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GR†N GIBT«S AUCH IN ROT. +++ Nachhaltigkeit +++ Arbeitsmarkt +++ Emissionshandel +++ Verband Intern +++ Jusos in München - Ausgabe November 2010

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Mitgliederzeitschrift der Jusos München

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GR†N

GIBT«S AUCH

IN ROT.

+++ Nachhaltigkeit +++ Arbeitsmarkt +++ Emissionshandel +++ Verband Intern +++Jusos in München - Ausgabe November 2010

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Impressum:

Links im Druck - Die Mitgliederzeitschrift der Münchner JusosDruck: flyeralarm GmbH, Alfred-Nobel-Str. 18, 97080 WürzburgV.i.S.d.P. : Daniela Beck, c/o Jusos München, Oberanger 38/IV, 80331 MünchenRedaktion: Jürgen Glatz, Mike Raab, Anno Dietz, Daniela BeckLayout: Alessandro Fuschi Art Direction: Mike RaabAuflage: 1000Erscheinungsweise: 4 Ausgaben pro JahrWir freuen uns über Mitarbeit, Kritik, Artikel und andere Rückmeldungen;Kontakt über [email protected] oder über Daniela Beck ([email protected]).Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.Die Redaktion behält sich vor, Artikel abzulehnen oder zu kürzen.Wenn Sie spenden wollen: Jusos München, Konto-Nr. 111 500, Stadtsparkasse München, BLZ 701 500 00. / Wir stellen Ihnen unaufgefordert eine steuerabzugsfähige Spendenquittung aus.

+++ Start-Ticker +++

Wie dir sicherlich auffällt, erstrahlt unsere Mitgliederzeitschrift „Links im Druck“ in einem neuen Layout! Wir hoffen es gefällt euch. Vielen Dank an die Projektgruppe Öffentlichkeits-arbeit und insbesondere an Daniela Beck, Alessandro Fuschi und Mike Raab für ihre Arbeit!

Wir aktualisieren unsere Adressliste für unsere Mitgliederzeitschrift „Links im Druck“. Wenn du den „LID“ weiterhin lesen möchtest und dich noch nicht zurückgemeldet hast, hole das schnell nach und schick uns deine Adresse per Email ([email protected]).

Bei den Jusos München haben sich die Arbeitskreise Internationales, Kommunales, Antifaschis-mus und Wirtschafts- und Sozialpolitik konstituiert. Außerdem arbeitet unsere Projektgruppe Migration ebenfalls an vielen interessanten Veranstaltungsangeboten für euch. Wer Interesse an den einzelnen Arbeitskreisen und Projektgruppen hat, oder sich sogar eine aktive Mitarbeit bei der Organisation vorstellen kann, meldet sich am besten per Email im Jusobüro ([email protected]).

+++ Stop-Ticker +++

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Editorial

Liebe Genossinnen und Genossen,endlich ist es soweit: der LID erscheint ab sofort in Farbe. Dementsprechend bunt ist auch unser Titelthema: grün gibt´s auch in rot.

Klimawandel, Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken und „Stuttgart 21“ haben „grüne“ Themen wieder mitten ins Bewusstsein der Bevölkerung gebracht. Umso wichtiger ist es für uns zu zeigen, dass Nachhaltigkeit auch bei der SPD im Mittelpunkt steht - weil „rot“ eben viel „grüner“ ist, als man vielleicht denkt.

Farbe bekennen und schwarzweiß-Denken überwinden war für die Jusos natürlich schon immer zentral. Besonders bedeutend wird Letzteres, wenn es um fremde Kulturen geht. Interkultureller Austausch stand für die Jusos München diesen Sommer vor allem beim Besuch unserer israelischen Partnerorganisationen und der Veranstaltungsreihe „Mal lieber hiergeblieben“ im Mittelpunkt.Mehr dazu, und natürlich zu vielem mehr, lest ihr in dieser LID-Ausgabe.

Freundschaft!Daniela Beck

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04 Schwerpunkt Nachhaltigkeit und neoliberale Instrumentalisierung / Wolfgang Gründinger

06 Schwerpunkt Emissionshandel pro & contra / Lena Sterzer & Cornelius Müller

08 Arbeitsmarkt Was ist der öffentliche Beschäftigungssektor? / Christian Köning

10 Nachruf Der sozialdemokratische Historiker / Steven Wakat

12 Literatur Sollte man das jetzt eigentlich mal lesen? / Daniela Beck

14 Verband intern „Ich schwöre Euch: Ich habe gesehen, dass Frieden möglich ist!“ / Birgit Steng

17 Verband intern Young Labour und Young Meretz zu Gast bei den Jusos Bayern / Johannes Hintermaier

19 Verband intern Neumitgliederseminar / Louisa Pehle

22 Das letzte Wort / Lena Sterzer

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Nachhaltigkeit und neoliberale Instrumentalisierung

Keine Haushaltsdebatte im Bundestag vergeht mehr ohne den Appell, künftigen Generationen keinen Schuldenberg zu hinterlassen, und kein Umweltgipfel kommt ohne die Beschwörung „nachhaltiger Entwicklung“ aus. Schäuble lobt das schwarz-gelbe Sparpaket als „ausgewogen und nachhaltig“, wobei die gleichzeitige Kürzung der Solarförderung und der Fortbestand umwelt-schädlicher Milliardensubventionen dem schein-bar nicht entgegen stehen.

„Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde, doch das Ver-schieben der Lasten in die Zukunft geht weiter: Die Staatsverschuldung macht die Politik zuneh-mend zum Sklaven der Zinslasten. Weit schwerer als die finanzielle wiegt die ökologische Staats-verschuldung: Klimawandel und Artensterben, Rohstoffverknappung und Atommüll sind Zeugen eines Raubbaus an den Lebensgrundlagen.

Interessenvertreter und Politiker klagen mit mo-ralischem Zeigefinger über das Abschieben von Lasten auf unsere Kinder. Die Interessen künftiger Generationen werden dabei allerdings oft ledig-lich als Argumentationsfigur verwendet, um mit dieser Sekundär begründung politische Projekte durch zusetzen, die aus ganz anderen Gründen fa-vorisiert werden. Doch unsere Kinder werden sich nicht über gekappte Renten und Gesundheitsleis-tungen, einen Sparkurs bei den Staatsfinanzen und

einen allgemein weniger präsenten Staat freuen. Der Verdacht liegt nahe, dass das Leitbild der Ge-nerationengerechtigkeit missbraucht wird, um po-litische Vorhaben zu legitimieren, die ansonsten schwer durchsetzbar wären. Der ex-grüne Haus-haltsexperte Oswald Metzger erklärt offen, dass er nur deshalb mit den Interessen künftiger Generationen argumentiert habe, um für seinen re striktiven Sparkurs mehr Unterstützung bei den Grünen zu gewinnen.

Das „Drei-Säulen-Modell“ der Nachhaltigkeit besagt, dass Umwelt, Wirtschaft und Soziales vereinbart werden können und sollen. Dieses Drei-Säulen-Modell wird allerdings von diversen Wirtschaftslobbyisten missbraucht, Nachhaltig-keit dahingehend umzudeuten, dass ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte „ausgewo-gen“ zu beachten seien – und im Zweifel die Umwelt verliert. Ökologische Ziele sollen so mit dem Nachhaltigkeitsargument unterlaufen werden. „Grundlage des Handelns ist das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung, die eine Balance schafft zwischen Wirtschaftlichkeit, Versorgungs-sicherheit und Umweltverträglichkeit“, heißt es beispielsweise beim Atom- und Kohlekonzern RWE, der sich als „nachhaltigstes Unternehmen Deutschlands“ profiliert, obwohl er der größ-te Klimasünder Europas ist und unseren Nach-kommen strahlenden Atommüll vererbt. Ähnlich argumentiert das Deutsche Atomforum: „Eine zukunftsfähige Energiepolitik muss sich an der Strategie der Nachhaltigkeit ausrichten und dem energiepolitischen Zieldreieck aus Wirtschaft-lichkeit, Versorgungssicherheit und Umwelt-verträglichkeit gleichermaßen gerecht werden. So steht das Leitbild einer nachhaltigen Ent-wicklung auch für eine Begrenzung von öko- nomischen Belastungen.“Nachhaltigkeit bedeutet demnach also nicht mehr,

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Schwerpunkt

Von Wolfgang Gründinger

„Die Staatsverschuldung macht die Politik zunehmend zum Sklaven der Zinslasten.“

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Schwerpunkt

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die Rechte künftiger Generationen zu schüt-zen, sondern wirtschaftlichen Interessen bei der Umweltpolitik nachzugeben. Der Hinweis auf kommende Generationen ist zur Leerformel ver-kommen, der sich Meinungsmacher bedienen, um

eine bestimmte Politik moralisch zu legitimieren.Der inhärenten Kurzsichtigkeit der Demokratie muss ein Regulativ entgegengesetzt werden, das Nachhaltigkeit – verstanden im ursprünglichen Sinne der Agenda 21 – belohnt. Durch eine Ver-ankerung von Regeln nachhaltigen Wirtschaftens muss unsere Verfassung zukunftsfähig gemacht werden. Die kürzlich ins Grundgesetz aufge-nommene Schuldenbremse, die der Staatsver-schuldung einen Riegel vorschieben soll, darf nicht dazu führen, dass auf Kosten der nachrü-ckenden Generationen und sozial Schwachen gespart wird – wir brauchen daher eine kluge, antizyklische Anwendung der Schuldenbremse über einen Konjunkturstabilisierungs fonds, der im Aufschwung gefüllt und im Abschwung ge-leert wird. Mit einer Rentenverfassung, der Ver-schärfung des Umweltschutz-Artikels 20a des Grundgesetzes und der Verlängerung der Wahlpe-riode auf fünf Jahre kann der Druck zur Bevorzu-gung der Gegenwart zulasten der Zukunft weiter reduziert werden.

Dem Einfluss der Wirtschaftslobbyisten und Energiekonzerne müssen klare Schranken gesetzt werden, damit es im Streit der Interessengrup-

pen fair zugeht. Dazu gehören ein verbindliches Lobbyistenregister, die vollständige Offenlegung von Nebeneinnahmen von Abgeordneten und die Einführung von Karenzzeiten, um dubiose Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft

zu vermeiden, sowie die Stärkung von direkter Demokratie insbesondere durch die Ermöglichung bundesweiter Volks-entscheide.

Wir müssen aufpassen, dass die Jugend gerade in Zeiten des demografischen Wandels nicht zur „vergessenen Genera-tion“ wird. Die heute junge Generation ist noch am nächsten an der Zukunft. Sie

wird am längsten und härtesten an Umweltzerstö-rung, Staatsverschuldung und Spardiktat leiden. Ihr kommt daher die Funktion eines Botschafters der Zukunft zu. Dies verlangt nicht nur die über-fällige radikale Absenkung des Wahlalters, damit die Stimme der Jugend nicht untergeht. Ein erster Schritt ist die bundesweite Senkung des Wahlal-ters auf 14 Jahre.

Wir brauchen dringend einen Aufstand der Jun-gen. Einen Aufstand nicht gegen die Alten, son-dern gegen einen unfairen Zustand, eine Aufstand für das Recht auf Mitsprache und das Recht auf Zukunft. Wir Jungen müssen auf die Straße ge-hen, durch die Institutionen marschieren und die Lufthoheit über den (inzwischen virtuellen) Stammtischen erobern. Wir müssen uns quer stellen gegen Castortransporte, Kohlekraftwerke und Bildungsklau. Der Jugend gehört die Zukunft – aber es gibt sie nicht umsonst. Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein.

Wolfgang Gründinger, Jg. 1984, ist Demokratie-wissenschaftler und Autor der Bücher „Die Ener-giefalle“ und „Aufstand der Jungen“. Er lebt in Berlin und im Internet.

„Durch eine Verankerung vonRegeln nachhaltigen Wirtschaftens muss unsere Verfassung zukunfts-fähig gemacht werden.“

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Emissionshandel Pro & Contra

Es gibt eigentlich nur ein grundlegendes Argu-ment für den Emissionshandel: Wer verursacht zahlt. Und nicht die Anderen. So werden nicht nur Treibhausgasemissionen reduziert, sondern auch Gelder akquiriert, die der Staat weiter in den Klimaschutz investieren kann.

Der Emissionshandel, einst von klugen Ökono-men erfunden, um klimafreundliche Innovationen anzureizen, wo sie am preiswertesten umzusetzen sind, gerät immer mehr in Verruf. Dabei könnte er mit nur ein paar Nachjustierungen doch sein ursprüngliches Ziel, die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimaschutzes so gering wie mög-lich zu halten, weiter voran treiben. Die Idee ist simpel: eine begrenzte Menge an Zertifikaten wird an Verursacher der klimaschädlichen Treib-hausgase verteilt. Für jede Tonne Treibhausgas, die das Unternehmen erzeugt, muss es dann ein Zertifikat einlösen. Das heißt, wer effizient pro-duziert, kann überschüssige Emissionsrechte an weniger effizient arbeitende Unternehmen ver-kaufen. Der bisherige Fehler: die Unternehmen haben zu viele und zu günstige Zertifikate be-kommen – der Handel damit war nicht nötig, der Anreiz auf effizientere Technologien umzustellen kaum gegeben. Langfristig würde sich bei richti-ger Umsetzung ein relativ konstanter CO2-Preis einpendeln, der Energiebewusstsein der Verbrau-cher und die Energieeffizienz beim Bau von Fa-briken, Büros oder Wohnungen beeinflusst. So würden die Investitionen vor allem den effizien-

testen Technologien zur Emissionssenkung zugu-te kommen. Mit dem Emissionshandel könnten sich Unternehmen, gerade auch in Deutschland, Wettbewerbsvorteile verschaffen. Und nebenbei wird ein Beitrag zum Klimaschutz, zu Arbeits-plätzen, zur Wertschöpfung und zur Technologie- entwicklung geleistet.

Wenn die Regierungen die richtigen Anreize schaffen, werden erneuerbare Energien bis zur Mitte dieses Jahrhunderts hoffentlich einen gro-ßen Teil des weltweiten Energiebedarfs decken. Dazu wären allerdings umfangreiche Investi-tionen notwendig. Ein Großteil dieses Geldes wird zwar von Privatunternehmen beigesteuert werden, doch die Regierungen werden weiter-hin Anreize schaffen müssen, um das Wachstum der erneuerbaren Energien zu fördern. Bis jetzt machen erneuerbare Energien, einschließlich Wasserkraft, derzeit nur rund sieben Prozent der weltweiten Energieversorgung aus. Die Re-gierungen müssen ihren Teil dazu beitragen, um die flächendeckende Einführung neuer Energie-systeme zu fördern. So werden neue Technolo-gien mit großem Potenzial zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes zunächst Unterstützung vom Staat benötigen, um sich zu bewähren und auch in großem Maßstab bezahlbar zu werden und die Anfangsinvestitionen rentabel zu machen.

Lena Sterzer

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Schwerpunkt

Von Lena Sterzer & Cornelius Müller

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Schwerpunkt

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Verschmutzung, nicht Vermarktung

Nachdem in den vergangenen Jahren die vielseiti-gen Probleme der weltweiten Umweltverschmut-zung in den Industriestaaten vor allem auf den ho-hen CO2-Ausstoß reduziert wurden, hat es auch nicht mehr lange gedauert Ideen zu entwickeln, wie man dieses Problem angehen will. Eines der Ziele: die großen CO2-Verursacher zu einer Re-duktion des Abgases zu zwingen. Dass dies nö-tig und sinnvoll ist soll auch gar nicht bestritten werden. Die Frage ist aber - wie so oft – die nach dem wie!

Natürlich ist auch gleich „der Markt“ einmal mehr als Lösung für unser Problem aufgeführt worden. Die Idee: Verschmutzungs-Zertifikate oder Lizen-zen als Unternehmen kaufen und verkaufen zu können – zu handeln also. Das Ziel: Es rentabler zu machen CO2 einzusparen als teure Verschmut-zungs-Zertifikate erwerben zu müssen. Aber auch, rund um den CO2-Ausstoß eine gewollte Speku-lation einzuführen. Geschicktes Kaufen und Ver-kaufen kann sich finanziell genauso, oder mehr lohnen, als langfristige Investitionen in erneuer-bare Energien.

Ist es nicht fraglich, für diese definierte Art der Umweltverschmutzung einen weiteren Markt einzuführen? Wie man inzwischen gelernt hat, funktionieren Märkte ohne ausreichende Kont-rolle nicht, da dort weder fair noch unter gleichen Marktteilnehmern gehandelt wird. Warum also diesen Weg gehen und nicht einfach direkte und transparente Anreize (oder besser Bestrafungen) schaffen wie durch eine angepasste Besteuerung für Umweltsünder? Ach ja, Steuern sind etwas Negatives in modernen Gesellschaften. Aber ist Umweltverschmutzung nicht eigentlich auch et-was Negatives? Werten wir sie lieber auf, indem wir sie vermarkten und damit Geld verdienen können! Richtig, das Geld verdienen natürlich nicht automatisch „wir“, aber wen stört das, wo wir doch die Umweltprobleme endlich Ernst neh-men und ihnen einen Platz an den Finanzmärkten einräumen.

Cornelius Müller

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Was ist der öffentliche Beschäftigungssektor?

Nachdem die Jusos Oberbayern auf ihrer letzten Bezirkskonferenz im November 2009 ihren Leit-antrag zum Thema ÖBS verabschiedet haben, wurde dieser nun sowohl auf der Juso-Landes-konferenz als auch auf dem Juso-Bundeskongress und dem SPD-Landesparteitag verabschiedet und wird nun beim SPD-Bundesparteitag eingereicht werden.

In diesem kurzen Artikel wollen wir euch nocheinmal kurz vorstellen was der ÖBS unse-rer Meinung nach ist, welche Anforderungen wir an öffentlich geförderte Arbeit haben und wo die zentralen Unterschiede zu anderen Konzepten (hauptsächlich dem „Sozialen Arbeitsmarkt“, von Hannelore Kraft vor der NRW-Wahl vorschnell und unreflektiert in die Debatte gebracht und von dem Präsidiumsbeschluss „Mehr Fairness auf dem Arbeitsmarkt“ aufgenommen) sind.

Das Grundprinzip eines ÖBS sieht die Bündelung aller staatlichen Ausgaben für Arbeitslose an ei-ner kommunalen Stelle zur Finanzierung von Be-schäftigung Langzeitarbeitsloser vor. Abweichend sind die Vorstellungen von Annehmbarkeitskrite-rien und der Qualität der Beschäftigung, genauso wie der Adressatenkreis für den ÖBS (also etwa nur ältere Langzeitarbeitslose mit „mehreren Ver-mittlungshemnissen“ oder theoretisch alle Emp-fänger von Hartz IV-Leistungen).

Wir Jusos haben durch die Zentralität und die Wertschätzung, die Arbeit in der Gesellschaft un-serer Meinung nach hat, besondere Anforderun-gen an ÖBS-Stellen:Wir lehnen Sanktionen für Hartz IV-Empfän-gerInnen strikt ab, dadurch wollen wir natürlich auch im ÖBS keinerlei Zwänge zur Annahme einer Stelle, sondern absolute Freiwilligkeit. Der ÖBS muss auch eine Beendigung des stän-digen Durchlaufens irgendwelcher Maßnahmen sein. Er ist im Gegensatz dazu eine dauerhafte Beschäftigung ím arbeitsrechtlichen Sinn, mit Mitbestimmungsrechten, etc. Auch ist die Beschäftigung im ÖBS ordentlich bezahlt; zumindest nach Mindeslohn, bei Vor-handensein von Tarifverträgen für die ausgeübte Beschäftigung müssen diese selbstverständlich eingehalten werden.Als Träger der ÖBS-Arbeitsstellen kommen für uns nur Kommunen oder gemeinnützige Ver-bände, Bürgerinitiativen, etc. in Frage. Diese Arbeitsstellen werden von einem lokalen Gremium unter Beteiligung von Gewerkschaf-

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Arbeitsmarkt

Von Christian Köning

„Wir lehnen Sanktionenfür Hartz IV-EmpfängerInnen strikt ab“

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Arbeitsmarkt

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ten, IHK und den anderen arbeitsmarktpolitischen Akteuren unter Federführung der Kommune akquieriert und betreut.

Der Beschluss „Mehr Fairness auf dem Arbeits-markt“ sieht die Schaffung eine „Sozialen Ar-beitsmarktes“ vor. Ca. 200000 Langzeitarbeits-lose sollen durch eine geringfügige Änderung der bisherigen Instrumente Job-Perspektive und Kommunal-Kombi und der Mehrinvestion von ca. 3 Mrd. € in öffentlich geförderte Beschäftigung gebracht werden. Grund-sätzlich ist es sehr begrü-ßenswert, dass die SPD diese Schieflage auf dem Arbeitsmarkt erkennt und das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit mit der Finanzierung von öffentlich geförderter Beschäf-tigung angehen will.Allerdings geht uns das nicht weit genug. Die SPD möchte weiterhin Langzeitarbeitslose, die solch eine Beschäftigung ablehnen, sanktionieren, d.h. die Regelsätze kürzen. Auch ist nicht von einer Abschaffung der unsäglichen „Ein-Euro-Jobs“ die Rede, nur von einer Überführung dieser in den „Sozialen Arbeitsmarkt“. Wie genau das ablaufen soll bleibt unklar. Auch folgt der Beschluss der ir-rigen Annahme diese Arbeitsplätze im „Sozialen Arbeitsmarkt“ auch im privaten Sektor anbieten zu können. Die Praxis lehrt uns anderes. Kaum Unternehmen reagierten auf die Lohnsubventio-nierungen bei Einstellung von „arbeitsmarktfer-nen Langzeitarbeitslosen“ im Rahmen der Job-Perspektive. Die Landeshautpstadt München hat in ihrem arbeitsmarktpolitischen Portfolio das von vornherein ausgeschlossen und baut stattdes-sen richtigerweise auf Beschäftigungsmaßnah-

men nur in öffentlicher Hand. Substitutions- und Mitnahmeeffekte im privaten Bereich wären zu hoch. Rein profitorientierte Unternehmen können keine arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen um-setzen, dies ist öffentliche Aufgabe und steht in der Verantwortung der öffentlichen Hand. Nichtsdestotrotz ist die grundsätzliche Richtung des Beschlusses zu begrüßen, eine Abkehr von der Agenda-Politik stellt er aber entgegen der öf-

fentlichen Rezension nur bedingt dar. Wenn wir Jusos die SPD wei-terhin etwas schubsen, auch außerhalb der Partei (z.B. in den Ge-werkschaften oder an-deren Organisationen) versuchen gesellschaft-

liche Mehrheiten für z.B. den ÖBS zu organisie-ren sind „Veränderungen durch Bewegung“ auch hier möglich.

Wie ihr seht wollen wir mit dem ÖBS einen Para-digmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik. Aber für uns ist dies auch ein Beitrag zur Überwin-dung des Systems Hartz IV. Die Veränderungen und Korrekturen, die die SPD gerade im Bereich Hartz IV/Arbeitsmarkt vornehmen möchte, müs-sen von uns weiter kritisch verfolgt werden. Dazu werden die Jusos Oberbayern sich weiter mit dem Thema ÖBS beschäftigen.

Bei Anmerkungen, Kommentaren oder weiteren Fragen zum ÖBS könnt ihr euch gerne unter [email protected] melden!

Christian Köning ist stellvertrender Bezirksvor-sitzender der Jusos Oberbayern

„Rein profitorientierteUnternehmen können keinearbeitsmarkt-politischenMaßnahmen umsetzen.“

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Der sozialdemokratische HistorikerZum Tod von Tony Judt

Am 6. August 2010 ist der britische Historiker Tony Judt in New York gestorben. Vor knapp zwei Jahren wurde bei ihm Amyotrophe Lateralsklero-se (ALS) diagnostiziert, jene unheilbare und töd-liche Krankheit, bei der die Nervenzellen zerstört werden, die die Muskeln steuern. Nicht lange nach dieser Diagnose war er auf einen Rollstuhl angewiesen und dann sogar auf künstliche Beat-mung. Trotzdem arbeitete er unermüdlich weiter, hielt Vorträge, diktierte Essays und sogar noch ein ganzes Buch.Judt wurde 1948 als Sohn jüdischer Eltern in Lon-don geboren. 1966 arbeitete er in einem Kibbuz und 1967 als Übersetzer für die israelische Ar-mee. Der israelische „Triumphalismus“ nach dem Sechstagekrieg ließ ihn jedoch an seiner links-zionistischen Überzeugung zweifeln, von der er sich in der Folge immer mehr entfernte (2003 trat er sogar für die Einstaatenlösung ein). Er ging nach Cambridge und Paris, studierte Geschichte und schloss 1972 als Ph.D ab. Nach Aufenthalten in Berkeley und Oxford lehrte er ab 1987 an der New York University, wo er bis zu seinem Tod dem 1995 gegründeten Remarque-Institute vor-stand.Einen letzten großen Vortrag hielt Tony Judt im Oktober 2009 in New York. Er trug den Titel „What is Living and What is Dead in Social De-mocracy?” Im Inter-net ist der Vortrag noch anzuhören. Es ist ein aufwühlendes Dokument. Zu Beginn er-läutert Judt seine Krankheit und warum er diesen

Abend nur im Rollstuhl samt Beatmungsapparat bestreiten kann. Anschließend fragt er, wie man in den letzten knapp 30 Jahren hat all das aufge-ben können, was so viele Menschen in 100 Jahren davor hart erkämpft haben: die Errungenschaften des Sozialstaats. Dieses Thema rückte für ihn zu-letzt immer mehr in den Vordergrund. In seiner großartigen Geschichte Europas seit dem Zweiten Weltkrieg (2006) überschrieb er das XI. Kapitel mit den Worten „Die Stunde der Sozialdemo-kratie“. Darin heißt es dann: „in einigen Teilen Westeuropas war die Sozialdemokratie Mitte der sechziger Jahre weniger eine Politik als eine Le-bensweise“. Zu dieser Zeit habe ein Konsens da-rüber bestanden, dass der Staat „seinen Aufgaben stets besser gerecht werden kann, als ein schran-kenloser Markt“. In den Siebziger und Achtziger Jahren wurde dann die Legitimität des interventi-onistischen Staates so vehement in Frage gestellt, dass sich der Konsens umkehrte und eine riesige Privatisierungswelle durch Westeuropa schwapp-te. Diesem Prozess konnte und wollte Judt nicht tatenlos zusehen. Im vergangenen April lud er ei-nen kleinen Kreis von Kollegen zu sich ein, um über ebenjene Frage zu diskutieren mit der er sei-nen oben genannten Vortrag überschrieben hatte. Ihm schwebte eine „konzertierte akademische Aktion zur Rehabilitierung und Neudefinition des Sozialstaats und seiner Werte“ vor.

Tony Judt war davon überzeugt, dass unserem ge-genwärtigen Lebensstil ein Fehler zugrunde liegt:

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Nachruf

Von Steven Wakat

„In einigen Teilen Westeuropas war dieSozialdemokratie Mitte der sechziger Jahre weniger eine Politik als eine Lebensweise.“

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Nachruf

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Regeln und Gesetze würden lediglich darauf hin befragt, ob sie effizient sind oder Wachstum brin-gen und nicht, ob sie gerecht oder fair seien. Das führte ihn zu der Ansicht, dass wir das politische Denken verlernt haben. Wenige Tage vor seinem Tod, sagte er in einem Interview für die ZEIT: „Wir haben aufgehört, wie eine Gesellschaft zu denken, und stellen uns stattdessen als ein Bündel individueller Interessen dar“. Überzeugt davon, dass ein Denken in rein ökonomischen Begrif-fen aber nicht etwa eine natürliche, sondern eine erworbene Neigung sei, war Judt bis zuletzt auf imponierende Art und Weise bestrebt, zumindest dafür zu werben, dass sich Europäer wie auch Amerikaner überhaupt mal wieder zutrauen, über Alternativen nachzudenken, denn „Demokra-tien, in denen es keine signifikanten politischen Alternativen gibt, in denen die Wirtschaft alles entscheidet und Wirtschaftspolitik weitgehend von staatsfernen Akteuren gemacht wird (Zent-ralbank, internationale Organisationen oder mul-tinationale Konzerne), können auf Dauer nicht funktionieren“.Das Schicksal des Staates, der als einziger in der Lage sei, den Bürger vor den unberechenbaren Kräften des wirtschaftlichen Wandels zu schützen, war für Judt untrennbar mit der Frage verbunden, ob es der Linken gelingt, sich selbst darüber klar zu werden, wofür sie heute steht. So sei das ei-gentliche Dilemma der europäischen Sozialisten bzw. Sozialdemokraten gar nicht ihre Politik, son-dern ihr Selbstverständnis: „Mit dem Niedergang der Industriearbeit, und ganz besonders nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, hat die europä-ische Linke ihr Projekt und ihr Narrativ verloren, in das ihre Politik eingebettet war, das ihre Pro-gramme verständlich machte und ihre Niederla-gen wegerklärte.“ In seinem letzten Buch Ill fares the land (2010) übte Tony Judt denn auch Kritik an der Sozialdemokratie, aber nicht, weil er sie nicht mochte, sondern eben gerade, weil er sich ihr verbunden fühlte. Obwohl der Wohlfahrtsstaat in Europa keineswegs von den Bürgern abgelehnt werde, verhielten sich die Sozialdemokraten zu defensiv und zaghaft. Im ZEIT-Interview wie-

derholte er seine Kritik: „Die Sozialdemokraten in Europa haben so viel Zeit damit zugebracht, sich vom Schatten der Kommunisten auf ihrem linken Flügel zu befreien, dass sie darüber ver-gessen haben, zu lernen, wie man in einer post-marxistischen Welt Sozialdemokrat sein kann“. So sah er auch die Wahlniederlagen der europäi-schen Sozialdemokraten bei den zurückliegenden Wahlen mit Verwunderung und Trauer, angesichts der Tatsache, dass trotz Finanzkrise und Markt-versagen „social democratic parties consistently did bad“. Der Historiker und Intellektuelle ver-stand es wohl wie kein Zweiter, auf die aktuellen Probleme und Dilemmata der europäischen Lin-ken hinzuweisen, trifft doch seine Diagnose auch auf die SPD ziemlich genau zu: Anstelle eigene Ideen und Konzepte zu diskutieren, konzentrierte diese sich in den letzten Wahlkämpfen eher auf eine möglichst glaubwürdige Abgrenzung von der LINKEN.Als ein großer Historiker der europäischen Nach-kriegsgeschichte, warb Tony Judt nicht nur aus politischer Überzeugung für soziale Gerechtigkeit und den Erhalt des Wohlfahrtsstaates. Weil er die Geschichte des letzteren studiert und erforscht hatte, wies er auch immer wieder darauf hin, dass die Sozialreformen im Europa der Nachkriegs-zeit nicht zuletzt die Rückkehr jener Verhältnisse verhindern sollten, die zum Aufstieg der Extre-misten geführt hatten. Soziale Ungerechtigkeiten und die Unterminierung des Staates durch unre-gulierte, globalisierte Märkte hielt er nicht nur für schlecht, sondern auch für gefährlich: „Insecurity breeds fear. And fear – fear of change, fear of dec-line, fear of strangers and an unfamiliar world – is corroding the trust and interdependence on which civil societies rest“. In einer erst kürzlich verfassten Rezension zu Tony Judts Buch Das vergessene 20. Jahrhundert (2010) schloss Alexander Gallus mit den Worten: „Gut, dass dieser kluge Historiker und eigenwil-lige Intellektuelle seine Ideen und Interventionen bis zuletzt öffentlich kundgetan hat. So ist auf ei-nen möglichst langen Nachhall zu hoffen“. Dem kann man sich nur anschließen.

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Sollte man das jetzt eigentlich mal lesen? Adam Smith: „Der Wohlstand der Nationen“

Platon, Machiavelli, Keynes – große Namen von Staats- und Wirtschaftstheoretikern gibt es viele. Die meisten hat man irgendwo mal gehört, einige vielleicht an der Uni ge-lesen, anderen ist man im entsprechenden Seminar erfolgreich aus dem Weg gegangen. In jeden Fall bleibt die Fra-ge, warum sie für Jusos heute noch interessant sind – oder auch nicht. (Und natürlich, ob man sie als Leser ohne ent-sprechendes Vorwissen überhaupt nachvollziehen kann.) Ein Selbstversuch. Und das soll ich jetzt wirk-lich lesen? Als Smiths Wälzer in seinem vollen Umfang das erste Mal vor mir auf dem Tisch liegt, kommen mir ernste Zwei-fel. 1000 Seiten geballte Wirtschaftstheorie aus dem 18. Jahrhundert. Verstehe ich das überhaupt, zumal als nicht BWLer? Ganz abgesehen mal von den negativen Assoziatio-nen, die der Name Adam Smith bei mir auslöst. Denn wenn wir diesen Namen heute in einer politischen Diskussion hören, hat das meistens nichts Positives zu bedeuten. Zumindest nicht aus Juso-Sicht. Dann geht es fast immer darum, die freie Markt-wirtschaft noch freier zu machen. Mit Smith be-gründen Wirtschaftstheoretiker die Abschaffung

oder Einschränkung von staatlichen Eingriffen in das Wirtschaftsgeschehen, von Subventionen, von Mindestlöhnen. In diesem Zusammenhang fallen dann Begriffe wie die „Unsichtbare Hand“ – diese nicht-greifbare, aber trotzdem angeblich allgegenwärtige Fähigkeit des Marktgeschehens, sich von selbst auszugleichen. Wenn man es nur in Ruhe lässt. Eine These, die in meinen Ohren

schon immer etwas wage er-schien. Jetzt, angesichts der Bankenkrise und der staatli-chen Rettungspakete, kommt sie mir nur noch absurd vor. Für mich war Adam Smith deshalb immer so etwas wie den Archetyp des Gegners aller sozialistischen Gedan-ken. Einer, dessen Theo-rien einen der wichtigsten Grundsteine des neolibe-ralen Denkens ausmachen. So gesehen fühle ich mich schon fast verpflichtet, mei-ne Vorurteile wenigstens mal zu überprüfen. Und he-rauszufinden, was es eigent-lich mit diesen komischen „unsichtbare Händen“ auf sich hat, die die Märkte wie durch Zauberei regulieren und alle Gesetzte überflüssig machen sollen.Beim Lesen des Vorworts

bin ich erstmal etwas überrascht. Smith wird hier als Humanist dargestellt, als ein Mann ohne Standesdünkel, der sich durchaus auch für die ethischen Aspekte des Wirtschaftsgeschehens in-teressierte. Also doch nicht der emotionslose Ana-lytiker, dem alles Soziale vollständig fremd ist? Ohne Standesdünkel, zumindest ohne intellek-tuelle Standesdünkel, erscheinen jedenfalls sei-

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Literatur

Von Daniela Beck

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Literatur

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ne Schriften. Smith setzt, trotz seiner Karriere als Professor, praktisch kein Vorwissen für seine Thesen voraus. Er entschuldigt sich sogar einmal dafür, dass er jetzt eventuell zu weit ausschwei-fen und zu deutlich werden müsse, um seinen Text auch wirklich verständlich zu machen. Und tatsächlich lassen sich Smith Argumen-te auch ohne jegliche Vorkenntnisse recht gut nachvollziehen, eben weil er alles von Grund auf erklärt und nicht auf anderen Werken auf-baut. Kompliziertere Zusammenhänge, wie die Wirkungen verschiedener Einfuhrsteuern, wer-den dementsprechend spät erläutert – aber dann hat man sich sowieso schon an Smiths Stil und die altmodische Ausdrucksweise gewöhnt. Manchmal ist der moderne Leser trotzdem ein bisschen überfordert, z.B. wenn Smith sich sei-tenlang in den Preisentwicklungen der letzten Jahrzehnte ergeht und in dutzenden Beispielen die Wechselkurse zwischen Pfund, Shilling, Gui-neen und anderen zeitgenössischen Währungen aufführt. Solche Anachronismen und endlose Reihen von Beispielen machen seine Theorien manchmal sehr anstrengend, manchmal aber auch unfreiwillig amüsant. Feststellungen wie die, dass sich Fleisch wegen seiner Verderblichkeit nicht zur Ausfuhr eignet oder die Akzeptanz fremdländischer Wäh-rungen auch vom Edelmetallgehalt der entspre-chenden Münzen abhängt, entlocken einem heute, lange nach der Erfindung der Tiefkühltruhe und der Kreditkarte, das eine oder andere breite Grin-sen.Sie zeigen aber natürlich auch, dass man seine Theorien nicht immer auf die heutige Situation übertragen kann. Erstaunlich ist allerdings: man kann es sehr oft. Veraltet wirken, von einigen Ausnahmen wie dem bereits genannten Zusam-menhang zwischen Geldwert und enthaltenem Edelmetall einmal abgesehen, vor allem die Bei-spiele, selten die Argumente, die daraus abgeleitet sind.Abstrakte Begriffe spielen dabei übrigens so gut wie keine Rolle. Die berühmte „unsichtbare Hand“ kommt nur ein einziges Mal kurz vor, als Smith darauf eingeht, dass der einzelne, wenn

er seinen eigenen Wohlstand vermehrt „wie von einer unsichtbaren Hand geleitet“ auch zum Ge-samtvermögen des Volkes beiträgt. Ein Argument, das sich im Grunde erstaunlich gut nachvollziehen lässt. Und mit Deregulierung, zumindest auf den ersten Blick, nicht so wahnsinnig viel zu tun hat.Auf den zweiten Blick ist eine freie Marktwirt-schaft laut Smith jedoch die Voraussetzung dafür, dass einzelne Bürger ihr Vermögen überhaupt ver-mehren können. Frei, das bedeutet für ihn, neben dem Recht auf Eigentum, vor allem die Abschaf-fung von Monopolen und Handelsbeschränkun-gen, die einzelne Märkte künstlich aufbauschen und die Gewerbefreiheit des einzelnen einschrän-ken. Es bedeutet nicht die totale Abschaffung von Steuern und staatlichen Einrichtungen. Vielmehr gibt es sogar ein ganzes Kapitel über die Staatsausgaben, in dem Smith genau er-klärt, wofür der Staat sein Geld am besten ausgeben sollte. Soziale Einrichtungen, we-nigstens hier bestätigt sich mein Vorurteil, spielen darin keine Rolle. Dafür kommt das Militär gleich am Anfang. Smith hält die Kriegs-führung nämlich für die „vornehmste der Künste“. Ja, an mancher Stelle stellen sich einem ange-sichts der einen oder anderen „historischen“ Sichtweise heute wirklich die Nackenhaare auf. Was aber auch bleibt ist der Eindruck: So-ziale Einrichtungen spielen bei Smith nicht deshalb keine Rolle, weil der Staat sich nicht einmischen soll. Sondern weil man sie im 18. Jahrhundert einfach nicht für wichtig hielt. Interessant wird es aus sozialdemokratischer Sicht dafür vor allem bei Smiths Thesen zum Steuersys-tem. Luxussteuern, so sein Argument, seien näm-lich wirtschaftlich sehr sinnvoll, weil sie, anders als Lohn- und Mehrwertsteuern, das allgemeine Preis-niveau und damit die Lohnkosten kaum steigern. Lusussteuern als Voraussetzung für eine funkti-onierende Wirtschaft? Schon allein wegen Argu-menten wie diesem sollte man mal einen Blick in Smiths Buch geworfen haben. Und mit etwas Glück die Neoliberalen bei der nächsten Diskus-sion mit ihren eigenen Waffen schlagen.

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„Ich schwöre Euch: Ich habegesehen, dass Frieden möglich ist!“

Der ehemalige Nahost-Korrespondent der ARD, Dr. Friedrich Schreiber, erzählt im Rah-men der „Mal lieber hiergeblieben“ – Reihe der Jusos München-Nord über den Friedens-prozess zwischen Israel und Palästina und seinen Erfahrungen als Auslandsreporter im Krisengebiet.

München, im Juli. Trotz der drückenden Hitze haben sich über 30 Genossinnen und Genossen der Jusos München-Nord im SPD-Bürgerbüro in der Belgradstraße eingefunden. Juso München-Nord Vorsitzende Yasmin Holm führte durch den Abend und begann mit der Vorstellung des Referenten Dr. Friedrich Schreiber: Studium der Volkswirtschaftslehre und Politischen Wissen-schaften, Fulbright-Stipendiat in den USA und Forschungsstipendiat der NATO in Paris, Diplom und Promotion an LMU, 5 Jahre EU-Kommission in Brüssel, 32 Jahre BR, Leiter der Auslandsre-daktion, 9 Jahre Nahost-Korrespondent der ARD. Begleitet von den Wünschen Yasmins nach einem „heißen Vortrag und einer noch heißeren Diskus-sion“, ergreift Schreiber das Wort.

Der Journalist beginnt mit dem, was ihm in der eigenen Berichterstattung am wichtigsten war: Information und notwendige Hintergründe: Er führt die Genossen zu den Quellen des Nahost-Konflikts. Dieser begann am Ende des 19. Jahrhunderts durch die jüdische Nationalbewegung – den Zionismus –, der seinerseits Antwort auf den antisemitischen Rassismus in Europa und vor allem in Russland war. Die Juden, ein Volk ohne Land, such-ten ein Land ohne Volk. Nach mehre-ren zionistischen Einwanderungswel-len übertrug der Völkerbund im Jahre 1920 an Großbritannien ein Mandat für Palästina. Wegen

des arabischen Widerstands gegen eine „nationa-le jüdische Heimstätte“ und des drohenden Welt-kriegs gegen Hitler legten die Briten 1937 einen ersten Teilungsplan vor, der jedoch am Wider-stand der Palästinenser scheiterte. Im November 1947 stimmte die Generalversammlung der Ver-

einten Nationen mit Zweidrittelmehrheit für die Teilung Palästinas in einen arabischen und einen

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Von Birgit Steng

„Um die gesamte MilitärpolitikIsraels nachvollziehen zu können, muss man vor allem den 6-Tage- Krieg von 1967 verstehen.“

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„Ich schwöre Euch: Ich habegesehen, dass Frieden möglich ist!“

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jüdischen Staat. Am 14. Mai 1948 proklamierten die Juden Palästinas den „Staat Israel“, die Ara-ber Palästinas und der umliegenden Staaten lehn-ten ab und erklärten dem jungen Judenstaat den Krieg. Sie verloren ihn und einen großen Teil des ihnen zugeteilten Staatsgebietes.

Insgesamt fünf Kriege gab es in diesem Konflikt, aber „um die gesamte Militärpolitik Israels nach-vollziehen zu können“, meint der Experte „muss man vor allem den 6-Tage Krieg von 1967 ver-stehen“. Israel war von allen Seiten umzingelt. Ägypten, Syrien, Irak, Jordanien und Li-banon wollten Israel „ins Meer treiben“, es an seiner zentralen „Wespentaille“ angrei-fen, wo der Staat nur 16 Kilometer breit ist. Das muss Israel aus Überlebensgrün-den verhindern, es kommt den Arabern zu-vor, durch einen Überraschungsangriff aus der Luft: Präventivschlag als beste Form der Verteidigung. So wurde Abschreckung zum bewährten Mittel und ist es bis heute. Israel eroberte Restpalästina: den Gasastreifen und das Westjordanland. Und noch eine wichtige Erfah-rung aus dem „Sechstagekrieg“: Die Arabischen Staaten lehnten das Rückzugs- und Friedensange-bot von Israel ab.

Die größten Steine, die der späteren Friedenspo-litik Israels unter Ministerpräsident Rabin in den Weg gelegt wurden, lernte Schreiber zu Beginn der Intifada kennen, gleich nach Beginn seiner Korrespondentenzeit. Er beobachtete die Ent-stehung von Hamas, interviewte ihren Gründer Scheich Achmed Jasin, erlebte auch hautnah, wie die fundamentalistische jüdische Siedlerbewe-gung an Einfluss gewann und einen Frieden mit den Palästinensern blockierte. Auch die Führung der PLO lernte er persönlich kennen, Arafat und seine Stellvertreter Abu Dschihad und Abi Ijad. Schreiber sprach in dieser historischen Phase mit Präsidenten, Regierungsmitgliedern, Soldaten, Zivilisten. Die Nähe zu Land und Leuten schaffte Erkenntnisse und Erfahrung. „Ich kenne das Land

besser als die Einheimischen“, erzählt der gebürti-ge Münchner. „Ich musste ja überall hin!“ - vor al-lem in den Gasastreifen, einer Fläche, die mit 314 Quadratkilometern nicht einmal dem Bundesland Bremen entspricht. Auf der Suche nach Themen durchkämmte der Reporter die besetzten Gebiet von Süd nach Nord, von West nach Ost, kam in die entlegendsten Dörfer, suchte auch die Spuren jener, die inzwischen ausgelöscht worden waren.

Im Zuge der Friedensprozesse von Madrid und Oslo erlebte er Aufbruchstimmung und mutige

Schritte, die ihn hoffen ließen: „Bei der Räumung Gasas und Bethlehems habe ich gesehen, dass Frieden möglich ist, ich schwöre es Euch! Ich habe Arafat gesehen, wie er - den Boden küssend - nach Gasa kam.“ Und er erzählt den Genossen in der Belgradstraße: „Ein israelischer Soldat rief mir zu: >I go back to my girlfriend in Tel Aviv and never come back!<“.

„Aber woran scheiterte dieser gute Wille?“ will eine Genossin wissen. Schreiber antwortet, indem er von der aktuellen Gegenwart wieder auf die Verantwortlichen der Vergangenheit hinweist: auf die antisemitischen Europäer, die die Juden ver-trieben, die Palästina teilten und dann sich selbst überließen; die Verzweiflung der Palästinenser und die unrealistischen Arabischen Staaten; jetzt aber vor allem die fundamentalistischen Extre-misten auf beiden Seiten - die radikale Hamas, die Israel vernichten will, und die radikale Rechte Is-raels, die den Palästinensern keinen eigenen Staat zuerkennen will. „Frieden“, sagt Schreiber, „ist etwas, was es für die meisten Israelis und Palästi-

„Frieden ist etwas, was es für die meisten Israelis und Palästinen-ser nur in anderen Ländern gibt.“

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nenser nur in anderen Ländern gibt“.

Frieden? „Keine Chance, nicht in den nächsten fünf Jahren, und auch nicht danach“, glaubt der 78-Jährige. Auch folgende Generationen zeigten keine Harmoniebedürftigkeit. Hass, Verzweiflung und Gewalt würden nicht nachlassen: „Wisst ihr, man verliert Hoffnung und Illusionen, wenn man Opfer eines Terroranschlags sieht, wie sie blutend an Bushaltestellen liegen, mit verbrannter Brust, weggesprengten Gliedmaßen, elend um Hilfe schreiend. Ihr kennt das nicht. Denn solche bru-talen Bilder wollte die Tagesschau nicht zeigen.“ „Und was entsteht, was wird verstärkt, wenn man so etwas miterlebt?“ fragt Schreiber. Die Folgen seien Angst, Verzweiflung, Wut, Hass, Terror - in dieser Reihenfolge - und Morde, wie der an Jitz-ak Rabin. Der ehemalige Präsident wurde 1995 Opfer eines Attentats, das Schreiber erlebte - „ge-plant und ausgeführt von einem jungen Arsch-loch“. Schreiber geht das Thema offensichtlich sehr nahe. Wütend sieht er aus und auch traurig über diese verlorene Chance. Leise erzählt er wei-ter: „Ich habe nie ein Volk so trauern sehen wie die jungen Israelis nach der Ermordung Rabins.“

An vielen Autos klebte ein Aufkleber, auf dem stand: „Shalom Chaver“ - „Adieu Kamerad“. Mit Rabin endete „das offene Fenster“, die Chance für eine friedliche Lösung des Konflikts. „Mit jedem Selbstmordattentat, mit jeder Rakete von Hamas, rücken die Israelis weiter nach Rechts, weg vom Frieden.“

Friedrich Schreiber erzählt, reißt mit, beschwich-tigt, verurteilt, versteht und 90 Minuten vergehen in 10. „Kommt hier jemand aus dem palästinen-sischen Autonomiegebiet oder aus Israel?“ will Schreiber zum Abschluss von seinem Publikum wissen. Eine junge Frau in der ersten Reihe mel-det sich. Sie sei Israeli, ihre Familie wanderte 1936 aus Bulgarien ein, sie selbst lebe inzwischen in Deutschland, um hier zu studieren. Schreiber möchte, dass sie etwas zu den Friedenschancen sagt, die er zuvor begraben hatte. „ Ich widerspre-che“, beginnt die Genossin, „ ich denke eher posi-tiv. Ich glaube und ich weiß, dass Frieden möglich ist.“ Und Schreiber widerspricht nicht. „Glaube mir, junge Dame, ich würde gerne positiv denken. Ich liebe dieses Land, ich liebe diese Menschen. Und ich wünsche mir, dass Du Recht behältst.“

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Young Labour und Young Meretz zu Gast bei den Jusos Bayern

se und den Aufbau unserer Organisationen vor. Ein Highlight des ersten Tages war der Besuch in der Allianz-Arena beim Bundesligaauftakt des FC Bayern.

Am Samstag und Sonntag hatten unsere Genos-sInnen Gelegenheit, die Landeshauptstadt genau-er kennen zu lernen. Neben der eher touristischen Stadtrundfahrt gab es auch eine historisch-politi-sche Stadtführung, bei der vor allem auf die Zeit zwischen der Revolution 1919 und der Macht-ergreifung der Nationalsozialisten eingegangen wurde. Daneben wurde aber auch in eher infor-meller Atmosphäre im Biergarten und bei einem Grillabend der politische Austausch auf zwi-schenmenschlicher Ebene vorangetrieben – und ganz nebenbei die lokalen Sitten und Gebräuche vermittelt.

Zum Abschluss des Programms in München wur-de die Betriebsanlage der Stadtwerke in Fröttma-

Von Johannes Hintermaier

Vom 19. bis zum 26. August war eine zwölfköp-fige Delegation unsere israelischen Partnerorga-nisationen Young Labour und Young Meretz zu Gast bei den Jusos Bayern. Das umfangreiche Programm startete mit einem Besuch im Landtag, bei dem uns der Landtagsvizepräsident Franz Ma-get sowohl Wissenswertes zum Landtag an sich als auch das politische System Bayerns erklärte. Natürlich kamen dabei auch aktuelle Probleme der Landespolitik und die Lösungsansätze der bayerischen Sozialdemokratie zur Diskussion. Bei einem Mittagessen mit Hans Oechsner, dem ehemaligen Nahostkorrespondenten des BR de-battierten wir die Berichterstattung über den Na-hen Osten in Deutschland.

In einer Runde mit einigen Jusos tauschten wir uns anschließend über unsere jeweiligen politi-schen Grundsätze aus und stellten die Arbeitswei-

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ning besucht, wo es einen Blick hinter die Kulissen der Mün-chen U-Bahn gab und auch die Grundlagen der betrieblichen Mitbestimmung vermittelt wer-den konnten.

Die restliche Zeit verbrachte die Delegation in Nürnberg, wo wir eine Tour durch das ehema-lige Reichsparteitagsgelände machten und anschließend die Dauerausstellung im Dokumen-tationszentrum besuchten. Na-türlich durften auch die Treffen mit den Jusos Nürnberg und Jusos Mittelfranken nicht feh-len, wo angeregt diskutiert wur-de. Eine Stadtführung mit dem Schwerpunkt der jüdischen Geschichte in Nürn-berg, sowie ein Besuch der jüdischen Gemeinde Nürnberg und deren Vorsitzendem Arno Hambur-ger (SPD-Stadtrat) rundeten das Programm ab. Zum Abschluss – vor der nächtlichen Tour zum Flughafen – wurde noch die Nürnberger Innen-stadt unsicher gemacht. Insgesamt war der Delegationsbesuch ein großer Erfolg, mit vielen interessanten Erfahrungen und

Eindrücken für beide Seiten. Wir hoffen, dass die Kontakte aufrecht erhalten werden können, damit der Austausch weiter geht und sich eine lebendi-ge Partnerschaft entwickeln kann. Ein herzliches Dankeschön gilt auch allen Genossinnen und Ge-nossen, die zum Gelingen des Programms beige-tragen haben! Johannes Hintermaier ist stellvertretender Lan-desvorsitzender der Jusos Bayern und Leiter AK Internationales

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Neumitgliederseminar 23. bis 25. April 2010

zusprechen, die für unsere Arbeit zentral sind, um uns kennenzulernen und den neuen Mitgliedern den Einstieg bei den Jusos zu erleichtern. Und die Vollmar-Akademie hatte uns dazu den schönsten Seminarraum des Hauses zur Verfügung gestellt – den Raum im ersten Stock des Schlösschens, direkt über dem Esssaal, der abends zur gemüt-lichen Selbstbedienungskneipe mit Bierautomat und Weinkasse umfunktioniert wird.

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde, die bereits einige interessante Dinge offenbarte (wie das mu-tige Bekenntnis: „Bei der letzten Bundestagswahl habe ich Union gewählt“), stiegen wir direkt in die Geschichte der Sozialdemokratie ein. Bei der Einordnung von Ereignissen auf einen Zeitstrahl vom 19. Jahrhundert bis heute und dem anschlie-ßenden Referat kam die Rede auf viele Personen

Von Louisa Pehle

Vier TeamerInnen und zehn neue Jusomitglieder machten sich Ende April auf den Weg nach Ko-chel, um gemeinsam ein Wochenende in der Ge-org-von-Vollmar-Akademie zu verbringen.

Während das Gebäude in Kochel einigen Teamer-Innen schon fast so vertraut wie das heimische Wohnzimmer ist, waren alle TeilnehmerInnen das erste Mal dort und ihre ersten Reaktionen, nach-dem wir den steilen Hügel zur Akademie bezwun-gen hatten, klangen in etwa so: „Ist das schön hier! Und da ist ja gleich der See! Wir könnten in einer Pause ja mal...“ Aber nichts da! Denn wir waren nicht zum Wandern, Schwimmen, Sonnenbaden da, sondern um gemeinsam ein Wochenende zu verbringen, um verschiedene Themenbereiche an-

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und Organisationen, die man doch schon irgend-wann mal im Geschichtsunterricht gehört hat – und nun der Historie der Partei, deren Mitglied man seit kurzem ist, zuordnen kann. Was bewirkte das Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestre-bungen der Sozialdemokratie? Wann konnte man „uns“ die Freiheit und das Leben nehmen, die Ehre aber nicht? Und wer war eigentlich dieser Felix Fechenbach??

Schon am ersten Abend konnten die TeilnehmerIn-nen und TeamerInnen sich bei ein, zwei, drei Bier-chen im Schlösschen über bisherige Erfahrungen in der Partei austauschen, wobei die für Neumit-glieder oft abschreckenden Weihnachtsfeierritua-le der Ortsvereine ein beliebtes Gesprächsthema waren. Manch ein Teamer konnte mit haarsträu-benden alten Kochelgeschichten aufwarten, in de-nen an der Zimmerdecke klebende Wurstscheiben eine tragende Rolle spielten.

Den Samstag eröffneten wir mit einem Vortrag und einer Diskussion über den Demokratischen Sozialismus und welche Rolle er, bzw. unsere Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidari-tät, für unsere Politik spielen.

Auch der Themenbereich Gleichstellung spielt bei jedem Neumitgliederseminar eine zentrale Rolle. Die Diskussion begannen wir mit ein paar Zahlen-beispielen: Die Lohndifferenz zwischen berufstä-tigen Männern und Frauen beträgt in Deutschland unglaubliche 23 Prozent. Und während die Stu-dentinnen an den Universitäten rund die Hälfte der Studierenden stellen, beträgt der weibliche Anteil im höheren Lehrpersonal nur noch knapp 13 Prozent. Warum wir diese Ungleichheiten nicht akzeptieren und welche Konsequenzen das für unsere politische Arbeit hat, wurde lebhaft dis-kutiert.Am Nachmittag war dann die Arbeit der Teilneh-

merInnen gefragt, die sich in Gruppen aufteil-ten und sich vier Themen widmeten. Zum einen stand die FES-Studie „Vom Rand zur Mitte“ zur Wahl, die zeigt, wie weit rechtes Gedankengut in Deutschland, besonders in Bayern, nicht nur am so oft beschworenen „rechten Rand“ zu finden ist, sondern tatsächlich in weiten Teilen der Bevöl-kerung. Ebenfalls intensiv diskutiert wurde das Thema Bildung und die Juso-Kritik am derzeiti-gen Schulsystem. Der Ökologie-Antrag der Jusos München stand im Mittelpunkt einer weiteren AG und demonstriert, wie wir uns eine von links gestaltete Umweltpolitik vorstellen. Das Themen-feld Internationales diskutierten wir ebenfalls an-hand eines Antrags, der sich mit der Afghanistan-politik beschäftigt.

Am Samstagabend stand dann noch Gute Arbeit und Verteilungsgerechtigkeit auf dem Programm. Es ist einfach, über die unfaire Verteilung von Wohlstand in der Gesellschaft zu klagen, über Steuerungerechtigkeit und fehlende soziale Ver-antwortung. Doch wo liegen die Ursachen? Wa-rum verstehen wir Jusos unter guter Arbeit mehr als nur eine gute Bezahlung, wie stellen wir uns eine erstrebenswerte Arbeitsgesellschaft vor? In einer anschließenden Diskussion debattierten wir auch das Thema Arbeitszeitverkürzung intensiv.

Am Sonntag waren dann alle GenossInnen schon recht erschöpft – lag es an den Debatten des Vor-tages oder doch eher am inzwischen fast leeren Bierautomaten? Dennoch widmeten wir uns der Kommunalpolitik und unserer Vorstellung von Stadtentwicklung. Konkret stellten wir auch die Aktivitäten der Münchner Jusos vor: Wo kann man sich einbringen? Welche Veranstaltungen stehen an? Darüber hinaus versuchten wir, ein paar Einblicke in die Struktur der Münchner SPD zu geben.

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Alles in allem haben wir versucht, unseren neuen Mitgliedern viele Aspekte unserer Arbeit vorzu-stellen, um ihnen den Einstieg bei den Jusos zu er-leichtern, und sind sicher, es hat auch etwas Spaß gemacht. Wir hoffen, viele der TeilnehmerInnen bei kommenden Veranstaltungen wiederzusehen, ein kleines Nachtreffen gab es ja bereits am Ran-de der 1. Mai-Kundgebung in München.

Neumitglieder, die Fragen haben und wissen wol-len, welche Veranstaltungen wir anbieten, können sich an unseren Neumitgliederbeauftragten David Fischer wenden:[email protected]

Außerdem stehen unsere Neumitgliederseminare wie auch alle anderen Veranstaltungen nicht nur unseren Mitgliedern offen, sondern allen Interes-sierten. Gerne könnt Ihr zu Veranstaltungen also auch FreundInnen mitbringen, auch wenn diese keine Mitglieder sind.

Es gibt eine Veranstaltung, über die du gerneberichten würdest? Ein Thema, mit dem du dich besonders gutauskennst, und das alle Jusos angeht?

Dann schick deinen Themenvorschlag oderdeinen Artikel für den LID an [email protected]!

Sag uns deine Meinung!

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Thema – erhält das Antlitz eines Geheimvertrags mit fadem Beigeschmack, ohne dass man auch nur den ersten Satz gelesen hätte.

Das neue Energiekonzept zementiert nicht nur das Oligopol der Stromkonzerne, es verhindert auch fairen Wettbewerb auf dem Strommarkt – Leidtra-gende sind Handwerksbetriebe, mittelständische Unternehmen und nicht zuletzt Kommunen. CCS (Carbon Capture Storage), gegen das sich die Ju-sos schon vor mindestens zwei Jahren ausgespro-chen haben, wird massiv gefördert, die Kosten für den Atommüll weiterhin auf die Gesellschaft um-gelegt. Das sind nur einige inhaltlich Kritikpunkte am neuen Konzept.

Die Hotelbranche, die Pharmaindustrie und jetzt die Atomlobbyisten. Politik die sich bei der Ge-setzgebung weniger am Gemeinwohl orientiert, als an den Interessen der Lobbygruppen muss sich über sinkende Umfrageergebnisse nicht wundern. Hier ist es an der Opposition ihre Aufgabe als Kontrollorgan der Regierung wahrzunehmen und die Missstände anzuprangern. Die Grünen habenihre Hausaufgaben in den letzten Wochen da lei-der ein bisschen besser gemacht.

Lena Sterzer

Das letzte Wort

Atomkraft aus demHinterzimmer

„Das neue Energiekonzept zementiert nicht nur das Oligopol der Stromkon-zerne, es verhindert auch fairen Wettbewerb auf dem Strommarkt“

Nun steht es also, das neue Energiekonzept der Bundesregierung. Das einzig positive daran ist, dass es der Regierungskoalition in erster Linie sel-ber schaden wird, wie die Proteste der letzten Wo-chen gezeigt haben. Doch das ist ein schwacher Trost für eine Klientelpolitik für die vier großen Energieriesen, die zukunftsweisende Milliarden-investitionen in erneuerbare Energien gefährdet.

Wie naiv zu glauben, dass die Verhandlungen über Laufzeitverlängerungen ohne die Beteiligung der Betreiber geführt werden, noch naiver die Abspra-chen mit den Energieversorgern im Nachhinein auch noch abzustreiten.So setzt sich die Regierung zu Recht dem Ver-dacht der Hinterzimmerkungelei mit der Strom-wirtschaft aus und der „Atomkompromiss“ - der von Angela Merkel übrigens als „Revolution“ bezeichnet wird, mein Verständnis von Revoluti-on sieht etwas anders aus, aber das ist ein anderes

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Anno DietzVorsitzender der Jusos Maü[email protected]

Marina KarbowskiStellv. Vorsitzende Jusos München, [email protected]

Lena SterzerBeisitzerin fürpolitische [email protected]

Jürgen GlatzGeschäftsfü[email protected]

David FischerBeisitzer Mitglieder-betreuung fi [email protected]

Das Münchner Stadtgebiet ist in vier Regionalverbände (RV), entsprechend den Bundes-tagswahlen, unterteilt. Für jeden RV gibt es einen Ansprechpartner für dich im Vorstand:

Deine AnprechpartnerInnenbei den Jusos München:

Daniela BeckBeisitzerinPublikationen [email protected]

Kontakt

Mark EylitzBeisitzer Regional-verband [email protected]

Louisa PehleBeisitzerin Regional-verband Sü[email protected]

Cornelius MüllerBeisitzer Regional-verband [email protected]

Sinaida KumpfBeisitzerin Regional-verband [email protected]

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Kooptiert zur Unterstützung im Vorstand: Daniel Abitor (Bezirksvorsitzender), Nicole Bormann (stellv. Landesvorsitzende), Simone Burger (stellv. Bundesvorsitzende), Verena Dietl (stellv. Landesvorsitzende), Isabella Fiorentiono (stellv. Landesvorsitzende), Johannes Hintermaier (stellv. Landesvorsitzender), Ludwig Hoegner (stellv. Bezirksvorsitzender), Christian Köning (stellv. Bezirksvorsitzender)

Büro der Jusos München / Oberanger 38 / III, 80331 München / Tel. 26 02 30 90, Fax 26 02 30 91 / [email protected]

Stefan [email protected]

Philipp Obermüller Stellv. Vorsitzender, Beisitzer für Ö[email protected]

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+++ Nachhaltigkeit +++ Arbeitsmarkt +++ Emissionshandel +++ Verband Intern +++Jusos in München - Ausgabe November 2010