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Karl Marx

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Lohnarbeitund

Kapital

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Einleitung von Friedrich Engels zur deutschen Ausgabe von 1891

Die nachfolgende Arbeit erschien als eine Reihe von Leitartikelnin der 'Neuen Rheinischen Zeitung' vom 5. April 1849 an. Ihrliegen zugrunde die Vorträge, die Marx 1847 im BrüsselerDeutschen Arbeiterverein gehalten.

Sie ist im Abdruck Fragment geblieben; das in Nr. 269 amSchluss stehende "Fortsetzung folgt" blieb unerfüllt infolge der sichdamals überstürzenden Ereignisse, des Einmarsches der Russen inUngarn, der Aufstände in Dresden, Iserlohn, EIberfeld, der Pfalzund Baden, die die Unterdrückung der Zeitung selbst (19. Mai1849) herbeiführten. Das Manuskript dieser Fortsetzung hat sich imNachlass von Marx nicht vorgefunden.

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"Lohnarbeit und Kapital" ist in mehreren Auflagen alsSeparatdruck in Broschürenform erschienen, zuletzt 1884,Hottingen-Zürich, Schweizerische Genossenschaftsbuchdruckerei.Diese bisherigen Abdrücke enthielten den genauen Wortlaut desOriginals. Der vorliegende Neuabdruck soll aber in nicht wenigerals 10.000 Exemplaren als Propagandaschrift verbreitet werden,und da mußte sich mir die Frage aufdrängen, ob unter diesenUmständen Marx selbst eine unveränderte Wiedergabe desWortlauts billigen würde.

In den vierziger Jahren hatte Marx seine Kritik der politischenÖkonomie noch nicht zum Abschluß gebracht. Dies geschah erstgegen Ende der fünfziger Jahre. Seine vor dem ersten Heft "ZurKritik der politischen Oekonomie" (1859) erschienenen Schriftenweichen daher in einzelnen Punkten von den seit 1859 verfasstenab, enthalten Ausdrücke und ganzeSätze, die, vom Standpunkt derspätern Schriften aus, schief undselbst unrichtig erscheinen. Nun istes Selbstredend, daß ingewöhnlichen, für dasGesamtpublikum bestimmtenAusgaben auch dieser in dergeistigen Entwicklung des Verfassersmit einbegriffene frühere Standpunktseinen Platz hat, daß Verfasser wiePublikum ein unbestrittnes Rechthaben auf unveränderten Abdruckdieser älteren Schriften. Und es wäremir nicht im Traum eingefallen, einWort daran zu ändern.

Anders, wenn die neue Auflage so gut wie ausschließlich zurPropaganda unter Arbeitern bestimmt ist. Da würde Marxunbedingt die alte, von 1849 datierende Darstellung mit seinemneuen Standpunkt in Einklang gebracht haben. Und ich bin mirgewiß, in seinem Sinn zu handeln, wenn ich für diese Ausgabe diewenigen Änderungen und Zusätze vornehme, die erforderlich sind,

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um diesen Zweck in allen wesentlichen Punkten zu erreichen. Ichsage also dem Leser im Voraus: Dies ist die Broschüre, nicht wieMarx sie 1849 niedergeschrieben hat, sondern, annähernd, wie ersie 1891 geschrieben hätte. Der wirkliche Text ist zudem in sozahlreichen Exemplaren verbreitet, dass dies hinreicht, bis ich ihnin einer spätern Gesamtausgabe wieder unverändert abdruckenkann.

Meine Änderungen drehen sich alle um einen Punkt. Nach demOriginal verkauft der Arbeiter für den Arbeitslohn dem Kapitalistenseine Arbeit; nach dem jetzigen Text seine Arbeitskraft. Und wegendieser Änderung bin ich Auskunft schuldig. Auskunft denArbeitern, damit sie sehn, dass hier keine bloße Wortklaubereivorliegt, sondern vielmehr einer der wichtigsten Punkte der ganzenpolitischen Ökonomie. Auskunft den Bourgeois, damit sie sichüberzeugen können, wie gewaltig die ungebildeten Arbeiter, denenman die schwierigsten ökonomischen Entwicklungen mitLeichtigkeit verständlich machen kann, unsern hochnäsigen"Gebildeten" überlegen sind, denen solche verzwickte Fragenunlöslich bleiben ihr Leben lang.

Die klassische politische Ökonomie übernahm aus derindustriellen Praxis die landläufige Vorstellung des Fabrikanten, alskaufe und bezahle er die Arbeit seiner Arbeiter. Diese Vorstellunghatte für den Geschäftsgebrauch, die Buchführung undPreiskalkulation des Fabrikanten ganz gut ausgereicht. Naiverweiseübertragen in die politische Ökonomie, richtete sie hier garwundersame Irrungen und Wirrungen an.

Die Ökonomie findet die Tatsache vor, dass die Preise allerWaren, darunter auch der Preis der Ware, die sie "Arbeit" nennt,fortwährend wechseln; dass sie steigen und fallen infolge von sehrmannigfaltigen Umständen, die häufig mit der Herstellung derWare selbst in gar keinem Zusammenhang stehen, so dass diePreise in der Regel durch den puren Zufall bestimmt scheinen.Sobald nun die Ökonomie als Wissenschaft auftrat, war eine ihrerersten Aufgaben, das Gesetz zu suchen, das sich hinter diesem,scheinbar die Warenpreise beherrschenden Zufall verbarg und dasin Wirklichkeit diesen Zufall selbst beherrschte. Innerhalb der

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fortwährenden bald nach oben, bald nach unten schwankenden undschwingenden Warenpreise suchte sie nach dem festenZentralpunkt, um den herum diese Schwankungen undSchwingungen sich vollziehen. Mit einem Worte: Sie ging von denWarenpreisen aus, um als deren regelndes Gesetz den Warenwert zusuchen, aus dem sich alle Preisschwankungen erklären, auf den sieschließlich alle wieder zurückführen sollten.

Die klassische Ökonomie fand nun, dass der Wert einer Warebestimmt werde durch die in ihr steckende, zu ihrer Produktionerheischte Arbeit. Mit dieser Erklärung begnügte sie sich. Und auchwir können einstweilen hierbei stehen bleiben. Nur umMissverständnissen vorzubeugen, will ich daran erinnern, dassdiese Erklärung heutzutage völlig ungenügend geworden ist. Marxhat zuerst die wertbildende Eigenschaft der Arbeit gründlichuntersucht und dabei gefunden, daß nicht jede scheinbar oder auchwirklich zur Produktion einer Ware notwendige Arbeit dieser Wareunter allen Umständen eine Wertgröße zusetzt, die der verbrauchtenArbeitsmenge entspricht. Wenn wir also heute kurzweg mitÖkonomen wie Ricardo sagen, der Wert einer Ware bestimme sichdurch die zu ihrer Produktion notwendige Arbeit, so unterstellen

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wir dabei stets die von Marx gemachten Vorbehalte. Dies genügthier; das Weitre findet sich bei Marx in "Zur Kritik der politischenOekonomie", 1859, und im ersten Band des "Kapital ".

Sobald aber die Ökonomen diese Wertbestimmung durch dieArbeit anwandten auf die Ware "Arbeit", gerieten sie von einemWiderspruch in den andern. Wie wird der Wert der "Arbeit"bestimmt? Durch die in ihr steckende notwendige Arbeit. Wie vielArbeit aber steckt in der Arbeit eines Arbeiters für einen Tag, eineWoche, einen Monat, ein Jahr? Die Arbeit eines Tags, einer Woche,eines Monats, eines Jahrs. Wenn die Arbeit das Maß aller Werte ist,so können wir den "Wert der Arbeit" eben nur ausdrücken in Arbeit.Wir wissen aber absolut nichts über den Wert einer Stunde Arbeit,wenn wir nur wissen, dass er gleich einer Stunde Arbeit ist. Damitsind wir also kein Haarbreit näher am Ziel; wir drehen uns in einemfort im Kreise.

Die klassische Ökonomie versuchte es also mit einer andernWendung; sie sagte: Der Wert einer Ware ist gleich ihrenProduktionskosten. Aber was sind die Produktionskosten derArbeit? Um diese Frage zu beantworten, müssen die Ökonomen derLogik ein bisschen Gewalt antun. Statt der Produktionskosten derArbeit selbst, die leider nicht zu ermitteln sind, untersuchen sienun, was die Produktionskosten des Arbeiterssind. Und diese lassen sich ermitteln. Siewechseln je nach Zeit und Umständen, aber füreinen gegebnen Gesellschaftszustand, einegegebne Lokalität, einen gegebnenProduktionszweig sind sie ebenfalls gegeben,wenigstens innerhalb ziemlich enger Grenzen. Wirleben heute unter der Herrschaft derkapitalistischen Produktion, wo eine große, stetswachsende Klasse der Bevölkerung nur lebenkann, wenn sie für die Besitzer derProduktionsmittel - der Werkzeuge, Maschinen,Rohstoffe und Lebensmittel - gegen Arbeitslohn arbeitet. AufGrundlage dieser Produktionsweise bestehen die Produktionskostendes Arbeiters in derjenigen Summe von Lebensmitteln - oder deren

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Geldpreis -, die durchschnittlich nötig sind, ihn arbeitsfähig zumachen, arbeitsfähig zu erhalten und ihn bei seinem Abgang durchAlter, Krankheit oder Tod durch einen neuen Arbeiter zu ersetzen,also die Arbeiterklasse in der benötigten Stärke fortzupflanzen.Nehmen wir an, der Geldpreis dieser Lebensmittel sei imDurchschnitt drei Mark täglich.

Unser Arbeiter erhält also von dem ihn beschäftigten Kapitalisteneinen Lohn von drei Mark täglich. Der Kapitalist läßt ihn dafür,sage zwölf Stunden täglich, arbeiten. Und zwar kalkuliert dieserKapitalist etwa folgendermaßen:

Nehmen wir an, unser Arbeiter - Maschinenschlosser - habe einStück einer Maschine zu arbeiten, das er in einem Tage fertigmacht. Der Rohstoff - Eisen und Messing in der nötigenvorgearbeiteten Form - koste 20 M. Der Verbrauch an Kohlen derDampfmaschine, der Verschleiß dieser selben Dampfmaschine, derDrehbank und der übrigen Werkzeuge, womit unser Arbeiterarbeitet, stelle dar, für einen Tag und auf seinen Anteil berechnet,einen Wert von 1 M. Der Arbeitslohn für einen Tag ist nach unsrerAnnahme 3 M. Macht zusammen für unser Maschinenstück 24 M.Der Kapitalist rechnet aber heraus, dass er dafür im Durchschnitteinen Preis von 27 M. von seinen Kunden erhält, also 3 M. überseine ausgelegten Kosten.

Woher kommen diese 3 M., die der Kapitalist einsteckt? Nach derBehauptung der klassischen Ökonomie werden die Waren imDurchschnitt zu ihren Werten, d. h. zu Preisen verkauft, die den indiesen Waren enthaltenen notwendigen Arbeitsmengen entsprechen.Der Durchschnittspreis unsres Maschinenteils - 27 M. - wäre alsogleich seinem Wert, gleich der in ihm steckenden Arbeit. Aber vondiesen 27 M. waren 21 M. bereits vorhandne Werte, ehe unserMaschinenschlosser zu arbeiten anfing. 20 M. steckten imRohstoff, 1 M. in Kohlen, die während der Arbeit verbrannt, oder inMaschinen und Werkzeugen, die dabei gebraucht und in ihrerLeistungsfähigkeit bis zum Wert dieses Betrags geschmälertwurden. Bleiben 6 M., die dem Wert des Rohstoffs zugesetztworden sind. Diese sechs Mark können aber nach der Annahmeunsrer Ökonomen selbst nur herstammen aus der dem Rohstoff

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durch unsern Arbeiter zugesetzten Arbeit. Seine zwölfstündigeArbeit hat danach einen neuen Wert von sechs Mark geschaffen.Der Wert seiner zwölfstündigen Arbeit wäre also gleich sechsMark. Und damit hätten wir also endlich entdeckt, was der "Wertder Arbeit" ist.

"Halt da!" ruft unser Maschinenschlosser. "Sechs Mark? Ich habeaber nur drei Mark erhalten! Mein Kapitalist schwört Stein undBein, der Wert meiner zwölfstündigen Arbeit sei nur drei Mark, undwenn ich sechs verlange, so lacht er mich aus. Wie reimt sich das?"

Kamen wir vorhin mit unserm Wert der Arbeit in einen Zirkelohne Ausweg, so sind wir jetzt in einem unlöslichen Widersprucherst recht festgeritten. Wir suchten den Wert der Arbeit und fandenmehr, als wir brauchen können. Für den Arbeiter ist der Wert derzwölfstündigen Arbeit drei Mark, für den Kapitalisten sechs Mark,wovon er drei dem Arbeiter als Lohn zahlt und drei selbst in dieTasche steckt. Also hätte die Arbeit nicht einen, sondern zweiWerte, und sehr verschiedne obendrein!

Der Widerspruch wird noch widersinniger, sobald wir die in Geldausgedrückten Werte auf Arbeitszeit reduzieren. In den zwölfStunden Arbeit wird ein Neuwert von sechs Mark geschaffen. Alsoin sechs Stunden drei Mark - die Summe, die der Arbeiter fürzwölfstündige Arbeit erhält. Für zwölfstündige Arbeit erhält derArbeiter als gleichen Gegenwert das Produkt von sechs StundenArbeit. Entweder also hat die Arbeit zwei Werte, wovon der einedoppelt so groß wie der andre, oder zwölf sind gleich sechs! Inbeiden Fällen kommt reiner Widersinn heraus.

Wir mögen uns drehen und wenden, wie wir wollen, wir kommennicht heraus aus diesem Widerspruch, solange wir vom Kauf undVerkauf der Arbeit und vom Wert der Arbeit sprechen. Und so ginges den Ökonomen auch. Der letzte Ausläufer der klassischenÖkonomie, die Ricardosche Schule, ging größenteils an derUnlösbarkeit dieses Widerspruchs zugrunde. Die klassischeÖkonomie hatte sich in eine Sackgasse festgerannt. Der Mann, derden Weg aus dieser Sackgasse fand, war Karl Marx.

Was die Ökonomen als die Produktionskosten "der Arbeit"angesehn hatten, waren die Produktionskosten nicht der Arbeit,

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sondern des lebendigen Arbeiters selbst. Und was dieser Arbeiterdem Kapitalisten verkaufte, war nicht seine Arbeit. "Sobald seineArbeit wirklich beginnt", sagte Marx, "hat sie bereits aufgehört,ihm zu gehören, kann also nicht mehr von ihm verkauft werden."Er könnte also höchstens seine künftige Arbeit verkaufen, d.h. dieVerpflichtung übernehmen, eine bestimmte Arbeitsleistung zubestimmter Zeit auszuführen. Damit aber verkauft er nicht Arbeit(die doch erst geschehen sein müsste), sondern er stellt demKapitalisten auf bestimmte Zeit (im Taglohn) oder zum Zweckeiner bestimmten Arbeitsleistung (im Stücklohn) seine Arbeitskraftgegen eine bestimmte Zahlung zur Verfügung: Er vermietet resp.verkauft seine Arbeitskraft. Diese Arbeitskraft ist aber mit seinerPerson verwachsen und von ihr untrennbar. Ihre Produktionskostenfallen daher mit seinen Produktionskosten zusammen; was dieÖkonomen die Produktionskosten der Arbeit nannten, sind eben diedes Arbeiters und damit die der Arbeitskraft. Und so können wirauch von den Produktionskosten der Arbeitskraft auf den Wert derArbeitskraft zurückgehen und die Menge von gesellschaftlichnotwendiger Arbeit bestimmen, die zur Herstellung einerArbeitskraft von bestimmter Qualität erforderlich ist, wie dies Marxim Abschnitt vom Kauf und Verkauf der Arbeitskraft getan hat("Kapital", Band 1, Kapitel 4, 3. Abteilung).

Was geschieht nun, nachdem der Arbeiter dem Kapitalisten seineArbeitskraft verkauft, d.h. gegen einen vorausbedungnen Lohn -Taglohn oder Stücklohn - zur Verfügung gestellt hat? Der Kapitalistführt den Arbeiter in seine Werkstatt oder Fabrik, wo sich bereitsalle zur Arbeit erforderlichen Gegenstände, Rohstoffe, Hülfsstoffe(Kohlen, Farbstoffe etc.), Werkzeuge, Maschinen, vorfinden. Hierfängt der Arbeiter an zu schanzen. Sein Tageslohn sei wie oben 3Mark - wobei es nichts ausmacht, ob er sie im Taglohn oder imStücklohn verdient. Wir nehmen auch hier wieder an, daß derArbeiter in zwölf Stunden den vernutzten Rohstoffen durch seineArbeit einen Neuwert von sechs Mark zusetzt, welchen Neuwertder Kapitalist beim Verkauf des fertigen Werkstücks realisiert. Erzahlt davon dem Arbeiter seine 3 Mark, die andern 3 Mark aberbehält er selbst. Wenn nun der Arbeiter in zwölf Stunden einenWert von sechs Mark schafft, so in sechs Stunden einen Wert von 3

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Mark. Er hat also dem Kapitalisten den Gegenwert der imArbeitslohn erhaltnen drei Mark schon wieder vergütet, nachdem erfür ihn sechs Stunden gearbeitet. Nach sechs Stunden Arbeit sindbeide quitt, keiner ist dem andern einen Heller schuldig.

"Halt da!" ruft jetzt der Kapitalist. "Ich habe den Arbeiter füreinen ganzen Tag, für zwölf Stunden gemietet. Sechs Stunden sindaber nur ein halber Tag. Also flott fortgeschanzt, bis die andernsechs Stunden auch um sind - erst dann sind wir quitt!" Und derArbeiter hat sich in der Tat seinem "freiwillig" eingegangnenKontrakt zu fügen, wonach er sich verpflichtet, für einArbeitsprodukt, das sechs Arbeitsstunden kostet, zwölf ganzeStunden zu arbeiten.

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Beim Stücklohn ist es geradeso. Nehmen wir an, unser Arbeiterschafft in 12 Stunden 12 Stück Ware. Davon kostet jedes anRohstoff und Verschleiß 2 M. und wird verkauft zu 2 ½ M. So wirdder Kapitalist, bei sonst denselben Voraussetzungen wie vorhin,dem Arbeiter 25 Pf. per Stück geben; macht auf 12 Stück 3 M., diezu verdienen der Arbeiter zwölf Stunden braucht. Der Kapitalisterhält für die 12 Stück 30 M.; ab für Rohstoff und Verschleiß 24M., bleiben 6 M., wovon er 3 M. Arbeitslohn zahlt und drei M.einsteckt. Ganz wie oben. Auch hier arbeitet der Arbeiter sechsStunden für sich d. h. zum Ersatz seines Lohns (in jeder der zwölfStunden ½ Stunde), und sechs Stunden für den Kapitalisten.

Die Schwierigkeit, an der die besten Ökonomen scheiterten,solange sie vom Wert der "Arbeit" ausgingen, verschwindet, sobaldwir stattdessen vom Wert der "Arbeitskraft" ausgehen. DieArbeitskraft ist eine Ware in unsrer heutigen kapitalistischenGesellschaft, eine Ware wie jede andre, aber doch eine ganzbesondre Ware. Sie hat nämlich die besondre Eigenschaft,wertschaffende Kraft, Quelle von Wert zu sein, und zwar, beigeeigneter Behandlung, Quelle von mehr Wert, als sie selbstbesitzt. Bei dem heutigen Stand der Produktion produziert diemenschliche Arbeitskraft nicht nur in einem Tag einen größerenWert, als sie selbst besitzt und kostet, mit jeder neuenwissenschaftlichen Entdeckung, mit jeder neuen technischenErfindung steigert sich dieser Überschuss ihres Tagesprodukts überihre Tageskosten, verkürzt sich also derjenige Teil des Arbeitstags,worin der Arbeiter den Ersatz seines Tageslohns herausarbeitet, undverlängert sich also andrerseits derjenige Teil des Arbeitstags,worin er dem Kapitalisten seine Arbeit schenken muss, ohne dafürbezahlt zu werden.

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Und dies ist die wirtschaftliche Verfassung unsrer ganzenheutigen Gesellschaft: Die arbeitende Klasse allein ist es, die alleWerte produziert.

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Denn Wert ist nur ein andrer Ausdruck für Arbeit, derjenigeAusdruck, wodurch in unsrer heutigen kapitalistischen Gesellschaftdie Menge der in einer bestimmten Ware steckenden,gesellschaftlich notwendigen Arbeit bezeichnet wird. Diese von denArbeitern produzierten Werte gehören aber nicht den Arbeitern. Siegehören den Eigentümern der Rohstoffe, der Maschinen undWerkzeuge und der Vorschussmittel, die diesen Eigentümernerlauben, die Arbeitskraft der Arbeiterklasse zu kaufen. Von derganzen, von ihr erzeugten Produktionsmasse erhält also dieArbeiterklasse nur einen Teil für sich zurück. Und, wie wir ebengesehen, wird der andre Teil, den die Kapitalistenklasse für sichbehält und höchstens noch mit der Grundeigentümerklasse zu teilenhat, mit jeder neuen Erfindung und Entdeckung größer, währendder der Arbeiterklasse zufallende Teil (auf die Kopfzahl berechnet)entweder nur sehr langsam und unbedeutend oder auch gar nichtsteigt und unter Umständen sogar fallen kann.

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Aber diese stets rascher einander verdrängenden Erfindungen undEntdeckungen, diese sich in bisher unerhörtem Maße Tag auf Tagsteigernde Ergiebigkeit der menschlichen Arbeit schafft zuletzteinen Konflikt, worin die heutige kapitalistische Wirtschaftzugrunde gehen muss. Auf der einen Seite unermesslicheReichtümer und einen Überfluss von Produkten, den die Abnehmernicht bewältigen können.

Auf der andern die große Masse der Gesellschaft proletarisiert, inLohnarbeiter verwandelt und eben dadurch unfähig gemacht, jenenÜberfluss von Produkten sich anzueignen. Die Spaltung derGesellschaft in eine kleine, übermäßig reiche, und eine große,besitzlose Lohnarbeiterklasse bewirkt, dass diese Gesellschaft inihrem eignen Überfluss erstickt, während die große Mehrzahl ihrerGlieder kaum, oder nicht einmal, vor dem äußersten Mangelgeschützt ist. Dieser Zustand wird mit jedem Tag widersinniger und- unnötiger. Er muss beseitigt werden, er kann beseitigt werden.Eine neue Gesellschaftsordnung ist möglich, worin die heutigenKlassenunterschiede verschwunden sind, und wo - vielleicht nacheiner kurzen, etwas knappen, aber jedenfalls moralisch sehrnützlichen Übergangszeit - durch planmäßige Ausnutzung undWeiterbildung der schon vorhandnen ungeheuren Produktivkräftealler Gesellschaftsglieder, bei gleicher Arbeitspflicht, auch die

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Mittel zum Leben, zum Lebensgenuss, zur Ausbildung undBetätigung aller körperlichen und geistigen Fähigkeiten,gleichmäßig und in stets wachsender Fülle zur Verfügung stehen.Und dass die Arbeiter mehr und mehr entschlossen sind, sich dieseneue Gesellschaftsordnung zu erkämpfen, davon wird Zeugnisablegen, auf beiden Seiten des Ozeans, der morgige erste Mai undder Sonntag, der dritte Mai.London, 30. April 1891 Friedrich Engels

Veröffentlicht in der Beilage des "Vorwärts" Nr. 109 vom 13. Mai 1891 und in der Broschüre: Karl Marx: "Lohnarbeit und Kapital", Berlin 1891. Nach der Ausgabe von 1891.

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Karl Marx: Lohnarbeit und KapitalKapitel I

Von verschiednen Seiten warf man uns vor, daß wir nicht dieökonomischen Verhältnisse dargestellt haben, welche die materielleGrundlage der jetzigen Klassenkämpfe und Nationalkämpfe bilden.Wir haben planmäßig diese Verhältnisse nur da berührt, wo sie sichin politischen Kollisionen unmittelbar aufdrängen.

Es galt vor allem den Klassenkampf in der Tagesgeschichte zuverfolgen und an dem vorhandnen und täglich neu geschaffnengeschichtlichen Stoff empirisch nachzuweisen, daß mit derUnterjochung der Arbeiterklasse, welche Februar und Märzgemacht hatte, gleichzeitig ihre Gegner besiegt wurden - dieBourgeoisrepublikaner in Frankreich, die den feudalen Absolutis-mus bekämpfenden Bürger- und Bauernklassen auf dem gesamteneuropäischen Kontinent; daß der Sieg der "honetten Republik" inFrankreich gleichzeitig der Fall der Nationen war, die auf dieFebruarrevolution mit heroischen Unabhängigkeitskriegen geant-wortet hatten; dass endlich Europa mit der Besiegung der revo-lutionären Arbeiter in seine alte Doppelsklaverei zurückfiel, in dieenglisch-russische Sklaverei. Der Junikampf zu Paris, der FallWiens, die Tragikomödie des Berliner November 1848, dieverzweifelten Anstrengungen Polens, Italiens und Ungarns, IrlandsAushungerung - das waren die Hauptmomente, in denen sich dereuropäische Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Arbeiter-klasse zusammenfasste, denen wir nachwiesen, dass jede revolu-tionäre Erhebung, mag ihr Ziel noch so fernliegend dem Klassen-kampf scheinen, scheitern muss, bis die revolutionäre Arbeiter-klasse siegt, dasa jede soziale Reform eine Utopie bleibt, bis dieproletarische Revolution und die feudalistische Konterrevolutionsich in einem Weltkrieg mit den Waffen messen. In unsererDarstellung, wie in der Wirklichkeit, waren Belgien und dieSchweiz tragikomische karikaturmäßige Genrebilder in dem großenhistorischen Tableau, das eine der Musterstaat der bürgerli-chenMonarchie, das andre der Musterstaat der bürgerlichen Republik,beides Staaten, die sich einbilden, ebenso unabhängig von demKlassenkampf zu sein wie von der europäischen Revolution.

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Jetzt, nachdem unsre Leser den Klassenkampf im Jahre 1848 inkolossalen politischen Formen sich entwickeln sahen, ist es an derZeit, näher einzugehen auf die ökonomischen Verhältnisse selbst,worauf die Existenz der Bourgeoisie und ihre Klassenherrschaftebenso sich gründet wie die Sklaverei der Arbeiter.

Wir werden in drei großen Abteilungen darstellen: 1. dasVerhältnis der Lohnarbeit zum Kapital, die Sklaverei des Arbeiters,die Herrschaft des Kapitalisten, 2. den unvermeidlichen Untergangder mittleren Bürgerklassen und des sogenannten Bürgerstandesunter dem jetzigen System, 3. die kommerzielle Unterjochung undAusbeutung der Bourgeoisklassen der verschiednen europäischenNationen durch den Despoten des Weltmarkts - England.

Wir werden möglichst einfach und populär darzustellen suchenund selbst die elementarischsten Begriffe der politischen Ökonomienicht voraussetzen. Wir wollen den Arbeitern verständlich sein.Und zudem herrscht in Deutschland die merkwürdigsteUnwissenheit und Begriffsverwirrung über die einfachstenökonomischen Verhältnisse, von den patentierten Verteidigern derbestehenden Zustände bis hinab zu den sozialistischenWunderschäfern und den verkannten politischen Genies, an denendas zersplitterte Deutschland noch reicher ist als an Landesvätern.

Zunächst also zur ersten Frage: Was ist der Arbeitslohn? Wie wirder bestimmt?

Wenn man Arbeiter fragte: Wie hoch ist Ihr Arbeitslohn? so wür-den sie antworten, dieser: "Ich erhalte 1 Mark für den Arbeitstagvon meinem Bourgeois", jener: "ich erhalte 2 Mark" usw. Nach denverschiednen Arbeitszweigen, denen sie angehören, würden sieverschiedne Geldsummen angeben, die sie für die Herstellung einerbestimmten Arbeit, z.B. für das Weben einer Elle Leinwand oderfür das Setzen eines Druckbogens, von ihrem jedesmaligenBourgeois erhalten. Trotz der Verschiedenheit ihrer Angabenwerden sie alle in dem Punkte übereinstimmen: Der Arbeitslohn istdie Summe Geldes, die der Kapitalist für eine bestimmteArbeitszeit oder für eine bestimmte Arbeitslieferung zahlt.

Der Kapitalist, so scheint es, kauft also ihre Arbeit mit Geld. FürGeld verkaufen sie ihm ihre Arbeit. Dies ist aber bloß der Schein.

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Was sie in Wirklichkeit dem Kapitalisten für Geld verkaufen, istihre Arbeitskraft. Diese Arbeitskraft kauft der Kapitalist auf einenTag, eine Woche, einen Monat usw. Und nachdem er sie gekauft,verbraucht er sie, indem er die Arbeiter während der stipuliertenZeit arbeiten lässt. Mit derselben Summe, womit der Kapitalist ihreArbeitskraft gekauft hat, z.B. mit 2 Mark, hätte er 2 Pfund Zuckeroder irgendeine andre Ware zu einem bestimmten Belauf kaufenkönnen. Die 2 Mark, womit er 2 Pfund Zucker kaufte, sind derPreis der 2 Pfund Zucker. Die 2 Mark, womit er zwölf StundenGebrauch der Arbeitskraft kaufte, sind der Preis der zwölfstündigenArbeit. Die Arbeitskraft ist also eine Ware, nicht mehr, nicht minderals der Zucker. Die erste misst man mit der Uhr, die andre mit derWaage.

Ihre Ware, die Arbeitskraft, tauschen die Arbeiter gegen die Waredes Kapitalisten aus, gegen das Geld, und zwar geschieht dieserAustausch in einem bestimmten Verhältnis. So viel Geld für solangen Gebrauch der Arbeitskraft. Für zwölfstündiges Weben 2Mark. Und die 2 Mark, stellen sie nicht alle andern Waren vor, dieich für 2 Mark kaufen kann? In der Tat hat der Arbeiter also seineWare, die Arbeitskraft, gegen Waren aller Art ausgetauscht, undzwar in einem bestimmten Verhältnis. Indem der Kapitalist ihm 2Mark gab, hat er ihm so viel Fleisch, so viel Kleidung, so viel Holz,Licht usw. im Austausch gegen seinen Arbeitstag gegeben. Die 2Mark drücken also das Verhältnis aus, worin die Arbeitskraft gegenandre Waren ausgetauscht wird, den Tauschwert seiner Arbeitskraft.Der Tauschwert einer Ware, in Geld abgeschätzt, heißt eben ihrPreis. Der Arbeitslohn ist also nur ein besondrer Name für den Preisder Arbeitskraft, den man gewöhnlich den Preis der Arbeit nennt,für den Preis dieser eigentümlichen Ware, die keinen andernBehälter hat als menschliches Fleisch und Blut.

Nehmen wir einen beliebigen Arbeiter, z.B. einen Weber. DerKapitalist liefert ihm den Webstuhl und das Garn. Der Weber setztsich ans Arbeiten, und aus dem Garn wird Leinwand. Der Kapitalistbemächtigt sich der Leinwand und verkauft sie, zu 20 Mark z.B..Ist nun der Arbeitslohn des Webers ein Anteil an der Leinwand, anden 20 Mark, an dem Produkt seiner Arbeit? Keineswegs. Lange

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bevor die Leinwand verkauft ist, vielleicht lange bevor siefertiggewebt ist, hat der Weber seinen Arbeitslohn empfangen. DerKapitalist zahlt diesen Lohn also nicht mit dem Geld, das er aus derLeinwand lösen wird. sondern mit vorrätigem Geld. Wie Webstuhlund Garn nicht das Produkt des Webers sind, dem sie vomBourgeois geliefert sind, sowenig sind es die Waren, die er imAustausch für seine Ware, die Arbeitskraft, erhält. Es war möglich,daß der Bourgeois gar keinen Käufer für seine Leinwand fand. Eswar möglich, daß er selbst den Arbeitslohn nicht aus ihrem Verkaufherausschlug. Es ist möglich, daß er sie im Verhältnis zumWebelohn sehr vorteilhaft verkauft. Alles das geht den Weber nichtsan. Der Kapitalist kauft mit einem Teil seines vorhandnenVermögens, seines Kapitals, die Arbeitskraft des Webers ganz so,wie er mit einem andern Teil seines Vermögens den Rohstoff - dasGarn - und das Arbeitsinstrument - den Webstuhl - angekauft hat.Nachdem er diese Einkäufe gemacht, und unter diese Einkäufegehört die zur Produktion der Leinwand nötige Arbeitskraft,produziert er nur noch mit ihm zugehörigen Rohstoffen undArbeitsinstrumenten. Zu letzteren gehört denn nun freilich auchunser guter Weber, der an dem Produkt oder dem Preise desProdukts sowenig einen Anteil hat wie der Webstuhl.

Der Arbeitslohn ist also nicht ein Anteil desArbeiters an der von ihm produzierten Ware.Der Arbeitslohn ist der Teil schon vorhandnerWare, womit der Kapitalist eine bestimmteSumme produktiver Arbeitskraft an sich kauft.

Die Arbeitskraft ist also eine Ware, die ihrBesitzer, der Lohnarbeiter, an das Kapitalverkauft. Warum verkauft er sie? Um zu leben.

Die Betätigung der Arbeitskraft, die Arbeit,ist aber die eigne Lebenstätigkeit des Arbeiters,seine eigne Lebensäußerung. Und dieseLebenstätigkeit verkauft er an einen Dritten,um sich die nötigen Lebensmittel zu sichern.Seine Lebenstätigkeit ist für ihn also nur einMittel, um existieren zu können. Er arbeitet,

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um zu leben. Er rechnet die Arbeit nicht selbst in sein Leben ein,sie ist vielmehr ein Opfer seines Lebens. Sie ist eine Ware, die er aneinen Dritten zugeschlagen hat. Das Produkt seiner Tätigkeit istdaher auch nicht der Zweck seiner Tätigkeit. Was er für sich selbstproduziert, ist nicht die Seide, die er webt, nicht das Gold, das eraus dem Bergschacht zieht, nicht der Palast, den er baut. Was er fürsich selbst produziert, ist der Arbeitslohn, und Seide Gold, Palastlösen sich für ihn auf in ein bestimmtes Quantum vonLebensmitteln, vielleicht in eine Baumwollenjacke, in Kupfermü-nze und in eine Kellerwohnung. Und der Arbeiter, der zwölfStunden webt, spinnt, bohrt, dreht, baut, schaufelt, Steine klopft,trägt usw. - gilt ihm dies zwölfstündige Weben, Spinnen, Bohren,Drehen, Bauen, Schaufeln, Steinklopfen als Äußerung seinesLebens, als Leben? Umgekehrt. Das Leben fängt da für ihn an, wodiese Tätigkeit aufhört, am Tisch, auf der Wirtshausbank, im Bett.

Die zwölfstündige Arbeit dagegen hat ihm keinen Sinn alsWeben, Spinnen, Bohren usw., sondern als Verdienen, das ihn anden Tisch, auf die Wirtshausbank, ins Bett bringt. Wenn derSeidenwurm spanne, um seine Existenz als Raupe zu fristen, sowäre er ein vollständiger Lohnarbeiter.

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Die Arbeitskraft war nicht immer eine Ware. Die Arbeit war nichtimmer Lohnarbeit, d.h. freie Arbeit. Der Sklave verkaufte seineArbeitskraft nicht an die Sklavenbesitzer, so wnig wie der Ochseseine Leistungen an den Bauer verkauft. Der Sklave mitsamt seinerArbeitskraft ist ein für allemal an seinen Eigentümer verkauft. Erist eine Ware, die von der Hand des einen Eigentümers in die desandern übergehen kann. Er selbst ist eine Ware, aber die Arbeits-kraft ist nicht eine Ware. Der Leibeigne verkauft nur einen Teilseiner Arbeitskraft. Nicht er erhält einen Lohn vom Eigentümer desGrund und Bodens: der Eigentümer des Grund und Bodens erhältvielmehr von ihm einen Tribut. Der Leibeigne gehört zum Grundund Boden und wirft dem Herrn des Grund und Bodens Früchte ab.Der freie Arbeiter dagegen verkauft sich selbst, und zwar stück-weis. Er versteigert 8, 10, 12, 15 Stunden seines Lebens, einen Tagwie den andern, an den Meistbietenden, an den Besitzer derRohstoffe, der Arbeitsinstrumente und Lebensmittel, d.h. an denKapitalisten.

Der Arbeiter gehörtweder einem Eigentümernoch dem Grund undBoden an, aber 8, 10, 12,15 Stunden seines tägli-chen Lebens gehörendem, der sie kauft. DerArbeiter verlässt denKapitalisten, dem er sichvermietet, sooft er will,und der Kapitalist ent-lässt ihn, sooft er es fürgut findet, sobald er keinen Nutzen oder nicht den beabsichtigtenNutzen mehr aus ihm zieht. Aber der Arbeiter, dessen einzigeErwerbsquelle der Verkauf der Arbeitskraft ist, kann nicht die ganzeKlasse der Käufer, d.h. die Kapitalistenklasse verlassen, ohne aufseine Existenz zu verzichten. Er gehört nicht diesem oder jenemKapitalisten, aber der Kapitalistenklasse; und es ist dabei seine

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Sache, sich an den Mann zu bringen, das heißt in dieser Kapitalis-tenklasse einen Käufer zu finden.

Bevor wir jetzt auf das Verhältnis zwischen Kapital und Lohnar-beit näher eingehen, werden wir kurz die allgemeinsten Verhältnis-se darstellen, die bei der Bestimmung des Arbeitslohns in Betrachtkommen.

Der Arbeitslohn ist, wie wir gesehen haben, der Preis einer be-,stimten Ware, der Arbeitskraft. Der Arbeitslohn wird also durchdieselben Gesetze bestimmt, die den Preis jeder andern Warebestimmen.

Es fragt sich also, wie wird der Preis einer Ware bestimmt?

Kapitel IIWodurch wird der Preis einer Ware bestimmt?Durch die Konkurrenz zwischen Käufern und Verkäufern. durch

das Verhältnis der Nachfrage zur Zufuhr, des Begehrs zumAngebot. Die Konkurrenz, wodurch der Preis einer Ware bestimmtwird, ist dreiseitig.

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Dieselbe Ware wird von verschiednen Verkäufern angeboten. WerWaren von derselben Güte am wohlfeilsten verkauft, ist sicher, dieübrigen Verkäufer aus dem Felde zu schlagen und sich den größtenAbsatz zu sichern. Die Verkäufer machen sich also wechselseitigden Absatz, den Markt streitig. Jeder von ihnen will verkaufen,möglichst viel verkaufen, und womöglich allein verkaufen mitAusschluß der übrigen Verkäufer. Der eine verkauft daherwohlfeiler als der andre. Es findet also eine Konkurrenz unter denVerkäufern statt, die den Preis der von ihnen angebotnen Warenherabdrückt.

Es findet aber auch eine Konkurrenz unter den Käufern statt, dieihrerseits den Preis der angebotnen Waren steigen macht.

Es findet endlich eine Konkurrenz unter den Käufern undVerkäufern statt; die einen wollen möglichst wohlfeil kaufen, dieanderen wollen möglichst teuer verkaufen. Das Resultat dieserKonkurrenz zwischen Käufern und Verkäufern wird davonabhängen, wie sich die beiden früher angegebnen Seiten derKonkurrenz verhalten, d.h. ob die Konkurrenz in dem Heer derKäufer oder die Konkurrenz in dem Heer der Verkäufer stärker ist.Die Industrie führt zwei Heeresmassen gegeneinander ins Feld,wovon eine jede in ihren eignen Reihen zwischen ihren eignenTruppen wieder eine Schlacht liefert. Die Heeresmasse, unter derenTruppen die geringste Prügelei stattfindet, trägt den Sieg über dieentgegenstehende davon.

Nehmen wir an, es befänden sich 100 Baumwollballen auf demMarkt und gleichzeitig Käufer für 1000 Baumwollballen. In diesemFalle ist also die Nachfrage zehnmal größer als die Zufuhr. DieKonkurrenz unter den Käufern wird also sehr stark sein, jederderselben will einen, womöglich alle 100 Ballen an sich reißen.Dies Beispiel ist keine willkürliche Unterstellung. Wir haben in derGeschichte des Handels Perioden des Misswachses der Baumwolleerlebt, wo einige miteinander verbündete Kapitalisten nicht 100Ballen, sondern den ganzen Baumwollvorrat der Erde an sich zukaufen suchten. In dem angegebnen Falle wird also ein Käufer denandern aus dem Felde zu schlagen suchen, indem er einenverhältnismäßig höhern Preis für den Baumwollballen anbietet. Die

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Baumwollverkäufer, welche die Truppen des feindlichen Heeres imheftigsten Kampfe untereinander erblicken und des Verkaufs ihrersämtlichen 100 Ballen völlig gesichert sind, werden sich hüten,untereinander sich in die Haare zu fallen, um die Preise derBaumwolle herabzudrücken, in einem Augenblick, wo ihre Gegneruntereinander wetteifern, ihn in die Höhe zu schrauben. Es ist alsoplötzlich Friede in das Heer der Verkäufer eingekehrt. Sie stehenwie ein Mann den Käufern gegenüber, kreuzen sich philosophischdie Arme, und ihre Forderungen fänden keine Grenzen, fändennicht die Anerbietungen selbst der zudringlichsten Kauflustigenihre sehr bestimmten Grenzen.

Ist also die Zufuhr einer Ware schwächer als die Nachfrage nachdieser Ware, so findet nur eine geringe oder gar keine Konkurrenzunter den Verkäufern statt in demselben Verhältnis, wie dieseKonkurrenz abnimmt, wächst die Konkurrenz unter den Käufern.Resultat: Mehr oder minder bedeutendes Steigen der Warenpreise.

Es ist bekannt, dass der umgekehrte Fall mit umgekehrtemResultat häufiger stattfindet. Bedeutender Überschuss der Zufuhrüber die Nachfrage: verzweifelte Konkurrenz unter den Verkäufern;Mangel an Käufern: Losschlagen der Waren zu Spottpreisen.

Aber was heißt Steigen, Fallen der Preise, was heißt hoher Preis,niedriger Preis? Ein Sandkorn ist hoch durch ein Mikroskopbetrachtet, und ein Turm ist niedrig mit einem Berg verglichen.Und wenn der Preis durch das Verhältnis von Nachfrage undZufuhr bestimmt wird, wodurch wird das Verhältnis von Nachfrageund Zufuhr bestimmt?

Wenden wir uns an den ersten besten Bürger. Er wird sich keinenAugenblick besinnen und wie ein andrer Alexander der Großediesen metaphysischen Knoten mit dem Einmaleins zerhauen.Wenn mich die Herstellung der Ware, die ich verkaufe, 100 Markgekostet hat, wird er uns sagen, und ich aus dem Verkauf dieserWare 110 Mark löse, nach Jahresfrist versteht sich - so ist das einbürgerlicher, ein honetter ein gesetzter Gewinn. Erhalte ich aber imAustausch 120, 130 Mark, so ist das ein hoher Gewinn; und löseich gar 200 Mark, so wäre das ein außerordentlicher, ein enormerGewinn. Was dient dem Bürger also als Maß des Gewinns? Die

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Produktionskosten seiner Ware. Erhält er im Austausch dieser Wareeine Summe von andern Waren zurück, deren Herstellung wenigergekostet hat, so hat er verloren. Erhält er im Austausch gegen seineWare eine Summe von andern Waren zurück, deren Herstellungmehr gekostet hat, so hat er gewonnen. Und das Fallen oder Steigendes Gewinns berechnet er nach den Graden, worin der Tauschwertseiner Ware unter oder über Null - den Produktionskosten - steht.

Wir haben nun gesehen, wie das wechselnde Verhältnis vonNachfrage und Zufuhr bald Steigen, bald Fallen der Preise, baldhohe, bald niedrige Preise hervorbringt. Steigt der Preis einer Warebedeutend durch mangelnde Zufuhr oder unverhältnismäßigwachsende Nachfrage, so ist notwendig der Preis irgendeinerandern Ware verhältnismäßig gefallen; denn der Preis einer Waredrückt ja nur in Geld das Verhältnis aus, worin dritte Waren imAustausch für sie gegeben werden. Steigt z.B. der Preis einer ElleSeidenzeug von 5 Mark auf 6 Mark, so ist der Preis des Silbers imVerhältnis zum Seidenzeug gefallen, und ebenso ist der Preis allerandern Waren, die auf ihren alten Preisen stehen geblieben sind, imVerhältnis zum Seidenzeug gefallen. Man muss eine größereSumme davon im Austausch geben, um dieselbe Summe vonSeidenwaren zu erhalten. Was wird die Folge des steigenden

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Preises einer Ware sein? Eine Masse von Kapitalien wird sich aufden blühenden Industriezweig werfen, und diese Einwanderung derKapitalien in das Gebiet der bevorzugten Industrie wird so langefortdauern, bis sie die gewöhnlichen Gewinne abwirft odervielmehr, bis der Preis ihrer Produkte durch Überproduktion unterdie Produktionskosten herabsinkt.

Umgekehrt. Fällt der Preis einer Ware unter ihreProduktionskosten, so werden sich die Kapitale von der Produktiondieser Ware zurückziehen. Den Fall ausgenommen, wo einIndustriezweig nicht mehr zeitgemäß ist, also untergehn muss, wirddurch diese Flucht der Kapitale die Produktion einer solchen Ware,d.h. ihre Zufuhr, so lange abnehmen, bis sie der Nachfrageentspricht, also ihr Preis wieder auf die Höhe ihrerProduktionskosten sich erhebt, oder vielmehr bis die Zufuhr unterdie Nachfrage herabgefallen ist, d.h. bis ihr Preis wieder über ihreProduktionskosten steigt, denn der courante Preis einer Ware stehtimmer über oder unter ihren Produktionskosten.

Wir sehn, wie die Kapitale beständig aus- und einwandern, ausdem Gebiete der einen Industrie in das der andern. Der hohe Preisbringt eine zu starke Einwanderung und der niedrige Preis eine zustarke Auswanderung hervor.

Wir könnten von einem andern Gesichtspunkt aus zeigen, wienicht nur die Zufuhr, sondern auch die Nachfrage durch dieProduktionskosten bestimmt wird. Es würde uns dies aber zu weitvon unserm Gegenstande abführen.

Wir haben soeben gesehen, wie die Schwankungen der Zufuhrund Nachfrage den Preis einer Ware immer wieder auf dieProduktionskosten zurückführen. Zwar der wirkliche Preis einerWare steht stets über oder unter den Produktionskosten; aber dasSteigen und Fallen ergänzen sich wechselseitig, so dass innerhalbeines bestimmten Zeitraums, Ebbe und Flut der Industriezusammengerechnet, die Waren ihren Produktionskostenentsprechend gegeneinander ausgetauscht werden, ihr Preis alsodurch ihre Produktionskosten bestimmt wird.

Diese Preisbestimmung durch die Produktionskosten ist nicht imSinne der Ökonomen zu verstehen. Die Ökonomen sagen, daß der

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Durchschnittspreis der Waren gleich den Produktionskosten ist;dies sei das Gesetz. Die anarchische Bewegung, worin das Steigendurch das Fallen und das Fallen durch das Steigen ausgeglichenwird, betrachten sie als Zufälligkeit. Man könnte mit demselbenRecht, wie dies auch von andern Ökonomen geschehen ist, dieSchwankungen als Gesetz und die Bestimmung durch dieProduktionskosten als Zufälligkeit betrachten. Aber nur dieseSchwankungen, die, näher betrachtet, die furchtbarstenVerwüstungen mit sich führen und gleich Erdbeben die bürgerlicheGesellschaft in ihren Grundfesten erzittern machen, nur dieseSchwankungen bestimmen in ihrem Verlauf den Preis durch dieProduktionskosten. Die Gesamtbewegung dieser Unordnung istihre Ordnung. In dem Verlauf dieser industriellen Anarchie, indieser Kreisbewegung gleicht die Konkurrenz sozusagen die eineExtravaganz durch die andre aus.

Wir sehn also: Der Preis einer Ware ist bestimmt durch ihreProduktionskosten in der Weise, dass die Zeiten, worin der Preisdieser Ware über die Produktionskosten steigt, durch die Zeitenausgeglichen werden, worin er unter die Produktionskostenherabsinkt, und umgekehrt. Es gilt dies natürlich nicht für eineinzelnes gegebnes Industrieprodukt, sondern nur für den ganzenIndustriezweig. Es gilt also auch nicht für den einzelnenIndustriellen, sondern nur für die ganze Klasse der Industriellen.

Die Bestimmung des Preises durch die Produktionskosten istgleich der Bestimmung des Preises durch die Arbeitszeit, die zurHerstellung einer Ware erforderlich ist, denn die Produktionskostenbestehen aus 1. Rohstoffen und Verschleiß von Instrumenten, d.h.aus Industrieprodukten, deren Herstellung eine gewisse Summevon Arbeitstagen gekostet hat, die also eine gewisse Summe vonArbeitszeit darstellen, und 2. aus unmittelbarer Arbeit, deren Maßeben die Zeit ist.

Der Warenwert

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Dieselben allgemeinen Gesetze nun, welche den Preis der Warenim Allgemeinen regeln, regeln natürlich auch den Arbeitslohn, denPreis der Arbeit.

Der Lohn der Arbeit wird bald steigen, bald fallen, je nach demVerhältnis von Nachfrage und Zufuhr, je nachdem sich dieKonkurrenz zwischen den Käufern der Arbeitskraft, denKapitalisten, und den Verkäufern der Arbeitskraft, den Arbeitern,gestaltet. Den Schwankungen der Warenpreise im allgemeinenentsprechen die Schwankungen des Arbeitslohns. Innerhalb dieserSchwankungen aber wird der Preis der Arbeit bestimmt sein durchdie Produktionskosten, durch die Arbeitszeit, die erforderlich ist,um diese Ware, die Arbeitskraft, hervorzubringen.

Welches sind nun die Produktionskosten der Arbeitskraft? Es sind die Kosten, die erheischt werden, um den Arbeiter als

Arbeiter zu erhalten und um ihn zum Arbeiter auszubilden.Je weniger Bildungszeit eine Arbeit daher erfordert, desto

geringer sind die Produktionskosten des Arbeiters, umso niedrigerist der Preis seiner Arbeit, sein Arbeitslohn. In denIndustriezweigen, wo fast gar keine Lernzeit erforderlich ist und diebloße leibliche Existenz des Arbeiters genügt, beschränken sich diezu seiner Herstellung erforderlichen Produktionskosten fast nur aufdie Waren, die erforderlich sind, um ihn am arbeitsfähigen Lebenzu erhalten. Der Preis seiner Arbeit wird daher durch den Preis dernotwendigen Lebensmittel bestimmt sein.

Es kommt indes noch eine andere Rücksicht hinzu. DerFabrikant, der seine Produktionskosten und danach den Preis derProdukte berechnet, bringt die Abnutzung der Arbeitsinstrumente inAnschlag. Kostet ihm eine Maschine z.B. 1000 Mark und nutzt sich

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diese Maschine in zehn Jahren ab, so schlägt er 100 Mark jährlichin den Preis der Ware, um nach zehn Jahren die abgenutzteMaschine durch eine neue ersetzen zu können. In derselben Weisemüssen in den Produktionskosten der einfachen Arbeitskraft dieFortpflanzungskosten eingerechnet werden, wodurch dieArbeiterrace instand gesetzt wird, sich zu vermehren undabgenutzte Arbeiter durch neue zu ersetzen. Der Verschleiß desArbeiters wird also in derselben Weise in Rechnung gebracht wieder Verschleiß der Maschine.

Die Produktionskosten der einfachen Arbeitskraft belaufen sichalso auf die Existenz und Fortpflanzungskosten des Arbeiters. DerPreis dieser Existenz- und Fortpflanzungskosten bildet denArbeitslohn. Der so bestimmte Arbeitslohn heißt das Minimum desArbeitslohns. Dieses Minimum des Arbeitslohns gilt, wie diePreisbestimmung der Waren durch die Produktionskostenüberhaupt, nicht für das einzelne Individuum, sondern für dieGattung. Einzelne Arbeiter, Millionen von Arbeitern, erhalten nichtgenug, um existieren und sich fortpflanzen zu können; aber derArbeitslohn der ganzen Arbeiterklasse gleicht sich innerhalb seinerSchwankungen zu diesem Minimum aus.

Jetzt, nachdem wir uns verständigt haben über die allgemeinstenGesetze, die den Arbeitslohn wie den Preis jeder anderen Wareregeln, können wir spezieller auf unsern Gegenstand eingehen.

Kapitel IIIDas Kapital besteht aus Rohstoffen, Arbeitsinstrumenten und

Lebensmitteln aller Art, die verwandt werden, um neue Rohstoffe,neue Arbeitsinstrumente und neue Lebensmittel zu erzeugen. Allediese seine Bestandteile sind Geschöpfe der Arbeit, Produkte derArbeit, aufgehäufte Arbeit. Aufgehäufte Arbeit, die als Mittel zuneuer Produktion dient, ist Kapital.

So sagen die Ökonomen.Was ist ein Negersklave? Ein Mensch von der schwarzen Ethnie.

Die eine Erklärung ist die andre wert.Ein Neger ist ein Neger. In bestimmten Verhältnissen wird er erst

zum Sklaven. Eine Baumwollspinnmaschine ist eine Maschine zum

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Baumwollspinnen. Nur in bestimmten Verhältnissen wird sie zuKapital. Aus diesen Verhältnissen herausgerissen, ist sie so wenigKapital, wie Gold an und für sich Geld oder der Zucker derZuckerpreis ist.

In der Produktion wirken die Menschen nicht allein auf die Natur,sondern auch aufeinander. Sie produzieren nur, indem sie auf einebestimmte Weise zusammenwirken und ihre Tätigkeitengegeneinander austauschen. Um zu produzieren, treten sie inbestimmte Beziehungen und Verhältnisse zueinander, und nurinnerhalb dieser gesellschaftlichen Beziehungen und Verhältnissefindet ihre Einwirkung auf die Natur, findet die Produktion statt.

Je nach dem Charakter der Produktionsmittel werden natürlichdiese gesellschaftlichen Verhältnisse, worin die Produzentenzueinander treten, die Bedingungen, unter welchen sie ihreTätigkeiten austauschen und an dem Gesamtakt der Produktionteilnehmen, verschieden sein. Mit der Erfindung eines neuenKriegsinstruments, des Feuergewehrs, änderte sich notwendig dieganze innere Organisation der Armee, verwandelten sich dieVerhältnisse, innerhalb deren Individuen eine Armee bilden und alsArmee wirken können, änderte sich auch das Verhältnisverschiedner Armeen zueinander.

Die gesellschaftlichen Verhältnisse, worin die Individuenproduzieren, die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse ändernsich also, verwandeln sich mit der Veränderung und Entwicklungder materiellen Produktionsmittel, der Produktionskräfte. DieProduktionsverhältnisse in ihrer Gesamtheit bilden das, was mandie gesellschaftlichen Verhältnisse, die Gesellschaft nennt, undzwar eine Gesellschaft auf bestimmter, geschichtlicherEntwicklungsstufe, eine Gesellschaft mit eigentümlichem,unterscheidendem Charakter. Die antike Gesellschaft, die feudaleGesellschaft, die bürgerliche Gesellschaft sind solche Gesamtheitenvon Produktionsverhältnissen, deren jede zugleich eine besondreEntwicklungsstufe in der Geschichte der Menschheit bezeichnet.

Auch das Kapital ist ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis.Es ist ein bürgerliches Produktionsverhältnis, einProduktionsverhältnis der bürgerlichen Gesellschaft. Die

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Lebensmittel, die Arbeitsinstrumente, die Rohstoffe, woraus dasKapital besteht, sind sie nicht unter gegebnen gesellschaftlichenBedingungen, in bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissenhervorgebracht und aufgehäuft worden? Werden sie nicht untergegebnen gesellschaftlichen Bedingungen, in bestimmtengesellschaftlichen Verhältnissen zu neuer Produktion verwandt?Und macht nicht eben dieser bestimmte gesellschaftliche Charakterdie zu neuer Produktion dienenden Produkte zu Kapital?

Das Kapital besteht nicht nur aus Lebensmitteln,Arbeitsinstrumenten und Rohstoffen, nicht nur aus materiellenProdukten; es besteht eben sosehr aus Tauschwerten. Alle Produkte,woraus es besteht, sind Waren. Das Kapital ist also nicht nur eineSumme von materiellen Produkten, es ist eine Summe von Waren,von Tauschwerten, von gesellschaftlichen Größen.

Das Kapital bleibt dasselbe, ob wir an die Stelle von WolleBaumwolle, an die Stelle von Getreide Reis, an die Stelle vonEisenbahnen Dampfschiffe setzen, vorausgesetzt nur, dass dieBaumwolle, der Reis, die Dampfschiffe - der Leib des Kapitals -denselben Tauschwert haben, denselben Preis wie die Wolle, dasGetreide, die Eisenbahnen, worin es sich vorher verkörperte. DerKörper des Kapitals kann sich beständig verwandeln, ohne dass dasKapital die geringste Veränderung erlitte.

Aber wenn jedes Kapital eine Summe von Waren, d.h. vonTauschwerten ist, so ist noch nicht jede Summe von Waren, vonTauschwerten Kapital.

Jede Summe von Tauschwerten ist ein Tauschwert. Jeder einzelneTauschwert ist eine Summe von Tauschwerten. Z.B. ein Haus, das1000 Mark wert ist, ist ein Tauschwert von 1000 Mark. Ein StückPapier, das 1 Pfennig wert ist, ist eine Summe von Tauschwertenvon 100/100 Pfennigen. Produkte, die gegen andre austauschbarsind, sind Waren. Das bestimmte Verhältnis, worin sie austauschbarsind, bildet ihren Tauschwert oder, in Geld ausgedrückt, ihren Preis.Die Masse dieser Produkte kann an ihrer Bestimmung, Ware zusein oder einen Tauschwert darzustellen oder einen bestimmtenPreis zu haben, nichts ändern. Ob ein Baum groß oder klein ist, erbleibt Baum. Ob wir das Eisen in Loten oder in Zentnern gegen

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andre Produkte austauschen, verändert dies seinen Charakter: Ware,Tauschwert zu sein? Je nach der Masse ist es eine Ware von mehroder minder Wert, von höherem oder niedrigrem Preise.

Wie nun wird eine Summe von Waren, von Tauschwerten zuKapital?

Dadurch, dass sie als selbständige gesellschaftliche Macht, d. h.als die Macht eines Teils der Gesellschaft sich erhält und vermehrtdurch den Austausch gegen die unmittelbare, lebendigeArbeitskraft. Die Existenz einer Klasse, die nichts besitzt als dieArbeitsfähigkeit, ist eine notwendige Voraussetzung des Kapitals.

Die Herrschaft der aufgehäuften, vergangnen, vergegenständ-lichten Arbeit über die unmittelbare, lebendige Arbeit macht dieaufgehäufte Arbeit erst zum Kapital.

Das Kapital besteht nicht darin, dass aufgehäufte Arbeit derlebendigen Arbeit als Mittel zu neuer Produktion dient. Es bestehtdarin, daß die lebendige Arbeit der aufgehäuften Arbeit als Mitteldient, ihren Tauschwert zu erhalten und zu vermehren.

Was geht vor in dem Austausch zwischen Kapitalist undLohnarbeiter?

Der Arbeiter erhält im Austausch gegen seine ArbeitskraftLebensmittel, aber der Kapitalist erhält im Austausch gegen seineLebensmittel Arbeit, die produktive Tätigkeit des Arbeiters, dieschöpferische Kraft, wodurch der Arbeiter nicht nur ersetzt, was erverzehrt, sondern der aufgehäuften Arbeit einen größeren Wert gibt,als sie vorher besaß. Der Arbeiter empfängt einen Teil dervorhandnen Lebensmittel vom Kapitalisten. Wozu dienen ihm dieseLebensmittel? Zur unmittelbaren Konsumtion. Sobald ich aberLebensmittel konsumiere, gehen sie mir unwiederbringlichverloren, es sei denn, dass ich die Zeit, während welcher mich dieseMittel am Leben erhalten, benutze, um neue Lebensmittel zuproduzieren, um während des Verzehrens an die Stelle der in derKonsumtion untergehenden Werte neue Werte durch meine Arbeitzu schaffen. Aber eben diese reproduktive edle Kraft tritt derArbeiter ja ab an das Kapital im Austausch gegen empfangneLebensmittel. Er hat sie also für sich selbst verloren.

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Nehmen wir ein Beispiel: Ein Pächter gibt seinem Taglöhner 5Silbergroschen per Tag. Für die 5 Silbergroschen arbeitet dieser aufdem Felde des Pächters den Tag hindurch und sichert ihm so eineEinnahme von 10 Silbergroschen. Der Pächter erhält nicht nur dieWerte ersetzt, die er an den Taglöhner abzutreten hat; er verdoppeltsie. Er hat also die 5 Silbergroschen, die er dem Taglöhner gab, aufeine fruchtbare, produktive Weise angewandt, konsumiert. Er hatfür die 5 Silbergroschen eben die Arbeit und Kraft des Taglöhnersgekauft, welche Bodenprodukte von doppeltem Wert erzeugt undaus 5 Silbergroschen 10 Silbergroschen macht. Der Taglöhnerdagegen erhält an der Stelle seiner Produktivkraft, derenWirkungen er eben dem Pächter abgetreten hat, 5 Silbergroschen,die er gegen Lebensmittel austauscht, welche Lebensmittel errascher oder langsamer konsumiert. Die 5 Silbergroschen sind alsoauf eine doppelte Weise konsumiert worden, reproduktiv für dasKapital, denn sie sind gegen eine Arbeitskraft ausgetauscht worden,die 10 Silbergroschen hervorbrachte, unproduktiv für den Arbeiter,denn sie sind gegen Lebensmittel ausgetauscht worden, die fürimmer verschwunden sind und deren Wert er nur wieder erhaltenkann, indem er denselben Tausch mit dem Pächter wiederholt. DasKapital setzt also die Lohnarbeit, die Lohnarbeit setzt das Kapitalvoraus. Sie bedingen sich wechselseitig; sie bringen sichwechselseitig hervor.

Ein Arbeiter in einer Baumwollfabrik, produziert er nurBaumwollstoffe? Nein, er produziert Kapital. Er produziert Werte,die von neuem dazu dienen, seine Arbeit zu kommandieren undvermittelst derselben neue Werte zu schaffen.

Das Kapital kann sich nur vermehren, indem es sich gegenArbeitskraft austauscht, indem es Lohnarbeit ins Leben ruft. DieArbeitskraft des Lohnarbeiters kann sich nur gegen Kapitalaustauschen, indem sie das Kapital vermehrt, indem sie die Machtverstärkt, deren Sklavin sie ist. Vermehrung des Kapitals ist daherVermehrung des Proletariats, d.h. der Arbeiterklasse.

Das Interesse des Kapitalisten und des Arbeiters ist also dasselbe,behaupten die Bourgeois und ihre Ökonomen. Und in der Tat! DerArbeiter geht zugrunde, wenn ihn das Kapital nicht beschäftigt. Das

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Kapital geht zugrunde, wenn es die Arbeitskraft nicht ausbeutet,und um sie auszubeuten, muß es sie kaufen. Je rascher sich das zurProduktion bestimmte Kapital, das produktive Kapital, vermehrt, jeblühender daher die Industrie ist, je mehr sich die Bourgeoisiebereichert, je besser das Geschäft geht, um so mehr Arbeiterbraucht der Kapitalist, um so teurer verkauft sich der Arbeiter.

Die unerlässliche Bedingung für eine passable Lage des Arbeitersist also möglichst rasches Wachsen des produktiven Kapitals.

Aber was ist Wachstum des produktiven Kapitals? Wachstum derMacht der aufgehäuften Arbeit über die lebendige Arbeit.Wachstum der Herrschaft der Bourgeoisie über die arbeitendeKlasse. Wenn die Lohnarbeit den sie beherrschenden fremdenReichtum, die ihr feindselige Macht, das Kapital, produziert,strömen ihr Beschäftigungs-, d.h. Lebensmittel von derselbenzurück, unter der Bedingung, daß sie sich von neuem zu einem Teildes Kapitals macht, zum Hebel, der von neuem dasselbe in einebeschleunigte Bewegung des Anwachsens schleudert.

Die Interessen des Kapitals und die Interessen der Arbeiter sinddieselben, heißt nur: Kapital und Lohnarbeit sind zwei Seiten einesund desselben Verhältnisses. Die eine bedingt die andre, wie derWucherer und Verschwender sich wechselseitig bedingen.

Solange der Lohnarbeiter Lohnarbeiter ist, hängt sein Los vomKapital ab. Das ist die viel gerühmte Gemeinsamkeit des Interessesvon Arbeiter und Kapitalist.

Kapitel IVWächst das Kapital, so wächst die Masse der Lohnarbeit, so

wächst die Anzahl der Lohnarbeiter, mit einem Wort: DieHerrschaft des Kapitals dehnt sich über eine größere Masse vonIndividuen aus. Und unterstellen wir den günstigsten Fall: Wenndas produktive Kapital wächst, wächst die Nachfrage nach Arbeit.Es steigt also der Preis der Arbeit, der Arbeitslohn.

Ein Haus mag groß oder klein sein, solange die es umgebendenHäuser ebenfalls klein sind, befriedigt es alle gesellschaftlichenAnsprüche an eine Wohnung. Erhebt sich aber neben dem kleinen

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Haus ein Palast, und das kleine Haus schrumpft zur Hüttezusammen. Das kleine Haus beweist nun, dass sein Inhaber keineoder nur die geringsten Ansprüche zu machen hat; und es mag imLaufe der Zivilisation in die Höhe schießen noch so sehr, wenn derbenachbarte Palast in gleichem oder gar in höherem Maße in dieHöhe schießt, wird der Bewohner des verhältnismäßig kleinenHauses sich immer unbehaglicher, unbefriedigter, gedrückter inseinen vier Pfählen finden.

Ein merkliches Zunehmen des Arbeitslohns setzt ein raschesWachsen des produktiven Kapitals voraus. Das rasche Wachsen desproduktiven Kapitals ruft ebenso rasches Wachstum des Reichtums,des Luxus, der gesellschaftlichen Bedürfnisse und dergesellschaftlichen Genüsse hervor. Obgleich also die Genüsse desArbeiters gestiegen sind, ist die gesellschaftliche Befriedigung, diesie gewähren, gefallen im Vergleich mit den vermehrten Genüssendes Kapitalisten, die dem Arbeiter unzugänglich sind, im Vergleichmit dem Entwickungsstand der Gesellschaft überhaupt. UnsreBedürfnisse und Genüsse entspringen aus der Gesellschaft; wirmessen sie daher an der Gesellschaft; wir messen sie nicht an denGegenständen ihrer Befriedigung. Weil sie gesellschaftlicher Natursind, sind sie relativer Natur.

Der Arbeitslohn wird überhaupt nicht nur bestimmt durch dieMasse von Waren, die ich für ihn austauschen kann. Er enthältverschiedne Beziehungen.

Was die Arbeiter zunächst für ihre Arbeitskraft erhalten, ist einebestimmte Summe Geldes. Ist der Arbeitslohn nur durch diesenGeldpreis bestimmt?

Im 16. Jahrhundert vermehrte sich das in Europa zirkulierendeGold und Silber infolge der Entdeckung von reicheren und leichterzu bearbeitenden Bergwerken in Amerika. Der Wert des Goldes undSilbers fiel daher im Verhältnis zu den übrigen Waren. Die Arbeitererhielten nach wie vor dieselbe Masse gemünzten Silbers für ihreArbeitskraft. Der Geldpreis ihrer Arbeit blieb derselbe, unddennoch war ihr Arbeitslohn gefallen, denn im Austausch fürdieselbe Quantität Silber erhielten sie eine geringre Summe andrerWaren zurück. Es war dies einer der Umstände, die das Wachstum

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des Kapitals, das Aufkommen der Bourgeoisie im 16. Jahrhundertförderten.

Nehmen wir einen andern Fall. Im Winter 1847 waren infolgeeiner Missernte die unentbehrlichsten Lebensmittel, Getreide,Fleisch, Butter, Käse usw. bedeutend im Preise gestiegen. Gesetzt,die Arbeiter hätten nach wie vor dieselbe Summe Geldes für ihreArbeitskraft empfangen. War ihr Arbeitslohn nicht gefallen?Allerdings. Für dasselbe Geld erhielten sie im Austausch wenigerBrot, Fleisch usw. Ihr Arbeitslohn war gefallen, nicht weil sich derWert des Silbers vermindert, sondern weil sich der Wert derLebensmittel vermehrt hatte.

Gesetzt endlich, der Geldpreis der Arbeit bleibe derselbe,während alle Agrikultur- und Manufakturwaren infolge vonAnwendung neuer Maschinen, günstiger Jahreszeit usw. im Preisegefallen wären. Für dasselbe Geld können die Arbeiter nun mehrWaren aller Art kaufen. Ihr Arbeitslohn ist also gestiegen, eben weilder Geldwert desselben sich nicht verändert hat.

Der Geldpreis der Arbeit, der nominelle Arbeitslohn, fällt alsonicht zusammen mit dem reellen Arbeitslohn, d. h. mit der Summevon Waren, die wirklich im Austausch gegen den Arbeitslohngegeben wird. Sprechen wir also vom Steigen oder Fallen desArbeitslohns, so haben wir nicht nur den Geldpreis der Arbeit, dennominellen Arbeitslohn, im Auge zu halten.

Aber weder der nominelle Arbeitslohn, d. h. die Geldsumme,wofür der Arbeiter sich an den Kapitalisten verkauft, noch derreelle Arbeitslohn, d.h. die Summe Waren, die er für dies Geldkaufen kann, erschöpfen die im Arbeitslohn enthaltnenBeziehungen.

Der Arbeitslohn ist vor allem noch bestimmt durch seinVerhältnis zum Gewinn, zum Profit des Kapitalisten -verhältnismäßiger, relativer Arbeitslohn.

Der reelle Arbeitslohn drückt den Preis der Arbeit im Verhältniszum Preise der übrigen Waren aus, der relative Arbeitslohn dagegenden Anteil der unmittelbaren Arbeit an dem von ihr neu erzeugtenWert im Verhältnis des Anteils davon, der der aufgehäuften Arbeit,dem Kapital, zufällt.

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Wir sagten oben, Seite 14 (hier Seite 9): »Der Arbeitslohn istnicht ein Anteil des Arbeiters an der von ihm produzierten Ware.Der Arbeitslohn ist der Teil schon vorhandner Waren, womit derKapitalist eine bestimmte Summe produktiver Arbeitskraft an sichkauft.« Aber diesen Arbeitslohn muß der Kapitalist wieder ersetzenaus dem Preis, wozu er das vom Arbeiter erzeugte Produktverkauft; er muß ihn so ersetzen, daß ihm dabei in der Regel nochein Überschuß über seine ausgelegten Produktionskosten, einProfit, übrigbleibt. Der Verkaufspreis der vom Arbeiter erzeugtenWare teilt sich für den Kapitalisten in drei Teile: erstens den Ersatzdes Preises der von ihm vorgeschossnen Rohstoffe nebst demErsatz des Verschleißes der ebenfalls von ihm vorgeschossnenWerkzeuge, Maschinen und andren Arbeitsmittel; zweitens in denErsatz des von ihm vorgeschossnen Arbeitslohns und drittens inden Überschuss darüber, den Profit des Kapitalisten. Während dererste Teil nur früher vorhandne Werte ersetzt, ist es klar, dasssowohl der Ersatz des Arbeitslohns wie der Überschussprofit desKapitalisten im ganzen und großen genommen werden aus demdurch die Arbeit des Arbeiters geschaffnen und den Rohstoffenzugesetzten Neuwert. Und in diesem Sinn können wir sowohlArbeitslohn wie Profit, um sie miteinander zu vergleichen, alsAnteile am Produkt des Arbeiters auffassen.

Der reelle Arbeitslohn mag derselbe bleiben, er mag selbststeigen, und der relative Arbeitslohn kann nichtsdestowenigerfallen. Unterstellen wir z. B., alle Lebensmittel seien im Preise um2/3 gesunken, während der Taglohn nur um 1/3 sinke, also z.B. von3 Mark auf 2 Mark. Obgleich der Arbeiter mit diesen 2 Mark übereine größre Summe von Waren verfügt, als früher mit 3 Mark, sohat dennoch sein Arbeitslohn im Verhältnis zum Gewinn des

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Kapitalisten abgenommen. Der Profit des Kapitalisten (z.B. desFabrikanten) hat sich um eine Mark vermehrt, d.h. für eine geringreSumme von Tauschwerten, die er dem Arbeiter zahlt, muss derArbeiter eine größre Summe von Tauschwerten produzieren alsfrüher. Der Anteil des Kapitals im Verhältnis zum Anteil der Arbeitist gestiegen. Die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtumszwischen Kapital und Arbeit ist noch ungleichmäßiger geworden.Der Kapitalist kommandiert mit demselben Kapital eine größteQuantität Arbeit. Die Macht der Kapitalistenklasse über dieArbeiterklasse ist gewachsen, die gesellschaftliche Stellung desArbeiters hat sich verschlechtert, ist um eine Stufe tiefer unter diedes Kapitalisten herabgedrückt.

Welches ist nun das allgemeine Gesetz, daß das Fallen undSteigen des Arbeitslohns und Profits in ihrer wechselseitigenBeziehung bestimmt?

Sie stehen im umgekehrten Verhältnis. Der Anteil des Kapitals,der Profit, steigt in demselben Verhältnis, worin der Anteil derArbeit, der Taglohn, fällt, und umgekehrt. Der Profit steigt in demMaße, worin der Arbeitslohn fällt, er fällt in dem Maße, worin derArbeitslohn steigt.

Man wird vielleicht einwenden, daß der Kapitalist gewinnen kanndurch vorteilhaften Austausch seiner Produkte mit andernKapitalisten, durch Steigen der Nachfrage nach seiner Ware, sei esinfolge der Eröffnung von neuen Märkten, sei es infolgeaugenblicklich vermehrter Bedürfnisse auf den alten Märkten usw.;daß der Profit des Kapitalisten sich also vermehren kann durch dieÜbervorteilung dritter Kapitalisten, unabhängig vom Steigen undFallen des Arbeitslohns, des Tauschwerts der Arbeitskraft; oder derProfit des Kapitalisten könne auch steigen durch Verbesserung derArbeitsinstrumente, neue Anwendung der Naturkräfte usw.

Zunächst wird man zugeben müssen, daß das Resultat dasselbebleibt, obgleich es auf umgekehrtem Wege herbeigeführt ist. DerProfit ist zwar nicht gestiegen, weil der Arbeitslohn gefallen ist,aber der Arbeitslohn ist gefallen, weil der Profit gestiegen ist. DerKapitalist hat mit derselben Summe von fremder Arbeit eine größteSumme von Tauschwerten erkauft, ohne deshalb die Arbeit höher

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bezahlt zu haben; d.h. also die Arbeit wird niedriger bezahlt imVerhältnis zum Reinertrag, den sie dem Kapitalisten abwirft.

Zudem erinnern wir, daß trotz der Schwankungen derWarenpreise der Durchschnittspreis jeder Ware, das Verhältnis,worin sie sich gegen andre Waren austauscht, durch ihreProduktionskosten bestimmt ist. Die Übervorteilungen innerhalbder Kapitalistenklasse gleichen sich daher notwendig aus. DieVerbesserung der Maschinerie, die neue Anwendung vonNaturkräften im Dienst der Produktion befähigen in einer gegebnenArbeitszeit, mit derselben Summe von Arbeit und Kapital einegrößte Masse von Produkten, keineswegs aber eine größte Massevon Tauschwerten zu schaffen. Wenn ich durch die Anwendung derSpinnmaschine noch einmal soviel Gespinst in einer Stunde liefernkann wie vor ihrer Erfindung, z.B. hundert Pfund statt fünfzig, soerhalte ich für diese hundert Pfund auf die Dauer nicht mehr Warenim Austausch zurück als früher für fünfzig, weil die Produktions-kosten um die Hälfte gefallen sind, oder weil ich mit denselbenKosten das doppelte Produkt liefern kann.

Endlich, in welchem Verhältnis auch immer die Kapitalisten-klasse, die Bourgeoisie, sei es eines Landes, sei es des ganzenWeltmarkts, den Reinertrag der Produktion unter sich verteile, dieGesamtsumme dieses Reinertrags ist jedesmal nur die Summe, umwelche die aufgehäufte Arbeit im großen und ganzen durch dieunmittelbare Arbeit vermehrt worden ist. Diese Gesamtsummewächst also in dem Verhältnis, worin die Arbeit das Kapitalvermehrt, d.h. in dem Verhältnis, worin der Profit gegen denArbeitslohn steigt.

Wir sehen also, daß selbst, wenn wir innerhalb des Verhältnissesvon Kapital und Lohnarbeit stehnbleiben, die Interessen desKapitals und die Interessen der Lohnarbeit sich schnurstracksgegenüberstehn.

Eine rasche Zunahme des Kapitals ist gleich einer raschenZunahme des Profits. Der Profit kann nur rasch zunehmen, wennder Preis der Arbeit, wenn der relative Arbeitslohn ebenso raschabnimmt. Der relative Arbeitslohn kann fallen, obgleich der reelleArbeitslohn gleichzeitig mit dem nominellen Arbeitslohn, mit dem

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Geldwert der Arbeit steigt, aber nur nicht in demselben Verhältnissteigt wie der Profit. Steigt z.B. in guten Geschäftszeiten derArbeitslohn um 5 Prozent, der Profit dagegen um 30 Prozent, so hatder verhältnismäßige, der relative Arbeitslohn nicht zugenommen,sondern abgenommen.

Vermehrt sich also die Einnahme des Arbeiters mit dem raschenWachstum des Kapitals, so vermehrt sich gleichzeitig diegesellschaftliche Kluft, die den Arbeiter vom Kapitalisten scheidet,so vermehrt sich gleichzeitig die Macht des Kapitals über dieArbeit, die Abhängigkeit der Arbeit vom Kapital.

Der Arbeiter hat ein Interesse am raschen Wachstum des Kapitals,heißt nur: Je rascher der Arbeiter den fremden Reichtum vermehrt,desto fettere Brocken fallen für ihn ab, um desto mehr Arbeiterkönnen beschäftigt und ins Leben gerufen, desto mehr kann dieMasse der vom Kapital abhängigen Sklaven vermehrt werden.

Wir haben also gesehen: Selbst die günstigste Situation für dieArbeiterklasse, möglichst rasches Wachstum des Kapitals, so sehrsie das materielle Leben des Arbeiters verbessern mag, hebt denGegensatz zwischen seinen Interessen und den Bourgeois-interessen, den Interessen des Kapitalisten, nicht auf. Profit undArbeitslohn stehen nach wie vor im umgekehrten Verhältnis.

Ist das Kapital rasch anwachsend, so mag der Arbeitslohn steigen;unverhältnismäßig schneller steigt der Profit des Kapitals. Diematerielle Lage des Arbeiters hat sich verbessert, aber auf Kostenseiner gesellschaftlichen Lage. Die gesellschaftliche Kluft, welcheihn vom Kapitalisten trennt, hat sich erweitert.

Endlich: Günstigste Bedingung für die Lohnarbeit ist möglichstrasches Wachstum des produktiven Kapitals, heißt nur: Je rascherdie Arbeiterklasse die ihr feindliche Macht, den fremden, über siegebietenden Reichtum vermehrt und vergrößert, unter desto günsti-gern Bedingungen wird ihr erlaubt, von neuem an der Vermehrungdes bürgerlichen Reichtums, an der Vergrößerung der Macht desKapitals zu arbeiten, zufrieden, sich selbst die goldnen Ketten zuschmieden, woran die Bourgeoisie sie hinter sich herschleift.

Kapitel V

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Wachstum des produktiven Kapitals und Steigen desArbeitslohns, sind sie wirklich so unzertrennlich verbunden, wiedie bürgerlichen Ökonomen behaupten? Wir dürfen ihnen nichtaufs Wort glauben. Wir dürfen ihnen selbst nicht glauben, dass, jefeister das Kapital, desto besser sein Sklave gemästet wird. DieBourgeoisie ist zu aufgeklärt, sie rechnet zu gut, um die Vorurteiledes Feudalen zu teilen, der mit dem Glanze seiner Dienerschaftprunkt. Die Existenzbedingungen der Bourgeoisie zwingen sie, zurechnen.

Wir werden also näher untersuchen müssen:Wie wirkt das Wachsen des produktiven Kapitals auf den

Arbeitslohn ?Wächst das produktive Kapital der bürgerlichen Gesellschaft im

großen und ganzen, so findet eine vielseitigere Aufhäufung vonArbeit statt. Die Kapitalien nehmen an Zahl und Umfang zu. DieVermehrung der Kapitalien vermehrt die Konkurrenz unter denKapitalisten. Der steigende Umfang der Kapitalien gibt die Mittel,gewaltigere Arbeiterarmeen mit riesenhaftern Kriegshandwerks-zeugen auf das industrielle Schlachtfeld zu führen.

Der eine Kapitalist kann den andern nur aus dem Felde schlagenund dessen Kapital erobern, indem er wohlfeiler verkauft. Umwohlfeiler verkaufen zu können, ohne sich zu ruinieren, muss erwohlfeiler produzieren, d.h. die Produktionskraft der Arbeit sovielwie möglich steigern. Die Produktionskraft der Arbeit wird aber vorallem gesteigert durch eine größere Teilung der Arbeit, durch eineallseitigere Einführung und beständige Verbesserung der Maschi-nerie. Je größer die Arbeiterarmee ist, unter welche die Arbeitgeteilt, je riesenhafter die Stufenleiter ist, auf welcher die Maschi-nerie eingeführt wird, um so mehr nehmen verhältnismäßig dieProduktionskosten ab, umso fruchtbarer wird die Arbeit. Es entstehtdaher ein allseitiger Wetteifer unter den Kapitalisten, die Teilungder Arbeit und die Maschinerie zu vermehren und sie auf möglichstgroßer Stufenleiter auszubeuten.

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Hat nun ein Kapitalist durch größere Teilung der Arbeit, durchAnwendung und Verbesserung neuer Maschinen, durch vorteilhaf-tere und massenhaftere Ausbeutung der Naturkräfte das Mittelgefunden, mit derselben Summe von Arbeit oder von aufgehäufterArbeit eine größere Summe von Produkten, von Waren zu schaffenals seine Konkurrenten, kann er z.B. in derselben Arbeitszeit, worinseine Konkurrenten eine halbe Elle Leinwand weben, eine ganzeElle Leinwand produzieren, wie wird dieser Kapitalist operieren?

Er könnte fortfahren, eine halbe Elle Leinwand zu dem bisherigenMarktpreise zu verkaufen, es wäre dies jedoch kein Mittel, seineGegner aus dem Felde zu schlagen und seinen eignen Absatz zuvergrößern. Aber in demselben Maße, worin seine Produktion sichausgedehnt hat, hat sich das Bedürfnis des Absatzes für ihnausgedehnt. Die mächtigen und kostspieligern Produktionsmittel,die er ins Leben gerufen, befähigen ihn zwar, seine Ware wohlfeilerzu verkaufen, sie zwingen ihn aber zugleich, mehr Waren zuverkaufen, einen ungleich größeren Markt für seine Waren zuerobern; unser Kapitalist wird also die halbe Elle Leinwandwohlfeiler verkaufen als seine Konkurrenten.

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Der Kapitalist wird aber die ganze Elle nicht so wohlfeilverkaufen, wie seine Konkurrenten die halbe Elle verkaufen,obgleich ihm die Produktion der ganzen Elle nicht mehr kostet, alsden andern die der halben. Er würde sonst nichts extra gewinnen,sondern nur die Produktionskosten im Umtausch zurückerhalten.Seine etwaige größere Einnahme würde daher rühren, dass er einhöheres Kapital in Bewegung gesetzt, aber nicht daher, dass er seinKapital höher verwertet hätte als die andern. Überdem erreicht erden Zweck, den er erreichen will, wenn er den Preis seiner Warenur um einige Prozente niedriger ansetzt als seine Konkurrenten. Erschlägt sie aus dem Felde, er ringt ihnen wenigstens einen Teil ihresAbsatzes ab, indem er sie unterkauft. Und endlich erinnern wir uns,daß der courante Preis immer über oder unter denProduktionskosten steht, je nachdem der Verkauf einer Ware in diegünstige oder ungünstige Jahreszeit der Industrie fällt. Je nachdemder Marktpreis der Elle Leinwand unter oder über ihren bisherüblichen Produktionskosten steht, werden die Prozente wechseln,worin der Kapitalist, der neue fruchtbarere Produktionsmittelangewandt hat, über seine wirklichen Produktionskosten hinausverkauft.

Allein das Privilegium unsres Kapitalisten ist nicht von langerDauer; andre wetteifernde Kapitalisten führen dieselbenMaschinen, dieselbe Teilung der Arbeit ein, führen sie aufderselben oder größrer Stufenleiter ein, und diese Einführung wirdso allgemein werden, bis der Preis der Leinwand nicht nur unterihre alten, sondern unter ihre neuen Produktionskosten herabgesetztist.

Die Kapitalisten befinden sich also wechselseitig in derselbenLage, worin sie sich vor Einführung der neuen Produktionsmittelbefanden, und wenn sie mit diesen Mitteln zu demselben Preise dasdoppelte Produkt liefern können, so sind sie jetzt gezwungen, unterdem alten Preis das doppelte Produkt zu liefern. Auf demStandpunkt dieser neuen Produktionskosten beginnt dasselbe Spielwieder. Mehr Teilung der Arbeit, mehr Maschinerie, größereStufenleiter, worauf Teilung der Arbeit und Maschinerie

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ausgebeutet werden. Und die Konkurrenz bringt wieder dieselbeGegenwirkung gegen dieses Resultat.

Wir sehn, wie so die Produktionsweise, die Produktionsmittelbeständig umgewälzt, revolutioniert werden, wie die Teilung derArbeit größte Teilung der Arbeit, die Anwendung der Maschineriegrößre Anwendung der Maschinerie, das Arbeiten auf großerStufenleiter Arbeiten auf größerer Stufenleiter notwendig nach sichzieht.

Das ist das Gesetz, das die bürgerliche Produktion stets wiederaus ihrem alten Geleise heraus wirft und das Kapital zwingt, dieProduktionskräfte der Arbeit anzuspannen, weil es sie angespannthat, das Gesetz, das ihm keine Ruhe gönnt und beständig zuraunt:Marsch! Marsch!

Es ist dies kein andres Gesetz, als das Gesetz, welches innerhalbder Schwankungen der Handelsepochen den Preis einer Warenotwendig zu ihren Produktionskosten ausgleicht.

Welche gewaltigen Produktionsmittel ein Kapitalist auch ins Feldführe, die Konkurrenz wird diese Produktionsmittelverallgemeinern, und von dem Augenblick an, wo sie dieselbenverallgemeinert hat, ist der einzige Erfolg der größten Fruchtbarkeitseines Kapitals, daß er nun für denselben Preis 10-, 20-, 100malsoviel liefern muß als früher. Da er aber vielleicht 1000mal mehrabsetzen muß, um durch die größte Masse des abgesetzten Produktsden niedrigern Verkaufspreis aufzuwiegen, weil ein massenhaftererVerkauf jetzt nötig ist, nicht nur um mehr zu gewinnen, sondern umdie Produktionskosten zu ersetzen - das Produktionsinstrumentselbst wird, wie wir gesehn haben, immer teurer-, weil diesermassenhafte Verkauf aber nicht nur eine Lebensfrage für ihn,sondern auch für seine Nebenbuhler geworden ist, so beginnt deralte Kampf um so heftiger, je fruchtbarer die schon erfundnenProduktionsmittel sind. Die Teilung der Arbeit und die Anwendungder Maschinerie wird also in ungleich größrem Maßstabe vonneuem vor sich gehen.

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Welches auch immer die Macht der angewandtenProduktionsmittel sei, die Konkurrenz sucht die goldnen Früchtedieser Macht dem Kapital zu rauben, indem sie den Preis der Wareauf die Produktionskosten zurückführt, indem sie in demselbenMaße, wie wohlfeiler produziert, d.h. mit derselben Summe Arbeitmehr produziert werden kann, die wohlfeilere Produktion, dieLieferung immer größrer Massen von Produkt für dieselbePreissumme zu einem gebieterischen Gesetz macht. So hätte derKapitalist durch seine eignen Anstrengungen nichts gewonnen alsdie Verpflichtung, in derselben Arbeitszeit mehr zu liefern, miteinem Wort, schwierigere Bedingungen der Verwertung seinesKapitals. Während die Konkurrenz ihn daher beständig verfolgt mitihrem Gesetz der Produktionskosten und jede Waffe, die er gegenseine Rivalen schmiedet, als Waffe gegen ihn selbst zurückkehrt,sucht der Kapitalist beständig die Konkurrenz zu übertölpeln,indem er rastlos neue, zwar kostspieligere, aber wohlfeilerproduzierende Maschinen und Teilungen der Arbeit an die Stelleder alten einführt und nicht abwartet, bis die Konkurrenz die neuenveraltet hat.

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Stellen wir uns nun diese fieberhafte Agitation auf dem ganzenWeltmarkt zugleich vor, und es begreift sich, wie das Wachstum,die Akkumulation und Konzentration des Kapitals eineununterbrochne, sich selbst überstürzende und auf stetsriesenhafterer Stufenleiter ausgeführte Teilung der Arbeit,Anwendung neuer und Vervollkommnung alter Maschinerie imGefolge hat.

Wie aber wirken diese Umstände, die von dem Wachstum desproduktiven Kapitals unzertrennlich sind, auf die Bestimmung desArbeitslohns ein?

Die größere Teilung der Arbeit befähigt einen Arbeiter, die Arbeitvon 5, 10, 20 zu tun: Sie vermehrt also die Konkurrenz unter denArbeitern um das 5-, 10- und 20fache. Die Arbeiter machen sichnicht nur Konkurrenz, indem einer sich wohlfeiler verkauft als derandre, sie machen sich Konkurrenz, indem einer die Arbeit von 5,10, 20 verrichtet; und die vom Kapital eingeführte und stetsvergrößerte Teilung der Arbeit zwingt die Arbeiter, sich diese Artvon Konkurrenz zu machen.

Ferner: In demselben Maße, wie die Teilung der Arbeit zunimmt,vereinfacht sich die Arbeit. Die besondre Geschicklichkeit desArbeiters wird wertlos. Er wird in eine einfache, eintönigeProduktivkraft verwandelt, die weder körperliche noch geistigeSpannkräfte ins Spiel zu setzen hat. Seine Arbeit wird allenzugängliche Arbeit. Es drängen daher Konkurrenten von allenSeiten auf ihn ein, und überdem erinnern wir, dass, je einfacher, jeleichter erlernbar die Arbeit ist, je weniger Produktionskosten esbedarf, um sich dieselbe anzueignen, desto tiefer der Arbeitslohnsinkt, denn wie der Preis jeder andern Ware ist er durch dieProduktionskosten bestimmt.

In demselben Maße also, worin die Arbeit unbefriedigender,ekelhafter wird, in demselben Maße nimmt die Konkurrenz zu undder Arbeitslohn ab. Der Arbeiter sucht die Masse seinesArbeitslohns zu behaupten, indem er mehr arbeitet, sei es, daß ermehr Stunden arbeitet, sei es, dass er mehr in derselben Stundeliefert. Durch die Not getrieben, vermehrt er also noch dieunheilvollen Wirkungen der Teilung der Arbeit. Das Resultat ist: Je

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mehr er arbeitet, um so weniger Lohn erhält er, und zwar aus demeinfachen Grunde, weil er in demselben Maß seinen MitarbeiternKonkurrenz macht, sich daher ebensoviel Konkurrenten aus seinenMitarbeitern macht, die sich zu ebenso schlechten Bedingungenanbieten wie er selbst, weil er also in letzter Instanz sich selbstKonkurrenz macht, sich selbst als Mitglied der Arbeiterklasse.

Die Maschinerie bringt dieselben Wirkungen auf viel größrerStufenleiter hervor, indem sie geschickte Arbeiter durchungeschickte, Männer durch Weiber, Erwachsene durch Kinderverdrängt, indem die Maschinerie da, wo sie neu eingeführt wird,die Handarbeiter massenhaft auf das Pflaster wirft, und da, wo sieausgebildet, verbessert, durch fruchtbarere Maschinen ersetzt wird,Arbeiter in kleinern Haufen abdankt. Wir haben oben in raschenZügen den industriellen Krieg der Kapitalisten untereinandergeschildert; dieser Krieg hat das eigentümliche, daß die Schlachtenin ihm gewonnen werden weniger durch Anwerben als durchAbdanken der Arbeiterarmee. Die Feldherren, die Kapitalisten,wetteifern untereinander, wer am meisten Industrie-Soldatenentlassen kann.

Die Ökonomen erzählen uns allerdings, dass die durch Maschinenüberflüssig gewordnen Arbeiter neue Beschäftigungszweige finden.

Sie wagen nicht direkt zu behaupten, dass dieselben Arbeiter, dieentlassen worden sind, in neuen Arbeitszweigen unterkommen. DieTatsachen schreien zu laut gegen diese Lüge. Sie behaupteneigentlich nur, daß für andre Bestandteile der Arbeiterklasse, z.B.für den Teil der jungen Arbeitergeneration, der schon bereit stand,um in den untergegangnen Industriezweig einzutreten, sich neueBeschäftigungsmittel auftun werden. Es ist das natürlich eine großeGenugtuung für die gefallnen Arbeiter. Es wird den HerrenKapitalisten nicht an frischem exploitablem (ausnutzbar) Fleischund Blut fehlen, man wird die Toten ihre Toten begraben lassen. Esist dies mehr ein Trost, den die Bourgeois sich selbst, als den sieden Arbeitern geben. Wenn die ganze Klasse der Lohnarbeiterdurch die Maschinerie vernichtet würde, wie schrecklich für dasKapital, das ohne Lohnarbeit aufhört, Kapital zu sein!

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Gesetzt aber, daß die durch Maschinerie direkt aus der ArbeitVerdrängten und der ganze Teil der neuen Generation, der schonauf diesen Dienst lauerte, eine neue Beschäftigung finden. Glaubtman, dass dieselbe so hoch bezahlt werden wird wie dieverlorengegangne? Es widerspräche dies allen Gesetzen derÖkonomie. Wir haben gesehen, wie die moderne Industrie es mitsich bringt, stets eine einfachere, untergeordnetere Beschäftigungder zusammengesetzten, höheren unterzuschieben.

Wie könnte also eine Arbeitermasse, die durch Maschinerie auseinem Industriezweig heraus geworfen ist, in einem andern eineZuflucht finden, es sei denn, dass er niedriger, schlechter bezahltist?

Man hat als Ausnahme die Arbeiter angeführt, die in derFabrikation der Maschinerie selbst arbeiten. Sobald mehrMaschinerie in der Industrie verlangt und verbraucht werde,müssten die Maschinen notwendig zunehmen, also dieMaschinenfabrikation, also die Beschäftigung der Arbeiter in derMaschinenfabrikation, und die in diesem Industriezweig ver-wandten Arbeiter seien geschickte, ja selbst gebildete Arbeiter.

Seit dem Jahre 1840 hat diese schon früher nur halbwahreBehauptung allen Schein verloren, indem immer vielseitigerMaschinen zum Fabrizieren von Maschinen nicht mehr nichtminder angewandt wurden als zum Fabrizieren von Baumwollgarn,und die in den Maschinenfabriken beschäftigten Arbeiter,gegenüber von höchst kunstvollen, nur noch die Stelle von höchstkunstlosen Maschinen spielen konnten.

Aber statt des durch die Maschine verabschiedeten Mannesbeschäftigt die Fabrik vielleicht drei Kinder und eine Frau! Undmußte der Lohn des Mannes nicht hinreichen für die drei Kinderund eine Frau? Musste das Minimum des Arbeitslohnes nichthinreichen, um die Race zu erhalten und zu vermehren? Was alsobeweist diese beliebte Bourgeoisredensart? Weiter nichts, als dassjetzt viermal soviel Arbeiterleben verbraucht werden wie früher, umden Lebensunterhalt einer Arbeiterfamilie zu gewinnen.

Resümieren wir: Je mehr das produktive Kapital wächst, destomehr dehnt sich die Teilung der Arbeit und die Anwendung der

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Maschinerie aus. Je mehr sich die Teilung der Arbeit und dieAnwendung der Maschinerie ausdehnt, umso mehr dehnt sich dieKonkurrenz unter den Arbeitern aus, je mehr zieht sich ihr Lohnzusammen.

Und zudem rekrutiert sich die Arbeiterklasse noch aus den höhernSchichten der Gesellschaft; es stürzt eine Masse kleiner Industriel-len und kleiner Rentiers in sie herab, die nichts Eiligeres zu tunhaben, als ihre Arme zu erheben neben den Armen der Arbeiter. Sowird der Wald der in die Höhe gestreckten und nach Arbeitverlangenden Arme immer dichter, und die Arme selbst werdenimmer magrer.

Dass der kleine Industrielle den Kampf nicht aushalten kann,worin es eine der ersten Bedingungen ist, auf stets größererStufenleiter zu produzieren, d.h. eben ein großer und kein kleinerIndustrieller zu sein, versteht sich von selbst.

Dass der Zins vom Kapital in demselben Maße abnimmt, wieMasse und Zahl des Kapitals zunimmt, wie das Kapital anwächst,dass daher der kleine Rentier nicht mehr von seiner Rente lebenkann, also sich auf die Industrie werfen muss, also die Reihen derkleinen Industriellen und damit die Kandidaten für das Proletariatvermehren hilft, alles das bedarf wohl keiner weitern Auseinander-setzung.

In dem Maße endlich, wie die Kapitalisten durch die obengeschilderte Bewegung gezwungen werden, schon vorhandneriesenhafte Produktionsmittel auf größerer Stufenleiter auszubeutenund zu diesem Zweck alle Springfedern des Kredits in Bewegungzu setzen, in demselben Maße vermehren sich die industriellenErdbeben, worin die Handelswelt sich nur dadurch erhält, daß sieeinen Teil des Reichtums, der Produkte und selbst derProduktionskräfte den Göttern der Unterwelt opfert - nehmen miteinem Wort die Krisen zu. Sie werden häufiger und heftiger schondeswegen, weil in demselben Maße, worin die Produktenmasse,also das Bedürfnis nach ausgedehnten Märkten wächst, derWeltmarkt immer mehr sich zusammenzieht, immer weniger neueMärkte zur Exploitation (Enteignung) übrig bleiben, da jedevorhergehende Krise einen bisher uneroberten oder vom Handel

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nur oberflächlich ausgebeuteten Markt dem Welthandel unterwor-fen hat. Das Kapital lebt aber nicht nur von der Arbeit. Ein zugleichvornehmer und barbarischer Herr, zieht es mit sich in die Gruft dieLeichen seiner Sklaven, ganze Arbeiterhekatomben, die in denKrisen untergehen. Wir sehn also: Wächst das Kapital rasch, sowächst ungleich rascher die Konkurrenz unter den Arbeitern, d. h.desto mehr nehmen verhältnismäßig die Beschäftigungsmittel, dieLebensmittel für die Arbeiterklasse ab, und nichtsdestoweniger istdas rasche Wachsen des Kapitals die günstigste Bedingung für dieLohnarbeit.

Vorträge, gehalten vom 14. bis 30. Dezember 1847. Veröffentlichtin der 'Neuen Rheinischen Zeitung', Nr. 264-267 und 269 vom 5.-8.und 11. April 1849 und als Einzelbroschüre mit einer Einleitungund unter Redaktion von Engels, Berlin 1891. Nach der Ausgabevon 1891.

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