manager magazin - druckversion - übernahmen chinesen bieten für 30 deutsche autozulieferer -...

4
Übernahmen Übernahmen URL: URL: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-773587.html zuletzt aktualisiert: zuletzt aktualisiert: 11. Juli 2011, 15:02 Uhr "Chinesen bieten für 30 "Chinesen bieten für 30 deutsche Autozulieferer" deutsche Autozulieferer" China kauft technisch gut entwickelte deutsche Autozulieferer wie nie zuvor. Die Roland-Berger- Experten Dirk Kohlen und Marcus Berret sagen im Interview, ob der deutschen Autoindustrie jetzt der Ausverkauf droht - und seit wann europäische Konzerne ihre China-Partner zum Kopieren anstiften. mm: mm: Herr Berret, Herr Kohlen, es scheint als hätte China einen gigantischen Appetit auf deutsche Unternehmen entwickelt. Erst hat Lenovo den Aldi-Hauslieferanten Medion übernommen, dann spekulieren alle über das wieder erwachte Interesse des Pekinger Baic-Konzerns an Opel, und jetzt kauft die staatliche chinesische Citic-Gruppe den Hildesheimer Aluminiumgussspezialisten KSM. Droht der Ausverkauf insbesondere deutschen Automobil-Knowhows nach China? Berret: Berret: Einen Ausverkauf sehe ich definitiv nicht. Gerade wenn es um Automobilzulieferer geht, passen die großen Konzerne wie Volkswagen , Daimler und BMW schon auf, dass nicht zu viel Wissen über ihre Technologien in Richtung Ausland abfließt. Aber es gibt derzeit einen noch nie erlebten Schub an Investitionen aus China. Und wir werden in den nächsten Monaten noch viele ähnliche Transaktionen erleben. mm: mm: Was führt Sie zu dieser Erwartung? Berret: Berret: Schauen Sie sich die Entwicklung der vergangenen zwölf Monate an. Investoren aus Wachstumsregionen, insbesondere aus China, haben ihren Anteil an den Übernahmen von Autozulieferern aus dem deutschsprachigen Raum verdoppelt. Und ihr Interesse an europäischen Zulieferern wächst weiter. Momentan stehen zwischen 20 und 30 weitere deutsche Unternehmen zum Verkauf - und bei nahezu jedem gibt es einen sehr interessierten chinesischen Bieter. mm: mm: Die betroffenen Belegschaften reagieren besorgt, etwa bei dem ebenfalls nach China verkauften Zulieferer Saargummi. Die Arbeitnehmer erinnern sich an krachend gescheiterte frühere Versuche: zum Beispiel die Übernahmen des TV-Herstellers Schneider und des Flugzeugkonzerns Fairchild Dornier. Berret: Berret: Das stimmt, aber die Angst legt sich langsam. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens haben die Chinesen früher schwer angeschlagene Unternehmen gekauft. Sie mussten sanieren und Mitarbeiter entlassen. Als sie aber dann scheiterten, war das für sie eine doppelte Niederlage: Die Übernahme hatte Von Michael Freitag

Upload: dirk-kohlen

Post on 24-Jan-2017

81 views

Category:

Documents


3 download

TRANSCRIPT

Page 1: manager magazin - Druckversion - Übernahmen Chinesen bieten für 30 deutsche Autozulieferer - manager magazin - - Unternehmen

ÜbernahmenÜbernahmen

URL:URL: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-773587.html

zuletzt aktualisiert:zuletzt aktualisiert: 11. Juli 2011, 15:02 Uhr

"Chinesen bieten für 30"Chinesen bieten für 30deutsche Autozulieferer"deutsche Autozulieferer"

China kauft technisch gut entwickelte deutsche Autozulieferer wie nie zuvor. Die Roland-Berger-Experten Dirk Kohlen und Marcus Berret sagen im Interview, ob der deutschen Autoindustrie jetztder Ausverkauf droht - und seit wann europäische Konzerne ihre China-Partner zum Kopierenanstiften.

mm:mm: Herr Berret, Herr Kohlen, es scheint als hätte China einen gigantischen Appetit auf deutscheUnternehmen entwickelt. Erst hat Lenovo den Aldi-Hauslieferanten Medion übernommen, dannspekulieren alle über das wieder erwachte Interesse des Pekinger Baic-Konzerns an Opel, und jetzt kauftdie staatliche chinesische Citic-Gruppe den Hildesheimer Aluminiumgussspezialisten KSM. Droht derAusverkauf insbesondere deutschen Automobil-Knowhows nach China?

Berret:Berret: Einen Ausverkauf sehe ich definitiv nicht. Gerade wenn es um Automobilzulieferer geht, passendie großen Konzerne wie Volkswagen , Daimler und BMW schon auf, dass nicht zu viel Wissen über ihreTechnologien in Richtung Ausland abfließt. Aber es gibt derzeit einen noch nie erlebten Schub anInvestitionen aus China. Und wir werden in den nächsten Monaten noch viele ähnliche Transaktionenerleben.

mm:mm: Was führt Sie zu dieser Erwartung?

Berret:Berret: Schauen Sie sich die Entwicklung der vergangenen zwölf Monate an. Investoren ausWachstumsregionen, insbesondere aus China, haben ihren Anteil an den Übernahmen vonAutozulieferern aus dem deutschsprachigen Raum verdoppelt. Und ihr Interesse an europäischenZulieferern wächst weiter. Momentan stehen zwischen 20 und 30 weitere deutsche Unternehmen zumVerkauf - und bei nahezu jedem gibt es einen sehr interessierten chinesischen Bieter.

mm:mm: Die betroffenen Belegschaften reagieren besorgt, etwa bei dem ebenfalls nach China verkauftenZulieferer Saargummi. Die Arbeitnehmer erinnern sich an krachend gescheiterte frühere Versuche: zumBeispiel die Übernahmen des TV-Herstellers Schneider und des Flugzeugkonzerns Fairchild Dornier.

Berret:Berret: Das stimmt, aber die Angst legt sich langsam. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens haben dieChinesen früher schwer angeschlagene Unternehmen gekauft. Sie mussten sanieren und Mitarbeiterentlassen. Als sie aber dann scheiterten, war das für sie eine doppelte Niederlage: Die Übernahme hatte

Von Michael Freitag

Page 2: manager magazin - Druckversion - Übernahmen Chinesen bieten für 30 deutsche Autozulieferer - manager magazin - - Unternehmen

sich nicht gelohnt und das Image der chinesischen Investoren war ruiniert. Heute kaufen sie gezielttechnisch gut entwickelte und meistens auch florierende Firmen, die nicht restrukturiert werden müssen.Außerdem haben chinesische Investoren verstanden, dass sie die Mitarbeiter korrekt behandeln müssen,wenn sie langfristig von ihrem Fachwissen profitieren wollen. Ansonsten verlassen die besten Fachkräfteschnell das Unternehmen.

mm:mm: Aber sind die chinesischen Methoden, ein Unternehmen zu führen, wirklich kompatibel mit sozialerMarktwirtschaft und deutscher Managementkultur?

Kohlen:Kohlen: Endgültig werden wir diese Frage erst Monate oder sogar Jahre nach der Übernahmebeantworten können. Sicherlich haben aber die Chinesen verstanden, wie sie den Wert einesUnternehmens erhalten. Dazu gehört auch der Respekt unterschiedlicher Managementkulturen.

Berret:Berret: Kulturelle Unterschiede haben Sie immer. Das gilt für Käufer aus Brasilien genauso wie füramerikanische Finanzinvestoren und selbst für Partner aus unserem Nachbarland Frankreich.

mm:mm: Das mag alles sein. Was aber ist mit der vielleicht größten Angst vor den neuen Angreifern: DenChinesen gehe es einzig um die deutschen Patente, die deutschen Fabriken und Entwicklungszentrenwürden über kurz oder lang geschlossen.

Berret:Berret: Da spielen zwei Faktoren eine wichtige Rolle. Natürlich sind die Chinesen an der deutschenTechnologie stark interessiert und werden alles daran setzen, das Wissen ihrer neuen Mitarbeiter vonChina aus zu nutzen. Andererseits kaufen sie Zulieferer in Deutschland, Österreich und der Schweiz auch,um leichteren Zugang zu den großen Automobilkonzernen hier zu Lande zu bekommen.

Kohlen:Kohlen: Dazu brauchen sie Ingenieure, die einen direkten Draht in die Unternehmenszentralen haben.Audi, Mercedes und BMW erwarten von ihren Zulieferern Toptechnologie. Für die Automobilhersteller istwichtig, die Ingenieure in ihrer Nähe zu haben, um mögliche Probleme oder Neuheiten schnelldiskutieren zu können. Die Chinesen haben das begriffen: Ein Kahlschlag bei ihren neuen Töchtern wärekontraproduktiv.

Die Regierung schätzt die Autoindustrie realistisch einDie Regierung schätzt die Autoindustrie realistisch ein

mm:mm: Vor 12 bis 18 Monaten war die Situation noch ganz anders. Es gab auch da schon interessiertechinesische Investoren. Aber sie durften nicht kaufen. Die Autokonzerne legten regelmäßig ihr Veto ein.Und wenn die Chefeinkäufer von Volkswagen, Daimler und Co. nicht mitziehen, dann habenKaufinteressenten keine Chance mehr. Wieso dürfen die Chinesen jetzt plötzlich kaufen?

Kohlen:Kohlen: Auf beiden Seiten hat sich etwas geändert. Die Chinesen haben erkannt, dass sie früher nur beischlechten Unternehmen zum Zug gekommen sind. Wenn Sie den neuen Fünfjahresplan aus Pekingstudieren, sehen Sie, dass die Regierung den Zustand der chinesischen Automobilindustrie realistischeinschätzt: Die meisten Unternehmen haben gegen die westliche Konkurrenz noch immer keine Chance.Also wollen sie ihre Marktposition gezielt mit technisch gut aufgestellten Unternehmen stärken. Doch siehaben nur dann eine Chance, gute Firmen zu übernehmen, wenn sie in den Verhandlungsprozessenprofessioneller auftreten.

mm:mm: Das bedeutet?

Kohlen:Kohlen: Chinesische Investoren sind mittlerweile bereit, Preise zu zahlen, bei denen sie früher längstausgestiegen wären. Außerdem lassen sie sich von erstklassigen Unternehmensberatern,Investmentbankern und Anwälten beraten. Ihre Unterhändler gehen zudem stärker auf die kulturellenBesonderheiten ihrer deutschen Verhandlungspartner ein und sie entscheiden viel schneller als noch voreinem Jahr.

mm:mm: Das erklärt noch nicht, warum die VWs und Daimlers inzwischen ihr Plazet geben. Sie habenschließlich nichts von höheren Preisen.

Page 3: manager magazin - Druckversion - Übernahmen Chinesen bieten für 30 deutsche Autozulieferer - manager magazin - - Unternehmen

Berret:Berret: Deutsche Unternehmen können sich schlecht ständig gegen die Interessen des Landes stellen, indem sie in den vergangenen zwei bis drei Jahren einen Großteil ihres Gewinns erzielt haben. Diechinesische Regierung registriert ein solches Verhalten sehr genau und hat zahlreiche Möglichkeiten,ausländischen Unternehmen das Leben zu erschweren.

mm:mm: Die hatte sie vor anderthalb Jahren auch schon.

Berret:Berret: Mit dem neuen Fünfjahresplan der chinesische Regierung hat sich die Lage verschärft.Andererseits ist auch das Interesse der deutschen Automobilhersteller an guten lokalen Zuliefererngestiegen. Wenn die Autohersteller hohe Zölle vermeiden wollen, müssen sie einen hohen Anteil ihrerTeile in China produzieren lassen. Bislang erfüllen aber häufig nur global aufgestellte Konzerne wie Boschoder Continental die erforderlichen Qualitätskriterien. Chinesische Zulieferer scheitern regelmäßig an derQualität; genauso, wie viele europäische Mittelständler, wenn sie ihre Produktion nach Asien verlegen.Wenn diese beiden Parteien sich verbünden und gegenseitig helfen, sieht das wahrscheinlich anders aus.

mm:mm: Die Angst vor dem Verlust der deutschen Technologie fällt dann nicht mehr ins Gewicht?

Berret:Berret: Nein. Da regiert schon heute der Pragmatismus. Deutsche Konzerne ermuntern manchmalchinesische Partner, Produkte europäischer Lieferanten ohne Patente oder Lizenz nachzubauen. Und dieeuropäischen Zulieferer unternehmen nichts dagegen, weil sie Angst haben, weitere Aufträge zuverlieren.

Kohlen:Kohlen: Dazu kommt noch ein ganz anderer Effekt. Auch das Management der übernommenen Firmensteht chinesischen Bietern viel offener gegenüber. Früher galten Unternehmen oft als schlechte Firmen,wenn sie von Chinesen gekauft wurden. Da jetzt immer mehr gute Unternehmen übernommen werden,hat sich das geändert. Das spielt eine wichtige Rolle: Das Management muss Interesse an einembestimmten Käufer haben. Und dieses Interesse ist deutlich gestiegen.

mm:mm: Es heißt immer wieder, die chinesische Regierung steuere, welches Unternehmen welche westlicheFirma kaufe. Funktioniert das tatsächlich so?

Berret:Berret: Es wirkt zumindest häufig so, als folgten die Investoren einem großen, zentral gesteuerten Plan.Ganz selten kämpfen zwei chinesische Bieter um den gleichen deutschen Konzern. Spätestens wenn es indie Endphase der Verkaufsprozesse geht, bleibt nur ein Interessent aus China übrig. Und das ist häufigderjenige, der schon vorher einen engen Draht zu dem verkauften Unternehmen hatte - etwa als Joint-Venture-Partner in China.

mm:mm: Wie kann man sich diese zentrale Steuerung genau vorstellen? Gibt es da eine lange Listeinteressanter Unternehmen. Und sobald eins davon angreifbar erscheint, schickt der Staat einenchinesischen Käufer los.

Berret:Berret: Ich weiß nicht, ob da eine staatliche Behörde Regie führt und Kaufaufträge vergibt. Aber dasVerhalten der Chinesen wirkt in jedem Fall koordiniert.

mm:mm: Herr Berret, Herr Kohlen, die nächsten Transaktionen scheinen bereits dicht bevor zu stehen. Wannwerden wir die erste chinesische Milliarden-Übernahme in Deutschland erleben?

Kohlen:Kohlen: Ich denke, wir werden nicht mehr lange warten müssen. Das dürfte eine Frage der nächstenzwölf Monate sein. Es war schon mindestens einmal fast so weit.

Mehr zum Thema:Mehr zum Thema:Investitionen in Zukunftsbranchen: China erwägt zurückzustecken (manager magazin)http://www.manager-magazin.de/politik/artikel/a-772921.htmlBMW, Mercedes, Audi: Absatzrekorde für Deutschlands Autobauer (manager magazin)http://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/a-772935.htmlWen Jiabao in Berlin: Die Mär von der China-Invasion in Deutschland (manager magazin)http://www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaft/a-771047.html

Page 4: manager magazin - Druckversion - Übernahmen Chinesen bieten für 30 deutsche Autozulieferer - manager magazin - - Unternehmen

Saab: Chinesischer Großauftrag bringt Hoffnung (manager magazin)http://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/a-770786.htmlLenovo kauft Medion: China auf Einkaufstour in Deutschland (manager magazin)http://www.manager-magazin.de/unternehmen/it/a-766055.htmlMehr zum Thema Autoindustrie: Alle Artikel, Fakten und Hintergründehttp://www.manager-magazin.de/thema/automobil/

© manager magazin 2011© manager magazin 2011Alle Rechte vorbehaltenVervielfältigung nur mit Genehmigung der manager magazin Verlagsgesellschaft mbH