maschinenbau m w grundsÄtzliches reibung und … · maschinenbau magdeburger wissenschaftsjournal...

11
MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 MASCHINENBAU 16 GRUNDSÄTZLICHES ZU REIBUNG UND VERSCHLEISS IN DER TECHNISCHEN ANWENDUNG Ludger Deters Durch Reibung und Verschleiß entstehen den Volkswirtschaften jährlich Verluste in Milliardenhöhe. Des- halb ist es wichtig, das vorliegende Wissen über Reibung und Verschleiß auch einzusetzen. Der nachfolgende Beitrag zeigt, welche tribologisch relevanten Größen bei der Bearbeitung von Reibungs- und Verschleißpro- blemen berücksichtigt werden sollten. Eine wesentliche Erkenntnis ist, dass Reibung und Verschleiß System- eigenschaften sind. Das bedeutet, dass schon die Variation einer Eingangsgröße, eines Systemelements oder einer Eigenschaft der beteiligten Systemelemente das Reibungs- und Verschleißverhalten entscheidend verän- dern kann. Für das Reibungs- und Verschleißverhalten spielen neben einer Reihe von Beanspruchungsgrößen, die Eigenschaften und der Aufbau der oberflächennahen Werkstoffbereiche, die Oberflächentopografie und der Schmierstoff herausgehobene Rollen. Wenn kein trennender Schmierfilm vorhanden ist oder wenn die Schmierfilmdicke zwischen den Oberflächen der Reibkörper zu gering ist, tritt Verschleiß auf, der sich in Form von losgelösten kleinen Verschleißpartikeln, Werkstoffübertragungen sowie Stoff- und Formänderungen der tribologisch beanspruchten oberflächennahen Werkstoffbereiche bemerkbar macht. SIND REIBUNG UND VERSCHLEISS NÜTZLICH ODER SCHÄDLICH? Reibung und Verschleiß sind häufig mit einem negativen Image behaftet. Während Rei- bung den Wirkungsgrad von Maschinenelemen- ten und Maschinen und Anlagen verschlechtert und damit den einzusetzenden Energiebedarf erhöht, mindert Verschleiß den Wert von Bau- teilen und Baugrup- pen und kann im ungünstigen Fall zum Ausfall von Maschi- nen und Anlagen führen. Andererseits wäre unser Leben ohne Reibung nicht vor- stellbar. Wir könnten nicht gehen und nicht sitzen, und selbst das Stehen auf der Stelle würde uns schwerfal- len. Nägel und Schrauben würden nicht festsitzen und weder Knoten noch Fäden würden im Gewebe halten. Autofahren (Beschleunigen, Bremsen und Kurvenfahren) und Eisenbahnfah- ren wären in der heutigen Art und Weise, bei der die Haftung und die Übertragung des Antriebs- drehmoments mittels Reibung erfolgt (Kraft- schlusswirkung), nicht möglich. Auch in vielen technischen Anwendungen wird eine hohe Rei- bung angestrebt (z. B. in Bremsen, Kupplungen, Reibrad- und Umschlingungsgetriebe, Befesti- gungsschrauben). Selbst Verschleiß kann in Son- derfällen in der Technik erwünscht sein, so z. B. bei Einlaufvorgängen. REIBUNG UND VERSCHLEISS SIND SYSTEMEIGENSCHAFTEN! Reibung und Verschleiß werden im Rahmen der Tribologie behandelt. Die Tribologie stellt die Wissenschaft und die Technik von aufeinan- der einwirkenden Oberflächen bei Relativbewe- gung dar /1/. Tribologie umfasst das Gesamtge- biet von Reibung und Verschleiß, einschließlich Schmierung. Reibung und Verschleiß sind – obwohl häufig so verwendet – keine geometrie- oder stoffspezifischen Eigenschaften nur eines der am Reibungs- und Verschleißvorgang betei- ligten Elemente, wie z. B. Wärmeleitfähigkeit, Härte, Rauheit, Dichte oder Werkstoffgefüge, sondern sind Systemeigenschaften. Schon wenn eine Einflussgröße des tribotechnischen Systems (TTS) modifiziert wird, kann sich das Reibungs- und/oder das Verschleißverhalten des Systems gravierend verändern. Dieses wird nachfolgend an einem Beispiel erläutert. In Abbildung 1 ist das für den Furchungsver- schleiß charakteristische Tieflage-Hochlage-Ver- halten dargestellt, wie es beispielsweise bei Schüttgutförderanlagen oder bei Baumaschinen auftreten kann. Beim Furchungsverschleiß fur- chen entweder die Rauheiten des härteren Reib- partners oder harte Partikel durch die Oberfläche des weicheren Reibpartners und erzeugen dabei Abrieb. So kann z. B. bei Baggerschaufeln dann starker Furchungsverschleiß auftreten, wenn das Baggergut (Abrasivstoff) wesentlich härter ist als Abbildung 1 Einfluss der Härte des abrasiv beanspruchten Werkstoffs und der Abrasivstoffhärte auf den Furchungsverschleiß, nach /2/

Upload: dongoc

Post on 29-Aug-2019

234 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: MASCHINENBAU M W GRUNDSÄTZLICHES REIBUNG UND … · MASCHINENBAU MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 16 GRUNDSÄTZLICHES ZU REIBUNG UND VERSCHLEISS IN DER TECHNISCHEN ANWENDUNG

MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004MASCHINENBAU

16

GRUNDSÄTZLICHES

ZU REIBUNG UND VERSCHLEISS

IN DER TECHNISCHEN ANWENDUNG

Ludger Deters

Durch Reibung und Verschleiß entstehen den Volkswirtschaften jährlich Verluste in Milliardenhöhe. Des-halb ist es wichtig, das vorliegende Wissen über Reibung und Verschleiß auch einzusetzen. Der nachfolgendeBeitrag zeigt, welche tribologisch relevanten Größen bei der Bearbeitung von Reibungs- und Verschleißpro-blemen berücksichtigt werden sollten. Eine wesentliche Erkenntnis ist, dass Reibung und Verschleiß System-eigenschaften sind. Das bedeutet, dass schon die Variation einer Eingangsgröße, eines Systemelements odereiner Eigenschaft der beteiligten Systemelemente das Reibungs- und Verschleißverhalten entscheidend verän-dern kann. Für das Reibungs- und Verschleißverhalten spielen neben einer Reihe von Beanspruchungsgrößen,die Eigenschaften und der Aufbau der oberflächennahen Werkstoffbereiche, die Oberflächentopografie undder Schmierstoff herausgehobene Rollen. Wenn kein trennender Schmierfilm vorhanden ist oder wenn dieSchmierfilmdicke zwischen den Oberflächen der Reibkörper zu gering ist, tritt Verschleiß auf, der sich inForm von losgelösten kleinen Verschleißpartikeln, Werkstoffübertragungen sowie Stoff- und Formänderungender tribologisch beanspruchten oberflächennahen Werkstoffbereiche bemerkbar macht.

SIND REIBUNG UND VERSCHLEISS

NÜTZLICH ODER SCHÄDLICH?Reibung und Verschleiß sind häufig mit

einem negativen Image behaftet. Während Rei-bung den Wirkungsgrad von Maschinenelemen-ten und Maschinen und Anlagen verschlechtertund damit den einzusetzenden Energiebedarferhöht, mindert Verschleiß den Wert von Bau-

teilen und Baugrup-pen und kann imungünstigen Fall zumAusfall von Maschi-nen und Anlagenführen.

Andererseits wäreunser Leben ohneReibung nicht vor-stellbar. Wir könntennicht gehen und nichtsitzen, und selbst dasStehen auf der Stellewürde uns schwerfal-len. Nägel undSchrauben würdennicht festsitzen undweder Knoten nochFäden würden im

Gewebe halten. Autofahren (Beschleunigen,Bremsen und Kurvenfahren) und Eisenbahnfah-ren wären in der heutigen Art und Weise, bei derdie Haftung und die Übertragung des Antriebs-drehmoments mittels Reibung erfolgt (Kraft-schlusswirkung), nicht möglich. Auch in vielentechnischen Anwendungen wird eine hohe Rei-bung angestrebt (z. B. in Bremsen, Kupplungen,Reibrad- und Umschlingungsgetriebe, Befesti-

gungsschrauben). Selbst Verschleiß kann in Son-derfällen in der Technik erwünscht sein, so z. B.bei Einlaufvorgängen.

REIBUNG UND VERSCHLEISS

SIND SYSTEMEIGENSCHAFTEN!Reibung und Verschleiß werden im Rahmen

der Tribologie behandelt. Die Tribologie stelltdie Wissenschaft und die Technik von aufeinan-der einwirkenden Oberflächen bei Relativbewe-gung dar /1/. Tribologie umfasst das Gesamtge-biet von Reibung und Verschleiß, einschließlichSchmierung. Reibung und Verschleiß sind –obwohl häufig so verwendet – keine geometrie-oder stoffspezifischen Eigenschaften nur einesder am Reibungs- und Verschleißvorgang betei-ligten Elemente, wie z. B. Wärmeleitfähigkeit,Härte, Rauheit, Dichte oder Werkstoffgefüge,sondern sind Systemeigenschaften. Schon wenneine Einflussgröße des tribotechnischen Systems(TTS) modifiziert wird, kann sich das Reibungs-und/oder das Verschleißverhalten des Systemsgravierend verändern. Dieses wird nachfolgendan einem Beispiel erläutert.

In Abbildung 1 ist das für den Furchungsver-schleiß charakteristische Tieflage-Hochlage-Ver-halten dargestellt, wie es beispielsweise beiSchüttgutförderanlagen oder bei Baumaschinenauftreten kann. Beim Furchungsverschleiß fur-chen entweder die Rauheiten des härteren Reib-partners oder harte Partikel durch die Oberflächedes weicheren Reibpartners und erzeugen dabeiAbrieb. So kann z. B. bei Baggerschaufeln dannstarker Furchungsverschleiß auftreten, wenn dasBaggergut (Abrasivstoff) wesentlich härter ist als

Abbildung 1Einfluss der Härte des abrasiv beanspruchten Werkstoffs undder Abrasivstoffhärte auf den Furchungsverschleiß, nach /2/

Page 2: MASCHINENBAU M W GRUNDSÄTZLICHES REIBUNG UND … · MASCHINENBAU MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 16 GRUNDSÄTZLICHES ZU REIBUNG UND VERSCHLEISS IN DER TECHNISCHEN ANWENDUNG

MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 MASCHINENBAU

17

der Werkstoff der Baggerschaufeln. Es lassen sichbeim Furchungsverschleiß drei Bereiche unter-scheiden. Nach Herbert Uetz /2/ befindet sichdas System in der Verschleiß-Tieflage, wenn dieHärte des Abrasivstoffs HA kleiner als die desabrasiv beanspruchten Werkstoffs HW ist. Über-steigt die Abrasivstoffhärte HA die Härte HW,gelangt der Verschleiß zunächst in einen Über-gangsbereich. Bei HA ≈ (1,4 bis 1,6) HW ist danndie Verschleißhochlage erreicht. Bei einem härte-ren Werkstoff verschiebt sich der Übergangsbe-reich zu höheren Abrasivstoffhärten. Außerdemliegt das Verschleißniveau für den härterenWerkstoff insgesamt niedriger. Aus der schema-tisch vereinfachten Darstellung der Abbildung 1wird ersichtlich, dass sich bei veränderter Härtedes Abrasivstoffs oder des abrasiv beanspruchtenWerkstoffs das Verschleißverhalten wesentlichverändern kann.

WAS IST EIN „TRIBOTECHNISCHES SYSTEM“?Zur Abgrenzung eines Tribotechnischen Systems

(TTS) wird zunächst in geeigneter Weise eineSystemhülle um die unmittelbar an Reibung undVerschleiß beteiligten Bauteile und Stoffe gelegtund diese damit fiktiv von den übrigen Bauteilenabgetrennt. Die an Reibung und Verschleißbeteiligten Stoffe und Bauteile sind die Elementedes TTS und sind durch ihre Stoff- und Formei-genschaften charakterisiert. Ein TribotechnischesSystem kann in allgemeiner Form wie in Abbil-dung 2 dargestellt werden. Es wird durch die zuerfüllende Funktion, die Eingangsgrößen (Belas-tungskollektiv), die Ausgangsgrößen, die Verlust-größen und die Struktur charakterisiert. Nebengewollten Eingangsgrößen treten auch ungewollteEingangsgrößen, so genannte Störgrößen, auf.Zusammen mit der Struktur beeinflussen sie dieAusgangs- und Verlustgrößen des TTS.

Aufgabe bzw. Funktion eines TTS ist natürlichdie Umsetzung von Eingangsgrößen (z. B. Ein-gangsdrehmoment, Eingangsdrehzahl, Ein-gangsbewegungsart und -ablauf) in technischnutzbare Ausgangsgrößen (z. B. Ausgangs-drehmoment, Ausgangsdrehzahl, Ausgangsbe-wegung) unter Nutzung der Systemstruktur. Jenach ihrer Hauptaufgabe, welche die Umset-zung von mechanischer Energie oder von Stof-fen oder aber auch eine damit verbundene Sig-nal- oder Informationsübertragung sein kann,können die TTS in primär energie-, stoff- oderinformationsdeterminierte Systeme eingeteilt wer-den. So dienen beispielsweise Lager undFührungen der Aufnahme und Weiterleitungvon Kräften und ermöglichen dabei eine Rotati-ons- bzw. Translationsbewegung, d. h. sie sindenergiedeterminiert. Auch drehmoment- unddrehzahlwandelnde Getriebe sind energiedeter-minierte TTS. Stoffdeterminierte TTS stellenz. B. Rohrleitungen zum Transport von Stoffenund Walzen zum Umformen von Werkstoffendar. Für die signal- bzw. informationsdetermi-nierten TTS soll hier beispielhaft das Schaltrelaisstehen, mit dem Signale übertragen werden.

Abbildung 2Darstellung des tribotechnischen Systems (TTS)

Abbildung 3Technische Funktionen und dazugehörige tribotechnische Bauteile undSysteme (Beispiele)

Weitere typische Funktionen von TTS sind inder Abbildung 3 aufgeführt.

Die Struktur von TTS wird beschrieben durchdie beteiligten Elemente, deren Eigenschaften undden Wechselwirkungen zwischen den Elementen.Die Grundstruktur aller TTS besteht aus vier Ele-menten: Grundkörper 1�, Gegenkörper 2�, Zwi-schenstoff 3� und Umgebungsmedium 4� (Abb. 2).Während Grund- und Gegenkörper in jedemTTS anzutreffen sind, kann der Zwischenstofffehlen und im Vakuum sogar das Umgebungsme-dium /1/.

Bei Transport- und Fertigungsvorgängen wird derGrundkörper ständig von neuen Stoffbereichendes Gegenkörpers beansprucht. Solche Systemewerden offene TTS genannt. Im Gegensatz dazusind bei geschlossenen TTS die beanspruchtenBereiche von Grund- und Gegenkörper wieder-holt im Kontakt. Beispiele für offene und

Page 3: MASCHINENBAU M W GRUNDSÄTZLICHES REIBUNG UND … · MASCHINENBAU MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 16 GRUNDSÄTZLICHES ZU REIBUNG UND VERSCHLEISS IN DER TECHNISCHEN ANWENDUNG

MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004MASCHINENBAU

18

geschlossene Systemesind in Abbildung 4zu finden. Die Funk-tion in offenen Syste-men hängt vor allemvom Verschleiß desGrundkörpers ab.Vom Gegenkörperwird die Beanspru-chung erzeugt. DerVerschleiß an ihminteressiert in derRegel nicht. Bei ge-schlossenen Systemenwird dagegen dieFunktionsfähigkeit vomVerschleiß beiderReibkörper beein-flusst.

Die Elemente desTTS werden durcheine Vielzahl vonEigenschaften gekenn-zeichnet. Beim Grund-und Gegenkörper wirdhauptsächlich zwi-schen Geometrie- undWerkstoffeigenschaftenunterschieden, diedurch physikalischeGrößen ergänzt wer-den. Zwischenstoffund Umgebungsme-dium können in unter-schiedlichen Aggregat-zuständen auftreten.Tribologisch relevanteEigenschaften sind beiihnen z. B. Viskosität,Dichte, Wärmekapa-zität, Wärmeleitfähig-keit, Feuchtigkeit usw.Bei den Werkstoffei-genschaften vonGrund- und Gegen-körper wird zwischendem Grundwerkstoffund dem Werkstoffaus dem oberflächen-nahen Bereich unter-schieden. Dabei sinddie Eigenschaften desoberflächennahen Be-reiches, wie z. B. Gefü-geaufbau, Härte undchemische Zusam-mensetzung, für dietribologischen Pro-zesse von besondererBedeutung. Außer-dem spielen die

Oberflächenrauheiten eine wichtige Rolle. Deroberflächennahe Werkstoffbereich besteht ausverschiedenen Schichten, die auch Grenzschich-ten genannt werden.

In Abbildung 5 wird schematisch der möglicheAufbau von Grenzschichten bei metallischenWerkstoffen für den ungeschmierten Fall gezeigt.Dabei schließt sich im Allgemeinen an das unge-störte Grundgefüge ein durch mechanische Bear-beitung (z. B. Drehen, Fräsen, Schleifen usw.)und/oder durch den Reibungsprozess plastischverformter und verfestigter, gegenüber demGrundwerkstoff mit feinkörnigem Gefüge ausge-statteter Bereich an, der auch innere Grenzschichtgenannt wird. Darüber liegen dann eine Reakti-onsschicht (z. B. eine Oxidschicht) und eineAdsorptionsschicht (z. B. eine dünne Schicht ausFett oder Öl), die zusammen auch als äußereGrenzschicht bezeichnet werden. Solange das Ver-schleißgeschehen in der äußeren Grenzschichtabläuft, ist das im Allgemeinen akzeptabel.

Nicht nur das Werkstoffgefüge des oberflächen-nahen Bereiches, sondern auch seine chemischeZusammensetzung unterscheidet sich in der Regeldeutlich vom Grundmaterial, was in Abbildung 6am Beispiel eines Zylinders eines Dieselmotors zuerkennen ist. Der Werkstoff unter der Oberflächeverändert sich bereits mit der Fertigung hinsicht-lich der Konzentration vorhandener Elementegegenüber dem Grundmaterial. Eine weitereerhebliche Veränderung erfahren die Elemente-konzentrationen des oberflächennahen Bereichesdurch den Einlauf bzw. nach kurzer Laufzeit.

Reibung und Verschleiß von Grund- undGegenkörper werden auch stark von den Ober-flächenrauheiten beeinflusst, da sich infolge derRauheiten eine gegenüber der nominellen Kon-taktfläche (häufig durch die äußere Abmessungdes kleineren Reibpartners gegeben) erheblichkleinere reale Kontaktfläche (Summe der Rau-heitskontaktflächen) einstellt, in der die Rei-bungs- und Verschleißmechanismen wirken. DieMikrogeometrien der Oberflächen (Rauheiten)bestimmen die lokalen Spannungsfelder, die zurEnergieumsetzung, aber auch zur Zerstörung derOberflächen beitragen. Zur Messung der Ober-flächenrauheiten werden in der Regel Tast-schnittgeräte eingesetzt, mit denen sich zweidi-mensionale Profilschnitt-Diagramme aufzeich-nen lassen. Mit modernen Abtastgeräten könnenauch dreidimensionale Oberflächenrauheitsbildererstellt werden, die einen wesentlich höherenInformationsgehalt liefern (Abb. 7).

TRIBOLOGISCHE BEANSPRUCHUNGEN, WECHSELWIRKUNGEN UND

TRIBOLOGISCHE PROZESSE

Tribologische Beanspruchungen in einem TTSwerden hervorgerufen durch das Einwirken vonEingangs- und Störgrößen auf die Systemstruk-tur. Sie werden eingeleitet über die Kontaktfläche.Zur Analyse der tribologischen Beanspruchungenmüssen sowohl der Aufbau der technischenOberfläche und die in den Kontaktgrenzflächenauftretenden tribologischen Prozesse und geome-trischen, kinematischen, kräftemäßigen, energeti-schen und thermischen Verhältnisse untersuchtwerden /5/. Infolge plastischer Deformation und

Abbildung 5Schichtaufbau bei metallischen Werkstoffen am Beispieleines tribologisch beanspruchten Schienenstahls /3/

Abbildung 6AES-Tiefenprofile als Elementkonzentration im Zylinderzwickeleines Dieselmotors für den Neuzustand vor dem Einlauf undnach 15 h Laufzeit (Öl: SAE 15 W 40) nach Gerve /4/ (AES =Auger-Elektronen-Spektroskopie)

Abbildung 4Beispiele für Elemente von tribotechnischen Systemen

Page 4: MASCHINENBAU M W GRUNDSÄTZLICHES REIBUNG UND … · MASCHINENBAU MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 16 GRUNDSÄTZLICHES ZU REIBUNG UND VERSCHLEISS IN DER TECHNISCHEN ANWENDUNG

MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 MASCHINENBAU

19

Verschleiß verändert sich die Kontaktflächewährend des Betriebes des TTS.

Bei der Umsetzung mechanischer Energiedurch Reibung tritt Energiedissipation auf, diesich durch Änderung der inneren Energie (Gefü-geveränderungen, Vermehrung von Fehlstellenund Versetzungen) und durch Änderung derthermischen Verhältnisse bemerkbar macht. Dasich auch die thermischen Verhältnisse infolgeVerschleiß, Veränderungen der Kontaktgeome-trie und dadurch geänderter Reibung fortlaufendan die neuen Bedingungen anpassen, wird die tri-bologische Beanspruchung im realen Kontaktnicht durch konstant, sondern durch veränderlichauftretende Einflussgrößen bewirkt.

Die Kontaktgeometrie, die im Kontakt stattfin-denden Vorgänge und die thermischen Verhält-nisse eines TTS werden u. a. von der Belastung,den Bewegungsverhältnissen, den Elementeigen-schaften und dem Reibungszustand beeinflusst.

Während bei Flüssigkeitsreibung allein dienominelle Kontaktfläche entscheidend ist, müs-sen bei Mischreibung, d. h. wenn nach BernardJ. Hamrock /6/ das Schmierfilmdicke/Rauheits-verhältnis � = hmin/(Rq1

2 +Rq22 )½ mit der minima-

len Schmierfilmdicke hmin und den quadratischenRauheitsmittelwerten Rq1 und Rq2 von Grund-und Gegenkörper im Bereich 1 ≤ �< 5 liegt, beiGrenzreibung mit �< 1 und bei Trockenreibungsowohl die nominelle als auch die reale Kontakt-fläche berücksichtigt werden (Abb. 8). Die realeKontaktfläche ist auf Welligkeiten und Rauheitenauf den Elementoberflächen zurückzuführen. DieOberflächen berühren sich bei Misch-, Grenz-und Trockenreibung nur an wenigen Stelleninnerhalb der nominellen Flächen. Die realeKontaktfläche ist, abhängig von den Rauheitsver-teilungen und der Annäherung der Oberflächen,im Allgemeinen wesentlich kleiner als die nomi-nelle (Areal ≈ (10-1 bis 10-4) Anominell). Daher sindauch die realen Flächenpressungen in den Rau-heitskontakten wesentlich höher als die nominellePressung. Während die nominelle Pressung elasti-sches Makro-Werkstoffverhalten anzeigt, kannbei einem Großteil der Mikrokontakte bereitsplastische Verformung eingesetzt haben (Abb. 9).

Neben der realen Kontaktfläche spielt auch nochdas Eingriffsverhältnis � eine wichtige Rolle fürReibung und Verschleiß. Es stellt das Verhältnisder momentanen nominellen Tribokontaktflächezur gesamten überstrichenen nominellen Lauf-fläche (Reibfläche) auf einem Reibkörper dar. Beieinem Eingriffsverhältnis � =1 liegen ständigerKontakt und permanente Belastung der reibbean-spruchten Volumen der Reibkörper vor. Auch dieReibungswärmeaufnahme erfolgt permanent. Tri-bochemische Reaktionen mit dem Umgebungs-medium kommen nur eingeschränkt vor. Wennsowohl der Grundkörper als auch der Gegenkör-per Eingriffsverhältnisse von � ≈1 aufweisen, ver-bleiben Verschleißpartikel in der Kontaktflächeund können daher den weiteren Verschleißverlaufungünstig beeinflussen. Dagegen ist bei einem

Abbildung 8Ausbildung von unterschiedlichen Kontaktflächen (Aa nominelle Kon-taktfläche, Ac Konturenfläche, Ar reale Kontaktfläche)

Abbildung 9Kontakt von zwei Reibkörperausschnitten mit unterschiedlicher Ober-flächenstruktur. a) Oberflächenausschnitte; b) Kontaktdruckverteilung;c) Reibungsverteilung; d) Kontakttemperaturverteilung

Abbildung 7Zwei- und dreidimensionale Rauheitsmessung

Page 5: MASCHINENBAU M W GRUNDSÄTZLICHES REIBUNG UND … · MASCHINENBAU MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 16 GRUNDSÄTZLICHES ZU REIBUNG UND VERSCHLEISS IN DER TECHNISCHEN ANWENDUNG

MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004MASCHINENBAU

20

Eingriffsverhältnis von � < 1 der Kontakt intermit-tierend und die mechanische Beanspruchungzyklisch. Die Reibungswärmeaufnahme geschiehtmit zeitlichen Unterbrechungen. TribochemischeReaktionen mit dem Umgebungsmedium könnenablaufen und Verschleißpartikel aus dem Kontaktausgetragen werden. Bei einem kontinuierlich ineiner Richtung drehenden Gleitlager liegt bei-spielsweise für die Lagerschale ein Eingriffsverhält-nis � =1 vor, während die Welle meistens ein Ein-griffsverhältnis � < 0,5 besitzt.

In den Kontakten zwischen den Systemelementenfinden Wechselwirkungen zwischen den ober-flächennahen Bereichen statt. So treten zum einenatomare und molekulare und zum anderen mecha-nische Wechselwirkungen auf. Während erstereAdhäsion an Festkörper/Festkörper-Grenzflächenbewirken oder in Form von Physi- und Chemi-sorption an Festkörper/Flüssigkeit-Grenzflächentechnisch von großer Bedeutung sind, führen dieanderen zu elastischen und plastischen Kontaktde-formationen. Welche Art von Wechselwirkunghauptsächlich in Erscheinung tritt, hängt starkvom Reibungszustand ab. So kann häufig beiAnwesenheit eines unlegierten Schmierstoffs imReibkontakt die atomare/molekulare Wechselwir-kung gegenüber der mechanischen vernachlässigtwerden. Bei Misch- und Grenzreibung habenAdditive jedoch einen großen Einfluss auf das Rei-bungs- und Verschleißverhalten.

Letztlich hängen bei einem betrachteten TTS Rei-bung und Verschleiß von den Wechselwirkungenzwischen den Elementen ab, wobei die Wechselwir-kungen durch den Reibungszustand, die wirkendenReibungs- und Verschleißmechanismen und denKontaktzustand beschrieben werden können.

Die in den Kontakten der Berührfläche stattfin-denden tribologischen Beanspruchungen rufentribologische Prozesse hervor. Darunter werden diedynamischen physikalischen und chemischenMechanismen von Reibung und Verschleiß undGrenzflächenvorgänge, die auf Reibung und Ver-schleiß zurückzuführen sind, zusammengefasst.

WELCHE GRÖSSEN WIRKEN AUF DAS TTS EIN

UND WAS WIRD DURCH DAS TTS BEWIRKT?Grundsätzlich kann zwischen Eingangs-, Stör-,

Ausgangs- und Verlustgrößen unterschieden wer-den.

Die Eingangsgrößen, häufig auch Belastungskol-lektiv genannt, setzen sich nach /1/ aus der Bewe-gungsart und dem zeitlichen Bewegungsablauf derin der Systemstruktur enthaltenen Elemente undaus einer Reihe von technisch-physikalischen Bean-spruchungsparametern, wie Belastung, Geschwin-digkeiten, Temperaturen und Beanspruchungs-dauer, zusammen, die auf die Systemstruktur beider Ausübung der Funktion einwirken.

Die Bewegungsart lässt sich häufig auf eine derGrundbewegungsarten „Gleiten, Rollen, Bohren,Stoßen oder Strömen“ zurückführen oder kannaus diesen zusammengesetzt werden. Der zeitli-

che Ablauf der Bewegung kann gleichförmig,ungleichförmig, hin- und hergehend und zeitlichunterbrochen erfolgen. Häufig besteht der Bewe-gungsablauf auch aus unterschiedlichen Anteilen.Für die Belastung ist im Allgemeinen die Nor-malkraft Fn maßgebend.

Bei den Geschwindigkeiten spielen sowohl die Rela-tivgeschwindigkeit zwischen den Reibkörpern alsauch die Fördergeschwindigkeit (Summenge-schwindigkeit) des Schmierstoffs in den sich veren-genden Schmierspalt und der Schlupf als Verhältnisvon Relativgeschwindigkeit zur mittleren Umfangs-geschwindigkeit eine Rolle. Je größer die Relativge-schwindigkeit bzw. der Schlupf, desto größer ist dieReibleistung. Je größer die Fördergeschwindigkeit,desto größer ist die Schmierspalthöhe. Bei denTemperaturen sind die sich im Betrieb einstellen-den Reibkörpertemperaturen und die aktuellenKontakttemperaturen von entscheidender Bedeu-tung, wobei letztere in der Regel nicht gemessenwerden können. Neben diesen gewollten Eingangs-größen, die im Allgemeinen durch eine technischeFunktion vorgegeben sind, müssen unter Umstän-den auch Störgrößen, wie z. B. Vibrationen, Staub-partikel usw., berücksichtigt werden.

Das TTS stellt Ausgangsgrößen, auch Nutzgrößengenannt, zur weiteren Nutzung zur Verfügung.Die Nutzgrößen spiegeln die Funktionserfüllungdes TTS wider. Je nach der Hauptaufgabe desTTS können die Nutzgrößen sehr unterschied-lich sein. In einem energiedeterminierten Systemkönnen beispielsweise Kraft, Drehmoment,Drehzahl und Bewegung gewünscht sein. Beistoff- oder signaldeterminierten TTS könnten alsNutzgrößen bestimmte Stoff- bzw. Signalgrößenvon Interesse sein.

Die Verlustgrößen eines TTS werden im Wesent-lichen durch Reibung und Verschleiß gebildet.Während die Reibung zu Kraft-, Momenten-oder Energieverlusten führt, bedeutet Verschleißeinen fortschreitenden Materialverlust. Die beider Reibung entstehenden Energieverluste wer-den zum weitaus größten Teil in Wärme umge-wandelt. Dieser Vorgang ist irreversibel, d. h.nicht umkehrbar, und wird Energiedissipationgenannt. Neben der Umwandlung von Reibungin Wärme und der Erzeugung von Verschleißpar-tikeln verursacht der tribologische Prozess weiteretriboinduzierte Verlustgrößen, wie Schwingun-gen, die sich häufig über Schallwellen bemerkbarmachen, Photonenemission (Tribolumineszenz),Elektronen- und Ionenemission usw.

EINIGE WEITERE BEMERKUNGEN ZU REIBUNG,REIBUNGSARTEN, REIBUNGSZUSTÄNDEN

UND REIBUNGSMECHANISMEN

Reibung ist auf Wechselwirkungen zwischensich berührenden Stoffbereichen von Körpernzurückzuführen und wirkt einer Relativbewegungentgegen. Es wird zwischen äußerer und innererReibung unterschieden. Bei äußerer Reibungberühren sich Stoffbereiche von verschiedenen

Page 6: MASCHINENBAU M W GRUNDSÄTZLICHES REIBUNG UND … · MASCHINENBAU MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 16 GRUNDSÄTZLICHES ZU REIBUNG UND VERSCHLEISS IN DER TECHNISCHEN ANWENDUNG

MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 MASCHINENBAU

21

Reibkörpern. Bei innerer Reibung gehören diesich berührenden Stoffbereiche zum gleichenReibkörper oder zum Zwischenstoff.

Reibung kann durch eine Reihe von Kenngrößencharakterisiert werden. So wird Reibung je nachAnwendungsfall durch die Reibungskraft Ff, dasReibmoment Mf oder die Reibungszahl f gekenn-zeichnet. Die Reibungszahl f wird in der Regelaus dem Verhältnis von Reibungskraft Ff zurNormalkraft Fn gebildet (f = Ff / Fn). Zur Berech-nung der Reibungswärme oder des Deformati-onsanteils der Reibungskraft bei Festkörperrei-bung wird auf die Reibungsarbeit bzw. Reibungs-energie Wf zurückgegriffen. Für eine Leistungsbi-lanz oder eine Wirkungsgradberechnung ist dieReibleistung Pf von Interesse.

Reibung lässt sich nach verschiedenen Merkma-len ordnen. In Abhängigkeit von der Art derRelativbewegung der Reibkörper wird zwischenverschiedenen Reibungsarten unterschieden. Esgibt die drei Haupt-Reibungsarten Gleitreibung,Rollreibung und Bohrreibung (spin). Neben die-sen drei kinematisch definierten Reibungsartenkönnen auch Überlagerungen (Mischformen)auftreten, nämlich Gleit-Rollreibung (Wälzrei-bung), Gleit-Bohrreibung und Roll-Bohrreibung.Daneben kommt als weitere Reibungsart nochdie Stoßreibung vor. Hierbei trifft ein Körpersenkrecht oder schräg zur Berührungsfläche aufeinen anderen Körper auf und entfernt sich even-tuell wieder. Ein Maschinenelement, bei demsowohl Gleitreibung als auch Roll- und Bohrrei-bung auftritt, stellt das Schrägkugellager dar.

Wird Reibung in Abhängigkeit vom Aggregatzu-stand der beteiligten Stoffbereiche geordnet, tre-ten unterschiedliche Reibungszustände auf. ZurVeranschaulichung sind im Abbildung 10 bei-spielhaft für ein Radialgleitlager anhand der Stri-beck-Kurve verschiedene Reibungszustände dar-gestellt. Allgemein werden die ReibungszuständeFestkörperreibung, Mischreibung, Flüssigkeits-reibung und Gasreibung unterschieden.

Bei Festkörperreibung wirkt die Reibung zwischenStoffbereichen, die Festkörpereigenschaften auf-weisen und sich in unmittelbarem Kontakt befin-den. Findet die Reibung jedoch zwischen festenGrenzschichten mit gegenüber dem Grundmate-rial modifizierten Eigenschaften, z. B. Reaktions-schichten, statt, so liegt Grenzschichtreibung vor.Besteht die Grenzschicht aus einem molekularenFilm, der von einem Schmierstoff stammt, so wirdvon Grenzreibung gesprochen. Bei Grenzreibungist die hydrodynamische Wirkung des Schmier-stoffs gering, weil die Geschwindigkeit und/oderdie Viskosität des Schmierstoffs sehr klein ist odernur eine sehr kleine Schmierstoffmenge vorhan-den ist, die nicht ausreicht, den Spalt zu füllen.

Flüssigkeitsreibung ist innere Reibung im Schmier-film zwischen den Kontaktflächen und wirddurch Scherung des Schmierstoffs verursacht. Es

wird zwischen Hydrodynamik und Elastohydro-dynamik unterschieden. Während im ersten Fallstarre Oberflächen vorliegen und von einer nurvon der Temperatur abhängigen Schmierstoffvis-kosität ausgegangen wird, herrschen im zweitenFall andere Bedingungen. Hier sind die Belastun-gen so hoch und die Schmierfilmdicken so gering,dass zum einen die Verformungen der Ober-flächen und zum anderen die Druck-, Tempera-tur- und Schergefälleabhängigkeit der Schmier-stoffviskosität berücksichtigt werden müssen. BeiMischreibung liegt eine Mischform der Reibungs-zustände vor, und zwar der Grenzreibung und derFlüssigkeitsreibung.

Festkörperreibung ist auf Wechselwirkungen zwi-schen den Elementen zurückzuführen. Wie schonvorher angesprochen, gibt es im Wesentlichenzwei unterschiedliche Arten von Wechselwirkun-gen, und zwar die atomaren/molekularen und diemechanischen. Igor’ Viktorovic Krage’lski /7/spricht von der „Doppelnatur“ der Reibung. DieReibungsmechanismen lassen sich daher in zweiGruppen einteilen. Allgemein kann zunächst zwi-schen folgenden vier Reibungsmechanismen unter-schieden werden: Scherung adhäsiver Bindungen,plastische Deformation, Furchung und Hysteresebei elastischer Deformation (Abb. 11).

Abbildung 11Grundlegende Reibungsmechanismen bei mikroskopischer Betrach-tungsweise

Abbildung 10Stribeck-Kurve, minimale Schmierspalthöhen und Reibungszuständein einem Radialgleitlager

Page 7: MASCHINENBAU M W GRUNDSÄTZLICHES REIBUNG UND … · MASCHINENBAU MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 16 GRUNDSÄTZLICHES ZU REIBUNG UND VERSCHLEISS IN DER TECHNISCHEN ANWENDUNG

MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004MASCHINENBAU

22

Die Adhäsion stellt einen atomar/molekularbedingten Reibungsmechanismus dar. IhreWirkung bezüglich der Reibung beruht darauf,dass aufgebaute atomare oder molekulare Bin-dungen bei Relativbewegung wieder getrenntwerden, wodurch ein Energieverlust entsteht.

Deformation, Furchung und Hysterese kön-nen den mechanisch bedingten Reibungsme-chanismen zugeordnet werden. Bei Deforma-tion und Furchung ist die Reibungswirkungvor allem auf Verdrängen von Überschneidun-gen der Mikroerhebungen zurückzuführen.Die Hysterese beruht auf innerer Reibung undhat eine dämpfende Wirkung. Häufig tretenunterschiedliche Reibungsmechanismengleichzeitig auf. Welche Reibungsmechanis-men hauptsächlich wirken, hängt vom Rei-bungszustand ab.

In Abbildung 12 sind Bereiche von Reibungs-zahlen bei verschiedenen Reibungsarten und -zuständen wiedergegeben /8/. Es soll hier jedoch

noch einmal darauf hin-gewiesen werden, dassdie Reibungszahl nichteinen konstanten Kenn-wert eines Werkstoffsoder einer Werkstoff-paarung darstellt, son-dern vom Belastungskol-lektiv und der System-struktur abhängt, d. h.von der Beanspruchungund den am Reibungs-vorgang beteiligten Ele-menten mit ihren Eigen-schaften und Wechsel-wirkungen.

WIE SIEHT ES NUN MIT VERSCHLEISS,VERSCHLEISSVERHALTEN, VERSCHLEISSMECHANISMEN UND

VERSCHLEISSMESSGRÖSSEN AUS?Sobald Grund- und Gegenkörper sich berühren,

tritt Verschleiß auf. Dies trifft auch für geschmierteTTS zu, wenn die Schmierfilmdicke zwischen denOberflächen der Reibkörper zu klein wird. Ver-schleiß ist fortschreitender Materialverlust aus derOberfläche eines festen Körpers, hervorgerufen durchmechanische Ursachen, d. h. Kontakt und Relativ-bewegung eines festen, flüssigen oder gasförmigenGegenkörpers /1/. Anzeichen des Verschleißes sindlosgelöste kleine Verschleißpartikel, Werkstoff-

überträge von einem Reibpartner auf den anderensowie Stoff- und Formänderungen des tribologischbeanspruchten oberflächennahen Werkstoffberei-ches eines oder beider Reibpartner.

Verschleißvorgänge können nach der Art der tri-bologischen Beanspruchung und der beteiligtenStoffe in verschiedene Verschleißarten eingeteiltwerden, wie z. B. Gleitverschleiß, Schwingungs-verschleiß, Furchungsverschleiß, Spülverschleiß,Prallstrahlverschleiß, Werkstoffkavitation, Trop-fenschlag usw. Verschleiß wird durch Ver-schleißmechanismen bewirkt. Dabei sind Ober-flächenzerrüttung, Abrasion, Adhäsion und tri-bochemische Reaktion wesentlich (Abb. 13). Siekönnen einzeln, nacheinander oder überlagertauftreten.

Die Oberflächenzerrüttung äußert sich durch Riss-bildung, Risswachstum und Abtrennung vonVerschleißpartikeln, hervorgerufen durch wech-selnde Beanspruchungen in den oberflächen-nahen Bereichen von Grund- und Gegenkörper.

Bei der Abrasion führen Ritzungen und Mikrozer-spanungen des Grundkörpers durch harte Rau-heitshügel des Gegenkörpers oder durch hartePartikel im Zwischenstoff zu Verschleiß.

Bei der Adhäsion werden zunächst nach Durch-brechen eventuell vorhandener Deckschichtenatomare Bindungen (Mikroverschweißungen)vor allem an den plastisch deformierten Mikro-kontakten zwischen Grund- und Gegenkörpergebildet. Ist die Festigkeit der Bindungen höherals die des weicheren Reibpartners, kommt es zuAusbrüchen aus letzterem und zum Materialüber-trag auf den härteren Reibpartner. Das übertra-gene Material kann entweder auf dem härterenReibpartner verbleiben oder abgetrennt oder aberauch zurückübertragen werden.

Bei tribochemischen Reaktionen finden chemischeReaktionen von Bestandteilen des Grund-und/oder Gegenkörpers mit Bestandteilen desSchmierstoffs oder des Umgebungsmediumsstatt, und zwar infolge einer reibbedingten Akti-vierung der beanspruchten oberflächennahenBereiche. Die Reaktionsprodukte weisen gegen-über Grund- und Gegenkörper veränderte Eigen-schaften auf und können nach Erreichen einergewissen Dicke zum spröden Ausbrechen neigenoder auch reibungs- und/oder verschleißmin-dernde Effekte zeigen.

Abbildung 12Reibungszahlen bei unterschiedlichen Reibungsartenund -zuständen, nach /8/

Abbildung 14Typische Verschleißerscheinungsformen durch dieHaupt-Verschleißmechanismen

Abbildung 13Grundlegende Verschleißmechanismen bei mikroskopischerBetrachtungsweise

Page 8: MASCHINENBAU M W GRUNDSÄTZLICHES REIBUNG UND … · MASCHINENBAU MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 16 GRUNDSÄTZLICHES ZU REIBUNG UND VERSCHLEISS IN DER TECHNISCHEN ANWENDUNG

MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 MASCHINENBAU

23

Neben den Verschleißarten und Verschleißme-chanismen sind für die Interpretation der Ver-schleißergebnisse auch die Verschleißerscheinungs-formen von großem Interesse (Abb. 14). Hierun-ter sind die sich durch Verschleiß ergebendenVeränderungen der Oberflächenschicht einesKörpers sowie Art und Form der anfallenden Ver-schleißpartikel zu verstehen. Dieses kannanschaulich durch licht- oder rasterelektronenmi-kroskopische Aufnahmen dargestellt werden.

Zur Abschätzung der Lebensdauer von Bauteilenist es notwendig, u. a. die lineare Verschleißin-tensität (Verhältnis aus sich einstellender Ver-schleißhöhe und dazugehörigem Reibungsweg),die zulässige Verschleißhöhe und die Relativge-schwindigkeit zwischen den Reibkörpern zu ken-nen. Abhängig von den wirkenden Verschleiß-mechanismen ergeben sich in Anlehnung an /8/häufig unterschiedliche Verschleißverläufe (Abb.15). Man kann die drei Phasen Einlauf, Behar-rungszustand und Ausfall unterscheiden. BeimEinlauf kann ein erhöhter Verschleiß, der sogenannte Einlaufverschleiß, mit degressivemVerlauf auftreten und in einen lang andauerndenZustand mit einem konstanten Anstieg des Ver-schleißbetrages (konstante Verschleißrate) über-gehen, bis ein progressiver Anstieg den Ausfallankündigt (Abb. 15a). Ist Oberflächenzerrüttungals vorrangiger Verschleißmechanismus wirksam,so macht sich nach dem Einlauf ein messbarerVerschleiß häufig erst nach einer gewissen Inku-bationsperiode bemerkbar, in der mikrostruktu-relle Veränderungen, Rissbildung und Riss-wachstum eintreten. Erst nach der Inkubations-periode werden dann Verschleißpartikel abge-trennt (Abb. 15b).

Es wird zwischen direkten Verschleiß-Mess-größen, wie linearem, planimetrischem, volume-

trischem und massemäßi-gem Verschleißbetrag, undbezogenen Verschleiß-Mess-größen (Verschleißraten),wie Verschleißgeschwindig-keit, Verschleiß-Weg-Ver-hältnis und Verschleiß-Durchsatz-Verhältnis, unter-schieden. Im Regelfall ist derVerschleißbetrag zu messen.Relative Verschleißbeträgeempfehlen sich dann, wennbei vergleichenden Ver-schleißuntersuchungen dasBeanspruchungskollektiv oderdie Eigenschaften von amVerschleiß beteiligten Ele-menten nicht konstant ge-halten werden können oderabsichtlich verändert wer-den.

BEISPIELE

Nachfolgend soll beispiel-haft an vier Anwendungen(Schrägkugellager, Gleitge-lenklager, Radialgleitlagerund Zahnradgetriebe) aufge-zeigt werden, wie sich dastribologische Verhalten desTribosystems ändert, wennModifikationen am Belas-tungskollektiv bzw. an derSystemstruktur vorgenom-men werden.

Im ersten Beispiel werdenzwei mit einer AxialkraftFax= 30 kN vorgespanntefettgeschmierte Schrägkugel-lager vom Typ 7312 B (Abb.16) mit der konstanten Dreh-zahl n = 150 min-1 betrieben.Dabei stellt sich ein nahezukonstantes mittleres Dreh-moment von ca. 4 Nm ein(Abb. 17). Wird nun beisonst gleichen Bedingungender Bewegungsablauf vonrotierend auf oszillierendumgestellt, steigt das mittlereDrehmoment von zunächst 4Nm kurz nach dem Start schnell innerhalb einerhalben Stunde auf über 20 Nm an (Abb. 18).

Bei oszillierend betriebenen Wälzlagern mitwaagerechter Wellenanordnung sackt nämlichder Schmierstoff infolge der Schwerkraftwir-kung nach unten. Kleine Schwenkwinkel führenaußerdem dazu, dass die oberen Wälzkörperkaum noch oder gar nicht mehr mit Schmier-stoff versorgt werden /9/. Dadurch kann entwe-der eine verschleißmindernde Triboschicht zwi-schen den Wälzkörpern und den Lagerringennicht aufgebaut werden oder die Triboschichtbricht nach dem Aufbau oder während des Auf-

Abbildung 15Verschleißbetrag in Abhängigkeit von der Beanspru-chungsdauer

Abbildung 18Mittlerer Drehmomentenverlauf bei oszillierendemBetrieb (Schrägkugellager 7312 B, Fett 3, Fax = 30kN, n = 150 min-1)

Abbildung 17Mittlerer Drehmomentenverlauf bei rotierendem Betrieb(Schrägkugellager 7312 B, Fett 3, Fax = 30 kN, n =150 min-1)

Abbildung 16FE8-Prüfkopf mit Schrägkugellagern

Page 9: MASCHINENBAU M W GRUNDSÄTZLICHES REIBUNG UND … · MASCHINENBAU MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 16 GRUNDSÄTZLICHES ZU REIBUNG UND VERSCHLEISS IN DER TECHNISCHEN ANWENDUNG

MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004MASCHINENBAU

24

baus ständig wieder ein.Jeder Schichteinbruchführt zu einem Dreh-momentenanstieg.

Ursache für den starkenDrehmomentenanstieg sindVerschleißmulden, die sichim oberen Bereich desLagers an beiden Lager-ringen ausbilden. DieKugeln sind bei jederSchwenkbewegung ge-zwungen, einen zusätz-lichen Widerstand zuüberwinden, um aus denMulden heraus auf dasNiveau der ursprüngli-chen Laufbahn zu kom-men (Abb. 19). Je tieferdie Mulden sind, destogrößer wird das zumAntrieb benötigte Dreh-moment. Gelöst werdenkann dieses schwierigetribologische Problemdurch den Einsatz einesgeeigneten Schmier-

stoffs, der eine stabile Trennschicht bzw. Tribo-schicht aufbaut, die die beiden Reibkörper von-einander trennt.

Das zweite Beispiel betrifft das fettgeschmierteGleitgelenklager GE 30, welches oszillierend mitdem Schwenkwinkel �= ± 10° betrieben wird

(Abb. 20). Die spezifischeLagerbelastung beträgt–p = 80 MPa. Es werden34,5 Schwenkbewegun-gen pro Minute durchge-führt. Variiert wurde derSchmierstoff (Fettpasten1 bis 5). Alle 5 Fettpastenverfügen über unter-schiedliche Seifen. Fett-paste 1 besitzt gegenüberden Pasten 2 und 3 einegeringere Konsistenz.Fettpaste 4 und 5 weisendie geringste und Fett-paste 2 die höchste Kon-sistenz auf. In Fettpaste 4befindet sich gegenüberden anderen Pasten eineunterschiedliche Fest-schmierstoffart und eineandere Festschmierstoff-

menge. Bei Fettpaste 5 ist die Festschmierstoff-menge gegenüber den Pasten 1 bis 3 auf 1/3 redu-ziert.

Bei Raumtemperatur verhalten sich die Fettpas-ten 1 bis 3, die alle durch einen hohen Fest-schmierstoffanteil gekennzeichnet sind, ähnlichgut. Die Paste 4 erweist sich als unzuverlässig. Mit

Paste 5 erreichen die Lager eine deutlich vermin-derte Lebensdauer. Bei tiefen Lagertemperaturenim Bereich von -10°C bis -25°C verändern sichdie erreichten Lebensdauern gegenüber den beiRaumtemperatur erzielten zum Teil erheblich.Brauchbar sind nur noch die Fettpasten 2 (mitEinschränkung) und 5. Während sich bei Fett-paste 5 vor allem der geringere Anteil an Fest-schmierstoff günstig auswirkt, spielen bei Fett-paste 2 wohl auch die Seife, das Grundöl undsonstige Beimengungen (Additive) für dasgegenüber den Fettpasten 1 und 3 günstigereAusfallverhalten eine wichtige Rolle.

Das dritte Beispiel betrifft die Kurbelwellenlagervon sechs einstufig arbeitenden Kolbenverdich-tern, die zur Förderung von Erdgas in einer Ver-dichterstation eingesetzt werden (Abb. 21). DieKolbenverdichter besitzen eine Boxerbauformmit jeweils fünf doppelwirkenden Zylindern.Lagerprobleme traten das erste Mal auf, nachdemder Betreiber die ursprünglichen Lager aus Weiß-metall (WM 80) gegen so genannte Zwei-Stoff-Lager ausgetauscht hatte und das ursprünglicheunlegierte Mineralöl durch ein hochlegiertesGetriebeöl ersetzt hatte. Es zeigten sich Aus-brüche in der Lagerschale, so genannte Pflaster-steine, die auf einen Ermüdungsschaden hindeu-teten. Daraufhin wurden anstelle der Zwei-Stoff-Lager Galvaniklager eingebaut. Aber hier tratennach ca. acht Monaten Betrieb ebenfalls Lager-schäden auf, die sich diesmal jedoch alsgroßflächige Verschleißschäden bemerkbarmachten (Abb. 22). Eine genaue Analyse desSchadens ergab folgende Ursachen: Die Kolben-verdichter verursachten starke Schwingungen.Diese wurden über die Fundamente und dieGebäudekonstruktion von einem Verdichter aufden anderen übertragen. Besonders schädlichwaren hierbei Stillstandszeiten für die Verdichter.In diesen Fällen konnte sich kein schützenderSchmierfilm zwischen Welle und Lagerschale auf-bauen, und es kam zu Schwingungsverschleiß.Verschärfend auf die Schwingungsverschleißer-scheinungen wirkte sich auch noch das angeblichbessere hochadditivierte Getriebeöl in Kombina-tion mit dem Galvaniklager aus, da es mit den

Abbildung 22Kurbelwellenlager (Galvaniklager) eines Kolbenkom-pressors mit Schäden in der Laufbahn

Abbildung 21Blick auf eine Verdichterstation mit sechs Kolbenverdichternzur Förderung von Erdgas

Abbildung 20Gelenklager GE 30

Abbildung 19Bewegung eines Wälzkörpers im oszillierend betriebenenWälzlager mit Verschleißmulden

Page 10: MASCHINENBAU M W GRUNDSÄTZLICHES REIBUNG UND … · MASCHINENBAU MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 16 GRUNDSÄTZLICHES ZU REIBUNG UND VERSCHLEISS IN DER TECHNISCHEN ANWENDUNG

MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 MASCHINENBAU

25

Bestandteilen des Galvaniklagers ungünstig rea-gierte. Als Schadensabhilfe wurde empfohlen,wieder das unlegierte Mineralöl einzusetzen, aller-dings mit einer etwas höheren Viskosität, und einkleineres Lagerspiel zu wählen, beides um einehöhere Tragkraft des Schmierfilms bei niedrigenGeschwindigkeiten und damit einen besserenSchutz gegen Mischreibung zu erzielen. Außer-dem wurde vorgeschlagen, das Galvaniklagergegen ein Drei-Stoff-Lager auszutauschen, da die-ses eine höhere Ermüdungsfestigkeit besitzt unddie Gefahr von großflächigen Werkstoffablösun-gen relativ gering ist. Mit diesen Maßnahmenlaufen die Verdichter seither problemlos.

Im vierten Beispiel wird ein zweistufiges Kegel-rad-Stirnrad-Zahnradgetriebe mit einer übertrag-baren Leistung von ca. 1 000 kW behandelt.Diese Getriebe werden im Antrieb für Gurtband-förderanlagen im Tagebau eingesetzt. Für dieAusrüstung von neuen Bandanlagen wurden vomBetreiber für die Getriebe Tauchschmierung undumrichtergesteuerte Motoren vorgeschrieben.Letztere wurden gewählt, um gegenüber den bis-herigen Bandanlagen eine bessere und damithöhere Beladung der Gurtbandanlagen zugewährleisten. Um die Planschverluste in denGetrieben niedrig zu halten, wurde ein Öl mitrelativ niedriger Viskosität gewählt. Nach derInbetriebnahme der neuen Anlagen kam esjedoch nach einer unzulässig kurzen Laufzeit zumAusfall der Verzahnungen. Es traten im Zahnfuß-bereich der Ritzel sowohl in der Kegelradstufe alsauch in der Stirnradstufe starke Grübchenbildun-gen auf (Abb. 23). Grübchen können entstehen,wenn die Flankentragfähigkeit des Werkstoffs zugering ist und/oder wenn die Schmierung nichteinwandfrei funktioniert, d. h. wenn sich keinausreichend dicker Schmierfilm zwischen denZähnen von Ritzel und Rad aufbaut. Es wurdeeine genaue Schadensanalyse durchgeführt unddie Ausfallursachen ermittelt. Zum einen wurdefestgestellt, dass die Schmierölviskosität für denEinsatzfall zu gering gewählt war. Zum anderenist eine Tauchschmierung für die hohe Antriebs-leistung von 1 000 kW nicht geeignet. Darüberhinaus konnte nachgewiesen werden, dass dieWärmebehandlung der Verzahnungen fehlerhaftwar, so dass der Zahnradwerkstoff eine unzurei-

chende Festigkeit aufwies. Nach der Umsetzungder Empfehlungen, wie Einbau einer Einspritz-schmierung, Erhöhung der Viskosität, Verringe-rung der Belastung und Verbesserung des Wär-mebehandlungsverfahrens der Verzahnungen,arbeiten die Getriebe ohne Beanstandung.

SCHLUSSBEMERKUNGEN

Das Vorausgegangene gibt einen grobenÜberblick über das weite Feld der Tribologie. Diewichtigsten tribologischen Begriffe wurden kurzangesprochen. Die Methodik der Systemanalysehilft, das große interdisziplinäre Gebiet der Tri-bologie zu ordnen und bei Problemfällen syste-matisch an die Lösungsfindung heranzugehen.Besonders deutlich wird, dass Reibung und Ver-schleiß Systemeigenschaften sind, die vom Belas-tungskollektiv und der Systemstruktur abhängen.Wie gezeigt wurde, lassen sich Reibung und Ver-schleiß weiter unterteilen und ordnen und letzt-lich auf Wechselwirkungen zwischen den System-elementen zurückführen und durch Reibungs-und Verschleißmechanismen beschreiben.

Das Feld von Reibung und Verschleiß zu bearbei-ten, ist eine lohnende Aufgabe, denn nach wie vorentstehen der Volkswirtschaft Verluste in Milliar-denhöhe durch unwiederbringliche Reibungs-und Materialverluste und durch reibungs- undverschleißbedingte Folgeschäden.

Abbildung 23Teil eines Ritzel-Zahnes aus der Kegelradstufe eineszweistufigen Kegelrad-Stirnrad-Getriebes mit Grüb-chenschäden im Zahnfußbereich

Page 11: MASCHINENBAU M W GRUNDSÄTZLICHES REIBUNG UND … · MASCHINENBAU MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004 16 GRUNDSÄTZLICHES ZU REIBUNG UND VERSCHLEISS IN DER TECHNISCHEN ANWENDUNG

MAGDEBURGER WISSENSCHAFTSJOURNAL 1/2004MASCHINENBAU

26

Literatur

/1/ GfT-Arbeitsblatt 7; Tribologie: Verschleiß, Reibung. Definitionen, Begriffe, Prüfung/2/ Uetz, H.: Abrasion und Erosion. München, Wien: Hauser, 1986/3/ Engel, S.: Reibungs- und Ermüdungsverhalten des Rad-Schiene-Systems mit und ohne Schmierung. Diss. Uni Mag-

deburg 2002/4/ Gervé, A.; Oechsner, H.; Kehrwald, B.; Kopnarski, M.: Tribomutation von Werkstoffoberflächen im Motorenbau

am Beispiel des Zylinderzwickels. Frankfurt: FVV-Heft R 497, 1998/5/ Czichos, H.; Habig, K.-H.: Tribologie-Handbuch: Reibung und Verschleiß. Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg,

1992/6/ Hamrock, B. J.: Fundamentals of fluid film lubrication. New York: Mc Graw-Hill Inc., 1994/7/ Kragelski, J.W.: Reibung und Verschleiß VEB Verlag Technik Berlin, 1971/8/ Habig, K.-H.: Tribologie. im Taschenbuch für den Maschinenbau/ Dubbel, Hrsg. W. Beitz und K.-H. Grote, 19.

Aufl., Berlin: Springer, 1997/9/ Thiede, K.-U.; Deters, L.: Wirkung von Schmierstoffen bei langsamen oszillierenden Gleit- und Wälzbewegungen.

Forschungsheft/Forschungsvereinigung Antriebstechnik Nr. 585, 1999

Prof. Dr.-Ing. Ludger Deters,geboren 1951, studierte das Fach „Allgemeiner Maschinenbau“ an der TU Clausthal undschloss sein Studium im Jahr 1975 ab. Danach arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter,Assistent und als Oberingenieur am Institut für Reibungstechnik und Maschinenkinetik der TUClausthal und promovierte 1983 über die „Auslegung von Axialgleitlagern bei hohen Geschwin-

digkeiten“. Den Tätigkeiten an der TU Clausthal folgten elf Jahre Industriepraxis, und zwar fünf Jahre als Leiter der„Entwicklung und Konstruktion von Turbomolekularpumpen“ bei der Fa. Leybold AG in Köln und sechs Jahre in lei-tenden Positionen in den Bereichen „Entwicklung von Textilmaschinen“ und „Entwicklung und Konstruktion vonAutomatisierungssystemen und -komponenten“ bei der Fa. Barmag AG in Remscheid. Seit dem 1. April 1994 ist Prof.Deters Leiter des Lehrstuhls für Maschinenelemente und Tribologie an der Fakultät für Maschinenbau der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Am Lehrstuhl werden Reibungs-, Verschleiß- und Schmierungsverhältnisse anMaschinen- und Konstruktionselementen untersucht, Berechnungsunterlagen zu Reibung und Verschleiß erarbeitetund Gestaltungs- und Auslegungsrichtlinien für tribologisch beanspruchte Elemente erstellt. Außerdem werdenReibpaarungen optimiert, und zwar hinsichtlich Werkstoffpaarungen, Oberflächenstrukturen und Beschichtungen,Schmierstoffen und Schmierstoffeinsatz. Darüber hinaus werden Mess- und Kontrollverfahren zur Verschleißdi-agnose und zur Früherkennung von verschleißbedingten Schäden entwickelt.