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Migration, Integration und interreligiöser Dialog

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Migration,Integration undinterreligiöserDialog

Aus:Integration fördern – Zusammenleben gestalten.

Wort der deutschen Bischöfezur Integration von Migranten.

Die Überzeugung, dass die Würde des

Menschen von Gott verbürgt ist, trägt

und motiviert das christliche Verständnis

von Integration. Es ist zugleich Angel-

punkt des kirchlichen Engagements, das

auf alle Menschen ausgerichtet ist.

Es prägt und schärft die Sensibilität für

das Schicksal von Migranten, unabhängig

von deren religiöser oder nationaler

Zugehörigkeit bzw. ihres Rechtsstatus.

Die von Gott verbürgte Würde gilt jedem

Menschen, sie ist unabhängig von gesell-

schaftlichen Bewertungsmaßstäben und

nicht an Bedingungen geknüpft.

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… wieder eine neue

Moschee – und diesmal

in unserem Ort …

beim Türken ist das

Gemüse viel frischer

und preiswerter …

ein Junge dolmetscht

zwischen seinen Eltern

und dem Arzt

… bei uns werden alle

Imbissstände von

Türken oder Griechen

betrieben …

ein türkisches Mädchen

darf nicht am Sport-

unterricht teilnehmen

… neuerdings trifft

sich samstags eine

afrikanische Gemeinde

in der benachbarten

Kirche …

Diese und ähnlicheAussagen zeigen, dasssich unsere Gesellschaftim Umbruch befindet,sie ist bunter, vielgestal-tiger – pluraler –geworden. MenschenunterschiedlicherNationalität, kulturellerPrägung und Religions-zugehörigkeit lebenheute Tür an Tür,Migranten aus vielenLändern suchen inDeutschland vorüber-gehend oder auf Dauereine neue Heimat.Das Zusammenlebenist nicht immer einfach.Es wirft Fragen aufund löst bei vielenBürgerinnen undBürgern Ängste aus,bietet aber auchChancen.

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Wie kann auf Dauer ein friedlichesZusammenleben gelingen?

Die Entwicklungzu einer pluralen Gesellschaft wirftauch für Christen Fragen auf:

Welche grundlegenden Übereinstimmungenund Werte sind für den Bestand unsererGesellschaft notwendig?

Wie kann eine gute Integration gelingen?

Welche Bedeutung werden zukünftig derchristliche Glaube und die Kirche in unsererGesellschaft einnehmen?

Wie sollen sich Christen gegenüberanderen Religionen und Weltanschauungenverhalten und Gläubigen anderer Religionenbegegnen?

Was können Gemeinden zur Integrationbeitragen?

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Zwei wichtige kirchlicheDokumente aus dem Jahr 2004zum Thema Migration undIntegration beziehen deutlichPosition und geben Impulsefür die Praxis:

Instruktion –Erga migrantes caritas Christi

Integration fördern –Zusammenleben gestalten

„Der Übergang von der monokul-turellen zur multikulturellen Gesellschaft kannsich so als Zeichen der lebendigen GegenwartGottes in der Geschichte und in der Gemein-schaft der Menschen erweisen, da er eine güns-tige Gelegenheit bietet, den Plan Gottes eineruniversalen Gemeinschaft zu verwirklichen.“

(Die Liebe Christi zu den Migranten),Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migrantenund Menschen unterwegs,03. Mai 2004

Wort der deutschen Bischöfe zur Integrationvon Migranten,22. September 2004

Die Begegnung und das Zusammenleben von Kultu-ren und Religionen finden nicht mehr alleine auf in-ternationaler Ebene, sondern ebenso im Nahbereichstatt. Die Kirche betrachtet diese Entwicklung alsBereicherung.

(zitiert als EM)

(zitiert als IF)

Wie sieht die Kirche die Situationeiner multikulturellen und multi-religiösen Gesellschaft?

(EM 9)

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Was empfiehlt die Kirche in dieserSituation zu tun?

Die Kirche empfiehlt, sich dieser Situation zu stellenund den Dialog zu suchen.

Die Kirche sieht solide Bildung und Information überden eigenen Glauben und die anderen Religionen alsunerlässlich für einen echten Dialog an.

(EM 30)

„Die kulturelle Viel-falt fordert so den gegenwärtigen Menschenauch zum Dialog und zur Auseinandersetzungüber große existentielle Fragen auf, wie denSinn des Lebens und der Geschichte, des Lei-dens und der Armut, des Hungers, der Krank-heit und des Todes.“„Pluralität bedeutet Reichtum und der Dialogist schon jetzt Verwirklichung jener endgülti-gen Einheit, die die Menschheit anstrebt undzu der sie berufen ist.“

„Zu diesemZweck muss in den Teilkirchen für die Gläubi-gen und die in der Pastoral Tätigen eine solideBildung und Information über die anderenReligionen sichergestellt werden, damit Vor-urteile ausgeräumt werden können, der reli-giöse Relativismus überwunden wird sowieAbschottungen und ungerechtfertigte Ängstevermieden werden, die den Dialog hemmenund Barrieren errichten wie auch Unver-ständnis und Gewalt provozieren.“ (EM 69)

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Was sind Voraussetzungen für einegelingende Integration?

Erste Voraussetzung für das Gelingen der Integra-tion ist die uneingeschränkte Anerkennung undAchtung der Würde eines jeden Menschen. DerEinsatz für die Integration stellt daher das Wissen umdie von Gott verbürgte Würde eines jeden Menschenin den Mittelpunkt.Eine gelingende Integration versucht, Abschottun-gen zu vermeiden oder zu überwinden ohne eine völ-lige gesellschaftliche Angleichung (Assimilation) zuerwarten.

Als Säulen der Integration benennen die Bischöfe:

muss möglich sein.Deshalb müssen ausreichendeDeutschkenntnisse erworben werden.

Der muss gesichert werdenkönnen. Deshalb müssen Migranten grundsätz-lich die Möglichkeit bekommen, sich in denArbeitsmarkt einzugliedern.

Integration meintDeshalb müssen den Zugewanderten Wege zur

(IF 3.2)

(IF 3.6.1)

Verständigung

Lebensunterhalt

Teilhabe an der Gesellschaft.

„Weder durch Assimilationsdruck aufdie Migranten noch durch die Entstehung vonParallelgesellschaften kann für unser Land einegute Zukunft gewonnen werden.“„Eine gelingende Integration stellt Forderun-gen an die Mehrheitsgesellschaft wie an dieZugewanderten. Staat und Gesetzgeber sindaufgerufen, die Integration rechtlich abzusi-chern und durch geeignete Projekte und Unter-nehmungen zu fördern.“

wachsenden Teilhabe an den gesellschaftlichenGütern und an der Gestaltung des Gemein-wesens eröffnet werden.

Grundlegend für Begegnung und Dialog sind derRespekt und die Anerkennung des anderen. Mit Blickauf die Muslime werden die Christen eingeladen, diegemeinsamen Werte zu entdecken ohne dieUnterschiede zu verschweigen. Als gemeinsameWerte werden benannt:

Unumgänglich ist ein wachsendes Bewusstsein fürdie Verwirklichung der grundlegenden Freiheiten, derUnverletzlichkeit der Person, der gleichen Würde derFrau und des Mannes, des demokratischen Prinzips inder Regierung des Volkes und der Trennung von Staatund Religion. Es wird der Wunsch an die Muslimeund ihre Vereinigungen geäußert, dort, wo Defizitebestehen, diese zu beseitigen.

Was sind die Grundlagenfür einen Dialog mit Muslimen?Welche gemeinsamen Wertegibt es?

(EM 66)

(EM 60)

„Der Glaube an Gott,den barmherzigen Schöpfer, das täglicheGebet, das Fasten, das Almosengeben, dieWallfahrt, die Askese zur Beherrschung derLeidenschaften wie auch der Kampf gegenUngerechtigkeit und Unterdrückung.“„Die Christen sind auch aufgerufen, mit denMuslimen bestimmte Unwerte in den reichenLändern anzuklagen wie Materialismus, Kon-sumismus, moralischen Relativismus und reli-giöse Gleichgültigkeit.“

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Wie ist das Verhältnis von Dialogund Verkündigung?

Was bedeutet das für dieGemeinden?

Der Dialog gehört zur Sendung der Kirche ebensowie die Verkündigung.

Der interreligiöse Dialog steht nicht im Gegensatzzur Verkündigung, er gehört zum Sendungsauftragder Kirche. Im Dialog lassen Christen das Licht Christiaufleuchten.

Die katholischen Gemeinden sind aufgefordert, sichgegenüber den Migrantinnen und Migranten zu öff-nen. Die Aufgabe einer Integration darf nicht alleinBehörden und der Politik überlassen werden.Möglichst viele Bürgerinnen und Bürger müssendurch ihre Haltung und ihren Einsatz zeigen, dass dieMigranten willkommen sind und zu unsererGesellschaft gehören. Christinnen und Christen sindaufgerufen, sich einzumischen und zu engagieren.

(EM 69)

(EM 39)

„Auf jeden Fall bleibt füruns die Verkündigung des Heils in Christus un-verzichtbar, mag sie explizit oder den Umstän-den entsprechend implizit erfolgen.“

„Die Christen müssen nämlich Initiatoren einerwahren und wirklichen Kultur der Aufnahmesein, die die echten menschlichen Werte deranderen über alle Schwierigkeiten hinaus zuschätzen weiß, die das Zusammenleben mit je-mandem, der von uns verschieden ist, mit sichbringt.“

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Die Wertschätzung andererReligionen beinhaltet nichtdie Relativierung der Wahr-heit des eigenen Glaubensund erwartet dies auch nichtvon den Dialogpartnern.Religiöser Pluralismus undinterreligiöser Dialog dürfen

nicht zu Relativierungen und Vermischungen(Synkretismus) auf dem Gebiet der Religionen füh-ren. Die Religionen haben ein unterschiedlichesVerständnis von Gott, vom Gebet und vom Heil.

Bei religiösen Feiern mit Angehörigen andererReligionen kann es aus kirchlicher Sicht keine ge-meinsamen Gebete geben, wohl aber ein Beten imAngesicht des anderen. Wichtige Anlässe, eineGruppe, die die Feier trägt und vorbereitet, sowieeine von allen akzeptierte Basis in der Begegnungund im Handeln sollten Voraussetzungen für multire-ligiöse Feiern sein.

In einer multireligiösen Gesellschaft stellt sich vielenMenschen die Frage nach dem Sinn des Lebens, nachGott und dem Glauben neu.Christinnen und Christen sind gefordert, Rechen-schaft über den eigenen Glauben zu geben undin Wort und Tat Zeugnis des Glaubens zu geben. Diessetzt eine Vergewisserung im eigenen Glauben vor-aus. Wer im eigenen Glauben verwurzelt ist, kannsich ohne Angst der Begegnung und demDialog öffnen.

Was bedeutet die gesellschaftlicheSituation für die christlicheIdentität?

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Was können wir tun? –Anregungen für die Praxis:

Die Dokumente „Erga migrantes caritasChristi“ und „Integration fördern –Zusammenleben gestalten“ studieren undin Gremien, Gruppen und Verbändenbesprechen.

Menschen zum Dialog befähigen undbeauftragen.

Möglichkeiten für Begegnung schaffen.

Kontakt mit den Nachbarnaus anderen Religionen aufnehmen.

Gemeinsame Anliegen inBildung, Erziehung und Caritas besprechen.

Zum Wohl der jungen Menschenmit Angehörigen anderer Religionenzusammenarbeiten.

Aufmerksam sein für konkrete Anlässeund Begegnungen wie Feste, freudigeund traurige Ereignisse vor Ort oder inder Welt.

Beständige Netzwerke knüpfen.

In politischen und gesellschaftlichenFragen auf kommunaler Ebenezusammenarbeiten.

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Aus der Ansprache Papst Benedikt XVI.bei der Begegnung mit Vertretern einiger muslimi-scher Gemeinschaften am 20. August 2005anlässlich desWeltjugendtagesin Köln.

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Gemeinsam müssen wir – Christen

und Muslime – uns den zahlreichen

Herausforderungen stellen, die unsere

Zeit uns aufgibt. Für Apathie und

Untätigkeit ist kein Platz und noch weni-

ger für Parteilichkeit und Sektentum.

Wir dürfen der Angst und dem

Pessimismus keinen Raum geben.

Wir müssen vielmehr Optimismus und

Hoffnung pflegen. Der interreligiöse

und interkulturelle Dialog zwischen

Christen und Muslimen darf nicht

auf eine Saisonentscheidung reduziert

werden. Tatsächlich ist er eine vitale

Notwendigkeit, von der zum großen Teil

unsere Zukunft abhängt.

GlossarUnter wird i die Anpassungeiner Minderheit an die vorherrschende soziale Ordnung und Lebens-weise der Mehrheit verstanden. Im Prozess der Assimilation wird er-wartet, dass Menschen aus anderen Kulturkreisen die Lebensgewohn-heiten ihrer alten Heimat aufgeben und sich den Sitten und Gebräu-chen des Aufnahmelandes angleichen.

bedeutet die Eingliederung einzelner Teile in ein umfas-sendes Ganzes. Bezogen auf eine Gesellschaft wird unter Integrationdie Eingliederung von einzelnen Personen oder Personengruppen inein gesellschaftliches System oder eine gesellschaftliche Ordnung ver-standen. Im gesellschaftspolitischen Zusammenhang ist mit „Integra-tion“ Aufnahme und Eingliederung von (ehemals) Fremden in dieGesellschaft gemeint ohne Aufgabe der eigenen kulturellen Identität.

Der Begriff leitetet sich aus dem lateinischen migratio –„Wanderung“ ab. In der neueren Geschichte der Bundesrepublik wirddarunter die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte und derenFamilien verstanden, die in den 1960er Jahren mit der Anwerbung sogenannter Gastarbeiter begann. Heute bezeichnen wir damit auch diedurch Vertreibung und Flucht hervorgerufenen Wanderbewegungen.

Mit dem Begriff wird die Existenz einer Vielfalt vonKulturen bzw. von kulturellen Aspekten in einer Gesellschaft bezeich-net. Während in einer „monokulturellen Gesellschaft“ eine einzigeKultur vorhanden ist oder deutlich vorherrscht, prägt in einer

Assimilation

Integration

Migration

multikulturell

m gesellschaftlichen Bereich

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„multikulturellen Gesellschaft“ das Vorhandensein unterschiedlicherKulturen das Zusammenleben der Menschen.

Der Begriff leitet sich von „global“ – „weltumspan-nend“ – ab. Damit ist in erster Linie eine weltweite Vernetzung inKommunikation, Wirtschaft und Technik gemeint sowie der Austauschbzw. die Nutzung von Informationen, Wissen, Fertigkeiten, aber auchvon Arbeitskräften und Dienstleistungen rund um den Globus.

Unter oder wird die völlige Trennung von Religionund Politik, von Staat und Kirche verstanden; das öffentliche und poli-tische Leben soll von jeglicher Einflussnahme durch Religion frei sein.Im säkularen Staat gilt die Neutralität und Eigenständigkeit des Staatessowie die Gleichberechtigung aller religiösen und weltanschaulichenBekenntnisse als gesellschaftliche Grundlage, nicht die vom Laizismusgeforderte Verbannung der Religion aus dem öffentlichen Raum.

Unter weltanschaulichem oder religiösem wird die Vielfaltweltanschaulicher und religiöser Sinn- und Lebensentwürfe verstandenwie auch die Koexistenz (das Nebeneinanderbestehen) unterschiedli-cher Religionen und religiöser oder weltanschaulicher Gemeinschaften.

Unter wird im religiös-weltanschaulichen Bereich dasVermischen von Lehren oder Praktiken unterschiedlicher Religionenoder Weltanschauungen verstanden.

Globalisierung

Laizität Laizismus

Pluralismus

Synkretismus

Hilfen und Information:

Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum KölnArbeitsgruppe Interreligiöser DialogBreite Straße 10650667 KölnTel. 0221 2576111Fax 0221 255462E-Mail: [email protected]

Erzbistum KölnReferat für Interreligiösen Dialog50606 KölnTel. 0221 1642-7200Fax 0221 1642-7210E-Mail: [email protected]

Diözesan-Caritasverbandfür das Erzbistum Köln e.V.Fachbereich Integration und Rehabilitation /Abteilung MigrationTel.: 0221 2010-137Fax: 0221 2010-394E-Mail: [email protected]

Medien zum Thema Weltreligionenkönnen ausgeliehen werden beiErzbistum KölnReferat Medienzentrale,Kardinal-Frings-Straße 1-3,50668 Köln (Besucheranschrift)Tel. 0221 1642-3279Fax 0221 1642-3335E-Mail: [email protected]

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Herausgeber: Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum KölnErzbistum Köln, Referat Interreligiöser DialogDiözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V.

Verantwortlich: Norbert Michels, Geschäftsführer des Diözesanrates

Redaktion: Arbeitsgruppe „Interreligiöser Dialog“des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln

Bezug: Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum KölnBreite Straße 106 · 50667 KölnTelefon 0221 2576111 · Fax 0221 255462

Gestaltung: Pohl-Grund, Köln

Druck: Proenen-Druck, Düren

Herausgabe: März 2006