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Lernen aus Fehlern

Wie man aus Schaden klug wird

Elke M. Schüttelkopf

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InhaltWas Fehler bedeuten 5J Wenn Fehler in Katastrophen münden 6J Fehler: eine Frage der Definition 10J Wer die Schuld trägt 16J Was eine gute Fehlerkultur auszeichnet 18J Wie man aus Schaden klug wird 23

Wenn ein Fehler passiert 29J Warum wir Fehler gerne verschweigen 30J Was Fehler kosten 33J Warum Fehlermeldungen wichtig sind 39J Wie Führungskräfte ihren nrger bewältigen 48J Guter Umgang mit schlechten Nachrichten 53

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Fehler ansprechen 59J Klein, aber oho: Fehler im Arbeitsalltag 60J Warum Vorwürfe scheitern 64J Wie Wünsche weiterhelfen 68J Warum es ohne Konsequenz nicht geht 71J Wenn die Hierarchie eine Rolle spielt 77J Wie Sie Vorwürfe anderer entschärfen 85J Wenn schwere Fehler auftreten 89

Fehler bewältigen 99J Ursachen statt Symptome bekämpfen 100J Wie Sie Fehler systematisch bearbeiten 106J Wie Sie im Team aus Fehlern lernen 113J Ihr Aufbruch in eine neue Fehlerkultur 119

J Stichwortverzeichnis 123

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VorwortFehler passieren. Sie sind ein Teil unseres Alltags – undtrotzdem bringen sie uns immer wieder schnell aus demGleichgewicht. Eigene Fehler sind uns oft peinlich; manchmalärgern sie uns über Jahre. Auch den Missgeschicken andererbegegnen wir meist mit wenig Verständnis. Schnell gehen dieEmotionen hoch, werden Schuldige gesucht und Vorwürfegemacht.

Es gibt viele Möglichkeiten, auf Fehler zu reagieren. Nurwenige von ihnen sind geeignet, Fehler nachhaltig abzustellenund für die Zukunft zu vermeiden. Nur dort, wo ruhig undsachlich mit Fehlern umgegangen wird, können alle Betei-ligten aus dem Schaden, der entstanden ist, klug werden. Nurin einer positiven Fehlerkultur können alle Beteiligten ausFehlern lernen.

In diesem TaschenGuide erfahren Sie, wie Sie die Basis füreinen guten Umgang mit eigenen und fremden Fehlern schaf-fen. Er zeigt, wie Sie und Ihre Liebsten, aber auch Ihre Team-mitglieder und Führungskräfte Fehler besser verstehen undhandhaben können, wie Sie gemeinsam Arbeitsfehler undFehlverhalten nachhaltig abstellen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Lernen aus Fehlern!

Elke M. Schüttelkopf

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Was Fehler bedeuten

Fehler sind ärgerlich. Sie machen Stress und Mühe. Niemandbraucht sie. Doch eines ist gewiss: Sie treten trotzdem auf.Darum lohnt es sich, umzudenken und das Beste aus ihnen zumachen.

In diesem Kapitel erfahren Sie,

J warum eine falsche Fehlerkultur katastrophal sein kann,J warum Fehler eine Frage der Definition sind,J was ein konstruktiver Umgang mit Fehlern bringt,J wie man aus Schaden klug wird.

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Wenn Fehler in KatastrophenmündenFehler passieren. Wir sind beim Laufenlernen gestolpert undhaben uns die Knie blutig geschlagen. Wir haben beim Spielenso manche Vase in Scherben geschossen. Wir haben in derSchule die eine oder andere Schularbeit vermasselt. Doch wasmacht das schon? Fehler zu machen ist schließlich mensch-lich. Wir haben das Gehen gelernt, sind trotz des einen oderanderen Ausrutschers zu verantwortungsvollen Erwachsenenherangereift und haben trotz schlechter Noten Karriere ge-macht.

Doch Fehler ist nicht gleich Fehler. Das Fehler Machen alsmenschlich anzusehen und es dabei bewenden zu lassen,kann gefährlich werden. Daher lohnt es sich, den Blick zuschärfen und zu erkennen: Es gibt kleine und große Fehler, esgibt billige und teure Fehler, folgenlose und folgenschwereFehler.

Beispiel

Ü Am Freitag, den 13. Januar 2012, lief das Kreuzfahrtschiff CostaConcordia gegen 19 Uhr aus dem Hafen Civitavecchia aus. DieRoute durch das westliche Mittelmeer führte an diesem Abend ander Insel Giglio vorbei, für die ein Aufsehen erregendes Manövereingeleitet wurde: Die Costa Concordia sollte sich vor der Insel„verneigen“, von der Schifffahrtsroute abweichen und somit vollerBeleuchtung und unter Einsatz der Schiffshörner in unmittelbarerKüstennähe für ein ganz besonderes Spektakel sorgen.

Der weitere Verlauf ist aus den Medien bekannt. Die meisten der3.200 Passagiere saßen gerade beim Abendessen, als das Schiffum 21:45 Uhr mit einem Felsen kollidierte. Nur 95 Meter von der

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Küstenlinie entfernt, schrammte der Luxusliner in 8 Meter Tiefeein Riff, das ein 70 m langes Leck in den Schiffsrumpf riss. Binnenweniger Minuten war der Großteil des Rumpfes geflutet, dieStromversorgung und die Antriebsmaschinen fielen aus, dasRuder war blockiert. Manövrierunfähig trieb das Schiff über dasMeer, drehte sich um die eigene Achse und wurde dann von Windund Wellen wieder in Richtung Küste geschoben. Nach mehr alseiner Seemeile Irrfahrt lief das Schiff erneut auf Grund. In tiefer„Verneigung“ kam es in der Nähe des Küstenortes Porto Giglioauf einem Felsen zum Liegen.

Trotz der niedrigen Wassertemperaturen sprangen viele Passa-giere über Bord, um an Land zu schwimmen. Die meisten der4.229 Menschen (davon etwa 1.000 Besatzungsmitglieder) konn-ten mit den Rettungsbooten, den zu Hilfe eilenden Schiffen undFähren sowie den Hubschraubern gerettet werden. 32 Menschenjedoch verloren bei diesem waghalsigen Manöver ihr Leben.

Fehlannahmen rund um Fehler

Irrtum Nr. 1: Pech gehabt!Beispiel

Ü Als bei der Schiffstaufe der Costa Concordia das Topmodel EvaHerzigovv im Sommer 2006 die Champagnerflasche auf denLuxuskreuzer knallen ließ, passierte ... gar nichts. Die Flascheblieb ganz. Ein gewaltiger Schreck durchfuhr die anwesendenSeeleute: ein schlechtes Omen! Und dann war es ausgerechnetFreitag, der 13., an dem die Costa Concordia auf Grund lief. DieReederei sprach gleich von einer „bestürzenden Tragödie“.

Wie so oft, war es auch im Fall des Kreuzfahrtschiffes nichtdas Schicksal, das seinen unerbittlichen Lauf nahm. Vielmehrhandelte es sich um eine Reihe von Fehlern, die Menschenpassiert sind bzw. von ihnen gemacht wurden.

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Fehler werden nicht vom Schicksal gesteuert. Im Gegenteil:Menschen besitzen die Fähigkeit, Fehler zu steuern. Sie könnenFehler reduzieren bzw. sogar verhindern, sie können auch denFehlerverlauf beeinflussen und die Fehlerfolgen eindämmen.Dass die Costa Concordia auf das Riff auflief, hätte verhindertwerden können. Dass aufgrund der Kollision 32 Menschen ihrLeben verloren haben, wäre auf jeden Fall vermeidbar gewesen.

Die wahre Tragödie besteht hier und in vielen weiteren Fällendarin, dass ein vermeidbarer Fehler passiert ist und dass falschmit ihm umgegangen wurde.

Irrtum Nr. 2: Schuldige müssen gesucht undbestraft werdenBeispiel

Ü Der Weltöffentlichkeit wurde schnell der Schuldige des Schiffs-unglücks präsentiert: Kapitän Francesco Schettino. Er wurdenicht nur wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung und Herbeifüh-rung eines Schiffsbruchs angeklagt, über ihn ergoss sich auch derSpott und Hohn der Medien.

Bei der Devise „Ein Kapitän verlässt als Letzter das sinkendeSchiff“, handelt es sich nicht nur um einen Ehrenkodex in derSchifffahrt; sie ist auch im Codice della navigazione, dem italie-nischen Schifffahrtsgesetz, verankert. Schettino hingegen warschon bald nach Beginn der Evakuierung „in ein Rettungsbootgefallen“ und ließ sich trotz wiederholter Anordnungen nichtmehr an Bord sehen.

Auch wenn die Gerichte ihre Tätigkeit erst nach langen Recher-chen aufgenommen haben, hat die Weltöffentlichkeit bereitskurz nach dem Unglück ein Urteil gefällt: schuldig! Der Kapitänhat den falschen Kurs gefahren. Er hat sich aus der Verantwor-tung gestohlen. Er hat das ihm anvertraute Schiff und diePassagiere ihrem Schicksal überlassen!

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Wenn mitten im Mediensturm Schuldige unter Hausarrestgesetzt bzw. verhaftet werden, atmet die Weltöffentlichkeitauf: Da geschieht Recht – da wird gehandelt – Strafe undSühne! Doch das ist ein folgenschwerer Irrtum. In Wirklichkeitwerden lediglich die Prinzipien der Medien bedient; es wirdpersonalisiert und emotionalisiert, aber dem Problem nichtauf den Grund gegangen. Schuldige werden gesucht, jedochnicht die Ursachen für den Fehler. Es wird nur das Symptombekämpft, aber nicht das Problem gelöst.

Das Aufschaukeln von Emotionen, das Vorführen von „Schul-digen“ bringt die Kasse der Medienkonzerne zum Klingeln. Fürdie Fehlerbearbeitung hingegen ist so ein Umgang mit Fehlernkontraproduktiv. Wenn Köpfe rollen, täuscht das zumeist nurdarüber hinweg, dass sonst alles beim Alten bleibt.

Irrtum Nr. 3: Fehlerverläufe sind schicksalhaft!Beispiel

Ü Der erste große Fehler wurde sichtbar, als das Kreuzfahrtschiffden Felsen rammte. Schwer beschädigt und manövrierunfähigtrieb das Riesenschiff nach der Kollision aufs offene Meer hinaus.Doch was passierte dann? Welche Maßnahmen ergriff man anBord?

Man vertuschte den Fehler. Gegen 21:54 Uhr informierte dieSchiffsführung die Reisenden lediglich über ein Problem mit derStromversorgung. Kurz nach 22 Uhr wurde die Küstenwachebeschwichtigt. Erst eine Dreiviertelstunde nach der Havariewurde auf der Costa Concordia das Signal zur Evakuierunggegeben – viel zu spät. Das Schiff befand sich nun in starkerSeitenlage, die Gänge waren überflutet und größtenteils unpas-sierbar. Die Besatzung erwies sich bei den Rettungsmaßnahmenals unkoordiniert und unzureichend ausgebildet. Sowohl der

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Kapitän als auch einige der Offiziere entzogen sich ihrer Verant-wortung und flüchteten vom Schiff.

Aus vielen Fehlern sowie einem haarsträubend negativen Um-gang mit ihnen hat sich eine Katastrophe entwickelt. Die Scha-densbilanz: 32 Menschen haben ihr Leben verloren, viele Über-lebende sind traumatisiert. Das ca. 400 Mio. Euro teureKreuzfahrtschiff ist nun ein Wrack. Weitere 500 Mio. Euro wer-den für die Bergung benötigt. In den USA bringen AnwälteSammelklagen in Rekordhöhe ein. Bis zum Abschluss der Straf-verfahren und Schadenersatzprozesse werden noch unzähligenegative Medienberichte das Image der Reederei belasten.

Das Beispiel zeigt: Fehler können gravierende Folgen nachsich ziehen. Der fatale Verlauf ist nicht etwa dem Schicksalgeschuldet, er ist das Resultat eines überaus destruktivenUmgangs mit dem Fehler.

Fehler können einerseits im Vorfeld erahnt und gemindertbzw. verhindert werden. Sie können aber auch nach ihremAuftreten schnell erkannt und gebannt werden. Vorausset-zung hierfür ist ein guter Umgang mit Fehlern. Nur so kannder Schaden gering gehalten werden.

Fehler: eine Frage der DefinitionWenn wir im Fall der Costa Concordia alle Fehler sammeln,die letztlich zur Katastrophe geführt haben, können wir langeListen füllen: schlechte Seekarten an Bord, in denen die Felsennicht verzeichnet waren, individuelles und kollektives Igno-rieren von Risiken, Akzeptanz von Pflichtverletzungen, Wer-beaktionen auf Kosten der Sicherheit, eine Abweichung vonder Schifffahrtsroute, zu hohe Geschwindigkeit bei kritischen

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Manövern, nicht-zutrittsberechtigte Personen auf der Brücke,ein Kapitän, der sich seiner heimlichen Geliebten statt seinenAufgaben widmet, persönliche Eitelkeiten, ein Sprachwirrwarrunter der Belegschaft, unzureichendes Sicherheitstraining derCrew, verspätete Evakuierung, Fehlerverheimlichung und-vertuschung, unterlassene Hilfeleistung, vorzeitiges Verlas-sen des Schiffes, keine Übernahme von Verantwortung undvieles mehr. Aber handelt es sich bei diesem bunten Durch-einander jeweils wirklich um Fehler? Was ist überhaupt einFehler?

Fehler als ZielverfehlungDas Wort Fehler leitet sich vom altfranzösischen „faillier“ ab,das „verfehlen“ bzw. „sich irren“ bedeutet. Verbreitet wurdeder Begriff über das Militär: Kanonenkugeln landeten entwe-der als Treffer oder wurden als Fehlschuss bezeichnet. Sieverfehlten ihr Ziel. Diese Bedeutung hat sich über die Jahr-hunderte beibehalten. Auch heute noch erleben wir als Fehler,was das Ziel bzw. das Richtige und Erstrebenswerte verfehlt.

Die StandarddefinitionIm Zuge mehrerer Qualitätsmanagement-Offensiven in denletzten Jahrzehnten rückte der Fehler in den Mittelpunkt derBetrachtungen. Unternehmen setzten sich zum Ziel, wenigerFehler zu machen, weniger Ausschuss zu produzieren und einehöhere Produktqualität zu gewährleisten. Normen wurdenentwickelt, Prozesse definiert und Qualitätsstandards fest-geschrieben. Die ISO 9000 hält fest: Ein Fehler ist ein „non-

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fulfillment of a requirement“. Auf Deutsch lautet der interna-tionale und branchenübergreifende Standard für die Fehler-definition: Ein Fehler ist die „Nichterfüllung einer Anforde-rung“ (ISO 9000).

Wird die Anforderung nicht erfüllt, wird das Ziel nicht er-reicht. Es handelt sich folglich um eine „Verfehlung“, umeinen Fehler.

Unterschiedliche FehlerartenAnforderungen beziehen sich auf unterschiedliche Aspekte.

J Auf das Ergebnis: Erfüllt das Ergebnis alle Anforderungen,wird Qualität gewährleistet. Erfüllt es eine bestimmteAnforderung nicht, handelt es sich dabei um einen Pro-duktfehler. Sie können nicht nur in Industrie und Handwerkauftreten, sondern auch in administrativen Bereichen bzw.im Dienstleistungssektor.

J Auf das Vorgehen: Entspricht das Vorgehen den Anforde-rungen, ist es gut und richtig, anderenfalls handelt es sichum einen Prozessfehler. Sie sind Arbeitsschritte und Me-thoden, die von der richtigen Durchführung bei der Erstel-lung von Produkten und Dienstleistungen abweichen.

J Auf das Verhalten: Erfüllt das Verhalten die Erwartungen,ist es in Ordnung; weicht es davon ab, wird es als Ver-haltensfehler betrachtet. Sie sind Fehler, die im Auftretender Person, in der Kommunikation und Kooperation vor-kommen.

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Schärfen Sie Ihren Blick für unterschiedliche Fehlerarten. Fokussieren Sienicht nur Produktfehler, sondern auch Prozess- und Verhaltensfehler.Erweitern Sie dadurch Ihr Fehlerbewusstsein.

Anhand der folgenden Tabelle können Sie prüfen, wie gutIhnen die Zuordnung von Produkt-, Prozess- und Verhaltens-fehlern gelingt. Tragen Sie für einen Produktfehler das KürzelPd, für einen Prozessfehler Pz und für einen VerhaltensfehlerV ein.

Was ist passiert? Fehlerart

1 Am Produktgehäuse befindet sich einKratzer.

2 Der Azubi spricht sehr leise und unver-ständlich.

3 Die Einkäuferin übersieht die rechtzei-tige Nachbestellung.

4 Der Verkäufer geht nicht auf die Kun-denwünsche ein.

5 Das Kontrolllämpchen leuchtet nicht.

6 Die Hände werden vor der Unter-suchung nicht desinfiziert.

7 Die Führungskraft schreit den jungenMitarbeiter an.

8 Die Präsentation enthält veraltete In-formationen.

9 Die Akten werden im falschen Ordnerabgelegt.

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Was ist passiert? Fehlerart

10 In der Betriebskantine liegen vertrock-nete Sandwiches.

11 Das ärztliche Rezept enthält keine Do-sisangaben für das Medikament.

12 Die Auskunft des Steuerberaters ent-spricht nicht der Gesetzeslage.

13 Die Laborergebnisse werden verwech-selt.

14 Das neue Programm wird vor demRoll-out nicht getestet.

Auflösung: 1 Pd, 2 V, 3 Pz, 4 Pz, 5 Pd, 6 Pz, 7 V, 8 Pd, 9 Pz,10 Pd, 11 Pd, 12 Pd, 13 Pz, 14 Pz

Wenn Falsch und Richtig unklar sindAnforderungen sind nicht immer so klar, wie sie sein sollten.In der Industrie sind sie meist detailliert für Produkte undProzesse definiert, in der Verwaltung nur rudimentär. ImVerhalten hingegen stehen viele Anforderungen oft nur alsunausgesprochene Erwartungen im Raum. Aber auch wenn sieunausgesprochen bleiben, bilden sie eine Messlatte, die Be-wertung erfolgt dennoch. Wenn das Verhalten unseren Vor-stellungen entspricht, klassifizieren wir es als richtig, ande-renfalls betrachten wir es als Fehlverhalten.

Um Klarheit und Orientierung für alle handelnden Personen zuschaffen, werden Anforderungen oftmals in Normen definiert,

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über Standards festgehalten und in Prozessen festgelegt.Dennoch ist häufig unklar, was richtig ist und was falsch.Was ein Fehler ist und was nicht, wird von verschiedenenPersonen oft unterschiedlich bewertet.

Beispiel

Ü Die beiden Software-Spezialisten Harry und Chris sitzen spät-nachts am PC und wollen zum Abschluss noch schnell eineBahnfahrt buchen. Ein Meeting in einer entfernten Niederlassungihres Hauptkunden steht an. Dabei entzündet sich ein Streit.Harry will Bahntickets für die 2. Klasse. Chris wendet ein: „Abersieh doch mal. Hier gibt es eine Aktion mit einem Erste-Klasse-Ticket zum halben Preis. Statt 207 Euro in der 2. Klasse kostet dasnur 129 Euro!“ Harry: „Aber das können wir nicht machen. Dukennst ja die Vorgaben des Kunden: Nur Zweite-Klasse-Tickets!“Chris beharrt jedoch auf dem Aktions-Ticket: „Aber du siehstdoch, das ist billiger!“ Harry schüttelt vehement den Kopf: „Dasdürfen wir nicht machen, das ist falsch. Wir müssen uns an dieReise-Richtlinien halten.“ „Nein, das siehst du falsch!“, wirftChris ein: „Das Erste-Klasse-Ticket ist doch viel billiger. Es wäreein Fehler, die teurere Fahrkarte zu kaufen!“ Überzeugt, richtig zuhandeln, kauft sich jeder ein Ticket: Harry für die 2. und Chris fürdie 1. Klasse.

Doch was ist nun ein Fehler? Handelt es sich um einen Fehler,wenn man die Reise-Richtlinien verletzt? Oder handelt es sichum einen Fehler, wenn man regelkonform das teurere Ticketkauft?

Auch hier empfiehlt sich ein Blick auf die Anforderungen. DieReise-Richtlinie ist eine klare Anforderung. Sie wurde erstellt,um allen Beteiligten Klarheit über das richtige Vorgehen beiGeschäftsreisen zu verschaffen. Von daher ist regelkonformesVerhalten auf jeden Fall richtig, zumindest auf den ersten

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Blick. Doch was steckt hinter der Richtlinie? Weshalb wurdesie etabliert? Was ist das eigentliche Ziel? Hat also jemand,der die Reise-Richtlinie nicht einhält, sondern auf Kosten-einsparung achtet, das Ziel nicht besser getroffen und daherrichtiger gehandelt?

Wir alle tun unser Bestes. Nach unserer Logik handeln wirrichtig. Doch das heißt nicht, dass es andere auch so sehen,dass sie es aus ihrem Blickwinkel heraus auch als richtigbeurteilen. Um Fehler zu vermeiden, ist es daher notwendig,Anforderungen, die nicht eindeutig festgelegt sind, zu klären.

Klären Sie die Anforderungen. Beachten Sie dabei, dass Sie nicht nur dieausgesprochenen, sondern auch die unausgesprochenen Anforderungenerkennen. Nur dann haben Sie die Möglichkeit, richtig zu handeln, dasRichtige zu machen.

Wer die Schuld trägtDie Frage, was ein Fehler ist und was nicht, dürfte dieMenschheit schon seit Jahrtausenden beschäftigen, ebensowie die Frage nach Gut und Böse, Recht und Unrecht.

Der griechische Philosoph Aristoteles hat vor mehr als2.000 Jahren bewusst zwischen den Begriffen Fehler undböser Tat unterschieden. Ein Fehler beruht seiner Ansichtnach nicht auf einer schlechten Absicht, eine böse Tat da-gegen sehr wohl. Er stellt damit die Intention in den Mittel-punkt. Beim Fehler fehlt die schlechte Absicht. Aus dieserDifferenzierung können wir folgende Schlussfolgerungen ab-leiten:

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J Ein Fehler passiert. Ein Fehler ist häufig ein Vorfall, dereinem passiert, der einem unterläuft. Ein Fehler ist daheroft ein Versehen, eine Fehlleistung.

J Ein Fehler wird gemacht. Ein Fehler ist mitunter auch eineHandlung, die man bewusst setzt, doch ohne deren nega-tive Folgen zu beabsichtigen und im Glauben, es gut undrichtig zu machen. Man handelt aufgrund eines Irrtums,einer Fehleinschätzung oder einer falschen Sichtweise,ohne darin einen Fehler zu erkennen.

J Eine böse Tat wird verschuldet. Eine böse Tat beruht aufeiner schlechten Absicht. Man will den Schaden oder nimmtihn zumindest billigend in Kauf und handelt daher vorsätz-lich oder mit bedingtem Vorsatz und daher schuldhaft.

Wichtig für einen konstruktiven Umgang mit Fehlern ist dahereine klare Unterscheidung zwischen Fehlern, die passierenoder in vermeintlich guter Absicht gemacht werden, undbösen Taten andererseits.

Beispiel

Ü Nicole arbeitet im öffentlichen Dienst. Ihre Aufgabe ist es, dieAkten ihrer Kolleginnen zu überprüfen, Bearbeitungs- und Be-rechnungsfehler zu erkennen und die umgehende Korrektur zuveranlassen. Hierbei stößt sie auf gravierenden Widerstand.Wann immer sie ein Büro betritt, versteinern die Sachbearbeite-rinnen. Nichtsdestotrotz bleibt sie ihrer Linie treu. Schonungsloslegt sie dann los: „Du hast an diesem Fehler da Schuld!“ Dabeifuchtelt sie mit ihrem Zeigefinger mal zu den Frauen, mal auf dieAkte. Binnen weniger Sekunden explodiert die Stimmung. DieSachbearbeiterinnen wehren sich gegen die Behauptung, vertei-digen ihr Vorgehen. Und wenn Nicole schon längst wieder ausdem Büro ist, dröhnt es noch immer in ihren Ohren:„Schuld...Schuld...Schuld...!“

Wer die Schuld trägt 17

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Wer im Zusammenhang mit Fehlern von Schuld spricht, ver-mischt zwei verschiedene Kategorien: Fehler und böse Tat(Straftat). Doch nur bei Vorsatz kann von Schuld gesprochenwerden. Somit enthält der häufig in Unternehmen ausgespro-chene Satz „Der Mitarbeiter ist an dem Fehler schuld“, einengravierenden Denkfehler!

Wer anderen vorwirft, einen Fehler verschuldet zu haben,begibt sich in die Rolle des Anklägers. Er unterstellt ihnenschlechte Absicht. Er macht die anderen zu Angeklagten,beschuldigt sie einer bösen Tat. Und braucht sich daher nichtzu wundern, wenn sie die Schuld abstreiten oder von sichschieben. Er macht vielmehr selbst einen Fehler im Umgangmit Fehlern: einen Verhaltensfehler.

Ein Fehler passiert, er wird gemacht, er wird auch verursacht oder esunterläuft einem ein Fehler. Aber er wird nicht verschuldet. Nur eine böseTat wird verschuldet, nur sie wird vorsätzlich bzw. bedingt vorsätzlichbegangen.

Was eine gute FehlerkulturauszeichnetIm Amerikanischen gibt es einen Begriff, für den wir keindeutsches nquivalent haben: Blame Culture. Darunter ver-steht man eine „Kultur“, in der Fehler als Blamage erlebtwerden, in der Fehlerverursacher blamiert und bloßgestelltwerden, in der man mit dem Finger auf Fehlerverursacherzeigt, sie im schlechten Licht dastehen lässt, schlecht über sieredet etc. Eine Blame Culture ist daher der Inbegriff für einen

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schlechten Umgang mit Fehlern und Fehlerverursachern, eineschlechte bzw. negative Fehlerkultur. Doch wenn wir auchkeinen deutschen Begriff dafür haben, dieses destruktiveVerhalten gibt es auch bei uns. Aus diesem Grund lohnt es,sich die problematischen Aspekte der Blame Culture sowie dieCharakteristika für einen guten Umgang mit Fehlern vorAugen zu führen.

Von der Blame Culture zu einer positivenFehlerkulturEine gute und konstruktive Fehlerkultur bekommt man nichtgeschenkt. Sie ist vielmehr ein Ergebnis, das auf einer res-pektvollen und wertschätzenden Haltung anderen gegenübersowie einem konstruktiven und kooperativen Verhalten ba-siert. Vier Aspekte sind dabei besonders wichtig.

Faktor Nr. 1: Ursachen statt Schuldige suchenIn einer positiven Fehlerkultur wird nicht nach Schuldigengesucht, sondern nach Ursachen. Dafür ist ein Blickwechselerforderlich. Statt Personen zu fokussieren, sieht man auf dieSache.

Schuldigensuche UrsachensucheJ Wer hat das gemacht?J Wer hat das verschuldet?J Wer hat das verbockt?

J Wie ist das passiert?J Was alles hat zum Fehler ge-

führt?J Was sind die Ursachen?

Was eine gute Fehlerkultur ausze ichnet 19

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Faktor Nr. 2: auf Verbesserung statt StrafeabzielenIn einer konstruktiven Fehlerkultur geht es nicht um Bestra-fung. Man schwingt sich nicht zum Richter auf, der Urteileüber Schuldige verhängt. Man verlangt nicht nach Strafen,sondern Verbesserungen. Der Fokus verschiebt sich von derBuße zur Lösung.

Bestrafung VerbesserungJ Das wird dir noch leidtun!J Das wird Folgen haben!J Das gibt eine Abmahnung!

J Was können wir besser ma-chen?

J Wie können wir den Fehlerabstellen?

J Wie können wir eine Fehler-wiederholung verhindern?

Faktor Nr. 3: ruhig und sachlich statt emotionalreagierenIn einer guten Fehlerkultur wird Fehlern nicht mit negativenEmotionen begegnet. Wutausbrüche, Schreien und Vorwürfeerweisen sich als kontraproduktiv. Daher achtet man aufeinen ruhigen und sachlichen Umgangston und klärt dieProbleme auf der Sachebene.

Negative Emotion Sachliches VorgehenJ Hast du Tomaten auf den

Augen?!J Sie bringen mich auf die

Palme!J Sie haben eine Sch...-Arbeit

abgeliefert.

J Da ist ein Fehler passiert.J Das Verhalten entspricht

nicht den Anforderungen.J Die Arbeit enthält folgende

Mängel: ...

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Faktor Nr. 4: vom Gegeneinander zumMiteinanderEine konstruktive Fehlerkultur zeichnet sich durch einen res-pektvollen Umgang mit anderen aus – auch wenn ihnen einFehler passiert ist. Man begegnet ihnen auf Augenhöhe, zeigtVerständnis, dass Fehler passieren können und drückt Zuver-sicht aus, dass man gemeinsam daraus lernt.

Gegeneinander MiteinanderJ Du Vollidiot!J Sie haben versagt!J Jetzt sollten Sie sich

schleunigst eine Lösungüberlegen!

J Das ist mir auch schon malpassiert!

J Ich bin mir sicher, dass Siedaraus lernen.

J Wir finden sicher eine guteLösung!

Regeln für eine positive FehlerkulturSuchen Sie nicht Schuldige und gehen Sie nicht auf diepersönliche Ebene, sondern forschen Sie nach den Ursachen.

J Verzichten Sie auf Sündenböcke, lassen Sie Schuld undSühne sein, gehen Sie lösungsorientiert vor und suchenSie gemeinsam nach Verbesserungen.

J Vermeiden Sie Blamage und Gesichtsverlust; achten Sievielmehr auf eine gute Kooperation und ein konstruktivesgemeinsames Vorgehen.

J Lassen Sie Ihren nrger nicht an anderen aus, verzichten Sieauf Kopfwäsche, zeigen Sie vielmehr Verständnis, dassFehler passieren; vermitteln Sie Unterstützung und Zuver-sicht.

Was eine gute Fehlerkultur ausze ichnet 21