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K ennen Sie das: Die Gerste ist reif und die Halme sind unter den Ähren ge- knickt. Sie müsste geerntet werden, doch der Dienstleister kann erst am nächsten Tag kommen. Oder: In der Nacht hat es gestürmt und 10 % der Gerstenähren sind abgebrochen. Der eigene Mähdrescher ist defekt und erst in zwei Tagen wieder ein- satzbereit. Zwischenzeitlich wechselt das Wetter und aus dem Brotweizen wird Fut- terweizen. Je nach Ernte- und Marktsitua- tion kann das 10 bis 70 €/t an finanziellem Verlust bedeuten. Die Beispiele zeigen, dass es beim Getreidedrusch weniger auf die ei- gentlichen Maschinenkosten, als vielmehr auf die bei verzögerter Ernte entstehenden Ausfallkosten ankommt. Wer als Landwirt über ausreichend Fläche verfügt, denkt über die Anschaffung eines eigenen Mähdreschers nach. Häufig bleibt dem Unternehmer aber ohnehin keine an- dere Wahl, weil mehr und mehr Lohnunter- nehmer den Mähdrusch aufgeben. Ein Grund für diese Entwicklung sind ruinöse flächen- Selbst dreschen oder dreschen lassen? Wann lohnt es sich, bei der Getreideernte auf Eigenmechanisierung zu setzen? Mähdrusch-Experte Professor Rademacher hat für Sie nachgerechnet. FOTOS: IMAGO/ PETER WIDMANN, RADEMACHER (2) Kurz & knapp P Anbauplanung, Witterung, Marktsituation und Wirtschaftlichkeit beeinflussen die Investition in betriebliche Druschtechnik. P Das Kriterium Druschkosten wird von der Notwendigkeit einer pünktlichen und verlustarmen Ernte überlagert. P Auch kleine Drescher haben heute hohen Bedienkomfort, automatische Regeltech- nik ist noch Großmaschinen vorbehalten. 78 agrarmanager DEZEMBER 2015 PRODUKTION Technik N Mähdrusch

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Page 1: Mähdrusch - agrarheute.com€¦ · fünf Schüttlern bei einer dreschkanalbreite von 1,11 m — der John deere W 330 Ptc ist fast voll-ständig baugleich. 80 agrarmanager DEzEMBER

Kennen Sie das: Die Gerste ist reif und die Halme sind unter den Ähren ge-knickt. Sie müsste geerntet werden, doch der Dienstleister kann erst am

nächsten Tag kommen. Oder: In der Nacht hat es gestürmt und 10 % der Gerstenähren sind abgebrochen. Der eigene Mähdrescher ist defekt und erst in zwei Tagen wieder ein-satzbereit. Zwischenzeitlich wechselt das Wetter und aus dem Brotweizen wird Fut-terweizen. Je nach Ernte- und Marktsitua-tion kann das 10 bis 70 €/t an finanziellem

Verlust bedeuten. Die Beispiele zeigen, dass es beim Getreidedrusch weniger auf die ei-gentlichen Maschinenkosten, als vielmehr auf die bei verzögerter Ernte entstehenden Ausfallkosten ankommt.

Wer als Landwirt über ausreichend Fläche verfügt, denkt über die Anschaffung eines eigenen Mähdreschers nach. Häufig bleibt dem Unternehmer aber ohnehin keine an-dere Wahl, weil mehr und mehr Lohnunter-nehmer den Mähdrusch aufgeben. Ein Grund für diese Entwicklung sind ruinöse flächen-

Selbst dreschen oder dreschen lassen?Wann lohnt es sich, bei der Getreideernte auf Eigenmechanisierung zu setzen? Mähdrusch-Experte Professor Rademacher hat für Sie nachgerechnet.

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2)Kurz & knapp

P Anbauplanung, Witterung, Marktsituation und Wirtschaftlichkeit beeinflussen die Investition in betriebliche Druschtechnik.

P Das Kriterium Druschkosten wird von der Notwendigkeit einer pünktlichen und verlustarmen Ernte überlagert.

P Auch kleine Drescher haben heute hohen Bedienkomfort, automatische Regeltech-nik ist noch Großmaschinen vorbehalten.

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bezogene Preise. Hinzu kommt die fehlende Planungssicherheit angesichts zunehmend schlechter Witterung während der Ernte-zeit, durch die sich das Erntefenster seit der Jahrtausendwende immer weiter schließt. Überkapazitäten haben die Lohnarbeitssätze verfallen lassen. Und wenn das Wetter passt, sind nicht genügend Mähdrescher verfügbar, weil alle Kunden gleichzeitig den günstigen Zeitraum nutzen wollen.

Keine PauschalempfehlungEs gibt keine Pauschalempfehlungen als Richt-wert für oder gegen die Anschaffung eines Mähdreschers, weil die Nutzung des Mäh-dreschers selbst und die Witterung sowie die Marktbedingungen die Wirtschaftlichkeit sehr unterschiedlich beeinflussen. Pro Tonne Getreide und Raps und Jahr Nutzungsdauer sollten nicht mehr als 8 bis 13 € in einen Mähdrescher investiert werden. Bei einer Erntemenge von 5.000 t Getreide wären dies also zwischen 40.000 und 65.000 €. Anders ausgedrückt, sollte die Investition 0,04 bis 0,05 € pro Euro jährlichem Fruchterlös (€/a) und Nutzungsdauer nicht überschreiten. Bei einem Fruchterlös von 1 Mio. € wären dies 40.000 € bis 50.000 €. Dies sind jedoch nur grobe Anhaltswerte.

Ein Landwirt, der von seinem Lohnun-ternehmer pünktlich bedient wird und der demzufolge keine Erlöseinbußen zu erwar-

ten hat, arbeitet besser weiterhin mit seinem Lohnunternehmer gut zusammen. Denn eine Eigenmechanisierung ist nur sinnvoll, wenn die Effizienz der Ernte mindestens gleich bleibt oder sogar verbessert wird. Dazu ge-hört beispielsweise das parallele Überla-den. Dann muss auch das Personal für den Mähdrescher oder die Kornabfuhr sowie das Knowhow zur Mähdrescherbedienung und für kleine Reparaturen vorhanden sein. Denn dies bringt der Lohnunternehmer in der Regel mit. Und vor allem müssen Zeit und Inte-resse für den eigenen Mähdrescher gege-ben sein. Wer sich nicht mit der Maschine – seien es Genehmigungen für Überbreite und Versicherungen oder seien es Reinigungs- und Wartungsarbeiten — beschäftigen will oder kann, der ist sicherlich langfristig mit dem Lohndrusch besser bedient als mit der Eigenmechanisierung.

Großbetriebe kalkulieren andersFür den Großbetrieb stellt sich weniger die Frage, ob Eigenmechanisierung oder Dienst-leister. Vielmehr geht es bei Großbetrieben darum, wie hoch der Grad der Eigenmecha-nisierung sein soll. Werden eigene Maschinen hoch ausgelastet, wie beispielsweise in Be-trieben mit eigener Trocknungsanlage oder in Trockenregionen? Oder wird ein Großteil der Ernte mit eigenen Mähdreschern einge-

holt und der Rest an den Lohnunternehmer vergeben? Die zweite Frage stellt sich immer häufiger, weil viele Betriebe seit der Markt-einführung der neuen Oberklasse-Mähdre-scher mit 12 m Arbeitsbreite nochmals ihre Mähdrescheranzahl reduziert haben. In Be-trieben mit eigener Trocknung ernten diese Mähdrescher durchaus mehr als 8.000 t Ge-treide und Raps pro Jahr. Die Trocknung lässt diese hohe Auslastung meist auch in schwie-rigen Ernten zu. In Betrieben ohne eigene Trocknungskapazität werden dagegen ge-ringere Kampagneleistungen gefahren, um in der gegebenen Erntezeit trockene Ware zu ernten.

Wenn die eigene Druschkapazität nicht ausreicht, um die Ernte termingerecht be-ziehungsweise trocken einzubringen, ist es sinnvoll, entweder in zusätzliche eigene Druschkapazität zu investieren oder einen N

LEsEtIPP

Unter dem titel „Mähdrescher — vom Erntevorsatz bis zur Ökonomie“ ist ein neues RKL-heft von Professor Rade-macher, dem autor dieses Beitrages, erschienen. der Verkaufspreis der 65-seitigen Schrift liegt bei 15 € als PdF-datei und kann beim RKL bezogen werden: [email protected].

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Lohnmähdrescher mit zuvor festgelegter Fläche und abgestimmten Vorgehenswei-sen zuzukaufen. Und zwar so, dass Land-wirt wie Lohnunternehmer Planungssicher-heit haben. Dies hat entscheidende Vorteile: Der Lohner stellt den Fahrer, sodass sich der Landwirtschaftsbetrieb nicht um zusätzli-ches Personal in der Hauptsaison kümmern muss, in der Arbeitskräfte ohnehin knapp sind. Der Landwirt muss sich auch nicht um den Mähdrescher kümmern. Dafür ist der Lohnunternehmer zuständig, was auch bei möglichen Reparaturen eine Erleichte-rung ist. Ein kontinuierlicher Ernteablauf mit Eingliederung des Lohnmähdreschers in die

Transportkette, ist vor allem gewährleistet, wenn der Lohnmähdrescher eine vergleich-bare Drusch leistung hat wie der betriebsei-gene. Bei geringerer Leistung tut es auch ein entsprechend schmaleres Schneidwerk, so-dass die Erntegeschwindigkeiten zumindest nahezu identisch sind.

Oberklasse-Großmähdrescher ernten in Betrieben mit weizen- und rapsreichen Fruchtfolgen und hohen Erträgen von etwa 9 t/ha Weizen und 4,5 t/ha Raps Drusch-früchte im Wert von etwa 1,5 Mio. € im Jahr, also etwa den dreifachen Wert ihres Anschaffungspreises. Werden sie dann etwa acht Jahre genutzt, so betragen die Mäh-

drusch-Vollkosten etwa 6 bis 8 % des Er-löses. Dies ist als hohe Wirtschaftlichkeit zu werten. Doch diese birgt auch Risiken: Bei Defekten sind die Ausfallzeiten sehr teuer. Es sind weniger die etwa 500 € Maschinen-vollkosten pro Stunde, die zu Buche schla-gen. Viel mehr ins Kontor schlägt, wenn pro Dreschwerkbetriebsstunde Ernteerlöse von 8.000 bis 10.000 € ausfallen. Um die Kos-ten bei längeren Ausfallzeiten zu begrenzen, ist eine Vereinbarung mit dem Händler be-züglich einer Ersatzmaschine ratsam.

Komfort in allen KlassenAuffallend ist der inzwischen hohe Bedien-komfort der kleinen Mähdrescher. Wie bei den Großmaschinen sind viele Non-Stop-Einstel-lungen wie auch die elektrische Siebweiten-einstellung erhältlich, teilweise als Option. Ebenso werden für diese Mähdrescher auch Schneidwerke mit variabler Tischlänge an-geboten. Gleiches gilt für die Informations-systeme: Von Ertragserfassung über Korn-feuchtemesstechnik bis zur GPS-geregelten Lenktechnik sind alle in Großmaschinen üb-lichen Techniken erhältlich.

Maximale Ansprüche an die Technik wer-den jedoch nur von Großmähdreschern bedient. Dies ist vor allem die maschi-nengestützte Intelligenz in Form von Einstell-assistenten und Regeltechniken für die au-tomatische Mähdreschereinstellung, die von Claas und John Deere angeboten wird. Die Einstell assistenten helfen bei der Optimie-

Oberklasse-GrOssMähdrescher Großbe-triebe ernten meist mit eigenen Maschinen. Bei Bedarf wird ein Rest an Lohnunternehmer oder nachbarbetriebe vergeben.

eiGenMechanisierunG Sampo Rosenlew comia c8 mit Beschleuniger-dreschwerk und fünf Schüttlern bei einer dreschkanalbreite von 1,11 m — der John deere W 330 Ptc ist fast voll-ständig baugleich.

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rung der Einstellung. Der Bediener klickt ein ihm aufgefallenes Pro-blem an und das System schlägt ihm abhängig von den momenta-nen Einstellwerten vor, welche Einstellung er an welcher Baugruppe verändern kann, um Abhilfe zu schaffen. Die Regeltechnik von Claas stellt je nach gewählter Strategie — beispielsweise maximale Drusch-leistung oder maximale Arbeitsqualität — die Restkornabscheidung und die Reinigung ein. Beim kamerabasierten System von John Deere gibt der Fahrer die von ihm gewünschte Arbeitsqualität als Sollwert vor und die Regeltechnik verändert bei Abweichungen vom Soll-wert die Einstellungen von Rotor und Reinigung. Derartige Tech-niken amortisieren sich schnell, wenn sie höhere Druschleistungen und Erntegutqualitäten und somit höhere Erlöse bewirken.

Entscheidungskriterium: Verluste vermeidenDie Entscheidung für oder gegen einen betriebseigenen Mähdre-scher ist weniger davon abhängig, ob zu einem günstigeren Hektar-satz geerntet werden kann, als ihn der Lohnunternehmer in Rech-nung stellt. Denn die Lohnarbeitssätze sind meistens so günstig, dass diese mit der betriebseigenen Maschine selbst bei Kampagneleis-tungen über 200 Hektar pro Jahr kaum erreicht werden. Vielmehr hängt diese Entscheidung davon ab, wie viel Ernteverluste durch eine pünktliche Ernte vermieden werden können, falls der Lohn-unternehmer nicht termingerecht erntet. Auch sollte nicht unter-schätzt werden, dass der Lohnunternehmer meist einen qualifizier-ten Fahrer und eine einsatzsichere Maschine mitbringt. Dies muss der Eigenmechanisierer selbst sicherstellen.

Großbetriebe wählen ihre Verfahrensweise nach anderen Krite-rien. Vor allem Betriebe mit eigener Trocknungsanlage lasten ihre Mähdrescher hoch aus. Die restliche Fläche von einem Lohnunter-nehmer ernten lassen, ist verfahrens- und personaltechnisch eine einfache und wirtschaftliche Variante.

Der Markt für Mähdrescher ist so vielfältig, dass vom Kleinmäh-drescher bis zur gebrauchten großen Schüttlermaschine für Kampa-gneleistungen von 100 bis 250 ha/a alle Mechanisierungsvarianten geprüft werden sollten. Auch hier ist weniger die Flächenleistung als die durch die Witterung immer mehr reduzierte, mögliche An-zahl Dreschwerkbetriebsstunden pro Kampagne entscheidend. Dazu bietet sich dann die Kalkulation der erntekostenfreien Leistung an, weil der Mähdrescher faktisch nicht von der Fläche, sondern vom monetären Ertrag bezahlt werden muss.

In der Leistungsklasse bis 1,35 m Dreschkanalbreite bie-ten bis auf Case alle Hersteller Schüttlermaschinen an. Diese sind oft mit oder ohne dritte Trommel erhältlich oder einsetz-bar. Die technischen Daten von Beschleuniger und Zentrifugal - abscheider sind aufgrund ihrer grundsätzlich unterschiedlichen Funktionen nicht vergleichbar. Bemerkenswert ist der hohe Bedien-komfort der kleinen Mähdrescher mit vielen in Großmaschinen üblichen technischen Merkmalen. High-Tech-Ausstattungen wie Regeltechniken für die Einstelloptimierung bleiben aktuell nur Groß-mähdreschern vorbehalten. (mö)

Prof. Dr. Thomas Rademacher, Fachhochschule Bingen

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