leseprobe des buches "der teufel. die macht des bösen" von ute leimgruber

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Wer oder was ist der Teufel? Der gehörnte Satan in Person oder doch eher ein Symbol für das Böse an sich, das sowohl Furcht als auch Faszination auslöst? Eines ist gewiss: Das Böse ist etwas, mit dem sich jeder Mensch auseinandersetzen muss.

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Ute Leimgruber

Der TeufelDie Macht des Bösen

Butzon & Bercker

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Bibliografische Information der DeutschenNationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diesePublikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internetüber http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Gesamtprogrammvon Butzon & Berckerfinden Sie im Internetunter www.bube.de

ISBN 978-3-7666-1358-5E-BOOK ISBN 978-3-7666-4123-6EPUB ISBN 978-3-7666-4124-3

© 2010 Butzon & Bercker GmbH, 47623 Kevelaer, Deutschland,www.bube.dewww.religioeses-sachbuch.deAlle Rechte vorbehalten.Umschlaggestaltung: Christoph Kemkes, GeldernSatz: Schröder Media GbR, DernbachDruck: Bercker Graphischer Betrieb, Kevelaer

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Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

I. Die Wiederverzauberung der Welt –Der Teufel in der Gesellschaft . . . . . . . . 13

1. Kirche und Gesellschaft – EineRenaissance des Teufels? . . . . . . . . . . . . 13

2. Okkultismus, Satanismus – DestruktiveOpposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

II. Lichtträger und Satanssturz –Der Teufel in der Bibel . . . . . . . . . . . . . . 25

1. Jahwe und das Böse im Alten Testament 252. Die Apokalyptik der Zeitenwende . . . . 303. Jesus, der Teufel und das Geheimnis des

Bösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

III. Hexen und Satansglaube –Der Teufel in der (Kirchen-)Geschichte 43

1. Das frühe Christentum . . . . . . . . . . . . . 44a) Die Apostolischen Väter . . . . . . . . . . . . 44b) Die Apologeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46c) Augustinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

2. Die mittelalterliche Scholastik . . . . . . . . 60a) Anselm von Canterbury . . . . . . . . . . . . 60b) Thomas von Aquin . . . . . . . . . . . . . . . 65

3. Die Tradition im Lehramt: Das VierteLaterankonzil (1215) . . . . . . . . . . . . . . . 71

4. Hexenwahn und Hexenverfolgung . . . . 77

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IV. Der Teufel und das Volk –Volksglaube und Kunst . . . . . . . . . . . . . . 85

1. Der Teufel im Volksglauben . . . . . . . . . . 852. Teufelsbilder in der Kunst . . . . . . . . . . . 93

V. Martin Luther und der Teufel . . . . . . . . 101

VI. Weiche, Satan –Exorzismus und Teufelsaustreibungen . 109

1. Exorzismen in der Geschichte . . . . . . . . 109a) Taufexorzismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110b) Sachbeschwörungen . . . . . . . . . . . . . . . 112c) Exorzismen über Besessene . . . . . . . . . . 114

2. Tod und Teufel – Der Fall Klingenberg . 1193. Auf Teufel komm raus – Der neue

Exorzismus aus dem Jahr 1999 . . . . . . . . 123

VII. Was sagt die Kirche?Der Teufel in kirchlichen Texten . . . . . . 129

1. Lehramt: Katechismen . . . . . . . . . . . . . . 129a) Katholischer Erwachsenen-Katechismus

(KEK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130b) Katechismus der Katholischen Kirche

(KKK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1352. Liturgie: Taufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

VIII. Keine Angstmacherei – Die pastoraleVerantwortung der Kirche . . . . . . . . . . . 145

1. Höllenfurcht und Fegefeuer –Die Pastoral der Angst . . . . . . . . . . . . . . 145

2. Abschied vom Teufel – Herbert Haag . . 152

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IX. Vom Bösen reden –Das Geheimnis in Worte fassen . . . . . . . 165

1. Das Böse ist und bleibt ein Geheimnis . 1662. Das Böse und die Verantwortung des

Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1693. Der Teufel als Person? . . . . . . . . . . . . . . 1794. Die Bedeutung des Bösen: Engagement

dagegen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

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Einleitung

Das Böse geschieht. Es geschieht tagtäglich – und wirerfahren es tagtäglich. Ein Mann, der – als er anderenhelfen wollte – zu Tode geprügelt wird. Kinder, dievon den eigenen Eltern misshandelt werden. Der welt-weite Terrorismus droht mit Selbstmordattentaten.Großgrundbesitzer enteignen Kleinbauern. Staaten undihre Funktionäre zerstören die Lebensgrundlagen zahl-loser Zivilisten. Es könnten noch viele Beispiele ge-nannt werden.

Das Böse ist nicht irgendein abstraktes Konzept,sondern es ist greifbar, es ist real. Und gerade dieserealen Erfahrungen sind es, die die Menschen dazu be-wegt haben, die Frage nach dem Woher des Bösen zustellen, die Frage nach dem Warum. In all den alsschlimm, leidvoll, unterdrückend, zerstörerisch – kurz:als böse wahrgenommenen Erfahrungen taucht irgend-wann die Frage nach dem Sinn auf. Die Sinnfrage istaufs Engste mit den Vorstellungen vom Bösen verbun-den. Denn sie zeigt den Verständnishorizont auf, inner-halb dessen sich unterschiedliche Gesellschaften mitder menschlichen Kontingenz, mit der Unheimlichkeitdes Bösen auseinandergesetzt haben.

Das Böse hat eine bedrängende Wirklichkeit, unddiese Wirklichkeit will thematisiert werden. Die Fragenach Gott und nach seiner Verantwortung für das Bösesind beinahe zwangsläufig gestellte Fragen angesichtsder menschlichen Wirklichkeit. Die christliche Tradi-

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tion überliefert uns hier die Vorstellungen um den Teu-fel. Der Teufel und die Geheimnishaftigkeit des Bösengehören untrennbar zum innersten Kern der Fragenach dem Sinn des Lebens, nach dem Sinn der gemach-ten Erfahrungen. Die existenzielle Angefochtenheit desMenschen durch das erfahrene Böse ist das Bindegliedzu den vielfältigen Überlieferungen, in deren Mittel-punkt die Figur des Teufels steht. Die Rede vom Teufelhat eine lange Tradition, und sie hat eine erstaunlicheEntwicklung durchlaufen. Neben dem Christentum –das hier im Buch im Mittelpunkt stehen wird – findensich Teufelsvorstellungen nur in wenigen religiösenVorstellungen. Wenn auch viele Religionen Dämonenzu ihrem Personal zählen und fast alle Weltanschauun-gen das Thema des Bösen problematisieren, so gehörtder personalisierte Teufel neben dem Christentum nurim Zoroastrismus (oder Mazdaismus), in der antikenhebräischen Religion (nicht im modernen Judentum)und im Islam1 zu den Inhalten religiöser Überliefe-rung.

Der Begriff Teufel stammt wie auch der englischedevil und der spanische diablo vom griechischen dia-bolos ab. Diabolos bedeutet ursprünglich Verleumder,Meineidiger oder Gegner vor Gericht. In der griechi-schen Übersetzung des Alten Testaments (2./3. Jh. v.Chr.) wurde der Begriff diabolos zum ersten Mal ver-wendet, um das hebräische Wort Satan, wörtlich: Geg-ner, Hindernis oder Widersacher, zu bezeichnen. Hierist also Der Böse zum ersten Mal als diabolos benannt.Später bekam er noch viele weitere Namen und Be-zeichnungen, die häufigsten sind Satan, Luzifer oderBeelzebub – je nach Zeit und jeweiliger religiöserÜberlieferung. Die großen monotheistischen Religio-nen haben also die Vorstellung einer Figur, die für dasBöse verantwortlich zeichnet, entwickelt, um die Span-

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nung zwischen erfahrener Wirklichkeit und der Vor-stellung des einen Gottes zu bearbeiten.

Das vorliegende Buch behandelt nach einem Blickauf die gegenwärtige Gesellschaft und ihre Teufelsbil-der (Kapitel I.) diese jüdisch-christlichen Traditionenim Alten und im Neuen Testament, aber auch in derKirchengeschichte (Kapitel II.; III.). Doch nicht nurdie Bibel, die Kirchenoffiziellen oder die Theologenmachten sich Gedanken über das Böse, Teufelsbilderfinden sich im Volksglauben ebenso wie in der christli-chen Kunst (Kapitel IV.); auch für Martin Luther unddie Protestanten war das Thema von großer Wichtig-keit (Kapitel V.).

Einer der zentralen Orte der Rede vom Teufel war(und ist) der Exorzismus, bei dem vermeintlich vomTeufel besessene Menschen von eben jenem befreitwerden sollen. Was ist von dieser Tradition zu halten?Ist es nicht vielmehr reiner Aberglaube? Dies unter-sucht Kapitel VI.

Was sagt die kirchliche Lehre heute über die Lehrevom Bösen und über die Figur des Teufels? Antwortendarauf gibt das Kapitel VII. Doch die Lehre und dieRede vom Teufel wurden über Jahrhunderte hinwegskrupellos auch dazu missbraucht, den GläubigenAngst einzujagen, sie einzuschüchtern und so die Her-de gefügig zu halten. Diese Pastoral der Angst und deranschließende Abschied vom Teufel in Teilen derTheologie behandelt das Buch in Kapitel VIII.

Doch die Wirklichkeit des Bösen entzieht sich letzt-lich jeder eindeutigen Erklärung und Einordnung. Sieist eine Macht, die bedrängt und existenziell erfahrbarist, gleichwohl bleibt sie im Grunde geheimnisvoll. DieMacht des Bösen besteht im Grunde in ihrem Geheim-nischarakter – man kommt ihr auch begrifflich nichtendgültig bei. Wie nun theologisch verantwortlich vom

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Bösen gesprochen werden kann und welche Rolle derTeufelsbegriff dabei spielt, davon handelt das Kapitel IX.

Die faktische Erfahrung des Bösen ist Grundlage fürdie Rede vom Bösen. Und nur eine verantwortete Redevom Bösen vermag das existenzielle Problem des Bösenaufzufangen – jenseits von Aberglauben und Okkultis-mus, jenseits von Instrumentalisierung und Drohgebär-den, jenseits von fundamentalistischem Dualismus odereiner falsch verstandenen Theodizee. Das Problem desBösen bedarf der Versprachlichung, denn man mussdas Böse benennen, um es zu bannen.

Das vorliegende Buch will zweierlei: Es will infor-mieren über die althergebrachten Bilder des Teufelsund den Umgang mit ihnen – quer durch die Ge-schichte –, und es will einen Beitrag dazu leisten, wieder Wirklichkeit des Bösen in Bezug auf die Menschen,die damit konfrontiert sind, begegnet werden kann, inVerantwortung vor der Theologie und ihrer Überliefe-rung.

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I. Die Wiederverzauberung der Welt– Der Teufel in der Gesellschaft

1. Kirche und Gesellschaft – Eine Renaissancedes Teufels?

Die Frage nach dem Bösen, nach seinen Erscheinungs-formen und seinen Ursachen gehört zu den Grundfra-gen der Menschen. Doch auch wenn diese Frage immerwieder gestellt wurde, die Antworten driften weit aus-einander. Was ist böse? Wann ist etwas als böse zu be-zeichnen? Schon bei diesen Fragen ist man sich nichteinig. Ist es böse, dass täglich tausende Kinder mangelssauberen Trinkwassers sterben? Und wenn ja, wer istda böse? Die Frage und ihre Beantwortung fällt zu un-terschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Ortenje anders aus. Das Problem scheint unlösbar zu sein.Und doch: Die Frage nach dem Bösen lässt niemandenkalt.

Und wie steht es mit dem Teufel? Er ist doch diePersonifikation des Bösen schlechthin – und er stößtauf ungebrochenes Interesse. Laut einer repräsentativenFORSA-Umfrage aus dem Jahr 2005 gaben 27 % derBefragten an, an den Teufel zu glauben.2 Ob das nunviel oder wenig ist, obliegt der Seite des Betrachtenden.Bilder vom Teufel aber kann sich fast jeder machen.Die Facetten der Reaktion auf den Teufelsbegriff rei-chen von Abscheu bis Faszination. Ob Literatur, Film-

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und Kulturschaffende, ob Philosophie oder Kunst: DerTeufel und das Böse finden zahllose Verkörperungen.

Spätestens seit dem 11. September 2001 ist die Dis-kussion über das Böse neu entflammt. In den rauchen-den Türmen des World Trade Centers soll sich sogardie Fratze des Teufels gezeigt haben – die entsprechen-den Bilder verbreiteten sich via Internet in Minuten-schnelle über den ganzen Erdball. Das Vokabular deramerikanischen Evangelikalen und ihres Präsidentenebenso wie das ihrer Gegenspieler im Nahen oder Fer-nen Osten oder sonst wo auf der Welt unterstützt denEindruck, der Teufel habe wieder Einzug gehalten indie Welt. Wieder?

Mit der westlichen Aufklärung schien auch der Teu-felsglaube an ein Ende gekommen zu sein. Die be-rühmt gewordene Parole Max Webers von der „Ent-zauberung der Welt“3 steht stellvertretend für denProzess der Säkularisierung in der Moderne. Im Zugedessen wurde die Akzeptanz von Gutes und Böses wir-kenden Geistern suspekt und kam schließlich gänzlichabhanden. Die Natur wurde entpersonalisiert, undzwar in dem Maße, in dem sie rational erklärbar wur-de. Was objektivierend nicht zu beobachten war, waskeiner kausalen und logischen Erklärung zugänglichgemacht werden konnte, durfte es nicht mehr geben.

Mit der Entzauberung der Welt fiel auch der Teufelund mit ihm alle anderen Geistwesen aus dem allge-mein akzeptierten Regelungsrahmen der Welt. Zwi-schen Säkularisierung, Neurobiologie, Quantenphysikund Biochemie schienen der Teufel und seine Dämo-nen ausgedient zu haben. Zur gleichen Zeit verlor dieKirche das Monopol auf eine umfassende Interpreta-tion der gesamten Wirklichkeit, des gesellschaftlichenund privaten Lebens. Bald konnte sie dies selbst beiihren eigenen Mitgliedern nicht mehr einfordern. Mit

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diesem Plausibilitätsverlust und dem ihrer religiösenSymbole ist allem Anschein nach auch der Sinnverlustdes christlich geprägten Begriffes Teufel verschwunden.Mit ihm ging der Glaube an Himmel und Hölle, ja, aneine gesamte stabilisierende Weltordnung unter. Diesernoch weit über die Teufelsproblematik hinausreichendeProzess wird allgemein als Kopernikanische Wende be-zeichnet – dies ist eine Metapher für den Zusammen-bruch der Metaphysik und des Glaubens. Das Projektder säkularen Moderne hat den Teufel abgeschafft; undauch das Christentum scheint den Teufelsglauben sovieler Jahrhunderte undifferenziert im Kuriositäten-kabinett der Kirchengeschichte entsorgt zu haben. Dietraditionelle Vorstellung eines personifizierten Teufelswird zumeist als Anachronismus angesehen, denn ver-gegenwärtigt man sich den Erfahrungshorizont dermeisten Menschen, so hat wohl die Erfahrung des Bö-sen, nicht jedoch eine dezidierte Rede vom Bösen odergar vom Teufel ihren Platz. Dämonen- und Teufels-glauben gehören der Vergangenheit an. Der TerminusTeufel und die damit verbundenen Anschauungenscheinen für die Mehrzahl der Menschen ausgedient zuhaben.

Doch wie gesagt: Ganz so einfach ist es nicht. DieProzesse der Entmythologisierung und der aufkläreri-schen Modernisierung haben ihre Gegenseite. Es isteine Bewegung, die nach dem Scheitern der großenIdeologien (Kapitalismus, Marxismus) und angesichtseiner allgegenwärtigen Bedrohung, wie beispielsweisedurch den Terrorismus, schon länger zu beobachtenist. Zwar schwindet zunehmend traditionelle Kirch-lichkeit (inklusive formeller Zugehörigkeit zu einer derGroßkirchen), doch bedeutet dies nicht das Schwindenvon Religiosität und religiöser Vorstellungen. Auch derThemenkomplex Teufel und Dämonen erfährt erneut

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Konjunktur. So wurde von verschiedenen Seiten voneiner „Wiederverzauberung der Welt“, von einer „Re-naissance des Bösen“ oder gar von einem „Comebackder Teufel“ gesprochen. Die Wiederbelebung des Glau-bens an Engel, Teufel, Dämonen und andere über-menschliche Geister besonders auf dem Feld religiöserBewegungen steht nur scheinbar im Gegensatz zu ei-nem säkularisierten, aufgeklärten Zeitgeist. Der Hangzum Irrationalen ist letztlich das illegitime Kind desRationalismus.

In vielen religiös-fundamentalistischen Gruppenwird der Teufel zu jenen Traditionen gerechnet, diezum unbedingten Glaubensschatz zählen und unter al-len Umständen zu erhalten sind. Der „Leibhaftige“wird als ernst zu nehmender und realer Gegner be-trachtet, gegen den zu kämpfen den Menschen befoh-len sei. Ob er in Form von menschlichen Feinden auf-trete, die zu vernichten oder wenigstens zu bekehrenseien, oder als Dämon, der Menschen in Besitz nehmenkönne – Unerklärliches vermag so erklärt und Unüber-sichtliches geordnet werden. Der Zulauf zu fundamen-talistischen Gruppierungen am Rande der großenchristlichen Kirchen gehört ebenso zur Erfolgsge-schichte des wiedererstarkten Bösen wie seine Positionin Sekten und Freikirchen. Die Komplexität der tat-sächlichen Verhältnisse wird rigoros beseitigt zuguns-ten einer eindeutigen Interpretation der Welt. VomTeufel wird ein eindeutiges Bild entwickelt, gespeistdurch ein wortwörtliches Verständnis der biblischenSchriften. Andersdenkende werden allzu rasch selbstdämonisiert und zu Gegnern erklärt: Es gebe nur dieMöglichkeit „With us or against us“, wie es der ehema-lige US-Präsident George W. Bush formulierte.

Auch nicht-religiöse Diskurse widmen sich der He-rausforderung des Bösen; gerade die Philosophie sieht

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sich gefordert. Der polnische Philosoph Leszek Kola-kowski schreibt in seinem Buch Gespräche mit demTeufel in einer berühmt gewordenen „metaphysischenPressekonferenz“4, die Kategorie des Teufels als einejahrhundertealte Tradition der Auseinandersetzung mitden Phänomenen des Bösen sei zu einer oft allzulächerlichen Zweckrationalität zugunsten einer moder-nen Realitätssicht verkommen. Doch der philosophi-sche Umgang mit dem Teufel stößt auf Schwierig-keiten, denn die Zuschreibung des Prädikats „böse“gelangt letztlich immer an die Frage des Warum?, andie Frage von Verantwortung, Verursachung und Frei-heit und an die Auseinandersetzung mit den Lösungs-versuchen der Theologie. Gott wird letztlich zum An-geklagten der Vernunft. Albert Camus fasste dies inWorte:

„Vor Gott gibt es weniger ein Problem der Freiheitals ein Problem des Bösen. Wir kennen die Alterna-tive: Entweder wir sind nicht frei und der allmächti-ge Gott ist für das Böse verantwortlich. Oder wirsind frei und verantwortlich, aber Gott ist nicht all-mächtig. Alle scholastischen Spitzfindigkeiten habender Schärfe dieses Paradoxons nichts hinzugefügtund nichts genommen.“5

Anstatt zahlreicher weiterer philosophischer Abhand-lungen über das Böse soll an dieser Stelle nur ein Au-tor genannt werden: Rüdiger Safranski. „Man mussnicht den Teufel bemühen, um das Böse zu verstehen.“Mit dieser programmatischen These beginnt er seinBuch Das Böse oder Das Drama der Freiheit6. Auchwenn er für sein Verständnis der bösen Wirklichkeitausschließlich die Ambivalenz der menschlichen Frei-heitserfahrung, also ein rein menschliches Phänomen

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der Wirklichkeitsbewältigung, anführt und somit dieGeschichte des Bösen rational, ohne ein diabolischesGeheimnis zu bemühen, erfassen will – um die Diskus-sion des Teufels kommt auch er nicht herum. Doch derTeufel ist für ihn zentrales Symbol ideologischer Dik-tatur und Manipulation; religiöse Sprache und Herme-neutik seien in diesem Sinne zu ambivalent, um sie ak-zeptieren zu können. Symbolische und imaginativeWirklichkeitserschließung erfahren bei Safranski eineRadikalkritik. Das Böse wird hier einzig anthropolo-gisch interpretiert: Das Paradigma der menschlichenFreiheit erscheint als Ausgangs- und Mittelpunkt jeg-licher Reflexion über das Böse.

Wendet man den Blick auf die breite Massengesell-schaft und ihre Ausdrucksformen, sind Kategorien vonGut und Böse augenscheinlich. Die zeitgenössischenBilder und Symbole des Bösen sind im säkularenBereich stark durch massenmediale Darstellung undMultiplikation geprägt. Und es werden immer häufigerreligiöse Versatzstücke und Symbole aus ihrem traditio-nellen Kontext gelöst und umgewidmet, so auch in bei-nahe inflationärer Weise die Begriffe Teufel oder teuf-lisch. Schlagworte insbesondere in der Werbebranche,die sich in hohem Maß religiöser Gefühle und Elementebedient, wie „teuflisch billig“, „höllisch scharf“, „Putz-teufel“ oder Ähnliches, gehören mittlerweile zur All-tagssprache. Es tauchen dabei Teufel(chen) auf, mitHörnchen auf dem Kopf und einem schwarzen, wahl-weise schwarz-rotem Umhang. Die Begriffe „Teufel“oder „höllisch“ meinen dabei meist gar nichts Bösesoder zu Verurteilendes. Sie sollen vielmehr den Gegen-satz zu langweilig, brav, altbacken oder fade ausdrü-cken. Wer das entsprechende Produkt kauft, kauftgleichzeitig auch Leidenschaft, Verruchtheit, eben einenLebensstil, der das genaue Gegenteil eines frommen,

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angepassten Lebens ist. Der Begriff Teufel dient dabeials Signal, um die Aufmerksamkeit eines kaum mehr zureizenden Publikums wenigstens kurzfristig auf eineSache zu lenken, sodass das Ziel, den Profit immer wei-ter zu steigern, mit immer neuen Variationen teuflischerAssoziationen erreicht werden soll. Dass die genuinreligiöse Rede vom Teufel im Kontext des Glaubensdabei sinnentleert wird, ist unübersehbar.

Neben dem Teufelsbegriff taucht auch die Teufels-figur auf säkularem Hintergrund auf – es werden dabeibewusst religiöse Gefühle im Spiel mit Elementen der(christlichen) Tradition benutzt. Seit den 1970er-Jahrenist Satan eine Kultfigur im Horrorgenre und Garantfür volle Kinokassen. Zahlreiche Filme voller populär-religiöser Versatzstücke variieren die Abgründe mensch-lichen Daseins und der unheimlichen Bedrohung durchtranszendente Mächte. Garantiert und autorisiert wirddies durch Bibelzitate (vornehmlich der Offenbarungdes Johannes) und christliche „Traditionen“ wie Hexen-vorstellungen. Filme wie Rosemary’s Baby (RomanPolanski, 1967), Der Exorzist (William Friedkin, 1973mit zwei Fortsetzungen 1977 und 1989), Das Omen(Richard Donner, 1975 mit zwei Fortsetzungen 1978und 1982), Angel Heart (Alan Parker, 1986, mit Robertde Niro als Luzifer „Lou Cypher“), Im Auftrag desTeufels (Taylor Hackford, 1997, diesmal gibt Al Pacinoden Teufel), Teuflisch (Harold Ramis, 2000), Constan-tine (Francis Lawrence, 2005) oder The Reaping – DieBoten der Apokalypse (Stephen Hopkins, 2007) sind nurwenige Beispiele für die noch immer anhaltende Er-folgsgeschichte okkulter Themen auf der Kinoleinwand.

Ein Blick in die Bücherlisten der Verlage zeigt eineimmense Produktion an (oft dubiosen) Schriften zuThemen wie Teufel, Engel, Dämonen etc. ZahlreicheBücher pseudoreligiösen Inhalts und unwissenschaft-

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licher Natur – jedoch mit dem Anspruch auf Seriositätund Wahrhaftigkeit – befassen sich mit dem Problemdes Bösen und der Existenz Satans: Ein schier unüber-schaubares Angebot lässt auf eine entsprechende Nach-frage schließen. Mit immer neuen Enthüllungen undspektakulären Erkenntnissen wird ein gewaltigerMarkt bedient, der in seiner Gier nach transrationalenUngeheuerlichkeiten unersättlich scheint.

2. Okkultismus, Satanismus – DestruktiveOpposition

Dem Bösen haftet mithin eine eigentümliche Faszina-tion an, die sich auch immer wieder in okkulten Prak-tiken zeigt, die zumeist losgelöst von (christlicher) Re-ligion und auf das vordergründig Wahrnehmbare (abergerade eben nicht rational Erklärbare) reduziert sind.Es bilden sich quasireligiöse Vorstellungen, durchsetztvon Schwarzer Magie, von Hexen, Zauberern undWahrsagerinnen, von parapsychologischen Fähigkeitenund Räumen voller Geister und Dämonen. Spätestensseit Mitte der 1980er-Jahre ist ein Aufflammen okkul-ter Phänomene und Thematiken zu erkennen, sei es inesoterischen oder spiritistischen Zirkeln oder in dezi-diert okkulten Kreisen. Die Moderne setzt also vieler-orts auch eine Suche nach mehr als Faktizität, Rationa-lität und Funktionalität in Gang. Offensichtlich habendie Großkirchen diese Suche nach religiöser Verortungnur ungenügend beantwortet, das dadurch entstandene(Sinn-)Vakuum in postmoderner Unsicherheit wirdvon dubiosen Sekten und ernsthaften Selbstfindungs-und Meditationsseminaren gleichermaßen ökonomischverwertet: Wenn der Markt für religiöse Befriedigungmit okkulter Ausrichtung auch im täglichen Geschäft

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des Gesellschaftsbetriebs nebensächlich zu sein scheint,so ist er offensichtlich noch lange nicht gesättigt. Obnun in der Esoterik der Blick in erster Linie auf positi-ve Mächte oder wie im Okkultismus auf böse Geistergerichtet wird: Die Faszination am Transrationalen, amMetaphysischen und Übersinnlichen scheint ungebro-chen – und mit dieser Faszination ist ein gutes Ge-schäft zu machen.

Mit dem Okkultismus verbunden, aber dennoch da-von abzugrenzen ist der Satanismus. Dieses Phänomenist ein nur schwer definierbares, und selbst Expertenund Expertinnen widersprechen sich in der Beschrei-bung und Beurteilung von satanistischen Szenen undGruppen: Von harmloser Protestjugendkultur bis zugefährlichen Ritualkulten, von unschädlicher Musik-strömung über Schwarze Messen hin zu Tier- undMenschenopfern reicht die Spannbreite in der Be-schreibung. In der Tat ist der Satanismus ernst zu neh-men, seine psychischen und physiologischen Folgewir-kungen sind nicht zu vernachlässigen. Doch allzu ofterscheint Satanismus als Projektionsfläche gieriger Sen-sationslust und unseriöser Spekulationen, die genährtwerden von Vorfällen wie dem sog. „Wittener Satanis-tenmord“ im Juli 2001, als ein Ehepaar einen Men-schen unter Verwendung satanistischer Symbole tötete.

Im Satanismus manifestiert sich ein jahrhunderte-alter Satanskult, dessen Wurzeln Antithesen zumchristlichen Kult sind. Von Beginn dieser Strömung anwollte man gegen das Christentum aufbegehren, dasman auf die scheinbar spezifische Grundlage, den Ge-gensatz Gott – Satan reduzierte, sodass die satanisti-sche Bewegung ursprünglich auf der Rebellion gegendie etablierte Religion und Kirche gründet. Geprägt istdie Sprache des Satanismus in allen seinen Ausprägun-gen von martialischem Vokabular, Hauptakteur ist der

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Teufel, das Biest, der Antichrist, der Satan. Der mo-derne Satanismus des 20. und 21. Jahrhunderts undseine zahlreichen subreligiösen Versionen lassen sichvielfach zurückführen auf Aleister Crowley (1875 –1947) und seine Ideen und Schriften. In Crowleys „Of-fenbarungsbuch“ Liber Al Vel Vegis, dessen Inhalt ihmangeblich 1904 in Kairo von einer jenseitigen Wesen-heit namens Aiwass mitgeteilt wurde, steht der zentraleund immer wieder zitierte Satz, ein Aufruf nach abso-luter und völlig autonomer Durchsetzung der eigenenInteressen und Begierden, nach schrankenlosem Sich-ausleben: „Es gibt kein Gesetz, außer tue, was duwillst“ (Erster Teil, 40). Crowley versteht sich selbstals „wahrer Gott vom wahren Gott“ und folgerichtigbezeichnet er sich in dieser Selbstvergottung als die In-karnation Satans und im Anschluss an das biblischeBuch Offenbarung Kap. 13 als The Beast 666.

Stark beeinflusst durch das Denken Crowleys sindCharles Manson, der Gründer der Final Church, der inden späten 1960er-Jahren durch sexuelle Kultorgienund Ritualmorde bekannt wurde, und der Gründer derChurch of Satan, Anton LaVey (gest. 1997). Einen Ein-blick in das Gedankengebäude der Kirche Satans ver-mag das folgende „Glaubensbekenntnis“ zu geben:

„1. Satan verkörpert Befriedigung von Begierdenanstelle von Abstinenz. 2. Satan verkörpert vitaleExistenz anstelle spiritueller Hirngespinste. 3. Satanverkörpert reine Weisheit anstelle scheinheiligerSelbsttäuschung. 4. Satan verkörpert Gefälligkeit ge-genüber denen, die sie verdienen, anstelle von Liebe,die an Undankbare verschwendet wird. 5. Satanverkörpert Rache anstelle des ,auch die andere Wan-ge Hinhaltens‘. 6. Satan verkörpert Verantwortunggegenüber den Zurechnungsfähigen statt Besorgnis

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um seelische Erpresser. 7. Satan verkörpert alle soge-nannten Sünden, weil sie alle zu körperlicher, geisti-ger oder gefühlsmäßiger Befriedigung führen . . .“

Es wird deutlich, dass es um radikalen Protest gegendas Christentum geht, um völlige Ablehnung derchristlich geprägten Erziehung und Kultur. Das absolutBöse, das Satan eigentlich verkörpert, wird vernachläs-sigt bzw. zum Guten pervertiert, da das, was sich selbstals Gutes darstellt und seinen Gott als absolut gut pro-pagiert, abgelehnt wird – eine Umwertung der Wertefindet statt. Satanistische Gruppierungen sehen sich soin der Fundamentalopposition zu einer Gesellschaft, inder sie aber zwangsläufig leben und – wollen sie über-leben – sich relativ anpassen müssen; der destruktiveCharakter ist in diesem Paradoxon begründet.

In seiner extremen und zur Schau gestellten Anti-kirchlichkeit und Antichristlichkeit bleibt der Satanis-mus – nicht nur in seinem Vokabular – auf das Chris-tentum verwiesen, denn ohne dessen Existenz wäre einsatanistischer Tabubruch gar nicht möglich. Satanismusin fast all seinen Variationen ist also (in Parallele zujeder anderen Religion!) für die Praktizierenden einweltanschauliches System, das eine eigene Anthropolo-gie wie auch Kosmologie und mit der Satanologie einepervertierte Theologie bereithält. Seriöse Wissenschaft-ler und Wissenschaftlerinnen sind sich einig, dass dasPhänomen des Satanismus weder dramatisiert noch ba-gatellisiert werden dürfe. Die magische Faszination,die von der Quasi-Selbstvergottung und absoluten Au-tonomie ausgeht, die der Satanismus verspricht, diesatanistischen Rituale und die entsprechende Musiksind zumeist exzessiv und destruktiv – unkontrollier-bare teuflische Bedrohungen sind sie hingegen in denmeisten Fällen nicht.

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