kreatininwert von 283  µmol/l (Norm 44–80  µmol/l, Vorwert vom Mai 2013 86 µmol/l) sowie eine leichtgra-dige Entzündungskonstellation (Leukozyten 12 G/l, CRP 28,5  mg/l). In der Urinanalyse fand sich zudem eine leichtgradige tubuläre Proteinurie (254  mg/d, Norm <150 mg/d) mit Albuminurie (50 mg/d, Norm <20 mg/d) im Spoturin ohne aktives Sediment.

Verlauf und weitere AbklärungenDie symptomatische Hyperkalzämie wurde umgehend mit einer intravenösen Volumensubstitution und im Verlauf repetitive, intravenöse Furosemid-Gabe thera-piert. Zur weiteren Differentialdiagnostik wurden das PTH (1,12 pmol/l, Norm 1,6–6,9 pmol/l) sowie das PTH-related pep-tide (PTHrP <3,0, Norm <15,0) bestimmt, welche adäquat vermindert waren bzw. im Normbereich lagen. Damit war ein primärer Hyperparathyreoidismus ausgeschlos-sen, ebenso eine PTHrP-vermittelte paraneoplastische Hyperkalzämie. Das 1,25-Dihydroxivitamin D zeigte sich nur dezent erhöht (217 pmol/l, Norm 60–210 pmol/l) bei erniedrigtem 25-Hydroxyvitamin D (46  nmol/l, Norm >75  nmol/l). In der Serum-Elektrophorese konnte eine Erhöhung der α1-Globuline nachgewiesen werden bei im Serum erhöhten freien Kappa-Leichtketten (75,5 mg/l, Norm 3,3–19,4 mg/l), nur leichtgradig erhöhtem Kappa/Lambda-Quotienten (3,56, Norm 0,26–1,65) und negativer Immunfixation. Das Elektrokardiogramm ergab eine monomorphe Extrasystolie. Eine Computertomographie des Thorax und Abdomens zeigte keine Raumforderun-gen oder pathologischen Lymphknoten. Die Knochen-marksbiopsie inklusive Ausstrich ergab zudem weder Hinweise auf ein Myelom noch auf ein Lymphom. Auf-grund einer progredienten Verschlechterung der Nie-renfunktion trotz grosszügiger Volumengabe wurde am vierten Hospitalisationstag die Indikation zur intermit-tierenden Hämodialyse gestellt. Eine Nierenbiopsie erbrachte den wegweisenden Be-fund: histopathologisch imponierten die Zeichen einer

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Nadine Heimgartner

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FALLBERICHT 817

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akuten tubulären Schädigung und eine Nephrokalzi-nose. Zusätzlich fanden sich aber auch multiple tubulo-interstitielle, epitheloid-riesenzellige Granulome ohne Nekrosen (Abb. 1).

DiagnoseUnter Berücksichtigung der durchgeführten Abklärun-gen, der Klinik mit schwer beherrschbarer Hyperkal-zämie und progredientem Nierenversagen sowie der eindrücklichen Nierenbiopsie mit granulomatöser tu-bulo-interstitieller Nephritis stellten wir die Diagnose einer isoliert renalen Sarkoidose.

Therapie/VerlaufEntsprechend wurde eine Therapie mit Glukokorti-koiden (50  mg/Tag p.o.) begonnen. Nach dreieinhalb Wochen intermittierender Hämodialyse zeigte sich

eine praktisch vollständige Erholung des akuten Nie-renschadens (Serumkreatinin 91  µmol/l, Norm 44–80 µmol/l) sowie eine Normalisierung des Serumkalzi-ums (Abb. 2).

Diskussion

Bei einer Erhöhung des Albumin-korrigierten Kalziums (über 2,6 mmol/l) oder des ionisierten Kalziums (über 1,27  mmol/l arteriell) liegt eine Hyperkalzämie vor. Klinisch äussert sich eine Hyperkalzämie mit uspezifi-schen Symptomen. Im Vordergrund stehen Schwäche, Gewichtsverlust, Nausea, Obstipation und Erbrechen. In einigen Patienten können Pankreatitiden und Magen-ulzera auftreten. Typisch sind auch arterielle Hyperto-nie und bei schweren Hyperkalzämien EKG-Verände-rungen und Arrhythmien. Die Hyperkalzämie führt zu Polyurie, Volumendefizit und Polydipsie. Die Nieren können vor allem bei längerfristig erhöhtem Serum-kalzium typischerweise auch Nephrolithiasis, Nephro-kalzinose und Niereninsuffizienz entwickeln. [1] Die unspezifische Klinik gepaart mit einer Vielzahl an Differentialdiagnosen erfordert eine systematische, primär laborchemische Abklärung.Über 25  verschiedene Krankheitsbilder können mit einer Hyperkalzämie einhergehen, wobei 80–90% der Fälle auf Tumorerkrankungen und den primären Hy-perparathyreoidismus zurückzuführen sind. Diagnostisch folgt entsprechend initial die Bestimmung des Parathormons zum Ausschluss eines primären Hyperparathyreoidismus. Zeigt sich dieses im tiefnor-malen bis erniedrigtem Messbereich, muss als Nächs-tes eine paraneoplastische Ursache erwogen werden. Metastasen-bedingte Osteolysen oder die Sekretion von «PTH-related peptide» (PTHrP) durch den Tumor sind die häufigsten Ursachen einer paraneoplastischen

Abbildung 1: A) Peritubuläres, epitheloid-riesenzelliges Granulom (Pfeile) mit mehrkernigen Riesenzellen ohne Nekrosen

(PAS-Färbung, Originalvergrösserung × 200). B) Tubulo-interstitielle Verkalkung (HE-Färbung, Originalvergrösserung × 250).

Abbildung 2: Laborverlauf des Serumkalziums unter Therapie.

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FALLBERICHT 818

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Hyperkalzämie. Es sollte ein Alters- und Risikoprofil-entsprechendes Tumorsceening durchgeführt werden. Ebenso ist die Durchführung einer Serumeiweiss-Elek-trophorese, einer Immunfixation im Serum und Urin sowie die Bestimmung der freien Leichtketten zum Screening hinsichtlich eines multiplen Myeloms emp-fehlenswert [1]. Wenn keine Osteolysen vorliegen, sollte das PTHrP bestimmt werden, welches durch bestimmte Tumoren gebildet werden kann. Bei den soliden Tu-moren führen primär Plattenepithelkarzinome sowie Nierenzell-, Urothel-, Mamma- und Ovarial-Karzinome zu einer PTHrp-Produktion [2]. Auch hämatologische Neoplasien wie Non-Hodgkin- Lymphome können ur-sächlich sein. [3] Im Bereich der selteneren Differentialdiagnosen kann unter anderem ein Überschuss an der physiologisch aktiven Form des Vitamin D, dem 1,25-Dihydroxivita-min  D, vorliegen. Dieses führt über eine vermehrte enterale Absorption, renale Rückresorption sowie Frei-setzung aus dem Knochen zu einer Hyperkalzämie [4].Dieser Überschuss kann durch erhöhte Zufuhr des in-aktiven Vorläufers (25-Hydroxyvitamin D) im Rahmen einer Vitamin-D-Intoxikation vorliegen und durch direkte Bestimmung desselben im Serum einfach dia-gnostiziert werden. Alternativ können granulomatöse Erkrankungen wie Sarkoidose oder Tuberkulose das Gleichgewicht zwischen inaktiver und aktiver Form des Vitamin D destabilisieren: Nach aktuellem Wissens-stand führt die erhöhte 1α-Hydroxylase-Bildung in Granulomen und Makrophagen zu einer vermehrten extrarenalen Hydroxylierung und nachfolgender Er-

höhung des 1,25-Dihydroxivitamin-D-Plasmaspiegels. Physiologischerweise findet sich aufgrund der Kalzium-bedingten negativen Rückkopplung ein tiefnormales PTH (Abb. 3) [5, 6].Nebst der kausalen Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung steht vor allem eine adäquate Volumen-therapie im Vordergrund, da die meisten Patienten in-itial hypovoläm sind. Dies aus folgendem Grund: Eine akute Hyperkalzämie resultiert in einer Hyperkalzurie, welche die Aktivierung des im Nephron gelegenen «Cal-cium Sensing Receptors» (CsR) bewirkt. Dieser wiederum führt im distalen Sammelrohr zur Antagonisierung des antiduretischen Hormons (ADH, Vasopressin) und folglich zu einem partiellen Diabetes insipidus renalis. Die Konsequenzen sind Polyurie und Volumenkontrak-tion [1, 7]. Primär besteht also das Ziel, eine Euvolämie zu erreichen. Sekundär können dann Schleifendiure-tika eingesetzt werden, welche sowohl eine Hypervolä-mie bei kardial oder renal vorbelasteten Patienten ver-hindern und ebenfalls kalziuretisch wirken.Zusätzlich ist der Einsatz von Bisphosphonaten indiziert, welche zur Hemmung der Osteoklastenaktivität füh-ren. Der Effekt auf das Serumkalzium stellt sich aber verzögert ein. Bei eingeschränkter Nierenfunktion empfiehlt sich insbesondere die Gabe von Ibandron-säure p.o. oder Denosumab s.c., da diese Substanzen am wenigsten nephrotoxisch sind [8, 9]. Bei schwerer Hy-perkalzämie und symptomatischem Patienten kann zudem Calcitonin s.c. verabreicht werden, da dieses am schnellsten wirkt und gut verträglich ist. Als Ultima ratio steht zur Kalziumelimination die Hämodialyse zur Verfügung [10].Die Prävalenz und Inzidenz einer Nierenbeteiligung bei Sarkoidose ist bis dato nicht abschliessend geklärt. Es liegen Daten vor, wonach es in circa 10–48% der Fälle zu einer renalen Manifestation kommt [11–13]. Die grosse Ungenauigkeit begründet sich am ehesten in der feh-lenden Differenzierung der verschiedenen Subgruppen des renalen Befalls. Grundsätzlich können folgende Pathologien auftreten: Veränderungen im Kalzium-stoffwechsel mit Nephrolithiasis und Nephrokalzinose sowie klassischerweise die akute interstitielle Nephritis mit oder ohne Granulombildung [6]. Glomeruläre Be-teiligungen, v.a. in Form einer membranösen Glomeru-lonephritis, sowie eine relevante obstruktive Uropathie werden sehr selten beobachtet [14–17].In unserem Fallbeispiel konnte eine granulomatöse tubulo-interstitielle Nephritis sowie eine Nephrokal-zinose (am ehesten im Rahmen der chronischen Hy-perkalzämie) nachgewiesen werden. Unsere Patientin sticht insofern aus ähnlichen Fallberichten heraus, als dass es sich um einen isoliert renalen Befall der üblicher-weise systemübergreifenden Sarkoidose handelt. In

Serum-Kalzium

PTH Primärer

Hyperparathyreoidismus

25-Hydroxyvitamin D Vitamin-D-Intoxikation

Tumor-/Myelom-screening positiv u/o

PTHrp Tumorhyperkalzämie

1,25-Dihydroxyvitamin DGranulomatöse

Erkrankung / Lymphom

Seltene Differenzialdiagnosen erwägen

nein

nein

nein

nein

ja

ja

ja

ja

Abbildung 3: Abklärungsalgorithmus bei Hyperkalzämie.

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FALLBERICHT 819

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einer der bisher grössten und neueren Publikation zum Thema aus dem Jahre 2009 mit 47 Patienten ob-jektivierte sich bei keinem der Studienteilnehmer eine isoliert renale Sarkoidose [18]. Jedoch fand sich auch eine ebenfalls retrospektive Publikation von 2006, worin in 31,1% der Fälle ein isoliert renaler Befall beschrieben wurde [19]. Wichtig ist allerdings anzumer-ken, dass die genannten typischen histopathologischen Befunde zwar sehr suggestiv für eine Sarkoidose, jedoch nicht abschliessend diagnostisch beweisend sind. In einer retrospektiven Analyse von total 40  Patienten mit renalen Granulomen konnte nur in der Hälfte der Fälle eine Sarkoidose als Grundleiden diagnostiziert werden [20]. Es gilt entsprechend, insbesondere bei fehlendem systemischem Befall der Sarkoidose, die Dif-ferentialdiagnosen der granulomatösen tubulo-inter-stitiellen Nephritis zu berücksichtigen. Hierzu zählen unter anderem die Medikamenten-induzierte tubulo-interstitielle Nephritis, mykobakterielle und Pilz-In-fekte, die Granulomatose mit Polyangiitis sowie das tubulo-interstitielle Nephritis- und Uveitis-Syndrom (TINU) [20, 21]. Anamnestisch fanden sich in unserem Fallbeispiel keine Hinweise auf die Einnahme von Me-dikamenten, welche typischerweise eine tubulo-inter-stitielle Nephritis auslösen könnten. Auch der Verlauf über Monate sprach eher dagegen. Klinisch, anamnes-tisch und serologisch fanden sich ebenfalls keine Hin-weise auf eine Polyangiitis. Die nur mässig erhöhten Entzündungsparameter sowie die in der Pathologie durchgeführte, negative PCR-Untersuchung für Myko-bakterien und der Verlauf unter Steroiden schlossen eine Tuberkulose aus. Darüber hinaus gründet unsere Diagnose einer renalen Sarkoidose in der zusätzlichen Störung des Kalziumhaushalts.Auch in prognostischer Hinsicht war dieser Fall bemer-kenswert: Bisher wurden Verläufe mit Bedarf eines Nierenersatzverfahrens aufgrund üblicherweise nur leichtgradig eingeschränkter Nierenfunktion nur äu-sserst selten beschrieben [18]. Es ist jedoch anzumer-

ken, dass bei unserer Patientin zusätzlich eine schwere Hyperkalzämie sowie eine Tubulusnekrose vorlagen, welche nebst der Sarkoidose bestimmt beide zur Ent-wicklung der Dialyse-pflichtigen Niereninsuffizienz beigetragen haben. Als Therapie der Wahl bei der Sarkoidose-assoziierten Nephritis gelten nach wie vor Glukokortikoide, obwohl sich darunter häufig nur eine inkomplette Erholung der Nierenfunktion zeigt [22–24]. Zudem liegen nur wenige Daten bezüglich Dosierung und Dauer der Glu-kokortikoidtherapie vor. Die Literatur empfiehlt aktuell eine perorale Initialdosis von 0,5–1  mg/kg Körperge-wicht/Tag für vier Wochen. Anschliessend sollte ein vorsichtiges Tapering von 5 mg/Woche bis zu einer Er-haltungsdosis von 5–10 mg/Tag erfolgen, welche dann für weitere 18–24 Monate weitergeführt werden muss. Hierbei gilt es, auf Rezidive der Grunderkrankung zu achten, welche leider häufig auftreten können und schwierig zu diagnostizieren sind. Bei denjenigen Pa-tienten, welche zu Rezidiven unter Glukokortikoidthe-rapie neigen sowie aufgrund der zahlreichen, bestens bekannten Langzeitnebenwirkungen dieser Therapie wurden Behandlungsansätze mit anderen immunsup-pressiven Substanzen beschrieben, insbesondere mit Azathioprin und Mycophenolat Mofetil. Des Weiteren wurde ein Therapieregime mit Methotrexat geschildert, welches bei der extrarenalen Sarkoidose eine valable Alternative zum Prednison darstellt. Dennoch ist des-sen Einsatz bei Nierenbefall umstritten, da es renal ausgeschieden wird und bei Niereninsuffizienz akku-mulieren kann. Auch TNF-α-Inhibitoren sollten nur als Ultima ratio verwendet werden. Therapieansätze mit Thalidomid und Rituximab befinden sich noch im ex-perimentellen Stadium [25].In unserem Fallbeispiel zeigte sich ein sehr erfreulicher Verlauf mit rascher und praktisch vollständiger Nor-malisierung der Nierenfunktion. Diese Entwicklung war sicherlich einerseits der Glukokortikoidtherapie und andererseits der Erholung der akuten Tubulusne-krose zu verdanken.

VerdankungDieser Artikel ist unserem Co-Autor, Freund und Mentor Herrn Dr. med. Matthias Zobrist gewidmet, der Anfang Februar dieses Jahres unerwartet und tragisch aus dem Leben gerissen wurde. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Disclosure statementDie Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

LiteraturDie vollständige Literaturliste finden Sie in der Online-Version unter www.medicalforum.ch

Das Wichtigste für die Praxis

• Die Hyperkalzämie äussert sich mit unspezifischen Symptomen.

• Bei Patienten mit bekannten Tumorerkrankungen oder Multiplem Myelom

muss sie bei unklaren Zustandsverschlechterungen aktiv gesucht werden.

• Meistens kann eine Hyperkalzämie auf einen primären Hyperparathyreo-

idismus oder eine Neoplasie zurückgeführt werden. Diese zwei Ursachen

müssen zuerst ausgeschlossen werden.

• Insbesondere bei raschem Auftreten einer Hyperkalzämie und zusätzlich

akuter Niereninsuffizienz sollte aber auch an eine renale Beteiligung bei

Systemerkrankungen gedacht werden.

Korrespondenz: Nadine Heimgartner, dipl. Ärztin Departement Medizin GZO Spital Wetzikon Spitalstrasse 66 CH-8620 Wetzikon nadine.heimgartner[at]gzo.ch

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FALLBERICHT 820

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Seltene Ursache einer Makrohämaturie

Die arterio-venöse MalformationDr. med. Ralph Gnannta,b, PD Dr. med. Lisa Weibelb,c, Prof. Dr. med. Thomas Pfammattera

a Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie, UniversitätsSpital Zürich; b Vascular Anomaly Board, Universitäts-Kinderspital Zürich; c  Dermatologische Klinik, UniversitätsSpital Zürich

Hintergrund

Die Makrohämaturie ist in der Praxis ein häufig anzu­treffendes Symptom und kann vielfältige Ursachen haben. In der Regel ist eine Hämaturie ein vorüber­gehendes Phänomen und selbstlimitierend. Je nach Alter des Patienten stehen differentialdiagnostisch ein entzündliches Geschehen, Konkremente oder eine Neoplasie im Vordergrund. Selten gibt es aber auch andere Ursachen für eine Hämaturie (Tab. 1). Wir stellen zwei Patienten vor, bei denen eine arterio­venöse Malformation (AVM) der Niere diagnostiziert und in­terventionell­radiologisch behandelt wurde.

Fallberichte

Fall 1Ein 51­jähriger Patient stellt sich nach neu aufgetre­tenen, mehrmaligen Makrohämaturieepisoden und intermittierend starken Flankenschmerzen beim Uro­logen vor. Er leidet zudem an einer milden Hämophilie (Faktor VIII: 38%). Die Makrohämaturieepisoden wur­

den deswegen jeweils mit einer Faktor VIII­Substitu­tion behandelt. Gleichzeitig wird nach einer Ursache der Hämaturie mittels Zystoskopie und Computerto­mographie (CT) gesucht. Während Erstere normal war, zeigte die CT eine AVM am Unterpol der rechten Niere (Abb. 1).Bei doppelter Anlage der rechten Nierenarterie zeigt die selektive periinterventionelle Katheterarteriographie, dass Arteriolen aus beiden Arterien in einen hilären Varyxknoten münden (AVM Typ II nach Cho [1]). Deswe­gen wird entschieden, eine retrograde, venöse Emboli­sation über einen transjugulären Zugang mit Verschluss des Nidus durchzuführen. Der Varyxknoten wird mit 9 Coils (Metallspiralen) und einem flüssigen Embolisat (Ethylen­Vinylalkohol, Onyx®) obliteriert (Abb. 2).Zwei Wochen nach erfolgter Embolisation berichtet der Patient über eine erneute Makrohämaturieepi­sode, welche ebenfalls nach Faktor VIII­Substitution wieder sistierte. Darauf blieb der Patient asympto­matisch und in der Kontroll­MR fünf Monate nach dem Eingriff kann die AVM nicht mehr nachgewiesen werden (Abb.  3). Die errechnete Kreatinin­Clearance hat sich durch die Embolisation nicht verändert.

Fall 2Eine 54­jährige Patientin stellt sich mit chronischen Rückenschmerzen in der Sprechstunde vor. Eine durch­geführte Computertomographie zeigt als Zufallsbe­fund eine AVM am Oberpol der linken Niere (Abb.  4). Mit Ausnahme von rechtsseitigen Rückenschmerzen ist die Patientin beschwerdefrei. Aufgrund der Grösse der AVM wird entschieden, eine Therapie einzuleiten (siehe auch Diskussion).Die arterielle Angiographie (Abb. 5) zeigt die AVM mit multiplen zuführenden Arterien aus segmentalen Ästen der Nierenarterie sowie zahlreiche abführende Venen (Typ IIIb nach Cho). Die Embolisation in diesem Fall erfolgt nur über den arteriellen Zugang mit einer Kombination von Metallspiralen und einem Polymer (n­Bucrylat, Histoacryl®).Die abschliessende CT­Kontrolle vier Monate nach dem Eingriff zeigt einen Verschluss der AVM der linken Niere. Als Folge der Embolisation zeigt sich lediglich ein geringer Parenchymverlust am Oberpol der Niere ohne negativen Einfluss auf die Nierenfunktion.

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Ralph Gnannt

Abbildung 1: Koronare Computertomographie des 51-jährigen Patienten mit Makro-

hämaturie, welche die AVM am Unterpol (Pfeil) der rechten Niere zeigt.

Tabelle 1: Ursachen der Makrohämaturie.

Renal Prä- oder postrenal

IgA-Nephropathie Idiopathische Hyperkalzurie

Neoplasie der Niere Zystitis/Urethritis

Glomerulonephritis Benigne Prostatahyperplasie

Pyelonephritis Prostatakarzinom

Arterio-venöse Malformation/Fistel Urolithiasis

Trauma Koagulopathie

Trauma

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FALLBERICHT 821

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Diskussion

Eine AVM ist eine abnormale Verbindung zwischen Ar­terien und Venen, welche aufgrund einer Störung in der Angiogenese zu Stande kommt (1. Trimenon). Nach aktuellster Klassifikation von Mulliken und Glowacki und den «International Society for the Study of Vascu­lar Anomalies (ISSVA)»­Kriterien handelt es sich dabei um eine kongenitale «Fast­Flow»­Malformation [2].

Angiomorphologisch ähneln renale AVM sporadischen Angiomyolipomen. Letztere manifestieren sich eher durch schockierende Blutungen in das Retroperitoneum. Computertomographisch ist der Nachweis von Fettge­webe zwischen den pathologischen Gefässkonvoluten pathognomonisch für ein Angiomyolipom.Von den AVM sind arterio­venöse Fisteln (AVF) zu diffe­renzieren. Bei diesen besteht ebenfalls eine patholo­gische Verbindung zwischen Arterie und Vene, welche aber erworben ist. Die häufigste Ursache einer Fistel in der Niere ist die Biopsie mit einer Inzidenz von beinahe 20%, wobei sich solche pathologischen Verbindungen in bis zu 95% spontan wieder verschliessen. Somit be­trägt die Inzidenz einer klinisch bedeutsamen AVF nach Nierenbiopsie ca. 0,3%–4% [3,  4]. Traumatische Ursachen für eine AVF sind äusserst selten. Schliesslich können AVF in Zusammenhang mit Nierenkarzinomen entstehen, wobei angiogenetische Wachstumsfaktoren eine wichtige Rolle spielen.Die neue Klassifikation der vaskulären Anomalien (ISSVA­Klassifikation) wird zwar dem Ursprung einer Malformation gerecht und hat sich in der Dermato­logie, Chirurgie und interventionellen Radiologie zu­nehmend etabliert. Weniger relevant aber ist dabei die detaillierte Anatomie, welche insbesondere bei der Angiographie und für die resultierende Therapiewahl von Bedeutung ist. Eine häufig benutzte Klassifikation von arterio­venösen Malformationen ist diejenige nach Cho und Mitarbeiter, welche auf der Morphologie des Nidus basiert [1].Eine AVM der Niere kann längere Zeit asymptomatisch sein, manifestiert sich aber in der Regel mit einer Mak­rohämaturie (in ca. 75% der Fälle). Sie ist häufiger bei Frauen anzutreffen (3:1) und betrifft mehrheitlich die

Abbildung 2: Darstellung der AVM mittels Angiographie über die Unterpolarterie der rechten Niere vor (A) und nach (B)

der transvenösen Embolisation mittels Coils und Onyx®.

Abbildung 3: Koronare MR-Angio in der arteriellen Phase fünf Monate nach Embolisation

der AVM der rechten Niere (Fall 1). Zu sehen sind noch residuelle Artefakte (Pfeile) nach

Coil- und Onyx®-Embolsiation am Unterpol ohne Nachweis einer Perfusion der ehemali-

gen AVM.

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FALLBERICHT 822

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rechte Niere. Obschon an sich eine angeborene Erkran­kung, kann eine AVM lebenslang symptomatisch wer­den. Währenddessen der natürliche Verlauf intrakra­nieller und spinaler AVM ausgiebig erforscht ist, trifft dies für die hier beschriebenen, seltenen renalen AVM nicht zu. Es kann angenommen werden, dass AVM­ assoziierte Komplikationen wie beispielsweise Blutun­gen (Ausbildung Fluss­bedingter arterieller Aneu­rysmata oder Varyxknoten, Ruptur dysplastischer Arteriolen) oder hämodynamisch­relevante Links­Rechts­Shunts (Herzinsuffizienz, «Steal»­bedingte Nie­renfunktionsverschlechterung) mit dem Alter zuneh­men. Somit ist auch bei asymptomatischen Patienten eine Therapie gerechtfertigt [4]. Es ist anzunehmen, dass bei unserem Patienten nicht die Hämophilie zur Makrohämaturie führte, sondern die neu diagnosti­

zierte AVM. Die vollständige Embolisation und Throm­bosierung einer Fast­Flow­Malformation sowie die Ab­nahme des Druckes im malformierten Gefässbett benötigt nach dem Eingriff eine gewisse Zeit. So ist auch die erneute Hämaturieepisode zwei Wochen nach der Embolisation zu erklären. Danach blieb er nun über 10  Monate asymptomatisch. Hin und wieder reicht auch nur eine parenchymsparende, partielle Embolisation der AVM, um eine weitere Hämaturie­episode zu verhindern. Gelegentlich ist eine zweite Intervention zum definitiven Verschluss der patholo­gischen arterio­venösen Shunts notwendig. Dies war bei unseren beiden Patienten nicht der Fall.Zur transarteriellen Embolisation renaler arterio­ve­nösen Malformationen werden wie bei anderen Loka­lisationen vorwiegend Partikel, Coils oder und Flüssig­

Abbildung 5: Angiographisches Korrelat (A) der AVM am Oberpol der linken Niere. Die rechte Niere kommt angiographisch normal zur Darstellung.

In der abschliessenden Angiographie nach Embolisation mittels Coils und Histoacryl® kommt die Malformation in der arteriellen Phase (B) sowie in der

Parenchymphase (C) nicht mehr zur Darstellung.

Abbildung 4: Axiale (A) und koronare (B) Computertomographie der 54-jährigen, bezüglich der AVM asymptomatischen Patientin.

Man erkennt gut die arteriell vaskularisierte Malformation am Oberpol (Pfeile) der linken Niere.

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FALLBERICHT 823

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embolisate (z.B. Histoacryl®, Onyx®, Äthanol) verwendet. Diese kommen häufig in Kombination zum Einsatz. In Studien aus den 1980er  Jahren wurde über gelegent­liche Rezidive berichtet, wobei damals vorwiegend Gel­foam als Embolisat verwendet wurde. Eine aktuellere Langzeit­Studie (n = 34, Follow­up durchschnittlich 8,0 ± 2,8  Jahre, Embolisaiton mit Alkohol und Gelfoam) zeigte keine Spätkomplikationen nach Embolisation und lediglich vier Patienten benötigten eine zweite Intervention, um residuelle arterio­venöse Shunts zu verschliessen [5].Die alternative Option zur interventionell­radiolo­gischen Embolisation einer AVM ist eine partielle oder totale Nephrektomie, welche allenfalls bei lebens­

bedrohlichen Hämaturieepisoden oder sehr grossen Shunt­Volumen noch eine Relevanz hat. Die interven­tionell­radiologische Embolisation stellt einen elegan­ten, minimal invasiven Eingriff dar und ist aktuell bei AVM der Nieren die Therapie der Wahl, da damit das von der AVM nicht betroffene Nierengewebe geschont werden kann.

Disclosure statementDie Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

Literatur1 Cho SK, Do YS, Shin SW, Kim DI, Kim YW, Park KB, et al: Arterio­

venous malformations of the body and extremities: analysis of therapeutic outcomes and approaches according to a modified angiographic classification. J Endovasc Ther. 2006;13:527–38.

2 Mulligan PR, Prajapati HJS, Martin LG, Patel TH. Vascular anomalies: classification, imaging characteristics and implications for interventional radiology treatment approaches. Br J Radiol. 2014;87(1035):20130392.

3 Omoloja AA, Racadio JM, McEnery PT. Post­biopsy renal arteriovenous fistula. Pediatr Transplant. 2002;6:82–5.

4 Liu AS, Mulliken JB, Zurakowski D, Fishman SJ, Greene AK. Extracranial arteriovenous malformations: natural progression and recurrence after treatment. Plast Reconstr Surg. 2010;125:1185–94.

5 Takebayashi S, Hosaka M, Kubota Y, Ishizuka E, Iwasaki A, Matsubara S. Transarterial embolization and ablation of renal arteriovenous malformations: efficacy and damages in 30 patients with long­term followup. J Urol. 1998;159:696–701.

Das Wichtigste für die Praxis

• Die arterio-venöse Malformation ist eine seltene Ursache der Makrohämat-

urie.

• Die arterio-venöse Malformation stellt eine Fehlentwicklung in der Angio-

genese dar, während die arterio-venöse Fistel erworben ist (z.B. Nieren-

biopsie/Trauma).

• Therapie der Wahl ist die interventionell-radiologische Embolisation.

Korrespondenz: Dr. med. Ralph Gnannt Universitäts­Kinderspital Zürich Steinwiesstrasse 75 CH­8032 Zürich ralph.gnannt[at]usz.ch

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FALLBERICHT 824

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Erschwert durch Voroperationen ...

Differenzialdiagnose präperitonealer AbszessDr. med. Christopher Butler Ransohoffa*, Dr. med. Jaled Charimob*, Dr. med. Thomas Knappc, Dr. med. Charles de Montmollinc

a Departement Orthopädie und Traumatologie, Spital Thun, Thun; b Departement Radiologie, Spital Aarberg, Aarberg; c Departement Chirurgie, Spital Aarberg, Aarberg* Die beiden Autoren haben zu gleichen Teilen zum Artikel beigetragen.

Fallbeschreibung

Ein 79-jähriger Patient stellte sich initial mit Schmer-zen im rechten Unterbauch und einer dort seit fünf Tagen neu aufgetretenen Schwellung auf unserer Not-aufnahmestation vor. Bei dem Patienten bestanden eine Tachykardie (120/min) und Tachypnoe (27/min), jedoch kein Fieber.Die chirurgische Anamnese umfasste eine TEP-Opera-tion mit Sanierung beider Inguinalregionen drei Jahre zuvor. Ausserdem bestand bei dem Patienten eine Leberinsuffizienz im Stadium Child-Pugh A sowie ein Diabetes mellitus Typ 2.Eine Blutuntersuchung zeigte Leukozyten von 19  G/l und ein CRP von 188 mg/l. Es erfolgte die umgehende Asservierung von Blutkulturen. Im Anschluss führten wir eine Computertomographie (CT) des Abdomens durch. Hier zeigte sich eine ausgedehnte Abszess- verdächtige Raumforderung mit Ausdehnung vom M.  iliopsoas bis zur vorderen Bauchwand. Die grosse Formation lag dem Zökum an und die Appendix war nicht abgrenzbar (Abb. 1).Infolge führten wir eine operative Abszessdrainage und Entfernung der Netzeinlage rechts durch. In einer von vier Blutkulturen wurde Corynebacterium spp. nachgewiesen. Die restlichen Blutkulturen sowie die intraoperativ gewonnen Proben blieben nach 14-tägi-ger Bebrütung steril. Eine kalkulierte antibiotische The-rapie mit Ciprofloxacin und Metronidazol wurde für sie-ben Tage verabreicht. Der Patient erholte sich rasch und verliess unser Krankenhaus in gutem Allgemeinzu-stand.Neun Monate später stellte sich der Patient erneut mit einer Schwellung über dem rechten Unterbauch und spontaner Eiterentleerung sowie Fieber in unserer chi-rurgischen Notaufnahme vor. Der Patient gab ausserdem an, zwischenzeitlich auf einer internistischen Station bezüglich eines unklaren Infektes hospitalisiert gewesen zu sein. Die Abklärun-gen hätten keinen Fokus sichern können, so dass der Patient bei Verdacht auf einen einfachen viralen Infekt in gutem Allgemeinzustand entlassen wurde.

Wir führten unverzüglich eine CT durch, die erneut eine präperitoneale Abszessformation im rechten Un-terbauch nachwies. Dieses Mal reichte der Abszess in den Leistenkanal und den proximalen Oberschenkel. Darüber hinaus zeigte die CT eine Fistel zwischen einer chronisch-entzündlich verdickten, perforierten Appen-dix und der Abszessformation (Abb. 2). Es erfolgte umgehend die operative Abszessdrainage und laparoskopische Appendektomie. Intraoperativ zeigte sich deutlich eine appendico-prä-peritoneale Fistel mit Invasion der vorderen Bauch-wand (Abb. 3). Drei Tage nach der Appendektomie konnten wir den Patienten in gutem Allgemeinzustand wieder nach Hause entlassen. In der klinischen Nachkontrolle vier Wochen später ergaben sich keine Hinweise auf ein Rezidiv des Ab-szesses oder einer Leistenhernie

Diskussion

Präperitoneale Abszesse werden sowohl als Spätkompli-kation bei inguinalen Netzplastiken [1] als auch als sel-tene Komplikation einer Appendizitis [2] beschrieben. In diesem Fall rückte die Appendizitis als Ursache des präperitonealen Abszesses, in Anbetracht einer mög-lichen Spätinfektion der Netzplastik, zunächst in den Hintergrund. Die vermeintlich rasche Erholung des Pa-tienten nach der ersten Abszessdrainage und Netzein-lagen-Entfernung verleitete zu der Annahme, bereits initial den Abszess ursächlich behandelt zu haben. Das Fehlen intraabdomineller Abszessformationen und Entzündungszeichen unterstützte zusätzlich diese An-nahme. Der Nachweis von Corynebacterium in einer von vier Blutkulturen musste als dermale Kontamina-tion gewertet werden, so dass auch die mikrobiolo-gischen Untersuchungen ebenso wenig Anlass gaben, einen intraabdominellen Fokus zu erwägen.Retrospektiv hätte die zum Teil retroperitoneale Ab-szesslage mit Beteiligung des M. iliopsoas und das eng am Abszess anliegende Zökum bereits bei der ersten Hospitalisation an eine intraabdominelle Beteiligung

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Christopher Butler Ransohoff

Jaled Charimo

SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(40):825–826

FALLBERICHT 825

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denken lassen können. In dieser Situation hätte eine diagnostische Laparoskopie mit hoher Sicherheit eine Differenzierung intra- versus extraabdomineller Ätio-logien ermöglicht. Die Invasivität dieses Verfahrens und das Fehlen klarer radiologischer oder mikrobio-logischer Hinweise auf einen intraabdominellen Ur-sprung standen dem jedoch entgegen. Die CT-Bildge-bung stellt letztlich den Goldstandard in der akuten Beurteilung der prä- und retroperitonealen Abszesse dar [3]. In der wiederholten CT-Bildgebung konnten schliesslich ausreichend Hinweise gewonnen werden, die invasivere Massnahmen rechtfertigten.Da es sich bei dem Netz um ein reines Polypropylen-Prä-parat gehandelt hat, wäre eine Entfernung des Netzes in jedem Fall notwendig gewesen. Denn nur dadurch kann eine vollständige Heilung sichergestellt werden [4]. Da es keine strukturelle Barriere zwischen dem Retrope-ritoneal- und Präperitonealraum gibt [5], ist die Differen-zialdiagnose der präperitonealen Abszesse im Wesentli-chen die der retroperitonealen Abszesse, ergänzt um die Fremdkörperinfektionen im Präperitonealraum (Tab. 1).

Disclosure statementDie Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

Literatur1 Samee A, Adjepong S, Pattar J. Late onset mesh infection following

laparoscopic inguinal hernia repair. BMJ Case Reports. 2011;pii: bcr0920114863.

2 Souza I, Nunes DAA, Massuqueto CMG, et al. Complicated acute appendicitis presenting as an abscess in the abdominal wall in an elderly patient: a case report. Int J Surg Case Rep. 2017;41:5–8.

3 Mallick IH, Thoufeeq MH, Rajendran TP. Iliopsoas abscesses. Postgrad Med J. 2004;80:459–62.

4 Stremitzer S, Bachleitner-Hofmann T, Gradl B, et al. Mesh graft infection following abdominal hernia repair: risk factor evaluation and strategies of mesh graft preservation. A retrospective analysis of 476 operations. World J Surg. 2010;34:1702–9.

5 Frias Vilaça A, Reis AM, Vidal IM. The anatomical compartments and their connections as demonstrated by ectopic air. Insights Imaging. 2013;4:759–72.

Abbildung 2: Koronare und sagittale Schnittbilder einer

Kontrastmittel-gestützten CT bei appendico-präperitonealer

Fistel (weisse Pfeile).

Abbildung 3: Intraoperative Darstellung der appendico-

präperitonealen Fistel (weisser Kreis).

Tabelle 1: Differenzialdiagnose präperitonealer Abszesse.

Intraabdominell Appendizitis/Appendikolithen

Morbus Crohn, Colitis ulcerosa

Gastroduodenale Ulzera

Divertikulitis

Cholezystitis/Cholelithiasis

Kolorektales Karzinom, u.a. Karzinome

Extraabdominell Fremdkörper (z.B. Netze)

Spondylitis/Spondylodiszitis

Sakroiliitis/septische Arthritis

Pyelonephritis

Urozystitis

Karzinome des Urogenitaltraktes

Pankreatitis

Infiziertes abdominelles Aortenaneurysma

Eitrige Lymphadenitis

Primär Hämatogene Streuung

Abbildung 1: Transversales Schnittbild einer Kontrastmittel-

gestützten CT mit grosser präperitonealer Abszessformation

(weisse Pfeile).

Das Wichtigste für die Praxis

• Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung einer umfassenden differenzial-diagnostischen Abklärung präperitonealer Abszesse, die insbesondere auch die intraabdominelle Fokussuche umfasst. Diese kann im Zweifel auch eine diagnostische Laparoskopie umfassen.

• Spätinfektionen nach präperitonealen Netzeinlagen stellen eine seltene, in Anbetracht der Häufigkeit der Operation, jedoch relevante Differenzial-diagnose dar.

• Gerade in Bezug auf die notfallmässige Abklärung bei septischen Pa-tienten ist die CT-Bildgebung das diagnostische Verfahren der Wahl. Es unterstützt die Abklärung bei beinahe allen denkbaren Differenzialdia-gnosen. Der enge interdisziplinäre, chirurgisch-radiologische Austausch ist dabei notwendig.

Korrespondenz: Dr. med. Christopher Butler Ransohoff Spital Thun Krankenhausstrasse 12 CH-3600 Thun christopher.butlerransohoff [at]spitalstsag.ch

SWISS MEDICAL FORUM – SCHWEIZERISCHES MEDIZIN-FORUM 2018;18(40):825–826

FALLBERICHT 826

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