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Metaller gegen Rechts metall Politik Köhlers Kniefall Ratgeber Sozialwahlen 2005 April 2005 Jahrgang 57 D 4713 Nr. 4 D a s M o n a t s m a g a z i n

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  • Metallergegen Rechts

    metall

    PolitikKöhlers Kniefall

    RatgeberSozialwahlen 2005

    April 2005Jahrgang 57D 4713

    Nr. 4

    D a s M o n a t s m a g a z i n

  • Leserbriefe

    metall 4/20052

    Fachausschuss der IG Metallwieder.Ariane Diemann, Hannover

    >Über einen Fernkurs eigneteich mir die Fähigkeiten zum In-dustriemeister Metall an. ImFrühjahr 1993 hatte ich einenPrüfungstermin bei der IHKAugsburg/Schwaben im FachBerufs- und Arbeitspädagogi-sche Kenntnisse. In der mündli-chen Prüfung im Fach Unter-weisung, die normalerweisezehn bis 15 Minuten dauert,wurden mein Bruder und icheineinhalb Stunden geprüft, umdann durchzufallen. Beimanschließenden Prüfungsge-spräch teilte uns der Prüfungs-vorsitzende mit,dass wir nichtdie richtige Vorbereitung ge-habt hätten, und es doch besserwäre, einen Kurs bei der IHK zubelegen. Beim zweiten Prü-fungstermin bei einem anderenPrüfungsausschuss mit bewusstdem gleichen Vortrag, war ichin fünf Minuten fertig. Der Aus-schuss bescheinigte mir einerichtige und sachliche Vorberei-tung.Willkür oder nicht?Helmut Schneider, per E-Mail

    Gegen Sozialabbaumetall Titel 4/2005: Die Rechte derVäter

    >Der Artikel ist nicht schlecht,hat aber das Problem, das er als

    Beratung in einer Personal Service Agentur: Auf Wiedervorlage gelegt

    Fachkraft für Hungerlohn

    >Euer Bericht über die Perso-nalservice Agenturen kam wiegerufen, als die metall nach län-gerer Zeit wieder einmal inmeinem Briefkasten war. Zur-zeit suche ich Arbeit als qualifi-zierte Buchhalterin, gerade mal50 Jahre alt, also eigentlich jungund erwerbsfähig. Inzwischenbin ich mehr als sechs Monateohne richtige Arbeit (eine ge-ringfügige Beschäftigung beieinem Steuerberater hält michfit). Genau dieses hat eine wei-tere PSA in Essen, nämlich dieBartels-Gruppe versucht,schamlos auszunutzen. Ichwurde für den Zeitpunkt regel-recht auf Wiedervorlage gelegt.Just zum Zeitpunkt kam dannein passendes Angebot bei derPSA herein, es wurde versucht,mir eine Stelle, für deren Entgelt

    ich gerade so hätte überlebenkönnen, als Sechser im Lotto zuverkaufen.Von jetzt auf sofortsollte ich bei der PSA ohne Prü-fung einen Vertrag unterschrei-ben, der mir eine Rückkehr zumeinem Steuerberater unmög-lich gemacht hätte. Der Kundeder PSA hat wohl gezielt ver-sucht, eine Fachkraft für einenHungerlohn einkaufen zu kön-nen. Ich hoffe jetzt, über soli-dere Vermittler, die die Arbeits-losigkeit Arbeitswilliger nichtausnutzen, doch noch eine ver-nünftige Anstellung zu bekom-men.Elisabeth Baumann, Essen

    Zu kurz gedachtmetall 4/2005: Neoliberalismus

    >Ich habe den Artikel von Alb-recht Müller mit Interesse gele-

    sen und muss ihm völlig Rechtgeben. Leider haben Politikerund Unternehmervertreternoch nicht realisiert, dass nurkaufkräftige Kunden ihre Pro-dukte kaufen können. Im Mo-ment sind die Unternehmerver-treter alle auf ihr eigenes Geldaus. Langfristig ist das aber zukurzgedacht.José Alex Hoffmann, per E-Mail

    >Was hat die Steuersenkung fürdie Unternehmen gebracht? DieBanken haben höchste Gewinneverzeichnet und trotzdem tau-sende Mitarbeiter entlassen. Dasganze Problem liegt in der Kauf-kraft des kleinen Mannes, dasschwache Glied ist die Binnen-wirtschaft. Je weniger der kleineMann in der Tasche hat, destoschlechter geht es dem Hand-

    werk in Deutschland (Export-weltmeister sind wir ja schon).Das können die oberen Zehntau-send niemals verstehen.Wie sol-len sich das auch.Rainer Fritz, Lichtenwald

    Vorbild für Anderemetall 3/2005: »Es geht um Macht«

    >Dem Azubi Mathias Koschekan dieser Stelle ein Lob für seinDurchsetzungsvermögen. Ichfreue mich, dass endlich malein Azubi den Mut hatte, sichgegen den Prüfungsausschusszu wehren. Ein Kandidat für dieJAV-Wahl und für ein späteresBetriebsratsgremium. Ich hoffe,dass er anderen in jeder Hin-sicht Mut macht, sich gegenUngerechtigkeiten im Zahn-technikerhandwerk einzuset-zen.Vielleicht sehen wir uns im

    Diskriminierung von Ledigenund Kinderlosen angesehenwerden kann. Die Bemerkung,dass sie »die Fähigkeiten undsozialen Kompetenzen mitbrin-gen«, stellt Ledige und Kinder-lose als nicht gesellschaftsfähigdar.Rudolf Tanin, per E-Mail

    >Mit dem Titel »Die nettenZeiten sind vorbei« haben diedrei Kolleginnen völlig recht.Die Lage der Arbeitnehmerin-nen wird zunehmend härter.Die Systemkonkurrenz ist vor-bei und so kann das Kapital mitHilfe seiner politischen Vasallenden bisherigen Sozialstaat nachund nach abbauen und die Ar-beiter und Arbeiterinnen zu-nehmend ausbeuten. Der vonVielen schon tot geglaubte Li-beralismus des 19. Jahrhundertwird in den kommenden Jahrenals »Neoliberalismus« wiederauferstehen, wenn wir unsnicht wehren.Sàndor Ràcz, Rheine

    metall-RedaktionWilhelm-Leuschner-Straße 7960329 Frankfurt am MainFax: 0 69–66 93-2000E-Mail: [email protected] Redaktion behält sich vor,Leserbriefe zu kürzen. Die vollständigemetall-Ausgabe steht auch im Internet.

    Margot Sieg-Baghdadli, Berlin

    Dieser Artikel war für mich sehr aufschlussreich.Besteht denn die Möglichkeit, diesen Dumping-gewerkschaften das Handwerk zu legen?

    metall 3/2005: Hand in Hand mit der Schmutzkonkurrenz

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    Inhalt

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    Editorial

    >Seit die NPD in den sächsischen Land-tag eingezogen ist, sind die Neonazis in al-ler Munde. Während Politik und öffentli-che Meinung hilflos reagieren, haben Me-tallerinnen und Metaller längst die Gefahrerkannt. Wo die Braunen auftreten, rea-gieren sie mit Gegenaktionen, Aufklärungund örtlichen Bündnissen. Wo die IG Me-tall mit ihren Partnern gegenhält, habendie Rechten keine Chance. Aktionen, dieMut machen. Auch wenn die Ewiggestri-gen die Springerstiefel und die Glatzenabgelegt haben und seriös mit Anzug undKrawatte auftreten, bleiben sie gefährlich.>Mit großem Getöse lud BundeskanzlerGerhard Schröder zum Job-Gipfel. Es wur-de aber mehr eine Schauveranstaltung,die für Arbeitsplätze und Arbeitslose kei-ne Ergebnisse brachte. Der Kanzler hattezuvor im Bundestag in einer Regierungser-klärung »kleine Schritte in die richtigeRichtung« (Jürgen Peters) vorgestellt, diesich wohltuend von dem Kniefall des Bun-despräsidenten Horst Köhler vor den Ver-tretern der deutschen Wirtschaft abhob.Dennoch: Die Ergebnisse sind mager.metall hat Job-Gipfel und Köhlerrede un-ter die Lupe genommen und die Alternati-ven der IG Metall gegenübergestellt.>Zum 60. Jahrestag der Befreiung am 8.Mai sind in vielen Verwaltungsstellen derIG Metall Veranstaltungen geplant. metallmöchte darüber einen Überblick gebenund bittet die Initiatoren um Informatio-nen. Wir wollen die Termine in der nächs-ten Ausgabe veröffentlichen. Anlaufadres-se ist mmeettaallll--lleesseerrppoosstt@@iiggmmeettaallll..ddee. Überviele Veranstaltungshinweise und Aktio-nen würden wir uns freuen. Meldung biszum Redaktionsschluss am 1155.. AApprriill.

    DDiiee RReeddaakkttiioonn

    MagazinEuropäischer Aktionstag . . . . . . . . . . 4Mahle: Arbeitsplätze gesichert . . . . . 5Infineon: Gegen Kahlschlag. . . . . . . . 6Opel-Zukunftsvertrag . . . . . . . . . . . . 7

    Das ThemaJob-Gipfel:Denn sie wissen nicht, was sie tun . . . 8Köhlers Kniefall . . . . . . . . . . . . . . . . 10

    Zur SacheJürgen Peters:Schritte in die richtige Richtung . . . . 11

    ReportAusbildung für Tischler:»Basis für die Zukunft« . . . . . . . . . . 12

    TitelDie neuen Neonazis:Zeit zur Gegenwehr . . . . . . . . . . . . . 14

    BranchennewsTextilindustrie Ost: Drei Prozent gefordert . . . . . . . . . . . 19

    BetriebsreportRisse und Wilke:Era umgesetzt . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

    BranchenreportAutoteile:Heißumkämpfter Markt . . . . . . . . . . 22

    RatgeberSozialwahlen 2005:Kompetenz wählen . . . . . . . . . . . . . 24Tipps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

    Der MonatsökonomAlbrecht Müller über den Filz unter Wirtschaftsweisen . . . 28

    RätselMonats- und Drei-Monats-Rätsel . . . 30

    PorträtZu Besuch beiFred Balsam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

    RegionalesAus den Bezirken . . . . . . . . . . . . . . . 32Lokales/Karikatur . . . . . . . . . . . . . . 35

    AusbildungJunge Menschen, die schwer lernen odersozial benachteiligt sind, haben wenigChancen auf dem Arbeitsmarkt. Wie esbesser geht, zeigt ein Beispiel ausThüringen.Seite 12

    AutoteileGeld wird beim Ver-braucher immer kap-per. Deshalb werdenAutos länger gefahren.Entsprechend hart istdie Konkurrenz in derAutoteilebranche.Seite 22

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    Titelfoto: attenzione / Sascha Rheker

    Keine Chanceden Braunen

    Job-GipfelDer rot-grüne-schwarze Job-Gipfelbrachte vor allem eins:viel heiße Luft undSteuergeschenke fürUnternehmer. Zuvorhatte BundespräsidentHorst Köhler die Ver-treter der deutschenWirtschaft glücklichgemacht.Seite 8

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    Europäischer Aktionstag

    »EU-Kompetenzüberprüfen«Rund 60000 Menschen aus ganzEuropa, Gewerkschafter und Mit-glieder sozialer Bewegungen, ha-ben in Brüssel gegen die arbeit-nehmerfeindliche Ausrichtung derEuropäischen Union protestiert.»Ein Europa ohne Arbeitnehmerist kein Europa«, mahnte derDGB-Vorsitzende Michael Som-mer auf der Demonstration; ausganz Europa waren rund 60000Beschäftigte angereist, um beimEU-Frühjahrsgipfel gegen die

    arbeitnehmerfeindliche EU-Poli-tik zu protestieren. Sommer:»Wir überlassen Europa nichtden Konzernen«.

    Daran arbeiten die Neolibera-len – kein Wunder,dass bei vielenArbeitnehmern die Ängste wach-sen. Die Europäische Einigung,so hatten sie immer gehofft, soll-te mehr und bessere Arbeitsplätzeschaffen und die Solidarität zwi-schen den Beschäftigten weiterstärken. Doch inzwischen sieht

    die Bilanz ernüchternd aus.»Stattsich gemeinsam für mehr Arbeitund Innovation einzusetzen, ma-chen sich die Länder der Europä-ischen Union gegenseitig Kon-kurrenz mit niedrigeren Steuern,Löhnen und schlechteren sozia-len Bedingungen«, kritisiert derDGB.

    Beispielsweise die berüchtigteEU-Dienstleistungsrichtlinie. Sieermöglicht den einzelnen Mit-gliedsländern, Dienstleistungenzu Dumpinglöhnen einzu-führen. In der Kritik steht auchder EU-Verfassungsentwurf. Erschreibe alternativlos neoliberaleWirtschaftspolitik fest, mit »un-beschränktem Wettbewerb inden EU-Staaten«, kritisiert eingemeinsamer Aufruf von attac,IG

    Metall,Verdi und FriedensforumWitten. Zudem sei er »einseitigauf militärpolitische Ziele ausge-richtet«. Mitgliedstaaten würdenzur ständigen Aufrüstung ver-pflichtet,das Verbot von Angriffs-kriegen außer Kraft gesetzt.

    »Alle Kompetenzen der Unionmüssen konsequent darauf über-prüft werden, ob sie nicht besserauf kommunaler, regionaler odernationalstaatlicher Ebene getrof-fen werden können«, fordernnicht nur die Gewerkschaftensondern auch attac.

    Außerdem müssten Mindest-standards für Steuern und Sozial-leistungen eingeführt werden.Höhere Standards in einzelnenLändern dürften nicht gefährdetwerden.<

    Die Grafik widerlegt Bundespräsi-dent Köhler und alle Wirtschafts-liberalen, die angeblich hoheLohn- oder Lohnnebenkosten fürdie Wirtschaftskrise verantwort-lich machen. In Wirklichkeit sinktder Anteil der Lohnkosten am Ar-beitsprodukt. Bedingt durch eine

    rapide zunehmende Produktivitätund moderate Lohnabschlüsse,wirtschaften die Beschäftigtenden Arbeitgebern immer höhereBeträge in die Taschen. Statt Löh-ne zu drücken, sind Lohner-höhungen angesagt – damit dieKaufkraft wächst. <

    Frankreich: Aktionen für 35-Stundenwoche

    »Botschaft wird beachtet«Hunderttausende Beschäftigtehaben Anfang März erneut auf150 Veranstaltungen in ganzFrankreich für den Erhalt der35-Stunden-Woche demons-triert. In vielen Betrieben, insbe-sondere in der Metall- und Le-bensmittelindustrie, wurde ge-streikt, der öffentliche Nahver-kehr war lahmgelegt. Der Grundfür den Zorn der französischenArbeitnehmer: Die Regierungwill die Arbeitszeit verlängern –weil die Menschen angeblich»mehr arbeiten wollen, ummehr zu verdienen«.

    Tatsächlich liegt die niedrigs-te Lohnstufe in jeder drittenBranche unterhalb des gesetzli-

    chen Mindestlohns von monat-lich 1400 Euro; vor allem in denGroßstädten lässt sich davonkaum leben.

    Doch die Franzosen sind festentschlossen, ihre gesetzlichfestgeschriebene 35-Stunden-Woche zu verteidigen. »HöhereLöhne, sichere Jobs, Garantieder 35-Stunden-Woche«, fassteBernard Thibault, Chef der Ge-werkschaft CGT, die Ziele derProtestbewegung zusammen.

    Die konservative französischeRegierung haben die Massen-proteste offenbar beeindruckt:»Die Streikbotschaft wird be-achtet«, erklärte Verkehrsminis-ter de Robien kleinlaut.<

    Proteste in Brüssel: »Wir überlassen Europa nicht den Konzernen«

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    Teure Arbeit?

    Quelle: Ver.Di

    Soviel Euro-Wert produzierten Beschäftigte für die Arbeitgeber, je 100 Euro Lohn

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    Nach der größten Protestaktionin der Unternehmensgeschichtehat der Gesamtbetriebsrat einelangfristige Beschäftigungssi-cherung durchgesetzt. Rund 4000 Mahle-Beschäftigteaus allen 16 deutschen Standor-ten haben im März vor derMahle-Zentrale in Stuttgart-BadCannstatt protestiert – »diegrößte Protestaktion in der Un-ternehmensgeschichte«, freutsich GBR-Vorsitzender BerndHofmaier-Schäfer. Der Konzernhatte geplant, weitere 600Arbeitsplätze abzubauen unddie Einkommen um 15 Prozentzu kürzen.

    Die Aktion hat die Geschäfts-leitung offenbar zur Besinnunggebracht. Denn zwölf Tage spä-

    ter setzte der Gesamtbetriebs-rat eine langfristige Beschäf-tigungssicherung durch. Da-nach darf an allen Standortenbis 2010 niemand betriebsbe-

    dingt gekündigt werden. Zu-dem müssen Verhandlungenüber nachhaltige Entwick-lungsperspektiven geführtwerden.<

    Philips verlangt drastische Ein-schnitte von den Beschäftigtendes Hamburger Halbleiterwerks.Das Urlaubsgeld soll gekürzt, dieERA-Strukturkomponente ge-strichen, Tariferhöhungen aus-gesetzt und die Arbeitszeit ohneLohnausgleich verlängert wer-den.

    Die IG Metall-Mitglieder imBetrieb lehnen die Sparerei ab,

    zumal Philips keine Gegenleis-tung anbietet. Die IG Metall ver-langt einen eigenen Tarifvertragund will verhandeln. DochPhilips blockt und droht mit450 Kündigungen. ChristianSchoof, Bezirksleitung Ham-burg: »Die IG Metall-Mitgliederwären,befristet, zu längeren Ar-beitszeiten bereit – wenn es Be-schäftigungsgarantien gibt.« <

    Blockieren und Drohen

    Arbeitsplätze gesichertAußenansicht

    Antidiskriminierungsgesetz

    Klima-Wende

    Nur rund die Hälfte aller Unter-nehmen beschäftigt über 50-jährige Arbeitnehmerinnenoder Arbeitnehmer. Umsowichtiger ist es, dass in dasAntidiskriminierungsgesetzauch das Diskriminierungs-merkmal Lebensalter mit ein-bezogen wird.Auch die aktuelleAnkündigung derBundesagenturfür Arbeit, Ältereim OstenDeutschlandsnicht weiter durchdie Arbeitsbehör-den betreuen zulassen, zeigt das.

    Ältere behinderte Menschenhaben kaum mehr Chancen aufdem Arbeitsmarkt, behinderteJugendliche finden schwerAusbildungsplätze. Besondersbetroffen sind behinderte Frau-en. Die Arbeitgeber müssen imVorfeld verpflichtet werden,Maßnahmen zum Schutz vorBenachteiligung, auch präven-tive, zu treffen.

    Es geht nicht darum, einzel-ne Gruppen zu bevorzugen,sondern bestehende Benach-teiligungen abzubauen. DieBefürchtungen der Ländersind daher überzogen. Erfah-rungen mit bestehenden ar-beitsrechtlichen Benachteili-gungsverboten für Frauen undfür schwerbehinderte Men-schen belegen, dass es ebennicht zu der befürchteten Flutvon Prozessen kommen wird.

    Und: Von einem benachteili-gungsfreien »Klima« in den Be-trieben werden alle profitieren.

    Dieses lässt sich nicht alleindurch Sanktionen erreichen.Aufklären und langfristig einebehinderten- und altersge-rechten Lebens- und Arbeits-welt zu schaffen, sindunerlässliche Ziele.<

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    Proteste in Bad Cannstadt: »Geschäftsleitung zur Besinnung gebracht«

    Flugblättern wurde die Beleg-schaft davor gewarnt, Zusatzver-träge für unentgeltliche Mehrar-beit zu unterschreiben.

    Die Geschäftsleitung tobteund kündigte einem Mitglieddes Wahlvorstands. Als Klaus-Dieter Winnerlein (IG MetallFürth) im Betrieb auftauchte,holte die Geschäftsleitung diePolizei. Genutzt hat es nichts.

    Kaum war der Betriebsrat imAmt,wurde die Wahl angefoch-

    ten und für drei Betriebsrats-mitglieder die Kündigung be-antragt. Ein Betriebsratsmit-glied wurde zwangsversetzt.

    Inzwischen sind viele Be-schäftigte IG Metall-Mitglied,wegen der unbezahlten Stun-den werden Klagen vorbereitet.Winnerlein: »Hier geht es umdie Macht im Haus. Die Be-schäftigten wissen, dass sie einestarke Interessenvertretungbrauchen.« <

    »Hier geht es um die Macht im Haus«

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    Jacob, Wilhelmsdorf (Bayern)

    Philips, Hamburg

    Fertigung bei Philips, Hamburg:»Metaller gegen Sparerei«

    Walter Hirrlinger,Präsident des Sozial-verbands VdK

    Im vergangenen Herbst verpasstedie Jacob-Geschäftsleitung ihren240 Beschäftigten einen herbenSchlag:Erst wurde die Arbeitszeitauf 42,5 Wochenstunden er-höht; dann Kollegen gekündigtoder gedrängt, Aufhebungsver-träge zu unterschreiben. Als dieMehrarbeit nicht mal bezahltwurde, wandten sich Kollegenan die Fürther IG Metall.

    Die half zunächst einen Be-triebsrat aufzubauen; und auf

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    Köpfe

    Antonius und Martina Ei-denkötter setzen sich für denErhalt von Arbeitsplätzen Be-hinderter ein. Das Metaller-Ehepaar sammelte 2004rund 1850 Telefonkarten und347000 Briefmarken, die inden Bodelschwinghschen An-stalten (Bielefeld) aufgearbei-tet und Sammlern angebotenwurden. Der Erlös trug dazubei, rund 130 Arbeitsplätze inder Bielefelder Einrichtung zusichern. <

    Günter Sroka, MTU-Konzernbe-triebsratsvorsitzender, und seinStellvertreter Michael Winkel-mann haben BundeskanzlerSchröder im Kanzleramt be-sucht. Die Metaller befürchten,dass von MTU bis zu 800 Stel-len abgebaut werden könntenund mahnten in Berlin ein indus-triepolitisches Konzept an. Der

    Kanzler hat offenbar verstan-den. Sroka: »Er hat sich viel Zeitgenommen und uns seine Un-terstützung zugesagt.« <

    Peter Scherrer (45), bisher imDüsseIdorfer IG Metall-Zweig-büro für den Thyssen-Krupp-Konzern und Euro-Betriebsrä-te in NRW zuständig, ist ein-stimmig zum Generalsekretärdes Europäischen Metallge-werkschaftsbunds (EMB,Brüssel) gewählt worden. Dergelernte Maschinenschlosserwill sich im EMB vor allem umdie Koordinierung der europäi-schen Gewerkschaftspolitikkümmern. Scherrer: »Ein wich-tiges Ziel, an dessen Verwirkli-chung alle Gewerkschaftenmithelfen müssen.« <

    Landmaschinen-Industrie

    Einig gegen Mehrarbeit

    bescheinigen, wie bestimmteHochfrequenz-Bauelemente,wurden verkauft. Bei einerKundgebung vor einem Ein-kaufszentrum in München-Per-lach informierten die Infineon-Beschäfigten die Bewohner desStadtteils.Auch in Berlin demons-trierten Infineon-Beschäftigte.Durch den Verkauf des InfineonGlasfasergeschäfts an Finisasind auch in Berlin 280 Arbeits-plätze gefährdet.<

    Mit ihrer »Münsteraner Er-klärung« wenden sich Betriebs-räte aus 14 Standorten der Land-maschinenindustrie gegen un-bezahlte Mehrarbeit.

    Was die Solidarität der Be-triebsräte wert ist, hat sich we-nig später bei Krone (Spelle) ge-zeigt. Dort forderte die Ge-schäftsleitung zwei Wochen-stunden Mehrarbeit für lau; an-sonsten müsse auf Millionenin-vestitionen an deutschen Stand-orten verzichtet werden.Der Be-triebsrat lehnte dankend ab.

    »Solche Generalangriffe kön-nen wir nur gemeinsam abweh-

    ren«, sagt Norbert Schulze, Be-triebsratsmitglied bei Lemken.Außerdem bringe unbezahlteMehrarbeit nur vorübergehendVorteile. Denn: Sobald die Kon-kurrenz nachziehe, schmelzeder Vorteil dahin. Am Ende, be-fürchtet Günter Laumann, Be-triebsratsmitglied bei Claas(Harsewinkel), vernichte länge-re Arbeitszeit sogar Arbeitsplät-ze. Bei Einführung der 40-Stun-den-Woche »müssten zehn Pro-zent unserer Kollegen gehen«.

    IG Metall-Bezirksleiter DetlefWetzel hat die Arbeitgeber zumUmdenken aufgefordert. Der

    internationale Wettbewerb lassesich nicht über längere Arbeits-zeiten und niedrigere Löhnegewinnen, sondern nur überdie Qualität.<

    StreikrechtErfolg für die IG MetallDas Frankfurter Arbeitsgerichthat eine Klage des Arbeitgeber-verbandes »Nordmetall« abge-wiesen, der IG Metall Streiks beibetrieblichen Verlagerungen zuverbieten. »Nordmetall« hattedie IG Metall im vergangen Jahrverklagt, nachdem die Beschäf-tigten bei Otis (Stadthagen) undHeidelberger Druck die Arbeitniedergelegt hatten. Sie wolltenAbfindungen und Qualifizie-rungen für die von Werks-schließungen betroffenen Kolle-gen durchsetzen. IG Metall-Ju-stitiar Peter Hunnekuhl: »Mitdem Richterspruch wurde derAngriff auf das Streikrecht abge-wehrt.«<

    NiedriglöhneSog nach untenNach einer aktuellen Studie desInstituts für Arbeitsmarkt- undBerufsforschung sind 17,1 Pro-zent aller VollzeitbeschäftigtenGeringverdiener (1996: 15,8Prozent). Nur ein Drittel dieserBeschäftigten habe zwischen1996 und 2001 die Nied-riglohnschwelle überschreitenkönnen.Zehn Jahre zuvor warenes noch 50 Prozent. Innerhalbder EU sei die Bundesrepublikjetzt Schlusslicht.<

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    Der Chip-Hersteller Infineon inMünchen-Perlach will sein Werkim Januar 2007 schließen, rund1000 Arbeitsplätze sind gefähr-det. Die Fertigung soll schritt-weise verlagert werden. Die Ge-schäftsleitung hatte in den letz-ten Jahren das Perlacher Werksystematisch heruntergefahren,folglich verblieb nur die veraltete6-Zoll-Wafer-Technologie.

    Bereiche,denen Fachleute einkräftiges Entwicklungspotenzial

    Symbolischer Akt in Berlin: »Werk systematisch heruntergefahren«

    Beschäftigte wehrensich gegen Kahlschlag

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    Winkelmann (links) und Sroka beim Kanzler

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    Produktion bei Lemken (Alpen):»Generalangriff abwehren«

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    Nachgefragt . . . Arbeitszeit-Gestaltung

    Die Bezirksleitung der StuttgarterIG Metall hat erstmals einen Tarif-vertrag zur Gestaltung der Arbeits-zeit vereinbart. Er sieht ergänzendzur heutigen Tarifregelung Lang-zeit- und Flexikonten vor. Langzeit-konten sollen der individuellen Ar-beitszeitgestaltung, Flexikontender Beschäftigungssicherung die-nen. metall sprach mit Bezirkslei-ter Jörg Hofmann.metall: Bedeuten Langzeitkontenlängere Arbeitszeiten?Hofmann: Nein, wir haben dieBedingungen dafür festgelegtund damit betrieblichen Wild-wuchs eingedämmt. Mit Lang-zeitkonten können die Beschäf-tigten Mehrarbeit mit Freizeitausgleichen. Arbeitsmarktpoli-tisch ist das jedenfalls positiver zubewerten als eine Auszahlung inEuro. Zusätzlich erhalten sie da-mit mehr Freiräume für ihre Le-bensarbeitszeit-Gestaltung.metall: Der Tarifvertrag erlaubt

    300 Stunden auf dem Flexi-Konto – ist das nicht ein bis-schen zuviel?Hofmann: Es gibt heute schon Be-triebe, die höhere Grenzen ver-einbart haben. Leider sind dieAusgleichszeiträume oft kaumnoch relevant – obwohl es imTarifvertrag steht. Das muss sichwieder ändern, wir möchtendie tarifliche Regelung wiederzurückgewinnen. Die 300 Stun-den werden in der Regel durchdie betrieblichen Vereinbarungennicht ausgeschöpft.metall: Wie steht es mit der Zeit-souveränität für Beschäftigte?Hofmann: Gerade auf diesenPunkt haben wir großen Wertgelegt und im Tarifvertrag ge-nau definiert: Die Stunden in

    den Langzeitkonten stehen aus-schließlich den Beschäftigtenzur individuellen Verfügung.Der Arbeitgeber hat darauf kei-nen Zugriff.metall: Hört das Gejammere derArbeitgeber über starre Arbeits-zeiten jetzt auf?Hofmann: Diese an den betriebli-chen Tatsachen vorbeigehendeKritik hat stets dazu gedient, län-gere Arbeitszeiten durchzuset-zen. Dem wirken wir mit unserVereinbarung weiter entgegen.Wir wollen lieber intelligen-ter arbeiten statt länger. DenSprüchen über starre Arbeitszei-ten wird damit gänzlich der Bo-den entzogen.metall: . . . allerdings entfallen dieÜberstunden-Zuschläge . . .

    Nur mehr Nachfrage hilft wirklichüber das Opel-Abfindungspro-gramm aus, 1000 über Alters-teilzeit, 2000 wechseln zu ei-nem neuen Besitzer – entwederdurch Verkäufe oder Gemein-schaftsunternehmen (Joint-Ventures).> Es gibt Null-Runden undAnrechnungen von Tarifer-höhungen. Das Weihnachts-geld wird weniger.> Die Arbeitszeit wird – un-ter Einschluss von Samstagen– weiter flexibilisiert. Im Schnittgilt jedoch weiter die 35-Stun-den-Woche.

    Größer als die Opfer waren dieÄngste der Beschäftigten. Des-halb haben sie den Zukunftsver-trag durchweg begrüßt. Immer-hin bleiben ihre Löhne und dasWeihnachtsgeld auch nach derNotoperation über Tarif. Aktuellist auch der Opel-Markanteil ge-stiegen.Testergebnisse bescheini-gen den neuen Modellen wichti-

    ge Neuerungen und gute Qua-lität. Und die Geschäftsleitunghat zugesagt, ihre europäischeVerkaufsoffensive »durch weite-re innovative Produkte auf höchs-

    tem qualitativen Niveau« fortzu-setzen.

    Diese Entwicklungen nährendie Zuversicht. Opel könnte nachden Managementfehlern der Ver-gangenheit und den daraus resul-tierenden tiefroten Zahlen baldwieder schwarze Zahlen schrei-ben. Denn die Zukunft des Un-ternehmens hängt weniger vonOpfern der Beschäftigten undZusagen der Manager ab,sondernvon den Verkaufszahlen.

    Opel-Zukunftsvertrag

    »Intelligenter arbeiten– nicht länger«

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    Deren Entwicklung bleibt jedochauch nach der Notoperation un-gewiss.Vor allem in dem Massen-segment, das Opel bedient. Dennweiterhin sorgen Arbeitsplatzab-

    bau und Sparmaßnah-men, die ja nicht nurOpel-Beschäftigte tref-fen, für Kaufzurückhal-tung. Die Binnennach-frage ist nach wie vorschwach.Deshalb mischt sich in die

    Zuversicht der Opelaner die ban-ge Frage, wie sich die wirtschaft-lichen Rahmenbedingungen inZukunft entwickeln. Verändernsie sich nach 2007 »wesentlich«,dann, so steht es im Zukunftsver-trag, »werden Geschäftsleitungund Gesamtbetriebsrat einver-nehmliche Lösungen suchen«.Und das kann heißen: Das Ban-gen der Beschäftigten um ihreJobs beginnt aufs Neue. Autoskaufen nun mal keine Autos.<

    Hofmann: Dieses Problem gibt esdoch heute schon:Wenn die Ar-beitszeit ungleich verteilt ist, ent-fallen häufig Überstunden-Zu-schläge. Andererseits verpflich-ten sich die Betriebe aber auch,die Beschäftigung trotz Arbeits-mangels zu sichern, indem dieArbeitszeit abgesenkt wird – beigleichem Entgelt.<

    Jörg Hofmann: »Freiräume für dieLebensarbeitszeit-Gestaltung«

    Fünf lange Monate ha-ben Opel-Beschäftigtean den StandortenRüsselsheim, Bochumund Kaiserslautern umihre Jobs gebangt.Macht der Zukunftsver-trag vom 4. März sie si-cherer?Die Mutter GeneralMotors hat Verzicht

    auf betriebsbedingte Kündigun-gen, den Erhalt und die Auslas-tung aller Standorte bis Ende2010 zugesichert. Sie hat ent-schieden, die Produktion undKonstruktion der europäischenMittelklasse in Rüsselsheim zukonzentrieren. Bochum erhältzusätzlich den Astra-Fünftürer.

    Die Opfer sind groß:> Ihre Zahl wird – ohne be-triebsbedingte Kündigungen –um 9000 verringert. Das ist fastein Drittel der Belegschaften anden Standorten. 6000 scheiden

    metall-Korrespon-dent Hartwig Oer-tel über den Opel-Vertrag

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  • metall 4/2005

    ie Wirtschaftsbosse reiben sich dieHände. Mit so vielen Zugeständnis-sen der Regierung hatte niemand

    gerechnet. Der Pakt den BundeskanzlerSchröder,Außenminister Fischer, CDU-Che-fin Merkel und CSU-Boss Stoiber auf demJob-Gipfel schlossen, sieht eine Unterneh-menssteuerreform vor, bei der vor allem dieUnternehmer sparen. Denn die Körper-schaftssteuer – die Einkommensteuer einerGmbH oder Aktiengesellschaft – soll von 25auf 19 Prozent sinken.

    Ein teurer Spass für die Bundeskasse, denninsgesamt könnte das Finanzminister HansEichel sieben Milliarden Euro kosten. Geld,das in Zukunft woanders fehlen wird.

    Für die Arbeitslosen hat der Job-Gipfelwenig gebracht. Die Steuergeschenke sollenInvestitionen anregen, die Jobs schaffen.»Studien deuten aber darauf hin, dass Steu-ersenkungen nur einen mäßigen Einfluss aufInvestitionen haben«, kritisiert der Leiterdes Instituts für Makroökonomie und Kon-junkturforschung in der Hans-Böckler-Stif-

    tung, Gustav A. Horn. Und auch der ErsteVorsitzende der IG Metall Jürgen Petersweiß: »Die Vergangenheit hat gezeigt, dassniedrige Steuern die Gewinne erhöhen, je-doch keine Arbeitsplätze schaffen.«

    Der Job-Gipfel, der wie ein spontanesTreffen wirkte, war ohnehin von langerHand geplant. Es begann – wie so oft – mitSabine Christiansen. Industriepräsident Jür-gen Thumann, Wirtschaftsminister Wolf-gang Clement und CDU-Chefin Angela Mer-kel waren Anfang Februar bei der Talkshowgeladen. Vorab informierte Thumann diedrei Mitstreiter über seinen Vorschlag zurSteuersenkung. Bei Christiansen spieltensich die drei dann willig die Bälle zu. Thu-mann:»Wichtig wäre es,dass wir beim The-ma Steuerpolitik einen Schritt nach vorntun.« Clement: »Wir müssen einen Schritttun, um den Standort wettbewerbsfähig zuhalten in der Unternehmensbesteuerung.«Und Merkel: »Wir erwarten von der Bun-desregierung jetzt eine Initiative.«

    Seit dem Job-Gipfel scheint eine weiterefinanzielle Entlastung der Konzerne be-schlossene Sache. Eine beschlossene Sachemit einem Haken allerdings. Ökonom Hornbefürchtet mit der geplanten Steuersenkung

    Denn s ie wissen

    Job-Gipfel

    Die wesentlichen Ergebnisse:

    > Keine Einschränkung von Tarifautono-mie und Mitbestimmung.

    > Zusätzliche Investitionen für die Infra-struktur (2 Milliarden Euro im Verkehr-sektor).

    > Besondere Aktivitäten für unter 25-Jährige und über 55-Jährige Arbeitslose.

    > Unternehmenssteuerreform, die unteranderem die Steuersätze für Unterneh-men senkt. <

    Der Job-Gipfel

    Das Fazit der IG Metall:

    > Zur Überwindung von Wachstums-schwäche und Arbeitslosigkeit mussmehr passieren.

    >Wir brauchen ein öffentliches Zukunfts-investitionsprogramm in Höhe von 20Milliarden Euro.

    > Deutschland braucht eine transparenteund gerechte Steuerreform wie das vonder IG Metall unterstützte Konzept einer»Solidarischen Einfachsteuer« .

  • Job-Gipfel

    nicht, was sie tuneinen gegenteiligen, unerwünschten Effektauf den Arbeitsmarkt. Ein Effekt,der sich seitBeginn der »Steuerreform 2000« beobach-ten lässt: Weil das Geld in der Bundeskasseimmer knapper wird, werden öffentlicheInvestitionen weiter gekürzt.Für Horn »eineernsthafte Belastung für Wachstum und Be-schäftigung«. Der Bundesregierung fehlenseit Beginn ihrer Steuerreform Einnahmen

    in Milliarden Höhe. Ein Loch,das sich kaumnoch seriös schätzen lässt. Dieses Lochmusste Eichel – auch mit Rücksicht aufden Stabilitätspakt der Europäischen Union– mit Ausgabenkürzungen im Bundeshaus-halt überkompensieren. Horn: »Ein verläss-liches Investitionsprogramm würde derKonjunktur weitaus besser bekommen alsdie Senkung der Unternehmenssteuer.«

    Auf wen die Last dieser politischen Entschei-dungen abgewälzt werden soll, ist nur un-schwer zu erkennen: Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer sowie Familien habenimmer weniger Geld in der Tasche

    Deshalb braucht Deutschland Alternati-ven wie die »Solidarische Einfachsteuer«.Das Arbeitnehmerbegehren der IG Metallunterstützt die Einfachsteuer, weil sie soziale

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    Job-Gipfel-Teilnehmerin CDU-Chefin Angela Merkel

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    Job-Gipfel-Teilnehmer CSU-Chef Edmund Stoiber

    9metall 4/2005

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    . . . bei PeterBofinger, Wirt-schaftsweiseund Volkswirtan der UniWürzburg

    Nachgefragt . . .

    metall: Wird der Job-Gipfel Jobs schaffen?Bofinger: Man darf sich davon keine Wundererwarten, denn es ändert sich dadurchnichts an den grundlegenden Problemen.Dass unsere Wirtschaft nicht läuft, liegt ander seit Jahren stagnierenden Binnennach-frage. Und das ist wiederum darauf zurück-zuführen, dass die Reallöhne seit 2001 nichtmehr gestiegen sind. Im letzten Jahr sind siesogar gesunken. Wenn sich an dieser fastdeflationären Grundtendenz nichts ändert,

    gibt es in einer so stark von der Binnendyna-mik abhängigen Volkswirtschaft wie Deutsch-land auch keinen selbst tragenden Auf-schwung und damit auch keine neuen Jobs.Das wusste schon Ludwig Erhard. Er schriebin seinem Buch »Wohlstand für alle«, »dassder oft geübte Widerstand der Arbeitgebergegenüber Lohnerhöhungen (…) nicht in dasSystem der Marktwirtschaft passt«.metall: Von der Kapitalsteuersenkung wer-den wohl nur die Aktiengesellschaften profi-tieren?Bofinger: Das kommt darauf an, wie die Ge-genfinanzierung ausfällt. Aber grundsätzlichsollen damit internationale Investoren ange-regt werden, stärker in Deutschland zu inves-tieren. Die meisten deutschen Unternehmenwerden als Personengesellschaften geführt,und die gehen bei dieser Maßnahme leer aus. metall: Sollten die Gewerkschaften sich jetztmit ihren Alternativen stärker einmischen?

    Bofinger: Natürlich. Die Menschen müssenmehr noch als bisher erkennen, woher dieArbeitslosigkeit kommt und wie die alterna-tiven Therapien zu bewerten sind. metall: Das vom Kanzler angeforderte Gut-achten der Wirtschaftsweisen zur Steuerre-form können Sie sich ja jetzt wohl sparen.Bofinger: Nein, so einfach ist das nicht. Dasvom Sachverständigenrat in seinem Gutach-ten 2003/04 vorgeschlagene Modell der»Dualen Einkommensteuer« ist sehr vielambitionierter. Es zielt darauf ab, alle Kapi-taleinkommen mit einem einheitlichen Satzvon 30 Prozent zu besteuern, während beiArbeitseinkommen ein weiterhin ansteigen-der Tarif gelten soll. Allerdings ist durch diejetzt beschlossene Senkung des Körper-schaftsteuersatzes der Hauptkritikpunkt derUnternehmen am deutschen Steuersystemaus der Welt geräumt, so dass umfassendereLösungen weniger dringlich erscheinen.

  • Job-Gipfel

    metall 4/2005

    Euro mehr in der Kasse, um öffentliche Auf-gaben zu finanzieren. Dabei sind die Mehr-einnahmen durch die Wiedereinführungder Vermögensteuer nicht berücksichtigt.

    Die Alternative:die Solidarische Einfachsteuer Die Kernpunkte der Einfachsteuer sind:> Solidarische Gestaltung der Steuertarife,>Verhindern von Steuerschlupflöchern und

    Steuerflucht,> Einführung einer Vermögenssteuer und

    höhere Erbschaftssteuer,> Steuerfreiheit der Zuschläge für Schicht-,

    Sonn- und Feiertagsarbeit,> europäische Mindeststeuersätze für

    Unternehmen.Die rot-grüne Regierung sollte nach krea-

    tiven und neuen Lösungen suchen, statt im-mer weiter – zu Gunsten der Unternehmerund zu Lasten der Arbeitnehmer – die Steu-ern zu senken. Die Alternativen der IG Metallliegen längst auf dem Tisch.<

    Susanne Rohmund

    Gerechtigkeit, Steuervereinfachung und Fi-nanzierbarkeit verbindet. Die Idee: Untereund mittlere Einkommen werden um etwa24 Milliarden Euro entlastet. Das Konzeptsieht auch vor, alle Einnahmearten vollstän-dig zu erfassen und gerecht zu besteuern.Dabei bleibt das Steueraufkommen so hoch,dass der finanzielle Handlungsspielraum desStaates erhalten bleibt. Im Vergleich zu dervon rot-grün-schwarz vorgeschlagenen Re-form hätten Bund, Länder und Gemeindenallein im Jahr 2005 über zwölf Milliarden

    Dreißig Minuten lang machte Bundes-präsident Horst Köhler die Vertreter derdeutschen Wirtschaft glücklich. metallanalysiert, was er in seiner »Hauruck-Re-de« sagte, und was er wirklich meinte.

    Köhler über die Wirtschaft: »Die Regelnlauten: Privateigentum und Vertrags-freiheit, Wettbewerb und offene Märkte,freie Preisbildung und ein stabiles Geld-wesen, eine Sicherung vor den großenLebensrisiken für jeden und Haftung al-ler für ihr Tun und Lassen.«metall: Das Wort »sozial« taucht inKöhlers Definition einer Marktwirtschaftnicht mehr auf. Der Bundespräsidentwünscht sich eine Ordnung, in der Märkteund Wettbewerb das Sagen haben. Be-kommen Arbeitslose, Kranke oder ältereMenschen künftig noch genug Geld, umvor Not geschützt zu sein? Köhlers Vor-schlag: Der Markt soll es richten.

    Köhler über Gewerkschaften: »Die Ge-werkschaften haben in den letzten JahrenLohnzurückhaltung geübt. Damit haben

    sie einen wichtigen Beitrag zur Verbesse-rung der Wettbewerbsfähigkeit geleis-tet. Das verdient Anerkennung. DieserPfad muss fortgesetzt werden.«metall: Köhler will den Gewerkschafteneinen Maulkorb verpassen. Und: Erwünscht sich Nullrunden bei den Löhnen.

    Köhler über Tarifpolitik: »Die Lohnkos-ten sind nicht nur wegen der hohen So-zialabgaben so hoch. Mehr als die Hälfteder Lohnnebenkosten beruht auf Tarif-autonomie. Zu lange wurden solche Ver-träge zu Lasten Dritter abgeschlossen –zu Lasten der Arbeitslosen und derSteuerzahler.«metall: Der Bundespräsident greift dieTarifautonomie an. Dazu der Erste Vorsit-zende der IG Metall Jürgen Peters: »Tarif-verträge sind heute der einzig wirksameSchutz für Arbeitnehmer. Ohne sie wärendie Arbeitseinkommen längst abgestürztund die Arbeitnehmerrechte geschlif-fen«. Köhlers Aussage ist auch verfas-sungsrechtlich brisant: »Diese Autono-mie ist ein hohes Verfassungsgut, in dasnicht ohne Not politisch eingegriffen wer-

    den sollte«, kritisiert der Verfassungs-rechtler Christoph Degenhart die Aussa-ge des Bundespräsidenten.

    Köhler zur sozialen Sicherung: »Am wir-kungsvollsten wäre es, die Kosten dersozialen Sicherung völlig vom Arbeits-verhältnis abzukoppeln.«metall: Heißt das amerikanische Verhält-nisse für Deutschland? In den USA ist je-der für sich selbst verantwortlich. Sostellt sich Köhler das wohl auch hierzu-lande vor. Ein solches System trifft be-sonders die Menschen mit wenig Geld:Kranke und Rentner. Aber auch kinderrei-che Familien und alle, die sich eine priva-te Versicherung nicht leisten können.Kurz, der Bundespräsident rechnet wieein Arbeitgeber: Weg mit den Sozialabga-ben plus Weihnachts- und Urlaubsgeld.Und die Lohnfortzahlungen? Natürlichauch streichen.

    Köhler über die Verantwortung von Un-ternehmen: »Die Hauptaufgabe von Un-ternehmen und Betrieben ist: Am Markterfolgreich zu sein und Gewinne zu ma-chen. Das verdient immer wieder klargesagt zu werden.«metall: Damit meint der Bundespräsi-dent: Gewinne sind wichtiger als eine so-ziale, moralische oder ökologische Ver-antwortung. Ist es das, was wir künftigwollen? Was ist mit familienfreundlichenBetrieben, Arbeitsplätze für Behinderte?Was wird aus dem Gesundheitsschutz?Von dieser unternehmerischen Verant-wortung spricht Köhler nicht. Es zählt nureins: Kapitalismus pur.

    Fazit: Mit seiner Rede qualifiziert sichHorst Köhler vor allem für eins: Zumneuen Arbeitgeberpräsident.

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    Bundespräsident Horst Köhler: »Vor Wirtschaftsvertretern in Berlin«

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    Auf den Hundt gekommen

  • metall 4/2005 11

    Zur Sache

    Der März hatte es in sich. Erst kam die Hor-rorzahl von 5,2 Millionen Arbeitslosen ausNürnberg. Dann eine »Brandrede« von Bun-despräsident Horst Köhler, zwei Tage späterfolgte die Regierungserklärung von Bundes-kanzler Gerhard Schröder und am gleichenAbend der Job-Gipfel. Es bewegt sich dochwas in Deutschland, möchte man meinen.Es fragt sich nur in welche Richtung.

    Für Bundespräsident Horst Köhler ist dieRichtung klar: rechts vor links. Mit seinerRede hat er jedes Vorurteil über seine Personbestätigt. Niemals vorher hat ein Bundesprä-sident so klar und unverblümt Position fürdie Arbeitgeber eingenommen.Alle Maß-nahmen, die er uns als Ausweg aus der Ar-beitslosigkeit verkaufen wollte, könnten ausdem Lehrbuch des Wirtschaftsliberalismusstammen: Lohnzurückhaltung, Senkung vonUnternehmenssteuern und angeblich zuhohe Lohnnebenkosten. Für Letzteres hat erauch gleich den Schuldigen parat gehabt:»Mehr als die Hälfte der Lohnnebenkostenberuht auf Tarifverträge. Zu lange wurdensolche Verträge zu Lasten Dritter abgeschlos-sen – zu Lasten der Arbeitslosen und derSteuerzahler«. Mir wäre neu, dass wir dieBeitragssätze der Krankenkassen- oder Ar-beitslosen- und Rentenversicherung per Ta-rifvertrag festlegen würden. Dann kann derBundespräsident ja nur Urlaubs- und Weih-nachtsgeld meinen. Das aber sind keineLohnnebenkosten, sondern Lohn, Entgeltfür das die Menschen hart gearbeitet haben.Diese Rede war enttäuschend. Inhaltlich

    schwach und kein Signal an die Bevölke-rung, sondern ein Signal an die Arbeitgeber.Dass sie jetzt auch auf die Unterstützung deshöchsten Repräsentanten des Staates bauenkönnen auf ihrem Weg in eine Gesellschaft,in der Kapital und Profit groß, die Menschenund die Gesellschaft aber klein geschriebenwerden. Schade.

    Und der Bundeskanzler? Schröder hatsich mit seiner Rede wohltuend vom Bun-despräsidenten abgehoben. Mindestens hater ein klares Bekenntnis zum Sozialstaat, zurTarifautonomie und zur Mitbestimmungabgegeben. Und er hat mit einem Investi-tionsprogramm und den angekündigtenMaßnahmen für junge und ältere Arbeits-lose Forderungen der Gewerkschaften auf-genommen. Diese Schritte sind richtig.Abersie sind bei weitem nicht groß genug um

    das Problem vor dem wir stehen, wirksamzu bekämpfen.

    Deutschland braucht einen Investitions-schub. Die öffentliche Hand muss in Schu-len, in Straßen, in Kanalisation, in Bildunginvestieren. Das gibt Arbeitsplätze und es si-chert auch unseren Kindern einen intaktenWirtschaftsstandort. Dafür brauchen wirGeld, 20 Milliarden Euro im Jahr. Die Regie-rung muss den Mut aufbringen, die Unter-nehmen und die Reichen zur Kasse zu bittenund sie nicht weiter mit Steuergeschenken,wie eine weitere Senkung der Körper-schaftssteuer, zu überhäufen. In der Frageder Investitionen hat der Bundeskanzler dierichtige Richtung eingeschlagen, er muss sienur konsequenter gehen. Die Arbeitslosenwerden es ihm danken – da macht es nichts,wenn ihn die Unternehmer beschimpfen;sie haben ja Köhler.

    Jürgen Peters, Erster Vorsitzenderder IG Metall

    Deutschland brauchteinen Investitionsschubin Höhe von 20 Milliar-den Euro jährlich.

    Kleine Schritte in dierichtige Richtung

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  • metall 4/200512

    mir nicht vorstellen können,dass mir die Aus-bildung so viel Spaß machen würde.« Seineerste Holzarbeit, ein kleiner Schemel, konnteMariano schon nach zwei Wochen stolz zuHause vorführen.

    Weil die tägliche Anfahrt nach Kloster Veßramit öffentlichen Verkehrsmitteln zwei Stun-den dauern würde, wohnt Mariano unter derWoche im Internat,das mit dem Bildungszen-trum zusammen arbeitet. »Mir gefällt es gut

    dort.Außerdem habe ich auch neue Freundegefunden.« Im Winter fährt er die fünf Kilo-meter zum Kloster mit dem Bus.»Im Sommerwill ich mit dem Fahrrad kommen.«

    Mariano hat die Möglichkeit bekommen,mit Hilfe der einfühlsamen Betreuung derSozialpädagogen und Lehrer sowie der indi-viduellen Unterstützung der Meister, seinhandwerkliches Geschick weiter zu ent-wickeln. Im zusätzlichen Förderuntericht mitmaximal fünf Schülern können sich Lehrerintensiver mit den Azubis befassen. An denWerkbänken antwortet Steffen Joost, einerder Meister im SBZ, auch auf die hundersteFrage. Die Pädagogen versuchen, die Lehr-

    programme auf die Bedürfnisse und Fähig-keiten der Schüler anzupassen und auch de-ren Eltern mit einzubinden.

    Horst Gröschl, Betriebsratsvorsitzenderund Lehrer im Südthüringer Bildungszen-trum, sagt: »Diese jungen Menschen brau-chen eine individuelle Betreuung, besondersim pädagogischen Bereich.«

    Viele der Jugendlichen im Kloster haben inder Vergangenheit kaum positive Erfahrungengemacht. Manche kommen aus zerrüttetenFamilienverhältnissen oder waren kurz davor,auf die schiefe Bahn zu geraten. »Wir bildenhier nicht nur aus, wir geben den Kids auchdas Gefühl, gemocht und gebraucht zu wer-den.«, sagt Gröschl. Aus seiner Erfahrungweiß er, dass viele der Schüler bei einer Aus-bildung im Betrieb kaum eine Chance gehabthätten, sich zu bewähren.

    Die Betriebe im Tischlerhandwerk sindeher klein- und mittelständisch. In denletzten Jahren schrumpften die Gewinne.Zahlreiche Betriebe mussten schließenund die Konkurrenz ist gestiegen – geradein Ostdeutschland. »Ein Schüler, dem dasLesen und Schreiben schwer fällt, hält die-sen Druck emotional kaum aus und nachwenigen Wochen brechen sie die Lehreab«, sagt Gröschl.

    loster Veßra liegt im südlichen Vor-land des Thüringer Waldes.Die Land-schaft sieht idyllisch und verträumt

    aus. Hinter mittelalterlichen Klostermauernist nicht nur das Hennebergische Museum zufinden,das sich unter anderem der Volkskundeder Region widmet. Auf dem sechs Hektargroßen Grundstück hat auch das SüdthüringerBildungszentrum Holz e.V. (SBZ) seinen Platz.Ein freier Träger, der Jugendliche zu Tischlernoder Holzfacharbeitern ausbildet.

    Der größte Teil der Schüler in KlosterVeßra gilt als lernbeeinträchtigt oder »sozialbenachteiligt«. Das Berufsbildungsgesetzsowie das Dritte Sozialgesetzbuch (SGB III)sieht vor, dass Jugendliche, deren Entwick-lungsstand eine erfolgreiche Ausbildung ineinem anerkannten Beruf nicht erwartenlässt, an einer öffentlich geförderten Maß-nahme teilnehmen.

    Wie etwa Mariano Engel. Er machtezunächst ein Berufsausbildungsvorberei-tungsjahr im SBZ. Davor waren seine Aussich-ten trübe: Förderschule, kein Schulabschlussund wenig Hoffnung, eine Ausbildungsstellezu bekommen. Heute hat er einen Haupt-schulabschluss und macht seit Septemberletzten Jahres eine Ausbildung zum Holzwer-ker.Der 17-Jährige lächelt und sagt:»Ich hätte

    Junge Menschen, die schwer lernen oder in »problematischen« Familien aufwachsen,haben wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt. In außerbetrieblichen Bildungseinrichtungenkönnen Jugendliche durch eine intensive Betreuung eine anerkannte Ausbildung machen.

    »Basis für die Zukunft«

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    Ausbildungsmeister Steffen Joost und Azubi Mariano Engel an der Werkbank: »Die Arbeit gefällt mir«

    »Wir geben den Kids das Gefühlgemocht zu werden«

  • Der 49-Jährige kennt jeden Einzelnen in derEinrichtung mit Namen,und fast entsteht derEindruck, er sei für den einen oder anderenJugendlichen eine Art Vaterersatz.

    Zurzeit befinden sich im Südthüringer Bil-dungszentrum104 Schüler in einer »Maß-nahme«, die von 13 Meistern, fünf Sozial-pädagogen und fünf Lehrern betreut werden.Das Bemühen um jeden Einzelnen hat sichbewährt: Jeder Lehrling hat bisher seinen Ab-schluss geschafft. Viele von ihnen wurdensogar von der Südthüringer Industrie- undHandelskammer ausgezeichnet, weil sie ihreAusbildung als Beste im Kammerbereich ab-schlossen. »Junge Menschen, die vorherkaum die Schule gepackt haben, sind heuteTischler oder Holzwerker«, sagt Gröschlnicht ohne väterlichen Stolz.

    Kloster Veßra bildet nach dem dualen Sys-tem aus. Während einer dreijährigen Lehremuss ein betriebliches Praktikum von je vier,sechs und acht Wochen pro Aubildungsjahrabsolviert werden. Dazu gehört der Unter-richt am Staatlichen Berufsschulzentrum imnaheliegenden Hildburghausen. Besondersstolz ist der Betriebsratsvorsitzende, weil soviele Jugendliche in der Gewerkschaft sind:»Obwohl in überbetrieblichen Einrichtun-gen die Vergütung geringer ist, als die bran-chenübliche – tarifvertragliche – waren 2004von 150 Azubis rund 86 Prozent in der IGMetall Mitglied.«

    Auch nach der Ausbildung werden dieJugendlichen nicht alleine gelassen. Lehrerund Ausbilder versuchen, sie in ein festesBeschäftigungsverhältnis zu vermitteln. ImJahr 2003 kamen von rund 200 Schülern et-

    wa 60 Prozent in einem Betrieb unter. 2004und 2005 werden es vermutlich rund 40Prozent sein.

    Auch Thomas Schwarzfischer macht guteErfahrungen in Kloster Veßra.Vor drei Jahrenfing er eine Lehre als Polster- und Gestellbau-er an. Doch der Betrieb machte pleite. »Fastein Jahr Lehre für die Katz’«, sagt der 19-Jährige. Kloster Veßra kannte er: »Mein Vaterhat hier schon seine Ausbildung gemacht.«Damals waren es noch die Lehrwerkstättender Themarer Möbelwerke. Der Vater brachteihn auf die Idee, sein Glück im Bildungszen-trum zu versuchen. Durch das Arbeitsamt inSuhl – das die Maßnahmen im SBZ finanziert– wurde er auch nach Kloster Veßra vermit-telt. Die Berufsberater des Arbeitsamts habenmit dem SBZ gute Erfahrungen machen kön-nen. Sie wissen, dass die Betreuung dort in-tensiv ist und die Azubis ihre Lehre erfolg-reich abschließen.

    Wie Thomas: Im September diesen Jahreswird er ausgebildeter Tischler sein. Die Meis-ter sind von seinem handwerklichen Talentbegeistert. Er beherrscht nicht nur die Praxis,sondern auch die Theorie: Die Lehrer an derSchule hoffen, dass Thomas noch den Real-schulabschluss zuerkannt bekommt. Dafürmuss er seine Prüfung mit einer Note von 2,0abschließen. »Das klappt bestimmt«, hofftauch der angehende Tischler.Ob er danach ei-ne feste Anstellung in der Umgebung findenwird? Abwarten. Aber er sieht zuversichtlichin die Zukunft: »Wenn ich hier keine Arbeitfinde,gehe ich vielleicht ins Ausland.«,sagt erselbstbewusst. Österreich könne er sich vor-stellen. Dort gäbe es in der Holzverarbeitung

    viele Möglichkeiten. »Mir ist eine feste Arbeitwichtig.Aber ich möchte auch andere Länderund Kulturen kennenlernen. Warum nichtbeides verbinden?« Thomas Schwarzfischerist selbstbewusst und neugierig – gute Voraus-setzungen für eine erfolgreiche, beruflicheLaufbahn.Auch ihm hat das intensive Lernenin Kloster Veßra genutzt. Zweifellos könnenJungendliche in einer außerbetrieblichen Bil-dungseinrichtung einen anerkannten Beruferlernen. Solche Maßnahmen ersetzen nichtdie betriebliche Ausbildung. Doch die jungenMenschen erhalten eine Basis, auf die sie auf-bauen können. Ein erster Schritt, um irgend-wann auf eigenen Beinen zu stehen.<

    Antonela Pelivan

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    Thomas Schwarzfischer: »Vielleicht gehe ichins Ausland«

    Bundesregierung und Arbeitgeber erklärtennoch vor wenigen Monaten im »NationalenPakt für Ausbildung und Fachkräftenach-wuchs in Deutschland«, Bildung und Qualifi-zierung seien die Grundlage des Wohlstands.Die Realität ist eine andere: Trotz hoher Ar-beitslosigkeit wurde mit den so genanntenHartz-Gesetzen die geförderte Weiterbildungnach dem Dritten Sozialgesetzbuch (SGB III)massiv zusammengestrichen. Gewerkschaf-ten schätzen, dass 2004 rund 1,4 MilliardenEuro eingespart worden sind. Seit Januar die-sen Jahres bangen viele Weiterbildungsein-richtungen um ihre Existenz. Die Fördermittelwerden von den Landesarbeitsämtern öffent-lich ausgeschrieben. Träger, die für wenigGeld ihre Leistungen anbieten, erhalten oftden Zuschlag. Ob die Einrichtung gut oderschlecht ausbildet, ist Nebensache. Die Zau-berformel lautet Kostenreduzierung. Ein Er-gebnis: Die Konkurrenz unter den Bildungs-trägern nimmt Dimensionen an, die mit einemBasar vergleichar sind. Nach wie vor steigt dieArbeitslosigkeit von unter 25-Jährigen. Instrukturschwachen Regionen sind die freienBildungseinrichtungen oft die einzige Mög-lichkeit, eine Lehre abzuschließen – gerade inOstdeutschland. Nach Angaben der Bundes-agentur für Arbeit machten 2004 bundesweit237 000 Menschen eine ausbildungsfördern-de Maßnahme, wie Praktika oder Berufsvor-bereitungsjahr. Trotz »Ausbildungspakt«suchten im Dezember 2004 noch offiziell33331 Jugendliche eine Lehrstelle.Mehr im Infos im Internet:>www.sbzholz.de >www.igmetall-wap.de >www.jugend.igmetall.de>www.arbeitsagentur.de

    Hintergrund

    Das romanisch-gotische Klostergebäude wurde1131 erbaut

  • Die neuen NeonazisZeit zur Gegenwehr

    Die Umtriebe der Neonazis haben eine neue Qualität erreicht. Sie sitzen in den Parlamenten, marschierenauf den Straßen, werben an den Schulen und bedrohen Gewerkschafter sowie Demokraten. Dabei nutzen siedie berechtigte Wut vieler Menschen auf die Politik, deren Sozialabbau-Programme angeblich alternativlossind. Doch statt die neoliberale Politik und Arbeitgeber anzugreifen, wollen sie die Schwächsten der Gesell-schaft ausgrenzen. Immer mehr Beschäftigte werden gegen den rechten Spuk aktiv. Einige Szenen – nichtnur aus der Provinz.

    Text: Fritz Arndt, Marlies Dahne, Volker Hermsdorf

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    Eisenach Auf dem Eisenacher Marktplatz brodeltees. Gleich neben dem Bus der IG Metallversuchte eine Gewerkschafterin per Laut-sprecher zu erklären, wie ungerecht dieHartz-Gesetze sind; direkt davor brüllteneinige Dutzend Neonazis dumpfe Parolen.Die Rednerin gab schließlich auf, dieMontags-Demo gegen Hartz IV musste ab-gebrochen werden. Ist es schon wieder soweit?

    Von wegen, sagten sich die Mitgliederdes »Eisenacher Bündnisses gegen Sozial-kahlschlag« im Januar – und meldeten er-neut ihre Montagsdemonstrationen aufdem Marktplatz an. Die Eisenacher Polizei-inspektion fand das ungehörig. Das Bünd-nis, schrieb Polizeihauptkommissar Hilgeran die Stadt, »will die Provokation auf demMarkt erreichen«; dessen Leute hättenschon während der Demonstrationen inden vergangen Monaten »verbal« die »Ka-meradschaft ESA gestört«. Die »Kamera-den« sind berüchtigte Neonazis in Ei-senach (»Jugend muss sich oganisieren«).

    Am Ende entschied die Stadt, dass dasBündnis nur noch alle 14 Tage auf denMarktplatz darf – der Termin zwischen denKundgebungen soll den Neonazis ge-hören. Das Verwaltungsgericht Meiningenund schließlich das Oberverwaltungsge-richt Weimar haben die Entscheidung be-stätigt. Richard Dewes (SPD), in den neun-ziger Jahren Innenminister Thüringensund heute Rechtsanwalt, hält das für einengroßen Fehler. »Es entsteht der Eindruck,dass sich der CDU-Bürgermeister und dieVerwaltung von den Rechten einschüch-tern lassen«.

    Das ist ja ihr Ziel – beispielsweise imvergangenen Herbst, als beim »Antifa-Rat-schlag« in der Gothaer Herzog-Ernst-Ge-samtschule Thüringer Initiativen über dierechte Szene diskutierten.An der Veranstal-tung nahmen mehrere DGB-Einrichtun-gen, Kirchenvertreter, die Gothaer Natur-freundejugend und Mitarbeiter der Bera-tungsstelle »Mobit« teil. Prompt stelltendie Neonazis Steckbriefe der Teilnehmermit Fotos und Anschriften ins Netz. »DasBildungswerk Thüringen«, hetzten sie,»ist eine Pseudo-Bildungseinrichtung, dienur dazu dient, multikulturelle Propagan-da zu verbreiten . . .Vereinsvorsitzender istMichael Ebenau von der IG Metall.« Dassoll Angst machen.

    Doch statt zu kuschen, haben sie jetzt inEisenach ein »Bündnis gegen Rechtsextre-mismus« auf die Beine gestellt. Auch

    Oberbürgermeister Gerhard Schneider(CDU) macht dabei mit – als Privatperson.Das Stadtoberhaupt hatte es nicht ertragen,dass die Nazis einen Schweigemarsch zuseiner Privatwohnung planten – nachdemer einen Ausländerbeirat initiiert hatte.

    Verden an der Aller Die Szenen im Verdener Hotel »Nieder-sachsenhof« vergangenes Jahr erinnertenan die Weimarer Republik. Drinnen hattensich Lehrer und Schülervertreter zu einerVeranstaltung der Gewerkschaft Erziehungund Wissenschaft (GEW) versammelt, umüber Naziflugblätter und Rechtsrock-CD’san den Schulen zu diskutieren. Draußenbaute sich ein Trupp Nazis auf. Erst rüttel-ten sie an der Hoteltür und wollten rein –die Schüler stemmten sich dagegen undverhinderten das. Dann liefen die Rechtenzur Rückseite des Hotels, versuchten dieVeranstaltungsteilnehmer zu fotografierenund riefen Parolen ins Mikrofon. IngridBerger, Lehrerin und Mitglied des GEW-Kreisverbands: »Es war bedrohlich.« Erstein Polizei-Einsatzkommando aus Olden-burg beendete den Spuk und nahm zahl-reiche bewaffnete Nazis fest.

    Die Rechten stört das wenig. Für den2.April hat die NPD in Verden eine landes-weite Demonstration angesagt, und dieFlugblätter werden weiter verteilt. »Siewollen ihr Nazi-Gedankengut in die Schu-len tragen«, hat Berger erkannt.

    Da »unser Rechtssystem ein Verbot of-fenbar nicht zulässt und die Politik dasProblem nicht ernst nimmt« (Ingrid Witt-kau, DGB Nienburg), handelt jetzt die de-mokratische Öffentlichkeit. Stadt, Schüler,Vereine, IG Metall und andere Gewerk-schaften wollen den 2. April in Verden zuihrem »Aktionstag« umfunktionieren. Inder Fußgängerzone soll sich an diesem Tag»die ganze Kraft der Demokratie und dieLebensfreude der demokratischen Kultur«zeigen (DGB-Aufruf).

    Selbst den 1. Mai will der DGB umfunk-tionieren und den Neonazismus in denMittelpunkt stellen.Wittkau: »Wir könnennicht allgemein über Globalisierung re-den, sondern müssen uns um die Proble-me vor Ort kümmern.«

    Schwäbisch HallSeit der Wehrmachtsausstellung 2003 inSchwäbisch Hall machen die Neonazis inder Stadt mobil. Schwäbisch Hall soll»Ausgangspunkt einer neuen Kampagne«werden, schwadronieren die Rechten im

    Netz, bei der die »immer brennendere so-ziale Frage noch stärker von der nationalenSeite her aufzugreifen« ist. Kein Wunder,dass die Gewerkschaften aufgeschrecktsind. »Innerhalb eines Jahres haben diehier mindestens zehn Mal demonstriert«,ärgert sich Siefried Hubele, Metaller undBetriebsratsvorsitzender bei Huber-Ver-packungen in Öhringen. Politik und Ge-richte haben zugeguckt.

    Nächster Aufmarschtermin ist der 9.April. »Wir wollen eine Flut schaffen, diedie Bollwerke des Gegners einschließt«,kündigen die Nazis an. Ihre Aktion mit vielNazi-Prominenz soll das »Bündnis für einbuntes Hall« einschüchtern. In der Initia-tive ist auch die IG Metall engagiert. Metal-ler Hubele unterschreibt die Bündnis-Flugblätter als Verantwortlicher. Das ärgertdie Nazis offenbar. Letztes Jahr schon sindsie daher bis kurz vor sein Wohnhaus mar-schiert. Hubele bringt das nicht aus derRuhe: »Das sind Feiglinge«, hat er er-kannt.

    Jetzt haben IG Metall und Bündnispart-ner wieder mobilisiert – für eine Großde-monstration vor dem nahegelegenenSchulungszentrum der Naziorganisation»BDVG« (Bewegung deutscher Volksge-nossen) im benachbarten Hohenberg.»Manche meinen noch, einzig mit Bürger-festen und Wegsehen sei dieser braunenBrut beizukommen«, hat SchwäbischHalls Erste Bevollmächtigte Heidi Scharferkannt, »unsere Erfahrung ist, dass dasnicht reicht.«

    Auch der DGB-Landesbezirk geht in dieOffensive: Die zentrale Kundgebung zum1. Mai wurde gezielt in die Provinzmetro-pole Schwäbisch Hall gelegt. An dem Tagwollten auch die Nazis mal wieder mar-schieren, haben sich jetzt aber nachWorms und Frankenthal verdrückt. Scharf:»Wir lassen uns den 1. Mai nicht noch ein-mal von den Nazis wegnehmen.«

    KielIn der schleswig-holsteinischen Landes-hauptstadt Kiel schützen am 29. Januar2005 – im größten Polizeieinsatz seit denBrokdorf-Demos vor über 20 Jahren –2700 Beamte den Aufmarsch von rund400 militanten Neofaschisten. Die Naziswollten drei Wochen vor der Landtagswahlmit der Parole »Gegen Multikulti – Wegmit Hartz IV« auf Stimmenfang gehen.

    Doch die Menschen durchschauen ihrfalsches Spiel. Schon am Morgen ziehenmehr als 1000 Bürger zur Nikolaikirche.

  • Gewerkschaften,Landtagsparteienund Kirchen treffensich dort zu einerMahnveranstaltung.Auch die IG Metallhat dazu aufgerufen.Später demonstrie-ren 8000 Menschendurch die Stadt – der»Runde Tisch« hatmobilisiert. Unterden Teilnehmern bei-der Demos ist Hans-Ulrich Stangen, Be-triebsrat und VK-Lei-ter bei den HDW, so-wie Vertreter der IGMetall beim »Run-den Tisch gegen Ras-sismus und Faschis-mus« in Kiel.

    »Die Nazis kön-nen abgewehrt wer-den, wenn Bürgersich ihnen mutigentgegenstellen«,zieht er am Abend Bi-lanz. Nicht nur andiesem Tag scheiterndie Neofaschistenmit ihrem Aufmarschin der Landeshaupt-stadt. Bei den Land-tagswahlen am 20.Februar dieses Jahreserreicht die NPD 1,9Prozent. Gerechnethatten sie – nachihren Erfolgen inSachsen und Brandenburg – mit einem Er-gebnis zwischen vier und sieben Prozent.

    »Unsere kontinuierliche Arbeit als Run-der Tisch ist sicher einer der Gründe fürdie Niederlage der Nazis«, sagt dessenMitbegründer Hans-Ulrich Stangen. Dasbereits im November 2000 von Kieler IGMetall-Vertrauensleuten ins Leben gerufe-ne Bündnis gehört zu den ältesten und be-ständigsten in der Bundesrepublik. Ur-sprünglich von Gewerkschaftern ausge-hend umfasst es mittlerweile nahezu dasgesamte antifaschistische Spektrum in derFördestadt.

    Trotz unterschiedlichster politischerStrömungen hat das Bündnis über die Jah-re gehalten. »Unser politisches Fundamentist die ,Kieler Erklärung gegen Rassismusund Faschismus‘. Da sind alle wichtigen

    metall: Muss der Rechtsradikalismus wirk-lich ernst genommen werden?Butterwegge: Sehr sogar, denn er hat eineneue Qualität gewonnen. Neonazis sitzennicht mehr faul und unfähig in den Parlamen-ten herum, sondern haben intellektuell auf-geholt und arbeiten professionell. Dabeikönnen sie sich auf den Druck der Massen-arbeitslosigkeit und der damit verbundenensozialen Probleme, aber auch wachsendeEnttäuschung über die etablierten Parteienstützen. Viele Bürger fühlen sich parlamen-tarisch nicht mehr vertreten.metall: NPD und DVU bleiben fast überallSplitterparteien . . .Butterwegge: Auch wenn diese Parteiennicht in Parlamente gelangen, beeinflussensie das Denken vieler Menschen. Themender Rechten breiten sich in der Mitte unsererGesellschaft aus. »Das deutsche Volk stirbtaus« beispielsweise war immer eine SorgeRechtsextremer, mittlerweile treibt sie auchdie Massenmedien um. »Deutschland« ge-winnt an Bedeutung. Man glaubt, den Gürtelenger schnallen zu müssen, damit es demWirtschaftsstandort »D« besser geht.metall: Was kann politische Bildungsarbeitleisten?Butterwegge: Sie muss die Spaltung unsererGesellschaft in Oben und Unten, in Arm undReich stärker betonen. Arbeitslosigkeit wur-zelt in einem Wirtschaftssystem, das neoli-berale »Reformgesetze« wie Hartz IV sozialnoch ungerechter machen.metall: Auch Nazis wettern gegen das»System« . . .Butterwegge: . . . umso wichtiger ist es für diegewerkschaftliche Bildungsarbeit, die neoli-berale Standortlogik zu widerlegen und Kapi-talismuskritik nicht rechten Demagogen zuüberlassen. Gejammer über den kränkelndenWirtschaftsstandort ist pure Ideologie. Ganzabgesehen davon, dass die Bundesrepublikim 2004 einen Exportüberschuss von 156,7Milliarden Euro erzielt hat, lautet die zentraleFrage: In welcher Gesellschaft wollen wirkünftig leben? In einer kapitalistischen Hoch-leistungs- und Konkurrenzgesellschaft? Odersoll es eine Gesellschaft sein, die Solidaritätund soziale Verantwortung groß schreibt?

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    . . . beiChristoph Butter-wegge, Professorfür Politikwissen-schaft an der Uni-versität in Köln.

    Nachgefragt . . .

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    Zielsetzungen kurz und knapp definiert.Wer das akzeptiert kann mitmachen. Nie-mand wird ausgegrenzt«, verrät Stangendas Erfolgsrezept. Dabei greift das Forumdurchaus kontroverse Themen auf, etwa inZusammenarbeit mit dem Flüchtlingsrat,der VVN oder zurzeit in der Vorbereitungeiner Ausstellung zum 8. Mai, dem Tag derBefreiung vom Faschismus. Nicht Harmo-nie in allen Punkten, sondern die in derKieler Erklärung festgelegte Grundhaltungist gefordert. Das trägt bis heute.

    Das Fazit für Metaller Stangen nachknapp viereinhalb Jahren Erfahrung mitdem Runden Tisch: »Die Zusammenarbeithat dazu beigetragen, dass in dieser Stadtsehr viele Menschen nicht einfach wegse-hen, wenn Verbrecher aufmarschieren,sondern sich ihnen entgegenstellen.«

    metall 4/2005

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    Neonazi-Provokateur: »Das sind Feiglinge«

    Nazi-Gegner: »Nicht einschüchtern lassen«

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    Problem und lässt die Nazis marschieren.Kein Wunder, dass es jedesmal knallt. Bei-spielsweise am vergangenen 3. Oktober.Gewerkschafter, Künstler, Jugendinitiati-ven und Antifa-Gruppen hatten damalsden Nazi-Aufmarsch mit einem interkul-turellen »Fest« gestoppt. Barrikadentürmten sich dabei, Müllcontainer brann-ten, und wegen der Sitzblockaden anwichtigen Kreuzungen wurde der Weg fürWorch und Konsorten unpassierbar. Flugseskortierten Polizei und Stadtverwaltungden Nazi-Marsch zum Hauptbahnhof. DerSatz, in dem Worchs Schimpfkanonadegipfelte, wurde von den Messestädtern alsLob aufgefasst: »In Leipzig regieren Anti-faschisten.«

    Das wird Nazi-Worch auch am 1. Mai zuspüren kriegen. »Wir werden erneut Tau-sende Sachsen in Bewegung setzen, jeden-falls viel mehr als die Rechten. Wir über-lassen ihnen unsere Straßen nicht«, hatEdda Möller angekündigt.

    MünchenAlarm auch in München. »Wir werdenuns redlich bemühen, dass diese Demo indie Annalen der Stadt eingeht«, hat derMünchener Neonazi Norman Bordinkürzlich gedroht. Gemeint ist der geplanteNazi-Aufmarsch am 2. April. An dem Tagwill die »Kameradschaft München« in derInnenstadt demonstrieren, aus ganzDeutschland sind Nazi-Redner angesagt.»Nur ein Esel glaubt noch an einen Sozial-staat in BRD« lautet ihr Motto.

    Da ist er wieder, der Nazi-Trick. Sie tre-ten nicht mehr in ihren Springerstiefeln

    LeipzigEdda Möller, Metallerin im Unruhestandund Vorsitzende des Vereins »Courage« inLeipzig, hat wenig Zeit.Wer sie treffen will,landet zwischen zwei Besprechungstermi-nen. »Courage« rüstet sich gerade dafür,am 1. Mai auf die Straße zu gehen. Das vonder IG Metall mitbegründete Netzwerk ge-gen Nazis organisiert und koordiniert denWiderstand der Demokraten gegen denHamburger Neonazi Christian Worch undseine Gefolgsleute. Am Tag der Arbeit wol-len sie nun schon zum zwölften Mal durchLeipzig ziehen. »Diese Truppe hat bis 2012jedes Jahr zum 1. Mai und zum 3. Oktobereinen Aufzug in unserer Stadt angemeldet,und immer haben sie das Völkerschlacht-denkmal oder Connewitz im Visier«, ärgertsich Metallerin Möller.

    Gerade das alternative Connewitz ist einbesonders neuralgisches Viertel. Dass dieNazis dort aufmarschieren, empfinden al-le als Provokation. Nur das BautzenerOberverwaltungsgericht hat damit kein

    auf und reden auch nicht mehr offen überden Holocaust, ihr Thema ist der Sozialab-bau. »Das rechtsextreme Spektrum ver-sucht, die Arbeitsmarktsituation für seineInteressen auszunutzen«, hat auch Mün-chens Kreisverwaltungsreferent WilfriedBlume-Beyerle erkannt, »ein neues Phäno-men.«

    Doch die Demo in Münchens Innen-stadt ist erst der Anfang des 2. April. Amgleichen Tag steht auf der Theresienwieseauch noch ein Rechtsrock-Konzert aufdem Veranstaltungsplan. »Blitzkrieg« oder»Tobsucht« heißen die Bands, »Act of Vio-lence« oder »Feldherren«. Allein die Titelverursachen vielen Gänsehaut.

    Gerichte und Politik setzen dem Treibennur wenig entgegen. Das Konzert wurdezwar zeitlich begrenzt. Die Demo der Nazissoll aber laufen. Das kennen die Münchenerschon lange. »Es wäre nicht das erste mal,dass die Nazis unbehelligt mit dem Trans-parent ,Nationalsozialismus‘ durch dieMünchener Innenstadt ziehen und antifa-schistische Aktionen mit Verboten überzo-gen werden«, kritisiert das »Inn-Archiv«.

    Das Müchner »Bündnis gegen Naziauf-märsche«, dem auch die IG Metall an-gehört, organisiert dennoch den Wider-stand. »Wir werden präsent sein, wo im-mer die Neonazis aufmarschieren«, hatauch Martin Löwenberg, selbst Opfer derNazi-Diktatur, angekündigt, »ich werdeden hautnahen Kontakt suchen und allensagen, die ich treffe: ,Schließt Euch‘ an.«

    Am Tag des Münchener Naziaufmar-sches werden mindestens 8500 Gegende-monstranten erwartet.<

    metall 4/2005

    Protest gegen Nazis in Jena: »Wir werden präsent sein, wo immer die Nazis auftauchen«

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    Aufruf

    Am 8. Mai jährt sich zum 60. Mal das Endedes zweiten Weltkriegs und damit die Be-freiung vom Faschismus. In ganz Deutsch-land feiern die Gewerkschaften diesen Tag.metall will in seiner Mai-Ausgabe auf dieAktionen der Verwaltungsstellen hinweisen.Unsere Bitte: Teilt uns mit, was bei Euch losist, wir berichten darüber.Infos an [email protected]

  • 18 metall 4/2005

    Titel

    Als der Frankenthaler IG Metall-Sekretär GünterHoetzl kürzlich seine Jugend-und Auszubilden-denvertreter auf einem Wochen-Seminar zu-sammen hatte, stutzte er: Einer trug ein Sweat-shirt von »Lonsdale«. Die Marke ist bei Neo-nazis beliebt – wegen der Buchstaben »NSDA«.Bei geöffneter Jacke sind die als einzige zu se-hen. Hoetzl: »Der Junge war ziemlich dominant,viele seiner Kumpels hörten auf ihn.«

    Als abends auch noch »Heil Hitler« zu hörenwar, änderte Hoetzl das Seminarprogramm. Erstnahm er sich den verdächtigen Azubi vor, dannreferierte er über die Erfahrungen der Arbeiter-bewegung mit dem Hitler-Faschismus. Am fol-genden Tag trugen vier weitere Azubis T-Shirtsder Nazi-Kultband »Böhse Onkelz«. Hoetzl:»Das war als Solidaritätsaktion gedacht.«

    Zurück im Betrieb, knöpfte sich der Betriebs-rat den jungen Neonazi vor. Und die Ausbil-dungsleitung forderte ihn auf, vom Posten des

    den dabei kostenlos an Jungendliche verteilt,oft auf Schulhöfen. Und was tun die Lehrer?»Viele«, ärgert sich Seeger, »gucken weg. Poli-tik sei kein Thema für die Schule.«

    Dabei wird bei genauerem Hinsehen schnellklar, um was es den Nazis geht: Nicht »sozialeGerechtigkeit« (»Aktionsbüro Thüringen«) istihr Ziel, sondern eine »Volksgemeinschaft aufnationaler Grundlage« (»Aktionsbüro Thürin-gen«) wie im »Dritten Reich«. Damals warenGewerkschaften bekanntlich verboten, Er-werbslose wurden in den Reichsarbeitdienstgezerrt.

    Verwirrung auch im Saarland. Dort wurdeein Neonazi in eine siebenköpfige Jugend-vertretung gewählt. Lars Desgranges,Jugendsekretär in Völklingen: »Der ist intel-lektuell und rhetorisch fit und nicht so blöd,rechtsradikale Parolen auszugeben.« Daserschwere die Auseinandersetzung. Die neu-en Nazis gingen heute so geschickt vor,»dass man von geschultem und geplantemVorgehen ausgehen kann«.

    Muss der Jung-Nazi nicht raus aus der IG Me-tall? »Wir haben nichts Konkretes in der Hand«,bedauert Metaller Desgranges, »außerdemwürde er sich dann als Märtyrer verkaufen.«

    In Zukunft könnte das für den Nazi-Jugend-vertreter jedoch schwieriger werden. Denn alsdie Jugendvertretung seines Betriebs kürzlichbeschloss, am »Tag gegen Rassismus« mit ei-nem Infostand Zeichen zu setzen, sagte derNeonazi ohne Begründung ab; das kam nichtgut an. Desgranges: »Wenn das Mandat einesJugend- und Auszubildendenvertreters mitdessen politischer Anschauung kollidiert,müssen Konsequenzen gezogen werden.«

    Jugendvertreters zu-rückzutreten. Zur Be-lohnung sollte er diePrüfung vorzeitig able-gen dürfen. Doch derRechts-Azubi lehntedankend ab. Hoetzlhatte das schon imVorraus geahnt: »DerJugendliche spielt sichjetzt als Märtyrer aufund hat die Solidaritätder anderen. SolcheAzubis sollte man imBetrieb mit Argumen-ten überzeugen.«

    Auch in Eisenach ist ein Jugendvertreter aufge-taucht, der sich als Neonazi bekennt. Bisher ister noch Mitglied der IG Metall. Kein Wunder,dass Jugendsekretär Mark Seeger schlechtschläft. Soll er den Rechtsradikalen aus der IGMetall rauswerfen, wie es die Satzung vorgibt?Oder es auf einen Versuch ankommen lassenund mit ihm über seine krausen Gedanken dis-kutieren? Seeger: »Der Junge gibt sich hilfsbe-reit und engagiert; und von den Thesen, die ervertritt, könnte ich 75 Prozent unterschreiben.«

    Besorgniserregend ist auch die Rechtsrock –Offensive. »Hier vergeht kein Monat ohne einNazikonzert«, berichtet Seeger. Nicht nur inThüringen: Nach Angaben des Berliner»Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungs-zentrum« (apabiz) veranstalteten Rechtsradika-le allein im vergangenen Jahr 147 Konzerte;gleichzeitig seien 103 Tonträger deutscherRechtsrock-Bands erschienen – ein Anstieg um20 Prozent gegenüber 2003. Tausende CD’s wer-

    obit, Mobiles Beratungsteam gegen Rechts-extremismus in ThüringenTelefon 0361–5961 - 200 (Erfurt)03621 - 228696 (Gootha)www.mobit.org

    solid e.v. »AufmMUCKEn gegenRechts«Kleine Alexanderstraße 28, 10178 BerlinTelefon 030–24009 - 419www.solid-web.de

    ZDK Gesellschaft Demokratische KulturChausseestraße 29, 10115 Berlinwww.zentrum-demokratische-kultur.de

    Dokumentations- und Informationszentrumfür Rassismusforschung (D.I.R), Marburgwww.dir-info.de

    Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regi-mes-Bund der Antifaschisten (VVN-BdA)Franz-Mehriing-Platz 1,10243 Berlinwww.vvn-bda.de

    kein mensch ist illegal - Netzwerk gegen Ab-schiebung und AusgrenzungAdlerstraße 12, 79098 Freiburgwww.contrast.org/borders/kein

    Antifaschistische Pressearchiv und Bildungs-zentrum Berlin (apabiz)Lausitzer Straße 10, 10999 Berlinwww.apabiz.de

    Die sozialistische Jugend hat im Januar, un-terstützt von der IG Metall, die Initiative»AufMUCKEn gegen Rechts – beweg Dich damit sich was bewegt« gestartet.Schwerpunkte sind Produktion und Vertriebeiner CD. Sie enthält 16 Stücke gegen faschis-tische Kultur. Eine Begleitbroschüre bietet zu-dem wichtige Hintergrundinformationen überdie Rechts-Szene und was dagegen zu tun ist.Thomas Kalkbrenner, Jugend-Sekretär beimIG Metall-Vorstand: »Die CD ist eine Antwortauf die Schulhof-Aktionen der Nazis, die mitRechtsrock-CD’s Schüler und Lehrlinge zuködern versuchen«. <

    Neonazis als Jugendvertreter ?

    Adressen

    Neonazis, Rechtsrock-CD’s: »Kein Monat ohne Rechtsrock-Konzert«

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  • Branchennews

    metall 4/2005 19

    Aktuelle IG Metall-BroschüreGehaltsanalyse 2005Die Gehälter in der Informa-tions- und Technologieindus-trie haben sich im Jahr 2004unterschiedlich entwickelt.

    Während Marketing- und Be-ratungsprofis deutliche Zu-wächse bei den Einkommenerzielten,waren im Software En-gineering und Vertrieb nur mo-derate Steigerungen zu verzeich-nen. In den Bereichen Rechen-zentren, Call Center, ServiceTechnik und Hardware Enginee-ring sind die Einkommen leicht

    gesunken. Das geht aus derjüngsten IT-Gehaltsanalyse derIG Metall hervor, in der rund 20000 Daten aus 47 Unterneh-men ausgewertet wurden. DieBranche verzeichnete im letztenJahr erstmals wieder ein Um-satzplus. Insgesamt sei der Ar-beitsplatzabbau in der ITK-Bran-che gestoppt worden.

    Weiteres Ergebnis der Analyse:Mitgliederzuwächse in einzel-nen ITK-Unternehmen, wieetwa Infineon Berlin,wo sich derMitgliederstand innerhalb einesJahres von 20 auf 50 Prozent

    Tarifverträge Drei Prozent gefordertFür die rund 17000 Beschäftig-ten der ostdeutschen Textilindus-trie hat die IG Metall beim Ent-gelt und der Ausbildungsvergü-tung drei Prozent mehr Lohnund Gehalt gefordert. Die gülti-gen Tarifverträge wurden zum30. April 2005 gekündigt. Wei-tere Forderungen:Die Übernah-me des Weiterbildungstarifver-trags auch in Ostdeutschland so-wie die Erhöhung des Arbeitge-beranteils zur betrieblichen Al-tersvorsorge.<

    erhöht hat. Die Gehaltsanalyseenthält auch eine CD-ROM, aufder weitere detaillierte Anga-ben zu jedem Job etwa zuÜberstundenvergütungen,durchschnittlicher Betriebszu-gehörigkeit und zu statisti-schen Daten.

    Die Broschüre »Entgelt in derIT-Branche 2005« kostet 14 Eu-ro (plus Mehrwertsteuer undPorto). Sie kann online über dieIG Metall-Hompage bestelltwerden:www.igmetall.de/nachrichten/it_entgelt/material <

    Warnstreik Fünf Gewerke machen mitIn allen fünf Metallgewerkenvon Nordrhein-Westfalen ste-hen die Zeichen auf Sturm.DemWarnstreik-Aufruf der IG Metallsind Mitte März rund 9200 Kfz-Mechaniker, Schlosser, Installa-teure, Heizungsbauer und Elek-triker gefolgt. In 311 Betriebenlegten sie die Arbeit nieder. IGMetall-Bezirkssekretär undVerhandlungsleiter Werner Birk-hahn: »Wenn die Arbeitgebersich nicht bewegen,müssen wiruns bewegen.«

    Auch nach 21 ergebnislosenVerhandlungsrunden ist keineVerhandlung für gescheiterterklärt worden. Birkhahnschließt das aber nicht mehr

    aus. »Dann kommt’s zumStreik.«

    Die Arbeitgeberverbände bie-ten zwar den Ausgleich der Infla-tionsrate an, knüpfen daran je-doch Gegenforderungen: Ver-längerung der Wochenarbeits-zeit, Streichung von Urlaubsta-gen und Kürzung der Jahresson-derzahlungen. Birkhahn bringtdas auf die Formel: »Erst wollensie uns tief in die Tasche greifenund uns dann ein bisschen da-von zurückgeben.« Die IG Me-tall in Nordrhein-Westfalen hatihre Offensive im Metallhand-werk unter das Motto gestellt:»Tarifverträge verteidigen, tarif-fähig bleiben, Einkommen si-chern.« Erstmals ziehen fünfGewerke an einem Strang.<

    Textilindustrie Ost

    Metallhandwerk

    Erste TarifverhandlungsrundeOhne Ergebnis vertagtDie erste Verhandlung zwischendem Arbeitgeberverband Stahlund der IG Metall ist ohne Er-gebnis vertagt worden. DieStahl-Arbeitgeber halten dieForderung, Löhne und Gehälterfür die rund 75000 Beschäftig-ten der westdeutschen Stahlin-dustrie um 6,5 Prozent zu er-höhen, als »unrealistisch hoch«und für »unzumutbar«. Ob-wohl die Unternehmen traum-

    ITK-Industrie

    hafte Gewinne fahren: 2004steigerte die Branche ihren Um-satz um 22,7 Prozent auf 27 Mil-liarden Euro.

    Argumente, die die Arbeitge-ber kalt lassen. Für sie sei Arbeit»schon jetzt teuer«. Sie fordern,Unternehmen nicht mit weite-ren Kosten zu belasten, die siedann zu Entlassungen zwingenwürden.

    Für Michael Breidbach, Be-triebsratsvorsitzender der Stahl-werke Bremen GmbH, eine un-

    verschämte Behauptung: »DieBelegschaften haben die Pro-duktivität derart gesteigert, sodass der Lohnkostenanteil amUmsatz nur noch knapp überzehn Prozent liegt«.

    Auch für Ernst Schäfer, Kon-zernbetriebsratsvorsitzenderder Salzgitter AG, sind die Argu-mente der Arbeitgeber inakzep-tabel: »In den Aufsichtsrätenlassen sich die Vorstände für dieguten Umsätze feiern – in denVerhandlungen stellen sie diese

    als fast desaströs dar.« Schäferzieht daraus den Schluss auf ei-ne harte Tarifauseinanderset-zung.Am 7.April sollen die Ver-handlungen fortgesetzt wer-den.

    Die Wirtschaftsabteilungbeim IG Metall-Vorstand hatdie Lage in der Stahlbrancheanalysiert. Die – kostenfreie –Studie »Tarifrunde 2005Eisen- und Stahlindustrie«,steht im Internet unter:www.igmetall.de/download <

    Stahl-Industrie

    Im letzten Jahr sind die Umsätze im reinen Gebrauchtwagenhandel um rund 16,5Prozent, im Lkw-Neuwagengeschäft um 6,5 Prozent gestiegen. Durch die Steige-rungen gegenüber 2003 beim Pkw-Verkauf im Handel sowie Service konnte einnominales Umsatzplus von 1,6 Prozent erzielt werden. Laut ZDK sei somit das Jahr2004 in Branchenbilanz mit einer »schwarzen Null« abgeschlossen worden.<

    Gebrauchtwagenhandelüber VertragshandelPkw und Pkw-Kombi26.588,4 Mio. Euro-3,27 %

    ServiceKfz-Werkstatt, Lohn,Ersatzteile, Zubehör24.366,2 Mio. Euro+ 2,17 %

    Neuwagenhandel Lkw,6.333,9 Mio. Euro+6,50 %Gebrauchtwagenhandel Lkw,

    3.517,3 Mio. Euro- 2,15 %

    Gebrauchtwagen-handel der reinenGebrauchtwagen-händler Pkw undPkw-Kombi6.832,5 Mio. Euro+16,47 %

    NeuwagenhandelPkw und Pkw-Kombi59.574,3 Mio. Euro+ 1,87 %

    Quelle: DAT/ZDK

    Umsatz KFZ-Gewerbe 2004: 127,21 Milliarden Euro

  • Nebeneinkommen?in Rot/Haslach ab 15.03.2005 zu ver-geben. Verdienst ca. s 90 ,-/monatlich.Tel.:

    INFO

    Osram sichert2000 StellenGroßinvestition in Augsburg(…) Eine neue Fertigungslinie für Leucht-stofflampen wird gebaut. 2000 Stellenan den Standorten Augsburg undSchwabmünchen, die auf dem Spielstanden, werden gesichert.

    Im Gegenzug sind alle Mitarbeiter fürdie Dauer von fünf Jahren zu einemLohnverzicht bereit. (…)

    AUGSBURGER ALLGEMEINE

    20 metall 4/2005

    Anschläge

    STELLENANGEBOTMaschinenbauingenieur**Vertiefungsrichtung Schienenfahrzeuge (…)gute Kenntn. im Bereich Bremse, Laufwerk,Zug-, Stoßrichtungen f. Schienenfahrzeuge. Miteinem Firmenfahrzeug ausgestattet, eng mitden Angehörigen und behandelnden Ärzten zu-sammenarbeitend, werden sie ihre Pflegefälleals Teamangehörige/r betreuen. Ihre Freudeam Umgang mit pflegebedürftigen Menschenist auch als Berufswiedereinsteiger/in in dasBerufsleben ungebrochen und wird auch durch14 tägigen Wochenenddienst nicht getrübt.(…)

    Jobcenter Arbeitsagentur Oranienburg

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    Unverschämtes, Merkwürdiges, Kurioses – gefunden von metall-Leserinnen und -Lesern. Jede Veröffentlichung wird mit 25 Euro honoriert(bitte Kontonummer angeben). Schicken an: metall-Redaktion, Wilhelm-Leuschner-Straße 79, 60329 Frankfurt am Main

  • Betriebsreport

    metall 4/2005 21

    Blaumann oder Krawatte trägt.Dennoch verunsicherte die Era-Einführung viele Beschäftigte.»Schließlich wusste keiner, wasdas am Ende für ihn bedeutet«,sagt Neumaier. Nicht für jedenkam unterm Era-Strich mehrheraus. Einige Kollegen und Kol-leginnen liegen mit ihrem bishe-rigen Verdienst über ihrer neuenEntgeltgruppe. »Es bekommtaber niemand weniger Geld«,sagt Neumaier.

    Die Einkommen werden inden nächsten Jahren angepasst.Wer jetzt mehr verdient, setzt beiden nächsten Tarifrunden ausoder bekommt nur einen Teil derTariferhöhung, bis er seine Ent-geltgruppe erreicht hat. Im Ge-genzug werden auch höhereEinkommen, wenn sie mehr als100 Euro über dem bisherigenVerdienst liegen,schrittweise ge-steigert. Doch die Era-Bewer-tung ist für viele nicht nur eine

    laus Peter Neumaierhat es hinter sich. In sei-nem Betrieb gilt seit ei-

    nem Monat das neue Entgeltrah-menabkommen, kurz Era. Darü-ber ist der Betriebsratsvorsitzen-de des Iserlohner Kaltbandher-stellers Risse und Wilke sichtlicherleichtert. 330 Arbeitsplätzemussten neu bewertet und Punk-te nach dem Era-System verge-ben werden – das hatte ihm eini-ges Kopfzerbrechen bereitet.»Über den ersten beiden Ar-beitsplatzbeschreibungen habenwir fast fünf Stunden gesessen.«Wo beispielsweise liegt dieGrenze zwischen gelegentlichenund regelmäßigen Absprachen?Wann gehört zu einer Aufgabeauch Entscheidungsspielraum?Zu unterschiedlichen Antwortenkamen Betriebsrat und Ge-schäftsleitung selbst bei der Fra-ge, ob ein Beschäftigter »Mitar-beiterführung« hat. Doch zwi-schen den Antworten liegen ofteinige Punkte. Sie können amEnde den Ausschlag geben, obmehr oder weniger Geld auf derAbrechnung steht.

    Vor gut einem Jahr haben Ar-beitgeber und IG Metall das neueEntgeltrahmenabkommen abge-schlossen. Es löst das alte Systemder Löhne und Gehälter ab. Be-schäftigte werden nicht mehr inAngestellte und Arbeiter aufge-teilt, sondern entsprechend ihrerAufgaben einer von 14 Entgelt-gruppen zugeordnet. Nun be-ginnt die Praxisarbeit.Der Sauer-länder Betrieb Risse und Wilkegehört zu den ersten in Nord-rhein-Westfalen, die Era einge-führt haben. Das war längstüberfällig, sind sich Betriebsratund Geschäftsführer Jörg Lohöl-

    ter einig. Die alten Arbeitsbe-schreibungen stammten aus den60er Jahren. »Da war noch vonLochkarten die Rede«, sagtLohölter. Damit ließen sich Ar-beitsplätze schon seit 20 Jahrennicht mehr beschreiben.

    Auch die Trennung zwischenAngestellten und Arbeitern warUnsinn, stellt Betriebsrat Neu-maier fest. »Die Kollegen in derProduktion tragen Verantwor-tung. Es gibt keinen Grund, dasssie weniger verdienen als dieKollegen am Schreibtisch.«Nach dem alten System konntenBetriebe die Lücke zwischen derobersten Lohn- und der oberstenGehaltsstufe nur durch überta-rifliche Zulagen schließen. Diesewurden aber bei Tariferhöhun-gen nicht berücksichtigt. Damitmacht Era Schluss. Wer Verant-wortung trägt und qualifiziertist, kommt in eine der oberenEntgeltgruppen – egal, ob er

    Risse und Wilke in Iserlohn

    Beim sauerländischenKaltbandhersteller Risseund Wilke gilt der Ent-geltrahmen-Tarifvertrag.

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    Kopfzerbrechen hat sich gelohnt

    Betriebsratsvorsitzender Neumeier, Geschäftsführer Wilke und Lohölter (oben): Mit allen gesprochen

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    finanzielle Frage.»Wenn jemandplötzlich gesagt bekommt, dassihm sein bisheriges Einkommengar nicht zusteht, kratzt das amSelbstbewusstsein«, sagt Ge-schäftsführer Lohölter.

    Große Probleme gab es beiRisse und Wilke aber nicht.»Nursieben haben Widerspruch ge-gen ihre Bewertung eingelegt«,sagt Neumaier. »Es war einfachgut, dass wir die Kollegen vonAnfang an beteiligt haben.« Siewurden zu ihren Aufgaben be-fragt, und IG Metall und Be-triebsrat redeten bei der Era-Ein-führung mit.Die fertigen Bewer-tungen wurden mit allen Be-schäftigten in Einzelgesprächendurchgeackert. »Wir haben je-den gefragt: ‚Siehst du dich hierrichtig bewertet?‘« Fast immerlautete die Antwort: »Ja, dasstimmt.« Für Neumaier hat sichdas Kopfzerbrechen gelohnt.<

    Fabienne Melzer

  • Branchenreport

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    roduktpiraten sind auch für den Au-tomobilzuliefererkonzern ZF Frie-drichshafen AG ein erhebliches Pro-

    blem. Der Konzern hat weltweit 120 Stand-orte und stellt mit seinen 55000 Beschäftig-ten unter anderem hochwertige Getriebe her.Hans Kirchgäßner, Konzernbetriebsratsvor-sitzender und früher im Marketing des Unter-nehmens beschäftigt, weiß, dass vor allem inchinesischen Fabriken abgekupfert wird.Ori-ginalunterlagen für die ZF-Produkte, die ei-gentlich nur für Werkstätten und Automobil-hersteller gedacht sind, kursieren unkontrol-lierbar auf dem »grauen Markt«.

    Deswegen sei das Problem schwer in denGriff zu bekommen. Dem Hersteller bleibenim wesentlichen Informationskampagnen.Die geringwertigen Kopien bedrohen poten-

    tiell auch das Markenimage der ZF. EinImage, dass für besonders hochwertige undsichere Autoteile steht. Und um dieser Qua-lität gerecht zu werden, investiert ZF jährlichzwischen vier und fünf Prozent des Umsatzesallein in den Ausbau von Forschung und Ent-wicklung – und liegt damit im Branchenver-gleich mit an der Spitze. Allein 1000 der7000 Beschäftigten in der FriedrichshafenerZF-Zentrale sind in diesem Unternehmens-bereich für Innovationen tätig.

    Die teuren Forschungs- und Entwick-lungsanstrengungen sind auch Hauptargu-ment der europäischen Automobil- und Zu-liefererindustrie gegen eine weitere Öffnungdes Ersatzteilmarktes. Die europäische Kom-mission sieht das anders. Sie will den Marktweiter öffnen. Dafür wurde unter dem Vor-

    sitz des Vizepräsident der Kommission, Gün-ter Verheugen, ein hochgradig besetzte Ar-beitsgruppe, die CARS21, eingesetzt. DieCARS21 soll die unterschiedlichen Interes-sen ausloten und Kompromisse für die Bran-che finden.

    Ein Schuss, der für die Deregulierer nachhinten losgehen könnte. Denn schon mit derReparaturklausel in der Gruppenfreistel-lungsverordnung (GVO) sollte die Mono-polstellung der europäischen Automobilher-steller geknackt werden, weil dadurch an-geblich die Verbraucherpreise sinken wür-den. Nun droht auch noch die Kürzung derDesignschutz-Dauer auf die sichtbaren Ka-rosserie-Teile.Dies würde auch legalen,billi-gen Fremdherstellern ohne Entwicklungsab-teilung einen noch frühe