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Politik der Repräsentation Marina Martinez Mateo Zwischen Formierung und Abbildung Philosophie & Kritik. Neue Beiträge zur politischen Philosophie und Kritischen Theorie

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Martinez M

ateo

Politik der Repräsentation

Marina Martinez Mateo

Politik der Repräsentation

Zwischen Formierung und Abbildung

Philosophie & Kritik. Neue Beiträge zur politischen Philosophie und Kritischen Theorie

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Philosophie & Kritik. Neue Beiträge zur politischen Philosophie und Kritischen Theorie

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Diese Reihe soll besonders herausragende und vielversprechende Beiträge zur politischen Philosophie, der kritischen Sozialphilosophie und der Kritischen Theorie versammeln, die sich von traditionellen Herangehensweisen in der prak-tischen und politischen Philosophie durch eine Infragestellung ihrer Paradigmen abheben. Dabei handelt es sich vor allem um Beiträge, die aus den unterschied-lichsten Perspektiven und ausgehend von verschiedenen philosophischen und politischen Traditionen das heute dominante normativ-liberale Selbstverständnis der politischen Philosophie als der Analyse der richtigen Anwendung moralischer Grundsätze auf eine als gegeben vorausgesetzte Sphäre politischer Institutio-nen bezweifeln und daher die Frage nach der richtigen Theorie des Politischen radika-ler und umfassender aufwerfen, als es in dieser Tradition möglich ist.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/15669

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Marina Martinez Mateo

Politik der RepräsentationZwischen Formierung und Abbildung

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Marina Martinez MateoFrankfurt am Main, Deutschland

Philosophie & Kritik. Neue Beiträge zur politischen Philosophie und Kritischen Theorie ISBN 978-3-658-21322-0 ISBN 978-3-658-21323-7 (eBook)https://doi.org/10.1007/978-3-658-21323-7

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National-bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Springer VS Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa-tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

Dissertation Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, 2016

u.d.T.: Marina Martinez Mateo: „Zur Formierung in der Abbildung: Eine ästhetische Kritik politischer Repräsentation.“

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

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Inhalt 1 Einleitung 7 1.1 Tod und Wiedergeburt der Repräsentation 7 1.2 Das Band zwischen Volk und Souveränität 12 1.3 Kleine historische Notiz 27

1.3.1 Repräsentation im Mittelalter und im Absolutismus 28 1.3.2 Demokratie durch Repräsentation 35 1.3.3 Nach der Repräsentation? 41

2 Unbestimmtheit und Formierung 49 2.1 Hobbes: Fiktion des Staates und Drohung der Menge 49

2.1.1 Formierung als fiktive Autorisierung 50 2.1.2 Scheiternde Volkssouveränität 64 2.1.3 Gewalt und Leere der Repräsentation 79

2.2 Schmitt: Unsichtbarer Grund und unbestimmte Kraft 89 2.2.1 Paradoxie der Konstituierung 92 2.2.2 Form und Unsichtbarkeit 104 2.2.3 Identität durch Repräsentation 113 2.2.4 Bruch und Versöhnung 122

3 Die Gesellschaft und ihre Abbildung 131 3.1 Burke: Affektivität der Repräsentation und virtueller Raum 131

3.1.1 Die Gewalt der Setzung 133 3.1.2 Repräsentation als sympathetische Einheit 142 3.1.3 Politische Autonomie des Virtuellen 150 3.1.4 Menge und Gattung in schöner Nachahmung 161

3.2 Madison und Mill: Formen der Pluralität 177 3.2.1 Zwei Demokratien oder die Gefahren der Einheit 183 3.2.2 Individualismus und Pluralität 196 3.2.3 Neue Einheiten, neue Formen 209

4 Kritik der Repräsentation – Repräsentation als Kritik 223 4.1 Konstellationen scheiternder Repräsentation 223 4.2 Rousseau: Souveränität ohne Repräsentation 241

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4.2.1 Zur Unvertretbarkeit des Gemeinwillens 241 4.2.2 Formierung ohne Souveränität 247 4.2.3 Fiktionalität und Schließung 259

4.3 Rancière: Ästhetische Kritik der Repräsentation 271 4.4 Politik ästhetischer Repräsentation 285

4.4.1 Die negative Form des Volkes 287 4.4.2 Paradoxe Autonomie der Politik 299

5 Represent more, represent hard! 313 Literaturverzeichnis 325 Danksagung 343

6 Inhalt

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1� Einleitung

1.1�Tod und Wiedergeburt der Repräsentation Sei es durch Occupy, das Unsichtbare Komitee oder während der Besetzungen öffentlicher Plätze in Spanien – von verschiedenen Seiten aus wurde noch vor wenigen Jahren der gleiche repräsentationskritische Ausspruch skandiert: „No nos representan“; „We are the 99%“; „Democracia real ya“. Diese Deklaration war mit einem großen Optimismus gegenüber politischen Formen verbunden, die nach der repräsentativen Demokratie zu kommen versprachen, so wie es etwa Raul Zelik in der taz ausdrückte: Die Proteste in Spanien zeigten, wie das Scheitern der Repräsentation „einer radikal demokratischen Praxis im öffent-lichen Raum“ Platz machen könne, die fundamental inklusiver und egalitärer sei als alles, was das althergebrachte Parteiensystem zu bieten habe (Zelik 2011). In Deutschland war es etwa das Aufkommen der Piratenpartei, an dem sich eine Diskussion darüber entzündete, ob sich die traditionelle Form von Parteien durch das Internet erübrigt habe und ob dies mit ganz neuen Chancen der Demokratisierung verbunden sei – so die Rede von einer Liquid De-mocracy.1

In den letzten Jahren hat sich der Ton etwas verschoben. Zwar wird auch heute weitgehend davon ausgegangen, dass die repräsentative Demokra-tie sich ihrem Ende zuneigt, doch ist der damit verbundene Optimismus deut-lich leiser geworden oder gar verstummt. Vielmehr wird der Zusammenbruch der Volksparteien mit einer Reihe von bedenklichen Entwicklungen in Ver-bindung gebracht. An erster Stelle steht hier ein neuer Populismus charisma-tischer „Führer“-Figuren, deren Erfolg wohl hauptsächlich darauf beruht, dass

��������������������������������������������������������1 Gemeint ist damit die Idee einer permanenten Möglichkeit, über konkrete Einzelfragen abzu-

stimmen, um so politische Entscheidungsprozesse zu „verflüssigen“. Entscheidend ist hierbei das Medium des Internets, durch das ebensolche Entscheidungsprozesse zugänglicher werden und verschiedene Formen der Beteiligung erprobt werden können. Vgl. der Verein: <https://liqd.net/de/>

M. Martinez Mateo, Politik der Repräsentation, Philosophie & Kritik.Neue Beiträge zur politischen Philosophie und KritischenTheorie, https://doi.org/10.1007/978-3-658-21323-7_1

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018

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Einleitung 8

sie die Regeln des Systems, an dem sie teilhaben, so radikal zu brechen schei-nen: „Das Personal der Berufspolitik wird durch politische, besser: anti-poli-tische Unternehmer ersetzt, die jeder Sachkenntnis entbehren und Unverant-wortlichkeit zum Prinzip erheben.“ (Leggewie 2017, Deutschlandfunk) Die Besonderheit eines Politikertypen wie Donald Trumps liege darin, dass er nicht den Anspruch erhebe, zu repräsentieren, sondern nur sich selbst insze-niere: „Er ist eine tautologische Figur, seine Medienperformance deutet in letzter Konsequenz immer auf ihn selbst. Wenn er tatsächlich das Ende der repräsentativen Demokratie besiegelt, dann tut er das vor allem auch deshalb, weil er nichts anderes repräsentieren kann oder will als sich selbst.“ (Haber-korn 2017, Zeit Online) Mit dieser Beschreibung ist sogleich die Vermutung nahegelegt, dass ebendies auch der Grund für seinen Erfolg sein könnte: Da der Anspruch der Repräsentation offenbar unglaubwürdig geworden ist, greift man auf das unmittelbare Führungsversprechen einzelner Figuren zurück. Auf dieser Grundlage erscheinen gerade die in anderem Kontext gefeierten Ver-fahren zur direkten Erschließung eines (vermeintlich) authentischen Volkswil-lens – so wie das Internet bzw. Referenden und Volksabstimmungen – plötz-lich als gefährliche Spielräume für nationalistische und fremdenfeindliche Be-wegungen, die von sich behaupten, für das Volk zu sprechen, und niemanden neben sich als Teil dieses Volkes dulden.

„In besonderer Weise gelingt es ihnen [den neuen Bewegungen], ihre Programme und Forderungen im Gestus jener neuen, digital-interakti-ven Form von Öffentlichkeit bekannt zu machen, die von sich aus als die neue Vox Populi auftritt und bereits jetzt schon, von Liebhabern wie Verächtern, als ‚Öffentlichkeit der Zukunft’ gehandelt wird. [...] Sie markieren wohl eher die verzweifelte Sehnsucht und Suche nach der echten und möglichst einheitlichen Volksmeinung. Diese Sehnsucht geht einher mit immer neuen Forderungen nach mehr direkter Demo-kratie, nach einer Demokratie von unten und nach neuen Formen der unmittelbaren Bürgerbeteiligung.“ (Geulen, 26.01.2017, DIE ZEIT)

Auf beiden Seiten – der euphorischen wie der besorgten – ist man sich einig: Repräsentation ist, wenn es sie denn je gab, spätestens mit dem letzten Jahr-

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Tod und Wiedergeburt der Repräsentation 9

tausend gestorben. Dies entspricht auch der Diagnose, die in der Politikwis-senschaft und in verwandten Disziplinen seit mindestens dreißig Jahren gebo-ten wird. Ein Band von 1987 etwa versammelte Ansichten über The Crisis of representative democracy (Köchler 1987) − ein Titel, der sich auch Jahrzehnte später offenbar noch gut wiederholen lässt: Unpolitische Demokratie. Zur Krise der Repräsentation (Michelsen und Walter 2013) beispielsweise.2 An-dere sprechen immerhin noch von Krise und Reform politischer Repräsenta-tion (so der Titel des Sammelbandes von Linden und Thaa (Hg.) 2011) oder wagen ein Fragezeichen im Titel: Repräsentative Demokratie in der Krise? (Walter et al. 2013). Jüngst deklarierte Simon Tormey „das Ende der reprä-sentativen Politik“ (Tormey 2015) ganz ohne jedes Fragezeichen. Bei allen Unterschieden in Herangehensweisen und Positionen sind sich diese Ansätze weitgehend darin einig, dass die repräsentative Demokratie, wie wir sie seit zweihundert Jahren kennen, im Prinzip ausgedient hat. Entweder es wird das Zeitalter der „Postdemokratie“ (Crouch 2008 [2005]) eingeleitet (oder eben der „Postrepräsentation“, wie dies Simon Tormey in genanntem Buch tut) oder aber entlarvt, dass repräsentative Demokratie eigentlich schon immer eine Lüge war, weil Repräsentation und Demokratie grundsätzlich unvereinbar seien (so etwa Colliot-Thélène 2011: 24; Lorey 2011 oder Rancière im Hass der Demokratie: HD, 65). Während diese Sorge um die Unvereinbarkeit von Demokratie und Repräsentation der Position jener verschiedenen politischen Bewegungen und Proteste entspricht, deren Mühe der Entwicklung demokra-tischerer Alternativen gewidmet war, zeigen die Negativdiagnosen der letzten Jahre, dass eine Deklaration der Postrepräsentation auch mit Gefahren verbun-den ist, die nicht unterschätzt werden sollten. An die Stelle der Verfahren und Institutionen, in die sich die parlamentarische Demokratie strukturiert, tritt nun ein an der Identität einer einzelnen Person orientierter Populismus3 (Müller

��������������������������������������������������������2 Mit ironischem Unterton feierte Christoph Görg in einem Vortrag kürzlich gar das 50jährige

Bestehen der Krise der Repräsentation (auf dem Workshop „Demokratie in der Wachstums-krise – Chancen demokratischer Transformation“, Jena 20.-22. September 2017).

3 Mit Bezug auf den Erfolg von Donald Trump im Vorwahlkampf der Republikaner in den USA schreibt Dirk Kurbjuweit im Spiegel: „Die Identität ersetzt die Repräsentation, wie in einer Diktatur. Die passende Behauptung zu diesem System wäre dann nicht, wie früher, ‚Der Staat

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Einleitung 10

2014: 486–488, der allerdings betont, dass es sich hierbei nicht um eine Ab-kehr, sondern um eine spezifische Form von Repräsentation handelt) und die Massen auf der Straße bringen nicht mehr die bejubelten 99% von Occupy, sondern das „Volk“ der Pegida-Bewegung hervor. In der Tat – so scheint es – sollte man sich also nicht allzu bereitwillig von dem, wenn auch offenbar mit Problemen verbundenen, Versuch zur Repräsentation abwenden.

Deshalb ist es unbedingt begrüßenswert, dass es parallel und scheinbar im Widerspruch zum deklarierten Ende der Repräsentation insbesondere in der demokratietheoretischen Forschung ein neues Interesse an Repräsentation gibt4 – und zwar so deutlich erstarkt, dass von einem „Representative Turn in Democratic Theory“ die Rede ist (Näsström 2011).5 Gegenüber der Skepsis und den Problemdiagnosen, die die Öffentlichkeit dominieren, ist der starke Anspruch dieser Forschungsrichtung auffällig: Repräsentation ist hier nicht eine mangelhafte, krisengebeutelte, elitäre Regierungsform, die immer wieder von Neuem durch Reformen und Demokratisierungen gerettet werden muss oder eben abgeschafft werden sollte, sondern sie stellt eine eigene – gar die bessere − Form von Demokratie dar. Im Prinzip also wird ebendas behauptet, was bereits vor zwei Jahrhunderten die Durchsetzung repräsentativer Demo-kratie bestimmte: Sie sollte nicht bloß die (notwendige) Einschränkung direk-ter Volkssouveränität sein, um diese den komplexen Bedingungen der Mo-derne anzupassen, sondern ein eigenes und fundamental neues Verständnis von Demokratie begründen. Die Neuigkeit aktueller Ansätze besteht aller-dings darin, dass das Gelingen repräsentativer Demokratie gerade vor dem Hintergrund des Bewusstseins ihrer Krise gezeigt werden soll. Die große Ver-teidigung der Repräsentation der letzten Jahre ist also nicht eigentlich eine

��������������������������������������������������������bin ich‘, sondern ‚Das Volk bin ich‘. Alle Kontrollsysteme, die Parteien und Medien ja auch sind, fallen weg.“ (Kurbjuweit 2016)

4 Vgl. etwa: Ankersmit 2002; Urbinati 2006; Saward 2010 [2006]; Brito Vieira und Runciman 2008; Näsström 2011. Viele von ihnen finden sich versammelt im Sammelband Alonso, Keane und Merkel (Hg.) 2011. Im deutschsprachigen Raum sind etwa zu erwähnen: Diehl 2015 und Reitz 2016.

5 Kürzlich wurde unter diesem Schlagwort von Monica Brito Vieira ein Forschungsprojekt an der York-University durchgeführt <https://www.york.ac.uk/politics/research/current-pro jects/representative-turn/>.

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Tod und Wiedergeburt der Repräsentation 11

Gegenposition zur Behauptung ihrer Krise, sondern schlägt vielmehr eine an-dere Konsequenz aus derselben Diagnose vor. In der Diagnose einer Krise der Repräsentation sind sich alle einig, doch während die einen den Tod der Re-präsentation affirmieren und eine neue Demokratie nach der Repräsentation suchen, nehmen die anderen diesen Tod als Wiedergeburt, in der eine grund-legende Verschiebung und Erneuerung der Repräsentation möglich werden soll. Es handelt sich also gewissermaßen um eine Verteidigung der Repräsen-tation auf der Grundlage, dass die Kritik am liberalen Rechtsstaat und seinen repräsentativen Institutionen sehr wohl gerechtfertigt ist. Die Institutionen li-beraler Demokratie sind zu verteidigen, obwohl oder gerade weil sie nicht das leisten, was sie zu leisten beanspruchen (so bereits Lefort 1990 sowie Lefort und Gauchet 1990).

Die vorliegende Arbeit knüpft an beide Stoßrichtungen (der Kritik an Repräsentation sowie ihrer Verteidigung) gleichermaßen, wenn auch nicht vollständig an. Sehr wohl teile ich die Ansicht, dass es gute Gründe gibt, Re-präsentation gerade aus einem demokratischen Anspruch heraus zu verteidi-gen. Der Versuch, politisches Handeln jenseits von Repräsentation zu veror-ten, birgt die Gefahr, ins Totalitäre zu kippen und sich gegen Kritik und Dif-ferenz zu immunisieren. Darüber hinaus glaube ich, dass aus einem Neuden-ken von Repräsentation Potentiale für Formen politischer Aktivität und der Bildung von Kollektivitäten geschöpft werden können, die verlustig gehen, wenn man sich ihr gegenüber verschließt. Entsprechend der Gegenseite möchte ich zugleich Bedenken gegen allzu optimistische Reformversuche for-mulieren. Auch wenn diese Versuche als Kritik gegenüber der aktuellen insti-tutionellen Ausgestaltung von Repräsentation auftreten (etwa gegenüber dem Nationalstaat oder dem System von Parteien) und auf eine Vervielfachung und größere Fluidität von Repräsentationsformen ausgerichtet sind, denken sie letztlich doch größtenteils im Rahmen liberaler Kategorien. Wenn darin neue Formen von Politik gesucht werden, so bleiben sie doch an der Struktur von Wahlen und Parlamenten sowie an der Bestimmung von Entscheidungsträ-ger/innen und Ähnlichem orientiert. Der wichtige Einwand gegenüber diesem demokratietheoretischen Forschungszweig lautet also, dass darin keine grund-

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Einleitung 12

legende Kritik am Denken in staatlicher oder staatsähnlicher Souveränität for-muliert wird. Die Tatsache, dass durch Repräsentation ein Herrschaftssystem etabliert und legitimiert wird, indem sie Institutionen der Souveränität in ei-nem Volkswillen gründen lässt, wird nicht in Frage gestellt. Was ich mit der Seite der Kritik allerdings nicht teile ist die Folgerung, dass erst eine Politik jenseits von Repräsentation die Gewalt und Ungleichheit, die mit staatsähnli-chen Ordnungen verbunden sind, überwinden könnte. Stattdessen scheint mir, dass die geforderte grundsätzliche Kritik an den Institutionen der Souveränität nur durch ein präzises Verständnis von Repräsentation formuliert werden kann, in dem die Brüche und Paradoxien, die in dieser Figur selbst enthalten sind, herausgearbeitet und (selbst-)kritisch gewendet werden. Dies ist das Ziel der vorliegenden Analyse. 1.2�Das Band zwischen Volk und Souveränität Um dieses Ziel zu erreichen, muss grundsätzlicher begonnen werden, als es der große Teil der oben genannten Perspektiven tut: vor dem liberalen Ver-ständnis repräsentativer Demokratie, vor den konkreten Institutionen, mit de-nen sie verbunden ist, und vor aktuellen Krisentendenzen. Beginnen wir statt-dessen, um die grundlegende Funktion von Repräsentation für staatliche Sou-veränität zum Ausgangspunkt zu machen, mit einem Satz von Carl Schmitt:

„Staat ist ein bestimmter Status eines Volkes, und zwar der Status poli-tischer Einheit. Staatsform ist die besondere Art der Gestaltung dieser Einheit.“ (VL, 205)

Auch wenn diese Aussage nicht losgelöst stehen bleiben und aus ihrem Kon-text gerissen werden darf, soll sie dieser Studie zunächst eine Rahmung bieten. Nehmen wir an, es sei in der Tat so, dass ein Staat immer – unabhängig von der konkreten Ausgestaltung seiner Institutionen, unabhängig davon also, ob

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Das Band zwischen Volk und Souveränität 13

er sich als demokratisch, als absolutistisch, als autoritär oder als totalitär ver-steht – auf einen Zustand des „Volkes“6 verweist. Dieses Volk bildete dann nicht nur notwendigerweise den Ausgangspunkt, um staatliche Souveränität zu denken, sondern wäre gar ihre genuine Substanz. Zwar könnte ein Volk auch unabhängig vom Staat existieren, nämlich in anderer Form als in Einheit, doch ließe sich umgekehrt ein Staat ohne Volk nicht denken. In einer anderen Formulierung als derjenigen von Schmitt heißt das: Staatssouveränität ist im-mer Volkssouveränität. Wird die Souveränität eines Staates behauptet, so ist darin mitausgedrückt, dass auch ein darin eingeschlossenes Volk souverän ist. Wer auch immer einen souveränen Willen äußert, muss zeigen können, dass es sich dabei nicht um einen privaten Sonderwillen handelt. Der Wille muss sich als allgemein erweisen, das heißt den Willen einer Bevölkerung, die in diesem geeint ist, verwirklichen. Dies ist keine Aussage darüber, wie demo-kratisch ein Staat organisiert ist: Es kann demokratische wie nichtdemokrati-sche Formen von Volkssouveränität geben, doch das ist eine Frage auf Ebene der Gestaltung, nicht auf Ebene der Begründung von Souveränität. Der Begriff der Volkssouveränität, wie er hier verwendet wird, liegt – entgegen des all-tagssprachlichen Gebrauchs − auf einer grundsätzlichen Ebene der Begrün-dung staatlicher Souveränität. Um Staatssouveränität zu verstehen, ist es daher fundamental, das Verhältnis von Volk und Souveränität zu verstehen. Erst da-von ausgehend können verschiedene Weisen, in denen dieses Verhältnis kon-zipiert wird, in ihren Konsequenzen für die jeweilige Ausgestaltung von Staat-lichkeit begriffen werden. Entscheidend ist also, zwischen zwei Schritten zu unterscheiden: den Schritt der Begründung und den Schritt der Gestaltung von Staatlichkeit. Der erste Schritt ist formal, der zweite ist inhaltlicher Art. An erster Stelle steht die formale Tatsache, dass Souveränität immer ein Volk vo-raussetzt, unabhängig davon, wie Staat und Volk verstanden werden. Darauf gründet zweitens die Unterscheidung verschiedener Weisen, dieses Volk zu

��������������������������������������������������������6 Der Begriff des „Volkes“ wird hier lediglich in einem formalen Sinne gebraucht, wie im wei-

teren Verlauf noch deutlich werden soll. Ich möchte damit keine Aussagen über das tatsäch-liche Bestehen eines solchen Subjekts machen, sondern lediglich dessen Einsatz im Zusam-menhang mit Souveränität diskutieren. Weil die entsprechenden Theorien den Begriff des Volkes verwenden, greife ich ihn an dieser Stelle auf.

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Einleitung 14

begreifen (ob etwa intern heterogen oder einheitlich7) sowie verschiedener Weisen, Institutionen staatlicher Souveränität zu gestalten, die dieses Volk binden und zur Verwirklichung verhelfen. Der erste Schritt ist notwendig, da-mit es überhaupt einen Staat gibt; letzteres bringt verschiedene Formen staat-licher oder staatsähnlicher Institutionen hervor. Auf dieser zweiten Ebene ver-weist Schmitts Sicht auf den Staat als einheitliche Formulierung eines einzigen Willens auf eine Weise, das Verhältnis von Volk und Souveränität zu denken, während die liberale Gegenposition wäre, dass der Staat lediglich ein mög-lichst neutraler Rahmen sei, um weitreichende Differenz und Heterogenität in seinem Innern zu ermöglichen. An dieser Unterscheidung zweier Ebenen setzt meine Auseinandersetzung mit Repräsentation an. Während Repräsentation für gewöhnlich lediglich auf der zweiten Ebene verortet, d.h. als bestimmte – meist liberale – Gestaltung staatlicher Institutionen verstanden wird, möchte ich zeigen, dass sie bereits auf formaler Ebene für die Begründung staatlicher Souveränität unabdingbar ist, weil nur durch sie Staat und Volk verbunden werden können. Darauf gründend sind auf Ebene der inhaltlichen Gestaltung zwei Prinzipien politischer Repräsentation zu unterscheiden, die mit verschie-denen Modellen des Volkes und politischer Institutionen einhergehen. Ich nenne sie „Formierung“ und „Abbildung“. Auf beide Betrachtungsebenen so-wie auf beide Prinzipien der Gestaltung ist nun einzugehen.

Repräsentation ist in formaler Hinsicht grundlegend mit der Begrün-dung staatlicher Souveränität verbunden, weil sie das Band stiftet, durch das Volk und Souveränität zusammengehalten werden. Ohne irgendein Verständ-nis, irgendeine Verwendung von Repräsentation ist dieses vage Konstrukt, in dem eine einzelne Instanz für alle spricht und dadurch souverän wird, nicht zu denken. So gibt es eine notwendige begriffliche Verflechtung von Souveräni-tät und Repräsentation, die zu der Annahme führt, dass es – jenseits der libe-ralen Version repräsentativer Demokratie – ein grundlegendes Verständnis von Repräsentation braucht, um Staatlichkeit überhaupt denken zu können.

��������������������������������������������������������7 Auf dieser Ebene lassen sich auch verschiedene mögliche Begrifflichkeiten zur Bezeichnung

dieses Volkes unterscheiden: Wenn es Gesellschaft genannt wird, steht dessen Heterogenität und Unabhängigkeit im Mittelpunkt, wohingegen der Begriff der Nation etwa auf Einheit fo-kussiert.

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Das Band zwischen Volk und Souveränität 15

Spätestens mit dieser These entfernt sich die Perspektive von derjenigen Schmitts, für den Repräsentation nur in solchen Fällen erforderlich zu sein scheint, in denen das Volk nicht bereits eine Identität mit sich selbst aufweist. Ein selbstidentisches Volk kann für ihn sehr wohl aus sich selbst heraus und ohne weitere Vermittlung einen Staat hervorbringen, der mit dem Volk iden-tisch ist (VL 205).8 In derselben Hinsicht grenzt sich die Arbeit von Rousseau ab, der Souveränität ganz grundsätzlich von Repräsentation zu trennen sucht.9 Hingegen gehe ich davon aus, dass die souveräne Einheit des Volkes nicht voraussetzungslos gegeben ist. Ein souveränes Volk mit einem bestimmbaren Willen ist nicht einfach aufzufinden, sondern muss hergestellt werden. Damit Volkssouveränität zustande kommt, braucht es zunächst eine Reihe politischer Operationen, die einen einheitlichen Willen bilden und darin zugleich einen Staat konstituieren, dessen Grundlage ebenjener Volkswille ist, der durch ihn geschaffen wurde. Dies wird durch Repräsentation geleistet – und deshalb spielt der Repräsentationsbegriff in der Konstruktion staatlicher Souveränität solch eine zentrale Rolle. Damit ist auch gesagt, dass das Verhältnis, das durch das Band der Repräsentation gestiftet wird, von besonderer Art ist: Es verbin-det nicht nur zwei bestehende Seiten, sondern wirkt auf beide ein, transfor-miert oder konstituiert sie gar. Wenn es zur Begründung von Staatlichkeit un-bedingt Repräsentation braucht, so aufgrund dieser formierenden Wirkung. Auf der Anerkennung dieser Voraussetzung beruhen alle (ernst gemeinten) Repräsentationstheorien.

Repräsentation ist insofern ein durch und durch politischer Begriff, der zugunsten seiner zwei Seiten eingesetzt wird und nicht losgelöst von diesem Einsatz betrachtet werden kann. Anstatt also zu fragen, was Repräsentation im Allgemeinen bedeutet, soll gefragt werden, welche Voraussetzungen über diese beiden Seiten getroffen werden müssen, damit der Begriff und seine Re-alisierung glaubhaft werden. Was für mich am Repräsentationsbegriff zentral ist, ist die Frage danach, welche Stelle er einnimmt, wenn von Staatlichkeit die Rede ist, und was er dabei hervorbringt. Er soll in meinem Zugang nicht

��������������������������������������������������������8 Ich werde Schmitts Gegenüberstellung von Repräsentation und Identität noch diskutieren und

zeigen, dass er diese Position selbst nicht aufrechterhält. Siehe insbesondere Kapitel 2.2.3. 9 Zum Versuch Rousseaus, Souveränität ohne Repräsentation zu denken, vgl. Kapitel 4.2.

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Einleitung 16

aus sich selbst, sondern aus seiner Funktion heraus verstanden werden. Von einer solchen Perspektive erhoffe ich mir den größten Erkenntnisgewinn, um den politischen Gehalt und das Potential, das in der Figur der Repräsentation enthalten ist, zu erkunden. Die formalen Komplexitäten dieses Begriffes – etwa das paradoxe Zusammenspiel von An- und Abwesenheit oder Sichtbar-keit und Unsichtbarkeit – können erst in ihrer Gänze erfasst und produktiv gedeutet werden, wenn sie im Kontext der Lösungen, die zugunsten bestimm-ter Staatsprojekte für sie vorgeschlagen werden, betrachtet werden. Aus die-sem Grund stehen in meiner Analyse primär politische Theoretiker im Mittel-punkt, die sich nicht nur aus einer rein philosophischen Reflexion heraus, son-dern auch vor dem Hintergrund einer praktischen Realisierung von Staatspro-jekten mit dem Repräsentationsbegriff auseinandergesetzt haben.10

Die Analyse von Repräsentation soll also über die zweite Ebene – die Ebene der Gestaltung von Staatlichkeit – erfolgen. Es reicht nicht aus, Reprä-sentation auf eine einzige Struktur und ihre formale Funktion rückzubeziehen. Vielmehr schlage ich vor, sie als Figur zu verstehen, die sich in Verbindung mit verschiedenen politischen Ansprüchen wandelt und dabei verschiedene Formen von Politik hervorbringt.11 Diese verschiedenen Repräsentationsfor-men bleiben dabei auf die formale Struktur von Repräsentation bezogen und sind verschiedene Weisen, diese Struktur zu entfalten. Es ist also notwendig, nicht nur die Struktur von Repräsentation nachzuzeichnen, sondern zugleich verschiedene Formen von Repräsentation in ihrer Verbindung zu verschiede-nen Formen der Politik (d.h. in Verbindung mit verschiedenen Annahmen über ein Volk und über dessen Souveränität) zu unterscheiden. Die zentrale Frage soll sein, inwiefern ein bestimmtes Verständnis von Repräsentation mit be-stimmten Annahmen über Volk und Souveränität einhergeht – und umgekehrt.

��������������������������������������������������������10 Dies gilt mit Sicherheit für Sieyès, Madison und Burke, allerdings nicht in gleicher Weise für

Hobbes und Schmitt. In Bezug auf Letztere lässt sich dennoch festhalten, dass ihr primäres Interesse nicht dem Repräsentationsbegriff selbst gilt. Beide verfolgen hingegen andere Ziele − Hobbes will von Souveränität sprechen und Schmitt von konstituierender Gewalt – und setzen im Zuge dessen den Repräsentationsbegriff fast nebenbei ein.

11 Ähnlich der Zugang von Michael Dormal: „Der Gegenstand und der Sinn politischer Reprä-sentation veränderten sich historisch stets zusammen mit den Formen des Politischen [...]“ (Dormal 2017: 10).

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Das Band zwischen Volk und Souveränität 17

Das heißt also auf der einen Seite: Wer ist eigentlich dieses regierende Volk; wie weit reicht seine Selbstständigkeit; inwiefern hat es einen eigenen Willen; wie ist es intern strukturiert? Und auf der anderen Seite heißt dies auch: Wie wird eigentlich diese Souveränität verstanden, von der angenommen wird, dass sie das Volk auf die eine oder andere Weise zum Regieren bringt? In der Beantwortung dieser Fragen können zwei Prinzipien der Gestaltung von Re-präsentation unterschieden werden, die ich „Formierung“ und „Abbildung“ zu nennen vorgeschlagen habe.12 Im ersten Fall wird angenommen, das Reprä-sentierte würde erst durch dessen Repräsentation hervorgebracht, während es im zweiten Fall als bestehend vorausgesetzt wird. Im ersten Fall liegt die Auf-gabe der Repräsentation in der Hervorbringung ihres Subjekts – im zweiten Fall in der Entsprechung zu ihm. Der Unterschied und die gleichzeitige Be-grenzung einer Unterscheidung beider Prinzipien soll hier kurz vorgestellt und durch die Analyse herausgearbeitet werden.

Die Idee der „Formierung“ bedeutet, dass es vor und jenseits der Re-präsentation nichts Bestimmbares gibt, was Volk genannt werden könnte. Die Instanzen der Repräsentation haben insofern die Aufgabe, das Volk, dessen Willen sie repräsentieren, erst hervorzubringen – zu „formieren“. Der Wille des Volkes kann nicht mehr oder weniger korrekt durch Repräsentation abge-bildet werden, sondern die Aufgabe der Repräsentation liegt darin, diesen Wil-len erst herzustellen. Politische Äußerungen und Handlungen existieren nur durch deren Repräsentation im Staat. Zur Repräsentation des Volkswillens ist deshalb eine möglichst weitreichende Geltung der repräsentierenden Instan-zen erforderlich, insofern sie diesen Volkswillen erst durch ihre Geltung er-

��������������������������������������������������������12 Diese Gegenüberstellung stammt von mir und ist zunächst heuristisch zu verstehen. Sie soll

der Strukturierung der Theorien und der Diskussion der Ambivalenzen und Spannungen von Repräsentation dienen. Die Begrenzung einer solchen Gegenüberstellung wird noch thema-tisch sein. Auch ist in der Verwendung der beiden Begriffe Vorsicht geboten: Der Begriff der „Formierung“ doppelt sich (aus Gründen, die noch zu zeigen sind) mit der formalen Formie-rung auf der ersten Ebene. Für den Begriff der „Abbildung“ gilt, dass er von verwandten Be-griffen, die in manchen Zusammenhängen äquivalent verwendet werden, abgegrenzt werden muss. Dazu gehören sowohl Beschreibungen von Repräsentation als „Ähnlichkeit“ oder „Mi-mesis“ sowie der eher juristische Begriff der „Stellvertretung“. Auch diese Verwandtschaften werden im Verlauf der Studie eine Rolle spielen.

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Einleitung 18

schaffen. Auch wenn Repräsentation auf formaler Ebene gewissermaßen im-mer formierend ist, weil es keine Repräsentation bräuchte, wenn das Volk von sich aus einen Willen hätte, gilt dies hier in weitergehender Hinsicht: Hier muss nicht nur etwas hinzukommen, damit ein Volk souverän werde, sondern es wird davon ausgegangen, dass es im Volk nichts Substantielles gibt, worauf dessen Souveränität begründet werden könnte. Eine reine Formierungsreprä-sentation würde mit einer rein selbstbezüglichen Souveränität einhergehen. So begründet dieses Prinzip für sich genommen einen autoritären – gar absolutis-tischen − Staat, sodass es nicht verwunderlich ist, dass dessen paradigmati-scher Vertreter Thomas Hobbes ist: Durch die Identifikation aller mit der freien Handlung eines Souveräns kann die formlose Menge sich bekriegender Einzelner überwunden werden. Dies hängt nicht mit einem besonders befrie-denden Inhalt dieser Handlung zusammen, sondern mit der bloßen Form der Einheit. Da der Souverän als einzelne Person immer nur eine einzige Hand-lung ausführen kann, werden all diejenigen, die sich in dieser Handlung reprä-sentiert sehen, ebenso vereint.13 Die gelingende Repräsentativität der Institu-tion liegt deshalb in ihrer möglichst weitreichenden Geltungskraft und Auto-rität. Es darf keine Grenze ihrer Formierungstätigkeit geben, denn außerhalb der Handlung des Souveräns – das bedeutet: außerhalb der Repräsentation und außerhalb des Staates – gibt es im besten Fall unverbundene Formlosigkeit, im schlimmsten Fall Bürgerkrieg. Durch diese Konstruktion wird jede Art kol-lektiven Widerstands nicht nur politisch verwerflich, sondern gar logisch un-möglich, da es niemanden gibt, der Subjekt dieses Widerstands sein könnte. Die Möglichkeit des Widerstands wird aus dem Repräsentationsverständnis vollständig ausgeklammert. In der absoluten Identität von Herrscher- und Volkswillen soll eine Immunisierung gegen jede Störung der Ordnung liegen, denn es gibt kein Außen, von dem aus in sie eingedrungen werden könnte.14

��������������������������������������������������������13 „Denn es ist die Einheit des Vertreters, nicht die Einheit der Vertretenen, die bewirkt, daß eine

Person entsteht. Und es ist der Vertreter, der die Person, und zwar nur eine Person, verkörpert – anders kann Einheit bei einer Menge nicht verstanden werden.“ (L, 126) So Hobbes.

14 Die Repräsentationstheorie Hobbes’ wird in Kapitel 2.1 diskutiert. Darin wird sich auch zei-gen, dass der Widerstand oder die Störung doch nicht vollständig ausgeklammert werden kann.

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Das Band zwischen Volk und Souveränität 19

Eine solche Identität von Volk und Staat kann allerdings – dies wäre die Konsequenz eines rein formierenden Einsatzes von Repräsentation – kein Verhältnis bezeichnen: Es gibt in einem reinen Formierungsdenken nicht mehr Volk und Souveränität, sondern nur noch die Handlungen des Souveräns, un-ter die das Volk restlos subsummiert wird. Darin liegt das Ungenügen des For-mierungsdenkens. Schließlich muss es, damit überhaupt die formale Struktur der Repräsentation auf erster Ebene realisiert werden kann, ein Verhältnis ge-ben: Wenn Repräsentation ein Band zwischen Volk und Souveränität zieht, kann sich das Volk nicht vollkommen in der Freiheit des Souveräns auflösen. Die Identität von Volk und Souverän muss durch ein äußerliches Element auf-gebrochen werden, damit es überhaupt Repräsentation gibt. In der Formierung des Volkes zum Staat muss etwas mitformiert werden, das dieser Identität äu-ßerlich bleibt, damit überhaupt etwas Repräsentiertes und nicht nur die Person des Souveräns besteht. Hier interveniert das Prinzip der „Abbildung“, indem es auf die Notwendigkeit von Differenz verweist. Die absolute Repräsentation Hobbes’ – so die Kritik – endet in derselben Negation von Repräsentation wie deren Ablehnung durch Rousseau. Prägnant drückt dies Bernard Manin aus:

„Sowohl die Selbstregierung durch das Volk [Rousseau] als auch die absolute Repräsentation [Hobbes] laufen darauf hinaus, die Kluft zwi-schen den Regierenden und den Regierten abzuschaffen. Erstere, weil sie die Regierten in die Regierenden umwandelt, und letztere, weil sie die Repräsentierten durch den Repräsentanten substituiert. Die reprä-sentative Regierungsform hält dagegen diese Kluft aufrecht.“ (Manin 2007 [1997]: 239; Ergänzungen MM)

Mit dieser Differenzbehauptung beginnt Repräsentation als „Abbildung“, ob-gleich sicher nicht auf eine solch harmonische Weise, wie Manin zu glauben scheint. Repräsentation als Abbildung geht zunächst davon aus, dass das Volk ein eigenständiges, in sich bestimmbares Subjekt bildet, das auch jenseits vom Staat existiert und einen eigenen Willen besitzt. Das heißt, dass die Hand-lungsmacht staatlicher Institutionen gegenüber diesem Volk und dessen Wil-len begrenzt ist, sodass Repräsentation hier nicht zur Begründung einer mög-lichst absoluten Souveränität eingesetzt wird, sondern zu einer demokrati-

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Einleitung 20

schen Idee wird (im Sinne eines negativen liberalen Demokratieverständnis-ses, das Demokratie in der Begrenzung staatlicher Gewalt verortet). Die reprä-sentierenden staatlichen Institutionen erhalten ihre Legitimität daraus, dass sie dem Volk (hier sagt man eher: Gesellschaft) und seiner Freiheit möglichst ge-recht werden, und das bedeutet einerseits, dass der Staat sich gegenüber der freien Entfaltung gesellschaftlicher Kräfte zurückzieht, andererseits aber auch, dass die Realisierung gesellschaftlicher Interessen die Grundlage für staatliche Entscheidungen bildet. In dieser Dopplung von Trennung (von Staat und Ge-sellschaft) und Rückbindung (von politischen Entscheidungen in gesellschaft-liche Interessen) liegt die Bedeutung von Repräsentation als „Abbildung“.

Diese Dopplung wird allerdings nicht konsequent aufrechterhalten, wie von Kritiken gegenüber dem sogenannten „Standard Account of Representa-tion“, d.h. der „Mainstreamdeutung“ liberaler Repräsentation betont wird (etwa Urbinati und Warren 2008: 389). In dieser Deutung verschwindet die Differenzbehauptung gegenüber dem Anspruch, dass repräsentative Instituti-onen kohärente Übersetzungen gesellschaftlicher Interessen sein und dabei selbst möglich transparent und ohne eigenen Einfluss bleiben sollten. Die Un-sichtbarkeit des repräsentierenden Körpers ist zentraler Bestandteil der libera-len Ideologie der Repräsentation, wie auch Ernesto Laclau beschreibt (Laclau 2013 [1996]: 141). In einer Demokratie soll der Demos herrschen – und wenn er dies aus organisatorischen oder strukturellen Gründen nicht unmittelbar selbst tun kann, so sollen staatliche Institutionen zumindest so eingerichtet sein, dass sie sich repräsentativ zu diesem verhalten, d.h. dass sie ihm der Struktur nach entsprechen und dessen Interessen wiedergeben – ihn also „rich-tig“ abbilden. Dieses Ideal einer möglichst weitgehenden Transparenz des Staates gegenüber der Gesellschaft ist heute in den Debatten und Kritiken um die Krise der Repräsentation vielleicht mehr denn je wirksam. Dies äußert sich auch in Versuchen der Reformierung repräsentativer Institutionen, durch wel-che der Bruch zwischen Repräsentierenden und Repräsentierten verringert und stattdessen eine möglichst weitreichende Unmittelbarkeit der Äußerungen des Volkswillens erreicht werden soll (deskriptive Repräsentationskonzepte etwa (Mansbridge 1999) oder so etwas wie liquid democracy). Wenn allerdings nur auf die Transparenz des Repräsentierenden gesetzt wird, geht abermals das

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Verhältnis verloren, das in der formalen Struktur von Repräsentation gesucht wird. Wenn die repräsentierende Instanz dem repräsentierten Willen nichts hinzuzufügen hat, braucht es keine Repräsentation, sondern die Identität zwi-schen dem Volk und seinem Willen muss bereits gegeben sein. Eine bruchlose Abbildung, eine exakte Wiederholung, kann es nicht geben – und wenn doch, so wäre sie im besten Fall überflüssig, im schlimmsten Fall eine Verfälschung des Originals. Wenn das Volk – unverfälscht und vollständig – sichtbar sein soll; wie dann besser als durch seine eigene Anwesenheit? Eine Repräsenta-tion ohne Bruch zu fordern, muss sich entweder in Widersprüche verstricken oder sich als Argument gegen Repräsentation äußern. Darauf verweist Laclau, der auf diesem Widerspruch seine Kritik liberaler Repräsentation gründet. Das Ideal einer möglichst naturgetreuen Abbildung ist widersprüchlich, denn wenn jemand überhaupt repräsentiert werden muss, so offenbar nur, weil dieses Sub-jekt mit einem Mangel behaftet ist, der es daran hindert, sich selbst zu artiku-lieren. Dann aber bedeutet dessen Repräsentation, dass ihm etwas hinzugefügt wird, durch das es sich erst kohärent äußern kann, sodass die repräsentierende Instanz nicht transparent bleiben kann. „In diesem Fall ist seine oder ihre Iden-tität aber unvollständig, und das Verhältnis von Repräsentation – weit davon entfernt, sich auf eine vollständig konstituierte Identität zu beziehen – ist ein Supplement, das zur Konstitution dieser Identität notwendig ist.“ (Laclau 2013 [1996]: 141−142) Wenn das Volk repräsentiert werden muss, so bedeutet dies, dass es nicht die innere Kohärenz haben kann, die es bräuchte, um bruchlos darstellbar zu sein. So kann dessen Repräsentation weder sein authentischer noch sein verfremdeter Ausdruck sein, sondern es gibt den repräsentierten Willen ausschließlich in Gestalt seiner Repräsentation. Laclau wendet sich da-mit sowohl gegen Repräsentationskritiken, die den authentischen Willen des Volkes von den Herrschaftsinstanzen, die ihn zu repräsentieren vorgeben, be-freien wollen, als auch gegen das vermeintlich liberale Versprechen, in diesen Instanzen läge eine authentische Realisierung dieses Willens. Laclaus Be-schreibung scheint mir plausibel, doch gegen seine Annahme beginnt liberale Repräsentation als Abbildung genau im Anerkennen dieser Differenz: der Tat-sache, dass sich das Abgebildete vom Bild unterscheidet, dass es Staat und Gesellschaft als zwei getrennte Instanzen gibt, die nicht ineinander aufgehen,

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dass ein vermeintlicher Volkswille also nicht ungebrochen das Fundament po-litischen Handelns sein kann. Dennoch liegt Laclau nicht einfach falsch, denn dieses merkwürdige Kippen zwischen Differenz und Identität hängt mit der in sich paradoxen Struktur der Abbildung zusammen. Wenn der Anspruch gleichermaßen ist, eine Verbindung wie einen Unterschied herzustellen, so können schlecht beide Anforderungen gleichermaßen vollständig erfüllt wer-den. Insofern muss Repräsentation als Abbildung – ebenso wie Repräsentation als Formierung – immer mehr leisten, als sie konzeptualisieren kann.

Abbildung wie Formierung enthalten also beide etwas, was nicht im jeweiligen Selbstverständnis aufgeht. Dies soll in den ersten beiden Teilen der Arbeit anhand einer Analyse von vier Sichtweisen auf politische Repräsenta-tion diskutiert werden, von denen die ersten beiden dem Prinzip der Formie-rung zugeordnet werden können und die letzten beiden demjenigen der Abbil-dung.15 Mit Hobbes werde ich beginnen, weil er nicht nur die erste systemati-sche Verknüpfung von Repräsentation und Souveränität leistet und damit die Grundlage für einen modernen Repräsentationsbegriff legt, sondern auch weil er, wie bereits angedeutet, Repräsentation am radikalsten als Formierung denkt. Im zweiten Schritt wird mit Emmanuel Joseph Sieyès und Carl Schmitt der Versuch diskutiert, das Formierungsmodell demokratisch zu wenden. Da-bei zeigt sich, wie im Rahmen der Französischen Revolution gegen Hobbes’ absolutistische Fundierung argumentiert wurde, zugleich aber gerade ent-scheidende Punkte seines Repräsentationsverständnisses übernommen wur-den. Die Formierungsleistung der Repräsentation wird dabei in eine Theorie konstituierender Gewalt überführt, in der ein Volk sich im revolutionären Akt aus einer unbestimmten Kraft heraus selbst formiert. Für diese Deutung des Repräsentationsbegriffes ist insbesondere die Art und Weise entscheidend, wie Carl Schmitt Unbestimmtheit und Form zusammenbringt. Darin zeigen sich nicht nur die Paradoxien des Formierungsverständnisses, sondern auch dessen produktive Negativität. Auf der Seite der Abbildung diskutiere ich zu-nächst Edmund Burke, der vom britischen Parlamentarismus ausgehend beide Weisen der Formierung (die absolutistische wie die revolutionäre) kritisiert

��������������������������������������������������������15 Kapitel 2 zu Formierung; Kapitel 3 zu Abbildung.

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und dem konstituierenden Akt ein Repräsentationsverständnis gegenüber-stellt, das die Überführung gewachsener Strukturen, also immer schon konsti-tuierter Verhältnisse, in staatliche Institutionen leisten soll. Hier gibt es erst-mals die Idee eines Staates, der sich möglichst wenig von einer Gesellschaft, um deren Freiheit er geschaffen wird, absetzen und sich dennoch von ihr un-terscheiden soll. So plädiert Burke für eine Autonomie des politischen Raums, der zugleich derart an die Gesellschaft gebunden bleiben soll, dass der Staat dadurch transformativ auf sie einwirken kann. Die Idee der Abbildung ist hier keine Affirmation von Differenz per se, sondern sie wird zur Verwirklichung einer affektiv verbundenen gesellschaftlichen Ganzheit eingesetzt, in der sich repräsentative Verfahren von selbst erübrigen. Erst bei den amerikanischen Federalists und John Stuart Mill (viertens) werden Differenz und Vermittlung affirmiert. Und erst in diesem Zusammenhang wird Repräsentation zum ge-nuin demokratischen Ideal. Repräsentative Verfahren sind hier nicht mehr eine (wenn auch womöglich notwendige) Einschränkung von Demokratie, sondern versprechen erst ihre eigentliche Realisierung, indem sie dadurch von ihren rousseauschen Implikationen befreit wird. Durch ein solches Denken der Ab-bildung werden Staat und Gesellschaft getrennt gehalten und bilden dennoch ein Verhältnis. Demokratie bedeutet hier die Ermöglichung einer freien Ge-sellschaft, die sich unter keine einheitliche Form bringen lässt, sich also ihrer Repräsentation im Staat immer wieder entzieht. Dennoch braucht es den Staat gerade, um diese gesellschaftliche Formlosigkeit zu schützen. So kommt es auch hier zum Versuch einer Verbindung von Negativität und Form – die auf gänzlich andere Weise funktioniert als auf der Formierungsseite.16

Das Ergebnis der Analyse beider Prinzipien wird sein, dass sie einander systematisch voraussetzen und ebenso vergessen. Jede Konzeptualisierung po-litischer Repräsentation besteht – ob explizit oder nicht – aus der doppelten

��������������������������������������������������������16 Die Auswahl und Reihenfolge der Autoren orientiert sich klarerweise an systematischen, nicht

an historischen Kriterien. Dennoch ist offensichtlich, dass sie hauptsächlich zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert liegen, also in einem Zeitraum der Herausbildung eines moder-nen politischen Begriffes von Repräsentation und dessen „Demokratisierung“. In dieser Zeit gab es eine lebhafte Auseinandersetzung über das richtige Verständnis von Repräsentation, in der deren verschiedene Dimensionen und mögliche Ausprägungen besonders sichtbar werden. Dies ist der implizit historische Anteil der Arbeit.

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Annahme einer aus sich selbst heraus handlungsfähigen Gemeinschaft einer-seits (Abbildung) sowie eines durch Passivität oder Negativität gegenüber den Herrschaftsinstanzen definierten Kollektivs andererseits (Formierung). Das repräsentierte Subjekt muss mit Beginn des Repräsentationsverhältnisses ei-nerseits vorausgesetzt, andererseits in seiner Eigenständigkeit negiert werden und kann dementsprechend nur als gespaltenes gedacht werden. Da beide Teile dieses Subjekts nicht gleichermaßen affirmiert werden können, also nicht gleichwertig ins Repräsentationsverhältnis (bzw. in die Begründung der Institutionen) eingehen können, bedeutet dies zugleich eine Spaltung im Re-präsentationsbegriff: eine Spaltung in einen expliziten und einen nicht expli-ziten Teil. Eine dialektische Verknüpfung beider Prinzipien der Repräsenta-tion ist einerseits notwendig, um Repräsentation zu verstehen, andererseits nicht möglich, ohne zugleich die jeweiligen Modelle von Repräsentation und die daran gebundenen Formen und Legitimationen von Staatlichkeit grundle-gend in Frage zu stellen. So möchte ich einerseits Repräsentation in ihrer Funktionsweise richtig verstehen, andererseits aber zeigen, dass dieses rich-tige Verständnis nur in Repräsentations- und Souveränitätskritik münden kann. Zugleich – und dies ist die entscheidende Wendung – soll dieselbe Ana-lyse auch ergeben, dass in der Struktur der Repräsentation auch die Bedingung für die Formulierung dieser Kritik liegt und in dieser Hinsicht verteidigt wer-den sollte.

Dass das Vorhandensein von Repräsentation eine Bedingung für die Möglichkeit der Äußerung von Kritik an politischen Verhältnissen darstellt, wurde mit Bezug auf Hobbes angedeutet: Reine Formierung verunmöglicht ebenso Repräsentation wie Kritik, weil das Subjekt der Kritik – ein Kollektiv, das sich in Distanz zur souveränen Willensäußerung befindet – darin ausge-schlossen wird. Dasselbe gilt auf der Seite der Abbildung, wenn sie als völlig transparente Wiederholung des repräsentierten Willens beschrieben wird. In diesem Fall gibt es nichts, was Objekt des Widerstands sein könnte, wie Han-nah Pitkin anmerkt: „Whatever the legislature does will be what the whole nation would have done in its place; so no one will have right or reason to complain. A copy sufficiently like an original can be substituted for the origi-

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nal without making any difference“ (Pitkin 1972 [1967]: 84). Das Ideal „de-skriptiver“ Repräsentation als einer „perfect replica“ (ebd.) des Volkes durch die Regierung kann nur zur Ideologie werden. So fehlt am Ende entweder das Subjekt oder das Objekt der Kritik – in beiden Fällen aber die notwendige Distanz eines Ortes, von dem aus sie geäußert werden könnte. Deshalb soll durch die vorliegende Studie nicht nur Repräsentationskritik geübt, sondern auch unbedingt an Repräsentation festgehalten werden. Repräsentationskritik soll sich nicht jenseits von Repräsentation, sondern im Scheitern der Selbstbe-schreibungen und Modelle von Repräsentation verorten. Die Tatsache, dass Repräsentation immer nur zwischen Abbildung und Formierung beschrieben werden kann, ist zwar ein Problem für staatliche Gestaltungen, die auf je ei-nem der beiden Prinzipien beruhen, doch zugleich liegt darin eine Chance, um aus dem Begriff selbst heraus Repräsentationskritik zu üben. So soll die Ana-lyse der Entwicklung eines Verständnisses von Repräsentation dienen, durch das sie von ihrer institutionellen Funktion und dem Verhältnis, das sie institu-iert, befreit wird. Darin liegt die Gleichzeitigkeit von kritischer und affirmati-ver Perspektive, die in der hier vorgeschlagenen „ästhetischen Kritik“ von Re-präsentation gesucht wird. Es geht um die Suche nach einer „Anti-Repräsen-tation“ (ÜdU, 138), die aber eher „auf ein Mehr als auf ein Weniger an Reprä-sentation“ zielt (ÜdU, 157−158).17 Dieses „Mehr an Repräsentation“ liegt da-rin, dass beide Prinzipien der Repräsentation auf eine Weise verschränkt wer-den, dass Repräsentation als kritischer Freiheitsraum verwirklicht wird, wäh-rend Repräsentation als Fundierung von Souveränität in ihrem Scheitern her-ausgestellt wird. Repräsentation bringt – als das Band, das sie stiftet – eine Distanz in das Verhältnis von Repräsentiertem und Repräsentierendem, die sowohl mit der Illusion eines selbstidentischen und -bewussten Volkes als auch mit derjenigen eines transparenten, herrschaftsfreien Staates bricht. In-nerhalb einer Sicht auf Repräsentation, die sie zur Fundierung eines souverä-nen Staates einsetzt, wird der Freiheitsraum, der in einer solchen Distanz liegt, allerdings notwendig eingehegt. Die vorliegende Arbeit bewegt sich also zwi-schen diesen beiden Perspektiven: einer Kritik an Repräsentation und einer ��������������������������������������������������������17 Diese Beschreibung orientiert sich an dem „Regimen der Künste“ Jacques Rancières. Vgl. zur

Erläuterung dieser Perspektive und des verwendeten Begriffes von Ästhetik Kap. 4.3.

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Affirmation von Repräsentation als Ermöglichung von Kritik. Repräsentation soll ernst genommen werden als etwas, das beides tut: sowohl instituieren als auch destituieren; formieren und deformieren; abbilden und verdecken.

Auf dieser Grundlage soll ein neuer, kritischer Repräsentationsbegriff entwickelt werden. Wenn es eine Formierung in der Abbildung und eine Ab-bildung in der Formierung gibt, so verschiebt sich die Bedeutung von beidem. Die Seite der Formierung muss etwas ihr Äußerliches und Unzugängliches anerkennen, damit sie nicht in Identität umschlägt. Dieses Äußerliche ist al-lerdings nicht, wie aus Perspektive der „einfachen“ Abbildung angenommen, positiv darstellbar, sondern eine Negativität der Form, eine Art Un-Form der Form. Umgekehrt muss liberale Repräsentation als Abbildung anerkennen, dass die plurale Gesellschaft, die sie abbildet, selbst notwendigerweise For-mierungsprozessen unterliegt. Diese Formierungsprozesse sind allerdings an-dere, als es Formierungsmodelle nahelegen, denn formiert wird etwas, das sich der Identität mit dem Staat entzieht. Die abbildbare Gesellschaft wird als etwas formiert, was sich vom Staat unterscheidet und nicht vollends repräsentierbar ist. Der liberale Staat formiert selbst dasjenige, was er abbildet, als etwas, was sich nicht vollständig abbilden lässt. Diese Äußerlichkeit ist allerdings, entge-gen der Annahme der Formierungsseite, keine bloße Negativität, sondern bil-det wiederum Repräsentationen ihres Ungenügens. Diese Dynamik von Innen und Außen sowie von Positivität und Negativität bringt eine neue Perspektive sowohl auf die repräsentierende Seite als auch auf die repräsentierte Seite her-vor. So kann ein anderes Verständnis (repräsentierter) politischer Kollektivität entstehen – ein anderes „Volk“ als Gegenidee zu demjenigen der Volkssouve-ränität, das sich nicht nur als formiertes und in seinen Konturen veränderbares versteht, sondern auch den Bestandteil von Unbestimmtheit in sich affirmiert (vgl. Kap. 4.4.1). Und ebenso kann ein anderes Verständnis der (repräsentie-renden) Autonomie der Politik möglich werden, das sich gegen die etablierten, regelbasierten Strukturen politischer Repräsentation richtet (vgl. Kap. 4.4.2). Diese Wendung markiert das Ziel und den Schluss der Untersuchung, die mit einem Ausblick auf mögliche Politiken der Repräsentation in diesem neuen kritischen Sinn endet.

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Kleine historische Notiz 27

1.3� Kleine historische Notiz Auch wenn der Fokus dieser Untersuchung nicht historisch, sondern systema-tisch ist, liegt die Mehrzahl der diskutierten Autoren um einen konkreten his-torischen Zeitpunkt, von dem ausgegangen wird, dass er einen Umbruch mar-kiert. Zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert hat sich erstens ein moder-ner Repräsentationsbegriff herausgebildet, der erstmals systematisch mit poli-tischer Souveränität verbunden war, und zweitens wurde dieser Repräsentati-onsbegriff auf verschiedene Weisen zu demokratisieren versucht. Es ist daher notwendig, diesen Zeitpunkt zu kontextualisieren und den historischen Wan-del von einem absolutistischen zu einem demokratischen Repräsentationsbe-griff wenigstens in Ansätzen nachzuzeichnen, bevor mit der eigentlichen sys-tematischen Analyse begonnen wird. Solch ein historischer Überblick ist in dieser Kürze selbstverständlich ein unmögliches Unterfangen, sodass er not-wendig schematisieren und all den Kontroversen und Uneindeutigkeiten in dieser Frage unrecht tun wird. Als Teil der Einleitung und mit Verweis darauf, dass es bereits sehr plausible, differenzierte und mit historischem Material reichhaltig belegte Studien zur Entwicklung des Repräsentationsbegriffes gibt,18 ist dies aber möglicherweise entschuldbar. Es sollen schließlich nur ver-schiedene Momente ausgemacht werden, die im weiteren Verlauf und in der Auseinandersetzung mit den behandelten Theorien eine Rolle spielen werden.

Zunächst ist eine Unterscheidung wichtig, die allzu häufig vernachläs-sigt wird. Während die ersten politischen Verwendungen des Repräsentations-begriffes die Bedeutung des Königs bei der Herstellung souveräner Einheit begründen sollten, gab es, parallel dazu, ab dem späten Mittelalter Ständever-tretungen, die eine Art Repräsentation der Bevölkerung neben dem König bil-deten. Wenn versucht wird, allzu linear die Herausbildung der modernen re-präsentativen Demokratie nachzuzeichnen, kann in diesen Ständevertretungen leicht der Ursprung des Repräsentationsgedankens gesehen werden − dies ist jedoch eine verkürzte Darstellung. Schließlich wurde diese Art von Vertretung

��������������������������������������������������������18 Besonders sticht hier – darin ist man sich weitgehend einig – die Arbeit des Rechtsphiloso-

phen Hasso Hofmann hervor: „Repräsentation. Studien zur Wort- und Begriffsgeschichte von der Antike bis ins 19. Jahrhundert“ (1974).

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Einleitung 28

der Stände zu Beginn keineswegs als Repräsentation verstanden. Dieser Be-griff war vielmehr der Rolle des Königs vorbehalten. Erst im Nachhinein, aus der Perspektive des modernen Parlamentarismus, erscheinen die Ständever-sammlungen als Vorläufer moderner repräsentative Demokratie. Um also Missverständnisse über den modernen Parlamentarismus zu vermeiden, die auf dieser Verwechslung beruhen, soll die Differenz beider Traditionen in der Beschreibung von politischer Repräsentation im Mittelalter und im Absolutis-mus hervorgehoben werden (I). Anschließend werde ich auf die Herausbil-dung des modernen Parlamentarismus und der damit verbundenen Entstehung eines modernen Repräsentationsbegriffes eingehen (II).

1.3.1� Repräsentation im Mittelalter und im Absolutismus Der Begriff der Repräsentation kommt aus dem Lateinischen, spielte im römi-schen Kontext aber keine politische, sondern bloß eine rechtliche Rolle (vgl. Brito Vieira und Runciman 2008: 6−7). Inwieweit sich der moderne Begriff politischer Repräsentation bereits im antiken Zusammenhang angedeutet fin-det, ist ohnehin eine umstrittene Frage, der hier nicht weiter nachgegangen werden soll.19 Unumstritten ist hingegen, dass die Übertragung des rechtlichen Repräsentationsbegriffes auf den theologischen Kontext im Mittelalter das Fundament für seine spätere moderne Politisierung legte (Kantorowicz 1990 [1957]: 212−213; Hofmann 2003 [1974]: 125).

Dies findet sich auf überzeugende Weise in der kanonischen Studie Die zwei Körper des Königs (1957) des Mediävisten Ernst Kantorowicz dargelegt. Er zeigt darin, wie der Repräsentationsbegriff im Mittelalter theologisch be-deutsam und von dort aus in die Politik übertragen wurde. Im Zentrum stand dabei der Begriff des „corpus mysticum“, um den herum sich seiner Darstel-lung nach im 11. Jahrhundert eine theologische Debatte darum entzündete, wie die Eucharistie zu verstehen sei. Zur Debatte stand nichts anderes als das Ver-

��������������������������������������������������������19 Tilman Reitz bemerkt, dass die politische Notwendigkeit, das Gemeinwesen als Einheit zur

Darstellung zu bringen, bereits in der Antike bestand, sowohl in Rom als auch in Athen, auch wenn dies nicht durch die für Repräsentation typische Verbindung von Darstellung und Stell-vertretung geschah (Reitz 2016: 310−326).

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Kleine historische Notiz 29

hältnis von Repräsentation und Präsenz im „Dies ist mein Leib“ der Eucharis-tie. Wie sollte die spezielle Anwesenheit Christi in der Hostie beschrieben werden? – das war die Frage, die die Theologen umtrieb. Anstatt in der Eu-charistie ein Symbol zu verstehen, das den Leib Christi lediglich darstellte, konnte die Idee eines „mystischen Leibs“ die reale Präsenz Christi in der Hos-tie plausibilisieren (vgl. Brito Vieira 2009: 45−53). Ohne annehmen zu müs-sen, dass die Hostie tatsächlich in materieller Hinsicht der Körper Jesu sei, konnte seine mystische – und darin eben doch reale – Präsenz angenommen werden.20 Derselbe Begriff des „corpus mysticum“ wurde später auf die Kir-che übertragen, um ihre Rolle fortan nach derselben Logik zu beschreiben. Auch sie sollte diesen mystischen Leib Christi real verkörpern (Kantorowicz 1990 [1957]: 206). Von dieser Grundlage ausgehend wurde die Beschreibung zunehmend juristisch gedeutet und in eine körperschaftliche Logik transfor-miert: Die Kirche sollte durch die Körpermetapher eine rechtliche Einheit bil-den, d.h. juristisch auftreten und bald auch als politische Institution gelten kön-nen (Hofmann 2003 [1974]: 125−129). Der corpus mysticum wurde auf diese Weise zunehmend säkularisiert und in einen juristischen Begriff verwandelt (Kantorowicz 1990 [1957]: 212).

Für diese Säkularisierungsbewegung war die Arbeit Thomas‘ von Aquín entscheidend, der erstmals „corpus“ durch „persona“ ersetzte und damit die sakramentalen Anklänge zugunsten eines im korporatistischen Kontext be-reits etablierten Terminus’ fallen ließ (ebd.: 213): Der korporatistsiche Begriff der „persona“ wurde eingesetzt, um den Status einer Institution zu beschrei-ben, die ebenso wie eine Einzelperson als juristischer Akteur auftreten könne. Diesen Status erlangte sie durch juristische Verfahren, die aus der Institution

��������������������������������������������������������20 Louis Marin verleiht in seiner Arbeit Das Porträt des Königs, in der er den Repräsentations-

begriff des Absolutismus herausarbeitet, dem Satz „Dies ist mein Leib“ eine besonders her-ausragende Bedeutung. Die Tatsache, dass er in der Zeichentheorie der Logiker von Port Ro-yal im 17. Jahrhundert noch als Beispiel auftaucht, zeige, dass diese Aussage zum zentralen Paradigma absolutistischer Repräsentation avanciert war (Marin 2005 [1981]: 18). Dieselbe Präsenz von Jesu Leib in der Eucharistie sollte dem Volk im Körper des Königs zukommen. Was Marin dabei nicht berücksichtigt ist, dass zumindest Hobbes sich ganz explizit gegen die präsentistische Deutung der Eucharistie wendet: „Die Worte ‚Dies ist mein Leib‘ bedeuten dasselbe wie: ‚Dies bedeutet oder stellt meinen Leib dar‘, und dies ist eine übliche Redewen-dung: man mißbraucht sie aber, wenn man sie wörtlich nimmt […]“ (L, 469).