michael edinger - universität erfurt · rechtsextremen spektrum (npd in thüringen seit jahren...

Michael Edinger

Struktur

Worte, nicht Taten – zur Begrifflichkeit

Spurensuche I‐

Phänomene: Struktur & Entwicklung‐

Parteien

‐

Bewegung(‐en)

‐

Einstellungen

Spurensuche II ‐

Ursachen: Soziale Deprivation, Persönlichkeit oder normale Pathologie

Spurensuche III –

Vergleich: Verbreitung und Chancenstrukturen

2Rechtsextremismus made in Thüringen - Vortrag FH/Uni Erfurt 18.12.2012M.Edinger

Leitfragen

(1) Kontinuität und Wandel: Hat der Rechtsextremismus in Thüringen einen

Strukturwandel erlebt?(2) Wie stark ist der Rechtsextremismus gesellschaftlich

verankert?

(3) Ist Thüringen das „braune Herz Deutschlands“?

(4) Ost und West: Neuauflage einer Debatte?

(5) NSU: Gibt es eine neue Qualität im Rechtsextremismus?


Begrifflichkeit: Von Anfang an Polyphonie

Probleme

mangelnde begriffliche Schärfe

Assoziation mit der Links‐Rechts‐Skala

theoretisch‐konzeptionelle Vorentscheidung

politische Instrumentalisierung

Verständnis

Kern: „Ideologie“

der Ungleichwertigkeit und

entsprechende politische Ordnungsvorstellungen damit verknüpfte und Handlungen

Integrationskonzept

nicht mit Gewalt(‐bereitschaft) assoziiert


Spurensuche I: Phänomene

Parteien als „klassische“, institutionalisierte, „verrechtlichte“

Organisationsform der extremen Rechten

Bewegung(‐en) als „moderne“, dynamische, wenig

institutionalisierte Erscheinungsform

Einstellungen als dem Verhalten voraus liegende, nicht notwendig

verhaltenssteuernde, aber relevante Orientierungen


Stöss 2007: 27

Spurensuche I: Parteien

Merkmale

Mitgliedschaft/Kandidaten

Wahlergebnisse/Wählerstruktur

Programmatik

Strategie

Entwicklungsphasen

1990‐1996/97: Aufbau

1998‐2001: Ausbau

2002‐2005: Abschwung

2006‐2009: Konzentration/NPD‐Hegemonie

seit 2010: Bedeutungsverlust



Spurensuche I: Parteien/Wahlen Mitglieder

0

100

200

300

400

500

600

700

800

19951996199719981999200020012002200320042005200620072008200920102011

NPD DVU REP* Sonstige

Quelle: TLfV


Spurensuche I: Parteien/Wahlen Wahlergebnisse

0123456789

10

1990 1994 1998 2002 2005 2009 1994 1999 2004 2009

Bundestagswahlen (Zweitstimmen) EuropawahlenThüringen Ostdeutschland Westdeutschland

Quelle: Bundeswahlleiter

14

0

118

4

1923

3129 30

0

5

10

15

20

25

30

35

1990(N=22/388)

1994(N=37/214)

1999(N=76/199)

2004(N=24/224)

2009(N=26/318)

Rechtsextreme Parteien Landtagsparteien


Spurensuche I: Parteien/Wahlen Kandidaten

Quelle: TLS; eigene

Berechnungen

M.Edinger Rechtsextremismus made in Thüringen - Vortrag FH/Uni Erfurt 18.12.2012 10

Spurensuche I: Parteien/Wahlen

Datenquelle: Bundeswahlleiter

Spurensuche I: Bewegung(‐en); Personen

0

100

200

300

400

500

600

1996199719981999200020012002200320042005200620072008200920102011

Neonazis Skinheads Thüringer Heimatschutz


Spurensuche I: Bewegung(‐en); Immobilien


Quelle: MOBIT

Spurensuche I: Bewegung(‐en); Straftaten


1241

856

726

555 567 556

692

10981171

9581009

61 65 42 44 3472 57 48 36 53 55

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

rechtsextremistische Straftaten (ohne Gewalttaten) Gewalttaten

Quelle: TLfV

Spurensuche I: Einstellungen

Grundlage: Thüringen‐Monitor

Rechtsextremismus als Einstellungssyndrom

sechs Dimensionen

Messung über zehn Items

Indexbildung: Identifizierung rechtsextrem Eingestellter

und solcher mit verfestigten rechtsextremen Einstellungen bei Überschreiten des rechnerischen

Mittelpunkt einer additiven Skala

ermöglicht Untersuchung über Zeit und zwischen verschiedenen sozialen Gruppen

Instrument als Seismograph


Spurensuche I: Einstellungen


Spurensuche II: Ursachen


Quelle: Edinger

2007

Spurensuche II: Ursachen

Mögliche Erklärungsfaktoren:

sozialstrukturelle Variablen (Bildung usw.)

Deprivation (individuell; kollektiv)

politische Entfremdung

Kontakt zu Ausländern

persönlichkeitsnahe Faktoren (Autoritarismus etc.)

…



Spurensuche II: Ursachen Quelle: Best/Salheiser 2012: 93

generell: mehr Wandel als Kontinuität

NPD als Gravitationsfeld mit Schanierfunktion im gesamten

rechtsextremen Spektrum (NPD in Thüringen seit Jahren grundlegend anders als NPD im Westdeutschland vor der Vereinigung)

lebensweltliche Vielfalt des Rechtsextremismus

Entwicklung rechtsextremen Lifestyles mit Attraktivität auch für

ideologisch (zunächst) Distanzierte

programmatische Reorientierung durch Übernahme linker Ideologie‐

Bausteine

differenzierte Strategien mit deutlicher Öffnung zum

gesellschaftlichen „Mainstream“

Thüringen spiegelt generelle Entwicklungen wie antimoderne

Modernität des Rechtsextremismus19Rechtsextremismus made in Thüringen - Vortrag FH/Uni Erfurt 18.12.2012M.Edinger

Zwischenresumée: Kontinuität oder Wandel?

Voraussetzungen: Streben nach Verankerung; Organisationsfähigkeit; handlungs‐

und mobilisierungsfähiges

„Personal“; „Andockstation“

in die Mehrheitsgesellschaft

Maßstab: Sichtbarkeit; räumliche Präsenz und Hegemonie; elektorale Erfolge; eigene Strukturen; Akzeptanz – im Umfeld,

in der Bevölkerung

elektoral: auf Landesebene erfolglos, kommunal kaum erfolgreich

kommunal: punktuelle Erfolge durch subkulturelle Einflüsse, lokale Infiltration (Normalisierungsstrategie)

politische Kultur: Anknüpfungspunkte an Mehrheitsdiskurse vorhanden


Zwischenresumée: im Land verankert?

0 5 10 15 20 25 30 35

Mecklenburg‐Vorpommern

Thüringen

Sachsen

Brandenburg

Bremen

Saarland

Hamburg

Berlin

Schleswig‐Holstein

Bund

Bayern

Niedersachsen

Rheinland‐Pfalz

Sachsen‐Anhalt

Nordrhein‐Westfalen

Baden‐Württemberg

Hessen


Spurensuche III: Vergleich

Parteimitglieder

Quelle: TLfV



Wahlergebnisse

0123456789

10

1990 1994 1998 2002 2005 2009 1994 1999 2004 2009

Bundestagswahlen (Zweitstimmen) EuropawahlenThüringen Ostdeutschland Westdeutschland

Quelle: Bundeswahlleiter



Gewalttaten

Gewaltaten mit extremitischen Hintergrund aus dem Bereich "Politisch motivierte Kriminalität- rechts" Je 100.00 Einwohner in den Ländern

0 1 2 3 4 5

Baden-WürttembergBayern

BerlinBrandenburg

BremenHamburg

HessenMecklenburg-

NiedersachsenNordrhein-

Rheinland-PfalzSaarlandSachsen

Sachsen-AnhaltSchleswig-Holstein

Thüringen

2001 2005 2009 Quellen: BfV; TLfV

Ost und West: Neuauflage einer Debatte?Faktisch: geringe Unterschiede auf der Einstellungsebene

Ausländerfeindlichkeit in Thüringen wie in Ostdeutschland

insgesamt stärker ausgeprägt

Kameradschaften und freie Kräfte weit stärker in den neuen

Ländern präsent Gewaltniveau im Osten weit höher

ABER: strukturelle Parallelen; Unterschiede in interkultureller Erfahrung; nach NSU: Entlastungsdiskurs

West – auch in überregionalen Medien

M.Edinger 24Rechtsextremismus made in Thüringen - Vortrag FH/Uni Erfurt 18.12.2012

„NSU“

Unbekannte Qualität hinsichtlich

…des Ausmaßes der Gewalt…der Art und Systematik des Vorgehens…der Dauer des Lebens im Untergrund und doch inmitten der

bürgerlichen Gesellschaft…der organisatorischen „Fähigkeiten“

der Zelle

…der Verhöhnung der OpferUND…des Versagens der Sicherheitsbehörden


„NSU“

Besonderheitennach dem Selbstverständnis: eine Avantgarde, aber eine

Avantgarde ohne GesichtTerrorismus ohne Bekenntnis„Taten statt Worte“ keine „Braune Armee Fraktion“

Wirkungen noch nicht absehbar, bislang: starke mediale/polit. Fokussierung auf Rechtsextremismus forcierte Verbotsdebatte NPD (Verbotsantrag Bundesrat) „Solidarität“

mit NSU aus Szene Nachahmungstaten?


michael edinger - universität erfurt · rechtsextremen spektrum (npd in thüringen seit jahren...

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