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Literaturepochen Frühmittelalter 500-1180 Hochmittelalter 1170-1250 Spätmittelalter 1250-1500 Humanismus, Renaissance und Reformation 1500-1600 Barock 1600-1720 Aufklärung 1720-1790 Empfindsamkeit 1740-1790 Sturm und Drang 1765-1790 Klassik 1786-1832 Romantik 1798-1835 Biedermeier 1815-1848 Junges Deutschland und Vormärz 1825-1848 Realismus 1848-1890 Naturalismus 1880-1900 Moderne 1890-1920

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Literaturepochen

Frühmittelalter

500-1180

Hochmittelalter

1170-1250

Spätmittelalter

1250-1500

Humanismus, Renaissance

und Reformation 1500-1600

Barock

1600-1720

Aufklärung

1720-1790

Empfindsamkeit

1740-1790

Sturm und Drang

1765-1790

Klassik

1786-1832

Romantik 1798-1835

Biedermeier

1815-1848

Junges Deutschland und

Vormärz 1825-1848

Realismus 1848-1890

Naturalismus

1880-1900

Moderne 1890-1920

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Romantik und Vormärz Literaturhistorischer Epochenüberblick zu Studienkurs 03532 Teil II Prof. Dr. Nicolas Pethes

Vorlesung „Romantik und Vormärz―: Überblick 1) Sozialhistorische und literaturästhetische Hintergründe der Romantik 2) Romantische Literaturtheorie und der Begriff der Romantik 3) Einheit und Differenz von Früh-, Hoch- und Spätromantik 4) Heinrich Heines romantische Romantik-Kritik: Das junge Deutschland // Abwendung von Romantik 5) Literarische statt gesellschaftliche Revolution im Vormärz (soziale und pol. Ereignisse, 1848) : Georg Büchner Literaturhistorische Entwicklung Stets: Erwartung und Antwort Klassik als Antwort auf Sturm und Drang Sturm und Drang als Antwort auf Regelpoetiken, nämlich Befreiung von normativen Vorgaben Vorangehende VL war Klassik Heute: Romantik und Vormärz Klassik: prinzipien, von denen sich Romantiker abwenden, ebenso mit Romantik und Vormärz 2

1.1 Sozialhistorische und literaturästhetische Hintergründe der Romantik -Grösstes Problem der Epochenbestimmung ist das der Datierung -Literaturhist. Epochen überlappen sich Friedrich Schlegel: Athenäums-Fragment 216 (1799): „Die Französische Revolution, Fichtes

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Wissenschaftslehre und Goethes Meister sind die größten Tendenzen des Zeitalters.―

Karl Wilhelm Friedrich von Schlegel (* 10. März 1772 in Hannover; † 12.

Januar 1829 in Dresden) war ein

deutscher Kulturphilosoph, Philosoph, Kritiker, Literaturhistoriker und Übersetzer. Friedrich

Schlegel war neben seinem Bruder August Wilhelm Schlegel einer der wichtigsten Vertreter

der „Jenaer Frühromantik― sowie Mitbegründer der modernen Geisteswissenschaften.

Inhaltsverzeichnis

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1 Leben und Tätigkeit

o 1.1 Kindheit, Jugend, Studium

o 1.2 Der Schriftsteller

1.2.1 „Lehrjahre“: Leipzig, Dresden, Jena I, Berlin

1.2.2 Die „Romantiker-WG“

o 1.3 Paris, Köln, Wien

2 Werke

3 Quellen und Anmerkungen

4 Literatur

5 Weblinks

„Lehrjahre“: Leipzig, Dresden, Jena I, Berlin [Bearbeiten]

1792 lernte er Friedrich von Hardenberg (Novalis) kennen, mit dem ihn viele Interessen wie

Philosophie, Geschichte und Literaturtheorie verbanden. 1793 freundete er sich mit der

Arztwitwe Caroline Böhmer an. Beide Freundschaften prägten seinen weiteren Lebensweg

entscheidend, da sie ihn bei seiner literarischen Tätigkeit unterstützten.

1794 gab er das Studium aus Geldnot auf und wurde freier Schriftsteller. Dabei beschäftigte

er sich vor allem mit der klassischen Antike. Er zog nach Dresden zu seiner Schwester

Charlotte. Dort lernte er Christian Gottfried Körner kennen und veröffentlichte sein erstes

Werk Von den Schulen der griechischen Poesie. 1795 machte er Bekanntschaft mit Johann

Friedrich Reichardt, der – wie Caroline – ein begeisterter Anhänger der französischen

Revolution war. Die Mitarbeit an dessen ZeitschriftDeutschland sicherte ihm seit 1796 seinen

Lebensunterhalt. Neben dem politischen Artikel Versuch über den Begriff des

Republikanismus erschien darin Schlegels scharfe Kritik an den Gedichten Friedrich

Schillers (Rezension des SchillerschenMusenalmanachs auf das Jahr 1796). Der daraufhin

verstimmte Schiller griff daraufhin seinerseits Schlegel in den Xenien (erschienen

im Musenalmanach auf das Jahr 1797) an. Schlegels verletzende Rezension von Schillers

Zeitschrift Die Horen führte 1797 zum endgültigen Bruch.

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1796 war Schlegel seinem Bruder August Wilhelm und dessen Frau, der ehemaligen

Caroline Böhmer, nach Jena gefolgt. Zunehmend beschäftigte er sich mit neuerer Literatur

und Philosophie (Kant, Spinoza). Hier prägte ihn stark die Philosophie vonJohann Gottlieb

Fichte (vgl. dessen Wissenschaftslehre), mit dem ihn eine Freundschaft verband. Der junge

Schlegel machte bei seinem ersten Jenaer Aufenthalt zudem fruchtbare Bekanntschaften mit

Schriftstellern der „älteren Generation―: Johann Gottfried Herder, Christoph Martin

Wieland und – Johann Wolfgang von Goethe. In Auseinandersetzung mit deren Werken er

später seine berühmte Literaturtheorie entwickeln sollte.

1797 lernte er im Berliner Salon der Henriette Herz Dorothea Veit, die Tochter Moses

Mendelssohns kennen, mit der er nach ihrer Scheidung 1798 zusammenlebte. Diese Zeit

findet eine programmatisch überhöhte Darstellung in seinem Roman Lucinde(1799). 1798

gründete er zusammen mit seinem Bruder August Wilhelm die ästhetisch-kritische

Zeitschrift Athenäum. Sie gilt als das Sprachorgan der Jenaer Frühromantik:

Die „Romantiker-WG“ [Bearbeiten]

1799 lebten die beiden Brüder, August Wilhelms Ehefrau Caroline sowie Dorothea Veit für

ein halbes Jahr zu viert zusammen – im Hinterhaus der Leutragasse 5. Diese „Romantiker-

Wohngemeinschaft― bildete das Kernstück der Jenaer Romantik. Die Gruppe, deren Ziel ein

enges Verweben von Leben und Literatur war, erhielt in dieser Zeit häufig Besuch: Mit

Friedrich von Hardenberg (Novalis) und Ludwig Tieck – dieser erschien mit seinem

Schwager August Ferdinand Bernhardi – verband Schlegel eine enge Freundschaft. Auch

sein Mitbewohner aus Berliner Tagen, Friedrich Schleiermacher, die in Jena lebende

Schriftstellerin Sophie Mereau (wenngleich diese eher dem „Schiller-Kreis― zuzuordnen ist),

deren Geliebter und späterer Ehemann Clemens Brentano sowie die

Philosophen Schelling und Fichte frequentierten die Wohngemeinschaft. In den Nächten

diskutierten sie über Literatur, Kunsttheorie und Philosophie, tagsüber arbeiteten sie an ihren

Texten: Friedrich Schlegel unter anderem an derLucinde, August Wilhelm und Caroline an

den Shakespeare-Übersetzungen.[1]

http://gutenberg.spiegel.de/autoren/schleglf.htm

Weblinks [Bearbeiten]

Wikiquote: Friedrich Schlegel – Zitate

Wikisource: Friedrich Schlegel – Quellen und Volltexte

Commons: Friedrich von Schlegel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur von und über Friedrich Schlegel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

Werke von Friedrich Schlegel bei Zeno.org

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Werke von Friedrich Schlegel im Projekt Gutenberg-DE

Friedrich Schlegel: Schulen der griechischen Poesie, 1794; im Projekt "Lyriktheorie"

Friedrich Schlegel: Geschichte der Poesie der Griechen und Römer, 1798; im Projekt

"Lyriktheorie"

Friedrich Schlegel-Gesellschaft e.V.

Reinhard Markner: „Fraktale Epik. Friedrich Schlegels Antworten auf Friedrich August

Wolfs homerische Fragen― (PDF-Datei; 255 kB)

Günter Oesterle: Friedrich Schlegel in Paris oder die romantische Gegenrevolution (PDF-

Datei; 156 kB)

Allen Speight (2007): Friedrich Schlegel Eintrag in der Stanford Encyclopedia of

Philosophy (englisch, inklusive Literaturangaben)

Literaturbrevier: Athenäums-Fragmente - Ausgewählte Athenäums-Fragmente von

Friedrich Schlegel.

Athenäum - Jahrbuch der Friedrich Schlegel-Gesellschaft.

Schlegel rekurriert auf: a) Die französische Revolution 1789 als politischer und gesamtgesellschaftlicher Umbruch b) Der deutsche Idealismus als Verabsolutierung der Vernunftautonomie und Reflexion Fichte ist Hauptvertreter des deutschen Idealismus Kant: Erkenntnistheorie-Ethik-Kunst Wissenschaftslehre von Fichte:Reflexion c) Die Weimarer Klassik als janusköpfiges Gebilde zwischen Tradition und Innovation Kunst ist auf der gleichen Ebene angesiedelt wie pol. Ereignisse für Schlegel Goethes Meister gehört in die klassische Epoche1 Novalis: Blüthenstaub-Fragmente (1799): „Die Welt muß romantisiert werden.― Das ist Projekt, das erreicht werden soll. Roman ist Prosa, also ungebunden, nicht gereimt. Entsprach noch in den neunziger Jahren nicht der Kunst. Roman ist Herausforderung an Literaturverständnis zu jener Zeit.

1 Komplizierte Frage, ob wirklich klassisches Werk

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1.2 Klassik vs. Romantik Nimesis- Nachahmung , Kunst hat auszugleichen, was in der Wirklichkeit nicht perfekt ist • „Erhebung der Wirklichkeit zum Ideal― (Friedrich Schiller: Über naive und sentimentalische Dichtung, 1796

• „Das unbedingte Höchste kann aber nie ganz erreicht werden. Das äußerste, was die strebende Kraft vermag, ist: sich diesem unerreichbaren Ziele immer mehr und mehr zu nähern.― Obiges ist Schlüssel für Romantiker: Klassik-denkmögliche Realisierung von Vollkommenheit, diese ist aber für Schlegel nicht erreichbar. Stabiles Konzept-Prozessuales Konzept Schlegels in Romantik Roman gibt nicht vor, eine ideale Vollkommenheit zu vermitteln, sondern etwas prozessuales Friedrich Schlegel: Über das Studium der griechischen Poesie, 1796

• „Die Welt muß romantisiert werden.― Novalis: Blüthenstaub-Fragmente, 1799

• "Das Klassische nenne ich das Gesunde, und das Romantische das Kranke.„ Johann Wolfgang Goethe: Gespräche mit Eckermann, 1829 Bedeutet: Kritik Goethes, er pathologisiert Nicht im med. Sinn zu verstehen, Methapher, Vollkommenheit, Unerreichbarkeit Das ist polemischer Einspruch gegen Romantik, Zitat ist auch wichtig, weil: Goethe hat sich gegen Romantik gewehrt, ist aber doch beeinflusst von ihr. Abgrenzungen konstituieren Epochen.

3

1.3 Das Programm der Frühromantik • Geselligkeit und Salonkultur: Jenaer Romantikerkreis im Kontext bürgerlicher Emanzipation (Ludwig Tieck,

Wilhelm Heinrich Wackenroder) Johann Ludwig Tieck (* 31. Mai 1773 in Berlin; † 28.

April 1853 ebenda) war ein

deutscher Dichter, Schriftsteller, Herausgeber und Übersetzer der Romantik. Er publizierte

auch unter den PseudonymenPeter Leberecht und Gottlieb Färber.

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Inhaltsverzeichnis

1 Leben

o 1.1 Jugend, Studium und erste Erfolge

o 1.2 In Ziebingen

o 1.3 In Dresden

o 1.4 In Berlin

2 Bibliographie

o 2.1 Gesamtausgaben

o 2.2 Einzelwerke (Auswahl)

o 2.3 Briefe (Auswahl)

o 2.4 Übersetzungen (Auswahl)

o 2.5 Tieck als Herausgeber

3 Forschungsliteratur

4 Einzelnachweise

5 Weblinks

Wilhelm Heinrich Wackenroder (* 13. Juli 1773 in Berlin; † 13. Februar 1798 in

Berlin), Jurist, war als Schriftsteller Mitbegründer der deutschen Romantik.

Inhaltsverzeichnis

1 Leben

2 Werke

3 Werkausgabe

4 Als CD

5 Literatur

6 Weblinks

• Ästhetisches Programm in der Zeitschrift „Athenäum― (Friedrich und August Wilhelm Schlegel) Zentrale Zeitschrift für Frühromantische Bewegung • Triadische und utopische Natur- und

Geschichtsphilosophie (Friedrich Wilhelm Schelling) Friedrich Wilhelm Joseph Ritter

von Schelling (* 27. Januar 1775 in Leonberg, Württemberg; † 20. August 1854 in Bad

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Ragaz, Schweiz; 1812 geadelt) war einer der Hauptvertreter der Philosophie des deutschen

Idealismus.

Inhaltsverzeichnis

[Verbergen]

1 Leben und Werk

o 1.1 Jugend und Studium

o 1.2 Forschungs- und Lehrtätigkeit

o 1.3 Familie

2 Philosophie

o 2.1 Einteilung seines Werks

o 2.2 Philosophie als Vernunftwissenschaft

o 2.3 Naturphilosophie

3 Einfluss

4 Schelling als Naturwissenschaftler

5 Werke

6 Literatur

7 Quellen

8 Weblinks

o 8.1 Primärtexte

o 8.2 Sekundärtexte

o 8.3 Foren und Gesellschaften

o 8.4 Literaturverzeichnisse

• Programm einer neuen Mythologie im Ältesten Systemprogramm des deutschen Idealismus (G.W.F.

Hegel/F.W. Schelling/Fr. Hölderlin, 1797) Johann Christian Friedrich Hölderlin (* 20.

März 1770 in Lauffen am Neckar; † 7. Juni 1843 in Tübingen) zählt zu den bedeutendsten

deutschen Lyrikern. Sein Werk nimmt in der deutschen Literatur um 1800 eine selbständige

Stellung neben Weimarer Klassik und Romantik ein.

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Inhaltsverzeichnis

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1 Leben

o 1.1 Schul- und Universitätsjahre

o 1.2 Hauslehrerjahre

o 1.3 1806–1843: Die Jahre im Tübinger Turm

2 Werk

3 Wirkung

4 Werke und Ausgaben

5 Preise

6 Filme

7 Siehe auch

8 Literatur

9 Einzelnachweise

10 Weblinks

, in Friedrich von Hardenbergs [= Novalis] Die Christenheit oder Europa (1799) und in Friedrich Schlegels Rede über die

Mythologie (1802) Novalis (* 2. Mai 1772 auf Schloss Oberwiederstedt; † 25.

März 1801 in Weißenfels), eigentlich Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg,

war ein deutscher Schriftsteller der Frühromantik, Philosoph und Bergbauingenieur.

Novalis, Stahlstich von Friedrich Eduard Eichens (1845)

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Inhaltsverzeichnis

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1 Leben

2 Werk

o 2.1 Triadenstruktur

o 2.2 Mystik

o 2.3 Lyrik

2.3.1 Deutungen

o 2.4 Prosa

2.4.1 Heinrich von Ofterdingen

2.4.2 Die Christenheit oder Europa

3 Rezeption

4 Vertonungen

5 Werke

6 Ausgaben

o 6.1 Zusammenstellungen

o 6.2 Hörbücher und Hörspiele

7 Einzelnachweise

8 Siehe auch

9 Literatur

10 Weblinks

Triadenstruktur

Dem gesamten Werk liegt ein Bildungsgedanke zu Grunde: „Wir sind auf einer Mission: Zur

Bildung der Erde sind wir berufen―. Es soll vermittelt werden, dass sich alles in einem

stetigen Prozess befindet. So auch der Mensch, der immer versucht, sich einem früheren –

hypothetisch angenommenen – Zustand anzunähern, der davon geprägt ist, dass Mensch

und Natur harmonieren. Diesem Gedanken der romantischen Universalpoesie wurde durch

die romantische Triade eine adäquate Darstellungsform gegeben, die dem Rezipienten

immer wieder vor Augen führt, dass der beschriebene Moment genau der richtige (der

günstigste) Zeitpunkt (Kairos) ist - ein Begriff, den Hardenberg von Lessing übernommen

hatte -, der Augenblick der Krise, an dem sich entscheidet, welche Wendung der Lauf der

Dinge nehmen wird. Diese immer wieder dargelegten Umbruchszeiten korrespondieren mit

einem Gefühl für die Gegenwart des Künstlers, das Novalis mit einigen Zeitgenossen teilte.

Deswegen lässt sich in den Werken meist eine Triadenstruktur erkennen, das heißt, dass es

innerhalb eines Werkes drei miteinander korrespondierende Strukturelemente gibt. In der

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antiken griechischen Dichtung waren dies die drei

Strophen: Strophe, Antistrophe und Epode. Novalis gestaltet sie inhaltlich und ggf. auch

formal, zumindest die dritte sogenannte Epode, unterschiedlich aus.

Roman ist Literaturform, in der man erzählen kann, Diaolog möglich, Gedichte können eingefügt werden, daher Gattungsmischung in Romantik Aufhebung von Gattungsgrenzen Schlegel prägt: Moderne Poesie Romantische Literatur will vielfältig sein, populär, volkstümlich, integrativ europäisch

Allgemein zunächst, 2.1 Romantische Literaturtheorie - Kritik am Rationalismus der Aufklärung - Ablehnung der Trennung von Wissenschaft und Kunst - Symphilosophie, Sympoetik, Gattungsmischung - Friedrich Schlegels Begriff der „modernen Poesie― • vielfältig (statt harmonisch) • populär (statt elitär) • europäisch (statt einzelsprachlich) • individuell (statt objektiv) • historisch (statt zeitlos)- sie entsteht in der Zeit und durch den Verlauf von Zeit

Texte im folgenden

4

2.2 Fragment, Ironie, Allegorie Friedrich Schlegel: Athenäums-Fragmente (1799) „Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie.― Progressivität meint, rom. Lit ist nicht fixierte Darst. Eines Ideals, sondern im Prozess, prozessual, im Werden, Prozessualität Beansprucht alle Bereich des Denkens, Wissens, etc., keine endgültigen Lösungen, sondern begreiflich im Verfahren „Es ist gleich tödlich für den Geist, ein System zu haben, und keines zu haben. Er wird sich also wohl entschliessen müssen, beides zu verbinden.― Schlüsselzitat für Frührom. Literaturbewegung

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Man muss beides miteinander verbinden, obige Aussage paradox. Warum formuliert er das so: er will nicht bei einer fixierten Entität anlangen wie in der Klassik, deshalb Paradox Es soll keine stabilen Punkte mehr geben. Schlegel nennt es: ironisch Stilmittel der Ironie hält die Dinge im Prozess „Naiv ist, was bis zur Ironie, oder bis zum steten Wechsel von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung natürlich, individuell oder klassisch ist, oder scheint.― „Die Unmöglichkeit das Höchste durch Reflexion positiv zu erreichen führt zur Allegorie d.h. zur […] Kunst.― Wenn man allegorisch spricht, will man gar nicht eindeutig aussagen.

Die Allegorie (von griechisch αλληγορέω „etwas anders ausdrücken―), in der Literatur

auch Allegorese, ist eine Form indirekter Aussage, bei der eine Sache (Ding, Person,

Vorgang) aufgrund von Ähnlichkeits- und/oder Verwandtschaftsbeziehungen

als Zeichen einer anderen Sache (Ding, Person, Vorgang, abstrakter Begriff) eingesetzt wird.

In der Rhetorik wird die Allegorie als Stilfigur unter den Tropen (Formen uneigentlichen

Sprechens) eingeordnet und gilt dort als fortgesetzte, d. h. über ein Einzelwort

hinausgehende Metapher. In der bildenden Kunst und in weiten Teilen der mittelalterlichen

und barocken Literatur tritt die Allegorie besonders in der Sonderform der Personifikation auf,

in der eine Person durch Attribute, Handlungsweisen und Reden als Versinnfälligung eines

abstrakten Begriffs, z. B. einer Tugend oder eines Lasters, agiert.

Allegorie und Symbol [Bearbeiten]

Justitia, die Gerechtigkeit, mit Darstellung der Unschuld (links) und des Lasters(rechts)

Die seit dem 18. Jahrhundert aufgekommenen Versuche, Allegorie und Symbol voneinander

abzugrenzen, zeichnen sich oft durch philosophischen Tiefsinn aus, sind aber literatur-

und zeichentheoretisch wenig konsistent und führen bei der Anwendung auf antike,

mittelalterliche und auch barocke Allegorie zu historischen Verkürzungen. Ein Symbol wird

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manchmal verstanden als ein Zeichen, das die gesagte Sache auch um ihrer selbst und ihrer

Besonderheit willen, und nicht nur um der Verallgemeinerbarkeit der übertragenen Aussage

willen ausspreche, ihren tieferen Sinn außerdem lediglich andeute, ihn aber weniger

bestimmt als die Allegorie festlege, und darum schließlich eher intuitiv zu verstehen als

intellektuell zu enträtseln sei. Vor allem soll das Dargestellte im Symbol noch anwesend sein,

wodurch eine innere und äußere Einheit von Zeichen und Bedeutung gewahrt wird. Der

Allegorie fehlt diese Einheit, sie ist gebrochen und steht in einem Spannungsverhältnis zur

dahinter stehenden Idee. Ästhetisch wurde während des Klassizismusdarum dem als

poetischer empfundenen Symbol meist der Vorzug gegeben vor der verstandesbetont kalten,

als Gedankenspiel geringgeschätzten Allegorie, die im Rahmen einer auf Unmittelbarkeit,

Gefühl und Individualität ausgerichteten Literatur- und Kunstauffassung als die

minderwertigere oder sogar unpoetische Ausdrucksform geringgeschätzt wurde.

Durch Walter Benjamin erfuhr die Allegorie in der Moderne eine Aufwertung: „Das Symbol ist

die Identität von Besonderem und Allgemeinem, die Allegorie markiert ihre Differenz.― [1] Sie

wurde als Kunstform gegen die idealistische Ästhetik paradigmatisch für die Moderne.

2.3 Selbstreferenz der Sprache Friedrich Schlegel: Über die Unverständlichkeit (1799) Novalis: Dialogen und Monolog (1799): „Es ist eigentlich um das Sprechen und Schreiben eine närrische Sache; das rechte Gespräch ist ein blosses Wortspiel. Der lächerliche Irrtum ist nur zu bewundern, dass die Leute meinen – sie sprächen um der Dinge willen. Gerade das Eigentümliche der Sprache, dass sie sich bloss um sich selbst bekümmert, weiss keiner. Darum ist sie ein so wunderbares und fruchtbares Geheimnis, – daß wenn einer bloss spricht um zu sprechen, er gerade die herrlichsten, originellsten Wahrheiten ausspricht. Will er aber von etwas Bestimmtem sprechen, so lässt ihn die Sprache das lächerlichste und verkehrteste Zeug sagen.― Das ist Beleg für Selbstbezug der Sprache auf sich selbst, Was ist dann der Aussagetext des obigen Zitats. Jeder der gezielt spricht sagt nur dummes Zeug, nur der gar nichts aussagen will, spricht die originellsten Wahrheiten. Was ist nun mit dem Text oben: hat er Wahrheitswert, oder nicht. Den Text kann man nicht festlegen. Vermeidung der Fixierung durch Selbstreferenz, s. auch wie bei Schlegel.

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2.4 Funktionale Ausdifferenzierung des Literatursystems ‚um 1800‘ 1) Historische Relativierung von Qualitätsurteilen („Geschmack―) Was gute Kunst ist, steht nicht mehr ein für alle mal fest, 2) Individualisierung des Verständnisses von literarischer Produktion und Form („Genie―) Gegen normative Literaturbegriffe in Anschlag gebracht, Lit. Wird nicht extern definiert, sondern durch Schaffen des Genies 3) Aufspaltung von Einheitsvorstellungen durch Vergleich und Differenzierung („Reflexion―) es ist nicht verfügbar, sondern Gegenstand eines Gedankenprozesses 4) Verlegung des Zustands der Perfektion in eine unerreichbare Zukunft („Perfektibilität―) Kunst ist nicht vollkommen, zeitlichkeit und Geschichtlichkeit von Kunst, s.u. 5) Temporalisierung von Schriftkommunikation („Paradoxie―, „Undarstellbarkeit― und „Unendlichkeit―) Vervollkomnung wird nie erreicht in der Frühromantik 6) Beobachtung von Kontingenzen anstelle von Notwendigkeiten („Ironie―) Die Dinge könnten auch anders sein als wir denken Die Welt ist nicht mehr so stabil eingerichtet, von Gott, oder in geschichtlicher Richtung auf Heil Nicht vernünfig und zielgerichtet wie in den theologischen Systemen Daraus folgt: Verlust von Sicherheit, oder Gewinnung von Möglichkeiten und Freiheit Daraus folgt auch letztlich: 7) Selbstreferenz des Ästhetischen statt externer Kunstregeln („Romantisieren―) Es gibt keine externen Regeln mehr, die Welt muss romantisiert werden, die Verhältnisse haben sich umgekehrt, im Vergleich zu Klassik Es ist ein Gegenentwurf, die Kunst soll auf die Welt wirken, die Welt zeichnen und nicht die Welt die Kunst Umfassender Anspruch, aber Projekt, Ziel kann vll nie so erreicht werden. Frühromantik auch Bekenntnis zur Irrationalität

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2.5 ‚Kleine Leseliste‘ zur Frühromantik • Ludwig Tieck: Der blonde Eckbert (1796)

Der blonde Eckbert ist ein Kunstmärchen der Frühromantik von Ludwig Tieck. Es erschien

erstmals 1797 in einer, von Tieck selbst herausgegebenen, Sammlung mit dem

Titel Volksmärchen, verlegt von Carl August Nicolai in Berlin. Sie beinhaltet u.a. auch

Tiecks Der Gestiefelte Kater und Ritter Blaubart.

Zuweilen wird die Veröffentlichung des Eckberts als Beginn der

deutschen Literaturepoche der Romantik gesehen.

Inhaltsverzeichnis

[Verbergen]

1 Inhalt

2 Interpretation

3 Sekundärliteratur

4 Weblinks

Inhalt [Bearbeiten]

Es geht um ein Ehepaar, den blonden Eckbert und seine Frau Bertha, die in

Zurückgezogenheit (Die angesprochene "Waldeinsamkeit" bezieht sich auf Berthas

vergangenen Zustand) leben. Eckberts Freund Walther ist der einzige Kontakt zur

Außenwelt. Eines Tages erzählt Bertha von ihrer Jugend:

Als Kind von ihrem Vater, einem armen Hirten, hart behandelt, ist sie achtjährig in den Wald

geflüchtet und dort einer alten Frau begegnet, die sie mit in ihre Hütte nimmt. Sie lernt

spinnen und lesen und muss den Hund und einen herrlich singenden Vogel betreuen, der

täglich ein Ei mit einer Perle oder einem Edelstein legt. Sechs Jahre verbringt Bertha so bei

der Alten, die mit ihr sehr zufrieden ist. Immer größer aber wird ihre Sehnsucht nach der Welt

der Ritter, die sie aus ihrer Lektüre kennt, und eines Tages flüchtet sie mit einem Gefäß

voller Edelsteine, lässt den Hund zurück und erwürgt unterwegs den Vogel, der sie mit

seinem Lied in Angst versetzt hat. Als sie in ihrem Heimatdorf erfährt, dass ihre Eltern

gestorben sind, zieht sie in die Stadt und vermählt sich später mit dem Ritter Eckbert.

Eckbert glaubt, der Freund habe Schuld an der Krankheit, die letztlich auch zum Tod seiner

Frau führt. Grund für den Verdacht ist, dass Walther bei den wundersamen Geschichten aus

Berthas Jugend wusste, wie ihr Hund hieß, ohne dass Bertha den Namen verraten hätte.

Eckbert steigert sich wegen der ungewohnten völligen Intimität mit seinem nun Vertrauten

Walther und des schlechten Gesundheitszustands seiner Frau in einen Wahn und auf einer

Wanderung erschießt er Walther. Als er nach Hause kommt, ist auch seine Frau tot.

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Er bricht immer wieder von zu Hause auf, lässt den Wahnsinn scheinbar zurück und findet in

Hugo einen neuen Freund, bis er auch hinter diesem Walther zu sehen scheint. Letzten

Endes vermischt Eckbert immer mehr die momentane Wahrnehmung mit der Geschichte

seiner Frau und seinem Verdacht gegenüber Walther. Er erfährt durch Berthas Fürsorgerin,

welche ebenfalls Walther und Hugo ist (in verwandelter Form), dass er und seine Frau Halb-

Geschwister sind und verstirbt im Wahn.

Interpretation [Bearbeiten]

Die Binnenhandlung erzählt die Protagonistin Bertha durchgehend aus eigener Sicht in der

Ich-Form. Sie weist die Zuhörer - Eckbert und Walther - explizit darauf hin, dass sie die

Geschichte nicht für ein Märchen halten sollten, nur weil sie „sonderbar klingen mag―,

woraufhin der Leser genau auf das Märchenhafte der Erzählung achtet, was beabsichtigt ist.

Die optische und akustische Beschreibung der Natur spiegelt sich im Gefühlsleben der

Erzählerin wider. Hierbei wird ein Konflikt zwischen Natur und Mensch aufgebaut, der nur

durch die Vermittlung der Religion aufgehoben werden kann. Es existiert neben der äußeren

Rahmenhandlung auch eine innere Erzählung, die das Gefühlsleben Eckberts betrifft, der

nicht klar zwischen Wirklichkeit und Wahn unterscheiden kann.

Interessant ist, dass die typisch romantische Verklärung des Wahnsinns bei Tieck

aufgenommen und weiterverarbeitet wurde. Zwar ermöglicht der Wahn die Erkenntnis des

Lebens in Inzest, aber er führt letztlich auch zum Tode.

• Ludwig Tieck: Der gestiefelte Kater (1797)

Der gestiefelte Kater ist ein volkstümliches Märchen, das sich in der ersten Auflage der

Sammlung der Kinder- und Hausmärchen (KHM) der Brüder Grimm als Nr. 33 fand, in der

Ausgabe letzter Hand nicht mehr enthalten war und in der später von Heinz Rölleke

herausgegebenen Ausgabe als Nr. 5 im Anhang erschien.

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Inhaltsverzeichnis

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1 Inhalt und Würdigung

2 Adaption für zwei Opern

3 Film

4 Theater

5 Figuren- & Marionettentheater

6 Weblinks

Inhalt und Würdigung [Bearbeiten]

Skulptur von Ignatius Taschneram Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain, Berlin 1913

Gustave Doré Illustration zuCharles Perraults Le Maître chat ou le chat botté

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Der gestiefelte Kater.Bilderbogen von Moritz von Schwind (1849)

Das Märchen greift die Ungerechtigkeit einer typischen Erbsituation auf: Nach dem Tode

eines Müllers fällt an den ältesten Sohn die Mühle, an den zweiten ein Esel und an den

dritten ein scheinbar völlig wertloser Kater. Der Kater, der überraschenderweise der

menschlichen Sprache mächtig ist, vermag es nun aber, seinen Besitzer zu überzeugen, auf

ein Paar Handschuhe, die sich aus dem Katzenfell anfertigen ließen, zu verzichten und

stattdessen noch sein letztes Geld in ein Paar unsinnig erscheinende Stiefel für den Kater zu

investieren.

Aus Dankbarkeit erjagt der Kater nun zuerst einen Sack Rebhühner, die er dem hiernach

verlangenden König gegen eine Belohnung in Gold überlässt, und verschafft dann seinem

Herrn, dem nun reichen Müllerssohn, ein einträgliches Grundstück mit Schloss, indem er den

Vorbesitzer, einen Zauberer, bei dessen Eitelkeit zu mehreren Verwandlungskunststückchen

überredet. Als dieser sich schließlich in eine Maus verwandelt, verspeist ihn der Kater. Der

ursprünglich arme, besitzlose Müller, der vom Kater nun als Graf ausgegeben wird, wird

somit zum begüterten Grundbesitzer und heiratet schließlich die Königstochter.

Das Märchen, das mit einfachen Motiven, der Frage der Ungerechtigkeit beim Erbgang, der

Dankbarkeit des Katers und zuletzt des Glückes, das den vermeintlich schlechter Gestellten

schließlich zum wohlhabenden Mann macht, arbeitet, ist in vielen Varianten überliefert.

Schon die Grimms selbst merkten an, eine Version des Gestiefelten Katers in Le chat

botté von Charles Perrault zu kennen, die mutmaßlich italienische Ursprünge hat, zumindest

aber bereits von Giovanni Francisco Straparola aufgezeichnet wurde.

Das Märchen wurde bereits vor der Edition durch die Gebrüder Grimm von Ludwig Tieck in

der gleichnamigen Komödie Der gestiefelte Kater, die 1797 erschien, aber erst am 20. April

1844 in Berlin uraufgeführt wurde, verarbeitet. Auch scheinen einige Parallelen zu Joseph

von Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts von 1826 zumindest untergründig

gegeben, wenngleich es hier auch der Müllersknabe selbst ist, der loszieht, sein Glück zu

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suchen. Der Stoff selbst gelangte über die Jahre seiner Rezeption dann in zahllosen

Bearbeitungen für Kinder und schließlich einigen Verfilmungen in die Öffentlichkeit.

Versuch im Theater ein Theater aufzuführen: Selbstreferenz • Wilhelm Heinrich Wackenroder: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders (1797) • Friedrich Schlegel: Rezension „Über Goethes Meister“ (1799) • Friedrich Schlegel: Lucinde (1799)

Lucinde (Untertitel: Bekenntnisse eines Ungeschickten) ist ein Roman von Friedrich

Schlegel, der 1799 als erster Teil eines vierteiligen Romanprojektes erschien. Er beschreibt

in Briefen, Dialogen, Aphorismen, Tagebucheinträgen und anderen literarischen Formen die

Liebe von Julius und Lucinde. Der Autor – nicht nur Schriftsteller, sondern auch

Literaturtheoretiker, Historiker und Philosoph – artikuliert in und mit diesem Buch

sein frühromantisches Romankonzept. Ein wichtiger Grundsatz dessen besagt, dass ein

Roman stets sowohl einen Roman als auch seine eigene Theorie darstellen soll.

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Inhaltsverzeichnis

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1 Das Konzept

o 1.1 Die Kritik

o 1.2 Ein "ästhetisches Ungeheuer": Die Struktur des Buches

2 Der Stoff

o 2.1 Das Liebesmodell

2.1.1 Soziologisch verstanden: Ehe ist Liebe und Liebe ist Ehe

2.1.2 Poetologisch verstanden: Alles ist beseelt für mich

2.1.3 Die Funktion des Liebesdiskurses

3 Rezeption

o 3.1 Die zeitgenössische Rezeption

o 3.2 Feministische Deutung

4 Fortsetzungen

5 Einzelnachweise

6 Literatur

o 6.1 Verwendete Literatur

o 6.2 Weiterführende Literatur

7 Weblinks

Das Konzept [Bearbeiten]

Lucinde ist der einzige Roman Friedrich Schlegels, der als Begründer und Vordenker der

frühromantischen Philosophie und Literaturtheorie gilt. Das Konzept der progressiven

Universalpoesie hatte Schlegel seit 1797 in der Jenaer Zeitschrift Athenäum in Fragmenten

und Aufsätzen entwickelt. Ausgehend von zwei - zunächst durchaus nicht

als romantisch verstandenen - Romanen seiner Zeit, Johann Wolfgang Goethes Wilhelm

Meister und Ludwig Tiecks Sternbald hatte er die Wichtigkeit selbstbezogener Reflexionen

innerhalb der Romantexte betont sowie eingefordert, dass ein Roman die Fähigkeit haben

müsse, sein eigenes Konzept darzustellen. Die Lucinde stellt Schlegels Versuch dar, diese

Konzeption umzusetzen.

Die Kritik [Bearbeiten]

Wenngleich die Theorie bis ins Detail umgesetzt wurde, gilt dieser Versuch in der älteren

Forschung als missglückt. Der Hauptvorwurf, den man der Lucinde macht, ist, dass sie kein

Roman im eigentlichen Sinne - und das heißt eine angenehm zu lesende Geschichte - sei,

sondern eher "ein ästhetisches Ungeheuer"[1], also eine trockene, für Laien schwer

verständliche Ausbuchstabierung der komplexen Theorie darstelle. Bei Schlegels Projekt,

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diese selbst in einem romantischen Roman darzustellen, überwog - so die negative Kritik -

die Theorie.

Es ist also die Romanhaftigkeit, die manche Interpreten dem Roman Lucinde absprechen.

Dabei sind sie jedoch einem herkömmlichen Verständnis der Gattung Roman verhaftet.

Kriterien hierfür sind: Eine lineare, kohärente Handlung sowie Charaktere, die eine

psychologisch nachvollziehbare Entwicklung durchlaufen, eingebettet in ein 'Weltgeschehen',

also ein soziales Umfeld, eine Gesellschaft, die meist auch ihr Denken, Fühlen und Handeln

mitbeeinflusst bzw. bewertet.

Schlegels Lucinde hingegen ist ein Roman im Sinne der frühromantischen progressiven

Universalpoesie (Vgl. Athenäumsfragment 116). Dementsprechend zeichnet sich

die Lucinde durch eine gattungsüberschreitende Offenheit aus.[2]

Als im Sinne der obigen Kritik 'geglückter' Roman der Romantik, der also sowohl das

Konzept umsetzt als auch im herkömmlichen Sinne lesbar bleibt, gilt gemeinhin Clemens

Brentanos Godwi.

Ein "ästhetisches Ungeheuer": Die Struktur des Buches [Bearbeiten]

Der Text verfolgt keine epische Erzählung, sondern bietet seinem (gemäß dem

"unbezweifelte[n] Verwirrungsrecht" des Erzählers/Autors) verwirrten Leser Stimmungen und

Reflexionen der Hauptfigur Julius. Es ist stets unsicher, in welchem Bezug ein Textstück zu

einem anderen steht. Und erahnt der Leser einen Zusammenhang, der einer Handlung

ähnelt, wird dieser Eindruck bald wieder zertrümmert. Den Sprüngen im Text kann der

überforderte Leser kaum folgen. Damit sind Merkmale des modernen Romans

vorweggenommen: Die Forschung vergleicht die Lucinde gern mit James

Joyces Ulysses oder Virginia Woolfs Mrs. Dalloway.

Trotzdem ist der Text klar gegliedert. Wir finden ein "systematisches Chaos", eine – wie es in

Schlegels Rede über die Mythologie heißt – "künstlich geordnete Verwirrung". Diese für die

Schlegelsche Theorie typischen paradoxen Formulierungen meinen in der Praxis folgendes:

Das Buch besteht aus 13 Teilen und einem Prolog. Jeweils sechs kurze, fragmentartige

Textstücke gruppieren sich um den in der ersten Person erzählten Mittelteil. Diese

Textstücke entsprechen sich einerseits inhaltlich und formal bis ins Detail, der Fortgang

drückt jedoch trotzdem die Entwicklung von Julius und seiner Liebe aus, seine geistige

Entwicklung, denn: Das Maß für die Lucinde ist der klassische Bildungsroman der Zeit,

Goethes Wilhelm Meister.

Der Stoff [Bearbeiten]

Das Thema des Romans ist die Liebe und das Reflektieren über die Liebe in jeder

denkbaren schriftlichen Form: Briefe , Tagebuch, hingekritzelte Gedanken, Zettelchen,

aufgezeichnete Dialoge. Es ist oben bereits erwähnt worden, dass die Lucinde keine

kohärente Handlung aufweist. Dennoch liegt dem Buch natürlich ein bestimmter Stoff

zugrunde und dieser ist autobiographisch. Es hat dies seinen Grund ebenfalls wieder in der

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Theorie Friedrich Schlegels. Ist der Roman doch dazu gemacht "den Geist des Autors

vollständig auszudrücken: so dass manche Künstler, die nur auch einen Roman schreiben

wollten, von ungefähr sich selbst dargestellt haben".[3] Ein romantischer Roman stellt also

notwendigerweise die ganz persönlichen Empfindungen und Taten, kurz: die Lebensweise

des Autors dar. Und dies nicht in versteckter Weise – so wie man im Rahmen einer

autobiographischen Deutung gerne diverse Bücher mit der Biographie des Autors

interpretiert (vgl. z.B. Franz Kafka, Mark Twain, James Joyce) –, sondern ganz explizit.

Das Liebesmodell [Bearbeiten]

Anthologien über die Entwicklung des Liebes- und Ehemodells und des

dazugehörenden Liebesdiskurses in Deutschland und Europa – seien es soziologische,

historische oder literaturwissenschaftliche Arbeiten – sehen in der Lucinde stets

dasparadigmatische Beispiel für die Liebe in der Romantik (wenngleich der "Licht-Name "der

Titelheldin und somit auch des gesamten Buches über diese Metapher zunächst der

Aufklärung verpflichtet zu sein scheint).[4] Im Folgenden soll deshalb die Vorstellung von

Liebe in diesem Buch dargestellt werden.

Soziologisch verstanden: Ehe ist Liebe und Liebe ist Ehe [Bearbeiten]

In Schlegels Lucinde finden wir zum ersten Mal in der Geschichte der Liebe (in der Neuzeit)

die explizite Forderung danach, dass radikale Liebe und Ehe, also die große, wilde

Leidenschaft und der bürgerlich-brave Bund fürs Leben, zusammengehören. Dem Einwand,

dass es sich dabei um eine Utopie handele und dass lodernde Gefühle nur schwer zwischen

"Kindergeschrei und Küchendämpfen" dauerhaft vorstellbar seien, setzen die Romantiker die

Unterscheidung zwischen poetischen Menschen (Enthusiasten) und Spießbürgern (Philister)

entgegen: Dem romantischen Menschen spricht man die Fähigkeit zur ekstatischen

Harmonie per definitionem zu. Und die (romantische) Kunst wie auch die richtige Art

hingebungsvoll zu lieben helfen dem Menschen, seine poetische Seite auszubilden. Auch

hierzu möchte der Roman Lucinde einen Beitrag leisten.

Poetologisch verstanden: Alles ist beseelt für mich [Bearbeiten]

Zudem bezieht sich nun in der Liebe nicht mehr ein (liebendes) Subjekt auf das (geliebte)

andere, sondern man liebt jetzt – gemäß dem romantischen Universalitätsprinzip – die

gesamte Welt durch den anderen.

Alles, was wir sonst liebten, lieben wir nun noch wärmer. Der Sinn für die Welt ist uns erst

recht aufgegangen. (Lucinde, S. 89.)

In Schlegels philosophischem System, mit dem er Ende des 18. Jhdts versuchte, die

unermessliche Welt der Poesie zu ergründen, hat die Liebe einen besonderen Stellenwert:

Sie galt ihm als der erste Schritt zu deren Verständnis. Denn sie ist unmittelbar zu empfinden

und führt dennoch zu dem Wunsch zur Reflexion darüber, so dass in ihr zwei sich gemeinhin

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konträr gegenüber stehenden Prinzipien – Unmittelbarkeit und Reflexion, Unbewusstheit und

höchstes Bewusstsein – gleichzeitig umgesetzt werden.

Zudem ist die romantische Liebe unendlich wie die Poesie.

Die Funktion des Liebesdiskurses [Bearbeiten]

Das Reflektieren der Liebe ist notwendig, um eine Distanz herzustellen, die letztlich zu einer

Steigerung des Erlebten führt. In der Lucinde wird in Form von literarischen Dialogen

reflektiert, jedes Textstück ist sowohl an Lucinde als auch an den Leser gerichtet. Ja, man

kann sagen, dass es sich dabei um einen einzigen großen Liebesbrief handelt, in den der

Leser hinein schauen darf.[5]

Rezeption [Bearbeiten]

Die zeitgenössische Rezeption [Bearbeiten]

Die Lucinde erfuhr unmittelbar nach ihrem Erscheinen eine lebhafte, bisweilen

wütende Rezeption. Zum einen hatten die Zeitgenossen Probleme mit der sperrigen Form.

Die Bezeichnung "Roman" wurde als 'Mogelpackung' empfunden. Zum anderen wurde er als

höchst unmoralisch angesehen. Der freizügige Umgang mit Sexualität gekoppelt an eine in

Richtung Emanzipation weisende Stellung der selbstbewusst liebenden Titelheldin brach mit

zeitgenössischen Moralvorstellungen. Noch 1816, als Friedrich Schlegel zum

österreichischen Legationssekretär am Bundestag in Frankfurt ernannt worden war, wurde er

für die Lucinde bei der Obersten Polizei- und Zensur-Hofstelle in Wien anonym als "höchst

hirnloser und unzüchtiger Skribler" angezeigt und dem Buch "Ärgerlichkeit und

Verworfenheit" vorgeworfen.[6] Die Hauptleidtragende war Dorothea Veit, die jedoch – da sie

das Konzept verstanden hatte und verehrte – den Roman trotz ihres Leidens darunter gegen

die Angriffe verteidigte.[7]

Feministische Deutung [Bearbeiten]

In den gender-studies der 90er Jahre gilt die Lucinde nur als scheinbar emanzipatorisch.

Zunächst einmal ist das Liebesmodell zu kritisieren: Denn obwohl es darum geht, dass jeder

sich selbst als ein Individuum herausbilde, bleibt die Asymmetrie der Geschlechter erhalten.

"Der Mann liebt das Lieben, die Frau liebt den Mann; sie liebt dadurch einerseits tiefer und

ursprünglicher, andererseits auch gebundener und weniger reflektiert."[8] Die dargestellte

Utopie des Rollentausches im Geschlechtsakt, so beschrieben in der Dithyrambischen

Fantasie über die schönste Situation,[9] wird als Schlüsselszene zur Gleichberechtigung der

Geschlechter begriffen. Dennoch bleibt im gesamten Buch die traditionelle Dichotomie: Frau

– Natur, Mann – Geist erhalten. Die Frau ist die Erlöserin des Mannes, - auch wenn dieses

mystische Erlebnis, das gleichzeitig ein ästhetisches sein soll, Ehe genannt wird.

• Novalis: Hymnen an die Nacht (1800)

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Hymnen an die Nacht ist der Titel eines Gedichtzyklus von Novalis (Friedrich von

Hardenberg). Der Zyklus wurde zuerst 1800 in der letzten Ausgabe der

Zeitschrift Athenäum veröffentlicht.

Der Zyklus ist das einzige größere Werk, das zu Novalis' Lebzeiten veröffentlicht und auch

von ihm fertiggestellt wurde. Sie werden zusammen mit seinen Geistlichen Liedern als

Höhepunkt seiner Lyrik angesehen [1] und können als die bedeutendste Dichtung

der Frühromantik bezeichnet werden.

Inhaltsverzeichnis

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1 Entstehung und Einflüsse

o 1.1 Fassungen

o 1.2 Quellen und Anregungen

2 Inhalt und Deutung

o 2.1 Die 1. Hymne

o 2.2 Die 2. Hymne

o 2.3 Die 3. Hymne

o 2.4 Die 4. Hymne

o 2.5 Die 5. Hymne

o 2.6 Die 6. Hymne

3 Ausgaben

4 Einzelnachweise

5 Literatur

6 Weblinks

Entstehung und Einflüsse [Bearbeiten]

Fassungen [Bearbeiten]

Von den Hymnen existieren zwei verschiedenen Fassungen. Die erste - eine handschriftliche

Fassung - wurde gegen Ende des Jahres 1799 bzw. zu Beginn des Jahres 1800

geschrieben. Diese Fassung ist in Versen abgefasst. Die Druckfassung – die zweite Fassung

-, für die Novalis eigentlich den verkürzten Titel „Die Nacht― vorsah, entstand nur wenig

später, im Zeitraum Ende Januar bis Anfang Februar 1800. Sie ist größtenteils in

rhythmisierter Prosa geschrieben, enthält jedoch auch Verspassagen. Diese Prosafassung

wurde von Novalis selbst als Druckfassung ausgewählt und kann daher als die endgültige,

näher an seinen Absichten liegende, Gestaltung gesehen werden. Aus diesem Grund wird in

der Forschung auch meist die Athenäumsfassung herangezogen. Es existieren keine

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Vorstufen zur handschriftlichen Fassung der Hymnen. Trotzdem gibt es Ansätze in der

Forschung, die Entstehung des Textes bereits im Jahre 1797 anzusetzen (siehe hierzu 2.3).

Im Gegensatz zur Versfassung zielt die Prosafassung weniger auf das Subjektive und

Private ab. Sprecher des Textes ist zwar nicht Novalis, sondern ein lyrisches Ich, aber

dennoch beinhalten die Hymnen viele autobiographische Elemente oder begünstigen

zumindest eine solche Lesart. Sie können gewissermaßen als Ausdruck der Ereignisse und

Entwicklungen im Leben Hardenbergs zwischen 1797 und 1800 gesehen werden. Hierunter

fallen unter anderem der Tod Sophie von Kühns, die Verlobung mit Julie von Charpentier,

die Studienzeit an der Freiberger Bergakademie, gedankliche Auseinandersetzungen mit

den Zusammenhängen zwischen Geist und Natur und vielfältige Überlegungen über die

Natur.

Quellen und Anregungen [Bearbeiten]

Als Quellen und Anregungen für Novalis können das Gedanken- und Sprachgut

der Mystik und des Pietismus gesehen werden. Weiterhin übten Edward

Youngs „Nachtgedanken― (dt. 1751), Shakespeares Romeo und Julia (dt. von A.W. Schlegel

1797) undJean Pauls „Unsichtbare Loge― (1793) nachweislich einen Einfluss auf Novalis

aus. Zusätzlich sollte Schillers „Die Götter Griechenlands― (1788) genannt werden, was

besonders für die 5. Hymne von Bedeutung ist (siehe hierzu 2.5). Diesen Quellen

entstammen verschiedene Elemente aus den Hymnen; z.B. die Nacht als Mutter oder das

Motiv der Liebenden, die über den Tod hinaus verbunden sind, und die Verehrung des

Grabes des Geliebten als heiligen Ort. Dennoch gelingt es Novalis aus diesen Elementen

etwas Eigenes zu erschaffen, das mit dem Terminus frühromantische Mythologie bezeichnet

werden kann. Diese ist als eine poetisierte Verbindung aus Privatmythologie und christlicher

Mythologie zu verstehen. Es soll eine universaleMittlerreligion entfaltet werden. Dahinter

steht der Gedanke, dass zwischen dem Menschen und dem Göttlichen stets ein Mittler steht.

In der christlichen Mythologie ist dies Christus, in der Privatmythologie nach den

Vorstellungen Hardenbergs kann der Mittler für jeden Menschen etwas Verschiedenes, z.B.

auch die verstorbene Geliebte, sein. Dafür könnten doch auch die frühitalienische Dichtung

des Stil Novo und Dantes Komödie (hier insbesondere die Figur von Beatrice, Vermittlerin

zwischen dem Dichter und Gott im Paradies) von Bedeutung gewesen sein. Novalis’ Absicht

in den Hymnen ist es, diese beiden Vorstellungen zu verschmelzen, um daraus eine speziell

frühromantische Mythologie zu schaffen.

Inhalt und Deutung [Bearbeiten]

Der Text besteht aus sechs Hymnen. Diese können in drei Teile zu je zwei Hymnen

gegliedert werden. In jedem dieser Teile kann das gleiche Grundmuster gefunden werden.

Die jeweils ersten Hymnen beschreiben in einem für Novalis typischen dreistufigen Modell

die Entwicklung vom Leben im glücklichen, irdischen Reich des Lichts über eine Phase der

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schmerzhaften Entfremdung zur Befreiung in der ewigen Nacht. Die jeweils zweiten Hymnen

schildern das ernüchternde Aufwachen aus der Vision und die Sehnsucht nach der Rückkehr

zu dieser Vision. Die drei Zyklen sind als Steigerung angelegt; in jeder dieser Stufen wird

eine höhere Ebene der Erfahrung und des Wissens erreicht.

Die 1. Hymne [Bearbeiten]

Die erste Hymne kann gedanklich in drei Teile unterteilt werden. Sie beginnt mit einem Lob

des Lichts, welches zunächst als Prinzip des Lebens bezeichnet wird. Es wird als

lebenserweckende Kraft der natürlichen Welt dargestellt. Alle Bestandteile der Natur atmen

das Licht, auch der Mensch, der als Fremdling bezeichnet wird. Es wird hierin schon eine

gewisse Spannung angezeigt. Der zweite Teil der ersten Hymne setzt die Nacht dem Licht

entgegen. Die Assoziationen zur Nacht sind zuerst geprägt von Gefühlen der Einsamkeit und

Leere und beeinflusst von gescheiterten Hoffnungen. Das lyrische Ich empfindet Sehnsucht

nach dem Licht. Im dritten Abschnitt verschwindet diese Sehnsucht nach dem Licht jedoch

und weicht dem Verständnis der geheimnisvollen Nacht. Gefühle der Geborgenheit und der

Neugeburt durch die Mutter Nacht werden nun geäußert. Die Nacht ist Element allen Lebens

und ist erfreulich und erstrebenswert. Wichtig ist, dass die Nacht auch zum Raum der Liebe

wird, ja die Nacht hat erst den Sinn im Sprecher für die Erfahrung der Liebe geöffnet. Die

Liebe in einem Mutter-Kind Verhältnis, zwischen der Nacht und dem Ich, weicht nun der

Liebe zur Gesandten der Nacht, der Geliebten. Mit der Geliebten wird die ewige Brautnacht

vollzogen. Die Geliebte wird als „Sonne der Nacht― beschrieben, als eine Synthese aus Licht

und Nacht, was als Vorausdeutung auf die Aufhebung aller Grenzen und die neue Einheit

gesehen werden kann.

Das Ich ist im Verlauf der ersten Hymne reifer geworden und hat somit

eine Initiation durchgemacht. Die Nacht wird nun verstanden als das Unendliche, das alles

Umfassende und das Zeugende. Das eingangs erwähnte dreistufige Modell kann in dieser

Hymne sehr deutlich gesehen werden. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass

Novalis die traditionellen Assoziationen umkehrt. Das Licht, das positive Symbol in der

christlichen Religion, das hier jedoch auch als Symbol für den rationalenVerstand und

die Aufklärung gesehen werden darf, wird herabgesetzt und die Nacht wird emporgehoben.

Sie wird als sakrales Element gesehen und ist der Raum religiöser Erfahrungen.

Die 2. Hymne [Bearbeiten]

Auf die Begeisterung folgt nun die Ernüchterung, da auf die Nacht stets auch der Morgen

folgt. Das Ich beklagt sich in dieser Hymne über die Geschäftigkeit des Tagewerks. Aber das

Ich erkennt auch, dass die Herrschaft des Lichts nur begrenzt ist, die Herrschaft der Nacht

jedoch zeitlos und raumlos. Thema ist hier also nicht die Nacht als Zeitpunkt des Schlafes

und der Ruhe, sondern die Nacht in einer symbolischen Bedeutung. Das Ich beschreibt nun

auch, wie der Eingeweihte der Nacht am Tage begegnen kann. Dies kann geschehen im

Rausch des Weines, durch die betäubende Wirkung des Bittermandelöls,

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im Opiumrausch (dem braunen Safte des Mohns) und auch im Rausch der körperlichen

Liebe. Weiterhin kann die Nacht auch im Zauber von alten Geschichten (aus der goldenen

Zeit) liegen.

Die 3. Hymne [Bearbeiten]

Die dritte Hymne spricht nun nicht mehr vom Allgemeinen, sondern berichtet von einem

persönlichen, spirituellen Erlebnis des lyrischen Ichs. In diesem Zuge ändert sich auch der

Ton, denn das Präsens weicht dem Präteritum der Ich-Erzählung.

Das lyrische Ich berichtet nun von einem Ereignis des Schmerzes in seinem Leben, das

jedoch nach dem gleichen Initiationsschema wie in der ersten Hymne gestaltet ist und sich

am Ende der dritten Hymne in ein spirituelles, positives Erlebnis umkehrt. Inhaltlich legt der

Sprecher dar, wie er in Schmerzen aufgelöst am Grab seiner Geliebten stand. Er berichtet

nun von einem mystischen Erlebnis an diesem Grab, in dem er die Aufhebung von Raum

und Zeit empfindet. Er erfährt eine geistige Neugeburt und sieht in einer visionären

Erscheinung seine Geliebte. Das lyrische Ich erlangt die Erkenntnis, dass am Ende das

ewige Bündnis mit seiner Geliebten stehen wird. Die ewige Brautnacht wird hier abermals

erwähnt.

Diese Hymne hat Anlass zu zahlreichen Überlegungen bezüglich möglicher Vorstufen der

„Hymnen an die Nacht― gegeben. Die dritte Hymne wurde oft als sogenannte „Urhymne―

bezeichnet. Dies geht darauf zurück, dass Novalis in diesem Abschnitt

scheinbar autobiographisch schreibt. Er zitiert nahezu wörtlich aus seinem Tagebuch vom

13. Mai 1797. Darin beschreibt er, wie er ein außergewöhnliches Erlebnis am Grabe Sophies

hatte: „Abends ging ich zu Sophieen. Dort war ich unbeschreiblich freudig – aufblitzende

Enthusiasmus Momente – Das Grab blies ich wie Staub, vor mir hin – Jahrhunderte waren

wie Momente – ihre Nähe war fühlbar – ich glaubte sie solle immer vortreten.― Deshalb

wurde die Entstehungszeit der dritten Hymne oft in zeitliche Nähe zu dem geschilderten

Erlebnis gesetzt. Dagegen spricht jedoch einiges. Zum Beispiel ist anzumerken, dass das

Graberlebnis im Tagebuch nur beiläufig zwischen Alltäglichem geschildert wird. Außerdem

sind bis jetzt keinerlei Vorstufen zur handschriftlichen Version der „Hymnen an die Nacht―

gefunden worden. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, dass Novalis sich im Zuge

der Niederschrift der Hymnen bewusst an dieses Graberlebnis erinnert hat und dies

sukzessive und nachträglich zu einer Initiation auf eine höhere Erkenntnisebene ausgestaltet

hat. Das lyrische Ich erlebt in dieser Vision das Ungültigwerden des Zeitlich-Vergänglichen;

er sieht das ewige Leben aus der Nacht hervortreten. Es erschließen sich also der Tod, die

Liebe und die höhere Welt in einem einzigen Moment. Der Grundgedanke der dritten Hymne

war Novalis wohl aufgrund seiner religiösen Herkunft und durch Fichte und Jean

Paul bekannt. Gemeint ist hier die Zufälligkeit der einzelnen Form des Ichs und die Berufung

zu einem höheren Ich. Auf den Dichter selbst bezogen war diese Vorstellung eine

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entscheidende Hilfe dabei den Nachsterbewunsch zu überleben. Die Geliebte wird für den

Dichter und für das Ich der Mittler in ihrer frühromantischen Mittlerreligion.

Die 4. Hymne [Bearbeiten]

Wie die dritte Hymne mit der ersten Hymne, so korrespondiert die vierte Hymne mit der

zweiten. Die Ich-Erzählung wird fortgesetzt, der Sprecher klagt nun nicht mehr über das

Tagwerk, sondern ist bereit es im Fleiß zu erfüllen. Das Herz bleibt jedoch der Nacht fest und

treu verbunden. Letzteres wird besonders deutlich in dem Versteil, der die vierte Hymne

beschließt. Das Ich weiß, dass es einen letzten Morgen geben wird, nach dem die Nacht, die

Teilhabe am höheren Sein, ewig sein wird. Der Weg dorthin wird vom lyrischen Ich als

eine Wallfahrt zum heiligen Grab unter der Last des Kreuzes gesehen. Hier lassen sich

deutliche Verschmelzungen von privater Mythologie und biblisch-christlichen Vorstellungen

erkennen. Das heilige Grab kann sowohl als Grab der Geliebten wie auch als Grab Christi

gesehen werden. Die Geliebte ist auferstanden wie auch Christus. Im lyrischen Ich entsteht

dadurch eine Vergewisserung und Sicherheit. Das Schlussgedicht der vierten Hymne ist

Ausdruck der Sehnsucht nach der Nacht und damit Sehnsucht nach dem Tod als Tor zum

ewigen Leben.

Die 5. Hymne [Bearbeiten]

Die fünfte Hymne ist die längste der sechs Hymnen und wechselt zwischen Versform und

Prosa. Sie hat in etwa den gleichen Umfang wie die ersten vier Hymnen zusammen. Wie

durch die Verknüpfung mit Christus bereits angedeutet, ist in der fünften Hymne nicht mehr

die subjektive, private Erfahrung Hauptthema. Stattdessen wird in der fünften Hymne eine

Geschichte der Menschheit, nach dem bekannten romantischen Triadenmodell, entworfen.

Daher vollzieht sich in der fünften Hymne ein Perspektivenwechsel und die Form der Ich-

Erzählung wird durch eine Erzählung in der dritten Person abgelöst. Novalis gibt in dieser

Hymne einen religionsgeschichtlichen Überblick von der Antike bis zu seiner Gegenwart.

Die romantische Triade beginnt mit einer glücklichen „Ur-Zeit―. Diese wird in den Hymnen als

die griechische Antike gesehen. Die Welt war von Göttern bewohnt und die Menschen

schwebten in einem Festrausch des Lebens. Die Menschen verehrten die Sonne; sie

verleugneten jedoch ihre Herkunft, die Nacht. Der Rausch war also eingeschränkt durch das

ungelöste Problem des Todes. Der Tod hatte für die Menschen dieser Zeit keinen Sinn und

war einfach das Ende der Existenz; er war nicht in das Leben integriert. In der zweiten Phase

der Triade, der Spätantike, führt die unzureichende Integration des Todes zum Zerfall. Der

Tod wurde nur beschönigt durch die Vorstellung des Todes als Bruder des Schlafes. Dieses

Übergangszeitalter wird jedoch mit Beginn der dritten Phase der Triade überwunden. Diese

beginnt mit der Geburt Christi. Der Tod wird nun als Schwelle zum ewigen Leben gesehen

und ist somit angemessen in das Leben integriert. Die Erscheinung Christi löst das Rätsel

und den Schrecken des Todes, da die Menschen in seiner Nachfolge zum ewigen Leben

gelangen werden.

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In der fünften Hymne können eindeutige Verbindungen zu Schillers „Die Götter

Griechenlands― (1788) gesehen werden. Die Gedichte Schillers und Hardenbergs bewerten

die Ankunft des Christentums jedoch vollkommen unterschiedlich. Novalis sagt, dass die

Entgötterung zwischen der Antike und dem Christentum stattgefunden hat. Sein Ansatz ist

also, dass sowohl Antike als auch Christentum Phasen der Götternähe sind. Schiller

dagegen notiert die Entgötterung mit dem Beginn des Christentums. Schiller stellt in seinem

Gedicht dar, dass die Menschen in der Antike göttlicher waren, weil die Götter menschlicher

waren. Es muss hierbei jedoch im Blick behalten werden, dass beide Gedichte stilisierte

Bilder entwerfen. Der gemeinsame Kernpunkt beider Texte ist, dass die Gegenwart als

seelenlos empfunden wird. Zur Lösung dieses Problems setzt Novalis das Konzept der

frühromantischen Mittlerreligion. Christus hat für die Menschheit die gleiche Mittlerfunktion,

wie die Geliebte für den Sprecher der ersten vier Hymnen. Die Vermittlung zwischen dem

Endlichen und dem Unendlichen ist also das Entscheidende. Der zentrale Punkt ist hier der

Tod und die Auferstehung. Die Geliebte und auch Christus vermitteln somit, dass die

Endlichkeit nicht alles ist. Das einzelne Leben ist nur als vorübergehende Trennung vom

Absoluten zu sehen; alle Ordnungen sind nur vorläufig. Zu beachten ist hierbei außerdem die

Figur des Sängers in der fünften Hymne. Der Sänger ist Repräsentant des Dichters im Text.

Er zieht aus, um die Botschaft von Tod und Erlösung zu verkünden. Im Gegensatz zur

christlichen Lehre sind in der fünften Hymne nicht die Apostel die Verkünder der frohen

Botschaft. Die durch den Dichter verkündete Poesie übernimmt also die Funktion

des Evangeliums. Man kann sagen, dass die Hymnen gewissermaßen ein Evangelium

darstellen.

Die 6. Hymne [Bearbeiten]

Die abschließende sechste Hymne trägt die Überschrift „Sehnsucht nach dem Tode―. Sie ist

im Ton des geistlichen Liedes gehalten und stellt wiederum die Ernüchterung nach der

Begeisterung dar. In der fünften Hymne wird die Glaubensgewissheit beschrieben,

wohingegen in der sechsten Hymne die Glaubensunsicherheit gezeigt wird. Die Sprecher -

der Text ist in der ersten Person Plural geschrieben - beschreiben eine beängstigende

Erfahrung der Gottesferne. Man kann hier also als Hintergrund die Phase vor dem goldenen

Zeitalter ansetzen. Gefühle der Sehnsucht nach dem Tode, die zugleich Sehnsucht nach

dem ewigen Leben ist, werden deutlich zur Sprache gebracht. Der Ausdruck des Verlangens

nach Haus und Heimat knüpft wieder den Rahmen zur ersten Hymne, in der der Mensch als

Fremdling bezeichnet wurde. Als Fremdling im Licht sehnt sich der Mensch also nach seiner

Heimat und seinem Ursprung – der Nacht.

Ausgaben [Bearbeiten]

Für eine Übersicht über die verschiedenen Ausgaben siehe den Eintrag Novalis und die

Internationale Novalis-Bibliographie (URL siehe Weblinks)

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Hörbuchfassung: Hymnen an die Nacht, 1 Audio-CD, hrsg. und gelesen von Christian

Brückner, Regie: Waltraud Brückner, Musik: Kai Brückner. (= Edition Christian Brückner).

Parlando, Berlin 2000

• Novalis: Heinrich von Ofterdingen (1802)

Heinrich von Ofterdingen

Heinrich von Ofterdingen war ein sagenhafter (historisch bisher nicht belegbarer) Sänger

des 13. Jahrhunderts. Der Name entstammt dem mittelhochdeutschen Epos Sängerkrieg auf

der Wartburg (mhd. Singerkriec ûf Wartburc; entstanden um 1260). Der Name des

unbekannten Sängers inspirierte mehrere Dichter: So ist er namensgebend für das

Romanfragment Heinrich von Ofterdingen von Novalis (eigentlich Friedrich von Hardenberg),

entstanden im Laufe des Jahres 1800 und 1802 posthum vonFriedrich Schlegel veröffentlicht

und findet sich auch innerhalb der Novellensammlung Die Serapionsbrüder in der

Novelle Der Krieg der Sänger von E. T. A. Hoffmann aus dem Jahre 1819.

Moritz von Schwind: Sängerkrieg auf der Wartburg (Fresko auf der Wartburg) 1854)

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Ofterdingenbrunnen vor dem Rathaus von Kelkheim. Der 1974 von der Stuttgarter Bildhauerin Angelika

Wetzel gestaltete Brunnen erinnert an Heinrich von Ofterdingen

Inhaltsverzeichnis

[Verbergen]

1 Einleitung

2 Quellen

3 Heinrich von Ofterdingen und Wilhelm Meister

4 Poetik und Stil

5 Inhalt und Struktur

o 5.1 Die Erwartung

o 5.2 Klingsohrs Märchen

o 5.3 Die Erfüllung und Ausblick auf die Fortsetzung

6 Schlussbetrachtung

7 Ausgaben

8 Einzelnachweise

9 Sekundärliteratur

10 Weblinks

Einleitung [Bearbeiten]

Aufgrund der beruflichen Verpflichtungen Hardenbergs (Novalis) und unter dem Druck seiner

Krankheit musste die Fertigstellung des Romans aufgegeben werden. Vollendet sind der

erste Teil (Die Erwartung) und ein Teil des Anfangskapitels des zweiten Teils (Die Erfüllung).

Die erste, posthum erschienene Ausgabe (Juni 1802) enthielt nur den ersten Teil des

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Romans. Erst gegen Ende des Jahres 1802 wurde der Roman erstmals „vollständig―

herausgegeben. Aufgrund zahlreicher, überlieferter Notizen Hardenbergs ist die geplante

Fortführung des Romans relativ gut nachvollziehbar. Weiterhin aufschlussreich ist ein

Bericht Ludwig Tiecks über die Fortsetzung, den dieser aus den persönlichen Gesprächen

mit Novalis und aus dessen Briefen und Hinterlassenschaften konstruiert hat. Wie von

der romantischen Romanpoetik gefordert, enthält der Heinrich von Ofterdingen zahlreiche

Einlagen in Form von Märchen, Träumen, Gesprächen oder Liedern.

Das grundsätzliche Thema des Ofterdingen ist die Poesie im weiteren, romantischen Sinne

der Poesie des Lebens. Novalis selbst bezeichnet den Roman als „Apotheose der Poesie―.

Für ihn ist die einzige Darstellungsform der Poesie im weiteren Sinne die Poesie im engeren

Sinne, das heißt die Dichtung. Der romantische Grundgedanke, dass Leben und Kunst

aufeinander verweisen und sich wechselseitig fordern, ist darin erkennbar. Das Ich ist

in unendlichem Fortschreiten begriffen[1] auf dem Weg zu einer höheren, einheitsstiftenden

Totalität von Natur und Mensch. Diese Universalität des Poesiebegriffs wird im Ofterdingen

mit der Wissenschaft verknüpft. Außerdem wird der Leser zur gedanklichen Selbsttätigkeit

aufgefordert, da sich der Gehalt des Textes nicht nach bloßem Lesen erschließt, sondern

eine vertiefende Betrachtung erfordert.

Das bekannte und für die Romantik sinnbildlich gewordene Symbol der „blauen Blume―

entstammt dem Heinrich von Ofterdingen.

Quellen [Bearbeiten]

Die ersten Anregungen zum Roman erhielt Novalis 1799 während einer Inspektionsreise

nach Artern am Kyffhäuser. Hier begegnete er dem Rittmeister und Historiker Karl Wilhelm

Ferdinand von Funck und las dessen Biographie über Friedrich II. Dadurch angeregt, setzte

sich Novalis mit verschiedenen Chroniken auseinander, die ihn mit der Sage von Heinrich

von Ofterdingen bekannt machten. In Frage kommen die vom Eisenacher

Stadtschreiber Johannes Rothe († 1434) verfasste Düringische Chronik und die ebenfalls

von Rothe aufgezeichnete Legende der heiligen Elisabeth. Die von Cyriacus Spangenberg

verfassteMansfeldische Chronik könnte ebenfalls eine Anregung für Novalis gewesen sein.

Alle diese Quellen verwenden, wie auch Novalis, die Schreibung „Afterdingen―. Bei der

Herausgabe des Heinrich von Ofterdingenwurde diese Schreibweise verändert.

Einen sehr großen Einfluss auf Novalis Roman hatte Goethes 1795/1796 erschienener

Bildungsroman Wilhelm Meisters Lehrjahre (siehe hierzu Abschnitt 3: Heinrich von

Ofterdingen und Wilhelm Meister). Weiterhin war der Dichter des Ofterdingen beeinflusst von

Tiecks Franz Sternbalds Wanderungen (1798) und den naturphilosophischen

Überlegungen Jakob Böhmes. Ferner schöpft er aus volkskundlichen und literarischen

Überlieferungen, Mythologien, Märchen, philosophischen Schriften und aus der

Naturwissenschaft. Literaturhinweis zur Quellenlage über den "historischen" Heinrich von

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Ofterdingen: Peter Volk,* "Von Ôsterrîch der herre mîn". Zum Stand der Forschung zur

Histotizität Heibrichs von Ofterdingen, in: Wartburg-Jahrbuch 2000, hg. v., d. Wartburg-

Stiftung, Regfensburg Schnell und Steiner 2002, Seite 48-133 (mit 15 Abb.).

Heinrich von Ofterdingen und Wilhelm Meister [Bearbeiten]

Der Heinrich von Ofterdingen ist in vielfacher Hinsicht als direkte Antwort auf Goethes

Wilhelm Meister angelegt. Der Text sollte in der gleichen Aufmachung und bei dem gleichen

Verlag (Unger, Berlin) erscheinen. Der Ofterdingen ist ein Zeugnis der Auseinandersetzung

mit Goethes Text. Hardenbergs Bewertung des Wilhelm Meister wandelte sich im Laufe der

Zeit sehr stark. Er hatte zunächst das Erscheinen des Romans enthusiastisch begrüßt und

bewunderte die Poetik dieses Textes. Novalis war begeistert von Goethes Begabung, ganz

fremde und uninteressante Gegenstände für die Poesie fruchtbar zu machen, und von der

Fähigkeit, Unbedeutendes durch Verknüpfung auf die Ebene der Bedeutsamkeit zu heben.

Die Kritik am Meister wächst jedoch im Laufe der Zeit und Novalis bricht als

erster Frühromantiker mit der Verehrung dieses Romans. Er verurteilt schließlich den Meister

als undichterisch im höchsten Grade und als ein Kunstprodukt, ein Werk des Verstandes und

der Ökonomie, die über die Poesie siege, dass die Poesie sich hierbei selbst ad

absurdum führe und nur noch eine Satire auf diese darstelle. [2] Goethe sei nur auf das

Diesseitige und Pragmatische beschränkt und sein Roman sei geradezu prosaisch und

modern. Novalis bemängelt, dass der Meister bloß von gewöhnlichen, menschlichen Dingen

handele und dass die Natur und das Mystische völlig fehlten. Somit bewertet er diesen

Roman als poetisierte, bürgerliche Geschichte.

Novalis wollte mit seinem Roman den Goethes übertreffen. Gegenüber dem Wilhelm

Meister wollte er alles in Poesie auflösen und der Roman sollte allmählich ins Märchen

übergehen. [3] Deshalb sind gewisse Ähnlichkeiten zwischen den beiden Texten nicht von der

Hand zu weisen, denn auch der Ofterdingen trägt Züge eines Bildungsromans. Sowohl

Heinrich als auch Meister begegnen jeweils gewissen Erziehergestalten, jedoch sammelt

Meister seine Erfahrungen eher in der äußeren Welt, während Heinrich das verborgene

Innere der Welt kennen lernt, in einem verstehend-entschlüsselnden Verfahren. Außerdem

wird im Ofterdingen keine „Bildung― eines Individuums dargelegt, sondern ein auf den

höheren Gesamtzusammenhang angelegter Übergangsprozess in das „goldene Zeitalter―.

Die Individual- und Sozialutopie wird somit erweitert zur Universalutopie nach der Vorstellung

der Frühromantiker. Daraus lässt sich auch erklären, dass Novalis nicht von Lehrjahren,

sondern von Übergangsjahren spricht.

Poetik und Stil [Bearbeiten]

Im Bezug auf den Stil hat sich Novalis den Wechsel von Gespräch und Handlung aus

Goethes Wilhelm Meister zu eigen gemacht. Er wollte dadurch einen besonderen Rhythmus

im Roman erzeugen. Die relative Handlungs- und Spannungsarmut lässt sich mit diesem

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gewünschten Rhythmus erklären, denn Novalis wollte einen besonders ruhigen Stil. Er bricht

also bewusst mit den realistisch-psychologischen Erzählkonventionen, das heißt der kausal-

pragmatische Handlungsnexus spielt eine untergeordnete Rolle. Vielmehr möchte Novalis

eine Melodie im Stil erzeugen, so dass der Text ein fließendes Ganzes wird. Die Akzente im

Roman folgen nicht dramaturgischen Gesichtspunkten, sondern Gesichtspunkten der

Melodik. Der Roman ist also nicht auf bloßes Verstehen ausgelegt, eher soll der Stil den

gedanklichen Gehalt der ruhigen Auflösung, Verschmelzung und Neuentstehung

symbolisieren. Diese Ruhe zeigt sich auch in der Wahl wenig anschaulicher und relativ

abgegriffener Adjektive (z.B. „schön―). Es liegt Novalis auch nicht viel an der Ausgestaltung

markanter, schlüssiger Charaktere. Die Figuren sind vielmehr Variationsreihen, die viele

Verweise aufeinander haben (bspw. Zulima-Mathilde-Zyane). Er sieht die Menschen als

Variationen eines vollständigen Individuums. Außerdem ist die Abgeschlossenheit der

Abschnitte auffällig: Jeder könnte für sich alleine stehen. Die Teile sind Repräsentanten des

großen Ganzen; sie verweisen auf das Ganze der Natur.

Inhalt und Struktur [Bearbeiten]

Die Figur „Heinrich von Ofterdingen― wurde von den Gelehrten um 1800 nicht als fiktive,

sondern als reale, historische Gestalt und als mittelalterlicher Dichter gesehen. Er wird

verknüpft mit dem sagenhaften Sängerkrieg auf der Wartburg, an dem neben ihm

auch Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach und andere teilgenommen

haben sollen. Oftmals wird auch Klingsohr als Teilnehmer an diesem Wettstreit genannt.

Novalis wählt jedoch nicht nur eine mittelalterliche Figur als Hauptfigur seines Romans,

sondern verlegt auch die Handlung zurück in das Mittelalter. Das Mittelalter wurde von

Novalis – hier zeigt sich ein deutlicher Gegensatz zur Aufklärung – nicht als dunkles Zeitalter

gesehen, sondern als eine die Poesie beheimatende Epoche. Somit wählt er das Mittelalter

als ein positives, poetisches Gegenbild zu seiner eigenen Zeit, die er als prosaisch und

utilitaristisch empfindet. Das Mittelalter darf jedoch nicht mit dem goldenen

Zeitalter gleichgesetzt werden, vielmehr ist es als Übergangszeit zu sehen. Im Roman sollte

Heinrich das goldene Zeitalter einläuten; es wird folglich die Schwelle zum goldenen Zeitalter

gezeigt. Äußerlich ist der Roman in zwei große Abschnitte eingeteilt. Der erste Abschnitt Die

Erwartung besteht aus neun Kapiteln. Vom zweiten Abschnitt Die Erfüllung ist nur das erste

Kapitel mit dem Titel Das Kloster, oder der Vorhof abgeschlossen. In dieser Zweiteilung kann

man eine Analogie zur Zweiteilung in der Bibel sehen, denn aus den Notizen Hardenbergs

geht hervor, dass die Figuren und Motive des ersten Teils, im zweiten Teil in variierter Form

wieder auftreten sollten.

Die Erwartung [Bearbeiten]

Die Erwartung beschreibt die Erfahrungen Heinrichs, die ihn zum Dichter reifen lassen.

Heinrich wächst im thüringischen Eisenach als Sohn bürgerlicher Eltern auf. Man erfährt im

ersten Kapitel, dass vor dem Beginn des Romans ein fremder Reisender dem 20jährigen

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Heinrich von geheimnisvollen Fernen, wunderbaren Schätzen und von einer Wunderblume

erzählt hat. Der Roman beginnt mit der Beschreibung eines Traums Heinrichs. Er träumt dies

in der Johannisnacht, der Nacht derSommersonnenwende, in der nach dem

Volksaberglauben ein Blick in die Zukunft möglich ist. Der Traum besteht aus verschiedenen

Phasen und spiegelt schon das Geschehen des Romans wider. In diesem Traum sieht

Heinrich die „blaue Blume―, ein Symbol der Sehnsucht und des Erkennens. Die Blume

verwandelt sich zu einem Mädchengesicht, das, wie sich in den folgenden Kapiteln

herausstellt, Mathilde, seine spätere Geliebte und Ehefrau, ist. Der Traum stellt eine Art

Initiation in die Poesie dar. Als Heinrich aufwacht, ist er sehr melancholisch gestimmt. Um

die Melancholie zu vertreiben, machen seine Mutter und er eine Reise nach Augsburg, um

Heinrichs Großvater mütterlicherseits zu besuchen. Begleitet werden sie von einigen

befreundeten Kaufleuten.

Die folgenden Kapitel stellen nun die unterschiedlichen Erfahrungen Heinrichs mit den

verschiedensten Bereichen der Welt dar. Durch diese Reise soll sich erst die Vielfalt der Welt

für Heinrich eröffnen und dazu beitragen, seinen Geist für die Poesie zu öffnen. Die Welt des

Handels wird ihm durch die Kaufleute in ihrer Begleitung eröffnet. Durch sie erfährt Heinrich

auch die erste Begegnung mit der Poesie. Die Kaufleute erzählen ihm in Kapitel 2 die Sage

des Sängers Arion, welche zugleich eine Absage an die Habgier und die Welt des Besitzes

ist. Im folgenden Kapitel wird ein Märchen über das sagenhafte Reich Atlantis erzählt. In

diesem sucht ein alter König für seine geliebte Tochter einen passenden Ehemann und

gleichzeitig seinen Nachfolger. Jedoch fühlt er sich, aufgrund seiner würdigen Herkunft, über

die gewöhnliche Bevölkerung erhaben und kann daher keinen geeigneten Mann finden. Die

Prinzessin, ein Symbol der Poesie, verliebt sich im Laufe der Geschichte in einen im Wald

lebenden Jüngling, der die Natur symbolisiert. Am Ende heiraten beide und somit findet die

Verbindung von Natur und Poesie statt.

Im weiteren Verlauf der Reise lernt Heinrich bei einem Kriegsmann die Welt

der Kreuzzüge kennen und ist begeistert von deren Idee. Noch im selben Kapitel erfährt

Heinrich jedoch durch das arabische Mädchen Zulima, einer Gefangenen im Schloss des

Ritters, von der wahren Ausführung der Kreuzzüge und von der poetischen Welt des Orients.

Weiterhin lernt Heinrich durch die Erzählungen eines böhmischen Bergmanns die Welt des

Bergbaus kennen. Dieser betont den ideellen Wert des Bergbaus und ordnet ihr die

wirtschaftliche Seite unter. Mit diesem Bergmann unternimmt Heinrich auch eine Reise in ein

Stollensystem. Dort wohnt der Graf von Hohenzollern als Einsiedler. Durch diesen und

dessen Bücher erfährt Heinrich von der Geschichte und der Geschichtsschreibung.

Außerdem findet er dort eine Chronik, die in provenzalischer Sprache geschrieben ist.

Heinrich erkennt, dass diese Chronik seine Lebensgeschichte enthält, auch die Zukunft. Er

kann jedoch den Text nicht lesen, sondern nur die Bilder erkennen, allerdings nicht die Bilder

auf den letzten Seiten. Es zeigt sich hier, dass Heinrich erst auf der Stufe der Anschauung

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steht und noch nicht auf der Ebene des Begreifens. Diese kann er nur durch das

Durchlaufen der Erfahrungen erreichen.

Nach einer langen Reise kommen Heinrich und seine Mutter schließlich bei Schwaning, dem

Großvater Heinrichs, in Augsburg an. Auf einem Fest, das Schwaning veranstaltet, lernt

Heinrich den Dichter Klingsohr und dessen Tochter Mathilde kennen. Klingsohr öffnet ihm

die Welt der Poesie und willigt ein, Heinrich als Schüler anzunehmen. Die metaphysische

Macht der Liebe, die für die Erlösung der Welt und den Übergang ins goldene Zeitalter

grundlegend ist, wird ihm schließlich durch Mathilde offenbart. Mathilde und Heinrich

verlieben sich ineinander und heiraten. Heinrich hat nun den wichtigsten Bereich der Poesie

kennengelernt. Er realisiert, dass das Mädchen im Traum Mathilde war und weiß aus diesem

Traum, dass er sie verlieren, aber danach für immer gewinnen wird.

Klingsohrs Märchen [Bearbeiten]

Den Abschluss des ersten Teils des Ofterdingen bildet ein von Klingsohr erzähltes Märchen.

Es handelt sich hierbei um ein kompliziertes, allegorisches Märchen, dessen Stil, Figuren

und Handlung zum Teil an Goethes „Märchen― (1795, in Unterhaltungen deutscher

Ausgewanderten) erinnern. Die Bedeutung der Figuren wird jedoch bis zur Entgegensetzung

umgeformt. Hardenbergs Märchen, eine Beziehungs- und Reifungsgeschichte, zeigt die

Utopie der Welterlösung durch Poesie und Liebe. Die Befreiung der Welt zum goldenen

Zeitalter wird dargestellt. Das Märchen ist gewissermaßen eine Vorwegnahme des geplanten

Romanendes und enthält den gesamten Roman in komprimierter Form.

Klingsohrs Erzählung spielt auf drei Ebenen, der Astralwelt, der Menschenwelt und der

Unterwelt, die am Ende des Textes allesamt verwoben sind. Das Märchen kann jedoch nicht

bis zum letzten Detail entschlüsselt werden, da die Bedeutungen sich überlagern und teils

ineinander fließen.

Das Astralreich Arcturs ist in Eis erstarrt und seine Tochter Freya (Friede) liegt in einem

tiefen Schlaf. Dieser Zustand dauert an, seit Eisen (Krieg) sein Schwert in die Welt geworfen

hat und Sophie (Weisheit) zu den Menschen hinabgestiegen ist. Mutter (Herz) und Vater

(Sinn) haben den Jungen Eros (Liebe) gezeugt. Dessen Halbschwester Fabel (Poesie)

entstammt einem Verhältnis des Vaters mit der Amme Ginnistan (Phantasie). Ginnistan reist

mit Eros zum Mond, ihrem Vater, und verführt ihn in Gestalt seiner Mutter. Währenddessen

reißt der Schreiber (die Aufklärung, der nüchterne Verstand) die Herrschaft an sich. Er

verbrennt die Mutter auf dem Scheiterhaufen. Fabel flieht in die Unterwelt und überlistet dort

die Parzen, die die Schicksalsfäden spinnen und durchschneiden. Sophie löst die Asche der

Mutter in ihrer Wasserschale auf und gibt allen davon zu trinken. Dies löst eine

unbeschreibliche Freude aus und die Mutter ist dadurch ständig gegenwärtig. Fabel bricht

letztendlich den Bann und bringt das Eis zum Schmelzen. Am Ende heiratet Arctur Sophie,

der Vater heiratet Ginnistan und Eros heiratet die erwachte Freya. Eros und Freya

beherrschen das nun anbrechende goldene Zeitalter.

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Die Erfüllung und Ausblick auf die Fortsetzung [Bearbeiten]

Das Märchen ist bereits bei dem Ende, dem goldenen Zeitalter angekommen, der Roman

jedoch noch nicht. Eröffnet wird der zweite Teil mit einem Prolog der Astralis, einem

geheimnisvollen Wesen, das aus der ersten Umarmung Heinrichs und Mathildes entstanden

ist. Wie der Traum angekündigt hat, ist Mathilde gestorben (sie ist im Fluss ertrunken) und

verzweifelt verlässt Heinrich Augsburg. Es können hier autobiographische Parallelen

gesehen werden. Heinrich hört die Stimme der Toten und begegnet dem armen

Hirtenmädchen Zyane, der Tochter des Grafen von Hohenzollern. Sie führt Heinrich zu

einem alten Einsiedler und Arzt namens Sylvester. Dieser erzählt Heinrich von der Sprache

der Natur in Blumen und Pflanzen und berichtet vom goldenen Zeitalter. Danach bricht der

Roman ab.

Über die geplante Fortsetzung liegt keine letztendliche Gewissheit vor, da die Notizen und

der Bericht Tiecks teilweise widersprüchlich sind. Anscheinend sollte der zweite Teil aus

sieben Kapiteln bestehen. In diesen sollte Heinrich alle Zeiten und Räume durchwandern.

Das Märchenhafte sollte immer mehr durchbrechen und eine Verbindung von Traum und

Realität war geplant. Die Figuren sollten wiederkehren und verschmelzen. Heinrich sollte

zunächst ein Kloster besuchen und danach in der Schweiz und in Italien in Händel verstrickt

werden. Er sollte Feldherr werden und die Welt der Mythologie kennenlernen. Nach seiner

Rückkehr nach Deutschland sollte er mit dem Kaiser Gespräche über Regierung und

Kaisertum führen und an einer allegorischen Festszene teilnehmen, die als Thema die

Verherrlichung der Poesie haben sollte. Der Sängerkrieg auf der Wartburg sollte über Natur-

und Kunstpoesie stattfinden. Der Schluss ist der Übergang aus der wirklichen Welt in die

geheime Welt. Heinrich pflückt schließlich die blaue Blume und sollte zahlreiche

Verwandlungen durchmachen, die alle Naturbereiche umfassen sollten (Stein, Blume, Tier,

Stern und zurück zum Menschen). Das Ende sollte eine große Vereinigung sein. Die

Menschen werden poetisiert und die neue goldene Zeit sollte anbrechen. Im Fortschreiten

der Handlung sollte auch gleichzeitig die Vergangenheit allmählich enthüllt werden, so dass

am Ende die Zeit aufgehoben wäre. In diesem goldenen Zeitalter wären die Pole des

Männlichen und des Weiblichen vereinigt durch die Liebe. Dieser Endzustand sollte jedoch

nicht statisch sein, sondern die Schöpfung sollte sich ewig erneuern.

Schlussbetrachtung [Bearbeiten]

• [Ernst August Friedrich Klingenberg]: Nachtwachen des Bonaventura (1804)2

Ernst August Friedrich Klingemann (* 31. August 1777 in Braunschweig; † 25.

Januar 1831 ebenda) war ein deutscher Schriftsteller der Romantik und Theaterregisseur.

2 Diese Literatur lesen

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Laut neuerer Forschung ist er der Verfasser des berühmten Romans Nachtwachen (1804),

der unter dem Pseudonym »Bonaventura« veröffentlicht wurde und deshalb allgemein

als Die Nachtwachen von Bonaventura bekannt ist.

Inhaltsverzeichnis

[Verbergen]

1 Leben

2 Die Nachtwachen des Bonaventura

3 Werke

4 Literatur

5 Weblinks

6 Referenzen

Leben [Bearbeiten]

Klingemanns Grab

Ernst August Friedrich Klingemann, Sohn eines Kopisten, wurde 1777 in Braunschweig

geboren. Früh schon entwickelte er ein Interesse am Theater, das sein ganzes Leben

anhalten sollte. Nachdem er erfolgreich seine Schulausbildung am Collegium Carolinum in

Braunschweig absolviert hatte, ging Klingemann 1798 nach Jena, wo er Jura und

Philosophie studierte. Dort hörte er u.a. Vorlesungen von Johann Gottlieb Fichte, Friedrich

Wilhelm von Schelling und August Wilhelm Schlegel und befreundete sich mit Clemens

Brentano.

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Straßenschild in Braunschweig zur Erinnerung an Ernst Friedrich August Klingemann

1801 brach er das Studium ab und ging zurück nach Braunschweig, wo er sich an der

Redaktion der Zeitung für die elegante Welt beteiligte. 1810 heiratete er Elise Anschütz, die

Schauspielerin bei der »Waltherschen Gesellschaft« war. Klingemann wurde im selben Jahr

Oberregisseur dieser Kompagnie. Ab 1818 war er Direktor des Braunschweiger

Nationaltheaters, das aus der »Waltherschen Gesellschaft« hervorging. An diesem Theater

brachte Klingemann Goethes Faust I in eine für das Theater geeignete Fassung, die er als

Regisseur am 19. Januar 1829 erstmals aufführen ließ. Im selben Jahr nahm Klingemann

eine Professur an seiner alten Schule, dem Collegium Carolinum, an. Bereits ein Jahr später

war er jedoch wieder als Direktor am Theater, das seit 1826 den Namen »Herzogliches

Hoftheater« trug. Im Jahr darauf starb Klingemann. Sein Grab befindet sich auf dem Magni-

Friedhof in Braunschweig. In seiner Heimatstadt ist im Östlichen Ringgebiet eine Straße

nach ihm benannt.

Die Nachtwachen des Bonaventura [Bearbeiten]

Die Urheberschaft des Romans Nachtwachen war über ein Jahrhundert lang umstritten. Die

Germanistik hat das Werk zeitweilig unter anderem Clemens Brentano, E.T.A.

Hoffmann, Karl Friedrich Gottlob Wetzelund Caroline Schelling zugeschrieben. Jean

Paul vermutete in seinen »Reminiszenzen und Lizenzen« zu seinem Gianozzo,

dass Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling hinter dem Werk stecke. Heute nimmt man

aufgrund der Forschungen Jost Schillemeits und Horst Fleigs mit großer Sicherheit an,

Klingemann habe den Roman verfasst. 1987 veröffentlichte Ruth Haag in der

Zeitschrift Euphorion den Artikel Noch einmal: Der Verfasser der Nachtwachen von

Bonaventura und berichtete von einem besonderen Fund. In einer Handschriften-Sammlung

der Universität von Amsterdam fand sie eine Liste der Veröffentlichungen Klingemanns, in

der er handschriftlich vermerkt "Nachtwachen. Penig. Dienemann. 1804" und somit

die Nachtwachen sein eigen nennt.

Werke [Bearbeiten]

Datei:Braunschweig Faust-Urauffuehrung 19 Jan 1829.jpg

Theaterzettel der Uraufführung von Goethes „Faust I― im Braunschweiger Hof-Theater am 19. Januar 1829.

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Klingemann verfasste viele Romane und Dramen, die im Geiste der Romantik geschrieben

sind und sich seinerzeit großer Beliebtheit erfreuten. Eine Zeitlang gehörte er zu den

meistgespielten Theaterschriftstellern Deutschlands.

Romane

Wildgraf Eckard von der Wölpe (Braunschweig 1795)

Die Ruinen im Schwarzwalde (2 Bände, Braunschweig 1798/99)

Romano (2 Bände, Braunschweig 1800/01)

Albano, der Lautenspieler (Leipzig 1802)

Nachtwachen. Von Bonaventura (Penig 1804)

Dramen

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2.6 Literatur zur Einführung • Lothar Pikulik: Frühromantik. Epoche – Werk – Wirkung, München 1992 • Ernst Behler: Frühromantik, Berlin 1992 • Manfred Frank: Einführung in die frühromantische Ästhetik. Vorlesungen, Frankfurt/M. 1989 • Silvio Vietta (Hg.): Literarische Frühromantik, Göttingen 1983 • Jochen Hörisch: Die fröhliche Wissenschaft der Poesie. Der Universalitätsanspruch von Dichtung in der frühromantischen Poetologie, Frankfurt/M. 1976 • Walter Benjamin: Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik [1920], Frankfurt/M. 1976

3.1 Einheit oder Differenz? Der Übergang zu Hochromantik • Gegensatz zwischen Selbstreferenz und Gesellschaftsutopie in den Programmen der Frühromantiker • Auflösung des Paradoxes durch die Abkehr von der idealistischen Philosophie • Neudefinition des Romantischen als Kehrseite des Rationalismus und der Höhenkammdichtung • Volkslieder und Märchensammlungen in der Heidelberger Gruppe 1805-1808 (Achim von Arnim, Clemens Brentano, Jakob und Wilhelm Grimm) • Aufwertung der Sphäre des Phantastischen in der Berliner Romantik 1809-1822 (E.T.A. Hoffmann, Joseph von Eichendorff)

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3.2 Katholische Restauration oder ironische Selbstzitation? Ausläufer der Spätromantik • Definition der Romantik als katholisches Projekt von Novalis über Brentano bis Eichendorff: Abkehr vom ‚protestantischen‘ Projekt der Aufklärung • Wiener Romantik um den konvertierten Friedrich Schlegel (1808), Zeitschrift Deutsches Museum • Schwäbische Romantik: Historien-, Sagen- und Märchendichtung bei Ludwig Uhland, Gustav Schwab, Friedrich Hauff • Neuerlich Rückwendung zum Mittelalter (Ludwig Tiecks Minnelied-Edition 1803, Heinrich von Kleists Dramen um 1810, Achim von Arnims Die Kronenwächter 1817) • Naturlyrik Joseph von Eichendorffs (Mondnacht, 1837) • Tiecks ironisches Selbstzitat „Waldeinsamkeit― (1840)

3.3 ‚Kleine Leseliste‘ zur Hoch- und Spätromantik • Heinrich von Kleist: Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe. Ein großes historisches Ritterschauspiel (1808) • Achim von Arnim/Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn (1806/1808) • Jakob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen (1812-1815) • Ludwig Uhland: Schwäbische Kunde (1814) • E.T.A. Hoffmann: Der goldene Topf (1814) • E.T.A. Hoffmann: Der Sandmann (1817) • Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts (1826) • Ludwig Tieck: Waldeinsamkeit (1840)

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3.4 Literatur zur Einführung • Rüdiger Safranski: Romantik. Eine deutsche Affäre, München 2007 • Monika Schmitz-Emans: Einführung in die Literatur der Romantik, Darmstadt 2004 • Detlev Kremer: Romantik. Lehrbuch Germanistik, Stuttgart/Weimar, 3. Auflage 2007 • Helmut Schanze (Hg.): Romantik-Handbuch, Stuttgart, 2. Auflage 2003 • Uwe Japp/Stefan Scherer/Claudia Stockinger: Das romantische Drama, Tübingen 2000 • Detlev Kremer: Prosa der Romantik, Stuttgart 1996 • H.G. Pott (Hg.): Eichendorff und die Spätromantik, Paderborn 1985

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4.1 Romantische Romantikkritik: Heinrich Heine • Gesellschafts- und Religionskritik statt Eskapismus • Die romantische Schule (1835): „Die Schule schwamm mit dem Strom der Zeit, nämlich mit dem Strom, der nach seiner Quelle zurückströmte. Als endlich der deutsche Patriotismus und die deutsche Nationalität vollständig siegte, triumphierte auch definitiv die volkstümlich germanisch christlich romantische Schule.― (Sämtliche Schriften Bd. III, S. 380) • Das Fräulein stand am Meere (1826): Das Fräulein stand am Meere "Mein Fräulein! Sein Sie munter, Und seufzte lang und bang, Das ist ein altes Stück; Es rührte sie so sehre Hier vorne geht sie unter Der Sonnenuntergang. Und kehrt von hinten zurück."

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4.2 Politik und Literatur Politische Rahmendaten: 1815: Restauration durch den ‚Wiener Kongreß‘ 1819: Karlsbader Beschlüsse gegen Pressefreiheit 1830: Julirevolution in Frankreich 1832: Hambacher Fest in Deutschland 1848: März-Revolutionen in Europa Leserevolution und Politisierung der Literatur: • Alphabetisierung, Massenbuchmarkt, Zeitschriftenwesen • Reiseberichte, Journalliteratur, Fortsetzungsromane • Kritischer Essay, öffentliche Briefe, Flugblätter, politisches Lied • Allianz mit der progressiven antifeudalen Nationalbewegung, Alternative zum konservativen Biedermeier

4.3 Das ästhetische und politische Programm des jungen Deutschland 1830: Diagnose der „Endschaft der Kunstperiode― und des „Goethentums― (Heinrich Heine) 1831: Einspruch gegen die „Kunstonanie des verflossenen Jahrhunderts― (Karl Gutzkow) 1830/31: Kritik am Antisemitismus: „Die armen Deutschen! Im untersten Geschosse wohnend […] erleichtert es ihr ängstliches Gefühl, von Menschen zu sprechen, die noch tiefer als sie selbst, die im Keller wohnen.― (Ludwig Börne, Briefe aus Paris) 1834: Verkündung eines „jungen Deutschland― anstelle des „altdeutschen Adels― zugunsten einer „Poesie des Lebens― (Ludolf Wienbarg: Aesthetische Feldzüge) 1835: Publikationsverbot für u.a. Heine und Gutzkow im Anschluß an Karl Gutzkows Wally, die Zweiflerin

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4.4 Buchdruck und Zensur: Ironische Selbstreflexion literarischer Medialität in

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Heines Reisebildern (1826) Die deutschen Censoren —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— Dummköpfe —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— —— ——

5.1Die literarische Revolution des Vormärz: Georg Büchner • Büchners Kritik an Gutzkow 1836: „Die Gesellschaft mittels der Idee, von der gebildeten Klasse aus, reformieren? Unmöglich! Unsere Zeit ist rein materiell […]. Unsre Zeit braucht Eisen und Brot.― • Der Hessische Landbote (zus. mit Ludwig Weidig,1834) als revolutionäre Flugschrift, die Bibelreferenzen mit statistischen Belegen der sozialen Ungerechtigkeiten verknüpft: „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!― • Lenz (Fragment 1836) als narrative Vermessung pathologischer Grenzzustände des Menschen • Woyzeck (Fragment 1837) als erstes Drama mit einem Protagonisten aus der untersten Gesellschaftsschicht

11 5.2 Poetische Revision der politischen Revolution: Danton‘s Tod (1835) • Dokumentarische Ästhetik: „ein dramatisirtes Capitel des Thiers― (Gutzkow) • Geschichtsmelancholie: „Das ist sehr langweilig immer das Hemd zuerst und dann die Hosen drüber zu ziehen und des Abends in’s Bett und Morgens wieder heraus zu kriechen und einen Fuß immer so vor den andern zu setzen, da ist gar kein Absehens wie es anders werden soll. Das ist sehr traurig und daß Millionen es schon so gemacht haben und daß Millionen es wieder so machen werden und, daß wir noch obendrein aus zwei Hälften bestehen, die beide das Nämliche tun, so daß Alles doppelt geschieht. Das ist sehr traurig.― (II.1) • Fatalismus: „Ich studierte die Geschichte der Revolution. Ich fühlte mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte. Ich finde in der Menschennatur eine entsetzliche Gleichheit, in den menschlichen Verhältnissen eine unabwendbare Gewalt, Allen und

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Keinem verliehen. Der Einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz― (Brief Büchners an seine Verlobte, Januar 1834)

5.3 ‚Kleine Leseliste‘ zum Jungen Deutschland und zum Vormärz

• Heinrich Heine: Reisebilder (3 Teile, 1826-1830) Christian Johann Heinrich

Heine (* 13. Dezember 1797 als Harry Heine in Düsseldorf; † 17. Februar 1856 in Paris) war

einer der bedeutendsten deutschen Dichter, Schriftsteller und Journalisten des

19. Jahrhunderts.

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Heine gilt als „letzter Dichter der Romantik“ und gleichzeitig als ihr Überwinder. Er

machte die Alltagssprache lyrikfähig, erhob das Feuilleton und den Reisebericht zur

Kunstform und verlieh dem Deutschen eine zuvor nicht gekannte elegante

Leichtigkeit. Die Werke kaum eines anderen Dichters deutscher Sprache wurden bis

heute so häufig übersetzt und vertont. Als kritischer, politisch engagierter

Journalist,Essayist, Satiriker und Polemiker war Heine ebenso bewundert wie

gefürchtet. Wegen seiner jüdischen Herkunft und seiner politischen Einstellung wurde

er immer wieder angefeindet und ausgegrenzt. DieAußenseiterrolle prägte sein Leben,

sein Werk und dessen wechselvolle Rezeptionsgeschichte.Inhaltsverzeichnis

[Verbergen]

1 Leben

o 1.1 Jugend und Lehrjahre

o 1.2 Studium in Bonn, Göttingen und Berlin

o 1.3 Promotion, Taufe und Platen-Affäre

o 1.4 Erste literarische Erfolge

o 1.5 Pariser Jahre

o 1.6 Die Kontroverse mit Ludwig Börne

o 1.7 Ehe, Deutschlandreisen und Erbschaftsstreit

o 1.8 Heine und der Sozialismus

o 1.9 Die gescheiterte Revolution

o 1.10 Matratzengruft

2 Bedeutung und Nachleben

o 2.1 Denkmalsstreit

o 2.2 Kontroverse Rezeption bis in die Nachkriegszeit

o 2.3 Das Heine-Bild heute

3 Heine und die Musik

4 Zitate über Heine

5 Werke

o 5.1 Originalausgaben

o 5.2 Gesamtausgaben

o 5.3 Neuere Ausgaben (Auswahl)

6 Literatur

o 6.1 Einführungen und Gesamtdarstellungen

o 6.2 Tagungs- und Sammelbände

o 6.3 Zur Biografie

o 6.4 Zu Werk und Rezeption

7 Filme

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8 Vertonungen (Auszug)

9 Weblinks

10 Einzelnachweise

• Ludwig Börne: Briefe aus Paris (1830-1834) • Christian Dietrich Grabbe: Napoleon oder die 100 Tage (1831) • Georg Büchner: Danton‘s Tod (1835) • Georg Büchner: Lenz (1836) • Georg Büchner: Woyzeck (1837) • Ferdinand Freiligrath: Gedichte (1838) • Heinrich Heine: Deutschland, ein Wintermärchen (1844)

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5.4 Literatur zur Einführung • Norbert Otto Eke: Einführung in die Literatur des Vormärz, Darmstadt 2005 • Gerhard Höhn: Heine-Handbuch. Zeit – Person – Werk, 3. Auflage Stuttgart/Weimar 2004 • Gerhard P. Knapp: Georg Büchner, 3. Auflage Stuttgart/Weimar 2000 • Helmut Koopmann: Das junge Deutschland. Eine Einführung, Darmstadt 1993 • Wolfgang Labuhn: Literatur und Öffentlichkeit im Vormärz. Das Beispiel Ludwig Börne, Königstein 1980 • Alfred Estermann (Hg.): Politische Avantgarde 1830- 1840. Eine Dokumentation zum jungen Deutschland, Frankfurt/M. 1972 • Jost Hermand (Hg.): Der deutsche Vormärz. Texte und Dokumente, Stuttgart 1967

Anhang:

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Universalpoesie

Universalpoesie ist ein literaturtheoretischer Begriff aus der Frühromantik, der durch das

Übertragen philosophischer Gedanken auf den Umgang mit Literatur entstanden ist. Er

wurde Ende des 18. Jahrhunderts vor allem von Friedrich Schlegel geprägt, der die Theorie

der progressiven Universalpoesie zusammen mit Novalis entwickelte.

Inhaltsverzeichnis

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1 Beschreibung

2 Wichtige Grundlagentexte

o 2.1 Das Athenäums-Fragment Nr. 116

o 2.2 Die Entwicklung der Theorie: "Über Goethes Meister"

3 Die Umsetzung der Theorie

o 3.1 Eine Parodie der Theorie

4 Anmerkungen

5 Quellen

6 Weblinks

Beschreibung [Bearbeiten]

Die progressive Universalpoesie bezeichnet eine bestimmte, romantisch genannte Art von

Literatur, welche nicht nur sämtliche literarischen Gattungen – also alle Formen

von Lyrik, Drama und nicht zuletzt Prosa – zusammenführen, sondern auch die Literatur

mit Philosophie, Kritik und Rhetorik, Kunst mit Wissenschaft verbinden soll. Dabei hat sie das

Ziel, synästhetisch alle Sinne anzusprechen. Sie versucht, Traum und Wirklichkeit, Poesie

und das wahre Leben in einen Wechselbezug zu setzen.Progressiv ist sie, weil sie ewig im

Werden ist. Entsprechend spielt das unvollendete Stück Literatur, das Fragment, eine große

Rolle.

Seine Theorie zur Universalpoesie hat Schlegel nicht in einer zusammenhängenden Lehre

dargestellt, sondern in verschiedenen Essays, Briefen – in der Romantik eine öffentliche

Gattung – einem Roman und eben Fragmenten, vornehmlich in der 1798 von ihm und

seinem Bruder August Wilhelm in Jena gegründeten Zeitschrift Athenäum.

Wichtige Grundlagentexte [Bearbeiten]

Berühmt und grundlegend sind mehrere in der Zeitschrift Athenäum erschienene Texte. An

erster Stelle steht - neben anderen Lyceums- und Athenäums-Fragmenten das Athenäums-

Fragment Nr. 116. Wichtig ist ebenfalls Friedrich Schlegels Wilhelm Meister-Kritik, des

Weiteren sein Roman Lucinde.

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Das Athenäums-Fragment Nr. 116 [Bearbeiten]

"Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht

bloß, alle getrennten Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen und die Poesie mit der

Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will und soll auch Poesie und Prosa,

Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die

Poesie lebendig und gesellig und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den

Witz poetisieren und die Formen der Kunst mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen

und sättigen und durch die Schwingungen des Humors beseelen. Sie umfaßt alles, was nur

poetisch ist, vom größten wieder mehrere Systeme in sich enthaltenden Systeme der Kunst

bis zu dem Seufzer, dem Kuß, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosem

Gesang.[...]"[1]

Dieser kleine Text lebt von den Paradoxien, die auch wenn sie sich scheinbar ausschließen,

zusammen gedacht werden sollen. Neben der oben beschriebenen Hybris, die Gattungen

und Wissenschaften zusammenzuführen, möchte die progressive Universalpoesie diese mal

mischen, mal verschmelzen, d. h. auch in der Art der Mischung soll unterschiedlich

vorgegangen werden. Dabei steht Kunstreflexion neben Kunst selbst: die romantische

Universalpoesie soll beides sein. Unter dem größten [...] Systeme der Kunst muss man sich

zu der Zeit Immanuel Kants Kritik der Urteilskraft vorstellen, was gleichwertig neben dem

Lallen eines Säuglings stehen soll. Dabei finden wir als Ausdrucksform des Kindes einen

Seufzer der Traurigkeit, die Liebesbezeugung im Kuss, die aber auch gleichzeitig

Kommunikation ist. Zudem ist es dichtend in seiner unbewussten Art, denn - wie man kurz

darauf erfährt - ist diese Dichtung, obwohl sie Gesang ist, trotzdem kunstlos. Bei

der progressiven Universalpoesie spielen also verschiedene Formen der Absicht bei ihrer

Ausführung eine Rolle.

Die Entwicklung der Theorie: "Über Goethes Meister" [Bearbeiten]

Als die Brüder Schlegel das Athenäum in Jena gründeten, hatte Friedrich gerade zwei Jahre

produktiven Symphilosophierens - wie er es nannte - mit dem (Religions-

)Philosophen Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher in Berlin hinter sich. Die beiden Freunde

lebten in einer kleinen Wohnung, lasen gemeinsam Fichtes Wissenschaftslehre,

übersetzten Platon und diskutierten sich die Köpfe heiß. Schlegel versuchte nun, seine

philosophischen Überlegungen in ästhetische Bereiche zu übertragen. Als wichtigster

Roman, den er seiner neuen Möglichkeit, Romane im romantischen Sinne zu schreiben,

zugrunde legte, galt ihm Goethes Wilhelm Meister. Sein von Schleiermacher

als Übermeister bezeichneter Essay "Über Goethes Meister" bildete den Anfang, den Keim

der progressiven Universalpoesie. Schlegel erkannte in Goethes Bildungsroman Tendenzen

zu einem neuen romantischen Roman. Gleichzeitig etablierte er mit seiner Kritik, eigentlich

einer Rezension, eine Romantheorie. EinÜbermeister nun bedeutet, dass der Autor Friedrich

Schlegel genau das aufgegriffen hat, was den Roman Goethes seiner Meinung nach

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ausmachte und genau dies in eine neue Form brachte, die als eigenständiger Text für sich

selbst stehen konnte. Dieser neue Text aber stellte einen typisch Schlegelschen Text dar.

Der Autor des neuen Werkes sollte dabei sichtbar werden.

Die Umsetzung der Theorie [Bearbeiten]

Viele Autoren haben sich an dieser Theorie abgearbeitet. Als erster Versuch ist sicherlich

Schlegels eigener Roman zu nennen: Lucinde. Andere sind: In früher Zeit Heinrich von

Ofterdingen von Novalis − von Schlegel selbst als gelungenste Umsetzung der Theorie

gelobt –, Godwi von Clemens Brentano - von Schlegel geschasst, aber von der

Literaturwissenschaft als gelungenste Umsetzung der Theorie gelobt -, die

Lesedramen Ludwig Tiecks wie Der gestiefelte Kater oder Die verkehrte Welt. In der

Spätromantik dann Der Parcival von Friedrich de la Motte Fouqué oder Joseph von

Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts.

Eine Parodie der Theorie [Bearbeiten]

In seinem Roman Die Nachtwachen des Bonaventura von 1804 parodierte Ernst August

Friedrich Klingemann Friedrich Schlegels Athenäumsfragment 116. Klingemann, der in Jena

die Vorlesungen von Fichte und August Wilhelm Schlegel gehört hatte, war mit Clemens

Brentano befreundet, dessen Roman Godwi als exemplarische Umsetzung der Theorie der

Universalpoesie gilt. Man kann davon ausgehen, dass sie ihm daher gut bekannt war, als er

sich an die Arbeit zu den Nachtwachen machte. Abgesehen davon, dass sich der gesamte

Roman als vorbildliche Umsetzung des Konzeptes lesen lässt,[2] finden sich im achten

Kapitel – der "Achten Nachtwache" – mehrere Elemente, die zum Konzept

der Universalpoesie dazugehören, zu einer grotesken Parodie zusammengefügt. So finden

wir neben der philosophischen Frage nach Idealität und Realität des Subjektes ein Spiel mit

der Darstellung von Leben in der Dichtung und Dichtung im Leben sowie den für Schlegel

wichtigen Begriff: das 'Schweben':

Zunächst stellt der Erzähler in diesem Kapitel einen Schriftsteller vor. Wir finden in ihm einen

zerrissenen Menschen, der versucht, ein Leben für die Kunst zu führen, jedoch darunter

leidet, dass er mit Kunst seinen Lebensunterhalt nicht verdienen kann. Absolut verarmt kann

er sich dennoch nicht entschließen, einen 'profanen' Beruf zu ergreifen.

Dieser Stadtpoet durchlebt den inneren Konflikt einer typisch romantischen Romanfigur:

Der Stadtpoet auf seinem Dachkämmerchen gehörte auch zu den Idealisten, die man mit

Gewalt durch Hunger, Gläubiger, Gerichtsfrohne u. s. w. zu Realisten bekehrt hatte [...].[3]

Mit genau diesem Problem, sich zwischen Idealismus und Realismus entscheiden zu

müssen, hatten sich bereits Goethes Wilhelm Meister – den Schlegel 'romantisch' las (s.o.) –

und auch Novalis' Heinrich von Ofterdingen – die von Schlegel selbst autorisierte Fassung

der am besten gelungenen Umsetzung der Universalpoesie – herumschlagen müssen.

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Der Ich-Erzähler Kreuzgang findet den Poeten in dessen Dachkammer erhängt vor. Dies

beschreibt Klingemann in einer Form, die von einer Verwechselbarkeit des Autors mit

seinem Werk ausgeht. Schlegel hatte dies als ein wichtiges Charakteristikum

der progressiven Universalpoesie gefordert:

Sie [die romantische Poesie] kann sich so in das Dargestellte verlieren, daß man glauben

möchte, poetische Individuen jeder Art zu charakterisieren, sei ihr eins und alles; und doch

gibt es noch keine Form, die dazu gemacht wäre, den Geist des Autors vollständig

auszudrücken: so daß manche Künstler, die nur auch einen Roman schreiben wollten, von

ungefähr sich selbst dargestellt haben.[4]

Das Stück, das der Stadtpoet verfasst hat, trägt den Titel "Der Mensch". Explizit verweist

Klingemann in seiner Beschreibung der Szene, darauf, dass der junge Mann, der, da er

keinen Namen hat – selbst also nur "ein Mensch" ist –, zum Protagonisten seines eigenen

Stückes wird:

Ich stieg keuchend in den hohen Olymp hinauf und öffnete den Eingang; aber statt eines

Trauerspiels, das ich nicht erwartet hatte, fand ich ihrer zwei, das rükgehende vom Verleger,

und den Tragiker selbst der das zweite aus dem Stegereife zugleich gedichtet und als

Protagonist aufgeführt hatte. Da ihn der tragische Dolch gemangelt, so hatte er in der Eile,

was bei einem improvisirten Drama leicht übersehen werden kann, die Schnur die dem auf

der Retourfuhre begriffenen Manuscripte als Reisegurt gedient, dazu auserwählt, und

schwebte an ihr als ein gen Himmel fahrender Heiliger, recht leicht und mit abgeworfenem

Erdenballast über seinem Werke.[5]

In makaberer Weise hat der verzweifelte Poet den Konflikt gelöst. In der Regel heißt die

Lösung für einen romantischen Dichter:Schweben, was heißt, dass er beides möglich

machen soll, nämlich in der realen Welt wie in der Welt der Dichtung leben, indem er ein

beständiges Wechselspiel zwischen beidem vollzieht:

Und doch kann auch sie [die romantische Poesie] am meisten zwischen dem Dargestellten

und dem Darstellenden, frei von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der

poetischen Reflexion in der Mitte schweben [...].die Poesie lebendig und gesellig, und das

Leben und die Gesellschaft poetisch machen[6]

Sein Leben wird zum Gegenstand der Poesie, aber die Poesie soll auch prägend auf das

Leben einwirken. Den Figuren anderer romantischer Romane gelingt das nur bedingt.

Wilhelm Meister z. B. kehrt ins bodenständige Leben zurück; er entscheidet sich gegen das

'Schweben' selbst und für die Realität. Heinrich von Ofterdingen hat das Problem noch

aufgeschoben: Der Roman ist Fragment geblieben. Das "Schweben" von Klingemanns

Poeten sieht anders aus. Er hat sich nicht dem geforderten Wechselspielaus hingegeben,

sondern sich durch seinen Freitod komplett aus der Realität zurückgezogen. Er ist frei von

allem realen und idealen Interesse indem er den Erdenballast abgeworfen hat. Dass

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letztendlich doch die andere Möglichkeit wieder hinzugenommen wird, der Poesie also

wieder ihre Berechtigung im Leben zugesprochen wird, zeigt, dass Klingemann hier das

Konzept der Universalpoesie umsetzen wollte. Der Autor lässt seiner Dichter-Figur die

Möglichkeit, sich komplett im Kunstwerk zu verlieren, ja, selbst Kunstwerk zu werden, indem

der seinen Erzähler dessen Tod als Kunstwerk romantischer Art beschreiben lässt. Der

Lebende berichtet den Lesern von dem Kunstwerk: "Der Mensch", das der Selbstmörder

vorher ausgestrichen hat - wie es in seinem "Absagebrief" heißt:

Der Mensch taugt nichts, darum streiche ich ihn aus. Mein Mensch hat keinen Verleger

gefunden weder als persona vera noch ficta, für die lezte (meine Tragödie) will kein

Buchhändler die Drukkosten herschießen, und um die erste, (mich selbst) bekümmert sich

gar der Teufel nicht, und sie lassen mich verhungern [...].[7]