leben mit behinderung

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LEBEN MIT BEHINDERUNG EINE VERLAGSBEILAGE DER BERLINER ZEITUNG •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• Erkrankte Psyche. Wenn nichts mehr geht. Gemeinsam wohnen. Eine betreute WG. Job trotz Behinderung. Eine Erfolgsgeschichte.

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Leben mit Behinderung

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Page 1: Leben mit Behinderung

LEBEN MIT BEHINDERUNGE I N E V E R L A G S B E I L A G E D E R B E R L I N E R Z E I T U N G

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Erkrankte Psyche.Wenn nichts mehr geht.

Gemeinsam wohnen.Eine betreute WG.

Job trotz Behinderung.Eine Erfolgsgeschichte.

Page 2: Leben mit Behinderung

2 I L E B E N M I T B E H I N D E R U N G MONTAG, 25. MÄRZ 2013 I VERLAGSBEILAGE

IMPRESSUMBerliner Verlag GmbH

Anzeigenleitung: Mathias ForkelRedaktion:

Peter Brock (verantwortlich), Angelika GiorgisAnzeigenverkauf:

Mareen Beu,Tel. 030 23 27 51 18, [email protected] Direction:

Jane Dulfaqar, Annette Tiedge

S amuel Elstner (43), leiten-der Arzt im Behandlungs-zentrum für psychisch

kranke Menschen mit geistiger Be-hinderung im Evangelischen Kran-kenhaus Herzberge, und ChristophSchade (41), leitender Oberarzt imZentrum für Allgemeinpsychiatrieund Suchtmedizin, räumen mit somanchem Missverständnis überpsychische Erkrankungen auf.

Herr Elstner, Herr Schade, wannspricht man von einer Erkrankung?

Elstner: Bis vor zehn Jahren hatman von Krankheiten gesprochen,jetzt spricht man von Störungen.Das hat folgenden Sinn: DerMensch ist in seiner Psyche ja sovielfältig. Von vorneherein kannman nicht sagen, wenn einer sound so denkt, dann ist er gleichkrank. Wir handeln dann, wenn ersich durch sich selbst gestört fühltoder wenn sich die Umwelt durchihn gestört fühlt.

Danke für die Aufklärung. Dann sa-gen Sie mir, wann Sie eine Störungfeststellen würden?

Schade: Das ist natürlichschwieriger als bei einem Chirur-gen. Ein Beinbruch lässt sich leich-ter diagnostizieren als eine De-pression. Man muss viel mit demarbeiten, was Patienten berichten.Letztendlich ist die Psychiatrieaber doch eine recht genaue Wis-senschaft. Aus der Beobachtung,der Krankheitsgeschichte, dem Al-ter oder bestimmten biochemi-schen Prozessen lässt sich schonrecht genau eine Diagnose stellen.

Das braucht allerdings Zeit, odernicht?

Schade: Wenn jemand in dieNotaufnahme geht und sehr aufge-bracht davon berichtet, dass in kur-zer Zeit fremde Wesen zu ihm spre-chen, die ihm Gedanken eingeben,ist natürlich noch nicht klar, dasses sich um eine Schizophrenie han-delt. Es könnte auch etwas Drogen-assoziiertes sein. Aber es liegt zu-mindest nahe, dass etwasPsychosenahes vorliegt.

„Inflationärer Gebrauch psychischer Symptome“Zwei Psychiater warnen vor überstürzten Diagnosen und sprechen über Heilungschancen

Es gibt ja auch den Begriff der psy-chischen Behinderung…

Elstner: Wenn man an einerpsychiatrischen Störung leidet,kann es je nach Heilungsverlauf zueiner Behinderung in der weiterenLebensfähigkeit kommen. Wennman eine Schizophrenie zum Bei-spiel nicht behandelt, dann ist dieGefahr groß, dass sie einen chroni-schen Verlauf nimmt und dass zu-nehmende Fähigkeitseinbußendurch diese Krankheit eintreten.Dann ist der Betroffene dauerhaftauf Unterstützung angewiesen.Prinzipiell ist jemand so behindert,wie er sich fühlt.

Um einen chronischen Verlauf zuminimieren, ist eine frühzeitige Be-handlung aber unbedingt erforder-lich ...

Elstner: Wir würden immer an-raten, eine Schizophrenie zu be-handeln, wenn sich jemand selbstoder andere gefährden würde. DieSchizophrenie ist die psychischeErkrankung, die die größte Bedeu-tung im Leben eines Menschenhat, weil dadurch der Lebensplandeutlich durcheinanderkommenkann. In einigen Prozent der Fälle

können die Ziele nicht mehr er-reicht werden.

Viele Menschen sagen, dass sie zumBeispiel an Höhenangst leiden. Nurwenige würden aber sagen, eineschwere Krankheit zu haben…

Schade: Es kommt darauf an,wie stark jemand in seinem Lebenbeeinträchtigt ist und wo man mitseiner Symptomatik leben muss.Natürlich ist eine Höhenangst füreinen Dachdecker beeinträchtigen-der als für einen Lehrer. Es gibtauch Ängste, die nicht an Situatio-nen gebunden sind, Panik zum Bei-spiel. Diese haben ganz gravie-rende Auswirkungen auf das Lebenund können dahin gehen, dassMenschen damit gar nicht mehr le-ben wollen.

Ab wann sollte man sich als Freundoder Verwandter Sorgen machen?

Schade: Es hängt dann ganz da-von ab, wie groß der Leidensdruckdurch bestimmte psychische Sym-ptome ist. Und ganz wichtig: Gibtes eine Form von Eigen- oderFremdgefährdung? Wenn auffälligwird, dass Menschen nicht mehressen oder trinken, dass sie sich

GERD ENGELSMANN

Die Psychiater Samuel Elstner (l.) und Christoph Schade sind im Evangelischen Krankenhaus Herzberge die Anlaufsta-tion für psychisch Kranke in Lichtenberg-Hohenschönhausen.

vollständig zurückziehen, sich viel-leicht auch verletzen oder davonsprechen, dass das Leben keinenSinn mehr macht, sind das Hin-weise.

Wie geht die Gesellschaft mit Men-schen um, die an einer psychischenStörung leiden?

Schade: Es hat sich einiges ge-tan in den vergangenen Jahren. EinBeispiel sind die depressiven Fuß-baller, die das öffentlich gemachthaben. Es gibt aber auch einigeStörungen, bei denen die Diagno-sestellung nicht ganz so unproble-matisch ist. Aus unserer Sicht wer-den die teilweise auchmissbraucht. Zum Beispiel, wasjetzt unter posttraumatische Be-lastungsstörung oder als Burn-outdiskutiert wird. Da gibt es einen in-flationären Gebrauch von psychi-schen Symptomen, die häufig kei-nen Krankheitswert erreichen.

Der Mensch heute leidet psychischalso nicht mehr als früher?

Elstner: Beispiel Burn-out. Dasist ein Begriff, der einen Gefühlszu-stand beschreibt und gilt nicht alseine eigenständige Krankheit. Da-hinter kann sehr viel stecken, imschlimmsten Falle eine Depres-sion. Es kann auch sein, dass ichmit den Kollegen nicht zurecht-

komme und mich in dieser Rollenicht mehr wohlfühle. Dann ist eseher eine Anpassungsstörung. Ge-rade beim Burn-out stellt sich dieFrage, ob wirklich eine Zunahmevon teils neuen Störungen diagnos-tiziert wird oder ob die Kriterien bis-heriger bekannter Störungen et-was lockerer interpretiert werden.

Welche Rolle spielt dabei die heu-tige Leistungsgesellschaft?

Schade: Wenn Sie mit jeman-dem aus dem Mittelalter redenwürden, der sagt Ihnen, dass Sieim Paradies leben, weil das Lebendamals ganz existenzbedrohendund schlimm für denjenigen war.Man fragt sich, was die Härten derheutigen Gesellschaft ausma-chen, wenn eigentlich jeder zu es-sen, zu trinken und eine warmeHütte hat.

Nach welcher Zeit gilt man denn alsgeheilt?

Schade: Grob kann man sagen:Wenn man mit einer Depressionauf Station kommt, sollte man vonvier bis sechs Wochen ausgehen.Die Medikamente brauchen sozwei bis drei Wochen, bis sie ihreWirkung entfalten. Auch die ande-ren Therapien, wie die Psychothe-rapie, brauchen Zeit, bis die Wir-kung eintritt. Das heißt nicht, dassdie Leute vollstationär die ganzeZeit behandelt werden müssen.

Elstner: Die Medikamentebrauchen dann auch einige Zeit,bis man sie absetzen kann. Wennich das erste Mal eine Depressionhabe, dann sollte ich das Medika-ment Minimum ein halbes Jahr bisein Jahr weiternehmen, auch wennman sich wieder gut fühlt.

Danach bin ich aber wieder voll be-lastbar?

Schade: Es ist leider so, dassjunge Menschen mit Schizophrenieeine Restsymptomatik behalten,was ein Integrieren auf dem erstenArbeitsmarkt schwierig macht. Dasist bei Patienten mit Angsterkran-kungen oder mit Depressionenhäufig anders. Die Annahme, ein-mal in dieser Psychoecke und niewieder in die Arbeit zurück, diestimmt auf keinen Fall.Interview: Benedikt Paetzholdt

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Page 3: Leben mit Behinderung

MONTAG, 25. MÄRZ 2013 I VERLAGSBEILAGE L E B E N M I T B E H I N D E R U N G I 3

B ei psychischen Erkrankun-gen wie einer Depressionoder einer Schizophrenie

kann ab einer bestimmten Dauervon mehr als sechs Monaten vomVersorgungsamt ein Grad der Be-hinderung (GdB) beziehungsweiseGrad der Schädigungsfolgen (GdS)festgestellt werden. Bei dieser Be-wertung richtet sich die Behördenach den sogenannten versor-gungsmedizinischen Grundsätzen.Hier sind Anhaltswerte festgelegt,mit der sich GdB und GdS ermittelnlassen.

Verschiedene Ausprägungen

In dieser Skala sind vier Abstufun-gen verzeichnet. In der geringstenStufe liegen GdB und GdS inner-halb eines Spektrums der Werteeins bis zwanzig. Das ist der Fall,wenn leichtere psychovegetativeoder psychische Störungen wiezum Beispiel wiederkehrendeSchweißausbrüche oder anhal-tende Schlaflosigkeit identifiziertwerden.

Angst in großem AusmaßPsychische Erkrankungen können sich zu einer Behinderung entwickeln. Betroffene haben dann Anspruch auf besondere Hilfen

In der nächsten Abstufung fin-det sich die Gruppe der stärker be-hindernden Störungen. Diese ge-hen einher mit einer wesentlichenEinschränkung der Erlebnis- undGestaltungsfähigkeit. Das kannzum Beispiel in Form einer ausge-

prägten Hypochondrie auftreten,eine von Angst geprägte Beziehungzum eigenen Körper. Auch einePhobie, also die ausgeprägteAngst vor Anlässen oder Gegen-ständen, kann ein Ausmaß entwi-ckeln, dass ein Behinderungsgrad

von 30 bis 40 ermittelt wird, derdieser Einstufung zugeordnet ist.

Ab einem Gdb von 50 tritt eineSchwerbehinderung ein. Im Be-reich der Persönlichkeitsstörun-gen und den Folgen psychischerTraumen, wozu auch Depressionen

zählen, geht diese Diagnose mit ei-ner sogenannten schwerenZwangskrankheit einher. Eine mit-telgradige (50 bis 70) beziehungs-weise eine schwere (80 bis 100)soziale Anpassungsschwierigkeitliegt in diesem Fall vor. Bei der Be-urteilung geht es weniger um ein-zelne Symptome, sondern es liegtein umfassender Kriterienkatalogzugrunde.

In jedem Fall ist abzuwägen, obdie Anerkennung als Schwerbehin-derter möglicherweise eine Stig-matisierung oder Belastung fürden oder die Betroffene darstellt,die zusätzliche Probleme hervor-ruft. In vielen Fällen ist die Anerken-nung allerdings hilfreich. Dadurchkönnen Leistungen in Anspruch ge-nommen werden, die im Sozialge-setzbuch geregelt sind. Darunterfallen unter anderem die Gleich-stellung, um einen Arbeitsplatz zuerhalten, ergänzende Leistungenzur Reha oder die kostenlose Nut-zung des öffentlichen Personen-nahverkehrs. (pae.)

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peter Kiwit (Name geändert) er-zählt: „Obwohl es mir oft nichtgut ging, habe ich einige Jahre

in meinem Job ausgehalten.“ Der41-Jährige ist ein sportlicher Typ undwar als Trainer in einem Fitness-Stu-dio tätig „Die Arbeit mit den Leutenund die Bewegung haben mir immergroßenSpaßgemacht.Trotzdemwur-de der Stress für mich zunehmendgrößer, derUmgangmit denKollegenundmitKundenfielmir schwerer undschwerer“, beschreibt Kiwit seinedamalige Situation. Er hatte immerweniger Geduld, zog sich von denKunden zurück und kämpfte mit Pa-nikattacken. Als ihm alles über denKopf wuchs, ließ er sich krankschrei-ben.

Psychische Erkrankungen, wie sieauch Peter Kiwit erlebt hat, gehörenzu den häufigsten und die Lebens-

qualität der Betroffenen am stärks-ten einschränkenden KrankheitenunsererZeit.LautStatistiksindinzwi-schen doppelt so viele Erwerbslosewievor zehnJahrenwegeneinerpsy-chischen Erkrankung arbeitsunfähig.Häufig haben Menschen, die unterden Folgen einer solchen Erkrankungleiden, mit mangelndem Antrieb, miteingeschränkter Wahrnehmungs-und Konzentrationsfähigkeit sowiegeringem Selbstvertrauen zu kämp-fen. Um dem beruflichen Alltag wie-

der gewachsen zu sein, benötigen siedeshalb stabilisierende Angebote, indenen sie ihre fachlichen Kompeten-zenwiederentdecken,Selbstvertrau-en entwickeln und ihre Belastbarkeitsteigern, gegebenenfalls sogar eineneue berufliche Orientierung entwi-ckeln können.

Trainingsmaßnahmen

Das Berufsförderungswerk Berlin-Brandenburg e. V. unterstützt Be-troffene bei der Stabilisierung undWiedereingliederung in das Berufs-leben. So dient eine „Erweiterte Be-rufsfindung und Arbeitserprobung“(EBA) der individuellen Abklärungvon Eignung und Belastbarkeit so-wie der beruflichen Orientierung.Darüber hinaus kann man sich mitHilfe von Trainingsmaßnahmen aufeineRückkehr inArbeit oder auch auf

eine nachfolgende Qualifizierungvorbereiten. Die Teilnehmer werdendabeipsychologischundfachärztlichbegleitet.

PsychologischeUnterstützung

Peter Kiwit konnte in einer be-ruflichen Trainingsmaßnahme desBerufsförderungswerkes wieder Si-cherheit und Selbstvertrauen entwi-ckeln. Er hat sich im Verlauf für eineanschließende einjährige kaufmän-nische Qualifizierung entschieden,um im Sport- und Fitnessbereichmehr im Hintergrund arbeiten zukönnen und den Umgang mit Kun-den auf ein für ihn passendesMaß zureduzieren. Dabei konnte er immerauf psychologische Unterstützungzurückgreifen, wenn wieder Ängs-te auftauchten. „Nach meinem Ab-schluss im Berufsförderungswerk

habe ich eine Stelle im Büro einesFitness-Studios gefunden“, berich-tet Kiwit nicht ohne Stolz, „undwennKollegenausfallen, kann ichauchmalandenGeräteneinspringen.“

WichTige TelefonnUmmeRn

BerufsförderungswerkBerlin-Brandenburg e. V.Standort Berlin

Epiphanienweg 1, 14059 Berlin 030 30399-0

[email protected] mühlenbeck

Kastanienallee 25, 16567 Mühlenbeck 033056 86-0

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Page 4: Leben mit Behinderung

W E R I S T E I G E N T L I C H B E H I N D E R T ?

Behinderung: Menschen geltenals behindert, wenn körperlicheFunktion, geistige Fähigkeit oderseelische Fähigkeit mit hoherWahrscheinlichkeit länger alssechs Monate von dem für das Le-bensalter typischen Zustand ab-weichen und die Teilhabe am Ge-sellschaftsleben beeinträchtigtist. Ab 50 Prozent Behinderungtritt Schwerbehinderung ein.

Hilfebedarf: Menschen mit Behin-derungen haben häufig einen be-sonderen Hilfe- und Betreuungs-bedarf. Wie hoch dieser letztlichausfällt, wird mit Hilfe eines mehr-schichtigen Verfahrens ermittelt.Hier geht es zum Beispiel darum,ob die Person Gefahren erkennenkann und wie gewöhnliche Alltags-situationen von ihr bewältigt wer-den können.

Grundsicherung: Es besteht einAnspruch auf Grundsicherung,wenn das 18. Lebensjahr vollen-det wurde und der Behinderte un-abhängig von der Marktlage er-werbsgemindert ist. DieLeistungen werden nach Regel-sätzen bemessen, die von denLandesregierungen festgelegtwerden. Der monatliche Regel-satz in Berlin beträgt 374 Euro.

K urz nach 15 Uhr wird es wu-selig in der hellen Wohnkü-che im Erdgeschoss. Nach

und nach trudeln die WG-Bewohnerein und beginnen ihr Wochenende.Benjamin Hilbert und BenedictKunze machen es sich als Erste aufder großen roten Ledercouch ge-mütlich. Die Anstrengung der letz-ten fünf Tage ist beiden anzuse-hen. Viele Steckdosen musstensie in der Werkstatt zusammen-schrauben. Gut, dass Mitbewohne-rin Anne Exner gemeinsam mit ei-ner Betreuerin, die ihr hilft, sich imSupermarkt zurechtzufinden, ein-gekauft hat. Ihr Trolley ist bis zumRand voll mit Bananen, Aufschnittund anderen Leckereien.

Sechs Personen, die seit Ge-burt ein unterschiedlich stark aus-geprägtes geistiges Handicaphaben, wohnen in der WG an derGörlitzer Straße zusammen, zweiFrauen, vier Männer. Sie sind zwi-schen 21 und 30 Jahren alt. Jederhat seinen eigenen Rückzugsort.Benjamin ist ein großer Formel-1-Fan. Mehrere Helme, die aussehenwie die von Rennfahrern wie Mi-chael Schumacher oder Mika Häk-kinen, sind das Schmuckstück sei-nes Zimmers – neben einerE-Gitarre, mit der er seinen Haus-genossen gelegentlich mal auf dieNerven geht. „Meistens klingt es jaganz gut, aber irgendwann mussman auch mal schlafen“, sagt Be-nedict, der eine Etage höherwohnt. Sein Hobby ist das Surfenim Internet, auf Facebook Kontakteknüpfen. Gerne verbringt er des-halb Zeit an seinem Computer.

So normal wie möglichIn einer Kreuzberger Wohngemeinschaft leben sechs junge Erwachsene mit geistigem Handicap zusammen

Wenn das Zusammenleben soläuft wie in dieser WG, ist KirstenThamm-Kabteni froh. Sie koordi-niert zehn von insgesamt 20 Wohn-gemeinschaften des Unionhilfs-werks für Menschen mitBehinderung. „Es findet eigentlichein ganz normales Leben statt. Mitdem kleinen Unterschied, dass wirdie Bewohner bei der Organisationihres Alltags unterstützen.“

Manche hier wohnen zum ers-ten Mal in einer Wohngemein-schaft, andere haben schon WG-Er-

fahrung. Anne zum Beispiel, mit 30die Älteste hier. Sie wohnte vorherin einer WG in Lichtenberg. Bene-dict, der zuvor bei seinen Eltern inRudow gewohnt hat, ist froh überdas neue Umfeld in Kreuzberg, wo„mehr Action“ ist. Das ist abernicht der einzige Grund, warum esihn hierhergezogen hat. „Ich willfrei sein, mich den Schwierigkeitendes Alltags stellen und mein Lebenselbst in den Griff bekommen.“

Dazu gehört, rechtzeitig aufzu-stehen – ohne Weckdienst der ins-

PAULUS PONIZAK

Nachmittags ist viel los in der WG. Dann wird gescherzt, gegessen und der Hausarbeit nachgegangen.

gesamt fünf Betreuer, die sich 2,6Stellen teilen und abwechselnd dieGruppe begleiten. Sie kommenerst am frühen Nachmittag.

Pierre Brandt, der sich noch umseine Wäsche kümmern muss unddeshalb nur kurz in der Wohnküchevorbeischaut, ist meist als Ersterauf den Beinen. Er arbeitet in einerKantine in Steglitz. Manchmalmuss er schon um vier Uhr aus denFedern. Die anderen haben esnicht ganz so weit und können esgemütlicher angehen. Nach dem

Arbeitstag warten dann zu Hauseverschiedene Dienste, wie in jederWG . Einer muss sich um die Spül-maschine kümmern, einer um denMüll, wieder jemand anderes kauftfür die ganze Truppe ein. So soll einmöglichst selbstständiges Lebengeführt werden – mit der notwendi-gen Unterstützung der Betreuer.

Bezahlt wird aus der Haushalts-kasse. In diese zahlen alle einenTeil aus der ihnen zustehendenGrundsicherung ein. Auch dieMiete wird durch die Sozialleistungabgedeckt. Rund 80 Euro Taschen-geld bleiben jedem im Monat –auch durch die Arbeit in den Behin-dertenwerkstätten. Für Benedictkönnte es ruhig ein bisschen mehrsein. „Es wird ja alles teurer.“

Trotz aller Selbstständigkeit,ohne Betreuer geht es in der WGnicht. Das zeigt sich vor allem je-den Donnerstag. Dann ist Team-runde. Dabei wird besprochen, waszu tun ist, welche Probleme es zulösen gilt. Die Teilnahme ist Pflicht.„Es ist wichtig, dass man sich hieraustauschen kann. Manchmal gibtes heftige Diskussionen, weil je-mand keine Lust oder eine Aufgabeeinfach vergessen hat“, sagt Be-treuerin Julia Halter. „Die meistenAuseinandersetzungen gibt esaber nicht untereinander, sondernmit uns. Wenn wir jemanden anseine Pflichten erinnern müssen.“Zu denen gehört es, die anderen zuinformieren, wenn einer abendsnoch ausgeht. Denn um 20 Uhr ma-chen die Betreuer Feierabend,dann kehrt in der Wohnküche lang-sam Ruhe ein. Benedikt Paetzholdt

4 I L E B E N M I T B E H I N D E R U N G MONTAG, 25. MÄRZ 2013 I VERLAGSBEILAGE MONTAG, 25. MÄRZ 2013 I VERLAGSBEILAGE L E B E N M I T B E H I N D E R U N G I 5

K alter Wind pfeift durch dieStraßen Berlins, in der Our-denarder Straße in Wedding

hasten die Menschen, um schnellins Warme zu kommen. Aus einemder Räume der Gesundheitsakade-mie der Charité allerdings klingt esfröhlich: „Nun will der Lenz uns grü-ßen“. Eine illustre Truppe von rund30 Männern und Frauen unter-schiedlichen Alters sitzt im Kreisund singt sich den Frühling herbei.

Die Menschen, die mit ihremGesang die Kälte zu vertreiben su-chen, sind der Aphasie-Chor Wed-ding. Aphasie ist eine erworbeneSprachstörung durch eine Schädi-gung der linken Gehirnhälfte. Ursa-chen können Krankheiten, Schlag-anfall oder Unfälle sein. In jedemFall hat der Patient Probleme mitder Artikulation. Chor und Aphasiescheinen auf den ersten Blick zweiDinge zu sein, die nicht zusammen-passen wollen.

Der Chor in Wedding beweistdas Gegenteil. Während Chorleite-rin Julia Baumeister noch versucht,

„Etwas Positives zu erleben, das ist wichtig“In Wedding singen Menschen, die eine Sprachbehinderung haben, gemeinsam in einem Chor

den Sängern den Text beizubrin-gen, singen einige von ihnen schonmunter los. „Das ist völlig in Ord-nung“, betont sie. „Manchmal istes ein Problem des Verständnis-ses, oftmals ist es aber dieses un-bedingte Wollen.“ Bedenken, eineGruppe von sprachgestörten Sän-gern zu betreuen, hatte die ge-

lernte Sängerin mit Lehrbefähi-gung nicht. „Ich habe mir schon einpaar Gedanken gemacht, wie ichden Sängern vor allem Stücke ver-mitteln kann, die sie noch nichtkennen.“ Lieder, die die Aphasikerschon vor dem Ereignis kannten,das der Auslöser war, sind nochvorhanden. Schwierig wird es mit

FOTOLIA

Liedern, die neu erlernt werden . Al-lerdings klappte das Lernen desLiedes vom Lenz schnell.

Der Chor hat sich vor andert-halb Jahren gegründet. Damals wa-ren Therapeutin Monika Samuelund Patientin Sevim Kilic in Würz-burg zu den Aphasietagen. Sie lern-ten eine Gesangsgruppe kennen.

Gemeinsam mit dem Bundesver-band Aphasiker und dem Aphasie-zentrum wurde dann auch in Berlinein Chor gegründet.

„In der Aphasie-Therapie gehtes viel um Teilhabe und um Aktivitä-ten im täglichen Leben, trotz der er-worbenen Störung“, erklärt Mo-nika Samuel. „Der Chor ist etwasWunderbares, da geht es um Kom-munikation und um Spaß. Die Pati-enten merken an so vielen Stellen,dass etwas nicht mehr geht, undhier spüren sie, dass etwas geht.“Manche sind nicht in der Lage, ih-ren Beruf auszuüben, und hier sit-zen sie und singen, und es geht al-les so leicht. „Sie einfach mal andie Hand zu nehmen und mitzuneh-men, das ist wichtig“, ergänzt Se-vim Kilic. „Einfach da zu sein, ein-fach etwas Positives zu erleben,das ist wichtig.“ Siegurd Seifert

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Page 5: Leben mit Behinderung

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Behinderung: Menschen geltenals behindert, wenn körperlicheFunktion, geistige Fähigkeit oderseelische Fähigkeit mit hoherWahrscheinlichkeit länger alssechs Monate von dem für das Le-bensalter typischen Zustand ab-weichen und die Teilhabe am Ge-sellschaftsleben beeinträchtigtist. Ab 50 Prozent Behinderungtritt Schwerbehinderung ein.

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Nachmittags ist viel los in der WG. Dann wird gescherzt, gegessen und der Hausarbeit nachgegangen.

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Arbeitstag warten dann zu Hauseverschiedene Dienste, wie in jederWG . Einer muss sich um die Spül-maschine kümmern, einer um denMüll, wieder jemand anderes kauftfür die ganze Truppe ein. So soll einmöglichst selbstständiges Lebengeführt werden – mit der notwendi-gen Unterstützung der Betreuer.

Bezahlt wird aus der Haushalts-kasse. In diese zahlen alle einenTeil aus der ihnen zustehendenGrundsicherung ein. Auch dieMiete wird durch die Sozialleistungabgedeckt. Rund 80 Euro Taschen-geld bleiben jedem im Monat –auch durch die Arbeit in den Behin-dertenwerkstätten. Für Benedictkönnte es ruhig ein bisschen mehrsein. „Es wird ja alles teurer.“

Trotz aller Selbstständigkeit,ohne Betreuer geht es in der WGnicht. Das zeigt sich vor allem je-den Donnerstag. Dann ist Team-runde. Dabei wird besprochen, waszu tun ist, welche Probleme es zulösen gilt. Die Teilnahme ist Pflicht.„Es ist wichtig, dass man sich hieraustauschen kann. Manchmal gibtes heftige Diskussionen, weil je-mand keine Lust oder eine Aufgabeeinfach vergessen hat“, sagt Be-treuerin Julia Halter. „Die meistenAuseinandersetzungen gibt esaber nicht untereinander, sondernmit uns. Wenn wir jemanden anseine Pflichten erinnern müssen.“Zu denen gehört es, die anderen zuinformieren, wenn einer abendsnoch ausgeht. Denn um 20 Uhr ma-chen die Betreuer Feierabend,dann kehrt in der Wohnküche lang-sam Ruhe ein. Benedikt Paetzholdt

4 I L E B E N M I T B E H I N D E R U N G MONTAG, 25. MÄRZ 2013 I VERLAGSBEILAGE MONTAG, 25. MÄRZ 2013 I VERLAGSBEILAGE L E B E N M I T B E H I N D E R U N G I 5

K alter Wind pfeift durch dieStraßen Berlins, in der Our-denarder Straße in Wedding

hasten die Menschen, um schnellins Warme zu kommen. Aus einemder Räume der Gesundheitsakade-mie der Charité allerdings klingt esfröhlich: „Nun will der Lenz uns grü-ßen“. Eine illustre Truppe von rund30 Männern und Frauen unter-schiedlichen Alters sitzt im Kreisund singt sich den Frühling herbei.

Die Menschen, die mit ihremGesang die Kälte zu vertreiben su-chen, sind der Aphasie-Chor Wed-ding. Aphasie ist eine erworbeneSprachstörung durch eine Schädi-gung der linken Gehirnhälfte. Ursa-chen können Krankheiten, Schlag-anfall oder Unfälle sein. In jedemFall hat der Patient Probleme mitder Artikulation. Chor und Aphasiescheinen auf den ersten Blick zweiDinge zu sein, die nicht zusammen-passen wollen.

Der Chor in Wedding beweistdas Gegenteil. Während Chorleite-rin Julia Baumeister noch versucht,

„Etwas Positives zu erleben, das ist wichtig“In Wedding singen Menschen, die eine Sprachbehinderung haben, gemeinsam in einem Chor

den Sängern den Text beizubrin-gen, singen einige von ihnen schonmunter los. „Das ist völlig in Ord-nung“, betont sie. „Manchmal istes ein Problem des Verständnis-ses, oftmals ist es aber dieses un-bedingte Wollen.“ Bedenken, eineGruppe von sprachgestörten Sän-gern zu betreuen, hatte die ge-

lernte Sängerin mit Lehrbefähi-gung nicht. „Ich habe mir schon einpaar Gedanken gemacht, wie ichden Sängern vor allem Stücke ver-mitteln kann, die sie noch nichtkennen.“ Lieder, die die Aphasikerschon vor dem Ereignis kannten,das der Auslöser war, sind nochvorhanden. Schwierig wird es mit

FOTOLIA

Liedern, die neu erlernt werden . Al-lerdings klappte das Lernen desLiedes vom Lenz schnell.

Der Chor hat sich vor andert-halb Jahren gegründet. Damals wa-ren Therapeutin Monika Samuelund Patientin Sevim Kilic in Würz-burg zu den Aphasietagen. Sie lern-ten eine Gesangsgruppe kennen.

Gemeinsam mit dem Bundesver-band Aphasiker und dem Aphasie-zentrum wurde dann auch in Berlinein Chor gegründet.

„In der Aphasie-Therapie gehtes viel um Teilhabe und um Aktivitä-ten im täglichen Leben, trotz der er-worbenen Störung“, erklärt Mo-nika Samuel. „Der Chor ist etwasWunderbares, da geht es um Kom-munikation und um Spaß. Die Pati-enten merken an so vielen Stellen,dass etwas nicht mehr geht, undhier spüren sie, dass etwas geht.“Manche sind nicht in der Lage, ih-ren Beruf auszuüben, und hier sit-zen sie und singen, und es geht al-les so leicht. „Sie einfach mal andie Hand zu nehmen und mitzuneh-men, das ist wichtig“, ergänzt Se-vim Kilic. „Einfach da zu sein, ein-fach etwas Positives zu erleben,das ist wichtig.“ Siegurd Seifert

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Page 6: Leben mit Behinderung

6 I L E B E N M I T B E H I N D E R U N G MONTAG, 25. MÄRZ 2013 I VERLAGSBEILAGE

I mmer mehr behinderte Schülerbesuchen reguläre Schulen.Wie die Bertelsmann-Stiftung

mitteilte, geht inzwischen jedervierte Schüler mit Behinderung aufeine Regelschule. Dennochkomme die schulische Inklusion,also die Einbindung von Kindernund Jugendlichen mit Handicaps,nicht schnell genug voran. Wie dieUntersuchung auch zeigt, bleibt dieZahl der Förderschüler an speziel-len Förderschulen nahezu kon-stant. Ursache dafür ist, dass dieZahl der Schüler mit Förderbedarfgestiegen ist.

Der Anteil von Förderschülernan Regelschulen schwankt je nachBundesland beträchtlich. In Bre-men (55,5 Prozent) und Schleswig-Holstein (54, 1 Prozent) besuchen

Gemeinsam in der KlasseStudie: Mehr behinderte Schüler besuchen reguläre Schulen.

Die Anzahl von Förderschülern bleibt aber fast konstantmehr als die Hälfte aller Förder-schüler eine reguläre Schule. InNiedersachsen (elf Prozent) hinge-gen wird nur jeder neunte Förder-schüler inklusiv unterrichtet. Berlinliegt im vorderen Bereich des Ran-kings. In der Hauptstadt werden47,3 Prozent der behinderten Kin-der in einer Regelschule unterrich-tet.

Behindertenverbände kritisie-ren, dass viele Bundesländer dieInklusion nicht genügend vorantrie-ben. In Nordrhein-Westfalen etwabeklagt die Landesarbeitsgemein-schaft „Gemeinsam Leben, Ge-meinsam Lernen“, dass es keineHinweise darauf gebe, „dass sichdie Landesregierung konsequentvon dem separierendem Schulsys-tem verabschieden“ wolle. (epd)

PAULUS PONIZAK

Jürgen Lindner an seinem Arbeitsplatz – er ist froh, trotz Behinderung wieder einen Job gefunden zu haben.

S eit zwei Jahren ist JürgenLindner sozusagen einneuer Mensch. Das Selbst-

bewusstsein ist zurück, ebensodie Lebensqualität. Der Grund da-für findet sich in der Kantine desEx-Rotaprint-Geländes in Wedding.Dort kann er das tun, was fastnicht mehr möglich schien: Endlichwieder normal arbeiten. Fünf Tagedie Woche backt er jetzt Kuchen,schnibbelt Gemüse, hält die Küchein Schwung. Er sagt: „Ich gehe hiervoll auf.“

Dass ihn die Arbeit in einer Kü-che, die täglich rund hundert Es-sen serviert, so erfüllt, hätte der in-zwischen 61-Jährige nie fürmöglich gehalten. Er bezeichnetsich als Hobbykoch, denn seineProfession war eigentlich eine an-dere. 25 Jahre lang arbeitete er inder Möbelbranche, betätigte sichals Tischler und als Auslieferungs-fahrer. Doch dann war plötzlichSchluss damit, weil der Körper dasnicht mehr mitmachte.

Lindner erlitt einen Bandschei-benvorfall nach dem nächsten. Bisheute sind es insgesamt vier. DieSchmerzen waren zwischenzeitlichderart unerträglich, dass es demFamilienvater sogar schwerfiel,sich um die kleinen Kinder zu küm-mern, die er mit seiner 15 Jahrejüngeren Frau zusammen hat.„Das wünscht man selbst seinemärgsten Feind nicht, so tierisch tatdas weh“, sagt er. 2008 wurde erdann arbeitslos – ohne große Per-spektiven.

Dieses Empfinden schlug sichdann auf die Psyche nieder, auchwegen der Schmerzmittel, die er

Glück in der KücheErfolgreicher Weg zurück in die Arbeitswelt – für Behinderte nicht immer einfach

einnehmen musste. Zu den körper-lichen Schmerzen gesellten sichdepressive Stimmungen. „Manfühlt sich ja schon irgendwie nutz-los.“ Die Summe seiner Beschwer-den führte schließlich dazu, dasser als behindert eingestuft wurde –zu 40 Prozent.

Trotz anhaltender Schmerzensuchte er noch mal sein Glück aufdem ersten Arbeitsmarkt – aller-dings ohne Erfolg. „Mit Dank abge-lehnt, so hieß das immer. Dashätte ich mir eigentlich sparen kön-nen“, erinnert er sich. Drei Jahrewar er quasi zum Nichtstun ver-dammt.

Dass er dann aber doch nochzurück in die Arbeitswelt rutschte,verdankt er einem Zufall, mit für ihnweitreichenden Folgen. In der Kitaseiner Kinder lernte er André Reut-

ter kennen, den Chef der Kantine.Ein Mann mit Lebenserfahrung,der unbedingt arbeiten will, passtegut in das Konzept des Unterneh-mers. „Jemand, der weiß, wie dieArbeitswelt aussieht, kannst du alsArbeitgeber gut gebrauchen. Umsobesser, wenn er dann auch noch somotiviert bei der Sache ist“, sagtReutter.

Letztendlich wurde die Zusam-menarbeit dann mit Hilfe des Inte-grationsfachdienstes (IFD) festge-zurrt. Dessen wichtigste Aufgabebesteht darin, behinderten Men-schen den Weg in den Arbeitsmarktzu ermöglichen. „Jürgen hat ge-sucht, ich habe gesucht“, sagtReutter. „So haben wir uns gefun-den.“ Dass die Rentenversiche-rung die Hälfte der Kosten für dieneue Arbeitskraft übernahm,machte Reutter die Einstellung zu-sätzlich leichter. Die Behinderunghabe ihn nicht abgeschreckt, soReutter. „Irgendwie trägt ja jederein paar Probleme mit sich herum.Die ganze Arbeitswelt besteht letzt-lich ja aus Inklusion.“

Inzwischen sind die beiden gutaufeinander eingespielt. Den Ab-lauf stört es nicht, dass JürgenLindner seinen Körper nach wie vorschonen muss. Schwere Töpfe zuhieven, ist natürlich tabu. Auchmuss er sich setzen, wenn er Brok-koli oder Rote Beete zubereitet.Umso mehr kann er sich mit Es-sensvorschlägen einbringen. Sinddie Kunden zufrieden, freut sichder Küchenhelfer. Und ganz neben-bei ist das wohltuende Medizin fürdie Seele.Benedikt Paetzholdt

I N T E G R A T I O N

Die Integrationsfachdienste(IFD) sollen die Teilhabe vonMenschen mit Behinderungenauf dem allgemeinen Arbeits-markt unterstützen.

Ihre Arbeit ist im Sozialgesetz-buch geregelt. Sie sollenschnittstellen- und leistungsträ-gerübergreifend für die Bundes-agentur für Arbeit , das Integrati-onsamt sowie für dieRehabilitationsträger tätig sein.

Startschuss für die IFD warendie 1980er- und 1990er-Jahre− als Modellprojekt. Seit 2000sind sie fest verankert.

• (Übergangs-) Wohnheime• Wohngemeinschaften sowie BEW• Kontakt- und Beratungsstellen• Beschäftigungstagesstätten• Zuverdienstwerkstatt

www.unionhilfswerk.de/behinderung

Angebote für Menschenmit BehinderungenDas UNIONHILFSWERK bietet in Berlin mit rund 2.500 Mitarbeitern zahl-reiche Beratungsangebote, Beschäftigung und Betreuung für Menschenmit Behinderungen und psychischer Erkrankung sowie Angebote derberuflichen Rehabilitation. Mit unseren stadtweiten Angeboten unterstüt-zen wir unsere Klienten nach ihren individuellen Bedürfnissen.

Wir sind für Sie da

Vielfalt, Erfahrung,Veränderung

Wir fördern die soziale undberufliche Integration behinderterund sozial benachteiligterMenschen durch Beratung,Betreuung, Beschäftigung undArbeit im Verbund von Projektenund Firmen.

Kontakt:

WIB – WeißenseerIntegrationsbetriebe GmbH

GeschäftsstelleTassostr. 1713086 Berlin

Telefon 030 - 47 99 11 0Fax 030 - 47 99 11 32

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Page 7: Leben mit Behinderung

MONTAG, 25. MÄRZ 2013 I VERLAGSBEILAGE L E B E N M I T B E H I N D E R U N G I 7

S eit dem Welt-Down-Syn-drom-Tag, der am 21. Märzstattfand, bietet die Le-

benshilfe Berlin Betroffenen undAngehörigen Hilfe an einem Ort ge-bündelt an. In der Geschäftsstellean der Heinrich-Heine-Straße 15finden nun in der dritten Etage dieLebenshilfe Bildung gGmbH, derPsychologische Dienst, die Eltern-und Familienberatung und ein trä-gerübergreifendes WohnangebotPlatz.

In Berlin gibt es nach Schätzun-gen der Lebenshilfe zwischen1500 und 2500 Menschen mitDown-Syndrom. Für Julia Sutter, dieLeiterin der neu geschaffenen Be-ratungsstelle, ist es wichtig, Bera-tung mit den Selbsthilfegedankenzu verbinden. Die Lebenshilfe istursprünglich einmal aus einerGruppe betroffener Eltern entstan-den. Obwohl die Organisation in-zwischen einer der wichtigsten Trä-ger für die Betreuung vonMenschen mit Lernschwierigkei-ten ist und zahlreiche Abteilungen

Eine Anlaufstelle für alle FragenDie Lebenshilfe richtet eine zentrale Down-Syndrom-Beratungsstelle für Betroffene und Angehörige ein

und Tochterunternehmen hat, istund bleibt die direkte Beratung undgegenseitige Hilfe wesentlicher Be-standteil des Angebots.

Seit 2009 gibt es als festen Be-standteil der Beratung ein Elternte-lefon. Drei Ehepaare und vier ein-zelne Personen stehenBetroffenen und Eltern sieben Tagein der Woche mit Rat und Tat zurSeite. Anne-Christin Plate, selbstMutter eines Kindes mit Down-Syn-drom, weiß, wie unsicher ein El-ternpaar ist, wenn es entweder vorder Geburt oder gleich danach er-fährt, dass ihr Kind behindert seinwird oder ist. Ein Gespräch mit be-troffenen Eltern kann da viel Hoff-nung geben und Sicherheit zurück-bringen. „Es hat mir gut getan,dass andere ihre Erfahrungen anmich weitergegeben haben“, sagtPlate. Sie hat deshalb das Elternte-lefon mitgegründet. In den vergan-genen Jahren beobachten die Mit-arbeiter die Tendenz, dass Paaresich bereits vor der Entbindung in-formieren und nach den Erfah-

rungen anderer Eltern erkundigen.Das Beratungszentrum in der Hein-rich-Heine-Straße erweitert dieseHilfe zur Selbsthilfe. Auch wenn Be-ratungen schon vorher angebotenwurden, die Konzentration an ei-nem Ort macht die Beratung einfa-cher. Erweist sich ein Problem alsvielschichtig, können alle relevan-ten Partner eingeladen werden. DieBeratungsstellen liegen Zimmer anZimmer, so können schnell kompe-tente Mitarbeiter aus anderenFachbereichen dazugeholt werden.Für Eltern gibt es nur noch eine An-laufstelle. Damit sich die Eltern aufdas Gespräch konzentrieren kön-nen, kümmern sich Mitarbeiterwährend des Beratungstermins ineinem extra Spiel-Zimmer um dieKinder. Siegurd Seifert

Das Elterntelefon ist werktags von20 bis 22 Uhr und am Wochenendevon 10 bis 12 Uhr unter der gebüh-renfreien Nummer 0800-741 74 10zu erreichen.THINKSTOCK

Zurück in Arbeit trotzgesundheitlicher Einschränkungen

BerufsförderungswerkBerlin-Brandenburg e.V.Epiphanienweg 114059 Berlin-CharlottenburgTelefon 030 30399-0

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BerufsförderungswerkBerlin-Brandenburg e.V.Elsenstraße 87-9612435 Berlin-TreptowTelefon 030 30399-701

BTZ | BeruflichesTrainingszentrum Berlin

Das Berufsförderungswerk Berlin-Brandenburg e.V. ist einmodernes und zukunftsorientiertes Kompetenzzentrum fürberufliche Rehabilitation und Integration. Wir qualifizierenErwachsene, die aus gesundheitlichen (körperlichen und /oderpsychischen) Gründen ihren Beruf oder ihre bisherige Tätigkeitnicht mehr ausüben können.

Schon längst garantiert rein fachliches Knowhow keinenArbeitsplatz mehr. Deshalb arbeiten wir nach einem ganzheit-lichen Ansatz, in dem Fachkompetenz, Schlüsselkompetenzenund Gesundheitskompetenz gleichwertige Bedeutung haben.Ziel dieser beruflichen Neuorientierung ist die dauerhafte Ein-gliederung in den Arbeitsmarkt.

Sie sind interessiert? Dann besuchen Sie unsere OffeneSprechstunde oder rufen Sie uns an!

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Offene Sprechstunden

Standort Berlin: montags 13 bis 15 Uhr

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Page 8: Leben mit Behinderung

8 I L E B E N M I T B E H I N D E R U N G MONTAG, 25. MÄRZ 2013 I VERLAGSBEILAGE

V on der Arbeit, über das Autobis hin zur Wohnung. In fastallen Lebensbereichen fin-

den sich Erleichterungen für Men-schen mit Behinderung. Eine Über-sicht:

Kündigungsschutz: Die Kündigungeines Schwerbehinderten bedarf inder Regel der vorherigen Zustim-mung des Integrationsamtes.

Zusatzurlaub: Schwerbehindertehaben Anspruch auf zusätzlich fünfbezahlte Urlaubstage im Jahr. Beimehr oder weniger als fünf Arbeits-tagen in der Woche erhöht bezie-hungsweise vermindert sich derZusatzurlaub entsprechend.

Belastungserprobung: Diesedient der Feststellung der gesund-heitlichen Belastbarkeit für einespätere berufliche Bildungsmaß-nahme oder Arbeitstätigkeit. Sieumfasst oft aber auch Analysen zuden intellektuellen Fähigkeiten desbehinderten Menschen und zumöglichen Einsatzmöglichkeiten.Leistungsverpflichtet sind die Un-fall- und Rentenversicherungsträ-ger sowie Krankenkassen.

Berufsfindung und Arbeitserpro-bung: Sie dienen dazu, den geeig-netsten Weg der beruflichen Ein-gliederung zu finden. Dabei geht esum die Findung und Erprobung ei-nes neuen beruflichen Umfelds.Die Maßnahmen werden meist inBerufsförderungs- und Berufsbil-dungswerken durchgeführt.

Schutz vor Kündigung und Freifahrt im BusDie Unterstützung von Menschen mit schwerer Behinderung ist staatlich festgelegt

Ausbildungsgeld: Damit fördertdie Arbeitsagentur die beruflicheEingliederung von behindertenMenschen. Es dient dem Lebens-unterhalt des Behinderten, der we-gen einer Leistung zur Teilhabe amArbeitsleben keine beziehungs-weise keine ganztägige Erwerbstä-tigkeit ausüben kann. Die Höhe be-trägt maximal 397 Euro im Monatund ist abhängig von der Art derAusbildung, von der Wohnsitua-tion, vom Alter, vom Familienstandund vom Einkommen.

Teilnahmekosten: Darunter fallenKosten, die anfallen, um sich aufeine Wiederaufnahme im Arbeits-markt vorzubereiten. Dazu zählenzum Beispiel Reisekosten, Ausga-ben für Lehrmaterialien oder Auf-wendungen für eine Übernachtung.Die Kostenübernahme muss imVorfeld mit der Agentur für Arbeitgeklärt werden.

Rundfunkgebühr: Schwerbehin-derte zahlen unter bestimmten Vor-aussetzungen keinen oder einen

THINKSTOCK

ermäßigten Beitrag. Befreiung undErmäßigung müssen bei der GEZbeantragt werden.

Öffentliche Verkehrsmittel: Behin-derte können Verkehrsmittel desöffentlichen Nah- und auch desFernverkehrs − das sind vor allemBusse, Bahnen und Züge − ver-günstigt oder kostenlos benutzen.Für den Nahverkehr gibt es ver-schiedene Wertmarken. Eine not-wendige Begleitperson fährt kos-tenlos mit.

Kraftfahrzeugsteuer: Schwerbe-hinderte können als Erleichterungim Personenverkehr auf AntragSteuervergünstigungen für ihrKraftfahrzeug bekommen. Möglichsind eine Halbierung der Steueroder eine komplette Befreiung.

Steuervorteile: Behinderte oderihre Eltern können steuerliche Ver-günstigungen beim Finanzamt er-reichen. Möglich sind zum Beispieldie Absetzung eines Pauschbe-trags bis maximal 3 700 Euro er-werbsbedingter Kinderbetreuungs-kosten oder außergewöhnlicherBelastungen wie Pflege- oder Kfz-Kosten.

Wohngeld: Das ist ein staatlicherZuschuss zu den Kosten für Wohn-raum. Dieser Zuschuss wird entwe-der als Mietzuschuss für Mieter ei-ner Wohnung oder alsLastenzuschuss für Eigentümer ei-nes Hauses oder einer Wohnunggewährt. Er ist abhängig von derZahl der Familienmitglieder, derenEinkommen und der regional unter-schiedlichen Höhe der zuschussfä-higen Miete oder Belastung.

Parkausweis: Den Parkausweis fürSchwerbehinderte bekommen Per-sonen, die selbst kein Fahrzeugführen können. Behinderte, die ihrKraftfahrzeug nicht selbst fahrenkönnen, erhalten eine Ausnahme-genehmigung. Mit dieser kann dersie befördernde Kraftfahrzeugfüh-rer die geltenden Parkerleichterun-gen nutzen. (pae.)

Z ur dritten Ausgabe der Spe-cial Olympics der Leichtath-letik im Land Brandenburg

lädt der SC Potsdam am Freitag,14. Juni, ein. Mehr als 250 Athle-ten mit geistiger oder mehrfacherBehinderung werden an den Wett-kämpfen teilnehmen und sich imStadion am Luftschiffhafen mitein-ander messen. Auch wird es einengroßen Mitmachparcour geben.Dieser wird nicht nur die Geschick-lichkeit von jedem Teilnehmer for-dern, sondern auch das Bemühen,persönliche Grenzen zu überwin-den. Special Olympics wurden1968 von der Schwester John F.Kennedys ins Leben gerufen, umMenschen mit geistiger Behinde-rung die Teilnahme an sportlichenWettbewerben zu ermöglichen.

Kräftemessenin Potsdam

3. Special Olympics im Juni

M it Hilfe einer neuen An-wendung für mobile End-geräte können sich Ge-

hörlose im Fall einesKrankenhausaufenthalts zukünftigverständlich machen. Die „iSignIT-App“, entwickelt vom Peter-L.-Rei-chertz-Institut für Medizinische In-formatik in Braunschweig,ermöglicht es, mit mehr als 800medizinischen Phrasen eine Basis-kommunikation zwischen gehörlo-sen Patienten und dem medizini-schen Personal zu führen. Anhandvon einfachen Fragen und Antwor-ten kann sich auf diese Weise einschwerhöriger oder gehörloser Pa-tient mit Arzt oder Pflegekraft ver-ständigen. Die ausgewählten Aus-sagen werden mittels Videos inGebärdensprache übersetzt.

Den Arztverstehen

App für Gehörlose