lukas ohly was jesus mit uns verbindet –eine christologie ... · im titel dieses buches wird...

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Im Titel dieses Buches wird direkt klar, wie Lukas Ohly seine Christologie anlegt: Jesus ist für uns interessant, weil ein Aspekt ihn mit uns verbindet: sein Menschsein. Wie Jesus Men- schen begegnet, so können auch wir Menschen begegnen. Und in dieser Begegnung kann etwas von Gott nah und ungreifbar aufscheinen. Dieses Geschehen ist wie in einem »Kipp- bild«. Zum Beispiel das Bild, das man als Hase oder Ente sehen kann, oder das Bild, in dem man eine alte oder junge Frau sehen kann. Gott begeg- nen ist vergleichbar mit dem, was passiert, wenn wir ein derartiges Bild betrachten. Dabei ist vor allem inter- essant, dass wir den Moment des »Kippens« nicht bewusst herbeifüh- ren können. In der Begegnung ge- schieht Offenbarung. In Lukas Ohly’s Christologie ist es nicht die Göttlichkeit und Einzigartig- keit, die Jesus für uns interessant macht, sondern seine Menschlichkeit. In unserer Beziehung zu Jesus als Mensch begegnet uns etwas, das hilft, Gott in unserer Wirklichkeit zu ent- decken. Im Christentum ist dies somit anders als im Judentum, im Islam oder im Buddhismus. Gott kann im Mensch- lichen sichtbar werden ; in Jesus als Mensch sehen wir wie Gott ist, ohne dass Gott – als das »Unvordenkliche« – im Menschlichen aufgeht. Nicht in Thora, Koran oder Veden, sondern an einer Person offenbart sich Gott. Ohlys Kernthese lautet: »Gott wäre ohne Jesus nicht Gott.« Die Bibel ver- sucht uns nur von der Wahrheit dieses Ereignisses zu überzeugen, ohne es in Worte festlegen zu können. Verste- hen kann sich nur spontan ereignen. Dr. Lukas Ohly, Pfarrer in Niederau (EKKW) und Lehrbeauftragter für Sys- tematische Theologie an der Univer- sität in Frankfurt EKHN), wählt somit einen radikalen anthropozentrischen und phänomenologischen Ansatz. Aus dieser Perspektive schaut er auf zentrale Stücke der Christologie : Tri- nität, Zwei Naturen, Messianität, Ge- burt, Verkündigung, Wunder, Schuld und Vergebung, Kreuz und Auferstehung, Himmelfahrt. Durch seinen Ansatz hat er aber immer die Relevanz für den Alltag im Blick und fin- det damit einen Zugang, der auch für den Religionsun- terricht interessant und hilf- reich ist. Dies führt zu an- regenden Gedanken, wie : • Durch Jesus werden wir ein Teil der Geschichte Got- tes. (S. 24) • In Jesus lassen sich Grundzüge des messiani- schen Daseins aller anderen Menschen entdecken. (S. 57) Indem das NT Jesus »Got- tes Sohn« nennt, bringt es ihn in eine dichte »fami- liäre« Beziehung zu Gott, ohne ihn mit Gott zu identi- fizieren. (S. 29) • In der Begegnung mit Jesus er- scheint das Numinose (R. Otto), das unauffällig jenseitig-nah ist und weit über ihn hinausgeht. Auch der menschliche Geist enthält numinose Unnahbarkeiten, die sich nicht ratio- nal einfangen lassen. (S. 52) • Jesus muss nicht rein »objektiv« Wunder getan haben, so wie sie im NT geschildert werden. Aber das Wunderbare der Begegnung mit Je- sus muss sich an etwas festmachen, das sich irgendwie beschreiben lässt. (S. 99) Wer von der Auferstehung der Toten sprechen will, muss bereit sein, das Leben neu zu verstehen. Das Neue Testament spricht oft von neuem Le- ben. (S. 200) • Indem Jesus in den Himmel auf- fährt, ist er von allen Orten der Welt gleich abwesend. Wie aber kann je- mand dadurch präsent sein, dass er abwesend ist. Wohl nur dadurch, dass er bedeutend geworden ist und ver- misst wird, überall. Dies hat im Alltag Konsequenzen für die Gestaltung von Trauerprozessen (S. 203-206) Lukas Ohly Was Jesus mit uns verbindet – Eine Christologie Leipzig, Evangelische Verlagsanstalt, 2013. 211 Seiten. 28,– Neue Bücher aus der EKHN Buchbesprechung von Dr. Harmjan Dam Pfr. Dr. Harmjan Dam ist Kirchengeschicht- ler und Studienleiter am RPI, Geschäfts- stelle Dietzenbach. Ich hoffe, dass diese Aussagen, die natürlich aus ihrem Zusammenhang gerissen und dadurch u. U. etwas un- verständlich sind, Ihnen Lust machen, dieses spannende Buch von Lukas Ohly in die Hand zu nehmen ! Im Schönberger Heft 3/12, S. 27 be- schrieb Dr. Anke Kaloudis das erste Buch von Lukas Ohly »Warum Men- schen von Gott reden«, das wir auch sehr empfehlen können. Ich habe Dr. Lukas Ohly als Referent eingeladen für eine didaktische Fort- bildung zu Q2 »Gott« (neuer Lehrplan Gymn. Oberstufe Hessen), die ich von 9.-11. Nov. 2015 in Heppenheim und von 18.-20. Nov. in Herborn anbiete. Aus Erfahrung weiß ich, dass es sich sehr lohnt, nicht nur Texte von ihm zu lesen, sondern ihm zuzuhören und mit ihm ins Gespräch zu kommen. 30 Schönberger Hefte 1/15 Neue Bücher aus der EKHN

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Im Titel dieses Buches wird direktklar, wie Lukas Ohly seine Christologieanlegt: Jesus ist für uns interessant,weil ein Aspekt ihn mit uns verbindet:sein Menschsein. Wie Jesus Men-schen begegnet, so können auch wirMenschen begegnen. Und in dieserBegegnung kann etwas von Gott nahund ungreifbar aufscheinen. DiesesGeschehen ist wie in einem »Kipp-bild«. Zum Beispiel das Bild, das manals Hase oder Ente sehen kann, oderdas Bild, in dem man eine alte oderjunge Frau sehen kann. Gott begeg-nen ist vergleichbar mit dem, waspassiert, wenn wir ein derartiges Bildbetrachten. Dabei ist vor allem inter -essant, dass wir den Moment des»Kippens« nicht bewusst herbeifüh-ren können. In der Begegnung ge-schieht Offenbarung.

In Lukas Ohly’s Christologie ist esnicht die Göttlichkeit und Einzigartig-keit, die Jesus für uns interessantmacht, sondern seine Menschlichkeit.In unserer Beziehung zu Jesus alsMensch begegnet uns etwas, das hilft,Gott in unserer Wirklichkeit zu ent -decken. Im Christentum ist dies somitanders als im Judentum, im Islam oderim Buddhismus. Gott kann im Mensch -lichen sichtbar werden ; in Jesus alsMensch sehen wir wie Gott ist, ohnedass Gott – als das »Unvordenkliche«– im Menschlichen aufgeht. Nicht inThora, Koran oder Veden, sondern aneiner Person offenbart sich Gott.Ohlys Kernthese lautet: »Gott wäreohne Jesus nicht Gott.« Die Bibel ver-sucht uns nur von der Wahrheit diesesEreignisses zu überzeugen, ohne esin Worte festlegen zu können. Verste-hen kann sich nur spontan ereignen.

Dr. Lukas Ohly, Pfarrer in Niederau(EKKW) und Lehrbeauftragter für Sys-tematische Theologie an der Univer-sität in Frankfurt EKHN), wählt somiteinen radikalen anthropozentrischenund phänomenologischen Ansatz.Aus dieser Perspektive schaut er aufzentrale Stücke der Christologie : Tri-nität, Zwei Naturen, Messianität, Ge-burt, Verkündigung, Wunder, Schuld

und Vergebung, Kreuz undAuferstehung, Himmelfahrt.Durch seinen Ansatz hat eraber immer die Relevanz fürden Alltag im Blick und fin-det damit einen Zugang, derauch für den Religionsun-terricht interessant und hilf-reich ist. Dies führt zu an-regenden Gedanken, wie :

• Durch Jesus werden wirein Teil der Geschichte Got-tes. (S. 24)

• In Jesus lassen sichGrundzüge des messiani-schen Daseins aller anderenMenschen entdecken. (S. 57)

• Indem das NT Jesus »Got-tes Sohn« nennt, bringt esihn in eine dichte »fami-liäre« Beziehung zu Gott,ohne ihn mit Gott zu identi-fizieren. (S. 29)

• In der Begegnung mit Jesus er-scheint das Numinose (R. Otto), dasunauffällig jenseitig-nah ist undweit über ihn hinausgeht. Auch dermenschliche Geist enthält numinoseUnnahbarkeiten, die sich nicht ratio-nal einfangen lassen. (S. 52)

• Jesus muss nicht rein »objektiv«Wunder getan haben, so wie sie imNT geschildert werden. Aber dasWunderbare der Begegnung mit Je-sus muss sich an etwas festmachen,das sich irgendwie beschreiben lässt.(S. 99)

• Wer von der Auferstehung der Totensprechen will, muss bereit sein, dasLeben neu zu verstehen. Das NeueTestament spricht oft von neuem Le-ben. (S. 200)

• Indem Jesus in den Himmel auf-fährt, ist er von allen Orten der Weltgleich abwesend. Wie aber kann je-mand dadurch präsent sein, dass erabwesend ist. Wohl nur dadurch, dasser bedeutend geworden ist und ver-misst wird, überall. Dies hat im AlltagKonsequenzen für die Gestaltung vonTrauerprozessen (S. 203-206)

Lukas Ohly Was Jesus mit uns verbindet – Eine ChristologieLeipzig, Evangelische Verlagsanstalt, 2013. 211 Seiten. € 28,–

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NBuchbesprechung von Dr. Harmjan Dam

Pfr. Dr. Harmjan Damist Kirchengeschicht-ler und Studienleiteram RPI, Geschäfts-stelle Dietzenbach.

Ich hoffe, dass diese Aussagen, dienatürlich aus ihrem Zusammenhanggerissen und dadurch u. U. etwas un-verständlich sind, Ihnen Lust machen,dieses spannende Buch von LukasOhly in die Hand zu nehmen !

Im Schönberger Heft 3/12, S. 27 be-schrieb Dr. Anke Kaloudis das ersteBuch von Lukas Ohly »Warum Men-schen von Gott reden«, das wir auchsehr empfehlen können.

Ich habe Dr. Lukas Ohly als Referenteingeladen für eine didaktische Fort-bildung zu Q2 »Gott« (neuer LehrplanGymn. Oberstufe Hessen), die ich von9.-11. Nov. 2015 in Heppenheim undvon 18.-20. Nov. in Herborn anbiete.Aus Erfahrung weiß ich, dass es sichsehr lohnt, nicht nur Texte von ihm zulesen, sondern ihm zuzuhören undmit ihm ins Gespräch zu kommen.

30 Schönberger Hefte 1/15Neue Bücher aus der EKHN