molecular clusters. a bridge to solid state chemistry. von thomas p. fehlner, jean-françois halet...
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Molecular Clusters
A Bridge to SolidState Chemistry.Von Thomas P.Fehlner, Jean-Fran-�ois Halet und Jean-Yves Saillard. Cam-bridge UniversityPress, Cambridge2007. 390 S., geb.,$ 138.00.—ISBN978-0-52185-236-4
Ein Professor spricht mit seinen Stu-dentinnen und Studenten. Er m�chteihnen eine moderne Denkweise der an-organischen Chemie nahebringen, inder die elektronische Situation vonMolek len, Clustern und Festk�rpernkonzeptionell verkn pft wird. Liest mandieses Lehrbuch, so merkt man, dass esdie eine H%lfte eines intensiven Zwie-gespr%ches ist. Die zweite H%lfte istnicht minder pr%sent: Beim Lesen siehtman die Gesichter der Studenten, diedieses Skript „live“ erleben, f�rmlichvor sich und kann ihre Fragen erahnen.
Drei Autoren, die besonders in derWelt der Molek le wohlbekannt undverschiedentlich durch Br ckenschl%gein Richtung der Festk�rperchemie auf-gefallen sind, stellen sich dem enormenAnspruch, eine breit anwendbare Be-schreibung der chemischen Bindungallgemein verst%ndlich darzustellen.Dieses Buch umfasst acht Kapitel sowieeinen Anhang, und der Text ist durch-setzt mit Fragen, Aufgaben und 2bun-gen aller Art, die dem Zuh�rer undLeser keine Passivit%t gestatten. T. P.Fehlner, J.-F. Halet und J.-Y. Saillardverwenden Konzepte, die in der Mole-k lchemie akzeptiert sind, und bertra-gen sie auf Ausschnitte von Festk�rpern.
Wie nebenbei sollen hierbei auch dieBed rfnisse von „Forschern des großenGebiets der Nanochemie“ befriedigtwerden, ist doch ein Nanoteilchen nichtsanderes als ein großer Cluster oder einkleiner Festk�rper (auf das aber leidernicht notwendigerweise die Beschrei-bungen des Molek ls oder des Festk�r-pers passen).
Ein großer Anspruch also, der sorg-f%ltig angegangen wird. Nichts kanndiesen Anspruch besser verdeutlichen,als der Versuch einer Inhaltsangabe desersten Kapitels, der Einleitung: Sief%ngt mit Molek lorbitalen und demH2-Molek l an, wie man es erwarten w rde,aber schon nach etwa vier Seiten werdendie Leser (Studierende im Grund- undHauptstudium) aufgefordert, selbstMO-Darstellungen zu skizzieren unterVerwendung tabellarisch angegebenerEigenwerte f r ein hypothetisches B2-Molek l, sie lernen Mulliken-2berlap-pungspopulationen kennen, Grenzorbi-tale und MO-Diagramme f r polyato-mare Molek le. F r die Anwendung desHoffmannschen Fragment-Ansatzes zurBehandlung von Molek len wie P3H5
wird auf den Anhang verwiesen („ifnecessary“). Ich kann mir tats%chlichvorstellen, dass viele Leser es notwendigfinden werden, den Anhang zu Rate zuziehen. Ebenfalls noch in der Einleitungerlernt man die qualitative Darstellungvon MO-Diagrammen von Koordinati-onsverbindungen wie Cr(CO)6, [Co-(NH3)6]3+ und – in einer der einge-streuten Aufgaben – die Behandlungvon Koordinationsverbindungen mitC2H4 als Liganden. Außerdem wird dieMehrzentrenbindung eingef hrt (Bei-spiel Diboran), Elektronenabz%hlregelnwerden auf den Pr fstand gebracht, wienebenbei Jahn-Teller-Instabilit%ten ein-geordnet, und die Leser ben rasch anhypervalentem Xenondifluorid die Dis-kussion der Achtelektronen-Regel. DieEinleitung endet mit dem Abschnitt„Warum z%hlen?“. Ich berlasse es demdurch diese Rezension hoffentlich neu-gierig gewordenen Lesern, hierauf dieAntwort zu finden.
Kapitel 2 widmet sich Hauptgrup-penelementclustern. Adamantan,R4Ge4, R4Ga4 und B4Cl4 werden ge-streift, bevor „Deltaeder“ zum Themawerden. Die bindungstheoretische Be-schreibung der closo-Hydroborate,nido- und arachno-Borane ist gr ndlich
und zugleich sehr dicht. Man merkt denAutoren die große Vertrautheit mit demThema an. Allein dieses Kapitel recht-fertigt die Buchempfehlung an Studie-rende, egal welchen Semesters. Esschließt eine bestehende L cke zwi-schen konventionellen Lehrb chern deranorganischen Chemie, in denen f rmanchen z.B. der Nutzen der meist eherschematisch eingef hrten Wade-Regelnim Dunkeln bleibt, und der Prim%rlite-ratur, die von der breiten Studenten-schaft nicht notwendigerweise konsul-tiert wird. Allerdings ist auch hier dasTempo wieder rasant, und die Autorenwerden gegen Ende des Kapitels de-tailverliebter, als es n�tig w%re. Dasletzte Unterkapitel hingegen ist knapp:die erfolgreiche 2bertragung des ancloso-Hydroboraten ge bten „Wade-Z%hlens“ auf die Struktur des elemen-taren, a-rhomboedrischen Bors ist bli-cherweise das, was diejenigen, die einemdurch die Vorlesung/das Kapitel folgenkonnten, am meisten fasziniert, ihnenein „Aha-Erlebnis“ verschafft. AuchFehlner et al. widmen diesem Beispielein paar Zeilen, unter Verweis auf denAnhang. Hier h%tte ich mir eine enthu-siastischere Referenz an den Titel desBuchs, den Br ckenschlag zum Fest-k�rper, gew nscht.
Im dritten Kapitel stehen 2ber-gangsmetallcluster im Mittelpunkt. DieFakten und Konzepte werden %hnlichkondensiert und konzentriert dargebo-ten wie zuvor, und wieder gibt es zahl-reiche Aufgaben, an denen man sichmessen kann. Mit Element-%hnlichen,sehr großen Clustern leiten die Autorenam Ende des Kapitels zu nanoskaligenTeilchen ber. Dieses Unterkapitel gibteinen guten ersten Einblick in „nano-spezifische“ Aspekte (Einfluss derOberfl%che, Charakterisierungsmetho-den etc.) und liefert wichtige Stich-punkte sowie Literaturangaben zumWeiterlesen.
Hauptgruppen- und 2bergangsme-tallchemie kann miteinander verwobenwerden. Kapitel vier und f nf beschrei-ben verschiedene Herangehensweisenan die bindungstheoretische Behand-lung bekannter wie seltener Beispiel-verbindungen. Der rote Faden ist derwiederholte Grenz bertritt zwischenklassischer 2bergangsmetall- und Clus-terchemie. Sichtweisen, die nur schein-bar miteinander konkurrieren, werden
B�cher
8902 * 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2008, 120, 8902 – 8903
zueinander ins Verh%ltnis gesetzt unddazu genutzt, einen m�glich breiten2berblick ber die anorganische Mole-k lchemie zu erhalten.
Im sechsten Kapitel folgt der mitSpannung erwartete „2bergang zumfesten Zustand“. [Al69R18]3� ist der ge-w%hlte Ausgangspunkt, und die interes-sante Frage, ab wann ein Teilchen ausMetallatomen ein Metall ist, wird ge-streift. Sie verbirgt sich hinter der Dis-kussion, ob es die Oberfl%che oder die„Bulkphase“ ist, die die Eigenschaftenbestimmt. Ist die Energie solcher Teil-chen unterschiedlich f r verschiedenegeometrische Formen? Hier schiebendie Autoren eine kurze Nachhilfestundezum Thema „Dichte Kugelpackungenund ihre L cken“ sowie „Periodizit%t“ein, die ich in den Anhang verbannth%tte. Der nun folgende Komplexit%ts-sprung zur Einf hrung von H ckel-Rechnungen, Bandstrukturen, Zu-standsdichten, COOPs etc. ist gewaltig,ein lohnendes Wiedersehen f r diejeni-gen, die mit Roald Hoffmanns A Che-mist�s View of Bonding in ExtendedStructures aufgewachsen sind, aber si-cherlich eine Herausforderung f r dieangesprochenen Studierenden. Diesejedoch werden die M he zu sch%tzen
wissen, wenn sie am Ende des Kapitelsdie Diskussion der Zustandsdichtedia-gramme f r Aluminium, Nickel, Gra-phit und Diamant nicht nur lesen, son-dern verstehen. Einzig der Sinn und diePositionierung des eingeschobenen Un-terkapitels „Komplexe, periodischeEinheiten“ ist nicht nachzuvollziehen.
Beispiele folgen in Kapitel sieben,das den Weg vom Molek l zum ausge-dehnten Festk�rper illustriert. Intersti-tielle Kohlenstoffatome in Komplexenund Metallcarbiden werden diskutiert.Die bereits eingef hrten closo-Hydro-borate werden mit polyedrischen Ein-heiten in borreichen Verbindungen ver-glichen. Weitere sehr interessantePunkte sind: Fullerene/Kohlenstoff-Na-nor�hren, tern%re Hydride = Hydrido-metallate (hier irritiert die Beschrei-bung der CaF2-Struktur, in der verse-hentlich die H%lfte der Tetraederl ckeneiner kubisch dichten Ca-Packung un-besetzt bleibt) und Cluster in Chevrel-Phasen. Letztere werden als „Regelver-letzer“ diskutiert: Lesen Sie selbst,warum!
In Kapitel acht ist nicht l%nger diekonzeptionelle Beschreibung der elek-tronischen Situation von Atomverb n-den das Ziel, jetzt machen die Autoren
Vorschl%ge zur Synthese von neuenfesten Phasen, ausgehend von moleku-laren Precursorverbindungen. Auch hierfinden die Leser wieder viele spannendeBeispiele, in dieser Kombination ineinem Lehrbuch sicher einzigartig.Borcarbid (dessen Struktur sich aller-dings nicht von b-, sondern von a-rhomboedrischem Bor ableitet) undmetallische Gl%ser auf Fe-B-Basis sindsynthetisch, materialwissenschaftlichund theoretisch außerordentlich reiz-volle Systeme, die kein anderes Lehr-buch der anorganischen Chemie soaufbereitet. Ein sch�nes, vergleichswei-se „anfassbares“ Ende f r ein intellek-tuell anspruchsvolles Buch, das nachAussage der Autoren f r Studierendegeschrieben wurde, aber sicherlich f rjeden von uns Interessantes bereit h%lt –und einen Bogen schl%gt vom Molek lzum Festk�rper!
Barbara AlbertEduard-Zintl-Institut f4r Anorganischeund Physikalische Chemie, TechnischeUniversit8t Darmstadt
DOI: 10.1002/ange.200785625
AngewandteChemie
8903Angew. Chem. 2008, 120, 8902 – 8903 * 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de