mauerwerk-kalender 2016; wolfram jäger

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Baustoffe Sanierung Eurocode-Praxis

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Der diesjährige Mauerwerk-Kalender befasst sich schwerpunktmäßig mit den Themen Baustoffe, Sanierung und Eurocode in der Praxis. Das vereinfachte Bemessungsverfahren aus Eurocode 6, Teil 3, wird in einem Beitrag auf seine Praxistauglichkeit untersucht. Weitere Bemessungsthemen sind Schubtragfähigkeit und Zuverlässigkeitsanalyse. Der jährliche Beitrag zu Eigenschaften von Mauersteinen, Mörteln, Mauerwerk und Putzen wurde vollständig und grundlegend überarbeitet. Zum Thema Sanierung werden aktuelle Projekte vorgestellt, wobei u. a. statische Probleme und deren Lösungen erörtert sowie Reparaturmethoden erläutert werden. Außerdem werden wie gewohnt auch im 41. Jahrgang sämtliche zulassungsbedürftige Neuentwicklungen mit der Aktualität eines Jahrbuches vorgestellt.

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Page 1: Mauerwerk-Kalender 2016; Wolfram Jäger

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BaustoffeSanierungEurocode-Praxis

www.ernst-und-sohn.de

Eurocode 6in der Praxis

Baustoffe imMauerwerksbau

Metall-Injektionsanker

Instandsetzung vonhistorischem Mauerwerk

Hochwasserschutz

Aussteifungsscheiben

Ausfachungen

Zuverlässigkeit

Zulassungen /Technische Regeln

Forschung

Diese Ausgabe des Mauerwerk-Kalenders befasst sich unter anderem mit den Themen Baustoffe, Sanierung und Eurocode-Praxis. Erfahrungen aus der Anwendung des verein-fachten Bemessungsverfahrens nach EC 6, Teil 3, werden ebenso dargestellt wie die Be-rechnung von Aussteifungsscheiben und die Zuverlässigkeitsanalyse von Mauerwerks-bauteilen. Des Weiteren werden Sanierungsprojekte präsentiert, wobei u. a. die Lösung statischer Probleme sowie Reparaturmethoden erörtert werden. Außerdem stellt ein um-fangreicher Artikel Methoden zum Hochwasserschutz denkmalgeschützter Gebäude vor.Der jährliche Beitrag zu Eigenschaften von Mauersteinen, Mörteln, Mauerwerk und Putzen wurde vollständig und grundlegend überarbeitet. Zulassungsbedürftige Neuentwicklungen werden vorgestellt und alle derzeit zugelassenen Mauerwerksprodukte und -bauarten wer-den mit der Aktualität eines Jahrbuches präsentiert.

Page 2: Mauerwerk-Kalender 2016; Wolfram Jäger

Vorwort III

Vorwort

Der Mauerwerk-Kalender 2016 widmet sich schwer-punktmäßig den Themen Baustoffe, Eurocode-Praxis und der Sanierung von Mauerwerk, wobei der letzte Punkt besonders breiten Raum einnimmt, was der be-sonderen Bedeutung der Bestandsbauwerke innerhalb des Fachkomplexes Mauerwerk gerecht wird. Im Ein-zelnen werden dem Leser in der vorliegenden Ausgabe des Mauerwerk-Kalenders folgende Informationen zur Verfügung gestellt:

• Im Bereich Baustoffe · Bauprodukte finden Sie den jährlich aktualisierten Grundlagenbeitrag Eigenschafts-werte von Mauersteinen, Mauermörtel, Mauerwerk und Putzen. Der Beitrag über den Mauerwerksbau mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung behandelt diesmal – nachdem im Vorjahr alle erteilten Zulassun-gen des Fachgebietes als vollständige Übersicht im Mauerwerk-Kalender enthalten waren – nur die im letz-ten Jahr neu erteilten Zulassungen. Die Umstellung auf den Eurocode 6 ist in diesem Bereich noch nicht voll-ständig vollzogen, das heißt, ein Teil der Zulassungen muss demnächst noch vom DIBt angepasst werden. Der Leser wird mit diesem Beitrag auf dem Laufenden ge-halten.

• Die Abteilung Konstruktion · Bauausführung · Bau-werkserhaltung beginnt mit einer bauordnungsrecht-lichen Betrachtung der Problematik Verankerungen diverser Bauteile in Mauerwerk. Die rechtlichen Rah-menbedingungen für den Einsatz von Dübeln in Mau-erwerk haben sich in Deutschland und Europa in den letzten Jahren grundlegend verändert. Der Beitrag schil-dert diese und benennt die Punkte, die bei der prakti-schen Umsetzung zu beachten sind; insbesondere gehen die Autoren auf die vorgeschriebenen Baustellenversu-che ein. Der Beitrag zur Sicherung und Instandsetzung der Frauenkirche Dresden in der Zeit von 1937 bis 1943 bewertet und würdigt die Baumaßnahmen aus heutiger Sicht. Die aus dieser Zeit vorliegenden Erkenntnisse zum Bauwerk haben wesentlich die Planungen zu dessen Wiederaufbau beeinflusst bzw. die fachgerechte Ausfüh-rung unterstützt. Der Aufsatz ist eine Fortsetzung des in der Vorjahresausgabe abgedruckten Teils mit den Instandsetzungsarbeiten aus der Zeit von 1918 bis 1932. Die Friedrichswerdersche Kirche von Karl Friedrich Schinkel in Berlin erfuhr während der Bauarbeiten an den „Kronprinzengärten“ in der unmittelbaren Nach-barschaft Risse und weitere Schäden infolge von Set-zungen. Der im vorliegenden Mauerwerk-Kalender enthaltene Text geht nach einer kurzen Abhandlung zum geschichtlichen Hintergrund auf die im Zusam-menhang mit den Setzungsschäden erstellten Gutachten zur Standsicherheit und die eingeleiteten Schritte zur Sicherung dieses bedeutenden Bauwerks ein. Technolo-gischen und baustofflichen Fragestellungen beim Ver-pressen von historischem Mauerwerk folgen die Auto-ren in einem weiteren Beitrag anhand des Beispiels

Schloss Steinort in Ostpolen und stellen so den Stand der Technik auf diesem Gebiet dar. Ertüchtigungsmaß-nahmen von historischen Gebäuden zur Integration in Hochwasserschutzanlagen sind Inhalt des nächsten Aufsatzes, der direkt an einen bereits im Mauerwerk- Kalender 2012 veröffentlichten zu diesem Thema an-schließt.

• Das Kapitel Bemessung stellt verschiedene Modelle und Methoden für die Ermittlung der Schubtragfähig-keit von Mauerwerk vor und vergleicht diese. Ziel ist eine wirklichkeitsnähere und wirtschaftlichere Bemes-sung auf der Grundlage der vorhandenen Erfahrungen. Ein weiterer Beitrag erklärt die Anwendung der Monte-Carlo-Methode zur Bestimmung der Zuverläs-sigkeit von Bauteilen und weist nach, dass die Methode auch für Mauerwerksbauteile eingesetzt werden kann. Von besonderer Wichtigkeit für die Akzeptanz der Euro codes sind Kenntnisse und Hilfsmittel für die prak-tische Anwendung. Diesem Gedanken trägt der dritte Beitrag dieser Rubrik des Mauerwerk-Kalenders Rech-nung. Hier wird mit Beispielen die Praxistauglichkeit des EC 6 Teil 3 belegt, der das vereinfachte Verfahren der Bemessung von Mauerwerk zum Inhalt hat. Die neuen Regelungen werden außerdem im Vergleich mit der lang jährig bekannten und akzeptierten Norm DIN 1053-1 bewertet.

• Die Rubrik Bauphysik · Brandschutz stellt ein interdis-ziplinäres Projekt vor – Holzbalkenköpfe bei innenge-dämmtem Mauerwerk. Eigentlich eine Problemstellung aus dem Holzbau, berührt dieser Beitrag jedoch auch die Mauerwerkskonstruktion unmittelbar. Gerade bei denkmalgeschützten Gebäuden ist die Innendämmung des Mauerwerks eine praktikable Lösung, um den ge-stiegenen bauphysikalischen Anforderungen gerecht zu werden, ohne in das äußere Erscheinungsbild eingreifen zu müssen. Das hier vorgestellte Projekt widmet sich hauptsächlich den wärme- und feuchtetechnischen As-pekten nach einer Innendämmmaßnahme.

• Im Bereich Normen · Zulassungen · Regelwerk stehen wie gewohnt die tabellarischen Übersichten zu den gel-tenden technischen Regeln für den Mauerwerksbau sowie das aktuelle Verzeichnis der allgemeinen bauauf-sichtlichen Zulassungen zur Verfügung, welches nach dem Einsatzgebiet der jeweiligen Produkte gegliedert ist. Dem Verzeichnis folgt eine Liste, geordnet nach Zu-lassungsnummern und mit Verweisen auf die entspre-chenden Seiten dieses Beitrags sowie auf die des Beitrags A II „Neuentwicklungen beim Mauerwerksbau mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung“ aus dem Ka-pitel Baustoffe · Bauprodukte.

• Der Komplex Forschung bietet wie gewohnt den jähr-lichen Überblick über die aktuelle Forschungssituation im Mauerwerksbau. Ein zweiter Beitrag stellt erste Er-gebnisse des europäischen Verbundprojektes INSYSME

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IV Vorwort

vor, welches sich mit Ausfachungen aus Ziegelmauer-werk beschäftigt und wie diese die Erdbebensicherheit von Gebäuden beeinflussen. Hauptprojektziel ist die Ableitung eines Berechnungs- und Bemessungskonzepts für Ausfachungen aus Ziegelmauerwerk in deutschen Erdbebengebieten. Das Projekt befindet sich zurzeit in der Endphase, die Darstellung ist deshalb noch nicht abschließend, gibt aber einen Ausblick auf die noch ausstehenden Arbeiten. In einer nächsten Ausgabe des

Mauerwerk-Kalenders ist eine komplette Übersicht mit Bewertung geplant.

Ich bedanke mich bei allen Beteiligten für die Mitarbeit an dieser Ausgabe des Mauerwerk-Kalenders und wün-sche den Lesern eine gute Lektüre. Mögen die Beiträge hilfreich und nützlich bei der Beschäftigung mit dem schönen und interessanten Thema Mauerwerk in Pla-nung und Ausführung sein.

Dresden, Wolfram Jäger im Februar 2016 [email protected]

Page 4: Mauerwerk-Kalender 2016; Wolfram Jäger

Inhaltsübersicht V

Inhaltsübersicht

A Baustoffe J Bauprodukte

I Eigenschaften von Mauersteinen, Mauermörtel, Mauerwerk und Putzen 3Wolfgang Brameshuber, Aachen

II Neuentwicklungen beim Mauerwerksbau mit allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung (abZ) 31Wolfram Jäger, Dresden und Roland Hirsch, Berlin

B Konstruktion J Bauausführung J Bauwerkserhaltung

I Metall-Injektionsanker in Mauerwerk – Bauordnungsrecht, Regelwerk, Baupraxis 59Thomas Lützow und Martin Reuter, Kaufering

II Bautechnische Instandsetzungen der Dresdner Frauenkirche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Teil 2: 1937–1942 83Hans-Joachim Jäger und Wolfram Jäger, Dresden

III Aktuelle statische Probleme und deren Lösung am Beispiel der Friedrichswerderschen Kirche in Berlin 115Peter Schöps, Radebeul; Toralf Burkert, Weimar

IV Verpressen von historischem Mauerwerk 163Wolfram Jäger, Beate Boekhoff, Thomas Köberle, Dresden und Matthias Hohl, Pozezdrze (Polen)

V Hochwasserschutz an denkmalgeschützten Gebäuden 211Toralf Burkert, Weimar

C Bemessung

I Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk – Analyse und Bewertung von Berechnungsmodellen und Bemessungsmethoden 283Thomas Kranzler, Bonn

II Die Anwendung der Monte-Carlo-Methode zur Bestimmung der Zuverlässigkeit von Mauerwerksbauteilen 317Hamidreza Salehi, Wolfram Jäger, Dresden und Mahdi Montazerolghaem, Teheran (Iran)

III Das vereinfachte Verfahren in Eurocode 6 für die Praxis 333Detleff Schermer, Regensburg

D Bauphysik J Brandschutz

I Holzbalkenauflager in historischem Mauerwerk: Analyse, Bewertung und energetische Sanierung mittels Innendämmung 351Ulrich Ruisinger, Eric Stöcker und John Grunewald, Dresden Horst Stopp, Peter Strangfeld und Andrea Staar, Cottbus Martin Krus, Wolfgang Hofbauer und Theo Großkinsky, Valley Tommy Odgaard und Søren Peter Bjarløv, Kongens Lyngby, Dänemark

E Normen J Zulassungen J Regelwerk

I Geltende Technische Regeln für den Mauerwerksbau (Deutsche, Europäische und Internationale Normen) (Stand 30. 9. 2015) 385Peter Rauh, Berlin

II Verzeichnis der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen für den Mauer werksbau (Stand 31. 8. 2015) 403Wolfram Jäger, Dresden und Roland Hirsch, Berlin

Page 5: Mauerwerk-Kalender 2016; Wolfram Jäger

VI Inhaltsübersicht

F Forschung

I Übersicht über abgeschlossene und laufende Forschungsvorhaben im Mauerwerksbau 529Anke Eis und Sebastian Ortlepp, Dresden

II Ausfachungen aus Ziegelmauerwerk 563Christoph Butenweg, Herzogenrath; Thomas Kubalski und Marko Marinkovic, Aachen sowie Thomas Pfetzing, Mohammed Ismail und Ekkehard Fehling, Kassel

Page 6: Mauerwerk-Kalender 2016; Wolfram Jäger

C Bemessung 283

I Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk – Analyse und Bewertung von Berechnungsmodellen und BemessungsmethodenThomas Kranzler, Bonn

1 Einleitung1.1 Motivation

Die Bemessung von Aussteifungsscheiben aus unbe-wehrtem Mauerwerk spielt bei der Realisierung von Bauprojekten eine maßgebliche Rolle. Der Bedarf der Analyse zur Tragfähigkeitsberechnung von Ausstei-fungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk zeigt sich darin, dass Gebäude mit der allgemein üblichen Vorgehensweise nach „reiner Lehre“ rechnerisch oft-mals nur schwer nachzuweisen sind, obwohl sie sich in der Praxis bewährt haben. Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis konnte anschaulich im Rahmen des europäischen Forschungsprojektes ESECMaSE (Enhanced Safety and Efficent Construction of Ma-sonry Structures in Europe) [1] aufgezeigt werden: Zunächst wurde die Tragfähigkeit des in Bild 1 darge-stellten Gebäudes anhand eines „Großversuches“ er-mittelt [2, 3]. Anschließend wurden die zugehörigen rechnerisch nachzuweisenden Erdbebenlasten nach DIN 4149 [4] sowie die rechnerischen Tragfähigkeiten auf Basis der in Deutschland üblichen Vorgehens-weise mit den Berechnungsmodellen nach DIN 1053-1 [5] ermittelt und den Versuchsergebnissen gegenüber-gestellt [6, 7].

Bild 2 zeigt, dass die rechnerisch nachzuweisende Ge-samterdbebenkraft bei Annahme der ungünstigsten Kombination aus Erdbebenzone (3), Baugrund-klasse (C) und Untergrundklasse (R) mit 183 kN deut-lich unter der im Großversuch ermittelten Horizontal-kraft von 250 kN liegt. Sie liegt sogar noch unter der Last, bei der im Großversuch erste erkennbare Risse im Gebäude aufgetreten waren (190 kN).Die Ermittlung der rechnerischen Tragfähigkeit erfolgte an der rechnerisch maßgebenden Einzelwand. Die Auf-teilung der Gesamtlasten auf die Einzelwände erfolgte horizontal in Abhängigkeit deren linearen Biegesteifig-keiten und vertikal aus den zugehörigen Lasteinzugs-flächen. Rechnerisch untersucht wurden neben dem „üblichen“ Kragarmsystem (A) auch das System mit der Annahme einer geschossweisen Lastzentrierung (B) sowie die Annahme „Volleinspannung der Wände in den Geschossdecken“ (C).Bild 2 zeigt deutlich, dass eine Berechnung mit dem in der Praxis üblichen Ansatz eines linearen Kragarmmo-dells (A: 69 kN) die real vorhandenen Tragfähigkeiten von Mauerwerksbauten nicht annähernd abbilden kann. Auch unter Annahme der Modelle (B: 104 kN) und (C: 166 kN) liegen die rechnerischen Tragfähigkei-ten noch deutlich auf der sicheren Seite. Dabei ist zu

Mauerwerk-Kalender 2016: Baustoffe, Sanierung, Eurocode-Praxis. Herausgegeben von Wolfram Jäger. © 2016 Ernst & Sohn GmbH & Co. KG. Published 2016 by Ernst & Sohn GmbH & Co. KG.

Bild 1. Grund- und Aufriss des Prüfkörpers (Reihenhaushälfte) [7]

Page 7: Mauerwerk-Kalender 2016; Wolfram Jäger

284 C Bemessung

beachten, dass sich bei einer tatsächlichen Bemessung unter Berücksichtigung von Sicherheitsbeiwerten und Fraktilwerten der Festigkeitseigenschaften noch gerin-gere rechnerische Tragfähigkeiten ergeben würden. Für weitere Hintergrundinformationen und die detaillierten Berechnungsgänge wird auf [6]–[8] verwiesen.Wesentliche Gründe für die deutlich auf der sicheren Seite liegenden und damit unwirtschaftlichen Berech-nungsergebnisse sind die Vernachlässigung der positi-ven Effekte von zusammengesetzten Querschnitten so-wie das „übliche“ Konzept, die Tragfähigkeit getrennt für jede Einzelwand nachzuweisen. Demnach ist die Tragfähigkeit des Bauwerks erreicht, wenn die erste Wand versagt.Die Problematik lässt sich in zwei grundsätzliche The-menfelder aufteilen: Zum einen gilt es, die Schnittgrö-ßenermittlung innerhalb des Gebäudes zu optimieren und positive Effekte aus Lastumlagerungen und Ein-spannwirkungen zu berücksichtigen. Zum anderen sind die bei der Bemessung der Wandscheiben zu verwen-denden Modelle und Annahmen zu überprüfen und zu optimieren. Hinsichtlich der Thematik Schnittgrößenermittlung und Gebäudestatik wird auf [9–13] verwiesen.Dieser Beitrag befasst sich dagegen schwerpunktmäßig mit der Bemessung von Aussteifungsscheiben nach er-folgter Schnittgrößenermittlung. Er stellt die wesent-lichsten Erkenntnisse aus [14] ergänzt um neuere For-schungsarbeiten (insbesondere [9, 15, 16]) zusammen-fassend dar.

1.2 Einführung und Begriffe

Als Aussteifungsscheiben werden nachfolgend unbe-wehrte Mauerwerkswände unter geringer vertikaler

Auflast bezeichnet, die überwiegend durch eine Hori-zontallast (zum Beispiel infolge Wind oder Erdbeben) in ihrer Systemebene belastet sind.Die Tragfähigkeit beschreibt dabei immer die maximale horizontal aufnehmbare Grenzlast am Kopf einer Aus-steifungsscheibe bei gegebener vertikaler Auflast.Zur Beschreibung der lokalen Kenngröße Schubfestig-keit finden sich in der Literatur zahlreiche theoretische Modelle und Berechnungsalgorithmen sowie auf der Finite-Elemente-Methode (FEM) basierende Software-module, welche zur Ermittlung der Tragfähigkeit von Aussteifungsscheiben aus Mauerwerk herangezogen werden können. Aufgrund der bei der Entwicklung die-ser Schubfestigkeitsmodelle getroffenen Annahmen und Vorgehensweisen werden dabei teilweise sehr unter-schiedliche Eingangsparameter berücksichtigt bzw. be-nötigt. Dies gilt neben den geometrischen Eingangspa-rametern im Besonderen für die Materialeigenschaften, für deren Bestimmung in den meisten Fällen oftmals sehr unterschiedliche Versuchsaufbauten existieren, die zu unterschiedlichen Messwerten führen – von den ver-suchstechnisch bedingten Streuungen der Messwerte einmal ganz abgesehen. Es zeigt sich, dass die Tragfä-higkeit, basierend auf den einzelnen theoretischen Schubfestigkeitsmodellen und Berechnungsalgorith-men, teilweise sehr sensitiv auf die jeweils benötigten Eingangsparameter reagiert. Im Gegensatz dazu erge-ben sich jedoch oftmals kaum merkliche Tragfähig-keitsunterschiede bei den entsprechenden Versuchen an geschosshohen Aussteifungsscheiben.Es stellt sich weiterhin die Frage, inwieweit die Berück-sichtigung eines Schubfestigkeitsmodells bei der Er-mittlung der Tragfähigkeit von überwiegend horizontal beanspruchten Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk überhaupt erforderlich bzw. unter welchen

Bild 2. Gegenüberstellung der anhand eines Großversuches ermittelten Tragfähigkeit eines Gebäudes aus Ziegelmauerwerk mit den rechnerisch anzusetzenden Gesamterdbebenkräften nach DIN 4149 und den rechnerisch aufnehmbaren Horizontalkräften auf Grundlage von DIN 1053-1 [7]

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I Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk – Analyse und Bewertung 285

Randbedingungen die Verwendung eines solchen Mo-dells – in welcher Form auch immer – sinnvoll ist und zu realistischen Ergebnissen führen kann. Hinsichtlich der Randbedingungen sollte dabei insbesondere auf praxisrelevante und realitätsnahe Erforderlichkeiten ge-achtet werden.In [14] wird eine detaillierte Analyse, Bewertung und gegebenenfalls Modifizierung bzw. Erweiterung der der-zeit vorliegenden Berechnungsalgorithmen zur Ermitt-lung der Tragfähigkeit von überwiegend horizontal be-anspruchten Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk vorgenommen. Ziel dieses Beitrages ist da-her nicht die Entwicklung eines neuen (weiteren) Be-messungsmodells, sondern ein Vorschlag, wie die bereits vorliegenden Modelle/Verfahren ggf. modifiziert ange-wendet werden sollten, um eine wirklichkeitsnähere und damit wirtschaftlichere Bemessung zu ermöglichen.

2 Tragverhalten, Versagensarten und relevante Materialeigenschaften

2.1 Allgemeines

Im Allgemeinen unterscheidet man bei überwiegend horizontal beanspruchten Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk fünf „globale“ Versagens-arten, deren Maßgeblichkeit zwar von den Material-eigenschaften des Baustoffs Mauerwerk abhängig ist, gravierender jedoch von der vorhandenen vertikalen Auflast und den Abmessungen der Wandscheibe beein-flusst wird. Die einzelnen Versagensarten mit den zuge-hörigen relevanten Materialeigenschaften werden im Folgenden dargestellt. Auf eine detaillierte qualitative und quantitative Beschreibung der Materialeigenschaf-ten wird im Rahmen dieses Beitrags mit Ausnahme der Schubfestigkeit jedoch verzichtet und auf [14] verwie-sen.

2.2 Kippen – Zugversagen in der untersten Lagerfuge

Im Fall von sehr schubschlanken (h > l) Aussteifungs-scheiben in Verbindung mit sehr geringen vertikalen Auflasten können die Zugspannungen in der untersten Lagerfuge die dort aufnehmbare Haftzugfestigkeit überschreiten, sodass es zu einem Aufreißen der Lager-fuge kommt1) (vgl. Bild 3). Solange das Gleichgewicht zwischen der äußeren Einwirkung und dem inneren Tragwiderstand jedoch gegeben ist, hat dieses Aufrei-ßen noch kein unmittelbares Versagen der Ausstei-fungsscheibe zur Folge. Die maximale Horizontallast ist erst erreicht, wenn die Lastresultierende am Wand-fuß an der äußeren Kante der Aussteifungsscheibe

1) Für den Fall, dass die Zugfestigkeit der Steine geringer ist als die Haftzugfestigkeit des Verbundes, kann es theore-tisch auch zu einem horizontalen Riss durch die Steine kommen.

steht. Eine weitere Steigerung der horizontalen Einwir-kung führt dann zu einem Kippen der an sich noch in-takten Aussteifungsscheibe. Die Tragfähigkeit der Aus-steifungsscheibe für den Versagensfall Kippen VKi stellt eine theoretische Obergrenze der Tragfähigkeit für Mauerwerk unter Vernachlässigung der Haftzugfestig-keit in der Lagerfuge dar. Hinsichtlich des Aufreißens der untersten Lagerfuge ist zu beachten, dass die damit einhergehende Reduzierung der noch überdrückten Restquerschnittsfläche Auswirkungen auf die nachfol-gend noch darzustellenden Versagensarten haben kann. Der qualitative Verlauf der Horizontallast-Verfor-mungs-Kurve ist nichtlinear und resultiert ausschließ-lich aus der Verkleinerung der überdrückten Restquer-schnittsfläche und dem damit einhergehenden Steifig-keitsverlust. Die Verformungen sind sehr groß, was auf eine große Duktilität hinweist. Unter der Annahme linear-elastischen Werkstoffverhaltens ist kein Energie-dissipationsvermögen vorhanden.

2.3 Biegeversagen

Beim Biegeversagen unterscheidet man im Allgemeinen zwischen dem Biegedruckversagen und dem Biegezug-versagen. Letzteres kann bei geringen vertikalen Auflas-ten eintreten, wenn sich nach dem Überschreiten der Haftzugfestigkeit in der untersten Lagerfuge (vgl. Ab-schnitt 2.2) kein Gleichgewicht mehr zwischen der äu-ßeren Einwirkung und dem inneren Tragwiderstand einstellen kann. Bei einer Vernachlässigung der Haft-zugfestigkeit entfällt diese Art des Biegeversagens. Bie-gedruckversagen kann nicht nur bei sehr hohen, sondern auch bei sehr geringen vertikalen Auflasten durch Überschreiten der Bruchstauchung auftreten. Bei sehr geringen Auflasten führt die mit dem Aufreißen der un-tersten Lagerfuge einhergehende Einschnürung der noch überdrückten Restquerschnittsfläche dort zu sehr großen Spannungskonzentrationen. In der Folge kann es insbesondere in Verbindung mit schubschlanken Aussteifungsscheiben zu einem Biegedruckversagen in den unteren Eckbereichen infolge des Überschreitens der Mauerwerksdruckfestigkeit kommen, noch bevor das Versagen durch Kippen der Aussteifungsscheibe eintritt (vgl. Bild 4). Der qualitative Verlauf der Hori-

Bild 3. Zugversagen in der untersten Lagerfuge – Kippen

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286 C Bemessung

zontallast-Verformungs-Kurve für Biegedruckversagen im Eckbereich weist auf eine große Duktilität in Ver-bindung mit geringem Energiedissipationsvermögen hin.Die maximale horizontale Grenzlast, bei der es zu ei-nem Biegedruckversagen der Aussteifungsscheibe kommt, wird nachfolgend als Biegedrucktragfähigkeit VB bezeichnet.

2.4 Horizontales Gleiten entlang der Lagerfugen

Bei gedrungenen Aussteifungsscheiben mit geringen vertikalen Auflasten ist ein horizontales Gleiten entlang einer der unteren Lagerfugen über die überdrückte Restquerschnittsfläche hinweg möglich (vgl. Bild 5). Die entsprechende Tragfähigkeit für horizontales Glei-ten VGl hängt wesentlich von der Scherfestigkeit in der Lagerfuge ab, welche sich aus einem auflastunabhängi-gen Haftscherfestigkeitsanteil und einem auflastabhän-gigen Reibungsanteil zusammensetzt. Der Reibungsan-teil ist dabei unabhängig von der Querschnittsfläche, wohingegen der Haftscherfestigkeitsanteil nur in der überdrückten Restquerschnittsfläche wirkt und somit wie auch das Biegedruckversagen maßgeblich von ei-nem eventuellen Aufreißen der maßgebenden Lager-fuge beeinflusst wird. Nach Erreichen eines Maximal-wertes der Scherfestigkeit wird die Haftscherfestigkeit

exponentiell abgebaut. Der Reibungsbeiwert reduziert sich dabei vom Haftreibungsbeiwert µH auf den Gleit-reibungsbeiwert µG. Die Horizontallast-Verformungs- Kurve ist durch ein stabiles Widerstandsniveau unter großen plastischen Verformungen gekennzeichnet. Das Energiedissipationsvermögen ist sehr groß.

2.5 Schubversagen

Schubversagen zeichnet sich im Allgemeinen durch dia-gonale Risse aus, die durch eine kritische Kombination von Hauptdruck- und Hauptzugspannungen im Inne-ren von Aussteifungsscheiben verursacht werden. Das Versagen beginnt dabei meistens im Zentrum der Wandscheibe und tritt entweder in Form von abge-treppten Rissen entlang der Stoß- und Lagerfugen, schrägen Rissen durch die einzelnen Steine über meh-rere Lagen oder einer Kombination von beidem auf. Gemäß Bild 6 unterscheidet man beim Schubversagen zwischen den Schubversagensarten Fugenversagen und Steinzugversagen.Fugenversagen tritt bei geringer Auflast in Verbindung mit ausreichender Steinfestigkeit auf und ist durch treppenförmige Risse entlang der Stoß- und Lager-fugen gekennzeichnet. Das Versagen erfolgt entweder durch Überschreitung der Haftzugfestigkeit oder der Scherfestigkeit in der Lagerfuge. Insbesondere bei ge-ringen Auflasten in Verbindung mit quadratischen Steinen (hst/lst = 1,0) kann es nach Überschreitung der Haftzugfestigkeit zur Rotation der Einzelsteine kom-men, welches nach dem Verlust des Gleichgewichtes zum lokalen Kippen der Einzelsteine2) führt. Dieses Versagen ist zwar sehr duktil, weist jedoch nur ein geringes Energiedissipationsvermögen auf. Führt die Überschreitung der Scherfestigkeit zu einem treppen-förmigen Versagen, so spricht man von Reibungs-versagen. Die zugehörige Horizontallast-Verfor-mungs-Kurve entspricht der des horizontalen Gleitens (vgl. Bild 5) und weist auf das hohe Energiedissipati-onsvermögen sowie das duktile, elastoplastische Mate-rialverhalten hin.Liegen höhere Auflasten in Verbindung mit niederfes-ten Steinen vor, kommt es infolge der Überschreitung der Steinzugfestigkeit fbt zu einem Steinzugversagen. Dieses oftmals schlagartig eintretende Versagen kann im Gegensatz zum Reibungsversagen äußerst spröde sein. In der Praxis tritt in den meisten Fällen eine Kom-bination aus Fugen- und Steinzugversagen auf.Überschreiten – bei hohen vertikalen Auflasten – die schiefen Hauptdruckspannungen die Druckfestigkeit des Materials, so spricht man von einem Schubdruck-versagen. Dabei handelt es sich um eine rein theoreti-sche Versagensart, die optisch kaum vom Biegedruck-

2) Anstelle der im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwen-deten Bezeichnung Kippen der Einzelsteine wird diese Schubversagensart in der Literatur meistens als Klaffen der Lagerfugen bezeichnet

Bild 4. Biegedruckversagen im Eckbereich bei geringen vertikalen Auflasten

Bild 5. Horizontales Gleiten entlang der Lagerfugen

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I Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk – Analyse und Bewertung 287

versagen zu unterscheiden ist. Außerdem wird bei sehr hohen vertikalen Auflasten in der Regel die Tragfähig-keit um die schwache Achse (Knicken) ausschlagge-bend bzw. maßgebend.Die maximale horizontale Grenzlast, bei der es zu ei-nem Schubversagen der Aussteifungsscheibe kommt, wird als Schubtragfähigkeit VSch (VSch,KiE, VSch,R, VSch,S, VSch,SD) bezeichnet.

2.6 Versagen des Ecksteins nach Reibungsversagen in Wandscheibenmitte

Eine Kombination aus Schub- und Biegedruckversa-gen stellt das in [14] definierte Versagen des Ecksteins nach Reibungsversagen in Wandscheibenmitte dar. Bei der in Bild 7 abgebildeten Versagensart kommt es zu-nächst in Wandmitte zu einem lokalen Reibungsversa-gen, obwohl die Tragfähigkeit für Horizontales Glei-ten entlang der Lagerfuge VGl noch nicht erreicht ist. Es entsteht eine abgetreppte Rissbildung. Die Hori-zontallast kann trotzdem noch weiter gesteigert wer-den, was eine Umlagerung der Spannungen in den Eckbereich der Wandscheibe zur Folge hat. Die Trag-fähigkeit der Wandscheibe ist erst erreicht, wenn es entweder zu einem Reibungsversagen in der untersten Lagerfuge kommt oder wenn der Eckstein infolge der vorliegenden Spannungskonzentration im Eckbereich versagt.

3 Kritische Analyse ausgewählter Schubfestigkeitsmodelle

3.1 Einführung

Die in der Literatur hinlänglich bekannten Festigkeits-hypothesen für homogenes Material führen den Bruch eines Materials auf eine einzige spezifische Eigenschaft zurück. Als Beispiele seien an dieser Stelle die Haupt-normalspannungshypothese (Galilei, Lamé, Navier, Rankine), die Hauptdehnungshypothese (Bach, Navier, Poncelet, de Saint Venant, Sandel) und die Haupt-schubspannungshypothese (Coulomb, Guest, Tresca, Mohr) genannt. Grundsätzlich gilt für diese Festig-keitshypothesen, dass man sie nicht beweisen kann. Ihre Nützlichkeit und Richtigkeit wird durch die Praxis entweder belegt oder verworfen. Aufgrund der mehr oder weniger ausgeprägten Heterogenität (nicht gleichartig zusammengesetzt) und Anisotropie (nicht in alle Richtungen hin gleiche Eigenschaften aufwei-send) des Verbundbaustoffs Mauerwerk können die angesprochenen Festigkeitshypothesen nicht ohne Wei-teres zur Beschreibung des Verhaltens von Mauerwerk angewendet werden. In der Literatur findet sich daher eine Vielzahl von Forschungsarbeiten, die sich mit ei-ner wirklichkeitsnäheren Beschreibung des Tragverhal-tens in Abhängigkeit von gegebenen Randbedingungen befassen.Die Heterogenität und die Anisotropie des Verbund-baustoffs Mauerwerk hängen neben der Ausführung des Verbandes und der Stoßfugen wesentlich von der Beschaffenheit der Ausgangsstoffe Mauerstein und Mörtel sowie deren Verbund miteinander ab. Als Bei-spiel für sehr heterogenes Mauerwerk sei Mauerwerk aus Hochlochziegeln in Verbindung mit nicht vermör-telten Stoßfugen genannt. Großformatiges Porenbeton-mauerwerk mit Dünnbettmörtel und vermörtelten Stoßfugen kann dagegen ein nahezu homogenes Ver-halten aufweisen. Die aufgrund der Steinlochung unter-schiedliche Druck- und Zugfestigkeit von Hochlochzie-

Bild 6. Arten des Schubversagens

Bild 7. Versagen des Ecksteins nach Reibungsversagen in Wand- scheibenmitte

Page 11: Mauerwerk-Kalender 2016; Wolfram Jäger

288 C Bemessung

geln sei als Beispiel für die Anisotropie des Baustoffs Mauerwerk genannt.Zur vollständigen Beschreibung des globalen Tragver-haltens von überwiegend horizontal beanspruchten Aussteifungsscheiben aus unbewehrtem Mauerwerk ist es neben der Beschreibung des Tragverhaltens unter Druck- oder Zugbeanspruchung erforderlich, das Schubtragverhalten bzw. das Verhalten unter kombi-nierter Beanspruchung aus horizontaler und vertikaler Einwirkung zu beschreiben. Aufgrund der Vielzahl und Komplexität der Einflussgrößen ist dies allerdings nicht ohne Weiteres möglich, weshalb sich in der Vergangen-heit bereits zahlreiche Forschungsarbeiten mit der Ana-lyse des Schubtragverhaltens und der Entwicklung von entsprechenden Modellen zur Ermittlung der Schubfes-tigkeit fv befasst haben.In [14] ist ein kurzer chronologischer Überblick über die wichtigsten dieser Arbeiten enthalten. Die darin vorgestellten Forschungsarbeiten verwendeten zur Dar-stellung der Versagenshüllflächen entweder einen Hauptspannungsraum (σI, σII,) unter Angabe eines Winkels θ oder ein raumfestes Koordinatensystem mit ausgewählten Komponenten des Spannungsvektors (σx, σy, τxy). Die Analyse der wesentlichen Arbeiten un-ter Anwendung der letztgenannten und im deutsch-sprachigen Raum üblichen Darstellungsmöglichkeit zur Bestimmung der Schubfestigkeit fv bzw. Schubfestig-keitsmodelle wird nachfolgend zusammenfassend wie-dergegeben. Insbesondere werden hierbei die Möglich-keiten und Grenzen dieser Modelle gezielt aufbereitet.Ziel von Schubfestigkeitsmodellen ist es, die Schubfes-tigkeit fv bzw. die maximal aufnehmbare Schubspan-nung τmax für das in Bild 8 dargestellte Scheibenelement in Abhängigkeit des gegebenen Spannungszustandes sowie der vorliegenden Randbedingungen (geometri-sche Verhältnisse und Materialeigenschaften) zu be-stimmen. Es sei schon an dieser Stelle darauf hingewie-sen, dass es offensichtlich ist, dass ein derart „ungestör-ter“ Bereich nur in der Mitte einer Wandscheibe vorliegen kann, sodass diese Schubfestigkeitsmodelle

nur bedingt (wenn überhaupt) auf die Rand- bzw. Eck-bereiche übertragbar sind.

3.2 Schubfestigkeitsmodelle basierend auf Mann und Müller

3.2.1 Allgemeines

Das Schubfestigkeitsmodell von Mann und Müller [17] stellt einen Meilenstein in der Historie der Beschrei-bung des Schubversagens von unbewehrten Wandschei-ben aus Mauerwerk dar. Auf diesem Modell beruhen die seit 1974 in der DIN 1053-1 [5] verankerten Glei-chungen zur Schubbemessung, welche auch in den deutschen Nationalen Anhang [18] zum Eurocode 6 [19] nahezu unverändert übernommen worden sind. Vor diesem Hintergrund wird dieses Modell nachfol-gend ausführlich beschrieben. Daran schließt eine Ge-genüberstellung mit den darauf aufbauenden Modellen an. Abschließend erfolgt eine Gegenüberstellung mit Versuchsergebnissen.

3.2.2 Schubfestigkeit nach Mann und Müller

Die Ausgangsbasis des Schubfestigkeitsmodells von Mann und Müller [17] ist das aus der Aussteifungs-scheibe herausgeschnittene und in Bild 8 dargestellte Scheibenelement mit regelmäßigem Läuferverband und halbsteinigem Überbindemaß ü/lst = 0,53).Mit der Entwicklung von Schubfestigkeitsmodellen un-ter Vernachlässigung der Spannungsübertragung über die Stoßfugen wird zum einen dem Umstand Rechnung getragen, dass eine „Nichtvermörtelung“ der Stoßfu-gen eine erhebliche Zeitersparnis beim Mauern zur Folge hat. Zum anderen wird die Qualität der Stoßfu-genausbildung aufgrund der mehr oder weniger glatten Stirnflächen der Mauersteine, des Schwindens des Fu-genmörtels und ggf. einer mangelnden Verfüllung in-frage gestellt. Modelle mit Berücksichtigung der Span-nungsübertragung in den Stoßfugen werden in [14] ausführlich beschrieben.Aufgrund der Vernachlässigung der Spannungsübertra-gung in den Stoßfugen wirken an einem Einzelstein somit nur die vertikalen Spannungen σx sowie die Schubspannungen in den Lagerfugen τ = τxy. Letztere erzeugen ein Drehmoment. Zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichtes am Einzelstein ist ein zusätzliches ver-tikal wirkendes Kräftepaar erforderlich, welches sich jedoch nur über zusätzliche vertikale Spannungen ∆σx an der Oberseite der Steine (in den beiden Teilberei-chen  1 und 4) und der Unterseite der Steine (in den Teilbereichen 2 und 3) aufbauen kann (vgl. Bild 9). Es wird vorausgesetzt, dass alle benachbarten Steine dem gleichen Spannungszustand unterliegen.

3) In dem vorliegenden Artikel werden mit hst, lst und ü im-mer die Nettosteinabmessungen sowie das Nettoüberbin-demaß jeweils zzgl. der Fugendicke bezeichnet.

Bild 8. Spannungszustand eines Scheibenelementes

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