medien- und kommunikationstheorie - mitschrift

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1 Medien- und Kommunikationstheorie Universität Wien / Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Wintersemester 2010 S.A.B. [Published: 08.04.2011]

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Mitschrift aus dem Wintersemester 2010. Universität Wien, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft.

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Page 1: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

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Medien- und Kommunikationstheorie

Universität Wien / Publizistik- und Kommunikationswissenschaft

Wintersemester 2010

S.A.B.

[Published: 08.04.2011]

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1. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 11.10.2010

Viele stehen skeptisch gegenüber Theorie – sie sehen es als etwas Verstaubtes, Trockenes. Theorien

dienen die Praxis zu verstehen und sie gegeben falls zu verbessern. Denken als

Kommunikationswissenschaftler stark von der Faszination mit Praxis stark geprägt. Es geht um das

Erwerb von praktischen Fähigkeiten. Die Vorlesung soll aufzeigen die Theorien durchaus helfen die

Praxis besser zu verstehen und verbessert auch diese Fähigkeiten. Alles handeln beruht auf

theoretische Annahmen bzw. Vorannahmen z.B. Besuch des Studiums soll (theoretisch) die

Berufschancen verbessern. Wir versuchen ständig Phänomene zu begründen z.B. das hinter der

Phänomen ‚Symptom‘ steckt möglicherweise eine Krankheit.

Alltagstheorien werden ständig konzipiert und gebaut. Diese verstehen sich als Grundannahmen:

Wie kann man diese eine Problem lösen? Wie geht man damit um? Z.B. Wie sollten Kinder erzogen

werden? Bei Theorien geht es um nichts anderes als das tentative/versuchsweisen Umgehen mit

einer komplexen Wirklichkeit. In der PuKW geht es um die komplexe Wirklichkeit von sozialen

Kommunikationsbeziehungen – all dem was man als Kommunikation bezeichnen kann.

Kommunikation versteht sich als Totalphänomen – es gibt nichts was nicht als Kommunikation

verstanden werden kann. Hegel: Alles sein ist Beziehung. Luhmann: Ein System besteht aus nichts

anderes als Beziehungen, und Beziehungen sind alle Kommunikationsbeziehungen. Journalismus

System, Politisches-System – man rekurriert auch unbewusst auf Systemtheorie. Der

Gegenstandsbereich der Kommunikationswissenschaft, das Objekt der Theoriebildung ist die

menschliche oder soziale Kommunikation.

Die PuKW steht vor das Problem Theorien zu entwickeln die für diese Kommunikationsphänomene

geeignet sind. Was heißt geeignet? Welche die helfen diese Kommunikationsphänomene erkennbar

zu machen und ihren Zusammenhang/gelingen/funktionieren/Ablauf/Prozesshaftigkeit zu

erklären um sie vorhersehbar zu machen. Was kann man von einem bestimmten Input erwarten? Will

man eine Wahl beeinflussen muss man rechtzeitig die Themenführerschaft erlangen. Man muss

einem neuen Thema einbringen. Praktische Handlungsweisen haben eine theoretische Entsprechung;

es dauert z.B. 5 – 6 Tage bis ein neues Thema in dem Köpfen der Menschen ankommt und

möglicherweise ihr Handeln beeinflusst. PuKW hat sich damit abgefunden dass es für soziale

Kommunikation keine übergeordnete Supratheorie gibt. Das theoretische Bemühen der PuKW bleibt

letztendlich Stückhaft – die Realität der Kommunikation in der Gesellschaft eilt die wissenschaftliche

Kommunikationsbildung immer voraus. Das theoretische Rüstzeug der PuKW gemessen an was von

der Praxis benötigt wird bleibt immer zurück. Einen ständigen Wettlauf zwischen theoretische

Reflexion und praktische Entwicklung. Die Theorie wird ständig von der Praxis überholt.

Nicht nur gibt es keine Supratheorie, sondern die PuKW hat es auch zu tun mit zwei gänzliche

Unterschiedliche Modi der Kommunikation. Das sind die zwischenmenschliche Kommunikation

auf der eine Seite, und die Massenkommunikation auf der anderen Seite. Die anthropologische

Grundkonstante von Kommunikation: wo Kommunikation fehlt, besteht keine Möglichkeit der

Mensch-werden. Es geht nicht nur um die verbale Kommunikation, sondern auch um viel

grundlegendere Formen wie der Berührung.

Massenkommunikation ist für unsere Existenz als gesellschaftliche Subjekte bzw.

Gesellschaftswesen auch unabdingbar. Wir leben nicht vereinzelt und nur für uns selbst. Medien

sind daher für die soziale Orientierung unverzichtbar. Diese beiden Modi haben nur bedingt etwas

miteinander zu tun – sie haben möglicherweise auch andere Voraussetzungen. Zum Beispiel in der

Massenkommunikation hat man nicht die Möglichkeit des spontanen Feedbacks. Die

Massenkommunikation kann aber Themen für die ganze Gesellschaft bereitstellen. Sind kann die

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Gesellschaft vergewissern über die sie betreffenden Themen. Zwischenmenschliche Kommunikation

versteht sich auch als Erfahrungsaustausch; wir teilen mit jemand eine Erfahrung. In der

Massenkommunikation sind es mindestens Sekundär- wenn nicht tertiärvermittelten

Kommunikationsinhalte. Diese entziehen sich unsere direkte Erfahrung. Wir sind auf die Medien

angewiesen, können aber auch dieses Prozess optimieren. Zum Beispiel in dem wir viele Quellen

benutzen oder nicht alles sofort glauben sondern auch Hinterfragen. Was ist Propaganda, was ist

Information? (Mischt sich heute sehr stark) Die moderne Kriege sind Kriege der medialen

Wahrnehmung: wer besetzt das Thema als erster?

Manchmal wird es über beide Kommunikationsmodi von Dialog gesprochen: Das Dialog der

Gesellschaft. Massenmedien führen nicht zum Dialog der Gesellschaft, sie stellen Themen zur

Kommunikation bereit. Sie transportieren Informationen und vermitteln Daten – der

Bedeutungskontext muss vom Individuum erst eingeholt werden. Ein Dialog unterliegt bestimmte

moralische Maßstäbe; ein Dialog kann nicht gelingen in einen Über- / Unterordungsverhältnis

beispielsweise. In diese Situation gibt es aber dennoch Kommunikation. Man nimmt wahr was eine

Person fragt, aber auch Wer es ist der spricht. Man deutet die Person in Bezug auf seine Worte. „Ich

deute sie und sie deuten mich.“ Hat man glück, dann Treffen sich die Deutungsebenen.

Kommunikationstheorien beziehen sich auf mannigfaltige Fülle von Kommunikative Momente und

Beziehungen.

Theoriechaos: Bei einem sozialen Totalphänomen wie Medienkommunikation, das in alle

erdenklichen Schichten des Kollektiven und Individuellen seins reicht, ist ja die Fülle mögliche

Problemstellungen und Hypothesen buchstäblich unbeschränkt. Und so ja auch diejenige möglicher

Holzwege. (Saxer, U.)

Der Kernbereich was Forschung und Theoriebildung ausmacht ist der Problembegriff. Am

Problem/Problemrelevanz liegt die Art und Weise der Theoriebildung. Theorien versuchen immer

Antworten auf konkrete Probleme zu geben. Aber das Problem ist auch ‚dein‘ Problem. Das Problem

wird definiert. Das Problem existiert nicht an sich und unabhängig von ihnen.

Beeinflussen Medien das Wahlverhalten? Wenn ja, wie? Gibt es Gruppen in der Gesellschaft auf den die

Medien einen größeren Einfluss ausüben? Was wirkt, das Schlagwort oder das Argument?

Kommunikationswissenschaft ist keine Geisteswissenschaft sondern eine Sozialwissenschaft, und sie

denk deshalb Problemorientiert. Deshalb greift sie auf eine Basistheorie/Metatheorie zurück; zum

Beispiel auf den kritischen Rationalismus von Karl Popper. Im Sinne des kritischen Rationalismus ist

die Wissenschaft dazu da konkrete Probleme zu lösen. Was ist aber eine Problem, wissenschaftliche

gesehen? Ein Problem ist die erkannte Diskrepanz zwischen einen erkannten Ist-Zustand und eine

erwünschten Sollens-Zustand. Man erkennt also wie etwas ist, meint aber das es besser wäre wenn

es anders wäre. Wenn man möchte dass etwas besser gelingt als bisher, bezeichnet man das als

normativen Anspruch. Normativer Anspruch kommt aus dem Erwartungsverständiß; das

Verständnis über die Wirklichkeit und wie sie sein soll. Alleine die Beobachtung des Ist-Zustandes

reicht aber nicht aus; wenn man möchte dass es besser wird, dann wird es zum Problem.

Sozialwissenschaft hat tatsächlich die Aufgabe gesellschaftliche Realität zu verändern, zu verbessern.

Bei den Vertretern der kritischen Theorie wird explizit davon gesprochen dass das Verhältnis von

Theorie und Wirklichkeit ein revolutionäres sein muss. Die Theorie ist nur wertvoll wenn sie

tatsächlich gesellschaftliches Unrecht behebt oder aufzeigt oder bekämpft.

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Popper aber, besagt das die Theorie wird immer gefährlich wenn sie die Gesellschaft verändern will;

dann wird plötzlich aus der Theorie eine Ideologie. Die Theorie existiert aber nicht im Luftleeren

Raum. Sie entspringt den Köpfen der Menschen, weil Probleme von Menschen identifiziert werden.

Anderseits, die identifizierte Probleme und Forschungen in die Gesellschaft zurückspiegeln und

gesellschaftliche Prozesse verändert. Wenn man ein lösungsbedürftiges Problem identifiziert

impliziert man das die Lösung die Gesellschaft verändert. Werte haben aber natürlich einen Einfluss

auf die Forschungsergebnisse; es hängt von meine Werte ab, was ich als Problem erkenne. Es hängt

auch von meinen Wertorientierungen ab, wie man versucht das Problem zu lösen. Deshalb sollte die

Wertorientierung immer Transparent gemacht werden. Ein Problem, im wissenschaftlichen Sinn, hat

nichts mit gelingen zu tun. Forschung ist nicht neutral, genauso wie Technik nie neutral ist. Technik

hat ein Wesen; es ist Teil des Wesens der Messer das man damit Bort schneiden kann, aber auch

jemanden Stechen.

„Man wird nicht Journalist; man scheitert in den Beruf hinein.“ Das Fach der PuKW besteht aus

Holzwege. Die Wissenschaft ist immer der aktuellste Stand des Irrtums; nichts ist Sakrosankt. Der

Zwang der Selektion verläuft immer der Gefahr der Sicht des Ganzen zu verlieren. Zentralste

Forschungsbereich in der PuKW ist: die Medienwirkung. Wie wirken die Medien? Was muss man tun

um die Größtmögliche Wirkung zu erlangen? Wirkungen interessieren alle die von eine positive

Medienwirkung abhängig sind, wie z.B. P.R. Leute. Früher dachte Man die Medien seien der einzige

und Wirksamste Faktor; Theorie der Omnipotenz der Medien; Starke Botschaft = Starke Wirkung.

Das Stimulus-Response denken hat sich aber nicht bewährt. Deshalb wurden die intervenierenden

Variablen angeschaut; Opinion Leader usw. Das waren alles Irrtümer; aber nicht die Antworten

waren falsch sondern die Fragen waren Falsch.

Dan hat sich das Paradigma geändert: Nicht was machen Medien mit Menschen, sondern was

machen Menschen mit Medien.(?) Und so entstanden neue Fragestellungen, die Rezipienten-

Orientierten Forschung. Forschung hat einen Mainstream und verändert sich deshalb nicht von heute

auf morgen. Karl Popper fordert in seine kritische Rationalismus: Man muss gegen sich forschen:

nicht das Ergebnis ist Falsch sondern die Theorie ist falsch. Die Sachverhalte entwickeln sich auch

über die Theorien hinaus. Es ist sehr wohl möglich dass die Theorie der Medienwirkung durchaus

stimmte, als das Fernsehen und Zeitung herausgekommen sind. Aber durch die jahrelange

Habitualisierung hat sich die Realität verändert. Es kann sein das es sehr wohl etwas gibt wie mediale

Massenphänomene und das Medien durchaus eine Wirkung haben auf das Kollektive Fühlen und

Denken der Menschen. Die Phänomene verändern sich, die Variablen ändern sich; sie sind Flüchtig.

Es zwar unverzichtbar die Wirklichkeit zu verstehen, aber wir wissen auch das die Wirklichkeit über

unsere Wahrnehmungsmöglichkeiten hinaus geht. Wichtige Phänomene können manchmal nicht

gemessen werden…wie misst man Sympathie? Das Phänomen ist schwer fassbar; man kann es nicht

immer messbar machen. Die empirischen Theorien sind vorgeprägt durch die Methodenstandards

die man anwendet. Das was man messen kann ist auch Wirklichkeit und was nicht Messbar ist, ist

nicht Wirklich. Das weist die Forschungsmethode die man verwendet Priorität zu. Die

Theoriebildung in der sozialen Wissenschaft ist auch endgeknüpft an dem Methodenrepertoire. Die

Methode bestimmt was man denkt, nicht man bestimmt durch sein Denken die Methode. Neue

Fragen machen deshalb neue Methoden notwendig; neue Methoden sind aber nicht validiert, nicht

geeicht. Man muss deshalb seine Frage manchmal so Formulieren das es Messbar gemacht wird, mit

herkömmlichen Methoden. Das sind alles restriktive Momente die es schwierig Machen eine Theorie

zu entwickeln.

Die die in der Wissenschaft Karriere machen, machen es deswegen weil sie das Fach vertreten wie es

gelehrt wird. Ein wirklicher Querdenker kommt gar nicht zur Habilitation. „Bleibt nicht wie du bist;

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werde wie du sein könntest.“ Theorien sind gedankliche Konstrukte, Ansammlungen von Sätze und

Behauptungen meistens deduktiver Art. Sie sind deduktive Aussagen die einen Teilbereich der

Wirklichkeit beschreiben und Erklären. Theorien sind immer etwas Vorläufiges. Die Aufgabe der

Vorlesung besteht darin sich nicht klein machen zu lassen von Problemen wie das Totalphänomen

der Kommunikation oder der Theorienchaos. Für Erkenntnis ist es gleichermaßen schlecht ob man ein

System hat, oder kein System hat.

Hegel: „Es ist gleich tödlich für den Geist ein System zu haben und keines zu haben, er wird sich also

wohl schließen müssen, beides zu verbinden.“

Rotes Skriptum soll im Rhythmus der Vorlesung gelesen werden. „Vielleicht sollte man sich das

Merken“ heißt der entsprechende Stoff Prüfungsrelevant ist, möglicherweise.

2. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 11.10.2010

Ernst Steiner untersucht das Spannungsfeld Chaos und Ordnung. Es gibt so was wie einem

Theorienchaos innerhalb der PuKW. Aber das ist nur ein vermeintliches Chaos. In der Chaostheorie

versteht man Chaos als eine höhere Form der Ordnung. Es kommt früher oder später zu Theorie-

Kreisen, also zu einer gewissen Ordnung. Paradigmen sind kognitive Muster nach denen

Wissenschaft funktioniert. Zum Beispiel die Paradigma über das ‚Omnipotenz der Medien‘. Die

daraus entstandenen Theorien wurden alle von einer bestimmte Sicht der Dinge gesteuert.

Die Kommunikationswissenschaft wir erst spannend wenn man das gelernte mit dem persönlich

erlebten verknüpft. Paul Feyeraben, ehemalige Mitarbeiter von K. Popper, sagt: Respektiere dein

Vorgänger aber sei nicht seine Sklave. Man ist dann nicht ein Sklave wenn man das persönlich

erfahrene mit dem eigen erlebten verknüpft. Das was in der Vorlesung geschieht ist ein Mehr oder

Weniger systematisches Nachdenken über menschliche Kommunikation. Alles Existenz ist

kommunikative Existenz. Existieren und Kommunizieren gehören zusammen; zwei Seiten einer

Medaille. Existenz ist nicht etwas was auf sich selbst bezogen bleibt; insofern man existiert, existiert

man im Zusammenhang mit anderen. Man existiert in Bezug auf einen anderen. Die Beziehung des

einen zum anderen.

Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich nur sporadisch mit der zwischenmenschliche

Kommunikation. Zumeist wird nur die Massenkommunikation betrachtet. Das ist nicht vorteilhaft

weil es ja ein Verhältnis zwischen den Beiden besteht. Wir sprechen mit anderen über Massenmediale

Inhalte. Diese Kommunikationsprozesse folgen aber jeweils eine andere Logik. Es gibt wenige

Theorien die die zwischenmenschliche Kommunikation betreffen, und diese kommen meist aus

anderem Fächer.

Was sind Theorien und wie kommen Theorien zustande? Wenn wir von Theorien sprechen, dann ist

es meisten über empirische Kommunikationstheorien. Theoreme sind abgeleitete Gesetzesaussagen

die sich aus Theorien ableiten lassen. In Bezug auf die theoretische Erörterung kann man einzelne

gesetzmäßige Aussagen ableiten. In dem Fach der PuKW hat man oft nicht mit geschlossenen

Theorien zu tun sondern eher mit Theoreme.

Wir haben zu tun mit drei große Arten von Theorien: (1) empirische Kommunikationstheorien –>

deckt den Bereich ab wenn man von der Kommunikationswissenschaft als empirisch-analytisch

Sozialwissenschaft spricht. Auf Basis von empirischen Beobachtungen werden Theorien entwickelt.

Beispiele sind Theorien über die berufliche Sozialisation von Journalisten, Theorie der Wirkung der

Massenkommunikation; das ist ein großer Teil dessen mit dem sich das Fach beschäftigt. 98 Prozent

der theoretischen Auseinandersetzung bezieht sich auf empirische Kommunikationstheorien. (2)

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sozialphilosophische Kommunikationstheorien der Gesellschaft -> einerseits der Systemtheorie

von Luhmann; hier geht es nicht mehr um einzelne empirische Befunde und ihre Zusammenhang mit

einer Begründung oder theoretische Rechtfertigung. Es geht auf übergeordneter Ebene um das

Verständnis der Gesellschaft als Kommunikationssystem. Gesellschaft wird verstanden als

kommunikativer Handlungszusammenhang. Diese Theorien beschäftigen sich mit dem

Gesamtzusammenhang von Gesellschaft und Kommunikation. Ideologisch auf der anderen steht die

Theorie des kommunikativen Handelns von Habermas. Diese versuchen auf der Makroebene große

Theorieentwürfe anzubieten. Diese Theorien speisen sich aus der Philosophie; sie haben ihr Fuß in

der Philosophie.

Im Luhmannischen Sinn besteht ein System aus nichts anders als Kommunikation; Systeme sind

Beziehungen die sich durch eine System-Umwelt Differenz auszeichnen. Das Hauptproblem alle

Systeme sind der Bestandserhaltung; betrifft alle Systeme gleichermaßen. Bestandserhaltung heißt:

Sich gegenüber eine sehr variablen Umwelt abzugrenzen. Systeme bezeichnen sich also auch

dadurch aus das sie relativ invariant sind und bleiben. Eine relative Invarianz gegenüber eine sehr

variablen System-Umwelt. Ein System definiert sich also immer durch seine Differenz mit der

Umwelt wie in etwa das Universitätssystem zur Bildungssystem, oder Bildungssystem zur übrigen

Gesellschaftssystem.

Theorie des Kommunikativen Handels von Jürgen Habermas auch eine solche übergeordnete mit

deren Hilfe man die Kommunikationsvorgänge der Gesellschaft bewerten kann. Der Grundgedanke

ist der: Welche Möglichkeiten hat man, wenn man nicht mit Gewalt seine Interessen durchsetzen

will? Die Antwort ist die Kommunikation; die einzige Möglichkeit nicht unsere Köpfe einzuschlagen.

Für Habermas begründet sich die Vernünftigkeit des Menschen in der Kommunikation. Will man

sich vernünftig mit jemand oder etwas auseinander setzen, dann geht es nicht mit Gewalt sondern

mit Kommunikation. Die Theorie erläutert die Möglichkeit, auch dann wenn Kommunikation

scheitert, dieses Scheitern wiederum mit Kommunikation zu beheben. Die geschieht durch die

Metaebene des Diskurses. Diskurs versteht sich als der Gerichtshof über das Scheitern von

Kommunikation.

(3) philosophische Kommunikationstheorien (als Theorien der Intersubjektivität) -> beziehen sich

auf die Frage: in welcher Zusammenhang steht das Ich und das Du in Bezug auf Kommunikation. Ein

Beispiel ist der symbolische Interaktionismus von G. H. Mead. Solche Theorien bieten

gewissermaßen eine Schnittstelle zwischen alle drei Ebenen an. Hier geht es schon um die Frage: Wie

sehr konstituiert sich das ‚Ich‘ durch einen ‚Du‘? Oder wie sehr sich das ‚Ich‘ durch einen ‚Wir‘

konstituiert. Diese spielen auch bei Axel Honneth in der Anerkennungstheorie eine Rolle. Die

Anerkennungstheorie besagt: „Man muss jemand als ‚den anderen‘ Anerkennen bevor man ihn

Erkennen kann.“ Erst die Anerkennung stiftet die Intersubjektivität. Anerkennung beschreibt ein

Wechselseitiger Prozess: Man erkennt jemand als der/den Andere der dich Gegenüber steht. In

diesem Prozess des Anerkennens hebt sich die Differenz auf. Anerkennung in der Arzt-Patienten

Beziehung: Der Arzt darf nicht ‚von Oben‘ mit dem Patient Kommunizieren sondern muss in ihn

erkennen (anerkennen) dass er auch irgendwann mal ein Leidender ist: Solidarität in der Arzt-

Patienten Beziehung. Man ist in diesem Prozess der Solidarität aufeinander verwiesen und nicht

mehr in einer subjekt-objekt Beziehung verwickelt. Das Problem liegt schon in der Terminologie:

Behandlung, der Arzt Behandelt jemanden als Objekt. Diese sind philosophische Überlegungen zur

Intersubjektivität. Hier geht es nicht um die Erklärung von empirischen Phänomenen, sondern um

die Begründung. Der empirische Kommunikationswissenschaftler fragt: Was sind denn die

Phänomene? Der Philosoph fragt: Wir kommen deine Erkenntnisse zustande um dieses als

Phänomen zu erkennen? Der Philosoph fragt also nach den Erkenntnisbedingungen. Der

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Sozialwissenschaftler versucht Erkenntnisse an bestimmte beobachtete Phänomene festzumachen.

Philosoph wiederum fragt nach den nicht-empirischen Voraussetzungen für das Erkennen vom

Empirischen.

Diese ist ein Schema um gewissermaßen Ordnung herzustellen in das behauptete Theorienchaos von

Ulrich Saxer. Die Wissenschaft und die Theoriebildung stehen beide in eine gewissen Verhältnis zur

Wirklichkeit, sind aber nicht ‚die Wirklichkeit.‘ Die ‚Wirklichkeit‘ im Sinne der PuKW ist die

‚Wirklichkeit sozialer Kommunikation‘; ‚sozialer Kommunikationsphänomene‘. Popper besagt, man

kann nie seine Theorien/Hypothesen ‚Verifizieren‘; eine Theorie kann man nie bewahrheiten. Der

Satz ‚Alle Schwäne sind Weiß gilt nur vorläufig bis man ein schwarzer Schwann findet.“ Die

Prognosen reichen nicht für alle Ewigkeit. Die Wissenschaft bildet die Wirklichkeit nicht 1:1 ab, und

Journalismus auch nicht. Die Wissenschaft greift Selektiv auf die Wissenschaft zu z.B. durch

Paradigmen, Werte, Vorurteile. Darüber hinaus, ist die Wissenschaft selbst Teil der Wirklichkeit

über die sie diese Aussagen trifft. In dem Prozess der Auseinandersetzung mit Wirklichkeit wird die

Wissenschaft selbst zu Wirklichkeit. Es gibt keine Beobachtung die nicht Beobachtung von jemand ist

– man kann nicht außerhalb der Welt stehen und beschreiben. Die Wissenschaft ist also mit der

Wirklichkeit auf doppelter Weise involviert. Die Methoden die die Wissenschaft anwendet sind auch

nicht vom Untersuchungsobjekt unabhängig – die Methoden bestimmen also zum Teil die

Untersuchte Wirklichkeit. Die Dritte Verborgenheit: Die Ergebnisse die die Wissenschaft produziert

werden in der Gesellschaft zurückgespielt, und dadurch wird die Gesellschaft wiederum verändert.

Jede Beobachtung von Wirklichkeit ist eine Beobachtung von jemand. Es gibt keine unabhängige

wissenschaftliche Beobachtung. Alles was in die Wissenschaft drinnen Steckt (Erfahrungen,

Vorurteilen, Interessen, Paradigmen, Geld) bestimmt dem Prozess der Beobachtung von Wirklichkeit

und damit auch das Denkergebnis. Ein Guter Wissenschaftler macht dieser Zustand Transparent in

dem er Sagt aus welchem Standpunkt aus dem er Betrachtet. Die Ergebnisse der Wissenschaft hängen

sehr stark mit dem Inputs zusammen; es kommt darauf an was man oben eingibt. Eine Entscheidung

für etwas ist immer eine Entscheidung gegen etwas anderes (gegen Millionen andere Möglichkeiten).

Aussagen der Wissenschaft über die Wirklichkeit sind immer nur Interpretationen der Wirklichkeit.

Es sind aber keine beliebige Interpretationen, sondern sie sind systematisch Erarbeitet, sind

Wahrheitsfähig; es sind Interpretationen aber keine ad hoc Interpretationen. Positiv/Positivistisch

heißt durch die Sinne wahrnehmbar. Man ist Positivist wenn man seine Welterkenntnis nur darauf

baut, was er sehen kann. Positiv heißt: Was existiert; was positiv durch die Sinne wahrnehmbar ist.

Z.b. Was man wissenschaftliche Beobachten kann existiert, und was man nicht Beobachten kann

existiert nicht. Kritischer Rationalismus von Popper als gewissermaßen die meisten nicht

ausgesprochene Hülle unter der sich alle Arten empirische Forschung versammeln. Und die

Grundthese des Kritischen Rationalismus besteht darin die Hypothesen zu Falsifizieren; man muss

danach Streben gegen sich zu arbeiten. Kritische Rationalisten müssen alles tun um sich zu

wiederlegen – das ist ihr wissenschaftstheoretisches Selbstverständnis. Zu erkennen das der Welt

nicht flach ist war ein ‚revolutionärer Akt‘ – wissenschaftstheoretische Dach/Gebäude ist Karl

Popper’s kritischen Rationalismus.

Große philosophische Diskussion: Wie sind Geist und Gehirn zu verstehen? Bedingen sie sich

gegenseitig? Ist das Gehirn vielleicht die Voraussetzung aber nicht die hinreichende Erklärung? z

.B. die Gehirnforschung kann beweisen es gibt eine neurophysiologische Basis für das Mitgefühl.

Zuwendung gegen Leistung ist der Weg jemanden Kaputt zu machen.

Wo hört der Sozialwissenschaftler auf zwangsweise zu denken? Ein Beispiel aus der PuKW: Wie oft

spricht man davon dass Medien das gesellschaftliche Bewusstsein beeinflussen? Kein Mensch frägt

danach, was ist denn ‚eine gesellschaftliche Bewusstsein?‘ Jahrelang vollzieht man bewusst

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Setzungen: z.B. Man geht davon aus den Medien die Menschen beeinflussen. In dieser Hinsicht fragt

der Philosoph: Wie kommt den eine Setzung zustande? Wir machen viele begriffliche

Voraussetzungen auf dem wir dann aufbauen z.B. ‚gesellschaftlichen Bewusstsein‘. Wir kommen nur

an Beschreibungen der Wirklichkeiten heran: Interpretationen die eingebunden sind in unsere

Sprachlichkeit. Der letzte Bezugspunkt Wirklichkeitsbeschreibungen sind die Beschreibungssysteme.

Man muss die Differenz zwischen Landschaft und Landkarte berücksichtigen. Die Wissenschaft stellt

die Landkarte die alles in einem kohärenten Beschreibungssystem aufzeigt in einem Verhältnis von

1:10,000. Je genauer die Landkarte desto näher kommt das Modell an ‚die Wirklichkeit‘ heran; aber

die Landkarte bleibt trotzdem eine Landkarte: sie ist nur eine Entsprechung. Sie steht nur in einem

Verhältnis zu dem was sie abbildet. Der Weg durch die Landkarte in der Wirklichkeit hat eigentlich

nichts mit die Landkarte zu tun. Wie gut die Landkarte ist kann sich erst in der Realität beweisen.

Daher die Forderung von Paul Feyerabend: die Landkarte (das was man hört, die Wissenschaft) muss

mit der Realität verglichen werden und nicht einfach so als gegeben angenommen werden.

3. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 25.10.2010

Was man als Phänomen identifiziert hängt auf die Fähigkeit ab einen Gegenstand überhaupt als

relevanten Gegenstand erkennen zu können. Der Gegenstand hängt von der Art und Weise ab was

man sucht; man kann nur finden was man sucht. Wie findet die Kommunikationswissenschaft als

Sozialwissenschaft ihre Gegenstände? Theorien verstehen sich im diesem Kontext als systematische

Versuche diese Gegenstände erkennbar zu machen. Sie versuchen aus dem Spektrum möglicher

Untersuchungsobjekte jede heraus zu finden die relevant sind; nämlich in Bezug auf Theoretische

vorannahmen.

Fischernetzparabel (Sir Arthur Eddington, 1939): Die Wirklichkeit ‚an sich‘, also ohne unsere

Beschreibung kann es nicht geben. Alles was wir über Wirklichkeit aussagen (in der Natur- sowohl

wie auch in der Sozialwissenschaft) ist von jemanden Ausgesagt. Zwei Grundgesetze:

(1) Alle Fische sind größer als 5 Zentimeter

(2) Alle Fische haben Kiemen

Beide diese Aussagen haben sie ohne Ausnahme bei jedem Fang bestätigt. Er nimmt auch an das

diese Aussagen sich auch bei jeden künftigen Fang sich bewähren werden. Der Metaphysiker kommt

und wendet ein: Das zweite Gesetz das alle Fische Kiemen haben, lass ich gelten. Aber bezüglich den

ersten: Es gibt sehr wohl Fische im Meer die größer sind als fünf Zentimeter, nur die Maschenweite

ihres Netzes ist fünf Zentimeter. Der Ichthyologe antwortet: Was ich nicht mit meinen Netz fangen

kann, existiert nicht.

Diese Fische können wir als Stellvertretend nehmen für soziale Phänomene. Dies verdeutlich das

Problem der ‚Konstruktion von Wirklichkeit‘: Man kann nur Erkennen mit Hilfe der

Erkenntnismöglichkeiten die uns zur Verfügung stehen. Die Erkenntnismöglichkeiten sind wiederum

durch unsere Wahrnehmungsmöglichkeiten begrenzt. Uns stehen nur bestimmte Methoden zu

Verfügung, wie Interview, Inhaltsanalyse usw. Diese Methoden definieren die Maschengröße des

Netzes. Im Interview Z.b. Schlüpft alles durch, was nicht verbalisierbar ist wie alle dem nicht

abfragbare emotionalen Momente einer Beziehung. Oder zum Beispiel im Intimbereich der Menschen

zu befragen; was er Glaubt, was er nicht glaubt usw. Nur weil man dieses nicht messen kann, heißt es

nicht dass es nicht da ist, sondern dass es nicht messbar ist. Es ist ein positivistisches Fehlurteil zu

glauben, alles was nicht wahrnehmbar ist existiert nicht. Man kann aber Sachen auch intuitiv fühlen;

man spürt diese Sachen und kann nicht sagen warum. Um zu behaupten diese Sachen sind nicht da

wäre Reduktionismus: man reduziert die Wirklichkeit auf die sinnlich erfahrene Momente. Die

Komplexität der Wirklichkeit reicht weit über unsere Wahrnehmungsmöglichkeiten hinaus.

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„Theorien sind solche Netz die ausgeworfen werden, um die Welt einzufangen, sie zu rationalisieren,

zu erklären und zu beherrschen.“ – Popper, Logik der Forschung. Augenmerk auf die

Begrifflichkeiten der ‚Rationalisieren‘ und ‚Beherrschen‘ zu lenken. Beherrschbarkeit ist ein

Grundlegender Aspekt. Wissenschaft im Dienste der beherrschbar machen der Natur, oder der

sozialen Beziehungen. Technische Erkenntnisinteresses: Wissenschaft im Dienste der Beherrschung;

des Verfügbarmachens – wenn man etwas weißt über den Zusammenhang, kann man es sich

Verfügbar machen. Das Erkenntnisinteresse … von fast alle Sozialwissenschaften und alle

Naturwissenschaften liegt außerhalb des Gegenstandsbereichs. Man möchte verstehen wie eine

Kommunikation funktioniert, um zu … um sie Dienstbar zu machen, um sie zu optimieren, um sie

manipulieren zu können, um größere Wahlergebnisse zu erzielen, um mehr zu verkaufen. Der

Zweck der Wissenschaft liegt außerhalb ihres Selbst, in alle Wissenschaften mit Ausnahme der

Philosophie. Man beschäftigt sich mit Hegel nicht um eine Wahl zu gewinnen. Technische

Erkenntnisinteresse besteht in der ‚Verfügbarmachung von Welt‘ oder ‚Verfügbarmachung von

Natur.‘ Wenn man etwas Verfügbar machen will, dann ist es um etwas im außerhalb zu bewirken.

Der Zweck der Forschung liegt außerhalb ihre selbst; immer eine ‚Um-Zu‘ Beziehung, eine

Instrumentalisierung von Wissenschaft. Die damalige wesentliche Frage war: Im wessen Interesse

betreiben wir die Forschung? Wer profitiert davon?

Verknüpft mit der Diskussion zur Wertefreiheit der Wissenschaft von Max Weber. Kann

Wissenschaft Wertefrei sein? Trägt der Wissenschaft Verantwortung für seine Ergebnisse oder nicht?

Viele Wissenschaftler glauben sie machen nur ihre Forschung; was die Politik macht können die nicht

kontrollieren. Stichwort: Atomwaffenproblematik. Das schlimmste was passieren kann ist wenn

Verantwortung geteilt wird; genau das ist im Dritten Reich passiert. Wissenschaft kann die Folgen

ihres Handelns nicht abkoppeln von den Forschungsprozessen oder selbst von den Fragestellungen.

Jede Fragstellung zieht ein bestimmtes Ergebnis nach sich und das Ergebnis hat folgen. Es gehört zur

Ethik der Wissenschaft: Verantwortliche Forschung hat den Gesamtprozess im Auge zu behalten. Es

hat ein Grund warum man bestimmte Krankheiten in Afrika nicht erforscht: weil es kein Geld bringt

nämlich. Man sollte mit der großangelegte Folgen eigentlich näher befassen, aber die

Kommunikationswissenschaft ist eigentlich ein unwichtiges Fach im Konzert der Wissenschaften.

Fischernetzparabel zeigt uns zweierlei: Es hat eine methodologische Implikation, nämlich durch

und wegen der Maschennetzgröße und eine Erkenntnistheoretische. Die Maschengröße des Netzes

gleicht den wissenschaftlichen Methoden der Erkenntnisgewinnung, über einen Gegenstand. Jede

wissenschaftliche Methode bestimmt auch den Verlauf und Ergebnis der Erkenntnis. Die Methode

der Untersuchung hängt wiederum von der Fragestellung ab. Wissenschaftliche Ergebnisse hängen

immer von ihrer zugrundeliegende Fragestellungen ab. Die Erkenntnisbedingungen liegen auch in

der Struktur unseres Geistes – die Netzgrößen in uns Selbst; der Wahrnehmende Mensch ist auch ein

‚Netz‘. Der Mensch selbst kommt auch nicht über seine Maschengröße hinaus. Erkenntnistheoretische

Bedeutung: Alle empirische Anschauung, alle Erfahrung liegen Verstandesleistungen zugrunde.

Diese Verstandesleistungen nennt Kant Kategorien, diese Kategorien sind a priori gegeben.

Apriorische formen mögliche Erkenntnis. (A priori forms (conditions) of human sensibility) Es geht nicht

um was ‚Empirisch‘ ist, sondern was sind die Voraussetzungen um etwas überhaupt als empirisch zu

erkennen. Raum und Zeit sind solche apriorische Kategorien bzw. Anschauungsformen. (Space and

time as forms of human intuition) Räumliche Ausdehnung ist Grundlage jeglicher Anschauung. Ohne

Zeit als apriorische Kategorie des Verstandes ist die Folge/die Gleichzeitigkeit nicht vorstellbar.

Insgesamt hat Kant 12 solche Kategorien aufgestellt, die man als ‚Elemente des Verstandes‘ verstehen

kann und die alle empirische Erfahrung zugrundeliegend. Diese 12 Kategorien sind in 4 Gruppen

geordnet: Quantität, Qualität, Relation und Modalität. Die Erkenntnis richtet sich nicht nach den

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Gegenständen sondern den Gegenständen richten sich nach dem Erkenntnis. (Potentielle

Prüfungsfrage: Erklären sie diesen Satz.)

Man könnte als Philosoph sagen zu den Ichthyologe: du fängst aber zweifelslos was lebendiges, bis

du es an Land ziehst. Man könnte deshalb Fragen: Was ist das Lebendige? Das ist nicht eine Frage

Biologie sondern es geht an die Philosophie. Was ist das Lebendige an sich? Der

Einzelwissenschaftler setzt diese Antwort voraus in dem er Forscht. „Gäbe es keinem lebenden

Fische, würde ich sie nicht fangen können.“ Jede Wissenschaft operiert mit Voraussetzungen die sie

selbst nicht einholen kann. Hinter diese Voraussetzungen geht der Einzelwissenschaftler nicht mehr

zurück, aber sehr wohl der Philosoph. Für den Einzelwissenschaftler gilt: Empirisches wird durch

Empirisches erklärt. Die Einzelwissenschaft ist mittel im Dienste der Naturbeherrschung. Die

Kommunikationswissenschaft ist mittel im Dienste der Zwecke der Beherrschung, der Steuerung

von Kommunikationsprozessen. „Die Naturwissenschaft beschreibt die Natur nicht einfach so wie

sie an sich ist. Sie ist vielmehr ein Teil des Wechselspieles zwischen der Natur und uns Selbst.“ -

Werner Heisenberg Was wir beobachten, ist nicht die Natur selbst sondern die Natur die unsere Art

der Fragestellung ausgesetzt ist. Durch unsere Erkenntnisbedingungen sind wir in der Erkenntnis

selbst enthalten. Wir sind immer teil der Erkenntnis von Welt. In dem Wissenschaft etwas über die

Wirklichkeit aussagt, sagt sie auch was über sich selbst aus z.B. durch ihr Gesellschafts oder

Menschenbilds. Wie wird die Gesellschaft verstanden in den Sozialwissenschaften? Automatismus,

geschlossenes System, offene System? Wie wird der Mensch verstanden? Wird der Mensch nur als

Rolle verstanden, wie in der Systemtheorie? Oder kann es sein das es doch welche

Identifikationsmomente gibt die über eine Rolle hinausgehen. Z.b. bei der Mutter-Kind Beziehung:

Spielt die Mutter nur eine bestimme Rolle weil die Gesellschaft erwartet sie soll ihr Kind lieben? Gibt

es keines Identitätsstiftendes Intimität. Was ist mit der Verweigerung oder mit den Abweichlern? Auf

welche Voraussetzungen beruht die Negation? Die Wissenschaft ist stets ein relatives und ein

relationales Unternehmen. Es geht immer um das Verhältnis von Wissenschaft und den Gegenstand

der sich behauptet bzw. Konstituiert. Die Art der Fragestellung wird dann zu unserem Netz, mit dem

wir dann unsere Fragen zu beantworten versuchen. Wissenschaft ist gezwungen Selektiv, weil jede

Art von Erkenntnis auch selektiv ist. Der Erkenntnis des einen geht immer zu Lasten der Erkenntnisse

des anderen.

Theorien sind eine systematisch geordnete, oft reich strukturierte deduktiv zusammenhängende

Sammlung von zumeist gesetzesartigen Aussagen über ein bestimmtes Gegenstandsbereich.

Habermas sagt: „Theorien sind Ordnungsschemata, die wir in einem syntaktisch Verbindlichen

rahmen beliebig Konstruieren. Sie erweisen sich für ein speziellen Gegenstandsbereich dann als

Brauchbar wenn sich ihnen die reale Mannigfaltigkeit fügt.“

Die Theorien sind die Landkarte und es gibt keine direkte ontologische Entsprechung zwischen

Landschaft und Landkarte. Theoretische aussagen sind keine ontologischen Aussagen; sie sagen

nicht über das Wesen des Gegenstands; sie sind bloß sprachliche Repräsentationen einer komplexen

Wirklichkeit. Die Landkarte ist eine symbolische Repräsentation von eine dahinterstehenden

komplexe Wirklichkeit. Es ist unmöglich aufgrund der Komplexität der Phänomene so was wie eine

Universaltheorie der Kommunikation zu entwerfen. Das Universum der Kommunikation im Sinne

von Saxer als ‚soziales Totalphänomen‘ ist unendlich weiter als sich mit dem Teleskopen der

Wissenschaft einfangen lässt. Theoriebildung ist selbst ein kommunikativer Prozess der auf dem Weg

des wissenschaftlichen Diskurses zur Expansion dieses Universums beiträgt, also etwas was

Komplexität unter der Bedingung wissenschaftliche Wissensproduktion und Wissensdistribution

erhöht. Die Theoriebildung/Wissenschaft bringt zwar Ordnung, aber sie erhöht auch die

Komplexität. „Wir schaffen durch unsere Theorien genau jene Welt, zu deren systematischen

Page 11: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

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Beobachtung wir diese Theorien gebrauchen. In dieser Zirkularität, sind die Grenzen des

Verhältnisses zwischen Wissenschaft und Realität beschrieben. Wissenschaft erzeugt immer neue

Realität, die sie beobachtet nach ihren Möglichkeiten. Man kann nur hoffen das sich dieses Prozess

Spiralförmig (nach oben schraubt) vollzieht bzw. entwickelt.

„Die Struktur der Welt ist nicht von der Natur aus als solcher vorgegeben, sondern durch die

Struktur unseres Geistes.“ - Emmanuel Kant

„Nicht die Wirklichkeit als solche ist Bezugspunkt unsere Erkenntnis, sondern die verschiedenen

Interpretationen und Deutungen von Kohärenten Beschreibungssystemen.“ – Karl Popper (Mögliche

Prüfungsfrage)

Kohärente Beschreibungssysteme sind Theorien, und sie steuern unseren denken. Dieser Satz macht

den Popper nicht zu reinen Positivist. Ein reiner Positivist würde nicht sagen dass die Wirklichkeit

immer relational zu unserer Interpretation von Wirklichkeit steht. Eine reiner Positivist wurde seine

Erkenntnis zurückführen auf die Beobachtung die er macht – er sieht sich nicht selbst als Teil dieser

Beobachtung.

Was sind die verschiedenen Wissensmöglichkeiten? Drei Stufen:

(1) Anschauende(n) Denken: Diese Art von Denken setzt sich unmittelbar mit der Phänomene

auseinander. Z.b. Wie war das Wahlverhalten bei den unter 30 Jährigen bei dem vergangen

Wien Wahlen? Oder, Welcher Wählerströme hat es gegeben? Von Woher kamen die Wähler

der gewinnenden Partei? Was waren die Wahlkampf bestimmende Themen? Man nimmt die

Phänomene und stellt sie in Relation zu den anderen Phänomenen. Empirisches wird mit

empirische verglichen. Das Denken folgt der Muster der Wahrnehmung empirische

Wirklichkeit. Es geht aus von der empirischen Evidenz. Diese Art von Denken darf man nicht

verachten weil sie Grundlage ist von alle anderen Arten des Denkens. Kant sagt: „Ohne

Anschauung gibt es kein erkennen.“ Anschauung ist immer empirisch, ist immer sinnlich,

das was man erfährt, aber man bleibt auf dieser Erfahrungsebene stehen.

(2) Problemlösendes Denken: Das Problemlösende denken baut auf die Anschauliche Denken

auf. Diese ist dasjenige Denken das im Zentrum der Wissenschaftstheorie von Karl Popper

steht. Popper sagt „alles Leben ist Problemlösen.“ Wir sind uns hinsichtlich der

Problemlösung alle sehr ähnlich. Wissenschaft steht im Dienst der Problemlösung. Man

versucht die dahinterstehenden Ursachen zu finden und zu erklären. Z.b. Man könnte fragen,

wie kam es zu dem bestimmten Verlust? Welche Maßnahmen könnte man setzen um dieses

zukünftig zu vermeiden? Welcher Einfluss hatte die mediale Präsenz in der

Meinungsbildung gehabt? Diese Fragen gehen über eine Beobachtung hinaus und fragen

‚Wie können wir es verbessern, bzw. das Problem beheben oder optimieren?‘

Sozialwissenschaft wird von diese grundlegende erkenntnisinteresse der Problemlösung

gesteuert. Man beobachtet die Zahlreichen gesellschaftlichen Probleme und fragt: Welche

Lösung gibt es für dieses Problem? Wie kann man es besser machen? Das ist auch der gesamt

Anspruch der die kritische Rationalismus als wissenschaftstheoretische Überbau über alle

mögliche Formen von Forschung mit sich bringt. Es geht immer um die Optimierung aber

letztlich auch mit dem Ziel der Steuerung. Adorno erhebt den Vorwurf des ‚Social

Engineering‘ deswegen. (Bezogen auf dem sog. Positivismus-Streit, Adorno vertritt die

kritische Theorie) Social Engineering im Sinne von ‚etwas Funktioniert nicht, also beheben

wir dieses eine Problem.‘ Es werden nur kleine Justierungen gemacht. Die Kritische Theorie

hingegen will die Grundprobleme erkennbar machen, vor deren Hintergrund erst so was

verständlich wird, wie die einzelnen Phänomene. Mit diesem verstehenden Prozess hat das

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begreifende Denken zu tun. Sie frägt nämlich, was steht den dahinter, was ist die eigentliche

Ursache? Auf dieser Ebene steht die ‚Um-Zu‘ ganz im Vordergrund. Dies ist die

instrumentelle Ebene; das sogenannte technische Erkenntnisinteresse.

(3) Begreifende Denken: Nicht das nicht-gelingen ist ein Problem, sondern es geht auch darum,

auf welcher Voraussetzungen beruht das Reibungslose Funktionieren. Zu welchem Preis

gelingt das Reibungslose Funktionieren? Z.b. Das Reibungslose Funktionieren zwischen

Ärzte und Pharma-Industrie. Die Wissenschaft attestiert dass diese Produkte wirken und

diese werden anschließend besser verkauft. „Was macht die Menschen psychisch krank?“

Dies ist eine begreifende Frage, mit der Antwort des es bestimmte Grundlegende

Entfremdungsprozesse stattfinden. Auf problemlösende Ebene kann es einem egal sein

‚Was‘ die Menschen krank macht. Die Erklärung der Stufe 1 & 2 bietet sich erst auf der

begreifende ebene an. Die antworte die auf der zweiten Ebene angeboten werden sind nicht

fundamental genug. Erst auf die begreifende Ebene wird einem Gesamtzusammenhang

hergestellt. Diese nehmen dem gesamten Apparat in Wahrnehmung und nicht nur bestimmte

Phänomene.

In der Kommunikationswissenschaft hat man große Mühe über die erste Stufe hinaus zu kommen.

4. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 08.11.2010

Morgen 9./10. November ist das gedenken an der Reichskristallnacht. Vor 72 Jahren sind im

gesamten deutschen Reichsgebiet (Deutschland & Österreich) die Synagogen in Flammen gestanden.

Die systematische Judenvernichtung hat in diesem Tage vor 72. Jahren begonnen. In Wien wurden

insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser durch Brandstiftung zerstört. 27 Juden wurden getötet, 88

schwer verletzt und über 6,000 wurden verhaftet. Von dem 6,000 wurden 4,000 ins

Konzentrationslager deportiert (nach Dachau). 4,000 jüdische Geschäfte insgesamt liquidiert und über

2,000 jüdische Wohnungen wurden geräumt. In Österreich waren die Geschehnisse zu dieser Zeit

besonders Grausam. Die Problematik des Vernichtens des europäischen Judentums kann man nicht

vergegenwärtigen; es übersteigt alle dessen was für Menschen vorstellbar ist. „Ich schäme mich ein

Mensch zu sein.“ – Primo Levi, italienische Architekt der selbst in Ausschwitz war.

Wie gehen wir als Nachgeborene mit diese Katastrophe des NS Gewaltregimes um. Was bedeutet das

für die Studierenden im Zusammenhang mit Kommunikationswissenschaft? Diese ist nicht nur eine

zeitgeschichtliche Problematik, es geht uns sehr wohl was an. Es geht hier um was Adorno als die

‚autoritäre Persönlichkeit‘ genannt hat. Das Thema der autoritären Kommunikation ist nach wie vor

virulent. Diese trifft uns im Jahr 2010 genauso sehr wie im Jahr 1938. Die autoritäre Person und das

autoritäre Persönlichkeit kann nicht all das erklären was an unrecht, an Gewalt und an

Vernichtungsmaschinerie geschehen ist erklären oder gar rechtfertigen. In allen reflektierten

Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus sind diese Konzepte eine zentrale

Schlüsselvariable. Adorno hat sich, unter Eindruck des Faschismus in Deutschland mit seine

Mitarbeiter in Amerika die Frage gestellt ob es so was wie eine autoritäre Charakterstruktur gibt. Ob

es Merkmale gibt wo man daran erkennen kann das Menschen zu Faschismus neigen. Sie wollten

diese Frage nach dem autoritären Persönlichkeitssyndrom empirisch überprüfen. Adorno war aber

eher der Theoretiker in dieses Forschungsteam; sein persönlicher Anteil war bei dem Experiment

nicht sehr groß. Die Studie die sie in dem 1950er herausgebracht haben bezog sich hauptsächlich auf

Bürger die in U.S. Großstädte im Westen lebten und die Mittelschicht angehörten. Diese wurden alle

anhand einer Faschismus-Skala bewertet (F-Skala) die unter anderem Eigenschaften wie autoritäre

Unterwürfigkeit, autoritäre Aggression, und Destruktiver Zynismus gemessen hat. Diese

Studiengruppe hat Merkmale festmachen konnten die dazu führt das menschliche Persönlichkeit zu

autoritären Unterwerfung neigen bzw. dafür offen sind. Adorno war eine der Chefideologen des

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Frankfurter Instituts und eine Art Leitfigur bzw. Vaterfigur für die damaligen Studentenproteste in

1986. Wegen der Gewaltbereitschaft der Studenten hat er sich zurückgezogen und hat seine

Überlegungen relativiert. Er sagte aber in einem Interview dass das Begriff der Autorität differenziert

zu betrachten ist. Es gibt auch eine Art argumentativ Begründete Autorität. „Aber ich möchte dazu

noch etwas spezifischeres sagen, da sie den Punkt Autorität gerade aufgeworfen haben, etwas was

mit der Sozialisierungsprozess in der frühen Kindheit und damit also mit dem Schnittpunkt

gesellschaftliche, pädagogischer und psychologischer Kategorien zu tun hat. Die Art in der man

psychologisch Gesprochen zu einem autonomen also mündigen Menschen wird, ist nicht einfach das

aufmucken gegen jede Art von Autorität. Empirische Untersuchungen in Amerika haben gerade das

Gegenteil gezeigt, nämlich das sogenannte brave Kinder als erwachsene eher zu autonome und

opponierende Menschen geworden sind als refraktäre Kinder, die dann als Erwachsene sofort mit

ihren Lehren am Biertisch sich versammelt und die gleiche Reden geschwungen haben.“ – Adorno.

Es gibt also keine lineare Verknüpfung zwischen der Art und Weise wie sich ein Kind momentan

verhält und wie er sich als erwachsene verhalten wird. Aber innerhalb des Erwachsenen kann man

vorhersagen Treffen die mit der destruktiven Autorität zu tun haben, also mit der Bereitschaft sich

autoritären Strukturen zu unterwerfen, bis hin zur Ausführung von Mord. Diese Untersuchungen

sind gleichsam gelaufen mit dem Eichmann Prozess (1960 – 1962) der in Israel durchgeführt wurde.

Im Zusammenhang mit dem psychiatrischen Gutachten die über ihn erstellt wurden, kam die Frage:

Wie muss jemand geartet sein um Fahrdienstleiter des Todes von Millionen Menschen zu sein? Um

Millionen Menschen in den Tod zu schicken? Welche Charakterstruktur, welche Merkmale hat

dieser? Diese Fragen wurden gestellt um präventiv zu agieren, um künftig ein solcher Mensch

identifizieren zu können. Wie war die Erziehung von einem solchen Menschen bzw. wie waren die

anderen Bedingungen der Sozialisation? Das hat den berühmten Professor an der Yale Universität

Stanley Milgram dazu gebracht den ‚Milgram Experiment‘ durchzuführen.

Adolf Eichmann war Österreicher, zwar in Solingen geboren aber in Linz aufgewachsen. Er war

Leiter der GESTAPO Abteilung 4 im Reichsicherheitshauptamt der NSDAP die mit der berüchtigten

Endlösung der Judenfrage befasst war. Adolf Eichmann hat seine Aufgabe mit vollen Pflichteinsatz

und exzellenten Organisationstalent bis zum bitteren Ende erfüllt. Die Philosophin Hannah Arendt

schrieb über dieses Prozess ein bucht mit dem Titel ‚Eichmann in Jerusalem: Ein Bericht von der

Banalität des Bösen‘ Eichmann war von seine Charakterstruktur, von seine Auffassung vollkommen

unspektakulär deshalb der Titel. Erkannt wurde das Eichmann ein typischer Schreibtischtäter war. Er

mordete am Schreibtisch, ohne Judenhass, ohne Zorn und ohne Verachtung quasi als treue Untertan

seines Führers der stets die Anordnungen ausführt die angeschafft werden. Ähnlich befehlsgehorsam

wiesen Rudolf Höss (Kommandant von Ausschwitz, 1947 in Polen hingerichtet) der in seine

Erinnerungen geschrieben hat dass er sich kein Urteil erlaubt, ob die Massenvernichtung der Juden

wirklich notwendig war. Die Parole, ‚Führer befiehl. Wir folgen dir.‘ wurde von ihn bitter ernst

genommen. Die Milgram Experiment erschütterte damals die Welt und wurde weltweit und auch in

Österreich durchgeführt von der Grete Schurz in Graz durchgeführt. Die zentrale Fragestellung von

Stanley Milgram war: Unter welche Bedingungen wird ein Mensch, dem ein Versuchsleiter aufträgt,

mit zunehmender Härte gegen einen anderen Menschen vorzugehen, diesen Befehl nachkommen,

und wie sollten Situationen gestaltet werden damit er die Gehorsam verweigert. (?) Unter dem

Vorhang zu untersuchen nämlich wie sich Strafe auf das Lernen auswirkt, wurden Versuchspersonen

über Zeitungsinserate geworben. Zwischen 1960 und 1963 haben mehr als tausend Leute an den

verschiedenen Variationen des Grundexperiments teilgenommen. Zwei Personen haben im

Experiment eine Rolle gespielt; Einmal eine Person in der Lehrerrolle und eine andere Person in der

Schülerrolle. Der ‚Lehrer‘ hatte die Aufgabe der Schüler bei Lernversagen mittels Schockgenerator zu

bestrafen. Vorgesehen war eine Stufenweise Erhöhung der Stromspannung von 15 – 450 Volt, die

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mittels 30 Kippschaltern ausgelöst werden könnten. Die einzigen Stufen signalisierten mäßigen bis

gefährlichen Schock. Die letzten beiden Schalter waren ohne näheren Angaben nur mit dreimal ‚X‘

markiert. Bei jedem Fehler des Schülers war die Stromspannung 15 Volt zu erhöhen. Jede Person

wurde mit 45 Volt elektrisiert, um eine Vorstellung zu bekommen was diese Elektroshocks für den

Schüler bedeuten können. Danach wurde vom Versuchsleiter betont dass die elektrische Schläge,

obwohl sie in dem oberen Bereiche extrem Schmerzhaft werden können, niemals bleibende Schäden

unterlassen würden. Natürlich sind während des Experiments die Elektroschocks eben nur so

simuliert geworden wie den Schmerzensschreien des Schülers. (Der Schüler hat ein Schauspieler

gespielt) Der ‚Lehrer‘ war die Versuchsperson die davon nichts wusste. Der Schüler wurde unter

Augen des Lehrers an einen Stuhl gefesselt.

Der Grundversuch hat ergeben, weltweit, unabhängig von Alter, Geschlecht, Bildung, 62,5 Prozent

sind dazu bereit dieser Befehl bis zum bitteren Ende durchzuführen, bis zum Tod oder Verletzung.

Diese Zahlt stammt von 1980. Zwei Drittel aller Menschen gehorchen Jemand, wenn es eine Autorität

befiehlt der die entsprechende Insignie der Autorität hat (in dem Experiment gekennzeichnet durch

eine weißen Arbeitsmantel) jemanden zu schädigen, Gewalt auszuüben ohne das irgendwelche

Aggressionen/Ressentiments gegenüber diese Personen vorhanden wären. Dieses für das

Menschsein erschütternde Experiment, wo man doch sagen könnte, es sind mittlerweile Jahrzehnte

vergangen, Jahrzehnte der Aufklärung, Jahrzehnte der anti-autoritäre Erziehung. Man musste sich in

der Pädagogischen Ausbildung mit der anti-autoritäre Erziehung auseinandersetzen in den

70er/80er. Man diese These übernommen und versuchte selbst in Familien so zu agieren. Fünfzig,

sechzig Jahre danach hat sich an die prinzipielle Situation nicht geändert – Trotz die ganz

Aufarbeitung des Themas im Jahr 1988 von den Medien. Man muss fast davon ausgehen diese

Gehorsamsbereitschaft zu eine negative ‚conditio humana‘ gehört. Diese Unfähigkeit sich gegenüber

Autorität zu wiedersetzen ist offenkundig so stark eingepflanzt das es fast Teils des genetischen

Programms ist. Das Milgram Experiment versteht sich als eine der erschütterndste Beispiele wie

wenig Aufklärung im Sinne des kommunikativen Anspruches bewirken kann. Hier sieht man wenig

an Lernprozesse eigentlich ausgelöst werden, wie wenig eigentlich bewirkt werden kann. Der

gleichzeitige Einsicht das wir nichts anderes haben Außer das Wort (der Vernunft, die Vernünftigkeit

der Sprache, Vernünftigkeit als Telos der Sprache sozusagen) zeigt wie ernst das genommen werden

muss. Die führt zu der Einsicht dass jenseits der Argumente Strukturen ansprechbar sind,

mobilisierbar sind, die dazu führe das tatsächlich der Mensch des anderen Menschen Wolf wird. Er

hat nicht gegen den anderen, kann ihn aber trotzdem nach Befehl schädigen.

Dieses Experiment wurde vielfach abgeändert, mit neuen Versuchsbedingungen. Man hat zum

Beispiel versucht, wenn der Lehrer nur sagen muss ‚Die Antwort ist falsch‘ und er selbst nicht den

Schalter tätigen muss, aber im vollen Wissen der Konsequenz die seine Aussage für den Schuler hat.

Dann ist die Gehorsamsbereitschaft auf fast 100 Prozent gestiegen. Man muss es nur plausibel

machen; man muss nur feststellen es ist falsch, und jemand anders druckt den Schalter. Damit muss

man nicht die Verantwortung nicht übernehmen. Man ist dadurch in doppelter Weise nicht

verantwortlich: Ersten für den Lernexperiment nicht, und zweitens für die Tätigung der

Stromschalter nicht. Delegation der Verantwortung. Nicht ich bin verantwortlich, sondern der

andere. Genau dort wo Verantwortung delegiert werden kann auf die nächst höherer Instanz, überall

dort entsteht Gewalt; entsteht die Bereitschaft zur Gewalt. Die zerstörerische Gehorsamsbereitschaft

ist da. Genau mit der Delegation der Verantwortung haben sich Höss und Eichmann gerechtfertigt;

die waren in alle ihre Schriften nicht bereit die Verantwortung zu übernehmen. Es geht hier um zwei

ganz zentrale Begriffe: Pflicht und Befehls. Elias Canetti schreibt in sein Buch ‚Masse und Macht‘ (für

den er die Literaturnobelpreis bekommen hat) im Kapitel ‚Befehl und Verantwortung‘: „Es ist

bekannt das Menschen die unter Befehlen handeln, der furchtbarsten Taten fähig sind. Wenn die

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Befehlsquelle verschüttet ist und man sie zwingt auf ihre Tat zurückzublicken, erkennen sie sich

selbst nicht. Sie sagen ‚Das habe ich nicht getan.’ Und sie sind sich keineswegs immer klar darüber

dass sie lügen. Wenn sie durch Zeugen überführt werden und ins Schwanken geraten sagen sie doch,

‚So bin ich nicht, das kann ich nicht getan haben.‘ Sie suchen nach den Spuren der Tat in sich, und

können sie nicht finden. Man staunt wie unberührt sie von ihr geblieben sind. Das Leben das sie

später führen ist wirklich ein anderes und von der Tat in keiner Weise gefärbt. Sie fühlen sich nicht

schuldig, sie bereuen nichts. Der Tat ist nicht in sie eingegangen. Was geschehen ist kann wieder

geschehen. Ein Schutz vor neue Situationen, die den Alten aufs Haar gleichen bildet sich in ihnen

nicht aus. Sie sind nicht resistent dagegen. Sie bleiben den Befehl wehrlos ausgeliefert. Seine

Gefährlichkeit nur sehr dunkel bewusst.“ Die Menschen die mit ihren Taten konfrontiert worden sind

waren von sich selber vollkommen entsetzt. Sie sind später aufgeklärt worden an welchem

Experiment sie wirklich teilgenommen haben, und sagen ‚Das kann ich nicht gewesen sein.‘ Es ist

gewissermaßen eine Flucht in die eigene Blindheit. Die Psychologie nennt dies den ‚blinden Fleck‘ –

man kann es einfach nicht sehen. Der Befehl in seiner kompakten, fertigen Form wie er sie nach einer

langen Geschichte heute hat, ist das gefährlichste einzelne Element im Zusammenleben von

Menschen geworden. Man muss den Mut haben sich ihn entgegenzustellen und seine Herrschaft zu

erschüttern. Es müssen Mittel und Wege gefunden den größeren Teil der Menschen von ihm frei zu

halten. Man darf ihm nicht erlauben mehr als die haut zu ritzen. Aus seinen Stacheln müssen Kletten

werden, die mit leichter Bewegung abzustreifen sind. Es geht darum, den Befehl als gesellschaftliches

Instrument soweit es geht überhaupt abzuschaffen. Das Risiko mit dem Befehl verbunden ist, ist auf

jeden Fall unkalkulierbar. Was an diesen Männern (Höss, Eichmann) neben ihre umfassende

Normalität auffällt ist ihr völligen Mangel an Fantasie, an Vorstellungskraft gegenüber fremdem

Leid, ihre Herzenskälte. „Diese herrliche Unzulänglichkeit des Vorstellens und Fühlens. Ihr stets

sprungbereiter Gehorsam und die Tatsache dass weder sie noch ihre Familie mit diese

Gehorsamsbedürfnis die allergeringste Probleme hatten.“ – Günther Anders. Höss sagte in einem

Interview: „Ich bin völlig normal, selbst als ich die Ausrottungsaufgabe durchführte, führte ich ein

normales Familienleben und so weiter. Der Gedanken einfach einen Befehl nicht auszuführen kam

einfach niemanden. Und jemand anderes hätte es sowieso getan wenn ich es nicht getan hätte.“

Eichmann sagt zur Hauptmann der israelischen Polizei: „Nicht ich habe dieses Befehl des Erschießens

von mir aus gegeben, sondern ich habe diese Sache auf dem Dienstweg behandelt und die Auskunft

meiner Vorgesetzten ist eben gewesen ‚Erschießen‘. Da ist kein Platz für moralische Reflektion.“

Eichmann beruht sich auf die Pflichtenethik von Kant, im Sinne von ‚Ich habe nur meine Pflicht

getan.“

Die Endlösung wurde bei der sogenannten Wannenseekonferenz beschlossen. Das waren alles

juristische gebildete Menschen; es war keine dabei der nicht das Doktorat hätte. Alle aufgewachsen in

der Traditionen von Kant, Fichte, Schelling, Hegel, alles Vertreter des deutschen Idealismus. Die

haben sich bei der Wannenseekonferenz getroffen um die Frage zu erörtern: Wie kann man 11 Mio.

europäischen Juden vernichten am besten. Sie haben gewusst sie treffen sich zu dieser Frage. Die

Vernichtung des europäischen Judentums dauerte bei der Wannenseekonferenz nicht länger als

eineinhalb Stunden. In eineinhalb Stunden waren so viele Vorschläge am Tisch, dass die Logistik von

Eichmann realisiert werden konnte. Im Zusammenhang mit der Fraglosigkeit des Ausführens von

Befehlen ist auch ein weiterer Aspekt interessant. Nämlich das Eichmann während seiner ganzen

Dienstzeit auf niemand getroffen ist der diese Endlösung der Juden als Problem gesehen hätte. Es gab

einfach niemanden der dagegen opponieren hätte. Man könnte das daher als selbstverständlich

erachten.

In seiner Erinnerungen erzählt Eichmann wie die Konferenz abgelaufen ist. Dieses Treffen war ein

wichtiges Ereignis für Eichmann weil er nie auf eine Gesellschaft war, wo solche höhen

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Persönlichkeiten daran Teilgenommen haben. „Ich weiß noch dass im Anschluss an diese

Wannenseekonferenz Heidrich, Müller und meine Wenigkeit an einem Kamin gemütlich saßen, nicht

um zu fachsimpeln sondern uns nach der langen anstrengenden Stunden der Ruhe hinzugeben.“ –

Adolf Eichmann. Im Gefängnis erinnert sich Eichmann noch an die allgemeine Zufriedenheit und

besonders auf Heidrichs gute Laune. „Ich weiß noch dass ich Heidrich dort zum ersten Mal habe

rauchen sehen … er trank Cognac, was ich jahrelang nicht gesehen habe das Heidrich irgendeinen

alkoholisches Getränk trank.“ – Adolf Eichmann. Und noch aus einem anderen Grund war diese

Konferenz für den Eichmann unvergesslich, sagt Hannah Arendt. Zwar hatte er ohnehin alles getan

um den Endlösung auf den Weg zu bringen, gewisse Zweifel an so eine Gewaltlösung hatten aber

immer noch an ihn genagt. Und nun je waren doch diese Zweifel zerstreut. „Hier auf der

Wannenseekonferenz sprachen nur die Prominenten des damaligen Reichs, die Päpste. Jetzt sah er

mit eigenen Augen und hörte mit eigenen Ohren das nicht nur Hitler, nicht nur Heidrich und Müller.

Nicht allein die S.S. und die Partei, sondern das die Elite des guten alten Staatsbeamtentums sich mit

allen anderen und untereinander um den Vorzug stritt, bei diese gewaltsame Angelegenheit in der

vordersten Linie zu stehen.“ „In dem Augenblick hatte ich eine Art … Zufriedenheit in mir verspürt

den ich fühlte mich bar jeder Schuld.“ – Adolf Eichmann. „Wer war er, um sich ein Urteil

anzumaßen. Von solcher Arroganz war er ganz frei. Was soll ich als kleiner Mann mir Gedanken

darüber machen. Nun, er war nicht der erste und doch nicht der letzte der aus Bescheidenheit zu Fall

kam.“ – Hannah Arendt.

Hinter der Milgram Experiment ist also schreckliche Realität gestanden. Und immer noch steckt diese

furchtbare Realität in den Menschen selbst.

[Kurze Film]

Die entscheidende Schlüsselpassage ist am Schluss gekommen. Der Staatsanwalt hat gefragt, ‚Warum

hören die nicht auf, wenn sie erkennen dass es unrecht ist?‘ Diese Satz ist der zentrale Satz der

Erklärung von all dessen ist was an verbrechen geschieht. In dem Moment wo man ganz anders

handeln wollte als man bisher gehandelt hat, wäre das eine Eingeständnis das alles was bisher

geschehen ist und alle Handlungen die man gesetzt hat falsch waren, unmenschlich waren. Diese

Fähigkeit der Distanzierung zu sich selbst, die haben nur ein ganz geringer Prozent. Diese

Bereitschaft gegen sich selbst zu argumentieren. In dem Moment wo man sagen will ‚Ich höre auf

damit‘ hieße das gleich alles was ich bisher getan habe war falsch. Das Weitermachen ist

psychologisch gesehen eine Rechtfertigung was man bisher gemacht hat. Und so pflanzt sich das

Elend und das Unglück fort. Das ist ein ganz zentraler psychologischer Mechanismus. Man macht

weiter um vor sich besser dar zu stehen. Um sich nicht selbst in Frage stellen zu müssen. Die Antwort

auf die destruktive Gehorsamsbereitschaft wäre die Bereitschaft zu trainieren sich selbst permanent

in Frage zu stellen. Dieser Versuch sich selber zu wiederlegen und nicht zu bestätigen ist das

Kernprogramm des kritischen Rationalismus von Karl Popper für die Wissenschaft. Betreibe deine

Wissenschaft nicht so dass du dich bestätigen möchtest, handele stets so dass das was du forschst

eigentlich gegen deine primären Annahmen steht. Versuch die ständig zu wiederlegen. Dies ist das

sogenannte Falsifikationsprinzip. Dieses Falsifikationsprinzip ist das einzige Garantie dass es so was

wie einen wissenschaftlichen Fortschritt geben kann. Sonst ‚zementiert‘ sich die Wissenschaft ein.

Dieses Prinzip kann man letztendlich auch auf Journalismus anwenden. Jeder der Schreibt hat die

Geschichte im Kopf schon und der Recherche dient meist die Bestätigung dieser Geschichte. Man

sucht dadurch nur die Informationen die seinen Erwartungen entsprechen. Das wesentlichste des

Konsonanz-Phänomens ist das es eine innere Konsonanz gibt, und nicht das die Journalisten sich

gegenseitig korrigieren. Die Konsonanz zwischen dem was ich als Wirklichkeit thematisiere und

meine Erwartungen über diese Wirklichkeit. Eine der wenige österreichische Journalisten der dieses

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Prinzip erkannt und angewendet hat war der Peter Michael Lingens. Um sich zu distanzieren brauch

es wahrscheinlich ein starkes Ego, das nicht dadurch erschüttert wird Fehler zuzugeben. Sie gibt es

ansatzweise in der Medizin, aber nicht in der Pädagogik oder Journalismus. Je mehr sich eine

Disziplin ausdifferenziert, je größer der Spezialistentum wird, desto größer die Bereitschaft die

Verantwortung fürs Ganze nicht mehr wahrzunehmen. Ein Teil des Leiden der Menschen ist das er

einen Apparat gegenübersteht, der Arbeitsteilig und Bürokratisiert funktioniert, und wo er nur eine

Nummer ist an dem gearbeitet wird. Milgram Experiment mit Blick auf die Studien von Adorno und

den Eichmann Prozess durchgeführt. Er versucht wissenschaftliche nachzuvollziehen warum das

Schreckensregime des Nationalsozialismus, warum diese Mordmaschinerie funktionieren konnte.

Weil eben in der Kommunikationsstruktur der Befehl und die Pflichterfüllung gegenüber dem Befehl

so eine zentrale Rolle gespielt hat. Die persönliche Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen war

nicht gegeben. Die Bildung reicht nicht aus dieses Moralfreie verhalten aufzuheben – es ist kein

Gegengewicht dazu. Man hat aber festgestellt, je näher der Peiniger dem Opfer steht, desto

schwieriger wird es ihn noch zu quälen. Die Nähe zum Opfer stärkt die Tendenz den Befehl in Frage

zu stellen. Je weiter weg der Täter von seinen Opfer (stellen sie sich eine Befehlskette vor) entfernt ist,

desto größer die Bereitschaft dies zum bitteren Ende durchzuführen. Es gehört deshalb sehr wohl

zum kritischen Journalismus sehr wohl die Gegenstimmen zu hören, sie vernehmbar zu machen. Die

Entsetzung nach dem zweiten Weltkrieg bezog sich auf die Konsequenz des Verbrechens, und bezog

sich nicht auf den Anfang. Es galt immer dem Ende, aber es hätte auch den Anfang gelten sollen.

Aufgabe von Aufklärung ist die Katastrophe in Anfang schon erkennbar zu machen.

5. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 15.11.2010

Das Gesamte Unheil und Unglück ist in dem Begriff des Befehls fokussiert. Der Befehl löst sich

praktisch los von seiner moralischen Reflexion. Der Gehorsam gegenüber einen Befehlt steht

übermächtig zu das was man als einen Gewissen bezeichnen könnte. Stanley Milgram stellte sich die

Frage: Welche Kraft hat eine Kommunikationsakt über den Menschen? Adolf Eichmann als der

Schreibtischtäter par excellence. „Dies ist vielleicht die fundamentalste Erkenntnis aus unsere

Untersuchung: Ganz gewöhnliche Menschen, die nur schlicht ihre Aufgabe erfüllen und keinerlei

persönliche Feindseligkeit empfinden, können zur Handlungen in einem grausigen

Vernichtungsprozess veranlasst werden. Schlimmer noch: Selbst wenn ihnen die zerstörerischen

Folgen ihres Handelns vor Augen geführt, und klar bewusst gemacht werden und wenn man ihnen

dann sagt, sie sollen Handlungen ausführen die im krassem Widerspruch stehen zu ihren

moralischen Grundüberzeugungen, so verfügen nur vereinzelte Menschen über genügende

Standfestigkeit um der Autorität wirksam wiederstand entgegenzusetzen.“ – Stanley Milgram, seine

Bilanz in Bezug auf das Experiment.

Diese Schlussfolgerung zeigt dass es keineswegs Ausreicht sich ausschließlich auf die Bildung von

einer moralischen Grundüberzeugung bei der Eltern-Kind Kommunikation zu orientieren. Man

könnte fragen: Welche ungeheure destruktive Kraft steckt in die Kommunikation? Hier werden

Worte zu wesentlich mehr als nur Worte. Wie manifestiert sich das Verhältnis von Über-

/Unterordnung in dem Kommunikationsprozess? Gibt es etwa ein kommunikatives Gegengift gegen

die Gehorsamsbereitschaft? Wie kann die Kommunikation entgegenwirken? Wie kann man ein

solches Gegengift erzeugen? Diese Überlegungen gehören zu dem Begreifenden-Denken. Dieses

Denken genügt sich nicht mit der Feststellung dass etwas ist wie es ist. Dieses Denken bleibt nicht bei

der empirischen Wahrnehmung, bei der Anschauung eines Problems stehen. Das Begreifende-

Denken versucht dem hinter den losungsbedürftigen Problemen stehenden Strukturzusammenhang

zu rekonstruieren um überhaupt zu verstehen wie diese Probleme entstanden sind. Begreifende-

Denken versucht die isolierten Phänomene in der Gesellschaft zu erfassen.

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Der kritische Rationalismus wurde ursprünglich im Hinblick auf die Naturwissenschaften entwickelt,

wurde aber dann von den Sozialwissenschaften übernommen und ist zur wissenschaftlichen

Leitparadigma geworden. Mit Hilfe von Forschung werden lösungsbedürftige Probleme gelöst. Die

Art und Weise wie man das macht nennt Karl Popper die ‚Logik der Forschung.‘ In dem man eine

bestimmte Forschungslogik anwendet kann man von einem erkannten Problem zu einer Lösung

kommen. Dieses Vorgehen passiert im Rahmen des Problemlösendes-Denken auf der zweite Ebene.

Das Anschauliche-Denken darf man aber auch nicht missachten; mit die Beginnt jede Art der

Erkenntnis – die Basisform des Staunens. Das Anschauende-Denken lässt die Wirklichkeit so wie sie

ist. Erst auf der nächsten Stufe erkennt man dass es möglicherweise ein Problem gibt. Die

Wissenschaft funktioniert nicht anders als das Problemlösendes-Denken. Probleme werden

identifiziert, ob in der Wirtschaft, Politik, Umwelt und mithilfe von Forschung werden diese dann

bekämpft. Der Vorwurf der marxistisch Denkenden Vertreter der kritischen Theorie gegen dem

kritischen Rationalismus ist dass sie durch dieses Problemlösendes-Denken nur eine Art von ‚social

engineering‘ betreiben. Es wird die Frage ausgeklammert: Wie kommt es denn überhaupt zu das

Entstehen von einzelne Probleme? Kann es sein das hinter diese einzelne Probleme eine

gesellschaftliche Strukturzusammenhang steht, der zusammenhängt mit den ökonomischen

Bedingungen mit denen Gesellschaft funktioniert? Zum Beispiel kann ist nicht vielleicht sein dass das

Auftauchen vielfältigen Symptome wie zunehmender depressiver Bestimmtheit und Depressionen

etwas zu tun hat mit Formen der gesellschaftlicher Entfremdung. Die WHO stellt fest das Angst in

der westlichen Gesellschaft zunimmt. Angst ist ein zentraler Krankheitsfaktor. Zwei Drittel alle

Menschen die eine ärztliche Praxis aufsuchen tun dies aus psychosomatischen

Befindlichkeitsstörungen, die keine spezifische Symptomatik haben. Diese versteht sich als eine Art

‚generelles Unwohlsein‘. Diese Patienten bekommen dann entweder Ratschläge oder

Psychopharmaka – beide sind eine Antwort auf das Symptom. Das Begreifende-Denken versucht

dem hinter den erkannten einzelne Phänomene stehenden prinzipiellen historisch und

gesellschaftlichen Zusammenhang. Bas Begreifende-Denken versucht das Bild hinter dem Mosaik zu

rekonstruieren. Was ist der Strukturzusammenhang das dazu führt dass sich die Menschen immer

schlechter fühlen obwohl es ihnen materiell immer besser geht? Was sind die

gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge? Das wirkliche Wissenschaftliche denken beginnt auf der

dritten Ebene – in diesem Fall werden die einzelnen Symptome als Teil eines kranken Systems

gesehen. Man kann zwar die empirische Theorien und ihre Ergebnisse heranziehen aber man bleibt

nicht stehen bei ihnen. Die Kommunikationswissenschaft funktioniert meistens auf Ebene der

Problemlösendes-Denken. Vielfach bleiben sie sogar auf der ersten Ebene des Anschaulichen-

Denkens stehen, und begnügen sich mit Beschreibungen der Status-Quo, wie z.B. die

Medienlandschaft in Österreich, die Art und Weise der politischen Kommunikation in

Wahlkampzeiten usw.

Auf der zweiten Ebene werden mit den empirischen Theorien Probleme festgestellt. Die Phänomene

werden nicht nur gesammelt, systematisiert und gegenübergestellt sondern es wird auch darin ein

Problem gesehen und als solche erkannt. Auf der Ebene des Begreifenden-Denkens, wird versucht

das Problem selbst auszuweisen als Symptom eines dahinterstehenden noch unbekannten

Zusammenhangs. Auf diese Ebene des Begreifenden-Denken kann man leicht Ideologie betreiben –

ein mögliches Vorwurf gegen den kritischen Rationalismus. Die Vertreter der kritischen Theorie

haben den kritischen Rationalismus aber auch vorgeworfen sie betreiben eine Ideologie, nämlich

durch ihr technokratisches Verständnisses von Gesellschaft das dazu führt anzunehmen das die

Gesellschaft sich entwickelt darin das man einzelne Phänomene verändert und löst. Und die

Marxistisch motivierten Vertreter der kritischen Theorie der Frankfurter Schule haben durch ihr

bemühen Begreifenden-Denken zu betreiben, dagegen argumentiert. Sie waren der Meinung das im

Effekt sich der Status Quo der Gesellschaft überhaupt nicht verändert. Im Gegenteil; er trägt sogar

Page 19: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

19

dazu bei das überhaupt kein Bewusstsein dessen entsteht das die Gesellschaft zu verändern wäre.

Karl Popper antwortet dass er überhaupt nicht will dass die Wissenschaft die Welt verändert, weil

das Ideologie sein kann. Man muss wiederum die Ideologie wiederum selbst kritische Reflektieren

können – die Ideologie hat in sich die Tendenz sich nicht Falsifizieren zu lassen. Ein etablierte

Ideologie die mit allen Möglichkeiten der Macht ausgestattet ist, mit der Gewalt über Menschenleben

zu urteilen, diese wird sich nicht dem Falsifikationsprinzip unterstellen. Das Falsifikationsprinzip in

der Politik ist die Möglichkeit der Kritik und Kontrolle der regierenden und Zweitens die Möglichkeit

nach vier Jahren die Regierung wieder abzuwählen. Das Begreifende denken im marxistischen Sinne

versucht die historischen Wiedersprüche, die Dynamik der Wiedersprüche der Gesellschaft

aufzuzeigen – weil durch diese historisch bedingten Widersprüche der Gesellschaft entstehen die

Probleme die auf der zweiten Ebene gelöst werden sollten. Als was nicht auf der Ebene 2 oder 3 ist

verdient nicht die Bezeichnung von Theorie. Das Begreifende-Denken erhebt also im marxistischen

Sinne den Anspruch die Gesellschaft zu verändern – also ein revolutionäres Bewusstsein zu schaffen.

In diesem Konflikt zwischen den Vertretern der beiden Ebene (Kritische Theorie auf dritte Ebene,

Kritischen Rationalismus auf zweite Ebene) ging es letztendlich um die Frage der Sinnhaftigkeit von

Sozialwissenschaft in der Gesellschaft. Die Aufgabe der Sozialwissenschaften besteht darin dieses

Gesellschaft verändernde Potenzial bereitzustellen.

Begreifende-Denken: Was sind die hinter den lösungsbedürftigen Gegenstände/Problemen

verborgene Voraussetzungen (nicht direkt beobachtbare) aus deren sich den problematischen

Gegenstand erst konstituiert? Es geht nicht um die Symptome und was man dagegen tun kann

sondern es geht um die krankheitsbedingende Ursachen gesellschaftlicher Natur, die für das

Entstehen von Krankheit Verantwortlich oder Mitverantwortlich sind. Welcher Anteil hat denn die

entfremdete Arbeit, welchen Anteil hat denn die soziale Isolation des modernen Menschen, am

Entstehen von Krankheit? Die Einbeziehung alle derjenigen Faktoren die zur Problemgenese

beitragen, unterscheiden Begreifendes-Denken (und die damit verbundene Theorien) vom isolierten

Problemlösendes denken. In der Regel, das Problemlösende-Denken die Bedingungen des

Zustandekommens von Problemen aus ihr Denkhorizont ausklammert. Begreifendes-Erkennen geht

jedenfalls von die Erfahrung der Wirklichkeit, versucht aber zu ergründen warum das was ist, und

wie es ist zustande gekommen ist. Das Begreifende-Denken versucht also die Wirklichkeit in ihrer

historischen Notwendigkeit zu begreifen und zu verstehen um sie aber auch zu verändern. Erst

wenn man versteht kann man auch verändern. Neo-Marxistische Aussage der kritischen Theorie. Das

Begreifende-Erkennen ist daher die Voraussetzung für Gesellschaftskritik. Gesellschaftskritik

versucht die empirisch vorfindbaren Bedingungen, wie z.B. gesellschaftliche Verhältnisse, mit Blick

auf bestimmte Ideale Konzeptionen von Menschsein und Gesellschaft zu verändern. Zum Beipsiel

Emanzipation, ist eine gesellschaftskritische Konzeption.

Im Positivismus-Streit der deutschen Soziologie (Karl Popper [Kritischen Rationalismus] vs.

Theodore W. Adorno [Vertreter der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule]) geht es letztlich um

die Sinnbestimmung moderne Sozialwissenschaft. In einer ersten groben Zuordnung können wir

die meisten Theorien und Forschungsergebnisse der Kommunikationswissenschaft im Typus des

orientierenden Problemlösendes-Denken zuordnen (zweite Stufe). Besonders hinsichtlich der

aktuellen Entwicklung der Dominanz von Auftragsforschung – Forschung im Sozialwissenschaft in

zunehmender Maße Auftragsforschung. Auftragsforschung ist Forschung die einen bestimmten

Problemzusammenhang vorgibt, der zu lösen wäre aber ohne die Frage wie kommt es zu der

Problem überhaupt. Dominanz der Auftragsforschung zu Ungunsten der Grundlagenforschung. Das

Begreifende-Denken sieht das jeweilige Problem als Ergebnisse einer widersprüchlichen Realität.

Das Begreifende-Denken erkennt in den jeweiligen Problemen die sich stellen das Symptom einer sich

Page 20: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

20

widersprüchlichen Realität. Diese Art von Denken findet man selten in der

Kommunikationswissenschaft.

Das Problemlösendes-Denken ist von einem technischen Erkenntnisinteresse geleitet. Das

technische Erkenntnisinteresse ist abgestellt auf die Bewältigung konkreter Lebensprobleme. Das

Begreifende-Denken hat hingegen ein emanzipatorisches Erkenntnisinteresse. Das Begreifende-

Denken will sich nicht auf das ‚Hier und Jetzt‘ dieses Problems beschränken. Auf der

Problemlösende-Ebene geht es um die Faktizität. Die Gesellschaft spiegelt sich in ihrer Problematik in

den ‚Hier und Jetzt‘ aber die Problemgenese steht dahinter. Das Faktum von heute hat

Voraussetzungen die im Gestern oder Vorgestern liegen. Jedes Faktum vermittelt in sich die

historischen Bedingungen seines Zustandekommens. Die Fakten von Heute sind das Ergebnis von

langen Entwicklungsketten die meistens ausgeblendet werden. Das Faktum von heute ist die

Bedingung der Fakten von Morgen und Übermorgen. Das Faktum steht in einem

Problemzusammenhang der sich aus seiner Genese und seiner Zukunftsentwicklung ergibt. Genau

dieses Denken in größeren Zusammenhängen ist Begreifendes-Denken. Die journalistische Kunst

bestünde darin die Fakten in einem größeren Problemzusammenhang zu stellen. Das politische

Faktum ist das kurzfristige Ergebnis von unendlich komplexen Voraussetzungen. Es spricht nicht

gegen die Objektivität die Fakten von heute in einem spekulativen Zusammenhang zu Integrieren. Es

ist immer Spekulation in die Zukunft zu projizieren. Auch in die Naturwissenschaft. Es hat eine

gewisse Wahrscheinlichkeit dass der Apfel morgen mit derselben Geschwindigkeit fällt wie heute, aber

es ist nie mit Sicherheit vorhersagbar. Man weiße eigentlich nur dann was ein Faktum wirklich

bedeutet wenn man es Einordnen kann. Das Begreifende-Denken findet in der

Kommunikationswissenschaft fast keine Anwendung. Wenn ein Faktum nicht für sich spricht, muss

man es in einen größeren Bedeutungskontext einbeziehen um es verstehbar zu machen. Eine

Nachricht muss Verständlich und Verstehbar sein. Von der Syntaktik und der Semantik sind die

meisten Nachrichten durchaus verständlich – aber man muss zusätzlich wissen was es für sich und

die Gesellschaft bedeutet. Dieses kann nur gemacht werden wenn man auch dem Umfeld des

Faktums übermittelt bekommt.

Beispiele von Begreifendes-Erkennen in der Kommunikationswissenschaft:

(1) Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Ökonomisierung des Journalismus wonach

journalistische Produkte als Wirtschaftsgüter begriffen werden, deren Produktion nur

ökonomische Rationalität folgen? Zusatzfrage: Was folgert daraus und für wer? Was folgert

daraus für die demokratische Gesellschaft? Es folgert daraus dass der Journalismus zur

Content-Produktion wird. Diese Tendenz gibt es durchaus schon. Was passiert wenn

Journalismus immer mehr in Abhängigkeit von Public Relations gerät? Kolonialisierung der

Journalismus durch die Wirtschaft. Mit den journalistischen Produkten verändert sich auch

etwas mit unserer Wirklichkeit und Weltverständnisses. Das wirkliche Potenzial der Medien

besteht darin dass sie die Tagesordnung bestimmen. Sie bestimmt über welche Themen die

Gesellschaft gerade verhandeln soll. Medien beschreiben nicht die Wirklichkeit, sondern sie

konstruieren es - die berichteten Themen wiederspiegeln sich auch in die Wirklichkeit.

Probleme sind aber nicht von allen als solche anerkannt. Was ist das lösungsbedürftige

Problem überhaupt: Wie man die Medikamente bereitstellt oder wie man verhindert das die

Menschen überhaupt depressiv werden? Oder wie man sich gegen die Depression

immunisieren kann.

(2) Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Globalisierung der Gesellschaft die sich

gegenwärtig vor allem als ökonomischen Prozess vollziehen? Kommt es zu einer

wachsenden kulturellen Synchronisation im Sinne einer Homogenisierung. Kommt es zu

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einer Verwestlichung von journalistischen Produkten? Was passiert mit der Kulturleistung

des Journalismus im Rahmen der Globalisierung? Die Kulturleistung des Journalismus

definiert sich unter anderem darin dass sie die kulturelle Erbe eine Gesellschaft

wiederspiegelt. Wie wichtig ist es dieses aufrechtzuerhalten? Wie kann man

Journalismus/Journalistenausbildung so gestalten dass wir diese dysfunktionalen Folgen

vermeiden?

(3) Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Mediatisierung der Gesellschaft? (Also der

wachsende Relevanz von Medien für gesellschaftliche Prozesse) Was nicht von den Medien

als relevantes Thema behandelt wird, existiert auch nicht gesellschaftlich.

(4) Führt die in diesem Kontext beobachtbare Professionalisierung der Public Relations zu

einer Entgrenzung des Journalismus im Sinne einer privilegierten Beziehung zur

Öffentlichkeitsarbeit? Was verändert sich im Journalismus selbst wenn Journalisten aus

ökonomischen Gründen zur Public Relations wechseln? Public Relations kann man definieren

als die Durchsetzung legitimer Kommunikationsinteressen.

(5) Welche Konsequenzen ergeben sich aus der weitergehenden Technisierung

journalistische Arbeit? Was bedeutet in diesem Kontext die weit fortgeschrittene

Konvergenz von Massenmedien, Telekommunikation und Computertechnologie sowie die

technologische und ökonomische Herausforderungen von Onlinekommunikation. Wie

verändert also Technik den Journalismus? Wie verändert das Internet die Voraussetzungen

unseres Erkennens überhaupt? Haben wir möglicherweise unsere Konzentrationsfähigkeit

verloren, unsere Interesse an Reflektion? Können wird überhaupt Begreifend-Erkennen oder

können wir nur Googeln? „In der Geschichte der Menschheit haben wir uns immer neue

Hilfsmittel zum Denken geschaffen, das Alphabet, die Landkarte, die Uhr, das Buch. Ich

nenne diese Dinge die intellektuellen Technologien des Menschen. Setzen wir sie und nutzen

unserem Gehirn. Aber nicht immer dieselben Bereiche. Das Internet ist die neueste

Errungenschaft unter den intellektuellen Technologien, es verlangt von uns neue

Denkgewohnheiten. Es hat unserem Gehirn beigebracht Texte zu überfliegen, an der

Oberfläche zu kratzen, ständig mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Leider beginnen wir uns

diese Fähigkeit selbst dann wenn Computer und Smartphone ausgeschaltet sind.“ Die

Veränderung der Denkprozesse wirkt sich auf die Zellstruktur. Das Problem ist: Während

bestimmte neuronale Systeme trainiert werden, werden andere vernachlässigt. Die Technik

verändert unsere Denkweise und ist somit nicht neutral. Die Folgen der Technik liegen

immer in ihr Potenzial. (Wer bin ich, wenn ich Online bin? Nicholas Carr Englisch: The Shallows:

What the Internet is doing to Our Brains) Die Frage um wie die Technik unsere Denkfähigkeit

verändert ist eine Frage jenseits des Problemlösendes-Denken. Es geht bei diesen Sachen

nämlich um gesamtgesellschaftliche Phänomene.

6. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 22.11.2010

Bei den Überlegungen befinden wir uns immer in den ersten Teil: wissenschaftstheoretische

Grundüberlegungen. Es geht grundsätzlich um die Frage: Wie funktioniert Wissenschaft? Die

Wissenschaftstheorie, das Nachdenken über die Wissenschaft, zwangsweise etwas zu tun hat mit

Philosophie. Wir beschäftigen uns theoretisch mit der Art und Weise wie Theorie zustande kommt.

Das ist die Meta-Ebene; die übergeordnete Ebene. Im Zuge eines schnellen Studiums bekommt man

maximal angeboten fertige Denkprozesse und Denkmuster. Diese Denkprozesse mögen zu einer Zeit

gültig gewesen sein, aber bleiben nicht so. Deshalb ist es wichtig sich mit den Denkprozessen zu

befassen.

Positivismus-Streit der deutschen Soziologie hat in 1961 stattgefunden. Auch beim Positivismus-

Streit geht es um eine Frage: Welche Aufgabe hat die Wissenschaft, näher hin die Sozialwissenschaft,

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in Hinblick auf die Gesellschaft? Soll die Wissenschaft Gesellschaft beschreiben, objektiv wiedergeben

oder im Hinblick auf ein bestimmten Ideal zu verändern? Versucht man letzteres dann besteht die

Möglichkeit das alle Ideologien Tür und Tor geöffnet werden und die Wissenschaft könnte

möglicherweise in dienst der Politik stehen. Die Grundfrage ‚Wie funktioniert Wissenschaft?‘ hängt

eng mit der Frage zusammen ‚Welchen Sinn hat die Wissenschaft?‘ Es ist vernünftig wenn man sich

die Frage stellt: ‚Welche Aufgabe hat denn das Fach das ich 3,4,5 Jahre studiert habe?‘

Theorien und Forschung hängen zusammen: Forschung füllt die Theorien und Theorien versuchen

wiederum den Bereich der empirischen Forschung zusammenzufassen. Aufgabe der Forschung ist es

das wissenschaftliche Begriffsgefüge zu verbessern, zu schärfen und zwar jenes Begriffsgefüge. Die

Begriffsgefüge versucht die Welt in objektiverweise Wiederzugeben. Jede Forschung muss die bisher

gewonnene Theorie, das bisher systematisch verarbeitete Wissen zur Kenntnis nehmen, bevor eine

Untersuchung beginnen kann. Das Forschungsziel steht also niemals Isoliert sondern fügt sich in

vorhandenes Wissen ein. Im Forschungsziel werden die Erfahrungsbereiche angegeben über die

weiteres zuverlässiges wissen gewonnen werden soll. Wobei möglichst Verbindungslinien zu dem

bereits bekannten Wissen gezogen werden. Jedes Forschungsziel ist eingebettet in einem größeren

Wissenszusammenhang. Deshalb befindet sich am Anfang der Meisten wissenschaftlichen Arbeiten

eine intensive Auseinandersetzung mit der bisherigen Literatur. Jede wissenschaftliche Aktivität

legitimiert sich durch den Rekurs auf bereits vorhandene Arbeiten. Genau dieses Vorgehen bereits

vorhandenes Denken weiterzudenken führt zum Kapitel des Paradigmas.

Das Paradigma bestimmt die Sichtweise, die zulässigen Fragen und die Methoden mit den diese

Fragen beantwortet werden. Das Paradigma hat (nur) einen einzigen Nachteil; es ist Unsichtbar. Das

Paradigma ist der Geist eines Faches der sich in die Forschungsfragen manifestiert, das kann man

nicht fassen. Es ist eine Grundorientierung, eine geistige Matrix die die Forschungsaktivitäten durch

Generationen hindurch bestimmt. Das was man Fragt hängt Großteils davon ab von dem Paradigma

in den man Forscht. Die Fragen wiederum bestimmen die Methoden, und die Methoden bestimmen

das Universum der möglichen Ergebnisse. „Jede Wissenschaft hat zu jeder Zeit eine bestimmte, nicht

weiter problematisierbare Grundansicht. Das Paradigma ist eine in die Wissenschaft hineinwirkende

aber nicht weiter problematisierbare Grundansicht.“ Erst wenn es zu einem Paradigmenbruch

kommt, wenn die beobachteten Ergebnissen mit den theoretischen Vorhersagen nicht

übereinstimmen, und wenn man diese Ergebnisse nicht hineinpressen kann in diese vorgefertigten

Denkschemata, Denkmuster wird die Wissenschaft vorangetrieben. Wissenschaft ist wie einen

Puzzle: Man sieht nicht das Ganze und überall befinden sich Leerstellen. Solange man die

vorhandenen Ergebnisse irgendwie an den Denkschemata anpassen kann, kommt es zu keinen

Paradigmenwechsel. Nicht mögen Wissenschaftler weniger als das bisherige Paradigma in Frage zu

stellen. Machen sie das, dann müssen sie quasi zugeben das alles was sie bisher getan haben war

Falsch – denken sie an die autoritäre Kommunikation. Popper besagt daher, Wissenschaft wird nicht

durch die Verifikation sondern durch die Falsifikation vorangetrieben. Man soll sich selber immer

versuchen zu wiederlegen, und seine Argumente so zu formulieren dass sie gegen den persönlichen

Paradigma agieren.

Die Suche nach Bestätigung ist allerdings ein starkes Wissenschaftsmotiv das die Wissenschaft

bestimmt, und das heißt in die Wissenschaftssprache ‚das eingebettet sein in eine Paradigma.‘

Paradigmenwechsel passiert nur dann wenn entweder die Proponenten des Paradigma aussterben

oder aber wenn die Widersprüche zwischen den beobachteten Phänomene und die theoretisch

Begründeten Prognosen zu groß werden. In der Kommunikationswissenschaft ist der

Paradigmenbruch passiert wo das Fach am Fruchtbarsten war, nämlich in der

Medienwirkungsforschung. Man von dem Stimulus-Response denkt in den Massenmedien

Page 23: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

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weggegangen weil die prognostizierten Ergebnisse nicht vorhanden waren. Es ist irgendwann mal

nicht mehr stimmig geworden zu sagen dass die Massenmedien wie Stimuli reagieren. Man hat sich

dann erdacht es gibt vielleicht intervenierende Variablen die dieses Response auch beeinflussen.

Dadurch ist man von der monokausalen Wirkungserklärung zu eine multikausale Gekommen. Es

wurde festgestellt dass der Stimulus verändert wird durch Psychologische und Soziologischen

variablen. Dann hat jemanden einen Aufsatz geschrieben die die bis dahin relevanten Fragstellungen

reflektiert hat. ‚Vielleicht sollten wir nicht fragen was die Medien mit den Menschen machen…‘ im

Sinne eines reinen Stimulus-Response Format. Die dahinterstehende Forschungsparadigma, die

sogenannte Steuerungsparadigma gilt aber immer noch, nur ist sie heutzutage viel raffinierter. Die

Frage wurde eventuell umgedreht und neu formuliert: ‚Was machen die Menschen mit den Medien?‘

Wie sind Medien in ihrem Lifestyle eingebettet und wie werden diese von ihnen genutzt? Welchen

Sinn weisen die Menschen den Medien zu? In den 1970er haben die Wiener

Kommunikationswissenschaftler eine Studie durchgeführt die genau in diese Richtung gegangen ist.

Nämlich, welche Nutzen haben die Medien für bestimmte Rezipientengruppen? Es haben sich Fragen

herausgestellt wie ‚Was ist ein Bedürfnis? Wie misst man Bedürfnisse?‘ Bedürfnisse sind nicht

empirisch Beobachtbar. Wie operationalisiert man Bedürfnisse? Seit 40 Jahre jetzt denkt die

Kommunikationswissenschaft immer noch in diese Richtung. Wenn wir Aussagen treffen wollen

nach der Medienwirkung, müssen zunächst mal nach dem Rezipienten fragen, weile diese weisen

den Medien einen Sinn überhaupt zu. Man geht hier sogar in Richtung einer Interpretativen-

Paradigma. Diese Paradigma geht davon aus das Menschen nicht geprägt werden sondern das sie

den Medien aktiv sinn zuweisen. Menschen sind somit nicht das Ergebnis von

Determinationsprozessen, sie werden nicht durch die Welt determiniert sondern sie weisen diese

aktiv einen Sinn zu. Die wissenschaftliche Fragen bestehen nun darin zu Fragen: Nach welchen

Kriterien wird interpretiert? Was sind die Bausteine diese Interpretation? „Jede Erklärung und auch

jede Forschung ist jeweils Forschung im Lichte dieses nicht weiter hinterfragten Paradigmas. Ohne

Paradigma wäre Wissenschaft gar nicht möglich, weil sie Orientierungsideale darstellt auf deren Folie

ein Phänomenbereich geordnet wird. Darin erkennt man die Wissenschaft nicht ein Abbildprozess ist

sondern einen Konstruktionsprozess. Wir beschreiben nicht die Welt wie sie ist, sondern die Welt ist

wie wir sie beschreiben. Kübeltheorie der Erkenntnis: Je mehr man Erfahrungen sammelt, desto

näher kommt man an die Wissenschaft. Scheinwerfertheorie der Erkenntnis: Wir befinden uns in

einem dunklen Raum und unsere Erkenntnisbemühen ist der Scheinwerfer. Eventuell kommt jemand

und sagt: Sie richten den Scheinwerfer falsch.

Thomas Kuhn besagt das eine einmal gewählt Paradigma generell die Tendenz hat sich weiter

fortzupflanzen. Eine anderes Wort für Paradigma ist ‚Framing‘ – man kann aus dem Frame nicht

heraustreten sonst steht die Frame in Frage. Das Framing ist der Gesichtspunkt unter den man alle

Informationen hineinordnet. Die Schwierigkeit diese Framing zu verändern ist das eine neue Framing

das alte ersetzen muss. Normalwissenschaft: „Normal ist die Wissenschaft insofern als die

Wissenschaftler unter dem Dach eines Paradigmas der Frage (scheinbar, musste man sagen) enthoben

sind warum sie die Welt gerade so sehen, wie sie sie sehen. Alle Fachkollegen haben die betreffende

Sicht akzeptiert.“ Die Tätigkeit der Wissenschaftler in diese Phase wird deshalb als Rätsellösung

(Puzzle Solving) charakterisiert. Das ganze wissenschaftliche Bemühen geht in diesem Fall darum das

abweichende Phänomen irgendwie kompatibel zu machen mit dem gesamten was man bisher schon

gemacht hat. Die Wissenschaftler bemühen sich also keinesfalls im Sinne von Popper ihre Theorien zu

wiederlegen bzw. zu falsifizieren. Diejenige die an eine Paradigma festhalten handeln eigentlich

gegen das Diktum von Karl Popper. Karl Popper sagt eben dass der Erkenntnisfortschritt in der

Wissenschaft ausschließlich über Falsifikation geht. Der Kritikbegriff des kritischen Rationalismus ist

ausschließlich begründet im Falsifikationsprinzip. Der Kritikbegriff in der Kritischen Theorie meint

Wissenschaft hat die Aufgabe die Gesellschaft zu verändern. Es geht um die wissenschaftliche

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Überwindung historisch bedingte Wiedersprüche. In diesem zweiten Kritikbegriff steck das bekannte

Revolutionäres Potenzial. Bei Popper besteht dieses Revolutionäres Potenzial darin zu sagen ‚Nehme

Abstand von dem Wünsch dich bestätigen zu wollen. Nehme Abstand von dir selbst.‘ Das ist genau

das was man beim Milgram Experiment hätte wünschen müssen. Man darf sich durchaus von sein

verhalten distanzieren – man darf gescheiter werden. Die Deutung der Welt wird in einem

Begriffsgefüge gebracht (das was man mit Theorien beschreibt, ein relativ plausibles Begriffsgefüge).

Die Phänomene die diese Paradigma oder Theorie nicht entsprechen werden zur Seite gelegt oder

kompatibel gemacht. Das Paradigma bestimmt nicht nur die Theorien, sondern das Paradigma

bestimmt auch die Regeln wie man mit Hilfe der Theorien die Wirklichkeit erkennen kann. Man kann

zwei Arten von Regeln unterscheiden: Die Methodologischen Regeln und die Methodischen

Regeln. Beide Begriffe leiten sich aus dem kritischen Methodos und Methodos heißt der ‚Weg‘.

Methode versteht sich als nichts anderes als der Weg zu Erkenntnisfindung. Methodologie ist die

Lehre von der richtigen Vorgangsweise. Darunter versteht man Handlungsanweisungen wie das

wissenschaftliche Erkenntnisstreben zu ordnen ist, welche Verfahrensweisen praktiziert werden

sollen um wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Methodologie ist der lehre der Methoden –

welche Wege sind zu beschreiten um zu welchen Erkenntnisziel zu kommen. Die Paradigma

bestimmt auch welchen Stellenwert bestimmte Methoden, wie etwa Interview oder Inhaltsanalyse

haben um bestimmte Erkenntnisziele zu beschreiben. Zum Beispiel wie eignet sich Interview um

menschliche Einstellungen zu erfassen? Das Paradigma bestimmt was man von dieser

Verfahrensweise erwarten darf. Welcher Stellenwert hat eine bestimmte Methode um ein bestimmtes

Erkenntnisziel zu erreichen? Es konnte der Einwand erfolgen, man kann nur etwas Abfragen was

einem bewusst ist. Einstellungen und Attituden haben an sich drei Dimensionen – wir behaupten es

sind in der Regel drei: Kognitive, Emotionale und Motivationale Dimensionen. Wenn man eine

Frage stellt wird man höchstwahrscheinlich die Wissens-Dimension/Kognitive-Dimension abfragen.

Einige Fragenbeispiele:

(I) Kognitive Ebene: Welche Partei glauben sie kann diesem Land am besten aus der Krise

helfen?

(II) Emotionale Ebene: Wie sympathisch ist ihnen diese Partei?

(III) Motivationale Ebene: Würden sie diese Partei selbst wählen?

Das Methodologische Problem besteht nun darin zu fragen, inwieweit kann man überhaupt

Einstellungen abfragen? Und in welchem Verhältnis stehen die Ebenen zueinander? Man geht

üblicherweise davon aus das es eine einheitliche Beziehung bestünde zwischen die verschiedenen

Ebenen. Was passiert wenn die Beziehung doch brüchig wird? Die Methode ist einfach eine Sache der

Technik: Wie setzt man genau die gewählte Methode eine? Man wählt aufgrund des Paradigmas

bestimmte Regeln auf um den Zusammenhang zwischen Theorie und Empirie herzustellen. Mit

Auswahl der Methode schränkt man bereits das Universum mögliche Phänomene ein. Man kann nur

dass erfassen was sich aufgrund der methodischen Vorüberlegungen erfassen lässt. Das was man

nicht fassen kann existiert nicht: Stichwort Netzparabel. Das Netz kann oder könnte man gleich als

Paradigma verstehen.

Man könnte durchaus sagen dass eine Paradigma für die Wissenschaft durchaus wertvoll ist. Es gab

auch nach Kuhn und Poser eine vor-paradigmatische Phase, wo man Dinge nur Beobachtet hat. So

hat Wissenschaft begonnen; man hat die Merkwürdige Phänomene gesammelt und systematisiert.

Eventuelle entsteht dadurch eine Normalwissenschaft. Krise: Wenn zwischen den beobachteten

Phänomene und den theoretische fundierten Prognosen zu einem Widerspruch kommt. Anomalien

in Bezug auf die nicht in Frage gestellte Grundannahme. Durch Paradigmenwechsel verlegt sie den

Fokus der Wissenschaft. Das Paradigma könnte man auch als Kognitive Muster bzw. Kognitive

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Matrix nennen. Zwischen Paradigma und Theorien steht die Erkenntnisinteresse. Das sind

diejenigen Faktoren die eine Wissenschaft steuern. Begriff des Erkenntnisinteresses kommt aus der

Phylogenese, aus der Entwicklung der Menschheitsgeschichte. Der Mensch stand vor der

Notwendigkeit sich die Welt untertan zu machen. Die Welt zur Hand haben, die Phänomene zu

beherrschen. Mit der Entwicklung der Menschheit haben sich drei großen Formen des

Erkenntnisinteresses herausgebildet.

(I) Technische Erkenntnisinteresse: Stellt sich auf die Beherrschung der Umwelt ab. Ist

immer noch in den Naturwissenschaften zu finden. Auch in der Sozialwissenschaft zu

finden. Da geht es nämlich darum was Menschen denken und fühlen sollten durch

Kommunikationsstimuli. Wie kann ich Wissenschaft einsetzen um etwas bestimmtes zu

erreichen?

(II) Praktisches Erkenntnisinteresse: Hier geht es nicht um die Frage der Beherrschung

sondern um das Zusammenlebens.

(III) Emanzipatorisches Erkenntnisinteresse: Versucht die Lebensmöglichkeiten der

einzelnen gegenüber seinen Umwelt zu verteidigen. Wie hinsichtlich die zunehmende

Anonymisierung und Bürokratisierung das Menschsein gerettet werden? Wie kann man

mithilfe von Kommunikation Entwicklungsprozesse im Gang setzen?

Zwischen Paradigma und Theorien ein Erkenntnisinteresse eingebaut wird als ergänzender Begriff.

7. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 29.11.2010

Kritischer Rationalismus als wissenschaftstheoretisches Dach das über alle Arten von empirischer

Forschung steht. Eine verborgene Grundannahme der hinter alle Arten von empirischer Wissenschaft

steht. Der Schlüssel um Wissenschaft zu verstehen liegt in der historischen Eibettung, also in dem

Paradigmen begriff. Thomas Kuhn hat gezeigt dass die Annahme dass die Wissenschaft sich linear

weiterentwickelt falsch war. Kuhn zeigt in ‚The History of Scientific Revolution‘ das die Wissenschaft

diskontinuierlich/revolutionär voran geht. Wenn die Anomalien sich häufen, dann bricht eine

Paradigma zusammen und es wird nach eine neue gesucht. Zunächst versuchen die Vertreter des

alten Paradigmas die Anomalien auszugleichen, sie versuchen sie in dem herrschenden Paradigma

einzuordnen. Paradigma ist eine Art gemeinsame denken wie man an bestimmte Phänomene

herangeht. Es beschreibt auch die Art und Weise wie man Fragen stellt und welche Fragen man stellt.

Eine Paradigma lässt sich weiter definieren als intersubjektiv geteilte Grundüberzeugungen oder

als Leitgesichtspunkte des denken und Handelns. In dem man eine Paradigma hat, erspart man sich

die ewigen Grundsatz-Diskussionen – die Grundlage der Wissenschaft steht nicht zur Diskussion.

Das ständig sich in Frage stellen ist ein mühsamer Prozess dem man sich durch das folgen einer

Paradigma spart. Das Paradigma ist eine fast unabdingbare Voraussetzung das empirische Forschung

betreibt. Es genügt schon ein leichtes Kratzen an der Oberfläche von Begriffe und schon ist man

mitten in Grundsatz fragen drin.

Die Arbeit am Begriff: Es gibt grundsätzlich nichts das ungefragt richtig ist. Es sind alles nur

Übereinkünfte, ein Konsens der zu bestimmten Begriffe hergestellt wurde der sich als pragmatisch

Sinnvoll erwiesen hat. Der Kitt der diese Übereinkunft bindet ist das unausgesprochene Paradigma.

Zum Beispiel das Paradigma das Massenmedien Wirkungen haben; aber was ist wenn nicht? Müssen

Wirkungen Ergebnisse hinterlassen die man messen kann? Oder kann man bestimmte Wirkungen gar

nicht messen? Paradigma als eine alles bestimmende Grundvoraussetzung. Theorien sind nichts

anderes als Deutungen der Welt in einem bestimmten Ausschnittsbereich. Für PuKW ist die Welt die

‚soziale Kommunikation‘ – das ist die Welt mit der wir uns auseinandersetzen. Das Paradigma leistet

eine Grundlage für die Theoriebildung. Die Phänomene der sozialen Kommunikation reduzieren sich

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eben nicht nur auf die Medien, soziale Kommunikation ist alles was in der Gesellschaft

kommunikativ passiert. Die Medien sind nur einem unter vielen anderen Anteilen.

Das Erkenntnisinteresse ist die Frage nach der wissenschaftlichen Motivation. Jede Arbeit beginnt mit

der Ausweisung des Erkenntnisinteresses. Warum scheint ein bestimmtes Problem wichtig zu sein?

Man muss immer Problemorientiert die Arbeiten gestalten. Das Begriff des Erkenntnisinteresses

bezieht sich auf Jürgen Habermas der darauf hingewiesen hat dass die wurzeln alle

wissenschaftlichen Erkenntnisbemühungen in lebensweltlichen praktischen Interessen liegen. Es

gibt ein ganz praktisches Interesse das Leben zu bewältigen, die Natur zu beherrschen, Konflikte zu

regeln. Die Basis aller wissenschaftlichen Interessen liegt in die Bewältigung des Lebens. „Die

spezifischen Gesichtspunkte unter denen wir Realität auffassen haben ihre Basis in der

Naturgeschichte der Menschheit. In den Bedingungen des Überlebens innerhalb einer

gesellschaftlichen soziokulturellen Lebensform.“ – Habermas. Man kann auch gegen argumentieren

und sagen dass der Primat der Menschen nicht in seiner Naturgeschichte sondern in seine

Geistesgeschichte steht, seine Bewusstseinsgeschichte. „Es gibt drei Bedingungen für die

Reproduktion des menschlichen Lebens. Erstens, die Bearbeitung der Natur. Die Bearbeitung der

Natur hat zur Entwicklung des handwerklichen Könnens geführt. Mit dem handwerklichen Könnens

verknüpft ist das technische Interesse. (Wie mach ich es? Wie optimier ich es?) In der modernen

Wissenschaft artikuliert sich dieses technische Interesse in der Kontrolle und voraussage der

Ereignissen der natürlichen Welt. Um die natürliche Welt kontrollieren zu können, und vorhersehen

zu können braucht es die Erzeugung eines gesetzesartigen Wissens.“ Technische Interessen dienen

eigentlich dem Überleben von Menschen. Dieses Technische Interesse das auf Kontrolle und auf

Steuerung von Systemprozessen abzielt ist auch in den Sozialwissenschaften vorhanden. Dahinter

steht mit Sicherheit der irrtümliche Gedanke dass man die Gesellschaft und das Zusammenleben in

der Gesellschaft gleich wie Naturprozesse begreift. Die Gefahr besteht nun darin das dieses bedenken

der Beherrschung von Naturprozesse übertragen wird auf die Gesellschaft. ‚Wie mach man es um die

Menschen zu manipulieren?‘ ‚Wie macht man es um ihre Einstellungen zu ändern?‘ Fast alles was in

der Kommunikationswissenschaft gemacht wird, orientiert sich an dem technischen

Erkenntnisinteresse. Das meiste was in der Sozialwissenschaften geforscht wird, dem liegt meistens

ein technisches Erkenntnisinteresse zugrunde. Das Technische Erkenntnisinteresse kommt aus der

Notwendigkeit die Natur zu beherrschen bzw. die Gesellschaft zu beherrschen, über sie Einfluss zu

nehmen.

Es gibt ein zweites grundlegendes Erkenntnisinteresse das sich der Phylogenese der Menschheit

herausgebildet hat: das Praktische Erkenntnisinteresse. Für die Reproduktion des menschlichen

Lebens (also die Befriedigung der mentalen Bedürfnisse) ist es auch notwendig

Kommunikationsstörungen zu bewältigen. Denn das gesellschaftliche zusammenleben, wenn es eine

bestimmte Komplexität erreicht hat bedarf eine Grundlage und diese Grundlage bildet die

zuverlässige Intersubjektivität. Es bedarf zuverlässige intersubjektive Beziehungen. Zum Beispiel

muss man sich jeder Zeit darauf verlassen können das ein Vertrag ein Vertrag ist. Es gibt also ein

anthropologisches begründetes praktisches Interesse, das besteht in der Sicherung und der

Erweiterung von Möglichkeiten des gegenseitigen Verstehens. Wie lässt sich dieses gegenseitiges

Verstehen organisieren und sichern und ausweiten? Wie lässt sich das Zusammenleben

multikulturelle Gesellschaften organisieren um diese Verlässlichkeit zu garantieren? Hier geht es um

die Grundlagen des gegenseitigen Verstehens ohne die Gesellschaft nicht gelingen kann. Es geht auch

um die Möglichkeiten der Selbstverständigung in der Lebenspraxis. Die Anerkennungsdiskussion

von Axel Honneth ist genau geführt auf der Grundlage dieses praktischen Erkenntnisinteresses. In

der Anerkennungsdiskussion wird deutlich gemacht dass bevor man jemand andere erkennen kann,

muss man ihn erst Anerkannt haben, als den jeweils anderen erkennen. Es ist die Folge, und nicht die

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Voraussetzung. Es wird im anderen anerkannt die prinzipielle Würde des anderen als abstraktes

Prinzip. Aus der Anerkennung entsteht dann die Achtung im Sinne von Kant. Die Anerkennung

erfolgt nicht auf Basis irgendwelche Eigenschaften, sondern wird a priori vergeben. Beim praktischen

Erkenntnisinteresse geht es eigentlich um die Basis des zwischenmenschlichen Verstehens.

Habermas sagt das praktische Erkenntnisinteresse realisiert sich primär in der historisch

hermeneutischen Wissenschaften – wo es um das verstehen vom Komplexen Prozesse geht.

Insbesondere die Kommunikationswissenschaft wäre aufgerufen weniger das technische

Erkenntnisinteresse zu befriedigen und eher das Praktische. Wer wenn nicht die

Kommunikationswissenschaft könnte sich mit Probleme der menschlichen Kommunikation befassen?

Es geschieht aber nicht. In der Historisch-Hermeneutischen Wissenschaften geht es um eine

interpretativen Vorgang/Verstehen von gesellschaftlichen Handlungszusammenhängen.

Beim emanzipatorischen Erkenntnisinteresse geht es um die Bewältigung der Diskrepanz zwischen

dem denkbaren subjektiven Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten auf der einen Seite und dem

was tatsächlich Eingang in die gesellschaftliche Praxis findet. Man muss sich in seine subjektiv

empfundene Entfaltungsmöglichkeiten realisieren können. Die emanzipatorischen

Erkenntnisinteresse stoßt in den Wiederspruch (Diskrepanz) vor zwischen den subjektiven

Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten die man in sich trägt und den was tatsächlich möglich ist,

oder das was Eingang finden kann in der gesellschaftlichen Praxis. Hier sind es vor allem die

Mechanismen der gesellschaftlichen Macht die eine zentrale Rolle spielen. Diese Mechanismen

verhindern dass diese Diskrepanz kleiner wird. Zum Beispiel die strukturelle Bedingungen

gesellschaftliche Ungleichheit. Das emanzipatorische Interesse artikuliert sich in einer kritischen

Stellung gegenüber den eigenen geschichtlichen Prozessen. Das heißt auch die

Geschichtlichkeit/Gewordenheit gesellschaftlichen seins. Gesellschaft ist nicht bloß als Faktum da,

oder als Ansammlung von Fakten denen man begegnet sondern die gesellschaftlichen Fakten sind

definierte Fakten, also von jemand definiert. Möglicherweise aus einer bestimmte Absicht oder aus

bestimmten Interessen. Faktum ist etwas Gemachtes und Gewordenes, also ist es nicht objektiv und

unumstößlich. Emanzipatorische Interesse artikuliert sich die Fähigkeit das jeweils gegebene nicht als

die Letztinstanz sich damit abzufinden, sondern als etwas Gewordenes zu verstehen.

Emanzipatorisches Interesse kann man auch auf sich selbst anwenden. Man reflektiert seinen

jeweiligen zustand vor dem Hintergrund der subjektiven genese des Individuums. Beispielswiese

wirken sich Prozesse der Erziehung auf eine ganz bestimmte Art und Weise. Die Beringungen eines

Zustands setzt man in Relation zu den Entstehungsbedingungen des Zustandes. Es entsteht die

Frage: Wer bin ich wirklich? Als Beispiel nennt Habermas die Psychoanalyse. Psychoanalyse ist

Beispiel von einem kritischen Verhalten zur Geschichtlichkeit nicht nur der Gesellschaft sondern auch

die gewordenheit der eigenen Subjektivität. Träger des emanzipatorischen Interesses ist aber auch die

Ideologiekritik. Auch die kritische Gesellschaftstheorie. Die kritische Gesellschaftstheorie setzt sich

auch kritisch mit der Geschichtlichkeit der gesellschaftlichen Existenz auseinander. Die Erkenntnisse

der gewordenheit dessen was ist haben in sich den Keim zu Veränderbarkeit. Das gewordene wird

zu etwas was man wiederum verändern kann, wenn man sich dazu kritisch Verhält. Das ist das Kern

der Vorwurf gegen den kritischen Rationalismus, nämlich das er blind macht zu dieser historischen

Gewordenheit der Entwicklung der Prozesse. Er beschäftigt sich nur mit den gesellschaftlichen

Fakten ohne zu fragen wie diese Fakten geworden sind. Die Phänomene in der PuKW sind

Oberflächen Phänomene, sie sind meist nur einen Ausweise für etwas tiefer verborgenes. Das was

verborgen ist hängt eng mit der Geschichtlichkeit zusammen. Das emanzipatorische

Erkenntnisinteresse versucht hinter diese Fassade erkennbarer soziale Probleme zu sehen, und diese

Probleme selbst zuerkennen als des jeweiligen historischen Ausfluss dahinterstehende Widersprüche.

Page 28: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

28

Die erkenntnisinteressen stellen allgemeine Orientierungen bzw. kognitive Strukturen oder Strategien

dar. Der Vorwurf der kritischen Theorie an dem kritischen Rationalismus besteht darin das er die

komplexe Wirklichkeit auf positivistischer Sichtweise reduziert. Die Vernunft wird also einseitig auf

das technische Vernunftsinteresse reduziert. Das Interesse der technischen besteht gerade in diesem

Anspruch, dieser Hoffnung, diese Erwartung auf Steuerung und Beherrschung. Die menschliche

Vernunft wird im Positivismus einseitig reduziert auf ein technisches Vernunftinteresse. Diese

besteht darin die natürliche aber auch soziale Welt zu steuern und zu kontrollieren. Genau da beginnt

die Machtproblematik. Das Interpretative Paradigma entspricht dem praktischen Erkenntnisinteresse

denn es geht um die Interpretation von gesellschaftlichen Verhältnissen. Der Steuerungsparadigma

hingegen hat ein bestimmtes Kausalitätsdenken in sich. Es ist deterministisch, deterministisches

Denken – der Mensch wird geprägt von seiner Umwelt. Das Interpretative Paradigma ist das

Gegenteil davon. Es ist eine geistige Grundorientierung die davon ausgeht das der Mensch nicht

abhängig ist von gesellschaftlichem Einfluss, sondern das er diese aktiv gegenübertritt. Der Mensch

interpretiert sich im Verhältnis zu den anderen und im Verhältnis zur Welt. Letztlich sind diese

Interpretationsprozesse Prozesse der Sinnzuweisung. Das Interpretative-Paradigma ist ein wesentlich

für den Menschsein Entsprechender Ansatz als der Steuerungsparadigma. Diese Auseinandersetzung

mit der Sinnzuweisung folgt eher dem praktischen Erkenntnisinteresse. Es geht um die Frage: Wie

wird der Sinn zugewiesen? Zum Beispiel: Welche Bedeutung haben die Medien für jugendliche? Die

anthropologische Grundvoraussetzung des interpretativen Paradigmas liegt darin das dem

Menschen Freiheit zugewiesen wird. Kommunikation besteht nämlich darin das Sinn zugewiesen

wird. Und dieser Sinn kann abgewandelt werden; es bleibt nicht gleich. Eine vorherrschende

Paradigma zieht ein vorherrschendes Erkenntnisinteresse nach sich. Wenn jemand nur Einfluss haben

will, auf egal wen, dann folgt er eo ipso einen Steuerungsparadigma. Daraus folgt dass sein gesamtes

bestreben auch in dem wie Wissenschaft funktioniert auf die Verwirklichung eines technisches

Erkenntnisinteresses ausgerichtet ist. Der Mensch, der Subjekt hat auch praktische

Erkenntnisinteressen, zum Beispiel um Verständigungsprozesse zu optimieren. Ein Beispiel dafür ist

die Theorie kommunikativen Handelns. Es gibt nämlich nur zwei Möglichkeiten Verständigung

herzustellen:

(I) Vernunft bzw. Vernünftigkeit, und das bessere Argument

(II) Oder durch die Macht

Man kann Verständigung erzwingen oder man kann sich auseinandersetzen. Die Theorie

Kommunikativen Handelns ist nichts anderes als ein versuch zu zeigen wie Verständigung

herbeigeführt werden kann. Und zwar durch Sprache. Die Sprache ist das einzige Ort wo die

Vernunft zuhause ist. Die Vernunft druckt sich sprachlich aus. Habermas sagt ‚Die Telos der Sprache

ist die Vernunft.‘ In die Theorie Kommunikativen Handelns geht es darum wie man der Vernunft

zum Durchbruch verhelfen kann, auf sprachlicher ebene. Worin manifestiert sich die Vernünftigkeit

der Sprache? Im Argument. Die Frage ist ja grundsätzlich: Was ist die dahinterstehende Motivation?

Welcher Sinn wird denn zugewiesen? Der aktive Rezipient ist der der Sinn zuweist. Das ist der der

bestimmten Bedürfnissen folgt und Medienkonsum im Zusammenhang mit seinen subjektiven

Erwartungen betreibt. Die können bewusst oder unbewusst sein. Erst in weiterer Folge entsteht ein

bestimmtes Medienverhalten. Aber den Medienverhalten liegt eine psychische Aktivität zugrunde.

Kritische Rationalismus: Karl Popper versteht die Wissenschaft als Problemlösen. Wissenschaft hat

die Aufgabe Probleme zu lösen. Sofort denk man an die technisches Erkenntnisinteresse. Er geht

von der Grundannahme hinaus, alles wissen ist fallibel. Alles wissen ist vorläufig. Es gibt durch

dieses Wissen keine Gewissheit. Jede Gewissheit ist ausgeschlossen. Deshalb kann nicht im Sinn von

Verifikation wissen produziert werden. Falsifikationsprinzip: das wissenschaftliche Handeln muss

Page 29: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

29

sich darum bemühen die aufgestellten Theorien zu Wiederlegen und nicht zu Bestätigen. Das Ganze

dient dazu sich der Wahrheit anzunähern. Wie kann man durch Wissen an die Wahrheit näher

kommen? Das Wissen kann sich die Wahrheit nur asymptotisch annähern. Die Annäherung an die

Wahrheit hat als einziges Prinzip die Falsifikation – ein ständiges bemühen das einmal erreicht

wissen in Frage zu stellen. Als methodisches Prinzip meint der Kritik ein ständige

widerlegungsversuch – darin ist der Kritikbegriff begründet. Die gesellschaftspolitische Dimension

des Falsifikationsprinzips liegt darin das jede politische Macht, jede Ideologie mit dem Anspruch auf

das Alleinvertretungsrecht von Wahrheit zu haben verwerflich ist. Jedes politisches System muss

frei kritisierbar sein. Die freie Kritisierbarkeit der politischen Entscheidungen ist die einzige Garantie

dafür dass die Gesellschaft frei bleibt. Deshalb wendet sich Karl Popper ganz massiv gegen totalitäre

Regime, weil sie Kritikimmun sind. Je mehr sich den politisches System gegen Kritik immunisiert

desto mehr läuft es die Gefahr sich in eine Richtung zu bewegen weg von der Demokratie. Der

Schlüssel der freien Demokratie besteht darin dass sie kritisierbar ist. Das politische Regime

entwickelt sich durch das Prinzip des Widerspruchs und nicht durch das Prinzip des Zuspruches.

8. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 06.12.2010

Kritische Rationalismus ist jene Methodologie die zeigen soll wie sich Wissenschaftlichen Fortschritt

vollziehen kann. Man könnte zusammenfassen: Wissenschaft ist wahrheitssuche durch Kritik, nicht

etwa durch Bestätigung. Kritik heißt in diesem Zusammenhang die suche immer wieder ob etwas auf

eine mögliche Widerlegung zugespitzt werden kann. Der kritische Rationalismus besteht aus vier

Ebenen:

(I) Erkenntnistheoretische Ebene: Der kritische Rationalismus behauptet die prinzipielle

Fehlbarkeit der Vernunft. Fallibilität des Wissens: Die Einsicht der prinzipiellen

Fehlbarkeit der Vernunft. Die menschliche Vernunft ist Irrtumsanfällig und ist deshalb

nicht in der Lage zu einen absolut gesicherten wissen und zu einem für allemal gültigen

Erkenntnisstand zu gelangen. Wissenschaftliche Erkenntnis muss daher versuchen durch

Versuch und Irrtum Fehlerkorrektur zu betreiben. Das wird gemacht weil man sich an

die Wahrheit nur durch Widerlegung, durch Fehlerkorrektur annähern kann. Das

Falsifikationsprinzip zeigt den Vorgang wie man sich die Wahrheit annähern kann;

durch Widerlegung und Ausmerzung von Fehlern, durch ‚Trial & Error‘

(II) Geschichtsphilosophische Ebene: All jene Theorien werden kritisiert die die

Geschichtsverlauf durch determinierende Gesetzmäßigkeiten geformt sind. Diese

Theorien bezeichnet Popper als Historizismus. Historizismus bezeichnet die Idee dass

etwas nicht irgendwie anders gewesen sein könnte. Dieses determinierende, also auf

Gesetzmäßigkeiten abstellende Geschichtsverständnis lehnt Karl Popper und der

kritischen Rationalismus ab. In diesem Zusammenhang kritisiert der kritische

Rationalismus jene Denkhaltungen die aus einer vagen Ganzheit und Totalitätsidee die

Gesellschaft als Ganzes erfassen wollen und behaupten dass die bestehende Gesellschaft

nur als Ganzes revolutionär zu verändern wäre. Das ist genau der Punkt wo Popper mit

Adorno im Widerspruch liegt. Kritische Theorie postuliert dass man diese

häppchenweise Entwicklung von Wissensbausteine letztlich nicht die Gesamtstruktur

der Totalität der Gesellschaft transparent zu machen vermag. Diese ‚piecemeal‘ ‚Social

Engineering‘ führt letztendlich dazu das die falsche Bewusstsein über eine Gesellschaft

hat und das man dadurch seine eigene Position in Bezug auf diese Gesellschaft nicht zu

reflektieren vermag. Die Kritische Theorie geht also davon aus die Gesellschaft als

totales Phänomen zu begreifen, als Ganzheit. Die Kritische Theorie versucht zu

verdeutlichen das die Probleme mit dem wir Konfrontiert werden, nicht anderes sind als

die Erscheinungen einen verborgenen Widersprüchlichkeit. Kapitalistenvorwurf: Im

Page 30: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

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Vordergrund steht das ‚Tauschprinizip‘ dem man sich nicht entziehen kann und dieses

Tauschprinzip würde die Lebensweise, die ‚Seinsweise‘ der Menschen in der Gesellschaft

prägen. Die Marxistische Kritik an der Ökonomisierung der Gesellschaft war schon nicht

unrichtig. Das nämlich alles dem Tauschprinzip unterstellt – der kapitalistische

Warenzirkulation. Bildung zum Beispiel funktioniert unter dem Gesichtspunkt wo man

den größten materiellen nutzen aus dem Studium hat und nicht unter der Frage ‚Wo

kann ich für mich die maximalste Wissen beziehen um sozusagen meinen Menschsein zu

verwirklichen?‘ Es geht nicht um die Frage: ‚Welche Bildungsziele streben wir an?‘ ‚Was

soll diese Studienplatz bewirken?‘ Es geht um wo kann ich die besten Voraussetzungen

finden um maximal verdienen zu können. Nie ist die Universität unter der reinen

Verwertbarkeit gestanden. Es ging immer um nicht unmittelbar verwertbares wissen. Es

wurde als für das Menschwerden wichtig erachtet. Die Kritische Theorie hat weder die

bürgerliche Wissenschaft rechtfertigen wollen noch hat sie ein totalitäres System bzw.

Bildungsverständnis rechtfertigen wollen. Sie verstand sich als gleichermaßen in Distanz

zu beiden Wissenschaften.

(III) Ideologiekritische Ebene: Der kritische Rationalismus lehnt jegliche theoretische oder

praktische Absolutheitsansprüche ab. Wer bezeichnet diese als Interpretationsmonopol

und wendet sich gegen diese. Die sogenannte ‚Deutungshoheit‘ über Gesellschaft oder

Teilbereiche der Gesellschaft wird abgelehnt. Es sollte niemand ein Erkenntnismonopol

in der Gesellschaft haben. Kein gesellschaftliche Elite oder Denkschule hat ein

Erkenntnismonopol auf letzte Wahrheit und Gewissheit.

(IV) Der Staat wird, anschließend an diese Überlegungen, primär als sozialtechnisches

Instrument aufgefasst mit dessen Hilfe Institutionen, Regeln, Gesetzte usw. installiert

werden die es möglich machen das die Machstruktur kontrolliert werden können.

Freiheit von zwang und Unterdrückung des Anderen.

Als Forschungsmethode besagt der kritische Rationalismus das die wissenschaftlichen Theorien

durch Widerlegungsversuche getestet werden sollen, und nicht durch Beleg. Widerlegt und nicht

abgesichert werden. Der Weg zur Widerlegung ist der methodische Falsifikationismus.

Falsifikationismus soll das Induktionsproblem lösen. Induktionsproblem: Theorien stellen

Behauptungen auf in sogenannte all-Sätze: ‚Alle Schwäne sind Weiß‘ oder ‚Jeden Morgen geht die

Sonne auf‘. Theorien machen in All-Sätze Behauptungen über alle Ereignisse einer Art. Für alle

Ereignisse einer jeweiligen Ereignisklasse werden diese All-Sätze hergestellt. Wenn man empirische

Theorien in Hinblick auf ihr Wahrheitsgehalt prüfen will, bereiten diese All-Sätze Schwierigkeiten.

Zur Prüfung empirische Theorien stehen immer nur einzelne Beobachtungen, d.h. singuläre

Beobachtungssätze zur Verfügung. Man kann also All-Aussagen nur auf Basis diese singulären

Beobachtungen überprüfen. Die Beobachtung liefert endlich viele Belege von singulären Sätzen.

Einen All-Satz behauptet allerdings etwas über alle Ereignisse, und zwar auch über die zukünftigen

Ereignisse. Es gibt also eine Differenz der von der Beobachtung berücksichtigten und der von der

Theorie behaupteten Ereignisse. In diese Differenz können beliebig viele der Theorie

wiedersprechende Gegenbeispiele angesiedelt sein. Wobei ein Gegenbeispiel ausreichen würde die

gesamte Theorie zu falsifizieren. Daraus folgert Popper das empirische Theorien durch Beobachtung

nicht zu beweisen sind. Die Existenz eines Gegenbeispiels kann nie ausgeschlossen werden. Man

kann also Theorien durch Beobachtungen nicht bestätigen, aber sehr wohl Falsifizieren. Keine

empirische Theorie ist induktiv Beweisbar – es darf also nicht von der einzelnen Beobachtung auf

eine allgemeine geschlossen werden. Die Kluft zwischen der ähnliche Vielfalt einzelner

Beobachtungen die man jetzt tut oder getan hat auf einer Aussage über alle Ereignisse dieser Klasse,

auch die künftigen ist unüberbrückbar. Man kann nur Aussagen treffen über das was man beobachtet

hat oder das was man gerade beobachtet. Die Schlussfolgerung auf die Zukunft ist immer tentativ; es

Page 31: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

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passiert mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Theorien sind also nicht bestätigbar aber sehr wohl

falsifizierbar. Auf diese Eigenschaft kann man daher eine kritische Forschungsmethode aufbauen.

Diese Methode ist also bemüht Theorien zu falsifizieren umso zwei Ziele zu erreichen:

(I) Mit jeder gelungenen Widerlegung kommt man der Wahrheit näher. Aus dem Fehler

einer Theorie kann man etwas über den wahren Verhältnissen lernen. Jeder Fehler den

man entdeckt bringt einen Schritt weiter. Also nicht der Fehler ist das Problem, sondern

dass man die Fehler nicht suchen möchte.

(II) Jede misslungene Widerlegung zeigt dass die getestete Theorie sich bewährt – vielleicht

also doch wahr sein könnte. Über die widerlegungsversuche erhält man Erkenntnisse

über die wahrheitsnähe bewährter Theorien.

Der Weg der Wahrheitssuche, der Wahrheitsfindung, der Wahrheitsnähe über die Widerlegung geht.

Nicht nur im wissenschaftlichen Bereich, sondern durchaus auch im politischen Bereich. Ein

politisches System muss widerlegbar sein – es muss sich der Kontrolle aussetzen können. Jede

politische Partei tut sich gut daran ihre Fehler bekannt zu geben. Nicht mauern und zumachen – als

nichts zugeben, verschleiern – das ist keine gute Public Relations. Man sollte eine aktive Fehlerkultur

betreiben. Die Transparenz hinsichtlich Fehler führt nicht unbedingt zu einem Verlust des

Vertrauens. Das Vertrauen geht mit größerer Sicherheit verloren wenn man Fehlern macht und diese

nicht zugibt. Klagmotive in der Medizin liegen nie unmittelbar und ausschließlich und zur hundert

Prozent im Bereich des Kunstfehlers. Das Klagemotiv besteht darin das man die Kommunikation

nicht zulässt – das die Fehler nicht eingestanden werden. Oder das keiner Form der Entschuldigung.

Kritische Theorie der Frankfurter Schule: Frankfurter Schule deswegen weil sich dieses Denken an

der Frankfurter Universität entwickelt hat. Adorno, Herbert Marcuse, Max Horkheimer waren die

Hauptproponenten der Kritischen Theorie. Frankfurter Institut wurde in 1924 als Institut für

Sozialforschung gegründet an der Universität Frankfurt am Main. Die Frankfurter Schule begreift

sich als kritische Alternative einerseits zur bürgerlich etablierten Sozialwissenschaft und andererseits

auch als alternative zur totalitären Richtungen des sozialwissenschaftlichen Denkens. Die Denker der

Frankfurter Schule streben ein Bewusstsein an für die Notwendigkeit der Veränderung der

Gesellschaft. Die Denker der Frankfurter Schule treten für die Veränderung des Systems ein weil trotz

des technischen Fortschritts oder gerade auch deswegen die Ohnmacht des Individuums angesichts

der Struktur die Gesellschaft zunimmt. Wie kann man ein entsprechendes gesellschaftliches

Bewusstsein zur Veränderung diese Situation schaffen, damit erkannt wird dass die Entwicklung der

Gesellschaft diese Ohnmachtssituation produziert? Wie kann man den Ohnmachtsgefühlen eines

Individuums gegenüber einem anonymen Apparat abhelfen? Wie kann man die Rechte und

Bedürfnisse des Individuums wieder im Mittelpunkt rücken? Es geht um den Spannungsverhältnis

zwischen Großstruktur gesellschaftlicher Art und das Empfinden des Individuums. Der Fokus der

Aufmerksamkeit wird auf die Mechanismen dieser Verdrängung gelegt. Aus Sicht der kritischen

Theorie stehen die Medien nicht im Dienste der Aufhebung dieser Entfremdung in dem sie einem

kritischen Gesellschaftlichen Bewusstsein schaffen, sondern sie stehen im Dienste der Verschleierung

dieser Abhängigkeitsverhältnisse. Sie dienen dazu das dem Menschen nicht zu eine Bewusstsein

kommt von seine Situation, seine realen Ohnmacht. Sie verhindern also dass so was wie einem

Revolutionär potential entsteht in dem sie die Menschen durch Unterhaltungsangebote in einer

Zustand der Entfremdung halten. Gemessen an den heutigen Verhältnissen waren sie in der

Diagnostik nicht so schlecht. Der Frankfurter Schule geht es um die Entwicklung kritischer

Denkmodelle zwecks Veränderung der gesellschaftlichen Praxis. Sozialwissenschaft hat die Aufgabe

kritisches Bewusstsein und kritische Öffentlichkeit herzustellen. Insbesondre warf die kritischen

Theorie der bürgerlichen Wissenschaft dreierlei dingen vor:

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32

(I) Positivismus-Vorwurf: Jene Art des Denkens in der Sozialwissenschaft der davon

ausgeht den sozialen Tatbeständen wie objektive Tatsachen anzusehen werden müssen.

a. Fakten-Fetischismus: Die Fixierung auf sogenannte Fakten, wobei Fakten etwas sind

die von der Wissenschaft definiert werden. Wissenschaft definiert soziale Probleme

als Fakten. Das Problem ist die soziale Problem um denen sich die Wissenschaft

kümmert werden verobjektiviert. Sie werden wie Dinge behandelt. Eine

Verdinglichung von sozialen Verhältnissen. Diese ‚Dingen‘ aber sind selbst etwas

von Menschen gemachtes. Hinter den Dingen liegt die Widersprüchlichkeit der

Gesellschaft insgesamt. Die Fixierung auf Fakten ist somit eine Verlagerung des

Problems von dem Hintergrund auf die Oberfläche. Der Problemcharakter liegt

verborgen in der Widersprüchlichkeit der Gesellschaft. Man kann diese

Widersprüchlichkeit der Gesellschaft nicht über ihre Erscheinungen erkennbar

machen. Sie Bildet sich zwar ab in diese sozialen Phänomene aber die Lösung liegt

eigentlich dahinter. Positivistische Sozialwissenschaft tut so als wäre die Fakten die

sie beobachtet nicht etwas von dem Menschen gemachtes, dessen Problemgenese

Mann nicht weiter verfolgen bräuchte. Der Umstand dass die Fakten etwas

Gemachtes sind wird Ausgeblendet. Die Konzentration auf Fakten blendet den

Ganzen historischen, sozio-ökonomischen entwicklungszusammenhang des

jeweiligen Faktums aus. ‚Halten wir uns an die Fakten‘ heißt nichts anderes als

‚Halten wir uns an das was Menschen gemacht haben‘ Fakten sind das jeweilige

Produkt von Handlungszusammenhängen die man beliebig als solches definiert. Die

Objektivität scheinbar gerechtfertigt durch die Statistik. Die Repräsentativität von

1000 subjektive haben immer noch als Ursprung eine subjektive Meinung, die von

der Wissenschaft klassifiziert und definiert werden. Die gesammelten

Subjektivismen werden noch einmal verstärkt durch eine Pseudo-Objektivierende

Umgang mit ihnen. In Wirklichkeit ist es der Forscher oder Wissenschaftler der diese

Daten Interpretiert und Deutet und in Relation setzt. Die Objektivität der Kritischen

Theorie besteht in dem Strukturzusammenhänge der Gesellschaft insgesamt.

(II) Vorwurf des Subjektivismus: Das was die Sozialwissenschaft beobachten kann sind

Verhaltensweisen. Diese Verhaltensweisen sind aber subjektiv. Es ist also eine

Summierung, eine Auflistung von subjektiven Verhaltensweisen. In Wirklichkeit

produziert die Sozialwissenschaft Subjektivität – verkauft aber dieses als Objektiv.

Objektiv sind aber nur die realen Widersprüche der Gesellschaft.

(III) Theoriefeindigkeit: Um diese verborgene Hintergrunde zu durchleuchten bedarf man

Theorien. Die Theorie spricht immer gegen den Augenschein. Wenn man sich aber im

Augenschein eingerichtet hat, auf der Ebene der Erscheinungen und mit der Theorie die

Hintergrunde versucht zu beleuchten. Um die Erscheinungen als logische Konsequenz

des verborgenen Hintergrunds erkennbar zu machen, stellt man alles Bisherige in Frage.

Die Beschäftigung mit Theorien ist immer unangenehm für die die am Status Quo

festhalten möchten. „Die Feindschaft gegen das theoretische überhaupt die heute im

öffentlichen Leben passiert richtet sich in Wahrheit gegen die verändernde Aktivität. Mit

der Theorie verbunden ist das Potenzial zur Veränderung. Wenn man erkannt hat wie

die Zusammenhänge sein könnten ist damit ein Potenzial verknüpft das man es auch

verändern kann. In diesem Punkt überschneidet sich Kritische Theorie und Kritische

Rationalismus. Kritische Rationalismus behauptet nämlich auch dass wir immer nur im

Besitz des vorläufigen Wahrheit sind. Der der sich theoretische beschäftigt geht radikal

vor – er will die wurzeln erkennen. Die bürgerliche Gesellschaft wollte sich dagegen

wehren um den Status Quo beizubehalten. Es macht kein sinn nur auf die einzelne

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Erscheinung zu achten, ohne den dahinterstehenden Film in Betracht zu ziehen. Im Sinne

der kritischen Theorie sollte die Soziallwissenschaft immer das verborgene allgemeines

vermitteln. So kann man die Welt der Erscheinungen zuordnen. Was bedeutet es das

Menschen immer mehr Angst haben? Die Frage muss gestellt werden ‚Was liegt hinter

dem Symptom?‘, nicht nur Psychopharmaka verschreiben. Jeder zweite Arzt in

Deutschland sagt er wolle nie wieder Arzt werden. Eine Antwort darauf ist keinesfalls

‚Weniger Stress am Arbeitsplatz‘ – dieses heißt noch lange nicht ‚Sinnerfüllung durch

intensiven kommunikativen Patientenkontakt.‘ Die Selbstmordrate bei Anästhesisten ist

überdurchschnittlich hoch.

Positivistisch denkende Wissenschaftler geben eine Antwort auf das Symptom. Die Kritische Theorie

war eine Möglichkeit nachzudenken ob die Lampe doch nicht was mit dem Motor zu tun hatte.

Adorno und Horkheimer haben aus einer bestimmten ideologischen Position heraus, nämlich

Marxismus und Neo-Marxismus, die Gesellschaft einseitig unter dem Gesichtspunkt des

kapitalistischen Tauschsystems gesehen haben. Das war eine Entführung der Wahrnehmung, einen

Reduktionismus nämlich dass alles mit der Warensystem zu tun hat.

9. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 13.12.2010

In seinem Buch Wissen ohne Bewusstsein erklärt Franz Dröge erklärt er wie Kritische Theorie mit

Kommunikationswissenschaft verbunden ist. Der Titel deutet aber schon darauf hin worum es geht.

Das gesamt akkumulierte wissen führt nicht unbedingt zu einer Bewusstsein. Man kann wissen

generieren aber daraus entsteht nicht automatische gesellschaftliches Relevantes Bewusstsein. Dröge

Kritik an der bürgerlichen Kommunikationswissenschaft: „Theorie bestehen also im nichts anderes

als in der Formal abstrakten Klassifikation der kommunikativen Phänomene. Diese Theorie hat eine

reine Ordnungsfunktion. Das Chaos der Erscheinungswelt wird im Kantischen sinn gegliedert.“

Dieser Fehlschluss, nämlich sich nur auf der Ordnung der Phänomene zu beschränken passierte auch

heutzutage wieder z.B. bei dem Hearings für die neuen Professuren am Institut. Theorien werden

missverstanden als Ordnung-Schemata, die Voraussetzung der Klassifikation müssen aber auch

transparent sein. „Eine solche Wissenschaft die das Problem gesellschaftliche Widersprüche in ihre

kommunikative Erscheinungsweise gar nicht berührt unterstützt die bestehenden Verhältnisse weil

sie deren formalen Gestände registriert, im gesellschaftlichen Inhalt aber unreflektiert ist.“ – Franz

Dröge. Die Widersprüchlichkeit die sich dahinter verbirgt wird verschleiert. Diese Widersprüche sind

keine mechanistischen Widersprüche, sondern sind dynamische Widersprüche die sich durch das

Zusammenleben der Menschen entstehen. Sie sind nicht da als Objekte, sondern sind etwas

gesellschaftliche Vorgebrachtes, Erzeugtes – also auch veränderbares. Die Positivistische

Wissenschaft tut so also wäre die Phänomene die sie betrachtet unveränderbar. Es reicht nicht aus zu

erzählen was es alles gibt oder nur zu klassifizieren. Verändern zum Beispiel die Spiele in Cyberspace

unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit und somit unsere Menschseins insgesamt. Wenn wir bloß

formalisiert feststellen was es gibt besteht die Gefahr dass man die Dinge einfach in ihrem Status Quo

zementiert. Forschung im Dienste der Erhaltung des Status Quo. Nehmen wir als Beispiel die

Meinungsumfrage: Mithilfe einen künstlichen Mechanismus, nämlich einer Meinungsbefragung,

erheben wir eine Durchschnittsmeinung, spielen diese Durchschnittsmeinung zurück in die

Gesellschaft, und die Gesellschaft orientiert sich an diesem Artefakt das von der Wissenschaft erzeugt

wurde. Es entsteht ein ‚Self-Fulfilling Prophecy‘. Die Wissenschaft misst etwas dass es ohne sie nicht

oder nicht so gegeben hätte. Diese Art der Konstruktion von Wirklichkeit wird dann als Objektivität

angepriesen. Allerdings ist es bloß die Summe von subjektiv erhobener Meinungen – und zwar auf

doppelter Weise Subjektiv: Dem Interesse der wissenschaftliche Forschung folgend und eine

vermeintliche subjektive Interesse des Probanden/Befragten. Der Befragte reagiert auf bestimmte

verbale Stimuli die ihn in einer Bandbreite vorgelegt wird. Soziale Beziehungen werden in diesem

Page 34: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

34

Fall verdinglicht. Wenn zum Beispiel das Medizinsystem Patienten als Klienten sieht, oder als Kunde

ist das eine Verdinglichung der Beziehung zwischen Patient und Arzt. Der Prozess wird zum

ökonomischen Größe – zur Tauschwert reduziert. Hier treten nicht Klient und Leistungserbringer in

Beziehung, sondern zunächst ein Leidender und ein Heiler. Die Verdinglichung ist die

Anerkennungsvergessenheit - man vergisst den anderen als Mensch zu (an)erkennen. Die subjektive

Leidenssituation der anderen wird nicht erkannt – er wird zum ökonomischen Partner reduziert. Jede

Beziehung hat eine Eigenwertigkeit die in der Beziehung zwischen den Partner zu einander enthalten

ist. Die Verdinglichung besteht darin über diese subjektive Beziehung und ihre Einmaligkeit abstrakt

Prinzipien zu legen. Die Wissenschaft schaut nur nach was genau diese subjektive Beziehungen

definiert und verachtet den Einzelwert. Sympathie zwischen zwei Menschen ist eigentlich nicht

wissenschaftlich erklärbar. Um es zu erklären muss man auf abstrakte Konzepte zurückgreifen. Zum

Beispiel teilen die Menschen dieselbe Sprachgemeinschaft oder denselben kulturellen Raum. Das

Fingermerk auf die Verdinglichung zu legen war eine verdienstvoll Geschichte der Kritischen

Theorie, nur ist es verkürzt geworden durch Ökonomisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse.

Alles wurde unter den ökonomischen Gesichtspunkt oder den Prinzip der Tauschwert gesehen. Es sei

aber trotzdem darauf hingewiesen dass die Verdinglichung ein großes Problem ist.

Positivismus Streit (alle Argumente im Roten Skriptum nachzulesen)

Karl Popper hat in Tübingen einen Referat gehalten mit dem Titel, ‚Die Logik der

Sozialwissenschaften‘. Adorno hat sich auf dieses Referat sehr scharf bezogen. In der vierten These

sagt Karl Popper „So weit man überhaupt davon sprechen kann dass die Wissenschaft oder die

Erkenntnis irgendwo beginnt, die Erkenntnis beginnt nicht mit der Beobachtung – sie beginnt nicht

mit der Wahrnehmung. Sie beginnt nicht mit Beobachtung, Wahrnehmung oder Sammlungen von

Daten oder Tatsachen.“ – Karl Popper. Popper betrachtet die sozialen Phänomene nicht nur als

Tatsachen – dies spricht gegen den Vorwurf die man ihn gemacht hat, das sogenannte Tatsache- bzw.

Fakten-Fetischismus. „Sondern sie beginnt mit den Problemen. Kein wissen ohne Probleme, aber

auch keine Probleme ohne Wissen. Alle Wissenschaft beginnt mit der Spannung zwischen Wissen

und Nicht-Wissen.“ Wissenschaft beginnt also letztlich nicht mit den Tatsachen, sondern mit der

Differenz zwischen Wissen und Nicht-Wissen. Logisch betrachtet geht’s um die Entdeckung eines

immanenten Widerspruchs zwischen unserem Vermeintlichen wissen und dem Tatsachen. Oder, in

der Entdeckung eines anscheinenden Widerspruches zwischen unseren vermeintlichen Wissen und

den vermeintlichen Tatsachen. Fünfte These: Eben so wie alle anderen Wissenschaften, sind die

Sozialwissenschaften erfolgreich oder erfolglos, interessant oder schal, fruchtbar oder unfruchtbar, im

genauen Verhältnis zu der Bedeutung oder Interesse der Probleme um die es sich handelt. Und

natürlich auch im genauen Verhältnis zur Ehrlichkeit, Geradheit, und Einfachheit mit der diese

Probleme angegriffen werden. Der Ausgangspunkt ist immer das Problem. Man soll nie einer Arbeit

mit einer Definition beginnen. Die Beobachtung wird nur dann zum Ausgangspunkt wenn sie ein

Problem enthüllt oder wenn sie uns überrascht in dem sie etwas Aufweist das nicht mit unsere

Theorien übereinstimmt. Beobachtungen stehen nur dann im Vordergrund wenn sie bestimmten

bewussten oder unbewussten Erwartungen widersprechen. Sechste These: „Die Methode der

Sozialwissenschaften wie auch in die Naturwissenschaften besteht darin, Lösungsversuche für ihre

Probleme auszuprobieren. Lösungen werden vorgeschlagen und kritisiert. Wenn eine Lösung der

sachlichen Kritik nicht zugänglich ist, so wird er deshalb als unwissenschaftlich ausgeschaltet. Wenn

er eine sachliche Kritik zugänglich ist, dann versuchen wir ihn zu wiederlegen. Alle Kritik besteht in

widerlegungsversuche. Wenn ein Lösungsversuch durch unsere Kritik widerlegt wird, so versuchen

wir es mit eine andere Lösungsversuch. Wenn er der Kritik standhält, dann akzeptieren wir ihn

vorläufig. Wir akzeptieren ihn vor allem als würdig weiter diskutiert und kritisiert zu werden. Die

Methode der Wissenschaft ist also die des tentativen Lösungsversuches, der von der schärfsten Kritik

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kontrolliert wird. Es ist eine kritische [weiterentwicklung] der Methode des ‚Versuch & Irrtums‘. Die

sogenannte ‚Objektivität‘ der Wissenschaft besteht in der Objektivität der kritischen Methode und

eben nicht die Objektivität des Wissenschaftlers. Objektivität ist somit keine Haltung und auch keine

Einstellungssache. Das heißt aber vor allem darin dass keine Theorie von der Kritik befreit ist. „Mann

könnte die Grundidee die Hinter meine Hauptthese steht vielleicht auch folgendermaßen

zusammenfassen: (Siebte These) „Die Spannung zwischen Wissen und Nicht-Wissen führt zum

Problem und zu den Lösungsversuche, aber sie wird niemals überwunden, denn es stellt sich heraus

das unseres Wissen immer nur in vorläufiger und versuchsweise Lösungsvorschläge besteht und

daher Prinzipiell die Möglichkeit einschließt dass es sich als Irrtümlich und als Nicht-Wissen

herausstellen wird. (Fallibilität des Wissens) Die einzige Form der Rechtfertigung unseres Wissens

ist wieder nur vorläufig: sie besteht in der Kritik. Eine darüber hinausgehende positive

Rechtfertigung gibt es nicht. Insbesondere können sich unsere Lösungsversuche nicht als

wahrscheinlich (im Sinne der Wahrscheinlichkeitsrechnung) erweisen.“ – Karl Popper. Szientismus:

Die Sozialwissenschaften sollten endlich von den Naturwissenschaften lernen, was wissenschaftliche

Methode ist. Popper wendet aber ein: „Diese verfehlte Naturalismus stellt Forderungen auf wie

Beginne mit Beobachtungen und Messungen; das heißt zum Beispiel mit statistische Erhebungen;

schreite dann induktiv zur Verallgemeinerungen vor und zur Theoriebildung. Auf diese Weise wirst

Du dem Ideal der wissenschaftlichen Objektivität näher kommen, soweit das mit

Sozialwissenschaften überhaupt möglich ist. Dabei muss du dir darüber klar sein, dass in den

Sozialwissenschaften die Objektivität weit schwieriger zu erreichen ist (falls sie überhaupt zu

erreichen ist) als in den Naturwissenschaften; denn Objektivität bedeutet Wertfreiheit, und der

Sozialwissenschaftler kann nur in den seltensten Fällen von der Wertung seiner eigenen

Gesellschaftsschicht soweit emanzipieren, um auch nur einigermaßen zur Wertfreiheit und

Objektivität vorzudringen. Meiner Meinung nach ist jeder der Sätze, die ich hier in diesem verfehlten

Naturalismus zugeschrieben habe, grundfalsch und auf ein Missverständnis der

naturwissenschaftlichen Methode begründet, je geradezu auf ein Mythus – einen leider allzu weit

verbreiteten und einflussreichen Mythus vom induktiven Charakter der naturwissenschaftlichen

Methode und vom Charakter der naturwissenschaftlichen Objektivität.“ – Karl Popper. Der

Induktionsschluss ist nicht möglich weil Induktion immer von den einzelnen Beobachtungen auf All-

Sätze, also auf alle Ereignisse diese Ereignis Klasse schließen – das gesamte Universum auch

kommende mögliche Ereignisse. Dafür gibt es wiederum kein Beispiel dass es schon gelungen wäre.

Der Nachweis kann nicht erbracht werden von Einzelbeobachtung auf das Allgemein zu schließen.

Für den Satz, ‚Man kann von Einzelbeobachtungen auf das allgemeine schließen, bräuchte es

empirische beobachtbare Beispiele.‘ Man kann aber sehr wohl feststellen wo die Theorie scheitert,

aber nicht so sie gestimmt hat. All Sätze beziehen sich auch auf die künftigen Ereignisse – dies ist nur

zulässig wenn man eine Art deterministische Geschichtsauffassung hat. Man muss glauben das

dahinter ein allgemeines Gesetz steht das Schwäne nur Weiß sein dürfen. Die Annahme von

geschichtshistorischen Gesetzesprozessen birgt in sich die Gefahr nicht nur die Ideologisierung

sondern auch der Rechtfertigung von Unrecht. Dass Menschenverachtendes System der Marxismus

könnte gerechtfertigt werden als Durchgangs-Stadion. Das Schlimme wird gerechtfertigt vor der

Utopie eine bessere Gesellschaft. Popper hat zu Recht davor gewarnt dass man

Geschichtsprozesse/Gesellschaftliche Prozesse deterministisch sehen möchte. Kritische Theorie hat

sich davon frei gehalten und sich weder dem Linken oder dem Rechten gewidmet.

„Die Sache selber [die Sache der Gesellschaft um die es in den Sozialwissenschaften geht]

wiedersteht der blanken systematischen Einheit verbundener Sätze. Ich ziele nicht auf die

herkömmlichen Unterscheidungen zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, wie die

Ricktersche zwischen nomothetischer und idiographischer Methode, die Popper positiver

sieht als ich. Aber das Erkenntnisideal der einstimmigen, möglichst einfachen,

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mathematische Eleganten Erklärung versagt, wo die Sache selbst: die Gesellschaft nicht

einstimmig, nicht einfach ist, auch nicht neutral dem Belieben kategorialer Formung

anheimgegeben, sondern anders, als das Kategoriensystem der diskursiven Logik von

seinen Objekten vorweg erwartet. Die Gesellschaft ist widerspruchsvoll und doch

bestimmbar; rational und irrational in eins, System und brüchig, blinde Natur und durch

Bewusstsein vermittelt. Dem muss sich die Verfahrens der Soziologie sich beugen. Sonst

gerät, aus puristischem Eifer gegen den Widerspruch, in den verhängnisvollsten: den

zwischen ihrer Struktur und der ihres Objekts. So wenig die Gesellschaft der rationalen

Erkenntnis entzieht; so einsichtig ihre Widersprüche und deren Bedingungen sind, so

wenig sind sie doch zu eskamotieren [hinwegzubringen] durch Denkpostulate, die von

einem der Erkenntnis gegenüber gleichsam indifferenten Material abgezogen sind, das

keine Widerstände setzt gegen die szientifischen Gebräuche, welche dem erkennenden

Bewusstsein geläufig sich anbequemen. Der sozialwissenschaftliche Betrieb wird

permanent davon bedroh, daß er, aus Liebe zu Klarheit und Exaktheit, verfehlt, was er

erkennen will. Popper wendet sich gegen das Cliché, Erkenntnis durchlaufe einen

Stufengang von der Beobachtung zur Ordnung, Aufbereitung und Systematisierung ihres

Materials. Dies Cliché ist darum so Absurd in der Soziologie, weil sie nicht über

unqualifizierte Daten verfügt, sondern einzig über solche, die durch den Zusammenhang

der gesellschaftlichen Totalität strukturiert sind. Das angebliche soziologische Nichtwissen

bezeichnet in weitem Maß bloß die Divergenz zwischen der Gesellschaft als Gegenstand

und der traditionellen Methode; darum ist es auch kaum einzuholen von einem Wissen, das

die Struktur seines Gegenstands der eigenen Methodologie zuliebe verleugnete.“

– Theodore Adorno

Die Sachen um den es geht kann man nicht in einfachen zusammenhängen als Einheit darstellen. Als

was Sozialwissenschaftler Beobachten ist keine Einheit sondern in sich widersprüchlich – diese

Zusammenhänge blenden die Widersprüche der Zustandekommens aus. Es ist eben nicht wie in der

Diskursiven Logik angenommen, entweder das oder das. Hier ist von zwei verschiedenen Begriffe

des Widerspruchs zu unterscheiden: Popper mein den logischen Widerspruch. Es geht bei ihm

darum, die Widersprüche vorläufig zu beheben, bis neue auftauchen. Adorno spricht von dem

gesellschaftlichen Widerspruch und nimmt diese als Ausgangspunkt seine Überlegungen. Es gibt

nach Adorno aussagen die die Widersprüchlichkeit der Gesellschaft auffangen können, eben aber

nicht elegante mathematische Aussagen wo die Widersprüche aufgrund einer vermeintlichen Einheit

weggedampft werden. Adorno spricht weiter von der potentielle Unvereinbarkeit zwischen

Soziologie als Erkenntnismethode und ihr Objekt bzw. Gegenstand. Man kann ein widerspruchvolles

Objekt nicht erkennen wollen mit einer widerspruchsfreien Methode. Aus dem Methodischen

Verfahren ergibt sich die Eliminierung der Widersprüche. Es geht in der Kritischen Theorie gerade

darum diese Widersprüchlichkeit aufzudecken und nicht mit einer bestimmten Methodologie der

nach Widerspruchlosigkeit strebt zu verfärben. Man kann nicht in völlig indifferente material

produzieren durch die Logik der Forschung.

In einer Studie stellte sich fest, dass Menschen die Grün wählen überdurchschnittliche kritisch dem

grünen Zeitungsinhalte gegenüber stehen. Das ist doch ein Widerspruch wo man glauben könnte es

gibt ein Fehler. Warum haben Menschen die Grün wählen eine größere Distanz zur grünen Inhalte als

Menschen die nicht Grün wählen? Grün wählen haben mehr wissen und gehen die Sache kritischer

heran und sie brauchen gar nicht die Tagesmedien weile sie ihr Wissen aus anderen Quellen haben.

Was die Tagespresse bietet wird daher irrelevant für sie. Der Spezialist betrachtet Medien kritischer

als der Nicht-Spezialist.

Wenn der Popper schon Recht haben möchte dann nicht so wie er argumentiert, weil die Daten die er

sammelt selbst zu tun haben mit der Totalität der Gesellschaft. Adorno wendet die Argumentation

Page 37: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

37

Poppers gegen ihn selbst. Er meint, es ist so richtig wie du meinst, aber aus anderen Gründen. Er sagt

man soll nicht mit dem Problem beginnen sondern mit eine Beobachtung. Weil eben die Totalität die

hinter den Erscheinungen steht nicht direkt beobachtbar ist. Sie vermittelt sich in den Erscheinungen.

Das Problem mit dem Motor vermittelt sich übers Lämpchen. Beispiel aus dem medizinischen Bereich:

Man hat ein Symptom und kriegt die Antwort auf sein Symptom. Aber das Symptom ist nur der

Ausdruck einer dahinterstehenden, verborgenen Psychosomatische Krankheit. Die

Widersprüchlichkeit liegt allerdings nicht in der Symptomatik. Die Widersprüchlichkeit liegt hinter

der schwer beobachtbaren Situation der Depression oder depressiven Bestimmtheit, die ihrerseits

wieder die Antwort ist auf Unfähigkeit existentielle Widersprüche zu lösen. Deswegen sagt der

Adorno, man darf nicht mit der Beobachtung oder Datensammlung beginnen, weil man über die

Symptomebene nicht hinauskommt. Wenn man, wie Popper sagt, mit einen Problem beginnen soll,

vermittelt sich zwar dieses Problem in den Erscheinungen, ist aber nicht in diese zu fassen.

10. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 10.01.2011

Nicht alles was im Roten Skriptum steht wird kommen – vieles ist auch nicht mal Teil der Vorlesung.

Allerdings besteht das Geheimnis der Besteht darin, die Sachen eben nicht auswendig zu lernen. Es

geht sehr um das verstehen der Zusammenhänge – also keine Fragen die man durch

Auswendiglernen beantworten kann. Die Fragen Kommen zum Teil aus dem Vorlesungsstoff und

zum anderen Teil aus dem Skriptum. Die Frage ist auch sicher dabei nach der von ihnen gelesenen

Literatur zur Vorlesungsthematik – also was man darüber hinaus zur Thema Medien- und

Kommunikationstheorien noch gelesen hat. Das kann ein Buch sein, oder einen Aufsatz.

(Ausgeklammert wird den ganzen Bereich der empirischen Kommunikationstheorien. Die

wichtigsten davon befinden sich im roten Skriptum. Es lohnt sich diese zu lernen, verstehen und zu

erarbeiten. In der Auseinandersetzung damit wurde zur Licht kommen das wir viele Begriffe

voraussetzen, ohne diese philosophisch weiter zu hinterfragen. Zum Beispiel die Setzung von der wir

ausgehen das Medien überhaupt wirken. Oder die Setzung von der wir ausgehen das Medien auf

Bewusstsein wirken. Der Begriff des Bewusstseins wird nicht weiter Thematisiert. Auch

symbolischer Interaktionismus muss ausgelassen werden. Es wird das eine oder andere Kapitel sein

die man nicht können muss. Symbolischer Interaktionismus ist aber eben spannen weil es eine

Gegenposition zur Systemtheorie bietet.)

Systemdenken und Systemtheorie

Die Systemtheorie ist ein relativ deterministisches Denken. Die Erklärung des Verhaltens der

Menschen über den Rollenbegriff ist sehr deterministisch. Der Rollenbegriff erklärt den Menschen

sich in einer gewissen weise verhalten weil es die Erwartungen der Gesellschaft entspricht. Die

normative Erwartungshaltung der Umwelt an jemanden. Weil es diese oder jene Erwartungen gibt,

erfüllt die Person diese Rolle. Ausgeklammert wird die Dimension der persönlichen Identifikation

mit dem was man tut. Man kann das Verhalten einer Frau zu ihrem Kind nicht ausschließlich über

die Mutterrolle erklären. Das eine Frau sich auf einer bestimmten weise zu ihren Kind verhalten soll

ist die soziologische Dimension aber ist gibt auch einen direktes Verhältnis zwischen Mutter die

nicht erklär wird durch den Rollenbegriff. Das kann auch das Entscheidende sein in die Beziehungen

zwischen Menschen. Man spielt also eine Rolle, aber was ist man außerhalb dieser Rolle? Der

symbolischen Interaktionismus ist eine Möglichkeit dieses deterministisches denken im Sinne des

Zusammenhangs zwischen normative Verhaltenserwartungen und Verhalten aufzubrechen in dem er

das Individuum die Freiheit der Interpretation zuschreibt. Der Mensch verhält sich den Dingen

gegenüber auf Basis der Bedeutungen die diese Dinge für ihn haben – es ist eine Sinnzuschreibung.

Das Individuum hat die Möglichkeit die Verhaltenserwartungen zu interpretieren, und bei Bedarf

Page 38: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

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auch zu negieren. Es sind nicht nur die Verhaltungserwartungen sondern auch das Verhältnis des

Individuums zu diesem Ding das sein Verhalten prägt. Der Aktive Rezipient des ‚Uses and

Gratifications Approach‘ liegt genau in diese interpretative Leistung. Der Aktivitätsbegriff bezieht

sich auf einer psychischen Aktivität im Sinne der Auseinandersetzung mit einem

Kommunikationsangebot. Zweiter Grundsatz (2) der symbolischen Interaktionismus: Die Bedeutung

der Dinge wird abgewandelt mit der Zeit. Bedeutungen sind nicht Fix und nicht eine für allemal fest.

Also im Sinne der ‚Uses & Gratifications Approach‘ speisen sich die Bedeutungen der Dinge (Medien-

bzw. Kommunikationsangebote) aus der Bedürfniskonstellation der Rezipient.

(Man sollte in der Lage sein durch Nachdenken und seine eigene Interpretation die Antwort finden

zu können, für die Prüfung. Bestimmtes kann nicht gelernt werden, sondern nur verstanden werden.

In diese Richtung werden die Prüfungsfragen gehen.)

Beispielfragen

(I) In der Wirkungsforschung wird vom Paradigmenwechsel gesprochen.

(a) Worin besteht diese Paradigmensprung?

(b) Was mein der Begriff Paradigma?

(II) Worin besteht in unterschiedlichen ‚Denkbewegungen‘ zwischen

sozialwissenschaftlichen Denken und philosophischen Denken (den unterschied)?

Bringen sie ein Beispiel.

(III) Was sind die zentralen Annahmen des kritischen Rationalismus?

(IV) Der Begriff der Kritik wird sowohl in der Kritischen Theorie als auch in dem Kritischen

Rationalismus verwendet. Worin besteht das unterschiedliche Kritikverständnis beim ein

und beim anderen und welche Folgerungen leiten sie für sich selbst daraus ab?

(V) Was meint der Kritische Rationalismus unter den Begriffen Falsifikation und Fallibilität?

In dem 70er Jahren wurde angefangen von Systemen zu sprechen – der Begriff ist etabliert und es gibt

eine Vielzahl von Verständnissen. Es gibt eine Vielzahl von Systembegriffen und eine Vielfalt der Art

systemtheoretisch Nachzudenken. Der Systemtheorie das in der Kommunikationswissenschaft seit

Jahren verwendet wird ist die funktionale Systemtheorie von Nikklas Luhmann. Diese Theorie geht

davon aus dem Systeme bestimmte Funktionen für die Gesellschaft haben, oder für andere Systeme

haben. System wird nicht verstanden als etwas was in Opposition zur Gesellschaft gestellt wird wie

das Buch von Max Weber: ‚Wirtschaft und Gesellschaft‘ System sind nie in Opposition zu betrachten

sondern immer als Teilbereiche der Umfangreichen gesellschaftlichen Übersystems zu verstehen. Der

Funktionsbegriff hier, im Unterschied zur mathematischen Funktionsbegriff meint dass Leistungen

erbracht werden die für das Überleben und Instandhaltung des eigenen Systems und das

übergeordnete System der Gesellschaft. Funktionen sind die Leistungen die zu erbringen sind um

den Bestand des Systems zu erhalten. Das Systemdenken im Sinne der Funktional-Strukturelle

Systembegriff ist wesentlich älter als der Luhmannischen. Für Talcott Parsons zum Beispiel standen

die Strukturen im Vordergrund – er hat sich die Frage gestellt: welche Leistungen sind zu erbringen

von dem System damit bestimmte Strukturen ausgebildet werden können. Es geht also um die

Strukturerhaltung. Strukturen sind bei ihm Beispielweise Institutionen oder Wertesysteme. Die

System-Umwelt Beziehung wurde also verstanden im Sinne von ‚Wie entstehen Strukturen und wie

bleiben sie erhalten?‘ Die Mangel an der Parson’sche Systemtheorie lag darin das er keine Antwort

geben könnte auf die Veränderung von Systeme, also die dynamische Veränderungen durch die Zeit

hindurch. Die Antwort auf die Leistung wie sich Systeme ändern kam erst mit der Luhmannischen

Systemtheorie. In der Literatur zur Systembegriff findet man oft der Begriff der ‚De-

Page 39: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

39

Ontologisierung‘. Dieser Begriff meint dass Systeme nicht aus etwas Manifesten bestehen, sondern

aus Beziehungen. Systeme sind eigentlich Konzentrationen von Beziehungen, eigentlich aus

Kommunikation. Systeme bestehen nur aus Kommunikation. Systeme kann man nicht direkt

beobachten, aber sehr wohl die Folgen ihre Operationen bzw. ihre operationale Vollzügen. Das

sprechen von Systeme ist eigentlich immer das sprechen von System-Umwelt. Insofern wir von

Systemen sprechen, sprechen wir immer von einer System-Umwelt Beziehung. Ein System ist einer

Differenz zu seiner Umwelt. Dritter Gesichtspunkt: Das Bestandsproblem des Systems mit der

Fähigkeit zur Reduktion von Komplexität zusammenhängt. Das Überleben von Systemen ist an die

Fähigkeit des Systems geknüpft, Komplexität (von/aus der Umwelt) zu reduzieren. Daraus folgert

dass das Bestandsproblem des Systems darin besteht sich relativ invariant zu einer varianten Umwelt

zu verhalten. Die Selektivität ist eine zentrale Fähigkeit des Systems sich relativ invariant gegenüber

einer variablen Umwelt zu verhalten. Systeme sind in ihre Komplexität immer relativ weniger

Komplex als die Umwelt. Wenn diese Verarbeitungsfähigkeit nicht gegeben ist kann sich das

System nicht relativ invariant verhalten und wird von der Komplexität des Umwelts aufgesogen.

Dies Grenzen zwischen System und Umwelt werden immer wieder neu hergestellt. Systeme bestehen

aus Beziehung und nicht aus Menschen. (Das ist der Kritikpunkt an der Luhmannischen

Systemtheorie, dass die Menschen eben nicht vorkommen. Der Mensch wird aufgelöst in

Systemgrößen wie Personalsystem, Psychische System und als Rollenträger in einen Sozialen System.

Aber der Mensch im Sinne des Identitätsdenkens existiert nicht.) In der Systemtheorie denken wir

nicht in Identitäten sondern in Differenzen. Für Luhmann gibt es ausschließlich nur vier

Systemarten:

(I) Die Maschinen (Allopoetische Systeme, also nicht selbst erhaltend)

(II) Die Organismen

(III) Das Bewusstsein (Psychische System)

(IV) Die soziale Funktionssysteme

Seine Leistung besteht vor allem in der Entwicklung einer Theorie im Zusammenhang mit dem

Psychischen Systemen und den sozialen Systemen. In der Kommunikationswissenschaft interessiert

uns zumeist das soziale System ebene. Die Biologischen Systeme werden als autopoetische Systeme

begriffen. Autopoetische Systeme heißt das System erzeugt die Bestandteile die es zu seine

Existenzerhaltung braucht selbst. Autopoiesis, aus dem griechisch kommenden beschreibt ein sich

selbst erzeugendes System. Die Systeme sind aus diesem Grund relativ geschlossen. Zum Beispiel

zum Bestanderhaltung der System Zelle sind bestimmt Abläufe notwendig die unabhängig von dem

äußeren Einflüssen ablaufen. Es gibt möglicherweise Überschneidung wo Umwelteinflüsse so groß

sind das sie Selbsterzeugung des Systems stören können. Ein Autopoetisches System ist ein System

das diejenige Einheiten und Elemente die zu seine Bestandhaltung notwendig sind selbst erzeugt.

Das ist Luhmanns entscheidender Theoriefortschritt; nämlich in der Sozialsysteme Autopoetische

Systeme zu erkennen. Nimmt man Journalismus als Beispiel, dann ist die Autonomie ein solches

Kriterium der Selbsterhaltung. Journalismus ist als Handlungssystem nicht ausschließlich abhängig

von der Umwelt – sondern sie haben auch Mechanismen für die Erzeugung diejenigen Einheiten die

sie für die Bestandserhaltung brauchen. Eine Maschine die sich selbst wartet ist noch kein

autopoetisches System, denn es geht um den Output. Für einen Kaffeeautomat musste einen

Zusammenhang bestehen zwischen dem Kaffee (Produkt) und dem Bestandhaltung der Maschine.

Der Organismus tut im Gegenteil sehr viel für sich selbst, um seinen Bestand zu erhalten.

Autopoetische Systeme erzeugen die Bestandteile die sie zur Überleben brauchen selbst. Der System

hält sich also im diesem Sinne relativ Invariant gegenüber einer Varianten, komplexen Umwelt. In

diesem Sinn spricht Luhmann von einem geschlossenen System. Im Systemtheoretischer sich darf

Journalismus nicht verstanden werden als Handlungszusammenhang zwischen Journalisten.

Page 40: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

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Sondern Journalismus ist ein Handlungssystem das aus bestimmten Handlungen besteht, die wir als

journalistisches Handeln identifizieren. Die weite Ansicht ist: Worin besteht die zentrale Funktion

dieses Handlungssystems? Die Zentrale Funktion von Journalismus besteht nicht darin der

bestimmte Artikel geschrieben, auch nicht das informiert wird, oder gebildet wird, oder unterhalten

wird sondern die zentrale Funktion des Journalismus in Bezug auf das gesellschaftliche

Gesamtsystem besteht darin das Journalismus Themen zur öffentlichen Kommunikation. Das ist die

primäre Funktion von Journalismus. Das machen aber andere gesellschaftliche Teilsysteme auch wie

beispielsweise das Kultursystem, das politisches System oder das Bildungssystem. Nur Journalismus

findet darin sein Primat. Alle anderen Systeme müssen sich der medialen Kommunikationsstruktur

anpassen um ihre Themen bereitstellen zu können. Das Bereitstellen von Themen zur öffentlichen

Kommunikation ist eine überlebensfrage der Gesellschaft insgesamt. Die Gesellschaft bedarf um sich

selbst vergewissern zu können dass ihre Beziehungen artikuliert werden. Die Medien tragen zur

überleben der Großgesellschaft in dem sie Selektion betreiben. Journalismus übernimmt für die

Gesellschaft die Arbeit die für die Gesellschaft wichtigen Themen festzulegen. Über diese Themen

verständigt sich die Gesellschaft - das mach in gewissen sinne die Selbstverständnisses einer

Gesellschaft aus. Es geht um die Frage ‚Worin bestehen unsere gemeinsame Interessen?‘ Diese

Bewusstseinsprozesse werden gespeist aus den Selektionsleistungen der Medien.

Thematisierungsfunktion: Aus der Fülle der Möglichkeiten bestimmte auszuwählen. Die Agenda

Setting greift genaue diese Zusammenhang auf. Man soll sich also nicht der Frage stellen ‚Welche

Einfluss haben die Medien auf das was wir denken?‘ sondern ‚Welchen Einfluss haben die Medien

worüber wir denken sollen?‘ Die Thematisierung ergibt sich aus den Nachrichtenfaktoren, die

zusammengenommen die Nachrichtenwerte ergeben. Bevor Journalismus für die Gesellschaft

Komplexität reduziert im medialen Output, muss es erst für sich selbst die Informationsmenge

reduzieren. Dazu dienen die Nachrichtenfaktoren. Nachrichtenfaktoren sind gleich

Selektionskriterien. Zwischen die Ereignisse vor Ort und den Rezipient gibt es eine ganze Kaskade

von selektive aufeinander aufbauende Handlungszusammenhänge. Insofern Medien autonom

bleiben können sie die Voraussetzungen ihres Fortbestehens gewährleisten. Das Problem in Ungarn:

Es wird zum ersten Mal in einer Demokratie so was wie die Zensur eingeführt. Es wird festgelegt

worüber berichtet kann oder nicht. Der Standard fragt schreibt über das ‚Ungarntum‘: „Die

Regierung unseres Nachbarn Ungarn zelebriert ein "Ungarntum", das von vorgestern ist, gleichzeitig

aggressiv und antidemokratisch. Das neue Mediengesetz macht implizit "Herabwürdigung des

Ungarntums" zum Delikt. Zum Drüberstreuen kann die "Hauptabteilung für Inhalte-Überwachung"

(!) auch die "Werte der Familie" oder der "öffentlichen Moral" schützen.“

Unter System versteht Luhmann „Jedes wirklich seiende das sich teilweise auf Grund der eigenen

Ordnung teilweise aufgrund der Umweltbedingungen in einer äußerst komplexen veränderlichen, in

ganzen nicht beherrschbaren Umwelt identisch hält.“ Ein System ist das was sich identische hält, in

Bezug auf einer äußerst komplexen veränderlichen Umwelt. „Ein System ist seine Differenz zur

Umwelt – ist eine grenzdefinierende, grenzerhaltende Ordnung.“ Von sozialen Systemen sprechen

wir dann wenn Handlungen mehreren Personen sinnhaft aufeinander bezogen werden und

dadurch in ihrem Zusammenhang von einer nicht dazugehörigen Umwelt abgrenzbar sind. Der

Abgrenzung zur Umwelt ergibt sich aus dem Zusammenhang der Beziehungen. „Sobald überhaupt

Kommunikation zwischen Menschen stattfindet entstehen soziale Systeme. Kommunikation besteht

nämlich darin dass Handlungen sinnhaft aufeinander bezogen werden. Der Sinnhaftigkeit bezieht

sich auf die Selektion. Sinn ergibt sich erst durch Selektion. Hier ist nicht der der Sinn im

Allgemeinen gemeint. Im Sinne des ‚finden des Sinns des Lebens.‘ ‚Sinnhaft aufeinander bezogen‘

heißt im Luhmann‘schen Sinn das die Selektionsleistung auf beide Seiten ident sind. Luhmann spricht

auch von der doppelten Selektivität:

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„Dass kommunikative Handlungen immer auf ihren Kontext verweisen und Kontext auf

die kommunikativen Handlungen, führt zu der doppelten Selektivität, die in

Verstehensprozessen zu bewältigen ist. Jemand, der eine kommunikative Handlung

verstehen will, muss sowohl die Handlung selbst wie auch den Kontext dieser Handlung in

ihrer Bedeutung erfassen. Er muss einen doppelten Selektionsprozess vollziehen, sowohl

die Situation wie auch die Handlung bestimmen. Was die Soziologen als doppelte

Selektivität betreachten…“ Soziologische Kommunikationstheorien, S. 163f von Rainer

Schützeichel

Der Begriff des Sinns besteht bei Luhmann lediglich aus der selektiven Leistung und ist somit kein

konkreter Sinn. Mit dem Begriff Soziale Systeme wird ein Sinnzusammenhang also von Handlungen

bezeichnet – die - durch wechselseitige Erwartbarkeit verknüpft - aufeinander verweisen, ihre

Selektivität wechselseitig bestimmen und sich dadurch von einer nicht dazugehörigen Umwelt

abgrenzen. Systeme sind Beziehungsgefüge. Sie bestehen insofern nur wenn es diese Beziehung gibt.

Die Beziehung ergibt sich wiederum auf dem sinnhaften aufeinander orientiert seins, durch

wechselseitige Erwartbarkeit und Selektivität.

Was sind Interaktionssyteme? „Als Interaktion soll dasjenige Sozialsystem bezeichnet sein das sich

zwangsläufig bildet wenn immer Personen einander begegnen, das heißt wahrnehmen, dass sie

einander wahrnehmen und dadurch genötigt sind ihr Handeln in Rücksicht aufeinander zu wählen.“

Die Systemtheorie wendet sich in der Regel gegen eine Individualethische eng Führung des ethischen

Denkens. Der Rücksichtsbegriff ist nämlich unabdingbar gebunden an den Personenbegriff.

Rücksicht kann nur jemand als Person nehmen und ist keine Systemqualität. Das Wahrnehmen

besteht aber in diesem Fall darin, das man von dem anderen weiß dass deine Person selbst

wahrgenommen wurde.

Zwei zentrale Begriffe der Systemtheorie sind (beide Begriffe sind eng miteinander verbunden):

(I) Kontingenz

a. In jedem sozialen Kontakt nehmen wir einander wahr und wissen dass wir wahrnehmen. In

jedem sozialem Kontakt ist eine doppelte Kontingenz. „Jede soziale Interaktion involviert

mindestens zwei Partner, nennen wir sie Alter und Ego, die beide sich kontingent verhalten,

das heißt: die beide über verschiedene Verhaltensmöglichkeiten verfügen und dies

voneinander wissen. Jeder kann so - und auch anders. Jeder kann sich dem nahegelegten

Modus der Interaktion fügen, aber auch abweichen. Man nimmt normalerweise an und hält

fest, was einem in die Hand gegeben wird; aber man könnte es auch fallenlassen. Daß sowohl

Alter als auch Ego dieses einfachen Modells in diesem Sinne kontingent handeln und dies

voneinander wissen und sogar voneinander wissen, daß sie es voneinander wissen - dies nennt

man im soziologischen Fachjargon 'doppelte Kontingenz'. Nur unter dieser Voraussetzung

kann man sinnvoll von Kommunikation sprechen: denn Kommunikation ist immer

Übermittlung von Selektionen, die als Selektionen erkennbar sind. [...] Alle Beteiligten haben

die Möglichkeit, nein zu sagen oder sich anders zu verhalten, als ihnen nahegelegt wird. Auch

dies ist eine universell präsente, stets mitpräsentierte Möglichkeit, der man in der Wahl seiner

Kommunikationen Rechnung trägt.“ (Luhmann 1975c, 68)

b. Kontingenz besagt das es auch anders möglich ist. Einfache Kontingenz wäre ‚Der Andere

kann sich anders verhalten als ich von ihn erwarte.‘ ‚Ich weiß das sie auch anders können, wie

sie zugleich wissen das ich auch anders kann.‘ In unsere Kommunikation antizipieren wir

mögliche alternative Handlungsweisen, weil der andere auch anders reagieren könnt als

erwartet. Die gesamt Kommunikationskonflikt passieren auf eben dieser

Kontingenzerfahrung.

(II) Komplexität

a. Die Kontingenz die wir erleben im verhalten zu den Anderen ergibt für uns die Komplexität

der Welt. (Kehrseite von Kontingenz.) Die Welt besteht aus einer Fülle von Möglichkeiten und

Page 42: Medien- und Kommunikationstheorie - Mitschrift

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wir können immer nur ganz bestimmte realisieren. Die Welt ist Komplex und sie wir

Kontingent erlebt. Das heißt die Erwartungen an andere haben eintreten können aber nicht

eintreten müssen und das wir wissen das die Erwartungen nicht erfüllt werden können. Und

das auch der andere weiß der die Erwartungen nicht erfüllen muss sondern auch anders

handeln kann. Nur insofern das antizipiert werden kann entsteht Kommunikation.

11. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 17.01.2011

17. Jänner ist der Tag des Judentums. Man sollte an die eigene Schuldgeschichte denken bezüglich

den Antisemitismus der vergangenen 2000 Jahren. Blog zu dieser Thema zu finden unter

http://www.forum-gottschlich.blogspot.com

Systemtheorie und Theorie Kommunikativen Handelns sind aufmerksam zu verfolgen; sind mit

Sicherheit Prüfungsstoff.

Crash-Course: Systemtheorie

(I) Systeme sind kein empirisch Fassbares ding, sondern bestehen aus Beziehungen also aus

Kommunikation

(II) Soziale Systeme können wir alle Systeme begriffen als strukturierte Beziehungsgefüge die

bestimmten Möglichkeiten festlegen und andere ausschließen. Denken in Differenz.

Systeme entscheiden sich für bestimmt Handlungsoptionen und schließen andere aus.

(III) Selektivität als zentraler Aspekt (Selektivität erfolgt über den Sinnbegriff)

(IV) Die Besonderheit soziale Systeme besteht darin das sie aus sozialen Handlungen gebildet

werden. Im späteren Luhmann bestehen Systeme nicht mehr aus Handlungen sondern

ausschließlich aus Kommunikation.

(V) Sozialsysteme bestehen aus Handlungen denen ein Sinnbezug auf das Handeln andere

Menschen inhärent ist. Solche Sinnbeziehungen werden durch soziale Systeme in einer

übermäßig Komplexen, unübersehbaren und unbeherrschbaren Umwelt relativ einfach

und relativ invariant gehalten. Es besteht also eine Differenz zum Umwelt und auch eine

Differenz zwischen dem Komplexitätsgrad von System und Umwelt. Der

Komplexitätsgrad des Systems ist immer geringer als die variable sich rasch verändernde

Umwelt.

(VI) Ein Sozialsystem reduziert die äußerste Komplexität seiner Umwelt auf eine Bestimmte

oder Bestimmbare ausgewählte Handlungsmöglichkeit.

(VII) Der Reduktionsprozess (Reduktion durch Selektion) ist ein zentrales Motiv in der

Systemtheorie. Es ist auch im Handlungssystem Journalismus relevant in dem

Journalismus als besonderes Handlungssytem verstanden wird das durch seine sinnhafte

Bezüge der Handlungseinheiten zueinander Komplexität reduziert für sich selbst mit

dem größeren übergeordneten Zweck der Reduktion von Komplexität für die

Gesellschaft. Insofern stellt Journalismus für die Gesellschaft sinnhafte Bezüge her – was

man mit dem Begriff der Thematisierung von Wirklichkeit versteht.

(VIII) Auf Basis von Medien oder medialen Aussagen sollte das Publikum ihrerseits als

Rezipient komplexe Wirklichkeit reduzieren können.

(IX) Die Umwelt ist ein unerlässliches Koordinat zum System. Wenn man von System oder

Systemtheorie spricht ist es Sinnvoll von System-Umwelt Beziehung zu sprechen.

(X)

(XI) Das sprechen von System mach nur Sinn im Hinblick auf die System-Umwelt Beziehung

oder im Hinblick auf die System-Umwelt Differenz.

(XII) „Die Umwelt eines Systems ist alles was von dem System abgegrenzt wird.“ – Luhmann

Alles was nicht zu den Sinnhaften Beziehungen gehört ist Umwelt des Systems. Der

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Umweltbegriff wird immer relativ definiert. Die Umwelten unterschiedlichen Systemen

können daher nicht identisch sein, sie können sich nur weitgehend überschneiden. Die

Gesamtheit dessen was nicht zu einem System gehört kann ihrerseits kein System sein da

sie grenzenlos in der Welt übergeht, und die Welt selbst kein System ist.

(XIII) Die Eigenschaft Sozialsysteme besteht darin das sie eine Sinnzusammenhang von

Handlungen beschreiben, die sich durch Abgrenzung zur Umwelt und Prozesse der

Selbstselektion auszeichnet.

(XIV) Kontingenz: Der Umstand dass in jeden sozialen Kontakt, in jeder sozialen Beziehung

eine Doppelte Kontingenz angelegt ist. Im diesem Fall kann man davon Sprechen dass

Kommunikation die Aktivierung vom Sinn meint. Kommunikation als ein aufeinander

bezogenes selektives Verhalten. Kontingenz besagt das etwas auch anders möglich ist –

in diesem Fall das Verhalten der andere.

(XV) Die Erfahrung der Kontingenz, nämlich dass alles auch was anderes sein kann, erlebt der

Mensch als Komplexität. Die Fülle der Möglichkeiten bleibt nämlich aufrecht nach der

Selektion. In dem man sich für eine bestimmte Studienrichtung entscheidet, fallen die

anderen Studienrichtungen nicht weg, sondern begleitet einem.

(XVI) Der Mensch hat die besondere Fähigkeit mit dieser Komplexität und Kontingenz

umzugehen. Dies wird vollzogen auf dreifacher Art und Weise:

a. Sachlicher Ebene

b. Zeitliche Ebene

c. Soziale Ebene

(XVII) Sinn ist nach Luhmann Selektion; Selektion meint eine intendierte Strategie des

selektiven Verhaltens. Sinn ist selber keine Eigenschaft einer bestimmten Handlung oder

eine bestimmte Verhalten. Sinn bedeutet die Vorstellung aufzugeben dass die

Sinnhaftigkeit des Handelns in seine Zweckgerichtetheit liegt. Zum Beispiel: „Ich

studiere Publizistik um als Journalist zu arbeiten um dadurch möglicherweise zur

Verbesserung der Welt beizutragen.“ Für Luhmann ist der spezifische von Sinn in der

faktisch fluktuierende Orientierung an Möglichkeitsüberschuss. ‚Welche Möglichkeit

sollen wir wählen?‘

Welche Erklärungsmodell stellt die Systemtheorie bereit für den Umstand das Journalismus zwar

formal die Funktion des Bereitstellens von Themen zur öffentlichen Kommunikation erfüllt, aber

dennoch das empirische Faktum gegeben ist das die Leistungen des Journalismus nicht zur

Umweltorientierung und zur Reduktion von Komplexität beiträgt? Wiese verstehen tatsächlich so

viele die Nachrichten nicht?

Die Systemtheorie kann die oben genannte Frage nicht beantworten, weil sie ja eine Makrotheorie ist

während die obige frage im Mikro Bereich angesiedelt ist. Anders formuliert lautet die obige Frage:

Was sind die Bedingungen des Verstehens von Massenkommunikation? Es gibt kaum Theorien die

zwischen der Mikro und Makro Bereich vermitteln außer die Kritische Theorie. In der Kritischen

Theorie wird tatsächlich versucht einen Zusammenhang herzustellen zwischen gesellschaftliche

Struktur und individuelle Befindlichkeit. Was eine Handlung zur Handlung macht ist der Sinn. Im

Sinn liegt der intendierten Strategie der Selektivität/Selektion. Das was eine Handlung zur

Handlung macht ist der Sinn der als eine bestimmte Strategie des selektiven Verhaltens unter den

Bedingungen hoher Komplexität betrachtet werden muss. Die Komplexität ist gleich fülle des

möglichen, fülle des möglichen ist gleich fülle der Entscheidungsalternativen.

Theorie des Kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas

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Theorie Kommunikativen Handelns ist Teil der Kommunikationstheorien der Gesellschaft. Mit Blick

auf Habermas ist festzustellen das Zusammenleben der Gesellschaft insgesamt auf

verständigungsbedingten Handlungskoordinierung beruht. Die Theorie Kommunikativen

Handelns begründet sich darin das Gesellschaft überhaupt erst möglich ist durch

verständigungsbedingten Handlungskoordinierung. Weil diese Handlungskoordinierung in der

Demokratie nicht auf macht beruhen darf, sondern auf Vernunft beruhen muss, deswegen brauchen

wir die Kommunikation, weil der Kommunikation das einzige Medium in dem die Vernunft zur

Geltung kommen kann. Die gesellschaftsnotwendigen Koordinierungsprozesse können nur

Verständigungsbasiert. Diese müssen durch die Vernunft gestaltet werden und nicht durch die

Macht. Mit diesem in Verbindung steht ein emanzipatorischer Anspruch. Die Vernunft wird

größeren Raum eingeräumt im individuellen wie in den kollektiven Gesellschaften als eben der

Macht. Der emanzipatorische Anspruch verzichtet auf die Persuasion; also auf die Überredung. Der

emanzipatorische Anspruch setzt auf die Wahrhaftigkeit. Das ist der Unterschied zwischen Vernunft

und Verstand; die Persuasive Kommunikation setzt verstand ein (technische Vernunft) um

außerkommunikative Interessen durchzusetzen. Die Kommunikation dient einem äußeren Zweck.

Der emanzipatorischen Anspruch ist das Gegenteil; sie sieht im anderen den Zweck, oder in der

gemeinsame Beziehung. Die Moral der persuasiven Kommunikation liegt in der Durchsetzung eines

äußeren Zweckes, der beliebig sein kann.

Die Sprache ist für Habermas ein zentrales Instrument dieses Handlungsgefüge namens Gesellschaft

hervorzubringen. Die Grundannahmen der Theorie des Kommunikativen Handelns:

(I) Verständigung wird als grundlegende Form der Interaktion aufgefasst. Verständigung

ist ein Prozess der Einigung zwischen unter Sprach- und Handlungsfähigen Subjekten.

Einigung meint aber nicht Gleichgestimmtheit, sondern eine rational motiviertes (durch

Argumente – Argumente als Gefäße der Rationalität – Vernünftigkeit der Sprache druck

sich in Argumente aus) und herbeigeführtes Einverständnis. Verständigung wird nicht

als idealistisches Postulat eingeführt, sondern als ein der menschliche Sprache

innewohnende Telos ausgewiesen. Verständigung wohnt der Sprache inne. Sprache hat

in sich das Telos zur Verständigung beizutragen. Die Sprache dient der Verständigung.

(II) Verständigung sieht Habermas auch als ein normativer Begriff. Jede Verständigung ist

an einen wahren Konsens orientiert. Verständigung hat als normative Voraussetzung der

wahre Konsens. Ohne einen solchen wahren Konsens gibt es keine wirkliche

Verständigung. Ein wahrer Konsens berührt nicht auf physischen oder ökonomischen

Zwecken, sondern er berührt einzig und allein auf den zwanglosen zwang der von der

Kraft des besseren und gleich vernünftigeren Argument ausgeht.

(III) Gerade mit Blick auf die Missverständnisse des Alltags, haben wir nur ein einziges

Medium mit diesen Dissens und dem ärger der damit verbunden ist zurechtzukommen.

Das ist die Sprache. Nur mittels Sprache besteht die Möglichkeit der Einigung ohne

Einsatz von Gewalt oder strategischen Raffinessen herzustellen.

(IV) Beim Scheitern der Sprache betreten wir die Eben des Diskurses als Quasi-Rechtshof um

über dieses Scheitern zu beurteilen. Der Diskurs ist die Möglichkeit sich über das

sprachliches Versagen mittels der Sprache zu unterhalten. Der Diskurs ist die Metaebene.

Im Diskurs werden die im Zweifel gestellten Geltungsansprüche Thematisiert.

a. Sagt jemand zum Beispiel ‚Ich glaub dir nicht.‘ Betreten wir dann die Metaebene und

die Gründe (rationale Argumente) bringen warum etwas sehr wohl wahr ist oder

nicht.

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Es gibt zwei Diskursebenen; in der eine geht es um die Einlösung der Geltungsanspruch der

Wahrheit. Auf der zweiten Ebene geht es um die Einlösung der sogenannten normativen Richtigkeit,

über ein Verhalten zum Beispiel – der Art und Weise wie wir miteinander umgegangen sind. Diese

zwei Ebenen können im Diskurs reflektiert werden. Im Diskurs kann nicht über den

Geltungsanspruch der Wahrhaftigkeit diskutiert werden. Wahrhaftigkeit kann nur beobachtet

werden, zum Beispiel ob die Worte mit dem Verhalten übereinstimmen – es kann nur beobachtet

werden. Verständlichkeit, das vierte Geltungsanspruch kann auch nicht diskutiert werden.

Die vier unterstellten Geltungsansprüche (die vier Bedingungen zur Möglichkeit Vernünftigen

Kommunizierens):

(I) Wahrheit

(II) Wahrhaftigkeit (das man das denkt was man sagt)

(III) Richtigkeit

(IV) Verständlichkeit

Die unausgesprochene Unterstellung diese vier Geltungsansprüche macht Kommunikation erst

möglich. Zwei davon können auf der Diskursebene reflektiert werden. Das Strukturprinzip der

Sprache ist nicht die Macht sondern der Vernunft. Als Rational wird derjenige bezeichnet der sein

Handeln an intersubjektiv anerkannten Geltungsansprüchen orientiert. Da sich ein kommunikativ

erzieltes Einverständnis auf Gründe und eben nicht auf Macht stützen muss, bewies sich die

Rationalität der einzelnen daran ob sie ihre Äußerungen unter geeigneten Umständen begründen

können. Um diese Begründung geht es gerade im Rahmen von Diskursen.

Habermas bietet allerdings eine engführung an in dem er nur Erfolg auf rationale ebene vorsieht. Der

Mensch ist eben viel Emotionaler als er eigentlich Rational ist. Habermas sagt selber das seiner Idee

Kommunikativen Handelns kontrafaktisch ist. Demnach stellt sie ein möglicher Maßstab an dem sich

selbst bemessen kann.

Das Leben in einer riskanten Gesellschaft macht vernünftige Kommunikation notwendig. Die

Vernünftigkeit reicht uns aber alleine wahrscheinlich nicht aus weil die emotionale Dimension auch

eine Rolle spielt. Die Vernunft ist ausschließlich durch die menschliche Sprache möglich – Tiere

können sich zwar verständigen, aber in ihre Tiersprache liegt keine Vernunft. Habermas seine

Gesprächssituation hat eigentlich ein sehr elitäres Kommunikationsverständnis zugrunde. Es

beschreibt die Kommunikationssituation zwischen Menschen die an eine gemeinsame Problematik

arbeiten. Der wissenschaftliche Diskurs ist eigentlich das Modell des gesellschaftlichen Diskurses

der hier beschrieben wird. Es geht um Teilnehmer eines Diskurses, die sich darin auszeichnen das sie

den jeweils anderen in seine Professionalität schätzt und respektiert. Angenommen wird auch das

alle interessiert sind an einen wahren Konsens zu kommen.

Die Sprache erfüllt drei grundlegende Funktionen:

(I) Die Sprache hat Realitätsbezüge zur äußeren Welt. Also die Gesamtheit dessen worüber

Wahre aussagen gemacht werden können.

(II) Die Sprache hat Realitätsbezüge zur sozialen Welt. Sozialen Welt als Gesamtheit alle

Kulturellen und Interpersonellen Beziehungen.

(III) Die Sprache hat Realitätsbezüge zur inneren, zur Subjektiven Welt. Also die Gesamtheit

alle nur subjektiv zugänglichen Erlebnisse.

In jeder Sprechhandlung druck sich einer dieser Realitätsbezüge aus (oder alle gleichzeitig, oder alle

hintereinander).

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12. Vorlesung – Medien- und Kommunikationstheorie – 24.01.2011

Zur Prüfung: Es kommt auch die eine oder andere Frage zu Empirische Kommunikationstheorien

und –modelle. Besonders wichtig ist der Aufsatz über die Wirkungsforschung. Es gibt

Verständnisfragen und auch eine Frage nach der Literatur die Sie gelesen haben – also alles andere als

das was im Skriptum steht. Fachliteratur außerhalb der Vorlesung. Schlüsselwörter werden nicht

geprüft aber man wird nicht hinkommen zentrale Begriffe zu verwenden um bestimmte Fragen zu

beantworten. Es steht bei jeder Frage einen bestimmten Punkten Anzahl dabei. Es sind mit acht

Fragen zu rechnen.

Theorie Kommunikativen Handelns

Die Eigentümlichkeit von Jürgen Habermas Sprach- und Kommunikationskonzept dass das

spezifische am Handlungsbezug der Sprache darin besteht, mit der Sprache nicht bloß Handeln,

sondern der Sprechhandeln unterbrechen zu können. Die Sprache ist ein Medium das zugleich den

Vollzug eines Handelns und seine disbeziehung ermöglicht, in dem sie zwei Formen des

Sprachgebrauchs bereitstellt. 1.) die alltägliche Kommunikation und 2.) den Diskurs. Im Diskurs

oder durch den Diskurs können wir uns von Missverständnisse befreien oder Zwängen die dem

Kommunikationsgeschehen eigen sind. Die Selbstreflexivität der Sprache in Bezug auf das Scheitern

von Kommunikation geschieht im Diskurs. Im Diskurs hat also Alter und Ego die Möglichkeit

aufeinander aus Basis von rationalen Argumenten und nicht auf Basis von Zwang, Einfluss zu

nehmen. Dies ist ein Einfluss das weder auf Gewalt noch auf Geld beruht, sondern nur auf Basis von

Argumente. Argumente die Ansprüche begründen können oder diese auch wiederlegen. „Wo

Einfluss genommen wird nicht durch macht sondern durch Gründe, wird der Erfolg dieser Art von

Einflussnahme auch abhängig sein von dem Maß an Rationalität welche in dem

Begründungsstrategien zur Geltung kommt.“ Der Machtbegriff bezeichnet nicht unbedingt physische

Macht sondern auch strukturelle Macht der auf strukturelle Über- und Unterordnungsverhältnisse

beruht. Die Rationalität von der immer die Rede ist, die durch Kommunikation hergestellt wird führt

zur Frage ‚Worin wird diese Rationalität hergestellt?‘ Diese Rationalität wird hergestellt mittels

Begründungsstrategien die im Medium der Sprache stattfinden. Rationalität ist also nicht etwas was

zur Sprache dazukommt, sondern etwas was die Sprache gleichsam inhärent ist. Rationalität macht

sich als Begründungsstrategie erkennbar. In der Sprache ist schon dieses Potential an Rationalität

angelegt. Sich der Sprache zu bedienen heißt zugleich sich Rational zu verhalten – allerdings ist dies

nur ein Sollensanspruch. Worin sieht Habermas die Rationalität der Sprache? Durch den Ausweis der

Begründungsstrategien den man anwendet. „Daher ist die Kommunikation eine Keimzelle sozialer

Interaktion deren Strukturprinzip nicht Macht, vielmehr Vernunft ist. Kommunikation wird damit zu

einem Handeln dessen Gelingensbedingungen die gekoppelt an Bedingungen unter denen Vernunft

wirksam wird.“ Vernunft heißt hier, einen Konsens erreichen zu können der nicht auf physischen

oder ökonomischen Zwang, sondern nur auf dem Zwang beruht dem von der Kraft des besseren

Arguments ausgeht. „Das unter die Theorie des Kommunikativen Handelns wirksam werdende

Konsenspathos läuft nicht auf eine Verleugnung von Dissensen in der alltäglichen Kommunikation

hinaus. Gerade umgekehrt, eben weil Missverständnisse die Kommunikation prägen, wird der

Umstand dass die Sprache und zwar allein die Sprache ein Instrument bereitstellt um in Streitfall eine

Einigung ohne Einsatz von Gewalt erreichen zu können, so entscheidend.“ Dieser Hinweis auf den

Konsens ist ein Hinweis auf das Potential von Sprache gesellschaftliche Konflikte anders als mit

Gewalt lösen zu können. Die Ebene auf dem dieses Stattfindet ist die Diskursebene. „Der

Sprachgebrauch ist nicht nur rational rekonstruierbar, sondern bringt Rationalität und Vernunft

selbst hervor. Habermas bemühte sich zu zeigen inwiefern die Vernünftigkeit unabdingbar zugleich

auch Strukturprinzip der Rede ist, und durch die Rede/Sprachgebrauch zugleich hergestellt wird.

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Insofern unsere Gesellschaftlichen zusammenleben auf diese Möglichkeit beruht, insofern kann

man tatsächlich von einer Kommunikationstheorie der Gesellschaft sprechen.

Die Sprache erfüllt drei grundlegende Funktionen:

(I) Die Sprache hat Realitätsbezüge zur äußeren Welt. Worunter verstanden wird die

Gesamtheit aller Entitäten (alles seiende), über die wahre aussagen gemacht werden

können. Mit diesem Realitätsbezug ist der Geltungsanspruche der Wahrheit verbunden.

(II) Die Sprache hat Realitätsbezüge zur sozialen Welt. Der sozialen Welt ist die Gesamtheit

aller legitim geregelten interpersonalen Beziehungen. Die soziale definiert sich durch die

Beziehung. Dort wo Beziehungen auftreten, immer dort sprechen wir von sozial. Auch

die Gesamten alle kulturell vermittelten interpersonalen Beziehungen. Legitim heißt in

diesem Zusammenhang, alle jene Beziehungen die sich als gesellschaftlichen anerkannten

Erwartungen manifestieren, und daher als richtig gelten, so dass der Hörer mit dem

Sprecher in diesen Werten übereinstimmen kann. Hinter diesem Realitätsbezug steht der

unausgesprochene Geltungsanspruch der Richtigkeit oder normative Richtigkeit.

(III) Die Sprache hat Realitätsbezüge zur inneren, zur Subjektiven Welt. Also die

Gesamtheit alle nur subjektiv zugänglichen Erlebnisse, Erfahrungen und Absichten des

Sprechers. Hinter diesem Realitätsbezug steht der Geltungsanspruch der Wahrhaftigkeit.

Diese drei kategorial aufgeschlüsselten Weltbezüge stellen den gemeinsamen Interpretationsrahmen

dar innerhalb dessen Verständigung gesucht und erzielt wird. Innerhalb dieser Sphären kann man

Verständigung orientiert handeln. Die in den Sprechhandlungen vollzogenen Realitätsbezüge sind

mit den sogenannten Geltungsansprüchen versehen. Die Geltungsansprüche werden von den

jeweiligen Gesprächspartnern vorausgesetzt, so als würden die Sprechhandlungen gar nicht

stattfinden. Diese Geltungsansprüche werden entweder akzeptiert oder zurückgewiesen.

Geltungsanspruch bedeutet dass mit einer Aussage die man trifft, implizit immer auch die

unausgesprochene Behauptung verknüpft ist, das die Bedingungen für die Gültigkeit der

betreffenden Aussage erfüllt sind. Dies gilt für Sprechakte immer und überall; deshalb heißt die

Theorie Universalpragmatik. Die Geltungsansprüche sind gegeben unabhängig von den kulturellen

Faktoren. Die Geltungsansprüche liegen jeder kommunikativer Handlung zugrunde damit

Verständigung gelingen kann.

(I) Verständlichkeit: Der Sprecher muss sich einer verständlichen Ausdrucksweise

bedienen, damit Sprecher und Hörer einander verstehen können.

(II) Wahrheit: Der Sprecher muss die Absicht haben eine wahre Aussage zu machen. Er muss

die Absicht haben ein wahrer propositionalen Gehalt mitzuteilen, damit der Hörer das

Wissen der Sprecher teilen kann. Wenn wir nicht unterstellen würden dass der andere

wahre Aussagen trifft, konnte die Verständigung nicht gelingen. Wenn wir davon

ausgehen müssten dass der andere lügt, würde jegliche Verständigungsprozess

unmöglich werden. Es würde kein Sinn machen von anderen Aussagen zu erhalten,

weile diese sowieso nicht stimmen würden. Durch rationale Argumente und durch

beweise kann man versuchen diese in Zweifel gestellten Geltungsanspruch wieder

einlösen. Der Diskurs über die Gültigkeit einer Aussage, über den Wahrheitsanspruch ist

ein sogenannter theoretischer Diskurs.

(III) Wahrhaftigkeit: Der Sprecher muss seine Intentionen wahrhaftig äußern wollen, damit

der Hörer ihn vertrauen kann. Vertrauen des Hörers setzt voraus die Unterstellte und

nicht zum Thema gemachte Wahrhaftigkeit. Die Wahrhaftigkeit kann man bezweifeln

aber nicht diskursiv darüber verfügen. Der Betroffene kann auch für seine Wahrhaftigkeit

keine Argumente bereitstellen. Die Wahrhaftigkeit kann man nur am Verhalten des

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anderen beobachten. Das Vertrauen deren korrelat die Wahrhaftigkeit ist, ist diskursiv

nicht einlösbar.

(IV) (Normative) Richtigkeit: Der Sprecher soll sein verhalten auf einen legitim anerkannten

normativen Kontext abstellen. Das meint im Grunde genommen die Regeln des sozialen

Zusammenlebens, die sehr wohl von Kultur zu Kultur unterschieden sein können. Die

Inhalte dieser Regeln ändern sich zwar, aber es ändern sich nichts an dem Umstand dass

es diese Regeln gibt. Gesellschaftliches Zusammenleben ist durch Regeln bestimmt, und

wenn man sich mit dem anderen verständigen will, muss man diese Regeln beachten. Die

Auseinandersetzung über die Art und Weise des Regelverstoßes in den Beziehungen

zueinander bezeichnet man als praktischen Diskurs.

Der Handelnde muss gegebenenfalls diese Geltungsansprüche einlösen in dem er Gründe für ihre

Geltung angibt. Der Handelnde muss in der Lage sein, jeder der Geltungsansprüche mit Gründen zu

versehen. Der der rational Spricht, kann für seine Aussagen Gründe geben. Der Begriff des

kommunikativen Handelns setzt Sprache als Medium von Verständigungsprozessen auf der

Grundlage von Geltungsansprüchen voraus. Das kommunikative erzielte Einverständnis ist gleich

Verständigung stützt sich also auf Gründe, und das begründet die Rationalität des kommunikativen

Prozesses. Argumentation ist derjenige Typus von rede in dem strittige Geltungsansprüche mit

Argumente eingelöst oder kritisiert werden können. Die Teilnehmer am Diskurs können sich also so

über die beanspruchte Gültigkeit ihre Äußerungen einigen. Die Geltungsansprüche werden

transparent gemacht, im Diskurs per rational Auseinandersetzung eingelöst, und anschließend kann

man sich darüber einigen. Wenn also im Sinne von Habermas nur um Gründe und nur um den

zwanglosen Zwang des besseren Arguments geht dann setzt diese eine Gesprächssituation voraus,

die frei ist von Verzerrung und Einflüssen, in der also auf offene oder versteckte strategische

Herrschaftsausübung verzichtet wird. Der Diskurs ist endgeknüpft an die Möglichkeit einer

Sprechsituation die frei ist vom verzerrenden Einfluss. In diese Sprechsituation sollten alle

Beteiligten die gleiche Chance haben sich am Sprechakt zu beteiligen. Der Verzicht auf Herrschaft

durch Kommunikation und das einräumen der Möglichkeit dass alle diejenigen die am Diskurs

beteiligt sind die gleiche Chance haben sollen sich am Diskurs zu beteiligen, bezeichnet Habermas als

die ideale Sprechsituation, von der er sagt das sie Kontrafaktisch ist. Das heißt sie hat mit der

Wirklichkeit nichts zu tun, aber selbst auch dann wenn sie nichts mit der Realität zu tun hat so ist sie

noch ein normatives Ideal bzw. Anspruch an dem man die Wirklichkeit eines Diskurses messen

sollte. Im Idealfall sollte es so sein, auch wenn der Idealfall in der Realität nicht zu erreichen ist. Das

Modell der Idealsprechsituation hat Habermas entwickelt mit Blick auf den herrschaftsfreien

Diskurs einer Wissenschaftselite. Man wirft Habermas oft vor das diese Theorie von Handelns mit

der Realität nichts zu tun haben. Eine mangelnde Geltung in der Realität ist aber kein prinzipielles

Argument gegen die Gültigkeit einer Überlegung. Man kann nicht von einer mangelnde Geltung in

der Realität auf eine mangelnde Gültigkeit schließen. Es ist nämlich einen Kurzschluss von der

Geltung auf die Gültigkeit zu schließen. Der Einwand der mangelnden Geltung ist keinesfalls

hinreichend. Im Prinzip steht dahinter die Auseinandersetzung zwischen Ist und Soll. Der Umstand

das etwas nicht so ist wie es sein sollte, sprich nicht gegen den Sollensanspruch, sondern eher gegen

den Ist-Zustand. Nicht der Soll-Zustand muss sich am Ist-Zustand orientieren, sondern der

gesellschaftliche Ist-Zustand ist immer an einem Sollens-Zustand zu orientieren, der ja Kontrafaktisch

aufrechterhalten wird. Man kann zum Beispiel am Gebot der Nächstenliebe glauben obwohl man

täglich daran scheitert. Es ist der Wert absolut zu setzen an dem man sich orientieren kann, im

bewusst seines Scheiterns. Mit dem Theorie des Kommunikativen Handelns ist ein

emanzipatorischen Anspruch verknüpft dem wir mit der Systemtheorie nicht verknüpfen können.

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Worin konstruiert die Wissenschaft Wirklichkeit? Genauso wie wir in unsere zwischenmenschliche

Begegnungen einander nicht Abbilden, sondern einander interpretieren. So mach das auch die

Wissenschaft. Dahinter stehen Prozesse die mit zentralen Begriffen verknüpft sind – zum Beispiel den

Begriff der Paradigma. Paradigma wird hier verstanden als die Leitgesichtspunktes des Denkens

einer Disziplin. Das Paradigma bestimmt die Art und Weise wie Wissenschaft ihr Gegenstand

definiert und damit auch konstituiert. Zum Beispiel das Steuerungsparadigma der Kommunikation.

Habermas zeigt das es gar nicht um die Steuerung geht, sondern im Gegenteil um ganz andere

Ansprüche – um emanzipatorische Ansprüche, Ansprüche der Selbstbestimmung, Ansprüche der

Vernünftigkeit. Kommunikation heißt also nicht nur jemanden zu steuern, sondern ihn auch

möglicherwiesen Entfaltungsmöglichkeiten anzubieten – es geht um die Selbststeuerung und die

Selbstbestimmung. Selbststeuerung beruht im Sinne von Habermas auf dem besseren Argument,

und nicht auf der Strategie der Kommunikation, des persuasives Umgang. Die

Kommunikationswissenschaft hat sich den letzten 80/90 Jahre mit der Frage beschäftigt: Wie können

wir Menschen durch Kommunikation manipulieren? Das ist eine durchaus legitime Frage, aber es

gibt auch andere Bereiche die sich diese Frage entziehen.

Solange die Wissenschaft eine Steuerungsparadigma in sich trägt, solange wird sie keine kritische

Sozialwissenschaft sein können. Die Systemtheorie wird in diesem Kontext als eine gute, abstrakte

Theorie gesehen die alle Steuerungsprozesse erklären kann und begrifflich fassen kann während die

Theorie Kommunikativen Handelns eine emanzipatorische Theorie ist. Die stellt sich die Frage, ‚Wie

kann sich der Mensch in dieser Überbürokratisierte, Fremdverwaltende, Fremdgesteuerte Welt das

Individuum sich überhaupt zu Recht finden? Das große Bereich der empirischen

Kommunikationstheorien die über 90 Prozent aller theoretischen Überlegungen darstellen, sind

meistens Theorien mittlerer Reichweite. Sie können meistens nur über einen bestimmten Teilbereich

etwas aussagen. Weil Kommunikation als Totalphänomen gilt, gibt es nicht eine große Supratheorie

die diese große Vielfalt der kommunikativen Phänomene umfassen kann. Alleine die Unterscheidung

zwischenmenschliche Kommunikation und Massenkommunikation zeigt das wird beide nicht mit

derselben Theorie umfassen können.

Wichtig ist zu verstehen das Theorien etwas Gemachtes sind, die einen bestimmten Konsens oder

Sichtweise innerhalb des Scientific Community folgend. Die Wissenschaft produziert nicht

sakrosankten, sondern es wird immer nur den aktuellen Stand des Irrtumes angeboten. Theorien sind

das ordnen, beobachten, sichten und klassifizieren von Phänomene. Für diese überschaubare Zahl ein

Phänomene, versucht die Wissenschaften einen bestimmten Zusammenhang zu erstellen.

Wissenschaftliche definierte Wirklichkeit wird über diese Phänomene erklärt - also zu sagen nicht

nur was ist, sondern warum etwas so ist. Es geht nicht nur um die Beschreibung und Klassifikation

der Phänomene, sondern die Wissenschaft versucht auch über diese Begründungen herzustellen, und

zweitens auch vorherzusehen.

Die Kritische Theorie und der Kritische Rationalismus sind beide unterschiedliche Konzeption für die

Bedeutung von Wissenschaft für die Gesellschaft. Es geht der Kritischen Theorie darum mit

Wissenschaft die Gesellschaft verändern zu wollen, auf einen bestimmten Sollenszustand. Worauf

der Karl Popper sie dem Ideologieverdacht unterstellt hat. Die Vertreter der Kritischen Theorie

meinten aber ihrerseits das ‚Social Engineering‘, das ‚Drehen an der Stellschrauben‘, nicht Aufgabe

einer Sozialwissenschaft sein können. Hinter die lösungsbedürftigen Probleme stehen eben

strukturelle gesellschaftliche Probleme. Anhand dieser Überlegungen warf Adorno den Popper vor,

das er Theoriefeindlich sei. Im Prinzip ging es bei den beiden um ein ringen über die Funktion der

Sozialwissenschaften in der Gesellschaft. Der Kritische Rationalismus glaubt an eine asymptotische

Annäherung an die Wahrheit – wobei die Vertretern der Kritischen Theorie an eine tatsächliche

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Wahrheit glauben. Sollte jemanden Frage, unter welchen theoretischen Dach steht die

Kommunikationswissenschaft ist es die Kritische Rationalismus. Letztlich aber wiederrum auch nicht

denn der Versuch sich ständig zu wiederlegen passiert in der Forschung eigentlich selten. Man ist

doch in der Forschung motiviert die eigentliche Grundannahme zu verifizieren und nicht zu

falsifizieren. Doch es ist längst schon bewusst dass eine endgültige Verifikation nicht möglich ist,

sondern ehern nur ein vorläufiges bewähren der Grundannahme. Der Satz ‚Alle Schwäne sind Weiß‘

gilt schon nicht mehr, denn ein Schwarzes Schwann ist im Naturhistorisches Museum zu sehen.

Wissenschaft als Verhältnis zwischen Freiheit und Einsamkeit.

Man kann eigentlich nichts Gewisses sagen, man kann nur sich verlassen auf das eigene denken.