linguacluster: unser kulturelles erbe
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Linguacluster: unser kulturelles ErbeTRANSCRIPT
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UNSER KULTURELLES ERBE
NOTRE HERITAGE CULTUREL
ONS CULTUREEL ERFGOED
NEUNUNDSIEBZIGSEPTANTE-NEUF
NEGENENZEVENTIG
ACHTUNDSIEBZIGSEPTANTE-HUITACHTENZEVENTIG
Was alles Kunst sein kann...Zeitgenössische Kunst - Art contemporain - Hedendaagse kunst
Kunst ist Teil des Lebens. Schon immer haben Menschen gezeichnet, ge-malt und gebaut. Kunstmuseen sammeln und bewahren diese Werke, damit sie auch in Zukunft in Ausstellungen gezeigt werden können. Museen sind wie ein großes Gedächtnis, in dem alles gespei-chert ist. Im Ludwig Forum gibt es über 3.000 Kunstwerke aus Europa, Amerika,Asien und Afrika. Das Besondere ist, dass das Ludwig Forum nur Kunst-werke sammelt, die nach 1960 entstan-den sind. Diese Kunst nennt man neue, aktuelle oder auch „zeitgenössische Kunst“ (FR „art contemporain“/ NL „hedendaagse kunst“).
Alles kann ein Kunstwerk sein, ob gemalte Bilder oder Skulpturen, Foto-grafi en oder Videos. In der Kunst gibt es kein falsch und richtig. Ty-pisch für zeitgenössische Kunst ist, dass sie besonders abwechslungs-reich, fantasievoll und off en für neue Ideen ist. Es geht darum, etwas Neues
auszuprobieren und die Welt mit anderen Augen zu sehen. Fünf Kunstwerke aus dem Ludwig Forum möchten wir euch vorstellen.
Der aus Luxemburg stammende Künstler Michel Majerus hat bei diesem Bild ganz unterschiedliche Materialien und Bilder mit-einander kombiniert und zu einem Kunstwerk zusammengefügt. Diese Technik nennt man „Collage“ (von FR „coller“ = kleben). Teil des Werks ist ein Ausschnitt aus einem Comic. Die Collage war schließlich Vorlage für ein riesiges Ölbild (Abb. 3).
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Erzähle innerhalb von 30 Sekunden,was du auf dem Bild siehst! Nehmt euch eine Uhr und
stoppt die Zeit! Was hast du gesehen und was haben die anderen gesehen? Vergleicht eure Beobachtungen!
Sieht man sich von weitem das Bild des amerikanischen Künst-lers Chuck Close an, kann man kaum glauben, dass es kein Foto ist, sondern Pinselstrich für Pinselstrich gemalt. Diese Art der Malerei nennt man Fotorealismus. Wenn man ganz nah an das
Abb. 2: Duane Hanson, Bowery Bums, 1969/70, Fiberglas, Polyester und
originale Kleidung, menschengroß
Abb. 1: Das Ludwig Forum in Aachen
Abb. 3: Michel Majerus, Ölbild, 1995 Öl auf Leinwand, 750 x 300 cm
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Wer ist wohl der Mann auf dem Bild? Versuche, im Internet möglichst viel
über ihn herauszufi nden!
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Du siehst, was alles Kunst sein kann. Denke Dir selbst
ein „ungewöhnliches“ Kunstwerk aus und mache
eine Zeichnung davon!
Viele große Museen haben schöne Internetseiten für Kinder, z. B.:
• Metropolitan Museum of Art (MOMA, New York metmuseum.org/learn/for-kids)
• Tate Galery, London http://kids.tate.org.uk/
Chuck Close, Richard, 1969, Acryl, Kohle, Kreide auf Leinwand, 274 x 213 cm
Originalbild herangeht, kann man die einzelnen Pinselstriche sehen. Der Mann auf dem Bild heißt übrigens wie das Bild selbst Richard – Richard Serra (Abb. 4).
Auch eine Rutsche kann ein Kunst-werk sein. Der polnische Künstler Pawel Althamer hat zusammen mit Kindern aus Aachen gegenüber dem Ludwig Forum in der Kirche St. Elisabeth eine Rutsche gebaut (Abb. 5).
Pawel Althamer, Projekt für Aachen, 2010 Installation aus Holz, Messing und anderen Materialien, ca. 800 x 250 x 250 cm
Abb. 6: Duane Hanson, Supermarketlady, 1970, Fiberglas,
originale Kleidung, 166 cm
• Ludwig Forum (LUFO)
in Aachen:ludwigforum.de
Weitere Orte zeitgenössischer Kunst:
•Bonnefanten-
museum in Maastricht (bonnefanten.nl)
• SCHUNCK*/Het glaspaleis in Heerlen
(schunck.nl)
• Z33 in Hasselt (z33.be)
• IKOB in Eupen(ikob.be)
• MAMAC in Lüttich
(mamac.be)
Das Museum „Ludwig Forumfür Internationale Kunst“ befi ndet sich in Aachen
in einer alten Schirmfabrik, die früher zu denwichtigsten der Welt gehörte (Abb.1). Das Restau-rant heißt deshalb auch „Parapluie“ – französisch für „Regenschirm“. Im Aachener Dialekt sagt man
zum Schirm übrigens auch „Paraplü“.
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Abb. 4 Abb. 5
Kunstwerke 2-6: Ludwig Forum, Aachen
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Als Held der Lütticher Bürger, vor allem der „kleinen Leute“, ging Tchantchès oft an der Maas spazieren. Er war dabei immer gut gelaunt, und wenn die Laune besonders gut war, auch ein bisschen frech – aber nie so, dass es verletzend war. Einmal
lernte er bei einem Spaziergang Bischof Turpin und den Ritter Roland kennen. Der „Prinz von Outremeuse“ gefi el ihnen so gut, dass die beiden wichtigen Männer ihn schließlich auch Karl dem Großen vorstellten. Karl war im-merhin König und spä-ter Kaiser! Roland, Karls Neff e, wurde Tchantchès’bester Freund und sie erlebten zusammen viele Abenteuer – aber das sind wieder andere Geschichten…
EINUNDACHTZIGQUATRE-VINGT-UN
ÉÉNENTACHTIG
ACHTZIGQUATRE-VINGTSTACHTIG
Tchantchès, der Held von LüttichSagen und Legenden (1) - Mythes et légendes (1) - Sagen en legenden (1)
Im August des Jahres 760 kam Tchantchès unter sonderbaren Umständen auf die Welt: Zwischen zwei Pfl astersteinen, mitten auf der Straße im Lütticher Stadtteil Outremeuse (das bedeutet „auf der anderen Seite der Maas“) wur-de er geboren und schrie laut, weil er Durst hatte. Aber Wasser konnteder Kleine nicht leiden und sein Adoptivvater gab ihm Pèket – so heißt in Lüttich der Schnaps.
Bei seiner Taufe stieß Tchantchèsaus Versehen gegen das Tauf-becken, und die Nase des Jungen verformte sich und wurde ganz rot.
Die Geschichte von Tchantchès wird seit langer Zeit immer weiter erzählt. Sie ist Teil der Folklore. Als Folklore bezeichnet man Wissen, Bräuche und Geschichten, die über viele Jahrhunderte mündlich von Generation zu Generation weitergegeben werden. Dazu gehören z. B. auch Sprichwörter, Lieder, Sagen und Märchen. Kinder lernen sie von ihren Eltern und Großeltern und geben sie später an ihre eigenen Kinder weiter.
Abb. 1: Nanesse, Tchantchès, Ritter Roland und Karl der Große
Im Stadtteil Outremeuse hat Tchantchès sogar sein eigenes Denk-
mal. Jedes Jahr am 15. August feiert der Stadtteil sein großes Volksfest
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Sammle niederländische und/oder französische Vornamen
und suche die deutschen „Übersetzungen“. Findest
du auch Dialektnamen?
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Über Tchantchès kann man noch viel mehr erfahren. Was bekommst Du noch über ihn heraus? Versuche auch
herauszufi nden, was er alles im Umfeld von Karl dem Großen erlebt hat!
„Tchantchès“ ist die wallonische Form des französischen
Namens „François“, auf Deutsch „Franz“, niederländisch „Frans“ und
im Aachener Dialekt „Fränz“.
Tchantchès schämte sich sehr für seine Hässlichkeit, aber während des Festes „Saint-Måcrawe“ schmierte er sich – wie es dabei Tradition ist – mit schwarzem Ruß ein. So traute er sich auf die Straße. Die Leute auf der Straße fanden ihn sehr nett und lustig: Sie ernannten ihn deshalb zum „Prince di Dju d’là Mouse“, also zum Prinzen von Outremeuse, und Tchantchès vergaß, wie hässlich er war.
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Sammle weitere Sagen aus dem Leben Karls des Großen! Was könnte daran wahr sein und was wohl eher nicht?
Die Abenteuer von Tchantchès gibt es auch als Comics
(Abb. 3). Kein Wunder: Lüttich liegt in Belgien und Belgien ist sozusagen das Mutterland der
Comics – viele bekannte Comichelden kommen von hier: die Schlümpfe, Lucky
Luke, Tim & Struppi…
Märchen und die darin vorkommenden Personen sind meis-tens frei erfunden. Das ist bei Sagen (und bei den ihnen verwand-ten Legenden) ein bisschen anders: Hier geht es oft um Orte und Personen, die es wirklich gegeben hat. Mit den Jahren wur-de beim Erzählen dieser Geschichten oft etwas verändert oder hinzu erfunden. Deshalb ist nicht alles wahr, was in einer Sage erzählt wird. In diesem Sinne ist die Geschichte von Tchantchès eine Sage.
Abb. 6: Riesenpuppen von Tchantchès und Karl dem Großen werden bei
Festen durch Lüttich getragen. Abb. 5: Sogar eine Frittenbude trägt
den Namen des Helden!
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Übrigens hat Tchantchès auch eine Freundin: Sie heißt Nanesse. Solche „Volkshelden“ gibt es überall, oft auch in
Puppentheatern. Suche nach Geschichten von ähnlichen Figuren in deiner Stadt und erzähle sie!
(z. B. das „Öcher Schängchen“ aus Aachen)
„Museum für wallonische Volkskunde“ in Lüttich: spannende Alltagsgegenstände aus dem Leben der
Wallonen wie Werkzeug, Spielzeug, Kleidung und alte Schulsachen, Schmuckstücke des Karnevals und anderer
Volksbräuche und Feste (viewallonne.be)
Fotos von Tchantchès und Infos zu seinem Museum
sowie zum Puppentheater (Abb. 4) unter tchantches.eu.
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Tchantchès-Theater in Outremeuse
Abb. 3
Abb. 4
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DREIUNDACHTZIGQUATRE-VINGT-TROIS
DRIEËNTACHTIG
ZWEIUNDACHTZIGQUATRE-VINGT-DEUXTWEEËNTACHTIG
• Domführungen inkl. Sagen rund um den Dom:
aachendom.de
(mit 360° Panorama)
• Führungen zu zahlreichen anderen Legenden um das alte
Aachen bei stadtbekannt-aachen.de;
exkurs-aachen.de, aachen-tourist.de.
Abb. 1: Aachener Dom (das Münster)
Abb. 2: Diese Bronzefi gur in der Ein-gangshalle des Doms hat ein Loch in
der Brust. Deshalb halten die meisten sie für den Wolf aus der Sage. In Wirk-lichkeit handelt es sich um eine Bärin.
Sie war früher Teil eines Brunnens. Ihre linke Pfote zu berühren, bringt Glück!
Der Teufel in Aachen (Dombausage)Sagen und Legenden (2) – Mythes et légendes (2) – Sagen en legenden (2)
Der Aachener Dom ist vielleicht das berühmteste Bauwerk der Euregio (Abb. 1). Das hat er nicht zuletzt sei-ner enormen Bedeutung für die mittel-alterlichen Kaiser zu verdanken. Denn im Mittelalter war es Sitte, dass alle Kaiser zunächst in Aachen zum römisch-deutschen König gekrönt wurden. Damit war Aachen, das im Mittelalter eigentlich nur eine sehr kleine Stadt war, schon früh in ganz Europa bekannt und der Dom für alle Könige ein beinahe „magischer“ Ort.
Darauf machte man sich daran, im Aache-ner Wald einen der Wölfe zu fangen, die damals noch dort lebten. Man schickte ihn durch die mächtige Bronzetür der Kirche, hinter der der Teufel schon in blinder Gier wartete. Ohne genau hinzusehen, riss er dem armen Tier die Seeleaus dem Leib, merkte aber schnell, dass er betrogen worden war. Wutschnaubend knallte er das Kirchenportal hinter sich zu und riss
Wie um alle so bedeutsamen Orte ranken sich um den Dom eine Reihe von Sagen und Legenden. Die bekanntes-te hängt mit seinem Bau vor gut 1.200 Jahren zusammen. Ein Dom ist übrigens eigentlich die Hauptkirche eines Bischofs, den es damals in Aachen aber noch nicht gab. Deshalb sagen die Aachenerbis heute auch lieber „Münster“ und meinen damit den heutigen Dom.
Karl der Große hatte für seine Pfalz in Aachen den Bau einer prächtigen Kapelle in Auftrag gegeben. Aber wie so oft bei solchen Prachtbauten ging der Stadt das Geld aus und die Aachener waren in großer Not. Als ein fremder Mann anbot, die Fertigstellung des Baus zu
bezahlen, waren die Aachener erleichtert, denn sie wollten sich mit der halbfertigen Kirche nicht in der Welt blamieren. Aber die Sache hatte – im wahrsten Sinne des Wortes – einen Pferdefuß. Der Mann verlangte als Gegenleistung die erste lebende Seele, die das neue Bauwerk betreten sollte. Jetzt war den Aachenern klar, mit wem sie es zu tun hatten, aber zuversichtlich (und vielleicht auch ein bisschen blauäugig) wie sie waren, willigten sie wohl oder übel in den Pakt ein.
Rechtzeitig war die neue Vorzeigekirche fertig und beeindruckte alle, die sie sahen – nur wollte sie, aus Angst um die eigene See-le, niemand betreten. Zum Glück gab es einen Aachener Bürger, der besonders „lues“ (sprich lu-es = schlau) war, und den rettenden Einfall hatte: „Wer hat denn gesagt, dass die erste Seele einem Men-schen gehören muss?“
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Was könnte hier wahr sein, was ist wahrscheinlich
irgendwann einmal dazu erfunden worden?
Der Teufel heißt auf Deutsch auch manchmal Luzifer. Dasselbe Wort
auf Niederländisch (lucifer) bedeutet übrigens „Streichholz“.
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Denke dir selbst eine sagenhafte Geschichte aus, die mit einem Ort in deiner Nähe zu tun hat und in der
der Teufel oder ein anderes sagenhaftes Wesen eine Rolle spielt.
Buchtipp! „Teufel – Printen – Hexerei.
Wahre und legendäre Geschichten aus Aachen“
von Sabine Mathieu.
Abb. 4: Für viele stellt dieser Pinien-zapfen die Seele des Wolfes dar. Auch
er war früher Teil eines Brunnens.
Abb. 5: Um sich zu rächen, kam der Teufel nach Aachen zurück. Der Marktfrau, die das Schlimmste verhindert hat, wurde auf
dem Lousberg ein Denkmal gesetzt.
Abb. 3: Nach der Sage wird die riesige Bronzetür des Doms „Wolfs-tür“ genannt. Im Löwenkopf, der ursprünglich den Türring hielt, kann
man noch heute den abgerissenen Daumen des Teufels fühlen.
Schon unterwegs ersann der Flüchtende einen teufl ischen Racheplan, aber das ist eine andere Sage. Nur so viel sei verraten: Viel Sand, kaputte Schuhe und eine „luese“ Aachenerin spielen eine Rolle (Abb. 5).
Übrigens kommt ein Teufelspakt in vielen Sagen vor, er ist ein häufi ges „Motiv“, wie man sagt. Kennst du andere Geschichten, in denen der Teufel eine Rolle spielt?
sich dabei zu allem Überfl uss noch seinen Daumen ab. Ohne sich umzusehen, rannte er aus der Stadt, wo die Aachener endlich feiern konnten.
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Über 1.400 Menschen wurden als Bockreiter verhaftet, verurteilt und ein großer Teil davon schließlich hingerichtet. Auch die Verbannung war eine harte Strafe: Die Verurteilten duften dann nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren. Heute weiß man, dass sehr
viele unschuldig ver-urteilt wurden. Auf jeden Fall waren die meisten von ihnen sehr arm und wären viel-leicht verhungert, wenn sie nicht gestohlen hätten.
FÜNFUNDACHTZIGQUATRE-VINGT-CINQ
VIJFENTACHTIG
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Folter, Tod und Teufelshörner (Bockreiter)Sagen und Legenden (3) – Mythes et légendes (3) – Sagen en legenden (3)
Was würdest du sagen, wenn du von Banditen hören würdest, die, verkehrt herum sitzend, auf fl iegenden Ziegen-böcken zu ihren Raubzügen reiten? Wahrscheinlich: Das gibt’s doch gar nicht! Aber genau das haben viele Men-schen in der Euregio im 18. Jahrhundert, also vor 200 bis 300 Jahren geglaubt. Und viele hatten natürlich Angst vor den „Bockreitern“, wie man die Räuber-bande nannte, das jedenfalls kann man sich vorstellen.
Nun kann man mit Sicherheit sagen, dass die Bockreiter nicht wirklich auf Ziegenböcken durch die Luft gerit-ten sind – dieses Gerücht ist Teil einer Legende. Aber wie bei allen Legenden ist auch an dieser Geschichte etwas Wahres, auch wenn man nicht so ein-fach sagen kann, was das genau ist. Klar ist, dass es die Räuberbande tatsächlich gegeben hat. Heute glaubt man, dass es sich eigentlich eher um mehrere Banden gehandelt hat. Das alles herauszufi nden, ist die Aufgabe von Historikern. Aber wer spannende Geschichten erzählt, muss sich nicht immer an die Wahrheit halten.
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Das niederländische Kerkrade und das deutsche Herzogenrath gehörten früher beide zum „Land von
Rode“. Such nach anderen Städten, die früher zu einem anderen Land gehörten als heute!
Die Geschichten von den Bockreitern sind echte Euregio-Legenden, denn die Banditen trieben ihr Unwesen im Gebiet des früheren Herzogtums Limburg, das sich heute auf die Niederlande, Belgien und Deutschland verteilt. Angeblich hatten die Bockreiter einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, daher auch das Gerücht, dass sie auf Böcken ritten. Die Böcke galten wegen ihrer Hörner als Teufelstiere. Kein Wunder, dass die Menschen Angst hatten!
Allerdings gab es wohl auch Leute, die heimlich Verständnis für die Bockreiter hatten. Denn es hieß, sie verteilten ihre Beute gerecht – so wie in der Legende von Robin Hood. Auch heutzutage gibt es manchmal Verbrecher, für die die Bevölkerung Verständnis hat. Darum kann und will sich die Polizei natürlich nicht kümmern: Denn es bleiben Verbrecher, die gegen unsere Gesetze verstoßen.
Mit diesen Folterwerkzeu-gen fügte man den Men-
schen schlimme Schmerzen zu, um sie zu einem Ge-
ständnis zu zwingen. Abb. 1: „Spanische Stiefel“,
Abb. 6: „Spinne“, Abb. 7: „Daumenschraube“
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Stell dir vor, du bist als Bock-reiter verhaftet worden, und sollst morgen dem Schöff en
(Richter) vorgeführt werden. Schreibe auf, welche Gedanken dir
durch den Kopf gehen!
Das Hauptgebiet der Bockreiter war das „Land von Rode“. In
Kerkrade steht heute noch die ehemalige Abtei Rolduc: Der Name kommt von Rode-
le-Duc (duc = Herzog), daran sieht man, wem das Land früher gehörte!
(rolduc.com)
Abb. 2: Die Burg Rode. Hier fanden früher Gerichtsverhandlungen zu den
Bockreitern statt.
Der Vorwurf damals: Die Bockreiter hätten geraubt und gestoh-len, Häuser und Höfe in Brand gesteckt, Menschen erpresst und ihnen Gewalt angetan. Daher wurden damals viele Menschen ver-haftet, die unter Verdacht standen, zu der Bande zu gehören. Der schlimmste Vorwurf war dabei allerdings der Pakt mit dem Teu-fel, denn hierauf stand die Todesstrafe. Weil dieser Pakt nicht zu beweisen war, versuchte man häufi g, die Verdächtigen mit Folter zu einem Geständnis zu zwingen. Diese Methode ist bei der Verfolgung von Verbrechern heute selbstverständlich verboten!
Sogar auf einem Karnevalsorden haben die Bockreiter ihren Platz gefunden!
(Abb. aus: Kaiser/Schneiders 1990, Sagenhaftes Herzogenrath)
Abb. 7
Abb. 6
Abb. 4
„Spinne“
Daumenschraube
Das Wanderwegenetz „Der Herzog-Limburg-Pfad“ hält sehr schöne Wanderungen
entlang spannender Stationen zur Geschichte des
Herzogtums Limburg bereit (hertoglimburgpad.nl).
In der Burg Rode in Herzogenrath (Abb. 2+5, burgrode.de) sind im Keller ein Kerker und Folterwerkzeuge zu sehen. Ein schöner Anlass für einen Besuch: Man kann hier auch
Kindergeburtstage mit „echten“ Rittern feiern!
Die „Bokkerijders-genootschap“ ist ein Verein, der sich ganz der Geschichte der Bockreiter widmet. Das
ist seine Fahne.
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SIEBENUNDACHTZIGQUATRE-VINGT-SEPT
ZEVENENTACHTIG
SECHSUNDACHTZIGQUATRE-VINGT-SIXZESENTACHTIG
Jeder Jeck spricht anders…Mundart und Dialekte – Idiomes et dialectes – Streektalen en dialecten
Abb. 2: In Süd-Limburg (NL) sind die meisten Ortsschilder zweisprachig: Niederländisch und Limburgisch
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Dialekt in den Medien: Finde heraus, welches Dialekt-
angebot die Zeitung, der Fernsehsender und das
Radio bei euch vor Ort haben.
Weißt du, was Dialekte sind? Wenn nicht, macht das nichts. Denn selbst die Wissenschaftler sind sich nicht ganz einig. Aber allgemein kann man sagen: Ein Dialekt ist eine Sprache, die in einer bestimmten Gegend gesprochen wird. Ein Dialekt (auch: eine „Mundart“) unterscheidet sich meistens deutlich von der geschriebenen Sprache – diese ist für alle gleich und es gibt in der soge-nannten „Hochsprache“, die als Schrift-sprache verwendet wird, Regeln, die für alle gelten.
Dialekte unterscheiden sich dagegen von Dorf zu Dorf. Das bedeutet: Je wei-ter zwei Orte auseinander liegen, des-to schwerer ist es für die Einwohner dieser beiden Orte, sich untereinander zu verstehen. Umgekehrt heißt das auch: Meist versteht man die Menschen aus dem Nachbarort gut, wenn sie
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Sammle Dialektbegriff e und suche die „Übersetzung“ in der Hochsprache (Tipp:
Schimpfwörter, Essen und Trinken, Straßen- und Ortsnamen…)
Abb. 1: Man sieht, dass das Wallonische viele Wörter hat, die es so ähnlich in den Nachbarsprachen (NL, DE) gibt. Eigentlich ist es aber
nur mit dem Französischen verwandt!
„Flämisch“ nennen vieleBelgier, die Niederländisch sprechen, ihre Hochsprache. Sie ist weitgehend die gleiche wie die, die in den Nieder-
landen verwendet wird. Flämisch ist also kein einzelner Dialekt, aber es gibt in
Belgien sehr viele fl ämische Dialekte!
Ein Beispiel: In Sittard wohnen Niederländer – sie sprechen und schreiben Niederländisch, aber untereinander sprechen sie einen limburgischen Dialekt. Ihre Nachbarn in der Gemeinde Selfk ant, Kreis Heinsberg, sind Deutsche. Sie benut-zen die deutsche Sprache, wenn sie schreiben, aber wenn sie untereinander sprechen, verwenden sie oft ihren Dialekt. Und der
Dialekt sprechen. Und zwar manchmal selbst dann, wenn sie in einem anderen Land wohnen!
Abb. 3: Karte mit Dialektnamen der Hauptstädte
• auf youtube.com gibt es unter dem Stichwort „Dialektatlas“ kurze Filmbeiträge zu über 100
deutschen Dialekten.
• Portale zu Dialekten in NL und BE: Karten, Liedtexte, Hörbeispiele… (z. B. streektaal.net, spraakmakkers.be).
Am meisten verbreitet ist das Dialektsprechen in Limburg – auf der belgischen (fl ämischen) Seite genauso wie in Niederländisch-Limburg. Die aller-meisten Einwohner beherrschen den Dialekt ihrer Gegend und benutzen ihn privat. Im deutschen Teil der Euregio sprechen meistens nur noch die älteren Menschen Dialekt. Nur in den ländlichen Gegenden, etwa in der Eifel oder in der Heinsberger Gegend, lebt der Dialekt noch richtig.
Fortsetzung nächste Seite
ist (fast) genau derselbe wie der in Sittard. Ganz ähnlich ist es in vielen Gebieten der Euregio, z. B. an der belgisch-deutschen Grenze in der Eifel oder an der niederländisch-belgischen Gren-ze im Maasland.
Typisch Lüttich: „Oufti!“ – ein Ausdruck, der immer
passt, wenn man erstaunt oder über-rascht ist. Eine ähnliche Bedeutung
im Öcher Platt: „Dä!“
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Puppentheater in Lüttich (Tchantchès) und die Stadtpuppenbühne Aachen
(Öcher Schängchen)
Abb. 5: Werbegag eines Friseurs
Nur ungefähr jeder hundertste Belgier hat Deutsch als Muttersprache. Aber in Sachen Dialekt ist dieser kleine Teil Belgiens – die „Deutschsprachige Gemeinschaft (DG)“ – groß: Sehr viele können dort neben Deutsch auch Französisch, aber sprechen zu Hause, beim Sport oder auf dem Markt ihren Dialekt.
Abb. 6: Hier wird im Dialekt dazu aufge-rufen, das Wasser der Weser zu schützen Speisekarte in Bree
Übrigens: Wikipedia gibt es in vielen Sprachen (2012 ca. 270). Davon sind
auch einige Dialekte. Die Internetadresse heißt immer XX.wikipedia.org.
Anstelle von XX steht immer eine Abkürzung für eine Sprache oder einen
Dialekt, z.B. fr für français, nl für nederlands, de für deutsch. Oder auch: wa
für walon, li für limburgs oder ksh für „kölsch/ripuarisch“ (so nennt man die
Gruppe von Dialekten, die im Rheinland gesprochen werden).
Vor allem in den größeren Städten droht der Dialekt dagegen auszuster-ben. Oft versuchen Vereine, das zu verhindern: Sie sammeln Lieder und Gedichte, erstellen Wörterbücher und organisieren Vorträge – so z. B. beim „Öcher Platt“ in Aachen.
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Von vielen Vornamen gibt es eine Dialektform. Versuche
möglichst viele zu fi nden!
„Cisse pådje egzistêye e walon!“ – das sieht aus wie Afrikanisch, ist aber Wallonisch. Portal zur wallonischen
Sprache: walon.org.
Im französischsprachigen Teil Belgiens werden „wallonische“ Dialekte gesprochen. Wallonisch ist die Sprache, die früher in Südbelgien (der Wallonie) gesprochen wurde. Es ist mit dem Französischen verwandt, aber hört sich ganz anders an und sieht geschrieben auch ganz anders aus. Bis vor ca. 100 Jahren haben noch fast alle Wallonen im Alltag auch Wallonisch gesprochen – heute können das nur noch wenige. Aber dafür gibt es ca. 200 kleinere Theater, die für mehr als 200.000 Zuschauer im Jahr Stücke auf Wallonisch spielen. Außerdem gibt es in den Grundschulen immer öfter Wallonischkurse. Und wen freut es besonders, wenn die Kinder beim Schulfest ein Gedicht im Dialekt vortragen? Die Großeltern natürlich!
Dialekte sind wertvoll, weil sie ein Stück Vielfalt bewahren. Politiker und Wissenschaftler sprechen oft von „kulturellem Erbe“ – und das sind Dialekte wirklich. Kannst du dir vorstellen, was damit gemeint ist?
Abb. 10: Im Karneval ist der Dialekt Standardsprache – manchmal auch
in der Grundschule!
So teilen unsere Wissenschaftler unsere Dialekte ein. Muss man nicht verstehen, kann man aber mal gesehen haben!
Abb. 9: In Lüttich haben viele Restaurants wallonische Namen, in Eupen auf Eupener Platt.
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In Lüttich und Aachen tut man sich prinzipiell schwerer mit einer Umnutzung. Die Nutzung als Museum und Ausstellungsraum ist aber auch hier üblich. Es zeigt sich allerdings, dass man das Problem nach vielen Jahren oft als weniger schlimm empfi ndet: Wenn Stadtführer erzählen, dass Napoleon die Kirchen als Pferdeställe benutzt hat, als er vor etwa 200 Jahren die Euregio eroberte, lachen die meisten. Und in Aachen dient eine Kirche seit vielen Jahren als Turnhalle für eine Schule und kaum einer stört sich daran. Aber ist es nicht besser, die schönen alten Gebäude irgendwie mit Leben zu füllen, als sie verfallen zu lassen?
Für die christlichen Kirchen ist das Ausbleiben der Gläubigen ein großes Problem. Denn erstens werden die vielen schönen Kirchengebäude nur noch wenig genutzt, und außerdem fehlt den Kirchen Geld. Man kann und will aber die Kirchen nicht einfach abreißen, denn sie sind oft sehr alt und wertvoll und es handelt sich schließlich um Gotteshäuser. Was also tun?
Am sinnvollsten ist eine Umnutzung. Das bedeutet, man benutzt das Gebäude für etwas anderes als Gottesdienste. Aber auch hier muss man aufpassen, dass man die Würde des Gotteshauses achtet. Hiermit gehen die Länder sehr unterschiedlich um. Am mutigsten sind die Niederländer: In Maastricht gab es schon früh sogar eine Disko in einer alten Kirche. Berühmt sind auch ein modernes Hotel und eine riesige Buchhandlung (Abb. 3, 5), die in nicht mehr genutzte Kirchengebäude eingezogen sind. Sogar ein Fitnessstudio gibt es!
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Gott und die EuregioReligion und Kirchen - Religion et églises - Godsdienst en kerken
Glaubst du an Gott? Das muss jeder Mensch für sich selbst entscheiden. In jedem Fall hat sich in Sachen Glauben und Religion sehr viel im Vergleich zu früher geändert. Besonders deutlich ist zu erkennen, dass immer weniger Menschen in den Gottesdienst gehen. Das gilt für die meisten Länder in Europa, und auch die Euregio ist da keine Ausnahme. Aber ansonsten gibt es bezüglich der Religion hier schon einige Unterschiede.
Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass die Euregio Maas-Rhein ein katholisches Gebiet ist bzw. war. Also gingen die Menschen, (egal ob in Lüttich, Maastricht, Eupen, Hasselt oder Aachen) sonntags in die katholische Kirche, denn ein anderer Glauben war entweder verboten oder wurde nur stillschweigend geduldet und von wenigen gelebt. Schon seit dem Mittelalter gab es immer einige Juden und seit ungefähr 500 Jahren auch eine Reihe Protestanten, die aber immer klar in der Minderheit waren.
Seit etwa 50 Jahren ist eine andere Glaubensgruppe sehr bedeutend geworden: die Anhänger des Islams, die Moslems. Sie sind aus ganz
verschiedenen Ländern eingewandert: in Deutschland z. B. vor allem aus der Türkei, in Lüttich und den Niederlanden auch viele aus Nordafrika. In den letzten Jahren sind auch viele aus Bosnien und dem Kosovo gekommen. In der Euregio wurden und werden deshalb auch
Moscheen gebaut, in denen die Moslems zu Allah beten. In Genk gibt es z. B. allein fünf davon und außerdem drei orthodoxe Kirchen für griechische und ukrainische Christen (Abb. 1/2). In Borgloon und Sint-Truiden befi nden sich sogar zwei indische Sikh-Tempel!
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Viele Kirchen sind nacheinem Heiligen benannt.
Findet heraus, wer derNamensgeber der Kirche in
eurer Nähe war und weshalb er heilig gesprochen wurde!Abb. 1: Türkische Moschee in Genk. Der
typische Turm heißt „Minarett“.
Abb. 2: Orthodoxe Kirchen haben oft solche Kuppeln.
In der Kruisherenkerk in Maastricht ist jetzt
ein nobles Hotel.
• Kirche mal anders: Buch-handlung selexyz in Maastricht,
die sich in der alten Dominikanerkirche befi ndet.
• Das Unbekannte: Führung durch die nächste Moschee oder
orthodoxe Kirche.
• Die schönsten Gotteshäuserder Euregio, oft mit großen Kirchen-
schätzen: St. Servaas und Onze-Lieve-Vrouwe-Basiliek in Maastricht, der
Aachener Dom (Abb. 6) und die St. Pauls-Kathedrale in Lüttich.
Erklärungen, Filme und ein Onlinespiel zum Erkunden der Weltreligionen:
• planet-schule.de/wissenspool/weltreligionen/inhalt.html;
• arte.tv/de/Die-weltreligionen/1172966.html
Weltbekannt: der Aachener Dom.
In der alten Dominikanerkirche befi ndet sich Maastrichts größte Buchhandlung.
Abb. 4: Außen eckig, innen wie ein riesiges Schiff : die Bergarbeiterkirche (Mijnkatedraal) in Genk-Zwartberg.
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Was wäre, wenn eure Kirchegeschlossen werden
müsste? Plant, wie mandas Gebäude sinnvoll und
würdig nutzen könnte!
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Der Aachener Dom und vieleandere Kirchen sind
„Weltkulturerbe“. Finde heraus, was das ist und
was noch dazu gehört!
Mit viel Schmuck und oft bunt wurde in der Zeit des „Barock“ gebaut.
Die Namen von Kirchen beginnenoft mit „Sankt…“, das bedeutet
„heilig“ und heißt auf FR (saint) und NL (sint) fast genauso.
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Abb. 3
Abb.7
Abb. 6
Abb. 5