leseprobe - julia kleinschmidt - venus auf landpartie

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Nicole ist 34, erfolgreich und liebt vor allem ihren Job. Landleben erträgt die ehrgeizige Großstadt-Bankerin höchstens beim Ausspannen in einem luxuriösen Wellness-Tempel. Doch ihr geplanter Trip in die Gesundheitsoase – ein Geschenk ihres Verlobten Axel – verläuft anders als geplant. Bei einem unfreiwilligen Zwischenstopp gibt‘s statt Erholung im Nobelhotel jede Menge Turbulenzen auf dem platten Land. Nicht nur die Suche nach dem kleinen Nik und die „Schnitzeljagd“ nach Ferkel Fredy halten Nicole in Atem. Vor allem der smarte Agraringenieur Hendrik treibt den Puls der Karrierefrau mächtig in die Höhe. Als dann unerwartet auch noch Axel aufkreuzt, steht die Welt der sonst so souveränen Bankerin Kopf ...

TRANSCRIPT

Page 2: Leseprobe - Julia Kleinschmidt - Venus auf Landpartie

--- LESEPROBE ---

Venus auf Landpartie

Sterne lügen nicht

Julia Kleinschmidt

Page 3: Leseprobe - Julia Kleinschmidt - Venus auf Landpartie

„[…] Eine spannende und witzige Geschichte, die nah bei der Wirklichkeit bleibt und keine lange Weile aufkommen lässt.

Ich habe dieses Buch sehr genossen.“

Severina auf Amazon

„.Eine wunderschöne Liebesgeschichte für Großstadtpflanzen

und Landmenschen, bei der Spaß garantiert ist - sehr empfehlenswert.“

A.W. auf Amazon

„[…] Witzig und spannend, mit sympathischen Charakteren.

Ich kann das Buch nur weiterempfehlen. “

Katrin F. via E-Mail

Page 4: Leseprobe - Julia Kleinschmidt - Venus auf Landpartie

Über das Buch

Nicole ist 34, erfolgreich und liebt vor allem ihren Job.

Landleben erträgt die ehrgeizige Großstadt-Bankerin

höchstens beim Ausspannen in einem luxuriösen Wellness-

Tempel. Doch ihr geplanter Trip in die Gesundheitsoase – ein

Geschenk ihres Verlobten Axel – verläuft anders als geplant.

Bei einem unfreiwilligen Zwischenstopp gibt‘s statt Erholung

im Nobelhotel jede Menge Turbulenzen auf dem platten

Land.

Nicht nur die Suche nach dem kleinen Nik und die

„Schnitzeljagd“ nach Ferkel Fredy halten Nicole in Atem. Vor

allem der smarte Agraringenieur Hendrik treibt den Puls der

Karrierefrau mächtig in die Höhe. Als dann unerwartet auch

noch Axel aufkreuzt, steht die Welt der sonst so souveränen

Bankerin Kopf ...

Über die Autorin

Julia Kleinschmidt, 1972 in Köln geboren, arbeitete jahrelang

als Lokalredakteurin bei einer Tageszeitung. In Bonn studierte

sie Germanistik, bevor sie nach erfolgreichem Abschluss zum

Volontariat nach Ostwestfalen kam – und dort blieb.

Während ihrer Elternzeit erfüllte sie sich einen lang gehegten

Wunsch und schrieb ihren ersten Roman.

Julia Kleinschmidt ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt

mit ihrer Familie auf einem Bauernhof. Die Autorin arbeitet

heute freiberuflich als Journalistin.

Page 5: Leseprobe - Julia Kleinschmidt - Venus auf Landpartie

Impressum

Venus auf Landpartie (1. Auflage 2014)

Autor: Julia Kleinschmidt

Lektorat: Iris Bachmeier

Covergestaltung: Jasmin Waisburd

Bild: © Bigstockphoto.com

Copyright © 2014

Roman Verlag

http://www.romanverlag.com

207 Taaffe Place, Office 3A

Brooklyn, NY11205, USA

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der

Vervielfältigung des Werkes oder Teilen daraus, sind vorbehalten.

Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des

Verlags in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes

Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung,

reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme

verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen,

Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne

besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche

Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-

Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von

jedermann benutzt werden dürften.

Trotz sorgfältigem Lektorat können sich Fehler einschleichen. Autor

und Verlag sind deshalb dankbar für diesbezügliche Hinweise.

Jegliche Haftung ist ausgeschlossen, alle Rechte bleiben

vorbehalten.

.

Page 6: Leseprobe - Julia Kleinschmidt - Venus auf Landpartie

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Prolog

Gemeinsames Singen stärkt das Wirgefühl. Doch musste es

ausgerechnet die italienische Nationalhymne sein? Nicole

sah zur Tafel. „Fratelli d’Italia, L’Italia s’è desta …“ Wo sonst

Kinderhände ungelenk Sätze wie „Uli trägt einen grünen

Pulli“ hinkritzelten, ging es jetzt heroisch zu. Aber Nicole

sprach kein Italienisch. Und sie hatte auch keinen blassen

Schimmer, warum sie ausgerechnet heute damit anfangen

sollte. Ob es den anderen genauso ging? Sie warf einen

Blick in die Runde. Wenn ja, ließen es sich die meisten

jedenfalls nicht anmerken. Wie selbstverständlich und mit

einem Lächeln auf den Lippen wiederholten sie laut, was

Klassenlehrerin Frau Rosenbändel ihnen vorsang. Um den

Lernprozess zu vereinfachen, fuhr die energische Blondine

mit einem altmodischen Zeigestock die Zeilen an der Tafel

entlang. Zum Glück hatte sie sich auf eine Strophe

beschränkt. Jetzt folgte der Refrain: „Stringiamoci a coòrte

…“

Auch Frau Rosenbändel lächelte. Ja, sie strahlte

regelrecht, während ihr Zeigestock von Wort zu Wort hüpfte.

Dann, endlich, hatte der Stock das Ende der letzten Zeile

erreicht. Der Gesang verstummte. Frau Rosenbändel senkte

den Arm, seufzte einmal tief und blickte dann zufrieden in die

Gesichter der Eltern. „Sehen Sie, meine Lieben, das habe ich

vorhin gemeint, als ich sagte: Gemeinsam kann man fast jede

Herausforderung meistern. Und so wie Sie sich gerade so

wunderbar an diesem italienischen Gesang probiert haben,

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so werden auch Ihre Kinder künftig jede Herausforderung

meistern können. Gemeinsam mit uns Lehrkräften.“

Nicole unterdrückte ein Gähnen. Wann kam die gute

Frau endlich zum Ende? Zuviel Pathos am Morgen konnte sie

nicht vertragen. Wobei: In einem Punkt hatte die Paukerin

recht. Die Mütter und Väter hatten eine große

Herausforderung gemeistert: Sie saßen – und sangen – seit

geraumer Zeit auf Stühlchen, die auf die Größe von

Grundschülern abgestimmt waren. Um einem Krampf

vorzubeugen, streckte Nicole das rechte Bein ein wenig aus

und schlug es über das linke. Dabei fiel ihr Blick auf ihre

Fußnägel. Ups, was hatte sie da denn gemacht? Am rechten

kleinen Zeh hatte sich eine hässliche verhornte Stelle

gebildet. Und sie hatte es nicht gemerkt. Wie peinlich. Und

das bei ihren offenen Sandalen! Sie stellte das rechte Bein

wieder zurück und schob den Fuß unauffällig ein wenig nach

hinten.

Da erhielt sie einen Rempler von rechts. „Geht Ihnen das

auch immer so?“, wisperte die dralle Rothaarige neben ihr.

„Ich hab’ auch ständig Probleme mit Hornhaut und weiß

einfach nicht, was ich dagegen tun soll. Und das mitten in

der Sandalen-Saison. Eincremen hat jedenfalls nicht

geholfen.“

„Probieren Sie’s doch mal mit einem elektrischen

Pediküregerät“, flüsterte Nicole zurück.

„Wie bitte?“ Die Rothaarige hatte offenbar nicht nur

Hornhaut am Fuß, sondern auch Verhärtungen im

Gehörgang.

„Elektrische Pediküre“, zischte Nicole etwas lauter. Laut

genug.

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„Ich merke schon, meine Lieben, Sie werden langsam

ungeduldig.“ Frau Rosenbändel hob die Stimme noch ein

wenig mehr. Ihr Blick blieb an Nicole haften. Sie hob

missbilligend die Brauen. „Störungen dulde ich nicht. Weder

von Kindern noch von deren Eltern“, sagte dieser Blick. Doch

ihre Stimme blieb freundlich. Sie wandte sich wieder an alle:

„So, dann wollen wir Ihre Kinder mal nicht länger auf die

Folter spannen. Ich würde sagen, holen Sie nun Ihre Buben

und Mädchen herein und wir heißen sie gemeinsam in ihrem

neuen Klassenzimmer willkommen.“

Erleichtertes Seufzen begleitete das allgemeine

Stühlerücken. Alles strömte zur Tür, um den eigenen

Nachwuchs als Erstes ins Klassenzimmer zu führen. Nicole

ließ sich etwas Zeit. Das Gedränge war groß genug. Sie fand

es überhaupt eine schwachsinnige Idee, am Einschulungstag

erst die Eltern in die Klasse zu bitten, während die I-

Dötzchen samt Schultüten draußen auf dem Flur warten

mussten. Aber na ja, offenbar regelte das jede Schule

anders.

Langsam wurde Nicole im Gedränge nach vorne

geschoben. An der Tür wartete Frau Rosenbändel. „Na, Frau

Lohmanns, die Aufregung hat Sie wohl auch ganz schön

ergriffen.“ Erneut traf Nicole ein Blick unter hochgezogenen

Brauen. „Wo ist denn Ihr Sohn? Oder ist’s ein Mädel?“

Nicole stutzte. Warum musste sie überlegen?

„Ja, ja, ich schaue, wo er, äh, sie steckt“, antwortete sie

ausweichend und trat auf den Flur. Hier war das Gewusel

noch größer. Zu den Eltern hatten sich noch die rund 25

Erstklässler nebst Geschwisterkindern und diversen anderen

Verwandten gesellt. Ein heilloses Durcheinander. Fast ratlos

sah sie sich um. Wonach suchte sie hier eigentlich? Oder

besser: Wen suchte sie?

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Und wieder hörte sie Frau Rosenbändels Stimme hinter

sich. „Alles klar, Frau Lohmanns? Vielleicht ist er bei Ihrem

Mann?“

Häh? Moment mal: er? Wieso er? Und wo war ihr

Mann? Weg? Durchgebrannt? Mit Kind? Wirre Gedanken

schossen ihr durch den Kopf. Sie schob sich aus dem Pulk

heraus. Sie brauchte unbedingt frische Luft und ging den Flur

entlang.

„Frau Lohmanns, hallo, was ist denn mit Ihnen? Geht’s

Ihnen nicht gut?“ Frau Rosenbändels Stimme tönte wie eine

Fanfare durch die Menge. Die Frau nervte nur noch. Nicole

musste unbedingt hier weg. Ihr Schritt wurde schneller. Sie

begann zu laufen. Der Flur schien kein Ende zu nehmen.

Rechts und links Türen, Türen, Türen. Wo ging’s hier hinaus?!

Endlich, eine Glastür führte ins Freie. Ein frischer Windhauch

blies Nicole ins Gesicht. Tief sog sie die Luft durch die Nase

ein. Und wachte auf.

Eine leichte Brise bewegte die Gardinen am geöffneten

Schlafzimmerfenster. Die Brise war mild. Die Luft roch nach

Sommer und ein wenig nach Regen. Kein Wunder nach dem

Unwetter am Nachmittag. Nicole setzte sich im Bett auf und

atmete einige Minuten lang ruhig ein und aus. Es war bereits

das zweite Mal, dass sie in dieser Nacht aufwachte. Aber

was war das denn um Himmels willen für ein Traum

gewesen? So etwas hatte sie ewig nicht mehr erlebt. Aber in

ihrem Leben war es auch lange nicht so turbulent

zugegangen wie in den vergangenen Wochen.

Einschulungstag, so ein Käse! Sie hatte doch gar keine

Kinder. Und ihren Kerl hatte sie auch noch gesucht! Lautes

Schnarchen verriet, dass es wirklich nur ein Traum gewesen

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war. Nicole drehte sich zur Seite. Zärtlich fuhr sie mit der

Hand durch das Haar, das unter der Decke hervorlugte.

Tatsächlich. Er hatte sich eingemummelt bis zur Nasenspitze.

Und das bei den Temperaturen! Das Schnarchen ging in ein

zufriedenes Grunzen über. Nicole lächelte und wandte ihren

Kopf dem Nachttisch zu. 4.30 Uhr zeigte der kleine Wecker

an. Noch hatte sie ein bisschen Zeit. Sie ließ sich ins Kissen

zurücksinken, gähnte herzhaft und schloss die Augen.

Minuten später schlief sie tief und fest.

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Kapitel 1

„Großartig, Nicole, Sie waren einfach wieder großartig! Was

täten wir nur ohne Sie?“ Dr. Heinrich Tietzbrink strahlte über

das ganze Gesicht. Und das wollte etwas heißen. Der

Endfünfziger zählte körperlich nicht zu den Größten, was er

durch mehr Masse allerdings spielend ausglich. Jetzt

leuchteten seine Augen, die Wangen hatten sich tief rot

verfärbt, und Freude und Julihitze gleichermaßen trieben ihm

die Schweißperlen auf die Stirn. Kein Wunder. Der

gelungene Vertragsabschluss mit der Hamburger Reederei

bescherte dem privaten Bankhaus – und damit natürlich vor

allem seinem Boss Dr. Heinrich Tietzbrink – unterm Strich

bares Geld.

Nicole setzte ein bescheidenes Lächeln auf. Dabei

wusste sie genau, dass das gute Geschäft maßgeblich ihr

Verdienst war. „Ich bitte Sie, Dr. Tietzbrink“, sagte sie und

strich sich charmant und nur scheinbar verlegen eine dunkle

Haarsträhne hinters Ohr, „ich habe doch nur meinen Job

gemacht.“

„Ach, Frau Lohmanns, wenn alle meine Mitarbeiter ihre

Aufgaben so engagiert erledigen würden wie Sie.“ Seit mehr

als einer Minute schüttelte er ihr schon die Hand, als wolle er

sie nicht mehr loslassen. Geschmeichelt hatte Nicole ihn

gewähren lassen, doch jetzt reichte es.

„Wie gesagt, ich habe einfach nur meinen Job gemacht,

und den mache ich, wie Sie wissen, sehr gerne“, betonte sie

und befreite ihre Rechte – immer noch bescheiden lächelnd –

mit sanftem Nachdruck aus seiner verschwitzten Klaue.

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„Ja, ja, ich weiß, ich weiß, und darum will ich Sie auch

nicht mehr länger von ihrem wohlverdienten Feierabend

fernhalten. Sie werden sicherlich etwas Schönes vorhaben,

gerade bei diesem Traumwetter.“ Noch einmal schickte der

Bankenboss sein Strahlen zu Nicole hinauf und heizte die

Temperatur auf dem Flur damit um gefühlte weitere drei Grad

an. Dann schritt er in seinem maßgeschneiderten

Nadelstreifenanzug rasch von dannen und verschwand

hinter der dick gepolsterten Tür seines Chefbüros.

„Puh, geschafft.“ Nicole verharrte noch einen Moment,

atmete tief durch und rieb verstohlen ihre rechte Hand am

Rock ihres Kostüms trocken. Im Grunde war ihr Boss ein feiner

Kerl, doch seine Gefühlsausbrüche waren im ganzen Haus

berüchtigt – so oder so. Nur, dass sie zumeist die

Sonnenseite abbekam. Wenn Tietzbrink einen Mitarbeiter bei

einer Nachlässigkeit erwischte, konnte er fürchterlich wütend

werden. Nicole verkniff sich ein Grinsen, als sie an

Tietzbrinks frühere Sekretärin Gisela dachte, inzwischen im

Ruhestand. Die Arme hatte versehentlich wichtige Inhalte

einer Geschäftsvorlage an einen Mitbewerber gefaxt statt an

den Kunden – und dem Boss damit beinahe ein

Riesengeschäft vermasselt. Trotz gepolsterter Türen war

Tietzbrinks Gebrüll nahezu im ganzen Haus zu hören

gewesen.

Doch jetzt war wirklich Zeit für den Feierabend. Die

Verhandlungen mit der Reederei waren langwierig gewesen,

aber letztlich hatten sich Ausdauer und Engagement

ausgezahlt. Das Unternehmen gab Nicoles

Finanzierungsangebot für die dringend notwendigen

Neuinvestitionen den Vorzug, die Mitbewerber schauten in

die Röhre. Das musste gefeiert werden. Nicole schritt den

Flur hinab zum Aufzug. Während sie wartete, bis sich die

Türen öffneten, warf sie einen Blick in den Spiegel an der

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Wand. Ihre dunklen, langen Haare hatte sie im Nacken zu

einem schlichten Zopf zusammengebunden. Mit ihrem

dezenten beigen Kostüm und den passenden Pumps –

natürlich nicht zu hoch – trug sie ein ihrem Job

entsprechendes Outfit. Das schlichte Make-up und die

kleinen Perlenohrringe unterstrichen ihre elegante

Erscheinung. Natürlich ging’s in der Businesswelt in erster

Linie um Kompetenz, doch im Lotterlook gab’s hier nun

einmal keinen Blumentopf zu gewinnen.

Die Türen des Aufzugs öffneten sich und Nicole trat ein.

Sie wählte das Erdgeschoss, und mit einem leisen Surren

schlossen die Türen wieder. Kaum merklich ging es abwärts.

Nicoles Blick wanderte zu der kleinen Aktentasche, die unter

ihrem linken Arm klemmte. Sie hatte zum Glück alle wichtigen

Unterlagen dabei, das ersparte ihr einen erneuten Gang in

ihr Büro und somit auch den möglichen Kontakt mit einigen

Kollegen. Nicht, dass das Betriebsklima im Hause schlecht

gewesen wäre. Doch überall wurde mit harten Bandagen

gekämpft, und sie hatte einfach keine Lust auf den neidischen

Blick so manch ehrgeizigen Nachwuchsbankers. Denn dass

Nicole zum Chef zitiert worden war und warum, hatte

natürlich längst die Runde gemacht.

Mit einem sanften Ruck blieb der Aufzug stehen, die

Türen öffneten sich und Nicole betrat die Eingangshalle. Hier

herrschte trotz reger Geschäftigkeit eine gedämpfte

Geräuschkulisse. Dicker Teppich, elegantes Mobiliar; kleine

Sitzecken luden die Kunden zum Verweilen ein, bis sie von

ihren Beratern in die Büros gebeten wurden. Gediegen, das

war das Stichwort. Nicole sog die Luft durch die Nase ein

und musste ein wenig grinsen. Hier konnte man das Geld

buchstäblich riechen. Und das trotz Finanzkrise. Denn

während viele Großbanken weltweit auf das schnelle Geld

mit riesigen Gewinnen gesetzt hatten, hielt das private

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Geldinstitut an seiner Jahrzehnte bewährten konservativen

Marschroute fest. Und das zahlte sich jetzt aus. Die meisten Kunden haben ohnehin so viel Kohle, dass sie auf den schnellen Gewinn gar nicht angewiesen sind, dachte Nicole

und wandte sich zielstrebig dem Ausgang zu.

Draußen brannte die Julisonne vom wolkenlos blauen

Himmel – obwohl man den zwischen den hohen

Häuserzeilen des Geschäfts- und Bankenviertels kaum zu

sehen bekam. Es sei denn, man verrenkte sich den Hals. Die

akkurat bepflanzten Blumenrabatten sorgten zwischen so viel

Beton für ein paar bunte Farbtupfer, doch auch sie konnten

nicht verhindern, dass sich die Hitze zwischen den Blöcken

beinahe unerträglich staute. Rasch schritt Nicole die Straße

entlang, bog einmal rechts um die Ecke und erreichte bald

den Eingang zum Parkhaus, wo sie ihren kleinen Cityflitzer

untergebracht hatte. Sie schloss die Fahrertür auf, setzte sich

hinters Lenkrad und legte ihre Aktentasche auf den

Beifahrersitz. Kaum dass sie mit ihrem Wagen beim

Herausfahren die Schranke passiert hatte, ließ sie das

Verdeck zurückklappen. „Es geht doch nichts über oben

ohne“, freute sie sich und steuerte den Wagen stadtauswärts.

Nach einen guten Viertelstunde bog sie in die Tiefgarage ein

und stellte den Wagen auf ihren Parkplatz. Mit dem Aufzug

ging’s hinauf in die vierte Etage: Dachgeschoss. Es dauerte

einen kurzen Moment, bis Nicole den Wohnungsschlüssel in

der Tasche entdeckte. Er hatte sich in einer kleinen Falte

versteckt. Dann schloss sie auf und ließ die Tür sacht hinter

sich in Schloss fallen.

Angenehme Kühle empfing sie. Die Klimaanlage hatte

ganze Arbeit geleistet. Unterm Dach wäre die Hitze im

Sommer sonst kaum auszuhalten gewesen. Nicole schlüpfte

aufatmend aus ihren Pumps, hängte ihren Blazer an die

Garderobe und legte die Tasche ab. Dann entledigte sie sich

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noch schnell ihrer Nylonstrümpfe und trat barfuß ins

Wohnzimmer. Durch die Terrassentür und das große Fenster

flutete das Sonnenlicht herein. Auf zu viel Mobiliar hatte

Nicole nicht nur im Wohnzimmer, sondern in der gesamten

Wohnung verzichtet. Eine Couchecke mit Tisch, zwei kleine

Schränke, ein Sideboard – das war’s. Dennoch wirkte der

Raum nicht kahl. Die in einem zarten Gelbton getünchten

Wände und der helle Parkettboden mit zwei kleinen

Teppichen sorgten für wohnliche Atmosphäre.

Nicole öffnete die Terrassentür und ging hinaus. Die

Dachterrasse war nicht riesig, aber sie verriet Nicoles guten

Geschmack. In Tongefäßen versprühten Oleander, Jasmin

und ein kleines Olivenbäumchen mediterranes Flair. In einer

Ecke luden zwei Stühlchen und ein kleiner Tisch ein, dort

lange Sommerabende zu genießen.

Nicole trat über die terrakottafarbenen Fliesen an die

Brüstung, atmete tief durch und genoss den Blick auf die

Stadt. Es war eine ruhige Straße, in der Nicole wohnte.

Gepflegte Mehrfamilienhäuser, vorwiegend mit

Eigentumswohnungen, prägten das Bild. Und doch schlug

das Herz der Großstadt nur wenige Autominuten entfernt.

Und das war genau das, was Nicole liebte. Sicher zog sie

sich am Abend gern ein wenig von Großstadtlärm und Hektik

zurück. Doch auf das pulsierende Stadtleben mit seinen

Geschäften, auf das Treiben in Cafés, Bars und Restaurants

wollte sie nicht verzichten.

Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer warf Nicole einen

Blick auf ihren Anrufbeantworter. Ein rotes Lämpchen blinkte.

Das war bestimmt Axel. Und richtig, als Nicole die

Wiedergabetaste drückte, erklang Axels markante Stimme im

Raum: „Hallo, mein Engel! Wo steckst du denn? Ich schau’

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nachher bei dir vorbei. Ich habe eine Überraschung für

dich!“

Typisch, dachte Nicole und warf einen Blick auf ihre

Armbanduhr. Der Anruf war um kurz vor fünf eingegangen,

jetzt war es halb sechs. Und wenn Axel „nachher“ meinte,

konnte es sich nur noch um Minuten handeln, bis er vor der

Tür stand. Bingo. Nicole hatte sich im Bad gerade ein wenig

frisch gemacht und sich in der Küche ein Glas Wasser

eingegossen, als es an der Tür schellte. „Ich bin’s, mein

Engel“, quakte Axels Stimme durch die Sprechanlage.

Nicole drückte den Türöffner. Kurz darauf hielt der Aufzug in

der vierten Etage, und Axel steuerte zielstrebig auf Nicole zu,

die ihn an der geöffneten Wohnungstür empfing.

„Hallo, mein Engel!“ Axel Gutsohn, 39, sah aus, wie man

sich einen erfolgreichen Manager in der Werbebranche

vorstellte. Groß, schlank, gepflegt. Seine Haut zeigte eine

gesunde Bräune, und angesichts der Hitze draußen fiel gar

nicht auf, dass er mit regelmäßigen Sonnenbankbesuchen

nachhalf. Das dunkelbraune Haar trug er kurz geschnitten,

sein Dreitagebart verlieh ihm eine verwegene Note.

Doch der erste Eindruck täuschte. Axel war kein

Werbemann. Erfolgreich ja, allerdings als Boss eines

renommierten Bauunternehmens. Axels Eltern hatten die

florierende Firma aufgebaut, und Betriebswirt Axel mit

seinem exzellenten Händchen fürs Geschäft schickte sich an,

die erfolgreiche Unternehmensgeschichte fortzusetzen.

Edeltraut und Maximilian Gutsohn, seine Eltern, hatten

inzwischen solches Vertrauen in das unternehmerische

Geschick ihres einzigen Sprösslings, dass sie sich weitgehend

aus den Geschäften zurückgezogen hatten. Stattdessen

genossen sie die Früchte ihrer harten Arbeit; zurzeit befanden

sie sich auf einer Kreuzfahrt in der Karibik.

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„Mein Engel“, wiederholte Axel, stieß mit einem Fuß die

Wohnungstür hinter sich zu, drückte Nicole fest an sich und

umgab sie mit einer Wolke seines intensiven Rasierwassers.

Seine Hände glitten sanft an Taille und Hüfte seiner Freundin

hinab. „Ich wusste, dass du die Beste bist“, flüsterte er ihr ins

Ohr. Dann schob er sie ein Stück von sich weg, sah ihr in die

Augen und grinste: „Dein Verhandlungsgeschick ist erste

Sahne. Ich sag ja immer: Wenn du von deiner Bankerei mal

die Nase voll hast, komm zu mir in die Firma. Wir wären ein

unschlagbares Team. Wobei, das sind wir ja ohnehin schon“,

ergänzte er und klapste Nicole mit der rechten Hand auf den

Po.

„Hey, wir sind hier nicht auf einer deiner Baustellen.“ Mit

gespielter Empörung wehrte sich Nicole gegen diese Art der

Liebkosung, gleichwohl wissend, dass dies für Axel typisch

war. Sie gingen durchs Wohnzimmer und hinaus auf die

Terrasse.

„Ach, es ist doch immer wieder schön bei dir.“ Axel

reckte sich genüsslich.

„Das klingt fast so, als ob du in einem Ein-Zimmer-

Apartment im Souterrain hausen würdest, ohne Balkon und

Garten“, lästerte Nicole und dachte an Axels schicken Edel-

Bungalow mit Pool und Sauna am Stadtrand. Den hatten die

Arbeiter – natürlich größtenteils eigene Beschäftigte –

innerhalb kürzester Zeit hochgezogen. Überwiegend

schwarz, versteht sich.

„Nichts gegen mein bescheidenes Eigenheim, aber

deine Wohnung hat was. Sie hat Stil, genau wie du“, grinste

Axel und drückte sie wieder an sich, seine Hände suchten

den Reißverschluss ihres Rocks. „Hey, langsam, Freundchen“,

lachend wehrte Nicole ihn ab. „Erstens habe ich jetzt einen

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Bärenhunger und zweitens hast du eine Überraschung

angekündigt, schon vergessen?“

„Aber nein, mein Engel. Dein Wunsch sei mir Befehl. Ich

habe übrigens bei Alonso für uns etwas Schnuckeliges zu

essen bestellt.“ – er warf einen Blick auf seine Armbanduhr –

„Müsste bald hier sein. Und sobald wir uns gestärkt haben,

sage ich dir, was ich für dich habe.“

Es klingelte an der Tür. „Ich gehe schon, Engel. Such du

uns doch inzwischen ein schönes Fläschchen Wein raus“,

sagte Axel und ging in die Wohnung. Nicole folgte ihm,

schlüpfte an der Garderobe in ein Paar offene Sandaletten

und ging in die Küche. Im Kühlschrank lagerten noch drei

Flaschen guter Rotwein. „Mist, natürlich viel zu kalt“,

murmelte sie. Na, egal, bei der Wärme draußen hatte der

Rebensaft sicher schnell die gewünschte Temperatur. Sie griff

in einer Schublade nach dem Korkenzieher, öffnete die

Flasche und stellte sie in einen Messinghalter. Zusammen mit

dem Wein packte sie Besteck, Servietten und Gläser auf ein

Tablett und stellte es auf den kleinen Tisch auf dem Balkon.

An der Wohnungstür hörte sie Axel mit dem Mann vom

Bringdienst palavern. Dann fiel die Tür ins Schloss, und Axel

kam mit einer riesigen Tüte nach draußen, gefüllt mit jeder

Menge kleiner Schachteln, aus denen es verführerisch

duftete. Nicole warf einen Blick auf die große Tüte, ging

dann noch einmal hinein und kam mit einem klappbaren

Beistelltisch zurück. „So, jetzt haben wir Platz.“

Sie deckte den Tisch, während Axel die zahlreichen

Schachteln aus der Tüte auf dem Klapptisch ausbreitete.

„Mmh, wie das duftet!“ Nicole ließ sich seufzend auf einen

der beiden Stühle fallen und betrachtete beinahe andächtig

die italienischen Köstlichkeiten. Bruschetta, knuspriges

Pizzabrot, Melone mit Schinken, Tomate mit Mozzarella und

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Basilikum ... „Alonso“ war keiner der üblichen

Pizzabringdienste, wie es sie in jeder Stadt zuhauf gab: Zwei

Salate und zehn Pizzen auf der Karte, und dabei musste man

immer noch damit rechnen, dass die Pizza kalt ankam. Und

wer Pech hatte, bei dem klebte zudem beim Öffnen des

Kartons die Hälfte des Pizzabelags am Deckel. „Da Alonso“

war ein Edel-Italiener mit exklusiver Küche, die er auf

Wunsch auch nach Hause bringen ließ. Das hatte natürlich

seinen Preis. Aber für Axel spielte das keine Rolle. Er lebte,

um Geld zu verdienen und erfolgreich zu sein, und damit

natürlich auch seinen exklusiven Lebensstil zu finanzieren.

Und wenn Axel eines konnte, dann war es Geld machen.

Nicht nur, dass er über großes unternehmerisches Geschick

verfügte, dank seiner jovialen Art konnte er selbst bei großem

Konkurrenzdruck immer wieder Auftraggeber und

Geschäftspartner ins Boot holen. Und Nicole war in Axels

Augen das ideale weibliche Gegenstück: eine ehrgeizige,

erfolgreiche Frau, die außerdem noch blendend aussah.

Nicht unwichtig für einen Mann, der seinen Wohlstand und

Erfolg gerne nach außen zeigte.

Nicole hatte sich die ersten Bissen genussvoll auf der

Zunge zergehen lassen. Sie legte Gabel und Messer beiseite

und lehnte sich im Stuhl zurück. „Jetzt geht es mir wesentlich

besser!“

„Na, das klingt ja gerade so, als ob es dir vorher

schlecht gegangen wäre“, grinste Axel. „Aber bei dem Deal,

den du dem alten Tietzbrink beschert hast, ist das doch wohl

kaum möglich.“ Axel hob sein Glas und prostete Nicole zu.

„Mein Engel, ich bin stolz auf dich! Du bist die großartigste

Frau, die mir je begegnet ist. Und so viel Geschäftstüchtigkeit

und Engagement sollte man belohnen.“ Er griff nach seinem

Jackett, das er über die Stuhllehne gehängt hatte, und zog

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aus der Innentasche einen Umschlag hervor. „Hier, mein

Engel, das ist meine kleine Überraschung für dich. Ich hoffe,

du freust dich.“ Und er reichte ihr das Kuvert über den Tisch.

Neugierig öffnete Nicole den Umschlag und zog eine Karte

heraus. „Gutschein“ stand obendrauf. „Hey, du bist ja

verrückt“, freute sich Nicole, nachdem sie den Text

überflogen hatte.

Es war ein Gutschein über eine Woche in einem

Wellnesshotel in Norddeutschland. „Du wirst staunen. Von

Yogi-Tee über Massagen, Sauna und Whirlpool bis hin zu

Moorbädern kannst du dir dort alles aussuchen. Es ist das

ultimative All-inclusive-Verwöhn- und Relaxprogramm. Das

hast du dir verdient, mein Engel. Und der Laden ist wirklich

spitze. Ich hab den Tipp von einem Geschäftspartner

bekommen. Der ist regelmäßig dort.“

„Landschlösschen“, las Nicole laut den Namen vor.

„Keine Sorge, Engel“, grinste Axel, der Nicoles

Abneigung gegen zu viel „Gegend“ gut kannte. „Dieser

Luxustempel liegt zwar sehr ländlich, aber du brauchst keine

Angst zu haben, dass du morgens als Erstes einen langen

Spaziergang über einsame Wiesen und Felder machen

musst, umhüllt vom zarten Duft frisch abgelegter Kuhfladen.

Im Schlösschen wird dir so viel geboten, du brauchst das

Haus gar nicht groß zu verlassen. Es gibt sogar eine kleine

Bar und ein Restaurant dort. Für den Fall, dass du mal lieber

ein Viertel Roten schlürfen möchtest statt Yogi-Tee. Und

wenn’s dich doch nach Frischluft dürstet, gibt’s hinterm Haus

eine herrliche Terrasse mit angrenzendem Pool.“

„Na, dann“, schmunzelte Nicole. „Aber warum hast du

nur für eine Person gebucht? Kommst du nicht mit?“

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„Ich würde gerne“, entgegnete Axel mit echtem

Bedauern in der Stimme, „aber ich habe im Moment so viel

um die Ohren; außerdem läuft die Ausschreibung für den Bau

der Rathauserweiterung bald aus. Da müssen wir noch an

unserem Angebot feilen. Aber vielleicht kann ich mir ja ein

oder zwei Tage freinehmen.“

Nicole sah sich bereits entspannt auf einer

Massageliege, von kräftigen Männerhänden durchgeknetet,

da zuckte sie zusammen: „Mensch, ich habe doch noch gar

keinen Urlaub!“

„Na, hör mal, Engel. Der alte Geldsack wird ja wohl kein

Problem damit haben, dir kurzfristig ein paar Tage

freizugeben, nach allem, was du gerade erst wieder für

seine Firma geleistet hast.“

„Könnte schon sein, ansonsten müsste ich die Fahrt auf

später verschieben.“

„Ach was, das wird schon klappen. Und jetzt im Sommer

ist das Ausspannen doch am schönsten. So, und darauf

trinken wir jetzt einen.“ Erneut griff er zum Glas und stieß mit

Nicole an. „Du könntest doch auf dem Weg auch mal bei

deinen Eltern vorbeischauen“, meinte Axel nach einiger Zeit

der Stille, in der beide mit Genuss aßen. „Soweit ich weiß,

liegt das fast auf der Strecke. Und wohnt deine Schwester

nicht auch dort?“

„Ja, du hast recht, das wäre gar nicht verkehrt. Sobald

ich mit Tietzbrink wegen des Urlaubs verhandelt habe,

werde ich mal bei ihnen durchklingeln.“

„Tu’ das. Aber jetzt genug der Worte.“ Axel legte das

Besteck beiseite, schob seinen Teller zurück und stand auf. Er

ging um den Tisch herum und zog Nicole von ihrem Stuhl

hoch. Dann drückte er sie fest an sich und flüsterte ihr ins

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Ohr: „Es gibt da noch ganz andere wichtige Dinge, die ich

jetzt unbedingt sofort klären möchte.“ Langsam schob er sie

über die Türschwelle zurück ins Wohnzimmer. Dort tastete er

sich zum Reißverschluss ihres Rocks vor und begann ihn zu

öffnen.

„Und das wäre?“, fragte Nicole leise, während sich eine

wohlige Gänsehaut über ihren ganzen Körper auszubreiten

begann.

„Trägst du was Schwarzes oder was Helles drunter …?“

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Kapitel 2

Nicoles Blick schweifte zu der langsam dahinkriechenden

Blechkarawane, die sich nur etwa 50 Meter von ihr entfernt

über die Autobahn gen Norden quälte. Unglaublich, es war

doch jedes Jahr das Gleiche. Die großen Ferien hatten just

begonnen, da quetschten sich ganze Familien mit Kind und

Kegel in die Autos. Sie waren vollgepackt mit Koffern und

Taschen, und das Heck des Wagens schwebte nur wenig

über dem Asphalt. Bei diesem Anblick drängte sich die Frage

nach dem zulässigen Gesamtgewicht förmlich auf. Und kaum

hatte sich die Vorfreude auf sonnige Strände, Meer und

Sandburgen so richtig ausgebreitet – soweit sie in den

überfüllten Benzinkutschen überhaupt noch Platz fand –,

beendete ein Stau abrupt den Urlaub. Normalerweise rief

dieses fast schon rituelle Urlaubsverhalten bei Nicole nur

verständnisloses, nein, mitleidiges Staunen hervor. Sie flog

lieber. Und die Hauptferienzeit mied sie sowieso. Doch an

diesem Tag sorgte der Megastau bei ihr für Ärger, denn bis

soeben hatte Nicole mittendrin gestanden.

Es war Samstagnachmittag, und sie war auf dem Weg zu

ihrer Familie in Niedersachsen. Das heißt, eigentlich wollte

sie seit zwei Stunden dort sein. Doch gerade jenes

beschriebene Urlaubsphänomen war der Grund, dass sie

erst mal eine Pause eingelegt hatte. Unter normalen

Umständen schaffte sie die rund 450 Kilometer lange Strecke

in gut viereinhalb Stunden – und ohne Pause. Doch das

ständige Stop-and-go zermürbte. An der nächsten Raststätte

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hatte sie angehalten, getankt und sich erst einmal einen

starken Kaffee besorgt. Jetzt stand sie auf dem Parkplatz an

die Beifahrertür ihres Wagens gelehnt, den Pappbecher aus

dem Tankstellenshop in der rechten Hand. Sie betrachtete

den blechernen Bandwurm, der kein Ende zu nehmen schien.

„Dass auch immer alle zur gleichen Zeit loseiern müssen“,

seufzte sie und nippte an ihrem Kaffee. Nach Essen war ihr

im Moment gar nicht zumute. Ganz anders im Wagen

nebenan. Dort nahm ein älteres Ehepaar gerade einen

ausgiebigen Imbiss ein, vielleicht das verspätete

Mittagessen. Soweit Nicole erkennen konnte, hatten die

Senioren nicht nur reichlich Kartoffelsalat und Frikadellen

eingepackt. In den verschiedenen Tupperdosen lagen auch

hart gekochte Eier, belegte Brote und Gürkchen. Und das

Armaturenbrett zierte eine Tube Senf. Na denn, Mahlzeit.

Ein Auto weiter trompetete ein dunkelhaariger Machotyp

lautstark in sein Handy. Durch das geöffnete Seitenfenster

ließ er nicht nur seinen Gesprächspartner oder seine

Gesprächspartnerin, sondern auch die Umstehenden wissen,

dass er alle Autofahrer – sich selbst ausgenommen – für das

herrschende Verkehrschaos verantwortlich machte. Er

bezeichnete sie als „Idioten und Penner“. Und natürlich sei er

der Einzige weit und breit, der überhaupt richtig Autofahren

konnte ... Während der Kerl sich immer weiter in Rage

redete, fuchtelte er mit der rechten Hand wild in der Luft

herum, als habe er eine lästige Fliege im Auto.

Ein Stück weit entfernt tobten zwei Kinder unter den

wachsamen Augen ihrer Eltern mit einem Dackel über ein

Rasenstück. Papa und Mama nutzten ihr „Pinkelpäuschen“

zudem, um den Zustand des Gepäcks im und auf dem

Wagen zu kontrollieren. Keine schlechte Idee, bei der Beladung, überlegte Nicole. Gegenüber auf den

Busparkplätzen hatte soeben ein Reisebus gehalten. Er voll

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mit Fußballfans, wie man an den Trikots eines norddeutschen

Vereins unschwer erkennen konnte. Und offensichtlich waren

die Anhänger sehr siegessicher. Die strahlenden Gesichter in

dem feuchtfröhlichen Fanpulk, der sich nach und nach aus

den Türen zwängte und gen Toilettenhäuschen strebte,

sprachen Bände.

„Hey, Deern, Lust auf’n Bier?“ Ein junger Mann, über

dessen Bauch das Vereinstrikot deutlich spannte, hatte

Nicoles Blick offenbar missverstanden und winkte ihr fröhlich

zu. Nee, das fehlte mir jetzt gerade noch, dachte Nicole,

trank seufzend ihren Becher aus, zerknüllte ihn und warf ihn in

den nächsten Papierkorb. Dann setzte sich wieder hinters

Steuer.

Zu ihren Eltern war es nicht mehr weit, unter normalen

Umständen vielleicht noch eine halbe Stunde. Beim

Zurücksetzen warf sie einen letzten Blick auf das Ehepaar im

Wagen nebenan. Satt und zufrieden sahen die beiden aus.

Salat und Butterbrote waren verspeist, und auch die Senftube

hatte der ältere Herr jetzt weggenommen, sicherheitshalber.

Vielleicht, weil er nicht wusste, wie sich die starke

Sonneneinstrahlung auf die Haltbarkeit des Tubeninhalts

auswirken würde?!

Mit einem Schmunzeln reihte sich Nicole wieder in die

Blechlawine ein. Die beiden Herrschaften hatten sie an ihre

Eltern erinnert. Vor allem an die Zeiten, als Vater und Mutter

noch mit Nicole und ihrer kleinen Schwester Sandra

gemeinsam in den Urlaub gefahren waren; zumeist in die

Berge, denn plattes Land gab’s zu Hause genug. Der Kombi

von Friedhart Lohmanns war ebenso vollgepackt gewesen

wie die Wagen all der anderen Urlauber, die sich gerade mit

Nicole über die Autobahn quälten. Gut, dass Vater zwei

Außenspiegel am Wagen gehabt hatte, denn durch die

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Heckscheibe war kein Blick mehr möglich gewesen. Koffer,

Taschen und Tüten stapelten sich bis unter die Decke. Jedes

Mal hatte das Beladen des Wagens beinahe zu einem

Riesenkrach geführt. Friedhart war stets der Meinung, die

Hälfte des Gepäcks sei überflüssig. Eine Behauptung, der

Mutter Rosalind heftig widersprach. Schließlich könne man ja

nie wissen, wie das Wetter im Urlaub werden würde. Man

müsse ja auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Und

überhaupt: „Wenn irgendwas fehlt, dann sagst du immer:

‚Warum hast du’s nicht eingepackt?‘“, war die

Standardantwort der Mutter. Das sei ja wohl etwas ganz

anderes, moserte Friedhart dann zurück. Schließlich und

endlich gelang es aber doch immer wieder, das ganze

Gepäck im Wagen unterzubringen. Den Vogel abgeschossen

hatte allerdings einmal Nicoles Schwester Sandra: Weil sie

kurzfristig keine Urlaubsbetreuung für ihre beiden Goldfische

gefunden hatte, stand sie am Reisetag mit einem

Einmachglas in der Hand vor dem Auto. Das Gefäß war mit

einer durchlöcherten Zellophanfolie abgedeckt. Vater

Friedhart bekam fast einen Tobsuchtsanfall. Schließlich fuhren

die Goldfische aber doch mit. Übrigens ihre erste und letzte

Reise; sie wurden wohl durch das Geschaukel im Auto

seekrank und gingen wenig später ein.

Lautes Hupen ließ Nicole erschrocken zusammenfahren.

Sie hatte gar nicht bemerkt, dass es kurzzeitig zügiger

voranging, vor ihr klaffte eine große Lücke in der Kolonne. Sie

hob entschuldigend die Hand und schloss wieder zu ihrem

Vordermann auf. Ja, es war eine typisch gutbürgerliche

Familienidylle, die ihre Kindheit geprägt hatte. Und als sie

klein war, hatte sie das alles geliebt: das hübsche

Einfamilienhaus, den gepflegten Garten mit Schaukel und

Klettergerüst, den üppigen grünen Rasen, den der Vater

samstags mähte. Felder und Wiesen umschlossen das kleine

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Städtchen, im Sommer sahen die Kinder den Bauern bei der

Ernte zu, im Herbst machten sie auf den Feldern

„Stoppelschlachten“. Ihr Vater hatte einen gehobenen Job in

der Stadtverwaltung, ihre Mutter blieb der Kinder wegen zu

Hause, kümmerte sich neben dem Wohle ihrer Sprösslinge

um Haus und Garten. Ja, sie und ihre Schwester hatten es

sehr gut gehabt, und noch heute blickte Nicole voller

Dankbarkeit auf dieses Elternhaus. Doch es war der Tag

gekommen, als sie dieser Idylle einfach überdrüssig wurde.

Sie wollte raus, mehr erleben, mehr sehen. Sie wollte in die

großen Städte, dort, wo das Leben brodelte und vor allem

die jungen Menschen lockte.

Das laute Hupen ihres Hintermannes unterbrach Nicoles

Gedanken erneut. „Ja, ja, ist ja schon gut!“, murmelte sie,

während der Typ hinter ihr wild gestikulierte. Ach, das war

doch der Handy-Macho von vorhin. Klar, jetzt fühlte er sich

in seiner Einschätzung über andere Autofahrer bestätigt.

Egal. Trotzdem, Nicole beschloss, sich jetzt doch

ausschließlich auf den Verkehr zu konzentrieren, damit sie

nicht auf den letzten Metern auch noch einen Unfall baute.

Das hätte ihr gerade noch gefehlt.

Je näher ihr Heimatstädtchen rückte, umso mehr begann

es in ihrem Bauch zu kribbeln. Seit Weihnachten hatte sie ihre

Familie nicht gesehen, sie freute sich auf ihre Lieben. Und für

ein, zwei Tage ließ sich das gutbürgerliche Idyll sicher

ertragen. Außerdem war ihre Mutter eine exzellente Köchin

und hatte anlässlich des Besuchs ihrer Ältesten sicherlich

etwas Gutes gezaubert. Klar, Kartoffelsalat mit Würstchen und Senf, dachte Nicole.

***

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Ende der Leseprobe

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