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Hrsg.: Bertelsmann Stiftung | Hans-Böckler-Stiftung | KGSt Schutzgebühr: 5,- Euro 14 Lokale Beschäftigungsförderung – Aufgabe der Kommunen Bausteine guter Praxis: Steuerung | Fallmanagement | Arbeiten in Netzwerken

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Hrsg.: Bertelsmann Stiftung | Hans-Böckler-Stiftung | KGSt

Schutzgebühr: 5,- Euro

14LokaleBeschäftigungsförderung–Aufgabe derKommunen

Bausteine guter Praxis:

Steuerung | Fallmanagement | Arbeiten in Netzwerken

2

Bertelsmann-Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung, KGSt(Hrsg.):

Netzwerk Kommunen der Zukunft.Produkte der NetzwerkarbeitBd. 14 (1-3)

Kommunen und lokale Beschäftigungsförderung.Bausteine guter Praxis:

Bd. 14-1 – Steuerung der lokalen Beschäftigungsförderung

Bd. 14-2 – Fallmanagement

Bd. 14-3 – Arbeiten in Netzwerken

Redaktion: Matthias Schulze-Böing

Offenbach am Main 2002

© Netzwerk Kommunen der Zukunft

Druck: VAS-Verlag, Frankfurt am Main

Zu beziehen über:

Stadt Offenbach am MainAmt für Arbeitsförderung, Statistik,EuropaangelegenheitenRathausBerliner Str. 10063065 Offenbach am Main

www.offenbach.de

3

Inhaltsverzeichnis

Matthias Schulze-BöingDer Netzwerkknoten ...................................................................................................................................... 4„Kommunen und lokale Beschäftigungsförderung“ im Netzwerk„Kommunen der Zukunft“ ............................................................................................................................ 4

Heiner BrülleSteuerung der Hilfe zur Arbeit nach dem BSHG in Wiesbaden unter besonderer Berücksichtigungvon Sozialhilfeleistungsberechtigten mit geringen Arbeitsmarktchancen ...................................................... 51. Vorbemerkung ........................................................................................................................................... 52. Leitbild, Ziele und Organisation der Hilfe zur Arbeit in Wiesbaden ......................................................... 53. Steuerungs- und Berichtsstrukturen der Hilfe zur Arbeit und Ausbildung in Wiesbaden .......................... 74. Fazit – Bewertung der eingetretenen Steuerungswirkungen und Ausblick ............................................... 12Zum Autor .................................................................................................................................................... 12

Rainer RadloffZwischen Aktion und Resignation – Steuerung in der Beschäftigungsförderung ........................................ 131. Aktuelle Problemstellung ......................................................................................................................... 132. Rahmenbedingungen der Beschäftigungsförderung und ihre aktuellen Folgen ........................................ 133. Voraussetzungen in der Organisation ...................................................................................................... 154. Arbeitsprozess .......................................................................................................................................... 165. Einzelcontrolling, regionale Gesamtsteuerung und Benchmarking .......................................................... 176. Praxisbeispiel – Steuerung der REGE mbH ............................................................................................ 197. Resümee .................................................................................................................................................... 21Zum Autor .................................................................................................................................................... 22

Marie-Louise RobergSteuerung der kommunalen Beschäftigungsförderung ............................................................................... 23Welche Informationen können aus dem Fallmanagement zur Steuerung derkommunalen Beschäftigungsförderung gewonnen werden? ........................................................................... 231. Ausgangslage ...............................................................................................................................................2. Mikroebene ............................................................................................................................................. 233. Operatives Controlling ............................................................................................................................ 244. Makroebene ............................................................................................................................................. 265. Aggregierte Planungsdaten ...................................................................................................................... 266. Aggregierte Controllingdaten .................................................................................................................. 277. Resümee .................................................................................................................................................. 29Zur Autorin ................................................................................................................................................... 29

Thomas HerbingMitarbeiterbeteiligung aus gewerkschaftlicher Sicht am Beispiel Fallbearbeitungin der Sozialhilfeverwaltung ......................................................................................................................... 30

4

Im Rahmen der zweiten Förderrunde des Netzwerkes„Kommunen der Zukunft“ der Bertelsmann-Stiftung,der Hans-Böckler-Stiftu0ng und der KGST hat sichEnde des Jahres 2000 der thematische Netzwerkknoten„Kommunen und lokale Beschäftigungsförderung“ ge-bildet. 15 Kommunen beteiligten sich. Es handelte sichum die Städte Arnsberg, Bielefeld, Braunschweig, Dres-den, Essen, Halle, Hamm, Hannover, Leipzig, Offen-bach, Saarbrücken, Wiesbaden, den Landkreisen Gießenund Unna sowie den Regionalverband Hannover. Da-mit war im Netzknoten ein breites Spektrum von Kom-munen vertreten. Entsprechend vielfältig waren die Pro-blemstellungen am Arbeitsmarkt, die Struktur und derEntwicklungsstand der lokalen Beschäftigungsförderungund das Aktivitätsspektrum in den Kommunen.

Der Netzwerkknoten verstand sich als Lernzusammen-hang, in dem Praxiserfahrungen ausgetauscht und ge-meinsam interessierende Themen bearbeitet werden, aberauch gemeinsame Produkte der Netzwerkarbeit entste-hen. Der Knoten entschied sich dabei, insbesondere dreiThemenkreise zu vertiefen und dazu umfangreichere Pa-piere und Stellungnahmen zu erarbeiten:

• Steuerung der lokalen/kommunalen Beschäftigungs-förderung

• Arbeit in Netzwerken im Rahmen der lokalen Be-schäftigungsförderung

• Fallmanagement als Instrument und Methode derArbeitsförderung

Darüber hinaus wurde gemeinsam mit dem Netzwerk„Beschäftigungspolitik in Kommunen“ (BiK) der Ber-telsmann-Stiftung ein übergreifendes Projekt „Bench-marking in der kommunalen Beschäftigungsförderung– Kennziffern, Prozessvergleiche und interkommunaleLernprozesse“ initiiert, an dem elf Kommunen aus bei-den Netzwerken beteiligt sind. Dieses Projekt wird auchüber die Laufzeit des Netzwerks „Kommunen der Zu-kunft“ hinaus weitergeführt.

Dem Netzknoten standen mit Nader Djafari (Inbas-In-stitut, Offenbach), Adalbert Evers (Universität Gießen),Maria Oppen und Holger Strassheim (Wissenschafts-zentrum Berlin) wissenschaftliche Fachberater zur Sei-te, die mit ihrer Kenntnis die Arbeit wesentlich befruch-tet und bereichert haben. Thomas Herbing von der Bun-desverwaltung der Gewerkschaft VER.DI bereicherte dieArbeit mit wichtigen Hinweisen zu Fragen der Mitarbei-terbeteiligung.

In einer Reihe von drei Broschüren werden die Ergeb-nisse der Netzknotenarbeit dokumentiert. Die Texte sindwurden von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Netz-knotens und von dessen Fachberatern auf der Basis in-tensiver Diskussionen im Netzknoten und thematischenUnterarbeitsgruppen erstellt. Sie stellen Praxisreflexionendar, aber zum Teil auch Leitfäden für die Praxis undkonzeptionelle Entwürfe für die Strukturierung desHandlungsfeldes.

Wir hoffen, dass diese Produkte unseres NetzknotensProbleme in einer Zeit des Umbruchs der arbeitsmarkt-politischen Landschaft getroffen haben und den Akteu-ren in Politik und Praxis hilfreich sind.

Den beteiligten Kommunen ist für die finanziellen, per-sonellen und sachlichen Ressourcen zu danken, die siefür Netzwerkarbeit aufgebracht haben. Den Trägern, Ber-telsmann-Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung und KGST,danken wir für die fachliche und finanzielle Unterstüt-zung.

Für den Netzknoten „Kommunen und lokaleBeschäftigungsförderung“

Offenbach am Main, Oktober 2002

Matthias Schulze-Böing(Federführer)

Der Netzwerkknoten

„Kommunen und lokale Beschäftigungsförderung“ im Netzwerk„Kommunen der Zukunft“

5

Steuerung der Hilfe zur Arbeit nach dem BSHG inWiesbaden unter besonderer Berücksichtigung vonSozialhilfeleistungsberechtigten mit geringenArbeitsmarktchancen

Heiner Brülle

1. Vorbemerkung

Das Leistungssystem der Hilfe zur Arbeit nach demBSHG §§ 18ff. hat sich in Wiesbaden organisch nachden jeweiligen „historischen“ Anforderungen, Erfahrun-gen und Lösungsmustern seit 1984 entwickelt. Jede ak-tuelle Darstellung rekonstruiert diesen Entwicklungs-prozess und sollte nicht mit einer organisatorischen„Blaupause“ verwechselt werden. Im Unterschied zu denvorangegangenen Beiträgen aus Bielefeld und Hamm liegtder Referenzrahmen der Zielbildung der Beschäftigungs-förderung in Wiesbaden. nicht primär in der kommunalenArbeitsmarktpolitik, sondern in der kommunalen Sozial-politik. Auch soll nicht das gesamte Leistungssystem der kom-munalen Beschäftigungsförderung in Wiesbaden im Folgen-dem dokumentiert werden, sondern lediglich die Strategiender Steuerung und der Sozialberichterstattung, die sich pri-mär auf die Integration von arbeitslosen Leistungsberech-tigten mit geringen Arbeitsmarktchancen beziehen.

2. Leitbild, Ziele und Organisationder Hilfe zur Arbeit in Wiesbaden

„Hilfe zur Arbeit und Ausbildung“ – wie der Geschäfts-bereich im Amt für Soziale Arbeit seit Ende der 80er Jahreheißt – ist ein integraler Bestandteil der kommunalen Ju-gend- und Sozialverwaltung, die im Amt für Soziale Ar-beit zusammengeführt ist. Erwerbsarbeit wird als zentra-ler Vergesellschaftungsmodus1 und dominierendes Mus-ter sozialer Integration sowohl nach dem BSHG als auchnach dem SGB VIII gesehen und steht damit im Mittel-punkt des Zielsystems der sozialen Kommunalpolitik2.

1 Bourgett/Brülle 1986: Auf dem Weg zu einer punktgesteuertenkommunalen Beschäftigungspolitik. In Bullmann/Cooley/Eine-mann: Lokale Beschäftigungspolitik. Marburg 1986: Schüren.S. 117–137

2 nach Schulze-Böing 1994: Evaluation der kommunalen Arbeits-marktpolitik. Zur absehbaren Karriere eines Themas. In: Schul-ze-Böing/Johrendt (Hrsg.): Wirkungen kommunaler Beschäf-tigungsprogramme. Basel u.a. 1994: Birkhäuser. S. 17–22

Schaubild 1: Ziele der kommunalen Beschäftigungsförderung

Das Zielsystem im Schaubild 1 wurde mit den städti-schen Gremien im Herbst 1997 vereinbart. Es bildet bisheute die grundsätzliche Orientierung des Geschäfts-feldes. Hilfe zur Arbeit und Ausbildung hat damit nichtallein die Aufgabe bei ihren Leistungsberechtigten evtl.Hemmnisse der Vermittlungsfähigkeit auf dem Arbeits-markt zu beseitigen und deren Arbeitsmarktchancen zuverbessern. Gerade für kaum arbeitsmarktfähige Leis-tungsberechtigte gilt es, durch Integration in Arbeit unddamit in Wertschöpfungsprozesse die soziale Integrati-on, das Selbstwertgefühl und die Identität der von Aus-grenzung bedrohten Menschen zu stabilisieren.

Die Hilfe zur Arbeit ist folgerichtig als Sachgebiet in derAbteilung Sozialhilfe des Amtes für Soziale Arbeit ange-siedelt. Seit 1998 ist das Sachgebiet ebenfalls für Maßnah-men der Jugendberufshilfe zuständig und koordiniert alsFachstelle „Jugendberufshilfe“ das gesamte Angebotsfeldder beruflichen Integration junger Menschen. Die Fach-planung und das Berichtswesen wird gemeinsam mit derAbteilung für Grundsatz und Planung vorgenommen.

Ziele WiesbadenerBeschäftigungsförderung

Amt für Soziale Arbeit – Sozialamt

Stand 11/97

➯ Sozialintegration• individuelle Stabilisierung• selbständige Lebensführung

➯ Arbeitsmarktintegration• Verbesserung von Chancen für

SozialhilfeempfängerInnen• Qualifizierung in marktgängigen Feldern

➯ Wirtschaftsintegration• wirtschafts- und betriebsnahe

Arbeitszusammenhänge• Konkurrenzprobleme

➯ Gemeinwesenintegration• Zielvorhaben und Handlungsbedarf der

Kommune• Wertschöpfung im gemeinnützigen Bereich

6

In den Bearbeitungsabläufen der Sozialhilfe wurden Rou-tinen eingebaut, die eine Meldung aller prinzipiellvermittlungsfähigen Personen bei dem Arbeitsamt sicher-stellen und dass diese alle drei Monate wiederholt wer-den. Mit der Einführung des BMA-ModellprojektesMoZArT in 2001 hat sich die Ablauforganisation insoweit geändert, dass alle sich arbeitslos meldendenLeistungsberechtigten, die keine Ansprüche auf SGB III-Leistungen haben, von einem gemeinsamen Team desArbeits- und Sozialamtes „VERSIA“ betreut werden3.

A) Wege zur Berufsbildung für Alle (für Personen unter 25 Jahren)• Case Management (Beratung, Eignungsfeststellung,Eingliederungsplanung, Vermittlung in berufliche Aus-

bildung oder Fördermaßnahmen, Begleitung des Eingliederungsweges, Dokumentation)• Vermittlung in Ausbildungs- und Arbeitsplätze• Niederschwellige Maßnahmen zu Ansprache, Bindung und Arbeitsorientierung (START-mobil, START,

MÄK’M)• Sozialversicherungspflichtige berufsorientierende Praktika bei Trägern in Verbindung mit Betrieben• Sozialversicherungspflichtige Praktika in Betrieben• Praktika ergänzende Qualifizierungsangebote (z.B. Hauptschulabschlußkurse oder Sprachkurse)• Teilqualifizierungsmaßnahmen bei Trägern in Verbindung mit Betrieben• Außerbetriebliche Berufsausbildung (teilweise in enger Verbindung mit Betrieben)

B) VERSIA (Gemeinsame Vermittlungsstelle für arbeitslose Sozialhilfeleistungsberechtigte ohne SGB III-An-sprüche mit dem Arbeitsamt (MoZArT-Projekt)• Beratung, Profiling und Eingliederungsplanung• Stellenvermittlung• Qualifizierung und Training gemäß dem “Produktspektrum” der Bundesanstalt für Arbeit

C) Hilfe zur Arbeit und Ausbildung für über 25 Jährige Sozialhilfeleistungsberechtigte• Case Management ((Beratung, Eignungsfeststellung,Eingliederungsplanung, Vermittlung in berufliche

Ausbildung oder Fördermaßnahmen, Begleitung des Eingliederungsweges, Dokumentation)• Vermittlung in Arbeitsplätze• Außerbetriebliche Berufsausbildung• Sozialversicherungspflichtige Teilqualifizierungsmaßnahmen bei Trägern in enger Verbindung mit Betrieben• Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen in der Regel für max. zwei Jahre nach § 19.1 BSHG

(z.T. mit kombinierten Eingliederungs- und Vermittlungsmaßnahmen)• Gemeinnützige Arbeit nach § 19.2 BSHG• Maßnahmen zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft nach § 20 BSHG

Schaubild 2: „Produkte“ der Hilfe zur Arbeit und Ausbildung in Wiesbaden

3 Mit Ausnahme von Personen mit Hochschulausbildung, freibe-ruflichen Tätigkeiten, Schwerbehinderten und Rehabilitanten;diese werden in den zuständigen Fachstellen des Arbeitsamtesbetreut. Personen mit SGB III-Ansprüchen bleiben in der alleini-gen Zuständigkeit des Arbeitsamtes, falls längerfristige (> 6 Mo-nate) Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für erfor-derlich gehalten werden, beteiligt sich die Hilfe zur Arbeit beiBedarf mit einer Anteilsfinanzierung (aktuell gibt es ca. 80 sol-cher „Kombilösungen“).

7

In einer ersten Beratungssequenz bzw. im Fall (1) auf-grund der Aktenlage werden folgende drei Eingliede-rungsstrategien unterschieden:

(1) Junge Menschen ohne Berufsausbildung unter 25 Jah-ren, diese werden von der Ausbildungsagentur derLandeshauptstadt Wiesbaden gGmbH im Rahmendes kommunalen Programms „Wege zur Berufsbil-dung für Alle“4 betreut;

(2) Arbeitslose Sozialhilfeleistungsberechtigte, die mit derUnterstützung aus dem Vermittlungs- und Qualifi-zierungsrepertoire des Arbeitsamtes in den Arbeits-markt vermittelbar sind, werden vom VERSIA-Teamim Arbeitsamt betreut:

(3) Arbeitslose Leistungsberechtigte, die weder zu derGruppe (1) noch zur Gruppe (2) gehören aber grund-sätzlich beschäftigungsfähig sind, werden von einemTeam bei der Hilfe zur Arbeit betreut; hier stehen viel-fältige Trainings-, Qualifizierungs- und Beschäfti-gungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Das Schaubild 2 dokumentiert die Eingliederungsstra-tegien und „Produkte“, die den Akteuren der kommu-nalen Beschäftigungsförderung in Wiesbaden für dieEingliederung arbeitsloser Sozialhilfeleistungsberechtigtein Ausbildung und Erwerbsarbeit zur Verfügung stehen.

Die durch das Bundesmodellprogramm MoZArT unddas kommunale Programm „Wege zur Berufsbildung fürAlle“ vernetzten Beratungs- und Eingliederungsstellender Arbeitsverwaltung und der Sozial- und Jugendberufs-hilfe bemühen sich um einen gemeinsamen Standard desCase-Managements mit einer bedarfsorientierten indi-viduellen Eingliederungsplanung und einer entsprechen-den Leistungssteuerung. Nicht das vorhandene Angebotan Maßnahmeplätzen soll die Eingliederung dominieren,sondern die individuellen Fähigkeiten und Bedarfe aufder Basis der vereinbarten Eingliederungsplanung.

3. Steuerungs- und Berichts-strukturen der Hilfe zur Arbeitund Ausbildung in Wiesbaden

An dieser Stelle kann nicht das gesamte Ziel- und Steue-rungssystem der Beschäftigungsförderung des Amtes für

Soziale Arbeit dargestellt werden; insbesondere die Pro-gramme „Wege zur Berufsbildung für Alle“5 und dasMoZArT-Projekt „VERSIA“ haben differenziert opera-tionalisierte Zielstellungen und Erfolgsindikatoren, dieaber den hier bedeutsamen Themenbereich der Förde-rung wenig arbeitsmarktfähiger Leistungsberechtigterkaum berühren. Wir werden uns im Folgenden auf dieSteuerungsstrategien im klassischen Handlungsfeld derWiesbadener Hilfe zur Arbeit beschränken.

Die Steuerung der einzelfallbezogenen Eingliederungspro-zesse erfolgt über die zuständigen Fachkräfte des Case Ma-nagements. Zur Beobachtung und Steuerung der einzelfall-übergreifenden Leistungsprozesse und -ergebnisse der Hil-fe zur Arbeit lassen sich grob drei Ebenen unterscheiden:

• Das einzugliedernde „Erwerbspersonenpotenzial“6 derarbeitslosen und grundsätzlich beschäftigungsfähigenLeistungsberechtigten in der Hilfe zum Lebensunter-halt mit den Merkmalsgruppen soziale Strukturierung(z.B. Alter, Geschlecht, Nationalität, Haushaltsstruk-tur), den formalen Voraussetzungen (z.B. Schul- undBerufsbildung, Berufserfahrung) sowie der Dynamikdes Bezugsverlaufs von Sozialhilfe (z.B. Erwartungs-werte der wahrscheinlichen Bezugsdauer für einzel-nen soziale Gruppen)

• Der Leistungsprozess der Dienstleistungen und Pro-dukte der Hilfe zur Arbeit läßt sich dokumentierenhinsichtlich der sozialen Strukturierung der Nutze-rInnen (Selektivität der angestrebten Erreichung desErwerbspersonenpotenzials) und der Leistungsver-läufe (z.B. Dauer, Abbrüche, Qualifizierungsergeb-nisse, maßnahme- und trägerspezifische Ergebnisse,finanzieller Aufwand).

• Die Wirkungen der Leistungsprozesse sind in ihrer Quali-tät noch unzureichend erfaßt, da valide Wirkungsdatengrundsätzlich außerhalb des Leistungsprozesses selbsterhoben werden sollten7. Zur Zeit kann in Wiesbadennur auf Merkmale der Sozialhilfegeschäftstatistik selbst(Fallzahlentwicklung, Bezugsdauer, Strukturierung desErwerbspersonenpotenzials) zurückgegriffen werden;

4 Ein Überblick über das differenzierte kommunale Programm,welches nicht nur Leistungsberechtigte der Jugend- und Sozial-hilfe anspricht, sondern allen ausbildungslosen jungen Men-schen, die maximal über einen Hauptschulabschluß verfügeneine Weg in die Berufsbildung anbietet, gibt Brülle 2001: Wegezur Berufsbildung für Alle – Kommunale Strategien einer akti-ven Berufsbildungspolitik für Benachteiligte.In: Weber,S. (Hrsg.)Netzwerkentwicklung in der Jugendberufshilfe. Opladen 2001:Leske und Budrich. S. 101–118

5 Siehe hierzu im Einzelnen Brülle 2001 (aaO) und Landeshaupt-stadt Wiesbaden 2001: „Wege zur Berufsbildung für Alle“3. Zwischenbericht. Wiesbaden

6 Die Landeshauptstadt Wiesbaden hat erhebliche und erfolgrei-che Anstrengungen übernommen hierzu eine tragfähige Metho-dologie mit validen Ergebnissen zu entwickeln. Die Ergebnissesind dokumentiert in Brennecke/Knaup 2001: Soziale Struktu-ren und Verläufe bei EmpfängerInnen der Hilfe zum Lebens-unterhalt in Wiesbaden. In Brülle/Reis (Hrsg.): Neue Steuerungin der Sozialhilfe, Neuwied 2001: Luchterhand sowie Brennecke/Brülle/Butz/Wulfgramm 2001: Macht Sozialhilfe abhängig? EineAnalyse zur Dauer des Sozialhilfebezuges in Wiesbaden. Beiträ-ge zur Sozialplanung Nr. 21 Wiesbaden

7 Vergleiche insgesamt zur hier gewählten Steuerungs- und Con-trollingstrategie Brülle/Reis 2002: Der sozialpolitische Kontextdes Modellprojektes „Sozialagenturen – Hilfe aus einer Hand“In MASQT NRW: Sozialagenturen-Hilfe aus einer Hand. Düs-seldorf (www.sozialagenturen.nrw.de)

8

ferner liefert eine Analyse der Nachhaltigkeit des So-zialhilfeausstiegs der HzA-TeilnehmerInnen immer-hin Daten zum Ausstiegserfolg und zur fiskalischenBewertung. Ein großer Beschäftigungsträger ermit-telt zusätzlich seine betrieblichen und regionalwirt-schaftlichen Wertschöpfungseffekte (s.u.).

Am Beispiel der Geschäftsstatistik des Jahres 2000 sol-len nun bisher entwickelte Berichts- und Steuerungs-verfahren empirisch kurz dokumentiert werden.

Schaubild 3: Übersicht zu den Ergebnissen HzAA (2000)8

Erwerbspersonenpotential (EP)12/99 alle(18-unter 65jährige)

EP 12/99 nur Erwerbslose

EP 12/99 nur Erwerbslose ohneSGB III Leistungen

./. ca. 20% Kranke

(Faktisch) erwerbsfähigeErwerbslose (ohne SGB IIILeistungen) =Hauptzielgruppe

Beratungsfälle 2000HzAA und Agentur

abgeschlosseneBeratungsfälle 2000**HzAA und Agentur

Beratungsergebnis:"keine Vermitlungsaktivitätbzw. -maßnahme" / "keine Be-schäftigungsmaßnahme"

Beratungsergebnis:"Vermittlung(sprojekt)", "Beschäftigung(smaßnahme) "Ausbildung"

* N=62 Fälle.** Ausbildungagentur: 8/99-7/00.

Quelle: HzAA-Datenbank, DB Ausbildungsagentur.

11.896

6.290

4.767

1.109

100%

29%

selbst Arbeit gefunden (331)in Ausbildung (39)

keine HLU mehr (119)

vorübergehend nicht erwerbsfähig (327)

Sonstige Abgänge (243)(Wegzüge, Tod, Ablehnen der Hilfe*)

93425%

Vermittlung(sprojekte) (169)

Maßnahmen AA (200)

Maßnahme nach BSHG §19.1 (473)

ca. 3.800

Zielgruppe / Klienten der Ausbildungsagentur (18-21j.)

953

310

280

./. 5% Kranke

265

2.220211

Ausschöpfung

58%

80

92

Abbruch, gescheitert, unbekannt (65)

Ausbildung (56)

Maßnahme AA (19)

Beschäftigung (17)

2.04317254%

15

8 Aus Hock 2002: Hilfe zum Lebensunterhalt in Wiesbaden –Sozialhilfebericht 1996 – 2001. Beiträge zur SozialplanungNr. 22. Wiesbaden (im Erscheinen)

9

Die Grafik des Schaubildes 3 systematisiert die Beob-achtungsebenen des Berichtswesens und zeigt einigeHandlungsanforderungen aufgrund der Beobachtungenexemplarisch.

• Die Ausschöpfungsquote dokumentiert, dass 58 % derrechnerisch über das Erwerbspersonenkonzept als „er-werbslos ohne Leistungen nach den SGB III“ identi-fizierten Leistungsberechtigten im Laufe des Ge-schäftsjahres 2000 von der Hilfe zur Arbeit beratenwurden. Eine Analyse der einfachen demografischenDaten der Leistungsberechtigten aus dieser Gruppeder Erwerbslosen zeigt, dass die Ausschöpfungsquotebei den unter 30-Jährigen bei 100 % liegt und auch30–40-Jährige noch zu über 70 % erreicht werden.Bei den über 50-Jährigen liegt die Quote nur nochbei knapp 20 %. Auch wenn man berücksichtigt, dassein größerer Teil dieser Gruppe gesundheitlicheHemmnisse aufweist, wird doch eine nicht beabsich-tigte Auswahl der BewerberInnen nach Arbeitsmarkt-chancen deutlich. Das heißt, wenn ernsthaft die Zie-le Sozialintegration und Wirtschaftsintegration ver-folgt werden, müssen in Zukunft zusätzliche pass-

genaue Angebote für die älteren Arbeitslosen gefun-den werden.

• Die Quoten, welche die Einmündung in Maßnahmendokumentieren, heben die schiefe Altersverteilung et-was auf, hier sind die Altersgruppen der unter 50-Jährigen recht gut repräsentiert. Bei den Menschen,die bereits während des Beratungsprozesses eine Ar-beit aufgenommen haben, überwiegen die unter 40-Jährigen und folgen damit dem Trend auf dem Ar-beitsmarkt.

• Eine zentrale Erfolgsquote wird auch in Wiesbadenzunächst aus der Sozialhilfe generiert. Die Erfolgsquo-te ist der Anteil von Personen, die zu einem Stichtagmin. 6 bis max. 18 Monate nach Beratung bzw. Endeder Eingliederungsmaßnahme nicht im HLU-Bezugsind bzw. die nur noch ergänzende HLU zu einemErwerbseinkommen benötigen. Diese Erfolgsquotemuß jedoch, und das vermeiden viele Kommunen,relativiert werden, um die Quote der erwerbslosenLeistungsberechtigten, die ohne Dienstleistungen derHilfe zur Arbeit einen Ausstieg aus der Sozialhilfegefunden haben9.

9 Dieses gilt um so mehr in Kommunen, die Leistungsberechtigtegleich bei ihrem Eintritt in die Sozialhilfe mit Hilfen zur Ar-beit konfrontieren, hier sind sogenannte Mitnahmeeffekte er-heblich, da die Verbleibsdauer von Neueintritten viel kürzer istals von Langzeitbeziehern. In Wiesbaden werden Hilfen zurArbeit in der Regel erst nach einer dreimonatigen Bezugszeiteingeleitet, um auf diese Art und Weise die Mitnahmeeffektezu reduzieren.

Schaubild 4: Informationen zum „Verbleib“ bzw. Sozialhilfestatus verschiedener Gruppen von HzAA-KlientInnen des Jahres 2000 einigeMonate nach Maßnahme- bzw. Beratungsende

Status 6/01

( > 6 Monate nach Beratungs- bzw. Maßnahmenende)

Abgeschlossene Beratungsfälle HzAA 2000 Ohne SH Ergänzende SH "volle" SH

1) AbsolventInnen BSHG -Maßnahme

(§19 (1))

66% 22% 12%

2) AbsolventInnen Vermittlungsprojekt 51% 26% 23%

3) beratene Personen, mit Endergeb-

nis "selbst Arbeit gefunden"

60% 23% 17%

Zum Vergleich ShempfängerInnen ohne

Beratung oder Maßnahme

4) alle 12/99 Erwerbslose ohne SGB III

Leistungen, ohne Gruppen 1)-3)*

19% 7% 74%

*errechnet durch die Differenz der Gesamtergebnisse minus Ergebnisse der Gruppen 1)-3). Quelle: HzAA-Datenbank, Prosoz/S. Aus: Hock 2002: Hilfe zum Lebensunterhalt in Wiesbaden – Sozialhilfebericht 1996 –2001. Beiträge zur Sozialplanung Nr. 22. Wiesbaden (im Erscheinen)

10

Das Schaubild 4 dokumentiert die Konstruktion unddie Ergebnisse der sog. „Erfolgsquote“ in Wiesbaden.Im Jahr 2000 bezogen 66 % der TeilnehmerInnen vonBeschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmenmin. sechs Monate nach dem Ende der Maßnahmekeine Hilfe zum Lebensunterhalt; damit war dieseGruppe „erfolgreicher“ als z.B. solche, die in Ver-mittlungsprojekten direkt in den Arbeitsmarkt ver-mittelt wurden. Dies obwohl in diese Gruppe in derRegel die arbeitsmarktnahen Leistungsberechtigtenzugeordnet werden. Der Abstand der Erfolgsquotenaller Personen, die von Hilfe zur Arbeit betreut wur-den zu denen, die nicht in den Genuß der Einglie-derungsarbeit kamen, ist bemerkenswert. Von diesenkonnten nur 19 % einen Ausstieg aus der Hilfe zumLebensunterhalt finden. Sollte man diese Daten fürfiskalische Amortisationsberechnungen verwenden,so muß angesichts dieser Ausstiegsquote der Kontroll-

gruppe ein „Mitnahmeeffekt“ von 19 %-Punkten be-rücksichtigt werden.

• Diese Erfolgsquote sagt leider nur indirekt etwas da-rüber aus, ob die intendierte Wirkung der Arbeits-marktintegration nachhaltig erreicht wurde, da einTeil der Absolventen sich nicht über Erwerbsarbeitsondern über nun erworbene Leistungen der Arbeits-verwaltung reproduzieren könnten. Obwohl auchdieses ein legitimer Erfolg sozialhilferechtlicher Hil-fe zur Arbeit darstellt – wurde doch die Integrationin das vorrangige Sozialversicherungssystem erreicht– kann ein Transfer der Erwerbslosen allein in dieSicherungssystematik der Arbeitsverwaltung nieman-den befriedigen. Durch das Modellprojekt MoZArTwar es möglich, einen Abgleich der Absolventen derHzAA mit der Datei des Arbeitsamtes durchzufüh-ren. Die interessanten Ergebnisse können hier nurkurz gestreift werden:

Verlaufstyp Gruppe 1:BSHG-

Maßnahme

Gruppe 2:Vermittlungsmaß

nahme

Gruppe 3:ohne MaßnahmeArbeit gefunden gesamt

Kontinuierlichnicht mehr beim AA in Erscheinung getreten 35,4% 37,7% 49,5% 41,7%"regulär" integriert seit > 1 J. seit < 1 J.

4,5% 1,3% 3,2%

5,0% 2,5% 2,5%

7,0% 2,5% 4,5%

5,6% 2,0% 3,6%

integriert über Maßnahme/ Qualifizierung seit > 1 J. seit < 1 J.

3,6% 1,9% 1,7%

5,0% 1,5% 3,5%

3,5% 0,8% 2,7%

3,8% 1,4% 2,4%

arbeitslos seit > 1 J. seit < 1 J.

18,7% 12,6% 6,1%

15,5% 7,5% 8,0%

10,4% 4,7% 5,7%

14,7% 8,4% 6,3%

DiskontinuierlichWechsel zw. "regulärer" Arbeit u. Arbeitslosigk. 15,2% 17,6% 16,2% 16,0%Wechsel zw. Maßnahmen und Arbeitslosigkeit 5,7% 4,5% 2,2% 4,0%Wechsel zw. Abmeldungen und Arbeitslosigkeit 0,2% 0,5% 0,4% 0,3%Sonstige diskontinuierliche Verläufe* 16,8% 14,1% 10,8% 13,8%

100% 100% 100% 100%Gesamtzahl der untersuchten Fälle 475 199 489 1163

* mehr als zwei verschiedene Erwerbsstati (z.B. arbeitslos und "reguläre Beschäftigung" und "Maßnahme/Qualifzierung").Quelle: HzAA-Datenbank; AA-Datenbank.Aus: Hock 2002: Hilfe zum Lebensunterhalt in Wiesbaden – Sozialhilfebericht 1996 –2001. Beiträge zurSozialplanung Nr. 22. Wiesbaden (im Erscheinen)

Auch nach den Daten der Arbeitsverwaltung (Schaubild 5)gab es für 35 % der MaßnahmeabsolventInnen zwischen2000 und 5/2002 keine Arbeitslosmeldung (siehe Tabel-lenzeile (1)) 4,5 % waren zwar vorübergehend arbeitslos,sind aber aktuell erwerbstätig (2); ca. 13 % sind langzeit-arbeitslos (4). Der Anteil der diskontinuierlichen Er-werbsverläufe ist bei der Zielgruppe der Hilfe zur Arbeit– in der Regel ohne Berufsausbildung, fast 50 % habenkeinen Schulabschluß – natürlich groß. 15 % wechselnzwischen Beschäftigungsphasen und Arbeitslosigkeit (5)und auch bei der Gruppe sonstiger diskontinuierlicherVerläufe (8) überwiegen Verläufe mit Erwerbsarbeits-phasen. Diese Daten widerlegen, dass von vielen Wirt-

schaftsinstituten zum Teil mit wenig empirischen Bele-gen geschürte Vorurteil der Ineffektivität der Beschäfti-gungs- und Qualifizierungsmaßnahmen des sogenann-ten 2. Arbeitsmarktes. Wir halten ein Ergebnis, welchesbelegt, dass 40% der TeilnehmerInnen von Beschäfti-gungsmaßnahmen keine oder nur vorübergehende Ar-beitslosigkeitszeiten aufweisen und weitere 32 % zumin-dest eine prekäre Beschäftigungsintegration mit einemWechsel aus Arbeitslosigkeits- und Beschäftigungsphasengelungen ist, für ein bemerkenswert positives Ergebnis.Bedenkenswert ist das Ergebnis, dass die Teilnehmer vonDirektvermittlungsmaßnahmen kaum bessere Integra-tionsquoten zeigen, obwohl diese Personen in Wiesba-

Schaubild 5: Erwerbsverlauf HzAA-Klienten 2000 gemäß Arbeitsamtdaten

11

den in der Regel höhere Qualifikationen und eine grö-ßere Arbeitsmarktnähe aufweisen. Vielleicht sollten vie-le Kommunen ihre zum Teil einseitige Hinwendung zuDirektvermittlungsmaßnahmen angesichts dieser Em-pirie überdenken.

• Zielerreichungsindikatoren zur sozialen Integration sindbisher in Wiesbaden weder operationalisiert nochkonnten sie über geeignete geschäftsstatistische Ver-fahren erhoben werden. Es bleibt lediglich die rechtschlüssige Hypothese, dass die mit qualifizierendenund beschäftigungspolitischen Maßnahmen einher-gehenden Wirkungen auf z.B. Tagesstrukturierung,Selbstwertgefühl durch die Einbindung in nützlicheArbeit und Wertschöpfungsprozesse und der Lern-fortschritt bei Qualifizierungen sowie die Einbindungin soziale Zusammenhänge eines Teams an der Ar-beitsstelle sich positiv auf die soziale Integration aus-wirken. Die Hilfe zur Arbeit in Wiesbaden ist zur Zeitdabei mit der Software PROSOZ/HzA die in Eigen-entwicklung erstellte Geschäftsdatenbank zu ersetzen.PROSOZ/HZA ermöglicht die Dokumentation in-dividueller Hilfe- und Eingliederungsziele sowie derindividuellen Eingliederungsverläufe. Auf dieser Ba-sis können später auch solche individualisierten Ziel-erreichungsgrade dokumentiert und ausgewertet wer-

den. Soziale Integration und selbstständige Lebens-führung lassen sich dann über Merkmale wie z.B.Sicherung oder Wiedererlangung einer eigenen Woh-nung, erfolgreiche Suchttherapie, gelungene Entschul-dung, verbesserte Deutschkenntnisse, erworbene for-male und informelle marktfähige Qualifikationen10

und subjektive Zufriedenheitsaussagen operationali-sieren und dokumentieren. Bisher liegen viele dieserInformationen bereits in Form von standardisiertenVerlaufsbögen oder Aktenvermerken vor und werdenzur Steuerung des Einzelfalls genutzt, da sie nicht inDatenbanken gespeichert sind, lassen sie sich jedochkaum für einzelfallübergreifende Berichte und Steue-rungsstrategien verwenden.

• Die Wirtschaftsintegration läßt sich einerseits alsStandard beschreiben, nämlich Konkurrenz- oder garVerdrängungswirkungen der Beschäftigungsmaß-nahmen im privatwirtschaftlichen Sektor zu vermei-den. Andererseits kann das Ziel in der Form opera-tionalisiert werden, dass man tatsächlich versucht, diedirekten und indirekten Wertschöpfungseffekte z.B.eines Qualifizierungs- und Beschäftigungsträgers zurekonstruieren. Die Landeshauptstadt Wiesbaden hatdieses bereits 1996 modellhaft mit ihrer kommuna-len Beschäftigungsgesellschaft versucht.11

Schaubild 6: Beispielhafte Bilanzierung der Wertschöpfungseffekte kommunaler Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen

10 Die meisten Qualifizierungs- und Beschäftigungsträger doku-mentieren bereits in standardisierter Form die während der Maß-nahme erreichten sozialen und beruflichen Fertigkeiten und Fä-higkeiten; diese Daten werden sowohl für die einzelfallbezogene

Ausgaben derSozialverwaltung

Leistungen derWJW GmbH

Nachfragepotential undWertschöpfung

Pflegesätze- KJHG- BSHG §§ 39, 72- städt. Sonder- programme

44 Mio DM

Beschäftigungsentgelte- BSHG § 19.1

37 Mio DM

Verbrauch(Materialien, Energie etc.)

30,2 Mio. DM

Investitionen (netto)

20 Mio. DM

Netto-Löhne

41,9 Mio. DM

Lohnsteuer11,2 Mio. DM

Sozialversicherungs-beiträge

40,1 Mio. DM

Direktes

Nachfragepotential

in der

Region

92,1 Mio. DM

Steuereinnahmen11,2 Mio. DM

Sozialversicherungs-einnahmen

40,1 Mio. DM

Amt für Soziale Arbeit - Sozialamt

81 Mio. DM 143,4 Mio DM 143,4 Mio. DM

Anlagevermögen45 Mio. DM

Wirkung von Beschäftigungsmaßnahmenam Beispiel Wiesbadener Jugendwerkstatt GmbH(01.08.87 - 31.07.95)

Maßnahmesteuerung beim Träger wie bei den Fachkräften beider Hilfe zur Arbeit genutzt.

11 Amt für Soziale Arbeit 1996: Bericht über die Beschäftigungs-maßnahmen der Wiesbadener Jugendwerkstatt. Wiesbaden

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Das Schaubild 6 dokumentiert die wirtschaftlichen Ef-fekte des größten Wiesbadener Qualifizierungsträgers.Die Wiesbadener Jugendwerkstatt GmbH betreibt ne-ben einem klassischen Ausbildungsbetrieb für benachtei-ligte Jugendliche einen Bioland-Bauernhof mit ca. 300 ha.Dieser Betrieb ist eine sehr gelungene Verbindung ausdem Angebot von sinnvollen wertschöpfungsorientiertenArbeitsplätzen, die gleichzeitig geringe qualifikatorischeAnforderungen stellen, keine Konkurrenz mit der heimi-schen Wirtschaft produzieren und sogar zu einer dauer-haften Beschäftigungsnachfrage auf dem WiesbadenerArbeitsmarkt beitragen. Zur Zeit beschäftigt der Bioland-betrieb über 200 ehemalige Sozialhilfeempfänger gemäߧ 19.1 BSHG.

4. Fazit – Bewertung dereingetretenen Steuerungs-wirkungen und Ausblick

Ziele, Erfolgsindikatoren und Steuerungsstrategien sindnicht unabhängig vom Zuschnitt und dem Verantwor-tungsraum des Geschäftsfeldes. Die Wiesbadener Kon-struktion der kommunalen Beschäftigungsförderungs-und Qualifizierungsmaßnahmen sieht eine enge Anbin-dung an die kommunale Jugend- und Sozialhilfe vor.Daraus ergibt sich konsequent eine Nachfrage- oder Be-darfsorientierung der Beschäftigungsförderung12. DieBedarfe der Leistungsberechtigten der Jugendberufshilfeund der Sozialhilfe sind der Ausgangspunkt für alle Qua-lifizierungs-, Beschäftigungs- und Arbeitsvermittlungs-maßnahmen. Unter dieser Perspektive geraten automa-tisch die geringqualifizierten und arbeitsmarktfernenPersonengruppen in den Fokus der Planungsprozesse.Die Zielstellung aus Sicht einer sozialen Kommunal-politik lautet somit für möglichst viele Leistungsberech-tigte, die tatsächlich auf die Hilfe zur Arbeit und Aus-bildung angewiesen sind, Wege zur nachhaltigen Integra-tion in Erwerbsarbeit zu eröffnen. Wie die oben vorge-legten Bilanzen dokumentieren, geschieht dies auch inWiesbaden recht erfolgreich, insbesondere wenn manberücksichtigt, dass gerade die Teilnehmer von Qualifi-zierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen nach § 19.1BSHG deutlich Eingliederungshemmnisse aufweisen.Scheinbar bieten diese Maßnahmen mit einer durch-schnittlichen in Anspruch genommenen Beschäftigungs-und Qualifizierungszeit von gut 12 Monaten auch fürschwächere Arbeitsmarktbewerber gute Startchancen für

eine Arbeitsaufnahme ohne weitere Subventionen oderFörderungen. Eine Zielstellung möglichst viele arbeits-lose Menschen möglichst schnell in Erwerbsarbeit zuvermitteln greift für die kommunale Sozialverwaltung zukurz, da eine solche Zielbildung dazu führt, dass die Zahlder Eingegliederten als Erfolgskriterium alle anderenAspekte verdrängt. Hiermit besteht die Gefahr vorran-gig Personen mit geringen Hemmnissen und hohen Er-folgschancen durch Maßnahmen in den Arbeitsmarkt zuvermitteln (sogenannter Creamingeffekt13) und arbeits-marktfernere, mit starken Eingliederungshemmnissenbelastete Personengruppen zurückzustellen, da hier derAufwand wesentlich höher ist und die Erfolgschancengleichzeitig geringer werden.

Das heißt natürlich nicht, dass Eingliederungsziffern ir-relevant sind, vielmehr müssen diese an den Bestand unddie Bedarfslage der arbeitslosen Leistungsberechtigtenrückgebunden werden. Diese Bindung der Erfolgsindi-katoren an den Bestand der Programmadressaten kannin Zukunft dadurch verstärkt zur Geltung kommen, wennman die Ausschöpfungquoten mit vorgegebenen Zielenoder gar individuellen Leistungsansprüchen (oder Ser-vicegarantien) der Leistungsberechtigten untersetzt. ZumBeispiel alle arbeitslosen Jugendlichen werden binnen vierMonaten in eine Qualifizierung, Ausbildung oder einenJob vermittelt oder alle arbeitslosen Leistungsberechtigtendie länger als ein Jahr im Lesitungsbezug stehen erhal-ten ein Qualifizierungs- oder Arbeitsangebot.

Zum Autor

Heiner Brülle, Diplom-Soziologe, ist Abteilungsleiter fürGrundsatz und Planung im Amt für Soziale Arbeit derLandeshauptstadt Wiesbaden und freiberuflich als Orga-nisationsberater und Sozialplaner u.a. in der wissenschaft-lichen Begleitung der Modellprojekte des Landes NRW„Sozialagenturen – Hilfen aus einer Hand“ und „Inte-grierte Hilfe zur Arbeit“ tätig.

12 Diese Position wird in letzter Zeit von vielen Akteuren der kom-munalen Beschäftigungsförderung als „neue Herausforderung“benannt.

13 Das große Selbsthilfepotenzial der arbeitslosen Sozialhilfeleis-tungsberechtigten wird für Wiesbaden in der Langzeitverlaufs-studie Brennecke/Brülle/Butz/Wulfgramm dokumentiert. Reis2002: Die Weiterentwicklung „aktivierender Instrumente” alsKernelement der (geplanten) Sozialhilfereform. In Archiv fürWissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit. Heft 1/2002 S. 38–61 plädiert angesichts der sehr heterogenen Problemlagen undRessourcen der arbeitslosen Leistungsberechtigten und der em-pirisch u.a. in Wiesbaden dokumentierten dynamischen Bezugs-verläufen für individualisierte bedarfsbezogene Aktivierungs- undEingliederungsstrategien mittels eines entwickelten Case Ma-nagement.

13

Die Glaubwürdigkeit der Beschäftigungsförderung istin einer tiefen Krise. Hervorgerufen durch die fragwür-dige Darstellung der Vermittlungsbilanzen der Arbeits-ämter, wird die Skepsis an den arbeitsmarktpolitischHandelnden und ihrer Steuerungskompetenz offen dis-kutiert. Die Situation hat ein schon länger schwelendesMisstrauen, nicht nur gegen die Institution der Bundes-anstalt, sondern auch gegen alle in dem Bereich der Ar-beitsmarktpolitik Tätigen, offenkundig gemacht. Alleund damit auch die kommunalen Beschäftigungsförderersind durch die Sogwirkung des Misstrauens in die Kriseder Arbeitsmarktpolitik einbezogen.

In dieser Situation ist ein schnelles Reagieren durch Pro-gramme und Kommissionen für politische Krisenma-nager ein Beweis für Handlungsfähigkeit und lässt poli-tisches Profil erkennen. Die grundsätzliche Frage, wieArbeitsmarktpolitik und Beschäftigungsförderung zusteuern ist, wird dagegen häufig unbewusst vermieden,da die Antwort schwerer zu geben ist. Das Konzept vonprofessioneller Steuerung als Abfolge von eindeutigerBestimmung von Zielen, Definition der Aufgaben desManagements, der Benennung von messbaren Indikato-ren, der Aufbau eines Controlling kann nur erfolgreichangewandt werden, wenn Rollen geklärt, grundsätzlicheHaltungen bestimmt und, sich jeder, der Beschäftigungs-förderung steuert, sich seiner Kompetenzen und Mög-lichkeiten sicher ist.

Doch schon der erste Schritt, die eindeutige Bestimmungvon Zielen setzt eine intensive Beschäftigung mit dervergangenen und gegenwärtigen Beschäftigungsförde-rung voraus und wirft weitere Fragen auf, die einer sys-tematischen und sehr differenzierten Diskussion und Ab-wägung bedürfen. Dieser Beitrag soll eine grobe Liniezwischen dem grundsätzlichen Problem der Steuerungs-möglichkeiten in der Arbeitsmarktpolitik, wie sie sichheute darstellt, und einer sehr konkreten Alternativedurch die Beschreibung der Steuerung eines kommuna-len arbeitsmarktpolitischen Integrationsunternehmensziehen. Gebildet wird diese grobe Linie aus aktuellenProblemen der Arbeitsmarktpolitik und dieser konkre-ten Perspektive. Die Entwicklung und die Erfahrung mitder Regionalen Personalentwicklungsgesellschaft (RegembH) in Bielefeld als Beratungs- und Managementgesell-

Zwischen Aktion und Resignation– Steuerung in der Beschäftigungsförderung

Rainer Radloff

1. Aktuelle Problemstellung

schaft für kommunale Arbeitsmarktpolitik und ihre Steu-erung macht deutlich, welche Voraussetzungen für eineffektives Vorgehen gegeben sein müssen.

Eine systematische und differenzierte Vorgehensweiseerfordert die Formulierung von Fragen, die sich konkretauf die Steuerung der Beschäftigungsförderung bezie-hen. So sollten folgende Fragen im Vorfeld genau erör-tert werden:

• die Funktion der Arbeitsmarktpolitik und der Be-schäftigungsförderung in dieser Gesellschaft, ihre Zie-le und deren Festlegung;

• die geeigneten Instrumenten für die jeweilige Ziel-erreichung, und ihre Leistung;

• die Indikatoren und Mechanismen, die für Steue-rungsprozesse geeignet sind.

2. Rahmenbedingungen derBeschäftigungsförderung undihre aktuellen Folgen

Was auch immer in der Arbeitsmarktpolitik konzipiert,durchgeführt und evaluiert wird, es gilt, den Rahmen dertatsächlichen Möglichkeiten genau im Auge zu behalten.Nur so können übertriebene Erwartungen und die Ab-folge von Enttäuschungen, Selbsttäuschungen und dieFolgen der Resignation vermieden werden.

Arbeitsmarktpolitik allgemein und kommunale Beschäf-tigungsförderung im besonderen finden ihre Grenzen inder gesamtwirtschaftlichen und regionalspezifischen Wirt-schaftssituation und sind in der Regel weniger wirksamals makroökonomische Einflüsse auf die Konjunkturund damit auf das Arbeitsplatzangebot.

Diese Tatsache und die Erkenntnis, den Mangel an Ar-beitsplätzen nicht beheben zu können, hat die Ergeb-nisorientiertheit der Tätigkeit der für ArbeitsmarktpolitikVerantwortlichen lange Zeit gegen Überprüfungen vonEffizienz und Effektivität immunisiert. Die aktuelle Aus-sage eines hochrangigen Vertreters der Bundesanstalt,dass ein schlecht organisiertes Arbeitsamt Freising 3%

14

Arbeitslosigkeit und ein gut organisiertes ArbeitsamtBrandenburg 25% nicht verhindern können, macht dieAmbivalenz besonders deutlich. Wenn Ergebnisse erzieltwerden, unabhängig von der guten oder schlechten Or-ganisation, unabhängig von brauchbaren oder nicht sinn-vollen Instrumenten, unabhängig von gut oder schlechtausgebildeten Mitarbeiter/innen, dann steht die Bedeu-tung von Arbeitsmarktpolitik insgesamt in Frage. SollArbeitsmarktpolitik nicht nur eine symbolische Bedeu-tung haben, in dem Aktivität vorgetäuscht wird, wo sichreal aber nichts bewegen lässt, etwa als Alibifunktion fürPolitik („Wir haben doch etwas gemacht!“) und soll sienicht nur eine Beruhigungsfunktion für die Betroffenenhaben, dann muss Professionalisierung in erster Liniebedeuten, dass die Verantwortlichen für Arbeitsmarkt-politik über die Qualität und Wirkung ihres Handelnsmehr Bewusstsein entwickeln. Dies ist die Voraussetzungfür Steuerung und die Übernahme von Verantwortung.

2.1 Klare Zielvorstellungen

Steuerung einschließlich der Überprüfung von Organi-sationen und Instrumenten setzt voraus, dass Ziele klarbenannt werden.

Die aktuelle Situation macht jedoch deutlich, dass esselten klare Differenzierungen zwischen den unterschied-lichen Kunden gibt und welcher Auftrag damit verbun-den ist.

So hat ein Arbeitslosen-Versicherungsunternehmen, auchwenn es als Monopol tätig ist, sich nach den Bedürfnis-sen der Versicherten und der Arbeitgeber, d.h. denen diees finanzieren, auszurichten. Ein steuerfinanziertes Inte-grationsunternehmen, wie es in den Kommunen durchdie Sozialhilfe und bei der Arbeitslosenhilfe auch bei derBundesanstalt für Arbeit bisher besteht, hat sich nachanderen Kundenmaßstäben, nämlich den Kriterien einessparsamen, effizienten und effektiven Umgangs öffent-licher, von der Allgemeinheit aufzubringender Mittelauszurichten. An dem Beispiel des aktuellen Leitsatzes„Fördern und Fordern“ wird deutlich, dass Versicherteim Rahmen der Bundesanstalt gefördert werden müssenund dies auch einen Rahmen hat, aber die Frage der Mit-wirkung nur über den Solidaritätsgedanken herstellbar ist.Dagegen können bei einem steuerfinanzierten Lebensun-terhalt (Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe) berechtigt von derÖffentlichkeit erheblich andere Ansprüche an die Mit-wirkungspflicht (eben das Fordern) formuliert werden.

2.2 Unterschiedliche Zielpositionen einzelnerInteressengruppen

Dieses vorgenannte Beispiel macht bereits deutlich, inwelchem Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen ar-

beitsmarktpolitische Ziele definiert werden. Wenn mandie arbeitsmarktpolitische Diskussion über weite Zeit-räume hinweg betrachtet, wird zusätzlich noch der Wan-del der formulierten Zielpositionen einzelner Interessen-gruppen deutlich. Die häufigen Änderungen des AfG’sund des jetzigen SGB III, z.T. noch bevor sie in Kraftgetreten sind, zeigen diese Diskontinuität der arbeits-marktpolitischen Diskussion deutlich.

Ziele von Politikern und Verwaltungen, die Beschäf-tigungsförderung betreiben, können häufig von ihrerMotivation abgeleitet werden. Die Arbeitslosenzahl wirdfür Politiker zum Kriterium für die Bewertung ihrer Poli-tik. Aber wie lässt sich diese Wahlen beeinflussende Grö-ßenordnung steuern? Das stabilitätspolitische Ziel derVollbeschäftigung wird seit 30 Jahren kontinuierlich ver-fehlt und selten nur noch direkt in der makroökono-mischen Debatte verfolgt. Auch die Zielsetzung einessozialdemokratischen Bundeskanzlers die Arbeitslosen-zahl zu senken, wird nicht mit makroökonomischen In-strumenten verfolgt, sondern ergibt sich aus der Gestal-tung der Rahmenbedingungen und der Hoffnung aufeine bessere konjunkturelle Situation in der Weltwirt-schaft. Übersehen wird dabei, dass Beschäftigungspolitiknicht nur ökonomische Ursachen hat, sondern häufigEntwicklungen im Bildungssystem, in der familiärenErziehung, in der Migrationspolitik, der allgemeinenSozialpolitik, der Stadtentwicklungspolitik, der Recht-sprechung, aber auch gesellschaftliche Einstellungsände-rungen spiegelt und deshalb nicht nur mit ökonomischenInstrumenten gesteuert werden kann. Vielmehr ist eineGesamtstrategie für jede Ebene zu entwickeln, die in-einander greift.

2.3 Fiskalpolitische Gründe als Motivation fürdie Arbeitsmarktgestaltung

Aber es bleibt die Arbeitsmarktpolitik i.e.S. als Gestal-tungsfeld. Aber was ist die treibende Kraft für Aktivitä-ten auf diesem Feld? Neben der Erbringung einer Ver-sicherungsleistung bei der Bundesanstalt sind bei denKommunen hauptsächlich fiskalpolitische Gründe an-zuführen, die wirklich Finanzmittel und dadurch arbeits-marktpolitisches Interesse freisetzen. Die Länder habendurch den Anreiz der Kofinanzierung der ESF–Mittel fürBeschäftigungspolitik ein eigenes Gestaltungsfeld gefun-den. D.h. besonders finanzielle Anreize haben dieses Poli-tikfeld zu einem tatsächlichen Handlungsbereich über dieBundesanstalt für Arbeit hinaus werden lassen. In derKonsequenz muss jede Steuerung und Verbreiterung vonArbeitsmarktpolitik dieses materielle Anreizsystem inden Fokus nehmen.

Im Weiteren werde ich dies am Beispiel der Rege mbHdarstellen.

15

Darüber hinaus ist noch über einen größeren Zeitraumfestzustellen, dass auch die Steuereinnahmen und diedamit zur Verteilung anstehenden Finanzmittel denHandlungsrahmen und die Ziele der Arbeitsmarktpolitikbeeinflussen. Dies hat häufig prozyklische Wirkungen,da, wenn Finanzmittel notwendig sind, diese fehlen undüppig ausgestattete Programme in Hochkonjunkturen inZeiten mit einem hohen Handlungsbedarf Standardssetzen, die nicht nötig sind und damit noch weiter diebereits knappen Finanzressourcen einschränken. Diese,schon fast sprichwörtliche, stop-and-go-Politik führt zueinem unsicheren Handlungsrahmen der regional verant-wortlichen Arbeitsmarktakteure.

2.4 Aktueller Konsens: Integration in den1. Arbeitsmarkt

Zur Zeit kann man feststellen, dass ein Konsens über dasZiel „Vermittlung in den 1. Arbeitsmarkt“ besteht (sieheSGB III), aber dass daneben regional unterschiedlicheZielsysteme, insbesondere auch in den Kommunen exis-tieren. So ist nach einer nicht veröffentlichten Umfrage bei24 Kommunen (Landkreise und Städte) das Ziel „dauer-hafte Integration in den 1. Arbeitsmarkt“ für die Ausrich-tung der kommunalen Arbeitsmarktpolitik 22mal aufPlatz 1 und zweimal auf Platz 2 gesetzt worden (Umfrageunter den Mitgliedstädten im Rahmen des Netzwerks „Be-schäftigungspolitik in Kommunen“ (BiK) der BertelsmannStiftung, www.bik-online.de). Die Senkung der Sozialaus-gaben war bei vielen Kommunen deutlich auf Platz 2 oderauf einem anderen Spitzenplatz. Über alle anderen Ziele(z.B. soziale Integration, Verbesserung der Beschäftigungs-fähigkeit, Bereitstellung von sozialversicherungspflichtigenBeschäftigungsverhältnissen) gab es keine große Einigkeit.

Dies zeigt, dass Kommunen mittlerweile den Ihnen vor-geworfenen „Verschiebebahnhof“ nicht oder kaum nochbetreiben, außer die arbeitsmarktpolitische Situation (be-sonders in Ostdeutschland) lässt nichts anderes zu.

Im Folgenden will ich nun beschreiben, wie sich dasobengenannte Ziel in einem Steuerungsprozess darstelltund wo die Schwierigkeiten sind, an denen weiter gear-beitet werden muss.

3. Voraussetzungen in derOrganisation

Die herausgearbeiteten Grundvoraussetzungen für dieBetrachtung von Zielen bestehen in:

a) einem Bewusstsein über Qualität und Wirkung desHandelns in der Beschäftigungsförderung;

b) der klaren Definition der Zielgruppe und somit desAuftraggebers und seiner Motivation, und

c) der Annahme des (aktuellen) Konsens, dass die Ver-mittlung von Arbeitslosen primär in den 1. Arbeits-markt erfolgen soll.

Für eine arbeitsmarktpolitische Steuerungsgesellschaftbedeutet das, diese Ziele im Handeln aller Mitarbeiter/innen zu verankern. Am effektivsten gestaltet sich dasüber einen Zielvereinbarungsprozess mit jeder Abteilungund mit jedem/r Mitarbeiter/in, in dem diese Ziele ge-meinsam kontraktiert werden. Dabei sind die unter-schiedlichen Potentiale der einzelnen Mitarbeiter/innen,und in einem Verhandlungsprozess auch die Unterstüt-zungsmöglichkeiten der Organisation, zu berücksichti-gen. Darüber hinaus ist eine Leitbilddiskussion als stra-tegisches Führungsinstrument zur Veränderung von Hal-tungen, die nicht per Zielvereinbarungen abgesprochenwerden können, notwendig. Gerade das Thema „Fördernund Fordern“, mit der darin enthaltenen restriktivenSeite, entspricht nicht der professionellen Identität vie-ler Sozialarbeiter und -pädagogen. Deshalb müssen zurUmsetzung des Leitsatzes auch eine Einstellungsände-rung mit einer neuen professionellen Identität verbun-den werden. Dies kann nur in einem beteiligungsorien-tierten Organisationsentwicklungsprozess geschehen, dadamit eine Auseinandersetzung zwischen individuellerHaltung einerseits und organisatorischer und inhaltlicherNotwendigkeit andererseits stattfinden kann.

Das Ziel „dauerhafte Integration“ in die Praxis zu ver-folgen, bedeutet Grundlagen frühzeitig zu legen. MitHilfe von Diagnosen der Arbeitsuchenden sind sehr dif-ferenzierte Prozesswege für ihre Integration zu entwi-ckeln, um eine effiziente und effektive Strategie auszu-wählen. Das heißt, die Arbeitsmarktberater sollten so-wohl über eine Diagnose- und Prozesskompetenz verfü-gen als auch über finanzielle Ressourcen, um die Teile,die sie selbst nicht leisten können, bei Dritten in Auf-trag zu geben. Der Einsatz von Instrumenten ist so zusteuern, dass diese auf die individuelle Bedarfssituationund die Notwendigkeiten am Arbeitsmarkt zugeschnit-ten sind. Dabei dürfen nicht Träger den Einsatz von In-strumenten vorschreiben, sondern der diagnostizierteBedarf des Einzelnen sollte im Vordergrund stehen.

Eine Professionalisierung der Arbeitsmarktberater/in istschon deshalb notwendig, um der Verantwortung denArbeitsuchenden gegenüber gerecht zu werden. Die Ar-beit mit Menschen, die während der Arbeitslosigkeit inder Regel mit existentiellen Themen konfrontiert sind,führt oft zu einer Hilflosigkeit der nicht mit einer Prozess-kompetenz ausgestatteten Arbeitsmarktberater. Häufigstoßen in der Beratungssituation zwei Lebenswelten auf-einander, die des öffentlich abgesicherten Beamten/An-gestellten auf der einen Seite und die der mit erheblichen

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Risiken lebenden Arbeitsuchenden. Zusätzlich führt -besonders bei der Arbeitsverwaltung - die Menge derVorschriften und Gesetze, die Einzelgerechtigkeit brin-gen sollen, nicht zu einem adäquaten Vorgehen in derBeratung. Ganz abgesehen von den hohen Beratungsfall-zahlen (bis zu 800 Fälle), die ein adäquates Vorgehen,selbst bei sehr engagierten und kompetenten Beratern,verhindern.

Der Arbeitsprozess der Integration in den 1. Arbeitsmarktwird im folgenden exemplarisch beschrieben. Dabei wirdauf Überlegungen von Claus Reis (div. Schriften, ins-besondere „Personenbezogene Dienstleistungen als Elementder Sozialhilfe“), das Handbuch „Beratung und Integrati-on“ (Bertelsmann Stiftung u.a., 2002) und Helmut Hart-mann (Organisationsmodell zur Arbeitsförderung, 2002)Bezug genommen. Alle drei Schriften reflektieren die inden letzten Jahren aufgebaute Praxis, Sozialhilfe durchein personenbezogenes Fördersystem zielbezogener zugestalten. Ziel ist dabei, (Re-) Integrationsprozesse fürden Einzelfall zu optimieren und dadurch die Belastungder Kommunen in diesem Arbeitsfeld sowohl quantita-tiv als materiell zu minimieren. Dieser Prozess lässt sichaber ohne weiteres auf die Integrationsbemühungen derBundesanstalt für Arbeit übertragen.

4. Arbeitsprozess

Der Arbeitsprozess bei der hier betrachteten Zielgruppeist der Weg einer Person von einem Zustand A (arbeit-suchend, abhängig von Sozialhilfe) zu einem Zustand B(übliche Erwerbstätigkeit, unabhängig von staatlichenTransferleistungen). Dieser Weg ist zu optimieren (schnell,nachhaltig, effektiv und effizient). Im nachfolgendenSchaubild 1 ist der Prozess anhand des Arbeitsablaufesin der Rege mbH dargestellt.

4.1 Erstkontakt

Im Erstkontakt müssen die Leistungsansprüche geprüftund dokumentiert werden. Die mit dieser Aufgabe Be-auftragten in der Kommune müssen, aufgrund des Nach-rangprinzips der Sozialhilfe, alle anderen Finanzierungs-möglichkeiten durch staatliche Stellen sowie sämtlicheEinkünfte der Sozialhilfe überprüfen. Von vielen Kom-munen ist an dieser Stelle eine Zugangssteuerung aufge-baut worden, die die zügige und rechtlich abgesicherteGewährung der Leistungsansprüche, sowie die Identifi-zierung von unberechtigten Ansprüchen und ggfs. dieschnelle Weiterleitung der Sozialhilfebezieher an zustän-dige Stellen gewährleistet.

REGE mbH

Profiling

Sozialdezernat

Antrags-annahme

Fall-bearbeitung

Arbeitsamt

Direktvermittlung

REGE mbH

Eingliederungs-kontrakt

Arbeitssuch-vereinbarung

REGE mbH

Vermittlung

in den

1. Arbeitsmarkt

und Nach-

betreuung

ERFOLGSORIENTIERTE

STEUERUNG

Strategie D

Casemanagement

Integrationsplan

Berufswegeplan

Strategie E

Strategie C

Strategie B

Strategie A

Direkt-vermittlung

Schaubild ISchaubild 1

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Zweitens ist die direkte Vermittlungsfähigkeit zu über-prüfen. Ist diese gegeben und sind entsprechend Stellenvorhanden, ist vorrangig vor Transfer- und Integrations-leistungen die Direktvermittlung vorzunehmen.

Ist dies nicht möglich, besteht die dritte Aufgabe desErstkontaktes darin, den Sozialhilfebezieher auf seineMitwirkungspflicht hinzuweisen. Bei Personen der Ziel-gruppe der Arbeitsuchenden muss besonders deutlichwerden, dass jeder/jede in der Pflicht steht, alles in sei-nen Kräften stehende zu unternehmen, um möglichstschnell aus der finanziellen Abhängigkeit von Transfer-leistungen zu kommen.

Als Viertes sollen die Arbeitsuchenden über Ziele, Inhalteund Methoden des Hilfeverfahrens/Integrationsprozessesinformiert werden. Der bedarfsorientierte Zuschnitt desProzesses und damit das Eingehen auf Ziele, Wünscheund Probleme ist elementarer Bestandteil des Integra-tionsprozesses. Zeitlich kurzfristig verknüpft mit diesemErstkontakt ist ein Beratungsgespräch zu führen, das alsGrundlage für die weitere Hilfeplanung dient.

Ob diese Beratung vom Sozialhilfesachbearbeiter einerOrganisationseinheit innerhalb des Sozialamtes oder in derOrganisationseinheit im Aufgabenfeld Hilfe zur Arbeitdurchgeführt wird, ist abhängig von der Größe der Ge-meinde. Es muss je nach regionaler Situation beurteiltwerden, wann es sich lohnt, arbeitsteilig tätig zu werden.

4.2 Beratung

Im Bereich Hilfe zur Arbeit beginnt ab hier der Bera-tungsprozess, die mit der Integration in den ersten Ar-beitsmarkt enden soll. Dazu ist es notwendig, personen-bezogen die adäquate Eingliederungsstrategie zu finden.Häufig muss ein Assessmentverfahren dazwischen ge-schaltet werden, damit Berater und Klient die Potentia-le besser einschätzen können. In diesem Profilingver-fahren ist eine individuelle Arbeitsmarktanalyse vorzu-nehmen, die die Ressourcen des Klienten und die Ver-mittlungschancen auf dem regionalen Arbeitsmarkt ab-gleichen. Ggfs. sind auch somatische und psychischeDiagnosen vorzunehmen, um Sicherheit in der Nach-haltigkeit der gewählten Strategie oder über begleitendeMaßnahmen zu haben. Daraus ist eine Prozessprognosezu entwickeln, die die notwendigen Interventionsschritteaufgrund der individuellen Situation des Klienten be-schreibt. Je nach gemeinsam festgestelltem Ergebnis sinddie vorzunehmenden Eingliederungsstrategien in einemEingliederungskontrakt festzuhalten.

4.3 Eingliederungsstrategien

Zweckmäßigerweise unterteilt man nach fünf Einglie-derungsstrategien:

Eingliederungsstrategie ADie Arbeitslosen sind voll arbeitsmarktfähig und könnensich selbst helfen. Sie benötigen höchstens Suchhilfen.

Eingliederungsstrategie BArbeitslose mit leichtem Unterstützungsbedarf, Orien-tierungs- und kurzzeitige Vorbereitungsmaßnahmen bzw.Lohnkostenzuschüsse sind hier notwendige Vorausset-zungen für die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt.

Eingliederungsstrategie C

Hier müssen die beruflichen und sprachlichen Qualifi-kationen den Markterfordernissen angepasst werden. Essind Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmenanzubieten.

Eingliederungsstrategie D

Hier liegt ein komplexer Hilfebedarf vor und es sindmehrere aufeinander abgestimmte Maßnahmen, die so-wohl arbeitsmarktgerichtet sind als auch sozial stabilisie-rend wirken, anzubieten.

Eingliederungsstrategie E

Hier liegen massive Vermittlungshemmnisse vor und esgeht um die Sicherung des Grundbedarfes und eher so-zial- als arbeitsmarktpolitische Interventionen.

Bei den Strategien D und E bietet es sich an, ein Case-managementverfahren anzuwenden, da hier häufig ver-schiedene Institutionen ineinandergreifend arbeiten müs-sen.

Jeder Eingliederungsstrategie sind Instrumente zugeord-net wie beispielhaft für die Rege mbH im Schaubild 2dargestellt (siehe Seite 16).

5. Einzelcontrolling, regionaleGesamtsteuerung undBenchmarking

5.1 Einzelcontrolling

Am Ende eines Integrationsprozesses gilt es, das wesent-liche Ziel, ob eine nachhaltige Eingliederung in den ers-ten Arbeitsmarkt erfolgt ist, zu überprüfen.

Diese Forderung kann z.Zt. für alle arbeitsmarktpoli-tischen Akteure (einschl. der Bundesanstalt für Arbeit)nur bedingt erfüllt werden, da Überprüfungsinstrumenteebenfalls nur bedingt die Informationen liefern. So ha-ben Befragungen häufig nur eine geringe Rücklaufquote,insbesondere, wenn man die Nachhaltigkeit über sechsMonate abprüfen will. In der Praxis wird weitestgehendein Negativabgleich mit der Sozialhilfe- oder Arbeits-losendatei durchgeführt, aus der festgestellt werden kann,ob eine Person wieder Sozialhilfe- bzw. Arbeitslosengeld/

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-hilfeempfänger ist oder nicht. Dieselbe Methode ermög-licht es auch, zeitliche Falluntersuchungen zu unterneh-men um feststellen, wie nachhaltig der Integrationspro-zess bzgl. der Zahlungen ist.

Um allen arbeitsmarktpolitischen Akteuren hier einegrößere Gewissheit zu geben, sollte ein Datenaustauschmit den Sozialversicherungen angestrebt werden, da hierdie Beschäftigung am besten dokumentiert wird.

Da der arbeitsmarktpolitische Erfolg häufig von der Lagedes Arbeitsmarktes abhängig ist (konjunkturelle, regio-nale Einbrüche), sind neben den tatsächlichen Integra-tionserfolgen auch Kompetenzerweiterung und sozialeStabilisierung zu erfassen. Diese Faktoren sind unter demIndikator „Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit“ (Em-ployability) zu beschreiben. Bisher gibt es allerdings nochkein einheitliches Verfahren bzw. Indikatoren, um dieErhöhung der Beschäftigungsfähigkeit festzustellen. Fürdie zusätzliche Bewertung der arbeitsmarktpolitischenLeistung müssen bundeseinheitliche Standards entwi-ckelt werden.

Das Verlaufscontrolling über die Wirksamkeit der Maß-nahmen kann in der Regel nur durch Vergleich von Fäl-len mit unterschiedlichen Verläufen erfolgen. Unter fi-

nanziellen Gesichtspunkten könnten, soweit eine ent-sprechende Kostenerfassung vorliegt, die Kosten der ein-zelnen Maßnahme mit der individuell eingesparten So-zialhilfe bzw. Arbeitslosengeld/-hilfe abgeglichen werden.

5.2 Steuerung

Die Gesamtsteuerung des Integrationssystems setzt einePrognose über die Anzahl der Personen voraus, die in dasHilfesystem eintreten und eine entsprechende Prognoseüber die Bedarfe der unterschiedlichen Eingliederungs-strategien. Auf der Grundlage dieser Prognose sind Maß-nahmen zu entwickeln bzw. vorzuhalten, die eine hoheFlexibilität beinhalten, damit die individuell notwendi-gen Integrationsschritte zeitnah erfolgen können.

Dieser Paradigmenwechsel von der angebotsorientiertenArbeitsmarktpolitik (Beschäftigungs- und Qualifizie-rungsträger entwickeln Maßnahmen und diese werdenmit der Zielgruppe besetzt) hin zu einer nachfrageorien-tierten, den individuellen Entwicklungsschritten ange-passten Maßnahmestruktur ist notwendig, um den fle-xiblen und zeitnahen Anforderungen des Arbeitsmarktszu genügen.

Stabilisierung, Arbeitserprobung und

Arbeitsgewöhnung

• Beratung

• Coaching

• Arbeitserprobungs-maßnahmen

• Stadtteilprojekte

• Maßnahmen zur Diagnose

• Maßnahmen zurOrientierung

• ASH Beschäftigungen

•Therapie –Beschäftigungen

Orientierung und Qualifizierung für den ersten Arbeitsmarkt

• Beratung

• Coaching

• Orientierungs-seminare

• Kurzqualifizierungen

• Praktikum

• Umschulungen

• Einstufungstest

• Erprobungs-maßnahmen

• Qualifizierungs-zuschüsse

• Sprachkurse

Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt

mit und ohne Lohnkostenzuschuss

(LKZ)

• Beratung

• Coaching

• Orientierungs- undKurzdiagnose-seminare

• Assessment

• Erprobungsmaß-nahmen

• Praktikum

• Einarbeitszuschüsse(LKZ)

• Anpassungsquali-fizierungen

• Kombilohn undHilfen nach 18,5(BSHG)

• NichtgewerbsmäßigeArbeitnehmerüberl.

Psychosoziale Unterstützung,Drehscheibe für

soziale Dienstleistungen

• Beratung

• Betreuung

• Coaching

• Aufsuchende Hilfen

• Tagesmütter-netzwerk

Strategie D Strategie EStrategie C Strategie A + B

Ziele

Instrumente z. B.:

Schaubild 2

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5.3 Gesamtleistung

Für Auftraggeber ist es wichtig, die Gesamtleistung ei-nes Systems zu beurteilen, um die Effekte der Vermitt-lung, aber auch den Kosten/Nutzen-Effekt zu überprü-fen. Das Integrationssystem hat sowohl individuell sta-bilisierende, für den Arbeitsmarkt qualifizierende, dieSelbsthilfe stärkende, als auch fiskalpolitische Wirkun-gen. Wenn man aufgrund fehlender Indikatoren für dieErfassung der Zielerreichung sich nur auf die fiskalpoliti-sche beschränkt, dann bemisst sich die Gesamtleistungdes Systems an der Differenz zwischen den Aufwendun-gen und der eingesparten Sozialhilfe. Hier gibt es zweiWege:

1. Als erster Schritt kann die Amortisationsdauer errech-net werden, in dem die Kosten des Teilnehmers vorMaßnahmebeginn durch die durchschnittlichen Maß-nahmekosten pro Teilnehmer geteilt werden. Dieskann dann als Durchschnittssatz für das Gesamtsys-tem hochgerechnet werden.

2. Es werden feste Zeiträume angegeben, wie lange Ar-beitslose ohne arbeitsmarktpolitische Intervention imSystem verbleiben würden, diese werden mit der in-dividuellen Transferleistungshöhe multipliziert unddann den Aufwendungen gegenüber gestellt (siehe dasnachfolgende Beispiel der Rege mbH)

Auch hier bietet es sich an, den Anteil der unterschiedli-chen Eingliederungsstrategien an der Gesamtleistungdifferenziert zu untersuchen.

5.4 Benchmarking

Benchmarking bei der Erbringung öffentlicher Dienst-leistungen kennzeichnet systematische Vergleichsprozessevon Geschäftsprozessen und Produkten verschiedenerOrganisationen, die sich dann an derjenigen Organisa-tion orientieren, die die besten Ergebnisse erbracht hat.

Benchmarking eignet sich daher für eine überregionaleBewertung und eine daraus abgeleitete Verbesserung dereigenen Tätigkeit.

In der Arbeitsmarktpolitik sind unter Berücksichtigungder regionalen Rahmenbedingungen von allen Beteilig-ten akzeptierte und gleich erfasste Indikatoren aufzustel-len, die eine bundesweite Vergleichbarkeit sicherstellen.Erste Ansätze sind sowohl in der Bundesanstalt fürArbeit als auch mit Hilfe des Projektes BIK der Ber-telsmann Stiftung für Kommunen (siehe ausführlicherdazu www.BIK-online.de) erarbeitet worden. Vorher sindbereits Teile kommunaler Arbeitsmarktpolitik im Rah-men der Vergleiche der Sozialhilfe untersucht worden.

6. Praxisbeispiel – Steuerung derREGE mbH

6.1 Die REGE als kommunaler Arbeitsmarkt-dienstleister

Die Regionale Personalentwicklungsgesellschaft (RegembH) ist als Beratungs- und Managementgesellschaft seit1993 für die Stadt Bielefeld mit dem Ziel der arbeits-marktpolitischen Integration tätig. Im Jahr 2001 hat derRat der Stadt Bielefeld beschlossen, den Auftrag der RegembH zu erweitern. Es sollten nicht nur alle arbeitsfähi-gen Neuantragsteller für Sozialhilfe, sondern darüberhinaus noch nach und nach alle die dauerhaft in derSozialhilfe verblieben sind, beraten werden. Gleichzei-tig wurde das Prinzip „Fördern und Fordern“ eingeführt,in dem allen, die in das Beratungssystem eintreten, einAngebot gemacht wird und nur die Mitarbeit zur Fort-führung der Unterstützungsleistung führt. Da erheblichmehr kommunales Geld für die Umsetzung bereitgestelltwerden sollte, und dies bei knapper werdenden kommu-nalen Finanzmitteln, war gleichzeitig ein für die Stadt-verwaltung nachvollziehbares Controllingsystem zu in-stallieren. Dies wurde von Herbst 2001 bis Frühjahr 2002zwischen Stadt Bielefeld und Rege mbH verhandelt. Indiese Zeit fiel nicht nur ein erstmaliges Haushaltssiche-rungskonzept der Stadt Bielefeld, sondern auch der amAnfang erwähnte „Vermittlungsskandal“ der Bundesan-stalt für Arbeit. Damit stand das politische Vorhabenunter einem erheblichen Legitimationsdruck. Entspre-chend sind auch die Ergebnisse als Kompromiss zwischenarbeitsmarktpolitischen Erfordernissen und den eineräußerst sparsamen Haushaltsführung zu bewerten. DasGrundprinzip ist aber gewährleistet, nämlich eine Über-prüfung der Erfolge arbeitsmarktpolitischer Maßnahmenmit geldwerten Leistungen und dies nachvollziehbar fürAuftraggeber (Stadt Bielefeld) und Auftragnehmer (RegembH) (siehe Schaubild 3 Seite 17).

6.2 Arbeitsteilung

Zwischen der Sozialverwaltung und der Rege mbH wur-de folgende Aufgabenverteilung festgelegt:

• Aufgabe der Sozialverwaltung ist einerseits die Ent-scheidung über sozialhilferechtliche Leistungsansprü-che sowie andererseits die sozialarbeiterische Betreu-ung mit besonderen psychosozialen Betreuungsbe-darf, die temporär nicht arbeitsfähig sind (Integra-tionsstrategie E) und erst nach erfolgter sozialpoliti-schen Maßnahmen in die Arbeitsmarktintegrationzurückkehren können.

• Aufgabe der Rege mbH sind Beratung, Qualifizierungund Vermittlung der arbeitsfähigen Hilfesuchenden

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in den ersten Arbeitsmarkt. Dabei hat sie jede/m Ar-beitsfähigen nach den individuellen Fähigkeiten dieVoraussetzungen für eine Integration in den ersten Ar-beitsmarkt zu schaffen.

Ziel ist die Vermittlung möglichst vieler Personen in denersten Arbeitsmarkt oder in eine betriebliche Ausbildung.Dabei sollen die Vermittlungserfolge dazu führen, dassSozialhilfezahlungen eingestellt oder zu mindestens re-duziert werden.

A u f g a b e n v e r t e i l u n g S t a d t B i e l e f e l d u n d R E G E m b H

S t a d t B i e l e f e l dF in a n z ie l l e u n d i n h a l t l i c h e G e s a m t s t e u e r u n g in c l . C o n t r o l l i n g

Ü b e r p r ü f u n g d e r L e i s t u n g s a n s p r ü c h e u n d A u s z a h lu n g s f u n k t i o n

A u f g a b e n d e le g a t io n m i t B e r e i t s t e l l u n g V e r lu s t a u s g le i c h

R E G E m b HA u f g a b e n :

B e r a t u n g u n d V e r m i t t l u n g , A r b e i t n e h m e r ü b e r la s s u n g , P la n u n g u n d S t e u e r u n g a l le r A r b e i t s m a r k t i n s t r u m e n t e ,

O r g a n is a t i o n d e r D u r c h f ü h r u n g , K o n t r o l l e

I n s t r u m e n t e n b e z o g e n e D ie n s t l e i s t e rD u r c h f ü h r u n g v o n I n t e g r a t i o n s le i s t u n g e n

( A s s e s s m e n t , Q u a l i f i z i e r u n g , B e s c h ä f t i g u n g , s p e z ie l l e B e r a t u n g s a n g e b o t e , s o z ia le D ie n s t e e t c . )

Schaubild 3

6.3 Voraussetzung für die Steuerung

Die Zielfestlegungen basieren auf den Erfahrungen derletzten Jahre und beinhalten für die Steuerung:

• eine Verteilung der Sozialhilfebezieher nach Einglie-derungsstrategien (siehe Schaubild 1) und die Pla-nung der Verteilung Schaubild 4

• Höhe der individuellen Sozialhilfe (durchschnittlichfür Erwachsene 500 € , für Jugendliche 375 € )

Schaubild IV

Planung der Integrationsstrategien zur Vorkalkulation

1900

1000

500

1100

4500

Kategorie A Kategorie B Kategorie C Kategorie D Kategorie E100 1300 1700 800 600

Aufteilung d. Kosten 3% 27% 38% 30% 2%Aufteilung d. Erträge 20% 19% 42% 19% 0%

Orientierung ausschl.Coaching Auswegberatg. Casemanagement

500 350 500 100

ausschl.Coaching Qualifizierung Beschäftigung100 750 100

Orientierung ausschl.Coaching Orientierung ausschl.Coaching

500 400 150 100

LKZ u.ä. Qualifizierung Beschäftigung400 300 250

bereits im Coachingprozess:

Summe:

Zugang

Neuantragsteller:

Bestand Stadt:

bereits in Maßnahmen:

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• bei unveränderter Zusammensetzung und Höhe derHilfe zum Lebensunterhalt

• keine Verschlechterung der arbeitsmarktpolitischenSituation

6.4 Zielgrößen

Die Tätigkeit der Rege mbH wird aus monetärer Sichtals Erfolg gewertet, wenn die infolge der Vermittlungs-tätigkeit der Rege mbH nicht mehr an Personen zu leis-tende Sozialhilfe höher ist als der anteilige Verlustaus-gleich der Stadt Bielefeld für die Kosten der Rege mbH.

Die zu erreichenden Vermittlungszahlen werden von derBasis des Jahres 2000 mit einer 10 %igen Steigerungenin jedem Jahr angesetzt.

Entsprechend den Eingliederungsstrategien soll von derZielzahl des Jahres (im Jahr 2002: ca. 700 nachhaltigeVermittlungen) ein entsprechender Anteil erreicht wer-den:

Eingliederungsstrategie A und B: 50 %

Eingliederungsstrategie C: 37 %

Eingliederungsstrategie D: 13 %

6.5 Bemessungsgrößen

Der Erfolg muss innerhalb eines Zeitraums von zwölfMonaten nach Erstkontakt mit der Rege mbH oder nachEnde einer Maßnahme (Lohnkostenzuschuss, Qualifizie-rung, Beschäftigung) eintreten, um der Rege mbH vollzugerechnet zu werden. Danach wird nur noch ein An-teil von 50 % bewertet.

Für die Höhe des Erfolgs wird die Nettosozialhilfe allerMitglieder der Bedarfsgemeinschaft im letzten Monat vorArbeitsaufnahme zzgl. 15 % Regelsatzzuschläge errech-net.

Der Controllingzeitraum richtet sich auch nach der Ein-gliederungsstrategie. Da davon ausgegangen wird, dassdie Personen je nach Kenntnissen und Fertigkeiten un-terschiedlich lang ohne arbeitsmarktpolitische Interven-tion in der Sozialhilfe wären. Die Zeiträume sind ent-sprechend gestaffelt:

A und B 12 Monate

C 18 Monate

D 24 Monate

Monatlich wird ein Abgleich vorgenommen, so dass zeit-nah Ergebnisse kommuniziert werden.

Sollte weiterhin ergänzende Sozialhilfe trotz Vermittlunggezahlt werden, wirkt sich dieser Betrag mindernd aus.Dies ist auch der Fall, wenn die vermittelte Person in-

nerhalb der Betrachtungszeiträume erneut Sozialhilfebeantragt.

6.6 Fazit zum Steuerungsmodell der REGE mbH

Wie im Schaubild II gezeigt wird, sind die Instrumentefür die jeweiligen Zielgruppen unterschiedlich oder siedifferieren in ihrer zeitlichen Dauer. So ist der Einsatzvon Personen der Integrationsstrategie A und B für dieREGE mbH ökonomisch lukrativer als Eingliederungs-strategie D. Da aber jeder Person ein Angebot gemachtwird, um das Ziel der Integration zu erreichen, ist deut-lich, dass auch die Personen, deren Integration teuer ist,berücksichtigt werden müssen. Außerdem wird sich beider Prüfung der Nachhaltigkeit der Vermittlung auch dieVermittlung von schwierigen Klientel in der Regel sichnicht positiv bewerten lassen (und wenn doch, ist mög-licherweise eine falsche Diagnose der Grund). Durch dieFestlegung der zu erwartenden Kategorien im Planungs-modell (Schaubild IV) und den dafür vorgehaltenenKapazitäten, werden außergewöhnliche Verschiebungenvon erheblichen Größenordnungen nach außen transpa-rent und müssen begründet werden. Da für die unter-schiedlichen Eingliederungsstrategien auch verschiede-ne organisatorische Bereiche tätig sind, ist eine schlei-chende Entlastung nicht möglich. Bei Verschiebungenmüssen die Budgets geändert werden und so ist eineTransparenz gegeben. Der Zwang zur kostenmäßigenOptimierung der jeweiligen Eingliederungsstrategienbesteht, da die ökonomisch günstigen die ungünstigenEingliederungsstrategien mit finanzieren, wie das Schau-bild 4 in der den Strategien zugeordneten Kosten undErträge zeigt (Die Strategie E weist nur Schnittstellen-kosten aus, da diese Integrationsarbeit im Sozialdezernatgeleistet wird). So sind die verschiedenen Integrations-strategien monetär bewert- und steuerbar. Selbst die je-weiligen Berater können damit ihr Handeln ökonomischeinsehen und steuern.

7. Resümee

Das beschriebene Beispiel der Rege mbH ist gewiss nichtder Stein der Arbeitsmarkt-weisen, aber er ist ein ersterEntwicklungsschritt zur Wiedergewinnung von Glaub-würdigkeit, Handlungsfähigkeit und eine Möglichkeitzur Verantwortungsübernahme für regionales arbeits-marktpolitisches Handeln. Dass die rein ökonomischeBetrach-tung zu kurz greift und mehrere Zielindikatorenin einem abgestimmten Verhältnis miteinander korres-pondierend aufgestellt werden müssen, ist auch für dieRege mbH der jetzt folgende Schritt. Dieser kann aber

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nur in einem größeren Gefüge gemacht werden, um nichtregional manipulierbar zu sein. Die Arbeitsmarktpolitikdes Landes Nordrhein – Westfalen mit ihren Zielverein-barungen für die Regionen könnte eine nächste Basissein, um Steuerung weiter auszubauen. Auch sind dieErfahrungen der Bundesanstalt für Arbeit zu nutzen,wobei klare Zieldefinitionen über geldwerte Berechnun-gen dort noch nicht einbezogen sind (siehe Mosley,Schütz, Breyer: Management by objectives in EuropeanPublic Employment Services, WZB 2001 und Mosley,Schütz, Schmid: Effizienzmobilisierung der Arbeitsver-waltung, WZB 2002).

Damit sollte es Schritt für Schritt der Arbeitsmarktpolitikgelingen, den Stellenwert zu bekommen, der ihr gebührt,aber auch nicht mehr. Nur so sind Projektionen in die-

ses Politikfeld vermeidbar und auch die Akteure werdensich über Machbarkeit und ihrer entsprechenden Verant-wortung, aber auch der Grenzen bewusst. So kann Raumfür eine Weiterentwicklung im Wettbewerb der Regio-nen zugunsten des gesamtgesellschaftlichen Ziels der Ab-bau der Arbeitslosigkeit entstehen.

Zum Autor

Rainer Radloff ist Geschäftsführer der Regionalen Per-sonalentwicklungsgesellschaft mbH, Bielefeld (REGE)

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Steuerung der kommunalen Beschäftigungsförderung

Welche Informationen können aus dem Fallmanagement zur Steuerungder kommunalen Beschäftigungsförderung gewonnen werden?

Von Marie-Louise Roberg

1. Ausgangslage

Eines der wichtigsten Ziele der kommunalen Beschäf-tigungsförderung ist die Integration der Sozialhilfe be-ziehenden Personen in den ersten Arbeitsmarkt. Um die-ses Ziel zu erreichen, muß sie die Rahmenbedingungendazu schaffen und diese steuern.

Im Nachfolgenden soll beschrieben werden, welche Infor-mationen aus einem differenzierten einzelfallorientiertenFallmanagementsystem zur Steuerung der kommunalenBeschäftigungsförderung gewonnen werden können.

In Abgrenzung zum Case Management, daß sich einer-seits an den individuellen Bedarfen der Klienten undKlientinnen orientiert und andererseits die Planung undSteuerung eines Versorgungsangebotes beinhaltet, schließtdas Fallmanagement nur die Fokussierung auf den Be-darf des Einzelfalles ein. Gleichwohl nutzt das Fallma-nagement im Rahmen der Hilfeplanung ein vorhande-nes Ressourcennetzwerk, steuert es aber nicht.

Im Rahmen der kommunalen Beschäftigungsförderungmüssen zwei Steuerungsebenen, die Makro- und die Mi-kroebene, unterschieden werden.

Die Makroebene schafft die Rahmenbedingungen, dieerforderlich sind, um das Ziel der Integration von Sozial-hilfeempfängern und -innen in den Arbeitsmarkt zu er-reichen. Dies beinhaltet auch die Steuerung und Planungeines notwendigen Ressourcennetzwerkes.

Die Mikroebene steuert dagegen im Rahmen des Fall-managements die einzelfallorientierte Förderung undIntegration der Arbeit suchenden Sozialhilfeempfängerund -innen in den Arbeitsmarkt. Zu diesem Zweck müs-sen Verfahren entwickelt werden, die einerseits die Qua-lität und den Erfolg eines Beratungs- und Integrations-prozesses abbilden können und andererseits steuerungs-relevante Informationen liefern, um rechtzeitig Zielab-weichungen zu erkennen. Die Mikroebene wird dadurchin die Lage versetzt, bei Zielabweichungen frühzeitig ge-gen zu steuern.

Im Nachfolgenden wird zunächst die Mikroebene ge-nauer betrachtet. Anschließend wird untersucht, welche

steuerungsrelevanten Informationen und Planungsdatenaus der Mikroebene für die Makroebene zur strategischenAusrichtung der kommunalen Beschäftigungsförderungvon Bedeutung sind.

2. Mikroebene

Ziel eines einzelfallorientierten Ansatzes ist es, nach ei-ner eingehenden Beratung und Anamnese, unter Berück-sichtigung einer lokal spezifischen Arbeitsmarktsituation,einen Hilfeplan zu erstellen, der unterschiedliche Hilf-sangebote kombiniert, um das Ziel der Integration derarbeitsuchenden Person in den 1. Arbeitsmarkt zu errei-chen.

Profiling und Hilfeplanung nehmen insoweit eine beson-dere Rolle als zentrales Lenkungs- und Steuerungsinstru-ment für die Mikroebene ein.

Das Profiling muß zunächst Auskunft über die Potenti-ale und Defizite der Arbeit suchenden Person geben undim Ergebnis zu einer Einstufung der Vermittlungsfähig-keit kommen.

Folgende Einstufungen sind denkbar:

• uneingeschränkt vermittelbar• gut vermittelbar• bedingt vermittelbar• schwer vermittelbar• temporär nicht vermittelbar• dauerhaft nicht vermittelbarWährend die ermittelten Potentiale als Grundlage für dieberufliche Entscheidungsfindung dienen können, erge-ben sich aus den Defiziten Handlungsnotwendigkeiten(Teilziele), die im Rahmen der Hilfeplanung aufgegrif-fen werden müssen, um die Vermittlungsfähigkeit derArbeit suchenden Person zu steigern. Der Hilfeplan legtdie beruflichen und persönlichen Qualifizierungsschritte,die Zuständigkeiten, den zeitlichen Ablauf und die Kos-

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ten zur Umsetzung dieser Schritte fest und schafft somitStruktur und Transparenz innerhalb des Integrations-prozesses.

Der Hilfeplan kann daher eine Reihe von steuerungs-relevanten Informationen liefern. Im Einzelnen sind dies

1. Integrationsdauer (Zeitraum zwischen Beratungsbe-ginn und erfolgreicher Vermittlung)

2. Art und Anzahl der festgelegten Teilziele3. Umsetzungsgrad dieser Teilziele (Anzahl der erfolg-

reich ausgeglichenen Qualifikations- und Motiva-tionsdefizite sowie die Beseitigung von Vermittlungs-hemmnissen)

4. Kosten

3. Operatives Controlling

Zur Unterstützung der Mikroebene bei der Steuerung desBeratungs- und Integrationsprozesses ist es nun erforder-lich, auf Grundlage des Profilings und des Hilfeplanesein Controllingsystem zu implementieren, das geeigne-te Informationen bereitstellt und zukunftsorientiert aus-wertet, um Hinweise auf mögliche Zielabweichungen imRahmen des Integrationsprozesses zu liefern.

Controlling wird allgemein als ein Instrument zur Füh-rungsunterstützung durch die Bereitstellung von geeig-neten Informationen im Rahmen des Managementpro-zesses Planung, Durchführung und Kontrolle definiert.Es ist jedoch weder in der Lage eine Ursachenanalyse zugeben, noch ersetzt es die konkreten Steuerungsmaß-nahmen. Ein Controllingsystem ist daher nur in der Lage,detaillierte Informationen komprimiert darzustellen, umHinweise auf mögliche Zielabweichungen zu liefern. DieBewertung der Informationen und ggf. die darauf basie-renden steuerungsrelevanten Entscheidungen verbleibenbei den entsprechenden Steuerungsebenen.

Es ist zwischen einem strategischen (Zielsetzungscon-trolling) und einem operativen (Zielerreichungscontrol-ling) Controlling zu unterscheiden.

Das strategische Controlling unterstützt die Makroebenebei der Frage, ob die richtigen Ziele definiert und dasoperative Controlling, ob diese Ziele erreicht wurden.

Beispiel

Auf der Makroebene wird das strategische Ziel definiert„Förderung der deutschen Sprachkompetenz bei Migran-ten und -innen". Im Rahmen der Planung werden dar-auf hin Angebote entwickelt, die z.B. eine Kombinationaus Spracherwerb und Beschäftigung bilden.

Das strategische Controlling muß in diesem Zusammen-hang die Frage beantworten, ob das Ziel "Förderung derdeutschen Sprachkompetenz bei Migranten und -innen"richtig ist. Aus dem Controlling heraus müssen also In-formationen bereitgestellt und zukunftsorientiert ausge-wertet werden, die Aussagen enthalten, ob ein entspre-chender Bedarf auf der Mikroebene, also bei den Fall-managern, überhaupt nachgefragt wird und ob dieses Zieldazu beiträgt, die Integration von Migranten und Mi-grantinnen in den 1. Arbeitsmarkt zu verbessern.

Das operative Controlling muß dagegen die Frage beant-worten, ob die Sprachkompetenz der Migranten durchdieses Ziel und die darauf basierende Planung und Ent-wicklung eines Angebotes tatsächlich verbessert wurde.

Weil die qualitative Steuerung im Rahmen des operati-ven Controllings und die Erfolgskontrolle des Fallma-nagements im Wesentlichen aus den Erkenntnissen desProfilings erfolgt, ist es sinnvoll, zu einer neutralen Er-hebung des Profils zu gelangen. Nur so kann sicherge-stellt werden, das durch den Fallmanager keine falschenEinstufungen vorgenommen werden, um somit Einflußauf die Bewertung des Integrationsprozesses zu nehmen.

In Hamm erfolgt das Profiling teilweise innerhalb eines4-wöchigen Seminars. Zum Abschluß erfolgt eine Bewer-tung der Teilnehmer/innen durch die Dozenten und Per-sonaldisponenten. Die Einstufung der Vermittlungsfä-higkeit wird aus dem Durchschnitt der Bewertungenvorgenommen. Für die Zukunft wäre zu überlegen, obzudem eine Bewertung des zuständigen Sachbearbeitersim Sozialamt mit in die Gesamtbewertung einfließensollte.

Nachfolgend werden Kennziffern definiert, die steue-rungsrelevante Informationen liefern und zur Bewertungder Qualität des Integrationsprozesses beitragen können.

3.1 Integrationsdauer

Die Integrationsdauer steht in Relation zur Vermittlungs-fähigkeit des Klienten. Je positiver die Vermittlungs-fähigkeit prognostiziert wird, desto geringer muß die Zeitzur Umsetzung des Hilfeplanes sein.

Zur Bewertung der Integrationsdauer ist es erforderlichSollwerte (Ziele) festzulegen. Diese müssen realistischsein und sich auf die einzelnen Stufen der Vermittlungs-fähigkeit beziehen. Um so länger die Integrationszeit proPerson ist, desto höher sind die Kosten im Rahmen derHilfe zum Lebensunterhalt.

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Beispiel

Vermittlungsfähigkeit DurchschnittlicheIntegrationsdauer

1. Uneingeschränkt vermittelbar 3 Monate

2. gut vermittelbar 12 Monate

3. Bedingt vermittelbar 24 Monate

4. Schwer vermittelbar 36 Monate

5. Temp. nicht vermittelbar Keine Vorgabe

6. Dauerhaft nicht vermittelbar

Die tatsächliche Integrationsdauer wird durch Bildungder Differenz zwischen Zeitpunkt der Integration in den1. Arbeitsmarkt und Aufnahme des Beratungsprozessesermittelt.

Liegt die durchschnittliche Integrationsdauer unter derfür die jeweilige Einstufung der Vermittlungsfähigkeitvorgegebenen Zeit, könnte dies ein Hinweis für eine hoheQualität und Effizienz innerhalb des Integrationspro-zesses sein. Liegt sie dagegen darüber, könnte dies einHinweis auf Probleme innerhalb des Fallmanagementssein.

3.2 Art und Umfang der festgelegten Teilziele

Aus dem Profiling ergeben sich Handlungsnotwendig-keiten (Teilziele), die im Rahmen der Hilfeplanung auf-gegriffen und mit den Arbeit suchenden Personen zurSteigerung der Vermittlungsfähigkeit vereinbart werdenmüssen.

Die Differenz zwischen denen im Hilfeplan vereinbar-ten Teilzielen zu denen im Profiling ermittelten Hand-lungsnotwendigkeiten, gruppiert nach Themenberei-chen, kann als weitere steuerungsrelevante Informationdienen.

Ist die Differenz sehr gering, sind die Handlungsnot-wendigkeiten aus dem Profiling in einem hohen Maßein die Hilfeplanung eingeflossen. Dies könnte auf einehohe Qualität und Effizienz innerhalb des Integrations-prozesses hinweisen. Ist sie dagegen sehr hoch, könntedies ein Hinweis auf Probleme innerhalb des Fallmana-gements oder des Profilings sein.

3.3 Umsetzungsgrad der Teilziele

Während die Art und der Umfang der festgelegten Teil-ziele lediglich Auskunft darüber gibt, inwieweit die Hand-lungsbedarfe aus dem Profiling in die Hilfeplanung alsTeilziele eingehen, wird im Rahmen des Umsetzungsgradesder Teilziele ermittelt, ob die vereinbarten Teilziele auchtatsächlich erreicht werden.

Die Kennziffer mißt also das Verhältnis zwischen den er-folgreich erledigten Teilzielen zu allen, die innerhalb des

Bewertungszeitraumes umgesetzt sein sollten. Ein hoherUmsetzungsgrad läßt auf eine hohe Qualität und Effizi-enz der Beratungstätigkeit schließen, während ein nied-riger Umsetzungsgrad auf Probleme im Fallmanagementhinweist.

Kosten

Das durchschnittlich zur Verfügung stehende Budget proPerson steht ebenfalls in Relation zur Vermittlungsfä-higkeit. Auch hier gilt, je positiver die Prognose, destoweniger Finanzressourcen stehen zur Verfügung.

Beispiel

Vermittlungsfähigkeit Durchschnittliche Durchschnittl.Integrationsdauer Budget/Person

1. Uneingeschränkt 3 Monate 1.000 €vermittelbar

2. gut vermittelbar 12 Monate 5.000 €

3. bedingt vermittelbar 24 Monate 15.000 €

4. schwer vermittelbar 36 Monate 10.000 €

5. temp. nicht vermittelbar Keine Vorgabe 5.000 €

6. dauerhaft nichtvermittelbar

Die Kennziffer Kosten mißt die eingesetzten Finanz-ressourcen in Relation zur Vermittlungsfähigkeit proBerater und gibt daher wichtige Informationen zur Wirt-schaftlichkeit des Integrations- und Beratungsprozesses.Liegen die eingesetzten Finanzmittel erheblich über denDurchschnittswerten, so könnte dies ein Hinweis aufmangelnde Wirtschaftlichkeit innerhalb des Integrations-prozesses sein.

Teilnehmerzufriedenheit

Darüber hinaus sollte die Teilnehmerzufriedenheit alssteuerungsrelevante Information mit in das Controlling-verfahren integriert werden. Hier sind Daten zu ermit-teln, die die Zufriedenheit der Arbeit suchenden Perso-nen innerhalb des Integrationsprozesses widerspiegelnkönnen.

Das operative Controlling ist jedoch weder in der Lageeine Ursachenanalyse zu geben, noch ersetzt es die kon-kreten Steuerungsmaßnahmen. Es ist lediglich in derLage, analog eines Fieberthermometers anzuzeigen, obder individuelle Beratungs- und Integrationsprozeß aneiner Stelle krankt. Die Diagnose und Bewertung dergewonnen Informationen verbleibt auf der Mikroebene.Ggf. sind dort weitere Daten zu erheben, um eine ge-nauere Bewertung vorzunehmen. Das Controlling, gleichauf welcher Ebene, stellt somit nur eine Unterstützungfür die Entscheidungsträger dar.

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4. Makroebene

Aufgabe der Makroebene ist es, strategische Ziele für diekommunale Beschäftigungsförderung zu setzen und da-raus abgeleitet Angebote zu entwickeln und zu steuern.Dies beinhaltet Planungs-, Steuerungs- und Kontroll-funktionen.

Makroebene

Planung Steuerung Kontrolle(z.B. Ressourcen-netzwerk)

Daneben beinhaltet Makroebene eine Koordinierungs-funktion zwischen den einzelnen Arbeitsmarktakteurenund Trägern.

Auf die strategische Zielbildung nehmen bislang ins-besondere folgende Faktoren Einfluß:

• Armutsberichte/Sozialraumanalysen/Sozialhilfestatis-tiken

• Arbeitsmarktanalysen• Rechtliche und politische Rahmenbedingungen• Interessenvertretungen (arbeitsmarktpolitische Akteure)

Die strategische Zielbildung erfolgte somit bislang wei-testgehend unabhängig von den Erkenntnissen, die auseinem einzelfallorientierten Fallmanagementsystem ge-wonnen werden könnten. Aggregierte Informationen ausdem Fallmanagement sind jedoch im besonderen Maßedazu geeignet, die Makroebene im Rahmen ihrer Pla-nungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben zu unterstüt-zen.

Zur Bildung von strategischen Zielen im Rahmen derkommunalen Beschäftigungsförderung ist es daher erfor-derlich, Planungsdaten aus einem einzelfallorientiertenFallmanagement zu erheben und Informationen bereitzu stellen, die dazu geeignet sind, die Frage zu beantwor-ten, ob die richtigen strategischen Ziele definiert wur-den.

Die Makroebene hat somit den Anspruch auf Planungs-und Controllinginformationen aus dem Fallmanagement.

5. Aggregierte Planungsdaten

Zur strategischen Zielbildung ist es erforderlich, nebenallgemeinen Planungsdaten aus der Sozialhilfe, dem re-gionalen Arbeitsmarkt und den politischen Vorgaben,Informationen aus dem Fallmanagement bereit zu stel-

len. Diese Informationen können zum einen aus demProfiling und zum anderen aus der Hilfeplanung gewon-nen werden.

5.1 Einstufung der Vermittlungsfähigkeit

Eine wesentliche Information zur Zielbildung ist dieErhebung der Vermittlungsfähigkeit aller Arbeit suchen-den Personen. Die Einstufung der Vermittlungsfähigkeiterfolgt aus dem Profiling (vgl. auch Punkt 3 „Operati-ves Controlling“).

Die nachfolgende Tabelle zeigt ein Beispiel für eine Auf-teilung der Arbeit suchenden Personen nach ihrer Ver-mittlungsfähigkeit.

Beispiel (geschätzt)

Vermittlungsfähigkeit Anzahl In %Personen

1. uneingeschränkt vermittelbar 100 3,5 %

2. gut vermittelbar 400 13,5 %

3. bedingt vermittelbar 800 26,5 %

4. schwer vermittelbar 1000 33,5 %

5. temp. nicht vermittelbar 500 16,5 %

6. dauerhaft nicht vermittelbar 200 6,5 %

Summe: 3000 100 %

Vermittlungsfähigkeit (aggregiert)

Für die Makroebene kann dies eine Grundlage zur Ver-teilung von finanziellen Ressourcen in Relation zur Ver-mittlungsfähigkeit der Arbeit suchenden Personen sein.

Mit der Verteilung der Finanzmittel wird die strategischeEntscheidung getroffen, wieviel Mittel in welche Ziel-gruppen investiert werden soll. Die nachfolgende Tabel-le zeigt eine fiktive Aufteilung der finanziellen Mittel aufdie einzelnen Stufen der Vermittlungsfähigkeit.

Beispiel auf der Basis geschätzter Annahmen

Vermittlungsfähig- Anzahl In % Gesamt- In %keit Personen budget

1. uneingeschränkt 100 3,5% 100.000 € 2%vermittelbar

2. gut vermittelbar 400 13,5% 1.000.000 € 18%

3. bedingt vermittelbar 800 26,5% 2.500.000 € 44%

4. schwer vermittelbar 1000 33,5% 1.500.000 € 27%

5. temp. nicht vermit- 500 16,5% 500.000 € 9%telbar

6. dauerhaft nicht 200 6,5%

Summe: 3000 100 % 5.600.000 € 100%

Die zur Verfügung stehenden Finanzmittel könnten dannin einem zweiten Schritt in Form von Budgets auf die

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Fallmanager aufgeteilt werden. Jedem Fallmanager stehtsomit ein Budget zur Verfügung in dessen Rahmen eragieren kann. Zur Steuerung der Einzelbudgets siehePunkt 3. „Operatives Controlling“ und Punkt 6 „Aggre-gierte Controllingdaten“.

5.2 Handlungsnotwendigkeiten aus demProfiling

Neben der Einstufung der Vermittlungsfähigkeit liefertdas Profiling ebenfalls wichtige Planungsinformationendarüber, welche Handlungsnotwendigkeiten in welcherQuantität zur Verbesserung der Vermittlungsfähigkeit er-forderlich sind.

Beispiel

Bereich Handlungsnotwendigkeiten An- In %zahl

5.2.1 Schule Erwerb Hauptschulabschluß 30 1 %Erwerb FOS 20 0,5 %

5.2.2 Beruf Klärung der beruflichen 800 21 %VorstellungenZusammenstellung derBewerbungsunterlagen 300 8 %

Schlüsselqua- Erwerb von Kommunikations- 200 5 %lifikationen fähigkeiten

Verbesserung des 300 8 %Erscheinungsbildes

5.2.3 Gesundheit Gesundheitliche Stabilisierung 250 6,5 %

5.2.4 Materieller Klärung der 550 14 %Bereich Schuldensituation

5.2.5 Soziales Sicherstellung der 800 21 %Umfeld Kindesbetreuung

5.2.6 Sprache Erwerb von 600 15 %Sprachkompetenzen

sonstiges

Summe 3850 100 %

Bsp. Aggregierte Handlungsnotwendigkeiten aus dem Profiling

Für die Makroebene ergeben sich aus den aggregiertenDaten wichtige Erkenntnisse zur Planung und Steuerungeines Ressourcennetzwerkes, daß für die Fallmanagerwiederum unabdingbare Voraussetzung für die erfolgrei-che Gestaltung eines Beratungs- und Integrationspro-zesses ist.

5.3 Umsetzungsgrad der Teilziele

Die Hilfeplanung ist darüber hinaus in der Lage, weite-re wichtige Planungsinformationen für die Makroebenezur Verfügung zu stellen. Insbesondere aggregierte Da-ten über die mit den Arbeit suchenden Personen tatsäch-lich vereinbarten Teilziele und deren erfolgreiche Umset-zung liefern wichtige planungsrelevante Erkenntnisse.

Die nachfolgende fiktive Tabelle zeigt, welche Teilzieleaus dem Profiling heraus in die Hilfeplanung eingehensollten. Daneben zeigt sie, welche tatsächlich eingegan-gen sind und darauf basierend, wieviele nach Ablauf derjeweiligen Zeitvorgabe erfolgreich umgesetzt werden konn-ten.

Beispiel:

Bereich Teilziele An- In % In In % erl. In %zahl Hplan

5.3.1 Erwerb 30 1 % 10 33 % 8 80%Schule Hauptschulabschluß

Erwerb FOS 20 0,5 % 0 0 % 0

5.3.2 Klärung der beruf- 800 21 % 600 75 % 300 50%Beruf lichen Vorstellungen

Zusammenstellung 300 8 % 250 83 % 150 60 %der Bewerbungsun-terlagen

Schlüssel- Erwerb von Kommu- 200 5 % 100 50 % 10 10 %qualifika- nikationsfähigkeitentionen Erwerb eines guten 300 8 % 150 50 % 15 10 %

äußeren Erscheinungs-bildes

5.3.3 Ge- Gesundheitliche 250 6,5 % 50 20 % 2 4 %sundheit Stabilisierung

5.3.4 Ma- Klärung der 550 14 % 500 91 % 25 5 %terieller SchuldensituationBereich

5.3.5 So- Sicherstellung der 800 21 % 700 87,5% 50 7 %ziales KindesbetreuungUmfeld

5.3.6 Erwerb von 600 15 % 500 83 % 300 60%Sprache Sprachkompetenzen

sonstiges

Summe 3850 100 % 2860 74 % 885 31 %

Bsp. Umsetzungsgrad Teilziele

Die Makroebene erhält so zusätzliche wichtige Informa-tionen zur Planung, aber auch zur Steuerung eines regi-onal vorhandenen Ressourcennetzwerkes. Im Rahmender Planung können die Informationen auf Über- oderUnterkapazitäten hinweisen, im Rahmen der Steuerung(s. Punkt 6.3 "Aggregierte Controllingdaten") auf einehohe bzw. niedrige Qualität der Angebote.

6. Aggregierte Controllingdaten

Neben den planungsrelevanten liefert das Fallmanage-ment aber auch steuerungsrelevante Informationen.

6.1 Einstufung der Vermittlungsfähigkeit(Budgetsteuerung)

Die Aufteilung der Arbeit suchenden Personen nach ih-rer Vermittlungsfähigkeit im Rahmen des Profilings hatzunächst wichtige Planungsinformationen zur Verteilung

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eines Budgets auf Zielgruppen und Berater für die Ma-kroebene geliefert.

Im Rahmen der Umsetzung der Hilfeplanung könnenzudem Informationen zur Budgetsteuerung gewonnenwerden.

erungsrelevanter Entscheidungen der Makroebene die-nen.

6.4 Teilnehmerzufriedenheit(Integrationssteuerung)

Die aggregierte Kennziffer „Teilnehmerzufriedenheit“gibt der Makroebene darüber hinaus wichtige Informa-tionen über die Qualität des Integrationsprozesses. Einehohe Teilnehmerzufriedenheit verbunden mit einer nied-rigen Integrationsdauer, einen niedrigen Finanzmittelein-satz und einen hohen Umsetzungsgrad von Teilzielen,läßt insgesamt auf eine wirtschaftliche Ausrichtung undeine hohe Qualität des Beratungs- und Integrationspro-zesses schließen.

Die nachfolgende Grafik verdeutlicht den Kreislauf, derzwischen der Mikroebene (Fallmanagement) und derMakroebene entsteht.

Beispiel: Berichtszeitraum I. Quartal 2002

Vermittlungsfähigkeit Anzahl In % Budget In % Budget (Ist) In %Personen (Soll)

1. Uneingeschränkt vermittelbar 100 3,5 % 100.000 • 2 % 150.000 • 9 %

2. Gut vermittelbar 400 13,5 % 1.000.000 • 18 % 400.000 • 25 %

3. Bedingt vermittelbar 800 26,5 % 2.500.000 • 44 % 600.000 • 38 %

4. Schwer vermittelbar 1000 33,5 % 1.500.000 • 27 % 400.000 • 25 %

5. Temp. nicht vermittelbar 500 16,5 % 500.000 • 9 % 50.000 • 3 %

6. Dauerhaft nicht vermittelbar 200 6,5 %

Summe: 3000 100 % 5.600.000 • 100 % 1.600.000 • 100 %

Die nachfolgende fiktive Tabelle zeigt einerseits die Ver-teilung (Soll) des Budgets durch die Makroebene auf dieeinzelnen Stufen der Vermittlungsfähigkeit und anderer-seits den tatsächlichen Finanzeinsatz durch die Berater.

Das Beispiel zeigt, daß der Finanzmitteleinsatz im I. Quar-tal 2002 bei den gut vermittelbaren Personen prozentu-al über den entsprechenden Budgetplanungen, bei denschwer zu vermittelnden darunter liegt. Die Makroebeneist so in der Lage, Abweichungen zur Planung frühzeitigzu erkennen und entsprechend gegen zu steuern.

6.2 Integrationsdauer (Integrations- undAngebotssteuerung)

Neben dem tatsächlichen Finanzmitteleinsatz ist das Fall-management aber auch in der Lage, aggregierte Datenzur Integrationsdauer bezogen auf die einzelnen Stufender Vermittlungsfähigkeit zu geben. Liegt die durch-schnittlich aggregierte Integrationsdauer weit über denSollwerten, läßt dies auf Schwachstellen im Beratungs-und Integrationsprozeß und/oder im Ressourcennetz-werk schließen. Ggf. müssen durch die Makroebene wei-tere Informationen zur Beurteilung dieser Frage erhobenund anschließend steuerungsrelevante Entscheidungengetroffen werden.

6.3 Umsetzungsgrad der Teilziele(Integrations- und Angebotssteuerung)

Die aggregierte Kennziffer „Umsetzungsgrad der Teil-ziele“ beinhaltet nicht nur planungs-, sondern auch steue-rungsrelevante Informationen.

Sie kann einerseits Hinweise zur Qualität der Angebots-struktur des Ressourcennetzwerkes und andererseits zumBeratungs- und Integrationsprozeß geben. Insbesonderebei den Zielen, die in einer hohen Quantität definiertwerden aber prozentual nur in geringer Form umgesetztwerden konnten, ergibt sich ein Handlungsbedarf. DieInformationen können daher auch als Grundlage steu-

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7. Resümee

Wie die Ausführungen zeigen, ist das Fallmanagementin der Lage, wichtige planungs- und steuerungsrelevanteInformationen zu liefern. Das darauf basierende Control-lingverfahren ist jedoch weder in der Lage eine Ursachen-analyse zu geben, noch ersetzt es die konkreten Steu-erungsmaßnahmen. Es ist lediglich in der Lage, Hinweiseauf Störungen innerhalb des Beratungs- und Integra-tionsprozesses oder des Ressourcennetzwerkes zu geben.Die Diagnose und Bewertung verbleibt auf den einzel-nen Steuerungsebenen. Ggf. sind dort weitere Daten zuerheben, um eine genauere Bewertung vorzunehmen.Ebenfalls verbleiben die steuerungsrelevanten Entschei-dungen auf den Steuerungsebenen. Das Controlling,gleich auf welcher Ebene, stellt somit nur eine Unterstüt-zung für die Entscheidungsträger dar.

Abschließend ist jedoch zu beachten, daß das Control-ling natürlich auch unter den Gesichtspunkt der Wirt-schaftlichkeit betrachtet werden muß. Es macht nur indem Maße Sinn, wie der gewonnene Nutzen im Verhält-nis zum Aufwand steht.

Dies ist gegeben, wenn verwendete EDV-Systeme in derLage sind, diese Daten zur Verfügung zu stellen.

Daneben zeigen die Ausführungen aber auch, daß einesystematische Verknüpfung zwischen Mikro- und Ma-kroebene möglich ist. Die Planungs- und Controlling-daten, die aus dem Fallmanagement gewonnen werdenkönnen, stellen somit eine hervorragende Grundlage zurSteuerung der kommunalen Beschäftigungsförderungdar.

Neben diesen Fallmanagement bezogenen Informatio-nen, fließen natürlich weiterhin die bislang verwendeten

Makroebene Strategische Ziele Planung Umsetzung Kontrolle (Angebote) Mikroebene Planung Umsetzung Kontrolle (Hilfeplan) Fallmanagement

Rückkopplung

Wirkungsindikatoren, wie sie z.B. im Rahmen des Maß-nahmencontrollings erhoben werden, in die Steuerungder kommunalen Beschäftigungsförderung ein.

Zur Autorin

Marie-Louise Roberg ist Abteilungsleiterin im Amt fürWirtschaftsförderung der Stadt Hamm (Westfalen)

Angebotscontrolling

Fallcontrolling

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Zum Begriff „Beteiligung“ – Zwei Ebenen inder gewerkschaftlichen Diskussion

Mit dem Begriff Beteiligung werden in der gewerkschaft-lichen Diskussion zwei unterschiedliche Ebenen von ein-ander abgegrenzt.

Erste Ebene: Der Personalrat als Schutzeinrichtung fürdie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schafft einenrechtlich fixierten Sicherungsrahmen für die Mitarbeiter-beteiligung. Beteiligung wird in diesem Fall als eine Aus-weitung des Mitbestimmungsverfahrens beim Personal-rat verstanden. Mitbestimmung beschränkt sich danachnicht nur auf die Zustimmung oder Ablehnung einergeplanten Maßnahme, sondern schafft bereits bei derPlanung einer Maßnahme Mitgestaltungsrechte für denPersonalrat und für die Mitarbeiter. Kreativität und Fle-xibilität der mit dem Personalrat getroffenen Vereinba-rungen bedingen die Qualität der Beteiligung der Mit-arbeiter an Organisationsprozessen. Der Nutzen für dieArbeitnehmer liegt darin, dass ein verlässlicher Rechts-rahmen ihre Beteiligung und mögliche Konsequenzenabsichert. Darüber hinaus kann der Personalrat kraftseiner hierarchieübergreifenden Einwirkungsmöglich-keiten moderierend und korrigierend den Beteiligungs-prozess begleiten.

Zweite Ebene: Beteiligung wird als Verhältnis zwischenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der über-geordneten Führungsebene verstanden. Was in Füh-rungsgremien entschieden wird, soll von den Beschäftig-ten konkretisiert, verbessert und umgesetzt werden. DietheoretischeIdealvorstellung geht davon aus, dass überden Austausch und die Gestaltungsmöglichkeiten eineFörderung der Eigenverantwortung, der Motivation undletztendlich auch eine Qualifizierung am Arbeitplatzeserreicht wird. In der gewerkschaftlichen Diskussion wirdüber die praktischen Erfahrungen mit dieser Beteili-gungsebene kritisch gesehen, dass der Personalrat oft keinAkteur im Beteiligungsprozess ist.

Diese Beteiligungsebene birgt somit die Gefahr, dass Ver-trauen und Zustimmung der Mitarbeiter zum Beteili-gungsprozess stark von hierarchisch denkenden und han-delnden Vorgesetzten abhängt.

Mitarbeiterbeteiligung aus gewerkschaftlicher Sicht amBeispiel Fallbearbeitung in der Sozialhilfeverwaltung

Thomas Herbing,

Grundsätzliche Überlegungen zur Beteiligung

Das Verhältnis Mitarbeiter – Führungskraftbei der Beteiligung

Auf der Beteiligungsebene, in der Mitarbeiterbeteiligungvon hierarchischen Vorgesetzten abhängt, findet in derPraxis Mitarbeiterbeteiligung in zweierlei Form statt.

• Im ersten Fall setzt der oder die Vorgesetzte bzw. dieFührungskraft Anregungen und Vorschläge um undlässt sie in die Aufbau- und Ablauforganisation miteinfließen.

• In der zweiten, selteneren Variante, findet eine Verant-wortungsverlagerung statt. Bis auf die Vorgabe vonZielen, organisieren die Beschäftigten Veränderungs-prozesse und ihre Arbeitsabläufe in Eigenregie.

Im Kern konzentrieren sich die Unterschiede bei denVarianten auf den Freiheitsgrad den Führungskräfte ih-ren Mitarbeitern ermöglichen. Die erste Variante ist häu-figer anzutreffen, weil Führungskräften offensichtlichdaran gelegen ist, die Verantwortung für das Arbeits-ergebnis zu behalten. Allerdings entsteht daraus oft dernegative Effekt, dass die Mitarbeiter in einer passivenRolle verbleiben. Das bewirkt einen Identifikationsver-lust, der – wenn Beteiligungsergebnisse nicht umgesetztwerden – letztlich auch den Sinn des Beteiligungsverfah-rens fraglich erscheinen lässt.

Im zweiten Fall besteht bei Führungskräften die Befürch-tung, dass Arbeitsabläufe und Ergebnisse entstehen kön-nen, die von ihnen nicht gewünscht werden. Mitarbei-ter erhalten eine höhere Verantwortung gegenüber demvon ihnen mitentwickelten Prozessergebnis, was in derFolge auch zu einer höheren Identifikation mit ihrerTätigkeit führen kann.

Zu berücksichtigen sind Beteiligungsgrenzen bei denMitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ihr Arbeitsverhält-nis begründet sich aus dem Arbeitsvertrag, in dem in derRegel klare Tätigkeitsmerkmale beschrieben sind. Nichtselten sind diese Tätigkeiten der Grund, warum Mitar-beiter überhaupt das Arbeitsverhältnis eingegangen sind.Wenn keine konzeptionellen Tätigkeiten verlangt sind,kann auch nicht zwangsläufig davon ausgegangen wer-den, dass Mitarbeiter bereit sind, sich auf Beteiligungs-prozesse einzulassen. Dementsprechend handeln auch

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Führungskräfte nach den Maßgaben des Arbeitsvertra-ges.

Dieses Spannungsverhältnis zwischen Leitungsanspruchder Führungskräfte und den Mitgestaltungsmöglichkei-ten bzw. den Einstellungen der Beschäftigten führt dazu,dass bei Beteiligungsprozessen eine Vielzahl von Wider-sprüchen auftreten können.

Bei einem Beteiligungsprozesses muss daher grundsätz-lich mit Blockaden und Widerständen in der Gesamt-organisation gerechnet werden.

Um dem psychologisch geprägten Charakter von Beteili-gungsprozessen gerecht zu werden, wird heute in dergewerkschaftlichen Diskussion das Modell einer „Lernen-den Organisation“ als positiver Denkansatz gewertet. Indiesem Modell werden weder Hierarchiestrukturen inFrage gestellt, noch wird die Schutz- und Sicherungs-funktion des Personalrats oder der Gewerkschaft außerKraft gesetzt.

Beteiligungsmodell im Konzeptder lernenden Organisation

In der Ausarbeitung von Prof. Dr. Epskamp1 (Hochschu-le für Wirtschaft und Politik in Hamburg) zur „Lernen-den Organisation“ wird Beteiligung mit einer Ausgangs-frage umschrieben: „Lassen sich im Rahmen einer Or-ganisation „richtige“ Lösungen auf dem Weg eines durchpotentiell alle mitbestimmten und mitgestaltetenEntwicklungsprozesses finden, oder ist es so, dass aufdiese Art so viele verschiedene Interessen in den Prozesshineingezogen werden, die eine integrierte Steuerung soschwierig machen, dass er letztendlich scheitert?“

Am Fallbeispiel eines Bezirksamtes in Hamburg bejahendie Autoren den ersten Teill der Frage, obwohl der Ham-burger Prozess nach einem Regierungswechsel von derPolitik gestoppt wurde.

Sie begründen ihre Auffassung mit ersten Ergebnissen auseinem Verfahrenskonzept,, das eine Beziehung zwischenFührung und Mitarbeiterbeteiligung (Steuerung undPartizipation) zum Inhalt hat. Das Verfahrenskonzept zur„Lernenden Organisation“ enthält folgende Elemente:

1. OrganisationsanalyseIn einer Organisationsanalyse sollen vor allem typischeEntscheidungskriterien und Kommunikationsformenanalysiert werden.

2. KartierungMit Hilfe von schriftlichen und teilstandardisierten Mit-arbeiterbefragungen soll das Amt, bzw. die Dienststelle„vermessen“ werden. Es geht hierbei darum, die Sozial-und Qualifikationsstruktur, das Beteiligungsausmaß unddie Einstellung zum Amt, zur Arbeit und zum Prozesszu erfassen.

3. DialogAuf die beiden ersten „analytischen“ Teile folgen Prozess-vertiefungen. Mit ausgesuchten Mitarbeitern und Mitar-beiterinnen werden Intensivinterviews zu den Argumen-tationsmustern in Bezug auf Probleme und Veränderun-gen geführt. Mit diesen Dialogpartnern werden Lösungs-wege für Blockaden und Widerstände entwickelt.

4. Diskurs

In einem letzten Schritt werden dann Team- bzw. Grup-pendiskussionen geführt, die darauf abzielen, als Basiseine möglichst umfassend ermittelte Sachargumentationfür die organisatorische Umsetzung als Basis zu erhalten.

Von den Autoren werden das Widerstandspotential oderauch die von außen bestimmten Einflüsse als durchausproblematisch eingeschätzt. Deshalb könne ein Beteili-gungsprozess nur dann erfolgreich sein, wenn er so an-gelegt ist, dass er die Mitarbeiter überzeugt.

Obwohl der Ansatz in Hamburg gescheitert ist, stellt derVerfahrenansatz aus gewerkschaftlicher Sicht einen at-traktiven Weg dar: Nämlich selbstreflexive und intelli-gente Argumentationen als Beteiligungsform zu nutzenund Umsetzungsstrategien anzuwenden, die auf Über-zeugung basieren und die psychologischen Beziehungs-ebenen berücksichtigen.

Das Hamburger Verfahren wurde damals auf die Aufbau-organisation angewendet. Denkbar wäre der Verfahrens-ansatz aber auch für die Ablauforganisation in einemkontinuierlichen Verbesserungsprozess.

Das Beteiligungsmodell amBeispiel der Fallbearbeitung in derSozialhilfeverwaltung

Arbeitsbedingungen in derSozialhilfeverwaltung

Die Arbeit in der Sozialhilfeverwaltung gehört heuteimmer noch zu den weniger attraktiven Arbeitsplätzenin der Kommunalverwaltung. Das liegt vor allem daran,

1 Vgl. Heinrich Epskamp/Maike Buchholz/Jens Stappenbeck/Gotthard Scholz: Lernende Organisation – Verwaltungsmoder-nisierung am Beispiel eines Bezirksamtes in Hamburg, Opladen2001.

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dass die Sozialhilfe als das letzte Glied eines auf Einspa-rungen orientierten Sozialstaats betrachtet und Sach-bearbeitung daher oft als unangenehme Abweisungs-politik empfunden wird. Zudem führt die Ausweitungder Sozialhilfefälle nicht zwangsläufig zu einem Stellen-zuwachs. Die Arbeitsbelastung ist somit hoch.

Eine Befragung der Gewerkschaft ver.di bei Personalrä-ten der Sozialhilfeverwaltung ergab folgende Kurzbe-schreibung:

• Durch die Menge der Fallzahlen wird die Arbeits-intensität als zu hoch empfunden.

• Die intensive Auseinandersetzung mit Verwaltungsan-ordnungen erfordert dienstliche Abstimmungs- undQualifikationstermine, die bei der Menge der Fall-zahlen wiederum die Zeit für die Antragsbearbeitungvermindern.

• Die vielfach noch existierende reine Sachbearbeitungnach den Buchstaben A–Z bewirkt eine ungenügen-de Systematisierung der zu bearbeitenden Fälle undführt dazu, dass es aufgrund der fehlenden Speziali-sierung zu längeren Fallbearbeitungszeiten bei kom-plizierteren Problemfällen kommt.

• Technische Probleme bei der Einführung der EDVund neuer Software erzeugen Verzögerungen.

• Die Kombination von räumlicher Situation, sozialauffälligen Klienten und langer Wartezeit fördert teil-weise ein Klima der Aggression.

Als Konsequenz wird daher von Personalräten eine hoheFluktuation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern imBereich der Sozialhilfegewährung und ebenso ein imVergleich zur übrigen Kommunalverwaltung höhererKrankenstand beobachtet.

Veränderung bei der Fallbearbeitungin der Sozialhilfe

In der Organisation der Sozialhilfegewährung sind der-zeit zwei Fallbearbeitungssysteme anzutreffen.

Im ersten Organisationsansatz findet eine Trennung vonErstantragsberatung und der eigentlichen Leistungsge-währung statt. Das hat den Vorteil, dass die Fälle gesteu-ert werden können und über Terminvereinbarungen jenach Problemlage eine angemessene Zeit für die Fall-bearbeitung eingeplant werden kann. Der Nachteil die-ses Systems ist, dass in der Praxis häufig Informations-verluste auftreten, die wiederum zu Doppelarbeiten füh-ren.

Im zweiten Ansatz liegt die Erstantragsbearbeitung mitder Sachbearbeitung Sozialhilfegewährung in einer Hand.Das führt dazu, dass Antragsteller eine Person im Sozial-amt als AnsprechpartnerIn haben und die Sachbearbei-tung den Fall kennt. Dieses System hat zur negativen

Konsequenz, dass die Bearbeitung der Erstanträge sehrzeitintensiv ist.

Längere Wartezeiten für die Antragsteller führen zu Un-mut, der häufig an den sachbearbeitenden Mitarbeiter-innen und Mitarbeitern ausgelassen wird. Dies unabhän-gig davon, ob es sich um „problembehaftete“ Klientenhandelt.

Ein diskutierter Ansatz zur Weiterentwicklung der Sozial-hilfe ist die Hilfe zur Arbeit. Von den Mitte der 90er Jahreeingeführten Bestimmungen in den §§ 18 und 19 BSHGgehen mittlerweile die meisten Kommunen zu einemSystem der aktiven Beschäftigungsförderung über. DieDiskussion wird ergänzt durch ein neu gefasstes Systemder Auswegberatung (Kooperation mit Schuldnerbera-tung, Kinderbetreuungseinrichtungen, Wohnungsför-derung, Drogenberatung, etc.).

Diese Modernisierungen in der Fallbearbeitung erfordernin der Folge eine umfassendere Beurteilung eines Sozial-hilfeantrags durch den oder die sachbearbeitenden Mit-arbeiter/innen.

Hinsichtlich einer Optimierung der Fallbearbeitung inder Sozialhilfegewährung stellt sich die Frage, ob bei derAnspruchsprüfung eine Mitarbeiterbeteiligung möglichund sinnvoll ist.

Beteiligung am Beispiel der Fallbearbeitungin der Sozialhilfeverwaltung

Aus Erfahrung kennen die Beschäftigten in der Regel diezu bearbeitenden Fälle, die Dauer der Fallbearbeitung unddie in der Arbeitspraxis entstehenden zeitlichen Hemm-nisse. Ein Potential für die Beurteilung der Fallbearbeitungliegt daher im Erfahrungswissen der Mitarbeiter.

Die zuvor genannten Überlegungen zur „Lernenden Or-ganisation“ könnten nun folgendermaßen übertragenwerden:

Wenn mit dem Personalrat der Verfahrensweg vereinbartist, kann in einer Organisationsanalyse (als erste Stufe desVerfahrens) der Arbeitsablauf überprüft werden. Im Blick-punkt steht das Definieren von Organisationszielen für dieSozialhilfefallbearbeitung.

Nicht jeder Klient braucht eine Auswegberatung oderMaßnahmen zur Beschäftigungsförderung. In der Ana-lyse mit den Mitarbeitern könnten daher Fallstrukturengefiltert werden und Zusammenarbeitsformen mit ande-ren Verwaltungsbereichen, wie etwa der Jugendhilfe, dieArbeit mit Sozialarbeitern oder mit Quartiermanagern,erörtert werden.

Aus gewerkschaftlicher Sicht bestehen erhebliche Motiva-tionspotenziale für die MitarbeiterInnen darin, dass überdie Beteiligung Problemstellungen zum persönlichen

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Qualifikationsbedarf, zur Informationspolitik innerhalbder Verwaltung und auch zu den Führungsstrukturenthematisiert werden. Die Motivation wird jedoch nurdann erhalten, wenn für aufgeworfene Probleme auchLösungen ersichtlich sind.

Bei Organisationsanalysen in Sozialämtern findet Mit-arbeiterbeteiligung durchaus statt. Kritisch ist jedoch inder betrieblichen Praxis: Analyseergebnisse werden dannnicht auf Widerstände oder unberücksichtigte Erfahrun-gen aus dem Arbeitsalltag überprüft. Viele Führungskräfteund insbesondere auch Querschnittsbereiche der Verwal-tung (Hauptamt, Kämmerei, etc.) sowie die Politik be-trachten den Prozess der Beteiligung mit der Organisati-onsanalyse bereits als abgeschlossen. Letztendlich liegen je-doch erst mit einer Organisationsanalyse und mit Orga-nisationszielen Ergebnisse vor, die von den Mitarbeiternauf ihre Alltagstauglichkeit hin beurteilt werden können.

Je konkreter Veränderungs- und Umbaupläne bekanntwerden, desto stärker entwickeln Mitarbeiter/innen na-turgemäß Widerstände und Blockaden. Aus Gewerk-schaftssicht werden diese Widerstände allerdings nichtals Hemmnisse, sondern als ein Indikator für das Mach-bare betrachtet.

An dieser Stelle ist es aus gewerkschaftlicher Sicht füreinen Beteiligungsprozess in der Sozialhilfeverwaltungnotwendig, dass eine Analyse aller Blockaden und Wi-derstände erstellt wird.

Im Modell der „Lernenden Organisation“ wird für die-se Phase eine „Kartierung“ und anschließend ein „Dia-log“ empfohlen.

In der „Kartierung“ würden die Bedenken der Sozial-amtsmitarbeiter systematisch erfasst und gebündelt. ImDialog mit meinungsbildenden Mitarbeitern sind kriti-sche Punkte so zu erörtern, dass sie weitgehend als Kon-sens in ein Umsetzungskonzept einfließen können. Ausder Alltagserfahrung von Personalräten wäre es für solchein Verfahren sinnvoll, wenn die Dialogpartner in geeig-neter Form ein Mandat ihrer Kolleginnen und Kollegenerhielten (z.B. Benennung auf einer Teilpersonalver-sammlung).

Liegen die Argumente für die Umsetzung vor, beginntdie „Phase des Diskurses.“ Konkrete Themenstellungenfür einen zukünftigen Organisationsaufbau in der Fall-bearbeitung sind mit den Mitarbeitern in Gruppenarbei-ten oder in Teams zu erörtern. Hier geht es vor allemdarum, den persönlichen Anforderungsbedarf zu definie-ren und Zustimmung für Änderungen zu erreichen.

Diese Schritte sind Beispiele für die Gestaltung der Auf-bauorganisation in der Sachbearbeitung.

Beteiligung als Anforderung sollte jedoch nicht als eineinmaliges Ereignis ein günstiges Prozessklima erzeugen.

Wichtig ist die Frage, ob aus einem positiven Verän-derungsklima ein kontinuierlicher Beteiligungsprozessentstehen kann.

Beteiligung in einem kontinuierlichenProzess der Fallbearbeitung in der Sozialhilfe

Ein in der Verwaltungspraxis zu beobachtendes Phäno-men ist es, dass die Haushaltsaufstellung ohne Mitarbei-terbeteiligung geschieht. Obwohl also im Rahmen desNeuen Steuerungsmodells eine dezentrale Ressourcen-verantwortung angestrebt wird, haben die, die mit denRessourcen arbeiten sollen, weiterhin nur begrenzte Ein-flussmöglichkeiten auf ihre Gestaltung. Folglich stimmenArbeits- und Ergebnisplanung nicht mit der notwendi-gen Ressourcenplanung überein.

Um einen kontinuierlichen Beteiligungsprozess zu si-chern, dürfte es daher ein Ansatzpunkt sein, die sich stän-dig wiederholende Ressourcenplanung zum Instrumentder Mitarbeiterbeteiligung zu machen.

Für einen kontinuierlichen Beteiligungsprozess im So-zialamt wären in diesem Sinne folgende Elemente denk-bar:

a) Zur Haushaltsaufstellung finden Fallerwartungs- undQualitätsrunden mit den Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern statt. Hier geht es vor allem darum, aus derlaufenden Arbeitserfahrung heraus eine Anpassungder Ressourcen an verändernde Rahmenbedingungenvorzunehmen.

b) Die Fallerwartungsrunde stimmt einen realistischenKostenrahmen ab. Hierbei wird es nicht das Ziel sein,die Sozialhilfeausgaben, auf die Antragsteller ohnehineinen Rechtsanspruch haben, zu begrenzen, sondernim Rahmen der vielfach schon bestehenden Budge-tierungssysteme zu sinnvollen Kooperationen inner-halb der Ressortorganisation (z.B. mit Sozialarbei-tern) zu kommen.

c) Die Abstimmungsrunde könnte daher auch Elementeder Personalqualifikation und -entwicklung planen,so wie weitere notwendige Veränderungen in der Sach-mittel, Büro- und Geschäftsausstattung.

Welcher Nutzen entsteht durch Mitarbeiterbeteiligungim Sozialamt?

In der gewerkschaftlichen Diskussion werden für denNutzen der Mitarbeiterbeteiligung im Sozialamt folgendePunkte diskutiert:

Wie ausgeführt, sind die Arbeitsbedingungen im Sozial-amt oft schwierig. Obwohl es sich in der Sozialhilfe-gewährung um eine anspruchvolle und abwechslungsrei-che Tätigkeit handelt, bestehen ganz offensichtlich Mo-tivationsprobleme. Durch die Beteiligung können für dieMitarbeiter motivierende Arbeitsformen entstehen, die

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in gesundheitlicher und persönlichkeitsfördernder Weisezum Nutzen der Arbeitnehmer sind.

Beteiligung ist zudem eine Form von Demokratisierung.Durch Zusammenarbeiten mit anderen, können Wertewie Weltoffenheit und Toleranz gefördert werden. Mit-wirkung schafft Transparenz und baut damit „Obrigkeits-denken“ und teilweise sogar Korruption vor. Über Be-teiligung entstehen zudem Qualifikationsbedürfnisse, diezur positiven Entwicklung der Wissensgesellschaft bei-tragen.

Durch Beteiligungsprozesse entsteht von Seiten der Kom-munalpolitik eine andere Akzeptanz der Leistungen desSozialamtes, da sich die veränderten Einstellungen zursozialen Arbeit positiv auf die gesamte Kommune aus-wirken. Im Rahmen der Entwicklung zu einer Bürger-gesellschaft ist zusätzlich zu erwarten, dass Bürgerbe-dürfnisse etwa beim Quartiermanagement positiv unter-stützt werden.

Rolle des Personalrats imBeteiligungsmodell

Das dargelegte Beteiligungsmodell in der „lernendenOrganisation“ setzt nicht die Verwaltungshierarchie au-ßer Kraft. Zudem sind Beteiligungsprozesse auch immerauf Freiwilligkeit angelegt.

Bei zwangsläufig entstehenden Interessenkonflikten wer-den Lösungen daher auch weiterhin durch Vereinbarun-gen zu regeln sein. Machtverhältnisse spielen hierbei eineRolle.

Der Personalrat und die Gewerkschaft haben daher auchin einer lernenden Organisation die zentrale Aufgabe, diekollektive Sicherung der Arbeitnehmerrechte wahrzuneh-men und den Beteiligungsprozess abzusichern.

Aus diesem Grund sollten und müssen Beteiligungsprozessesowie andere Organisationsveränderungen durch Vereinba-rungen mit der Verwaltungsleitung geregelt werden.

Als Grundnormen für diese Schutzvereinbarungen schlägtProf. Dr. Dr. Kißler2 von der Universität Marburg folgendePunkte vor:

• Die Zielsetzung der einzelnen Verfahren zur Beschäf-tigtenbeteiligung sollte verbindlich definiert werden.

• Es sollten der Modus der Personalratsbeteiligung undvor allem auch die Mitbestimmungsverfahren festge-legt werden.

• Fragen der Infrastruktur (Moderatoren, Mittelaus-stattung, Qualifikation) sollten ebenso vereinbart wer-den, wie Durchführungsbestimmungen für einzelneProzesse sowie die Beteiligung aller Mitarbeiter.

• Der Schutz der Beschäftigten etwa bei betriebsbe-dingten Kündigungen, die Sicherung kollektiver Ar-beitnehmerinteressen wie auch eine Besitzstandswah-rung wären zu regeln.

• Es wäre auch festzulegen, welche Sachverhalte imRegelfall einer freiwilligen Beteiligung und welcheSachverhalte einer Beteiligungspflicht unterliegen.

Schlussbemerkungen

Die vorgeschlagenen Maßnahmen blenden ein derzeiti-ges Merkmal der öffentlichen Verwaltung aus – dassorganisatorische Maßnahmen unter einem permanentenAnpassungsdruck an Haushaltsengpässe diskutiert wer-den.

Nach der hier dargelegten Auffassung geht es zunächsteinmal darum, die neuen Anforderungen in der Sozia-lhilfeverwaltung – Beschäftigungsförderung und Ausweg-beratung – zu nutzen, um über eine Mitarbeiterbetei-ligung Wege zu einer neuen Arbeits- und Dienstleistungs-kultur zu finden.

Beteiligung kann nur funktionieren, wenn für die Be-schäftigten das Gefühl von Arbeitsplatzsicherheit und einvon ihnen empfundener Nutzen für ihre Arbeitverhält-nisse entsteht.

Mitarbeiterbeteiligung kann aber auch gerade in Zeitenknapper öffentlicher Finanzen dazu beitragen, Verbesse-rungen für die Motivation und die Qualität öffentlicherLeistungen zu erreichen.

Gefordert sind insbesondere die Führungskräfte. Da Hie-rarchiestrukturen auch bei der Mitarbeiterbeteiligungnicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, liegt es vorallem an ihrem Rollenverständnis und ihrer Qualifikati-on, ob auch in einer haushaltskritischen Situation koo-perative Arbeitsformen in der Sozialhilfeverwaltung ent-stehen können.

Zum Autor

Thomas Herbing ist Referatsleiter Verwaltungsreform imFachbereich Gemeinden bei der Bundesverwaltung derGewerkschaft ver.di in Berlin2 Vgl.: Ralph Greifenstein, Leo Kißler: Personalvertretungen in

Reformrathäusern, Zur Standortsuche von Personalräten imModerniserungsprozeß, Sigma, Berlin 2000.