molekularbiologie als wissenschaftliche grundlage aller lebenserscheinungen

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4 Kollold-Zeltschrifl und Zeltschrifl fiir Polymere, Band 197. Heft 1-2 saal des GroBen Kurhauses des Staatsbades Oeynhausen. Beginn: 15.22 Uhr. Vorsitzender: Herr H. Erbring. 1. Vortrag des Herrn H. Determann-Frankfurt: Stoff- trennung auf Grund yon Molekulargewichtsunter- schiedendurch Chromatographie an porOsenMateria- lien (S. 135). Aussprache: die Herren K. Jiickel, G. Beier, P. Part, I. Engel, W. Funke, G. A. M. Alberdingk Th]m, R. K6hler, H. Zahn. 2. Vortrag von Frau E. H. Lucassen.Reynders-Vlaar- dingen: Stabflisierungyon Wasser-in-(~l-Emulsionen gegen Koaleszenz (S. 137). Ausspraehe: die Herren H. Lange, H. Schuller, J. Knoke 16.45 Uhr: Die Tei]nehmer treffen sich zu einer Tasse Kaffee im Foyer des Kursaales. 3. Vortrag des Herrn K. J~ickel-Ludwigshafen/Rhein: l~ber Funktionen des Schutzkolloids (S. 143). Aussprache: die Herren R. KShler, H. Lunge, F. H. Miiller, G. Angerer. 4. Vortrag des Herrn G. Fernandez-Santiago: Unter- suchung monomolekularer Filme yon Korks~uren (Phellons/~ure, Phellogens/~ure, Phloions/~ure und Phloinols/s (S. 151). Aussprache: Herr D. Eley. 5. Vortrag des Herrn R. Krleza-Sarajevo: Gegenseitige Floekung yon Aluminiumhydroxid-, Eisenhydroxid- und Kiesels/s (S. 154). Aussprache: Herr P. Koppe. Schlul] der Sitzung: 18.40 Uhr. Anwesend : etwa 90 Personen. AbsehluBabend mit gemeinsamem Abend- essen im GroSen Kurhaus. Polymere Aus dem Max-Planck-Institut /fir Biologie, Tiibingen Molekularbiologie als wissenschaftliche Grundlage aller Lebenserscheinungen*) Won W. Autonome Zellen, z. B. Bakterien, sind die einfachsten als belebt zu betrachtenden Sy- sterne. Ihre Komponenten sind nur noch Stoffe, die naeh chemischen Gesetzm~l]ig- keiten reagieren, und die Belebtheit solcher Systeme kommt letzlieh allein darin zum Ausdruek, dab sie unaufhSrlich mehr und mehr yon ihren eigenen stofflichen Kompo- nenten aus sehr einfachen ehemischen Ver- bindungen synthetisieren. Damit ist das Ph/~nomen der Belebtheit auf die kfirzest mSgliehe Formel gebraeht und das eigent- liehe Problem pr/~zisiert : Welche Typen yon Molekfilen sind auszuw/~hlen und wie mfissen sie zusammenspielen, damit als Endeffekt niehts anderes dabei herauskommt, als dab immer weitere Exemplare yon allen beteilig- ten Molekfiltypen produziert werden ? Die Molekularbiologie hat dieses Kern- problem gelSst, ohne es yon Anfang an ganz klar zu erkennen. Der Weg ffihrte sie fiber die LSsung yon unmittelbarer zugs Teilproblemen dazu, schlieglich die Wissen- schaft yon den rationalen Grundlagen der gesamten Biologie zu werden. Am Anfang dieses Weges stand die Er- kenntnis, dab alle (stets in Einzelschritten vollzogenen) ehemisehen Umsetzungen in Weidel (Eingegangen am 22. November 1963) lebenden Systemen die Beteiligung yon hoch- spezifisehen Katalysatoren verlangen, die samt und sonders Proteinmolekfile sind. Das System mul~ also im wesentlichen aus einer groSen Zahl yon Proteinmolektilen verschie- dener Konfiguration und deshalb versehie- dener katalytiseher Spezifit~t bestehen. Man nennt sie bekanntlich Enzyme. Wtirde nun jedes dieser Enzyme, ganz so wie zahlreiehe andere Stoffe, die jede Zelle synthetisiert, zu seiner Herstellung aus ir- gendeinem Vorprodukt der Hilfe eines be- sonderen, nur diesen speziellen l~eaktions- sehritt katalysierenden Enzyms bedfirfen, dann mfiBte die Herstellung aller dieser Spezialenzyme abermals einen Satz yon be- sonderen Enzymen erfordern - und so fort ad infinitum. Mit einer endlichen Zahl verschie- dener Enzyme auszukommen, um nur diese sich gegenseitig immerfort aufbauen zu lassen, ist daher unter den angegebenen Bedingun- gen unm5glich. In die Synthesewege des Systems mu$ eine Art KurzsehluB eingefiihrt werden, der es gestattet, die Anzahl der zu- sammenspielenden molekularen Partner re- lativ klein zu halten und sie dennoch die be- *) Kurzfassung.

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4 Kollold-Zeltschrifl und Zeltschrifl fiir Polymere, Band 197. Heft 1-2

saal des GroBen Kurhauses des Staatsbades Oeynhausen.

Beginn: 15.22 Uhr. Vorsitzender: Herr H . Erbr ing .

1. Vortrag des Herrn H. Determann-Frankfurt: Stoff- trennung auf Grund yon Molekulargewichtsunter- schieden durch Chromatographie an porOsen Materia- lien (S. 135). Aussprache: die Herren K. Jiickel, G. Beier, P. Part, I. Engel, W. Funke, G. A. M. Alberdingk Th]m, R. K6hler, H. Zahn.

2. Vortrag von Frau E. H. Lucassen.Reynders-Vlaar- dingen: Stabflisierung yon Wasser-in-(~l-Emulsionen gegen Koaleszenz (S. 137). Ausspraehe: die Herren H. Lange, H. Schuller, J. Knoke

16.45 Uhr: Die Tei]nehmer treffen sich zu einer Tasse Kaffee im Foyer des Kursaales.

3. Vortrag des Herrn K. J~ickel-Ludwigshafen/Rhein: l~ber Funktionen des Schutzkolloids (S. 143). Aussprache: die Herren R. KShler, H. Lunge, F. H. Miiller, G. Angerer.

4. Vortrag des Herrn G. Fernandez-Santiago: Unter- suchung monomolekularer Filme yon Korks~uren (Phellons/~ure, Phellogens/~ure, Phloions/~ure und Phloinols/s (S. 151). Aussprache: Herr D. Eley.

5. Vortrag des Herrn R. Krleza-Sarajevo: Gegenseitige Floekung yon Aluminiumhydroxid-, Eisenhydroxid- und Kiesels/s (S. 154). Aussprache: Herr P. Koppe.

Schlul] der Sitzung: 18.40 Uhr. Anwesend : etwa 90 Personen.

AbsehluBabend mit gemeinsamem Abend- essen im GroSen Kurhaus.

Polymere Aus dem Max-Planck-Institut /fir Biologie, Tiibingen

Molekularbiologie als wissenschaftliche Grundlage aller Lebenserscheinungen*)

Won W.

Autonome Zellen, z. B. Bakterien, sind die einfachsten als belebt zu betrachtenden Sy- sterne. Ihre Komponenten sind nur noch Stoffe, die naeh chemischen Gesetzm~l]ig- keiten reagieren, und die Belebtheit solcher Systeme kommt letzlieh allein darin zum Ausdruek, dab sie unaufhSrlich mehr und mehr yon ihren eigenen stofflichen Kompo- nenten aus sehr einfachen ehemischen Ver- bindungen synthetisieren. Damit ist das Ph/~nomen der Belebtheit auf die kfirzest mSgliehe Formel gebraeht und das eigent- liehe Problem pr/~zisiert : Welche Typen yon Molekfilen sind auszuw/~hlen und wie mfissen sie zusammenspielen, damit als Endeffekt niehts anderes dabei herauskommt, als dab immer weitere Exemplare yon allen beteilig- ten Molekfiltypen produziert werden ?

Die Molekularbiologie hat dieses Kern- problem gelSst, ohne es yon Anfang an ganz klar zu erkennen. Der Weg ffihrte sie fiber die LSsung yon unmittelbarer zugs Teilproblemen dazu, schlieglich die Wissen- schaft yon den rationalen Grundlagen der gesamten Biologie zu werden.

Am Anfang dieses Weges stand die Er- kenntnis, dab alle (stets in Einzelschritten vollzogenen) ehemisehen Umsetzungen in

W e i d e l (Eingegangen am 22. November 1963)

lebenden Systemen die Beteiligung yon hoch- spezifisehen Katalysatoren verlangen, die samt und sonders Proteinmolekfile sind. Das System mul~ also im wesentlichen aus einer groSen Zahl yon Proteinmolektilen verschie- dener Konfiguration und deshalb versehie- dener katalytiseher Spezifit~t bestehen. Man nennt sie bekanntlich Enzyme.

Wtirde nun jedes dieser Enzyme, ganz so wie zahlreiehe andere Stoffe, die jede Zelle synthetisiert, zu seiner Herstellung aus ir- gendeinem Vorprodukt der Hilfe eines be- sonderen, nur diesen speziellen l~eaktions- sehritt katalysierenden Enzyms bedfirfen, dann mfiBte die Herstellung aller dieser Spezialenzyme abermals einen Satz yon be- sonderen Enzymen erfordern - und so fort ad infinitum. Mit einer endlichen Zahl verschie- dener Enzyme auszukommen, um nur diese sich gegenseitig immerfort aufbauen zu lassen, ist daher unter den angegebenen Bedingun- gen unm5glich. In die Synthesewege des Systems mu$ eine Art KurzsehluB eingefiihrt werden, der es gestattet, die Anzahl der zu- sammenspielenden molekularen Partner re- lativ klein zu halten und sie dennoch die be-

*) Kurzfassung.

Weidel, Molekularbiologie als wissenschaftliche Grundlage aller Lebenserscheinungen 5

schriebene Autonomie des Ganzen zuwege- bringen zu lassen.

Die einfachste DenkmSglichkeit ffir den als notwendig erkannten Kurzschlug bietet sich an in dem Postulat, Proteinmolekfile seien imstande, Kopien yon sich selbst vollkom- men unter eigener Regie anzufertigen. Die entseheidend wichtigen Prim~rstrukturen aller Proteinmolekfile sind Polypeptidketten, in denen die Aminosi/uren in genau festge- legter, ffir jeden Proteintyp charakteristi- scher Sequenz aufeinanderfolgen. Um dem Postulat zu geniigen, mfiBten Polypeptidket- ten in der Lage sein, freie Aminos/iuren in der gleichen Reihenfolge anzulagern, in der die Aminos/iurereste in ihnen selbst aufein- anderfolgen. Dann w/ire nicht mehr als ein Enzym nStig, mn an beliebige Polypeptid- ketten angelagerte Aminos/~uren unterein- ander zu einer neuen Kette, dem Abbild der als Muster dienenden, zu verknfipfen. Ein biosynthetiseh autonomes, d .h . alle seine stofflichen Komponenten gleichm/ii~ig ver- mehrendes und damit die primitivste Lebens- stufe bereits erreichendes System w/ire unter diesen Umst/mden leicht zusammenzustellen. Man brauchte nur die paar hundert Enzyme in einen Dialysierschlauch zu geben, die nStig sind, um aus Zueker, Phosphat, Sulfat und Nitrat jene 20 am Aufbau yon Proteinen beteiligten Aminos/iuren zu synthetisieren und den Dialysierschlaueh in eine LSsung der genannten ,,N/ihrstoffe" zu h/~ngen. Dann wfirden alle Enzyme in gemeinsamer Arbeit ihre eigenen Bausteine, die Aminos/iuren, fortlaufend herstellen und sie auch fortlau- fend ]edes /~r sich zum Zweeke der Selbst- kopierung verbrauehen, natfirlich unter Mit- hilfe eines besonderen Enzyms zur Verket- tung yon Aminos/iuren. Es w/ire durehaus an- gemessen, in schlicht biologischer Terminolo- gie zu erkl~ren : das ganze System (zusammen- spielender Molektile) ,,w/ichst" wie etwas ,,Lebendiges".

Polypeptidketten verffigen jedoeh nieht tiber die postulierte, direkt zum Kurzschluf~ ftihrende Eigensehaft, als ihr eigenes Vor- lagemnuster zur Herstellung yon Kopien dienen zu k6nnen. Also b]eibt nur ein (naeh- tr/iglieh) klar erkennbarer Ausweg' es mui~ ein Molektiltyp in das System eingefiihrt werden, dessen Strukturprinzip nun gleich zweierlei Anforderungen genfigt: erstens muB er sieh zu brauehbaren Vorlagen ffir die Her- stellung beliebiger Polypeptidketten formen lassen, also definierte Aminos/~uresequen- zen z. B. durch definierte Sequenzen seiner eigenen Bauelemente auszudriicken gestat-

ten. Zweitens muB dieser Molekfiltyp, ganz gleich, inwelcher speziellen Sequenzkonfigura- tion er vorliegt, gerade das kSnnen, was Poly- peptidketten verwehrt ist, n/imlich die Her- stellung exakter Kopien yon sich selbst in eigener Regie zu vollbringen. Dann ist der Kurzschlug fiber einen kleinen Umweg den- noch installiert.

DaB es den erforderlichen Molekfiltyp tat- ss gibt und dab er unter dem Namen Nucleinsi~ure schon seit hundert Jahren be- kannt ist, daf t wohl als die erstaunlichste Entdeckung der Molekularbiologie gelten. Nucleins/iuremolekfile mfissen in der vom Ex- periment best~tigten Rolle, die ihnen die eben angestellten Erw~gungen im Chemismus aller lebenden Systeme zuweisen, offensicht- lich s/~mtliche Eigenschaften besitzen, die die klassische Biologie einer ganz hypothetisch bleibenden ,,Erbsubstanz" zuzuschreiben pflegte. Als Vorlagen ffir Enzyme bestimmen sic ja fiber alle biosynthetischen M6gliehkei- ten der Zelle, die sie beherbergt, und die bei jeder Zellteilung an die Toehterzellen weiter- gereichten Kopien der Vorlagen ,,vererben" auf diese, was der Mutterzelle an M6glichkei- ten gegeben war. Spontane oder induzierte Ab/inderung vorhandener Vorlagen muB zu Ab/inderungen der danach hergestellten En- zymmolekfile ftihren und in Gestalt mehr oder weniger einschneidender Ver/inderungen der yon der betroffenen Zelle ausfiihrbaren Synthesen als fortan erbliche ,,Mutation" in Erscheinung treten. Einffihrung zus/itz- lieher Vorlagen in Zellen, die darfiber noch nicht verffigten, muB ihnen zus/itzliche Bio- synthesen ermSglichen und ihnen ebenso- wohl gestatten, die neuen F/ihigkeiten weiter- zuvererben usw.

Nach Aufdeckung dieser mehr allgemeinen Zusammenh/inge fiihrten molekularbiolo- gisehe Detailstudien innerhalb weniger Jahre zur K1/irung der wesentliehsten struktur- ehemischen Mechanismen, die Nueleins/~ure- molekfile fiir ihre Rolle geeignet machen. Sie seien im folgenden nur noch angedeutet, da man sie derzeit an vielen Orten besehrieben finder, nicht dagegen das zentrale Konstruk- tionsprinzip, naeh dem ]ebende Systeme lo- giseherweise gebaut sein mfissen, und dessen Deduktion den Sinn der Detailmechanismen erst wirklich verst/indlich macht.

In allen Zellen sind zweistr~ngige Desoxyri- bonucleins/~uremolekfile (DNS) mit ganz be- stimmter Nueleotidsequenz die vererblichen ,,Vorlagen". Ihre F/ihigkeit zur Selbstkopie- rung beruht auf dem Mechanismus der kom- plementiiren ~Basenpaarung. Er operiert mit

6 KoUoid.Zeitschrifl und Zeitschrift fi~r Polymere, Band 197 �9 Heft 1-2

Wassers toffbindungen, die aus den vier ver- schiedenen Nucleot iden der DNS nur zwei stabile Paare zu bilden gestat ten, und wird im tibrigen als bekann t vorausgesetzt . DNS dient jedoch nicht unmit te lbar als Vorlage zur Herstel lung yon Polypept idke t ten . Vielmehr wird zu diesem Zweck, wiederum mit Hilfe des Basenpaarungsmeehanismus , naeh Be- dar f eine Umkop i e rung der Nucleot idsequenz des einen yon zwei gepaar ten DNS-Str i ingen auf einstri~ngige Ribonueleinsgure (sog. mes- senger-RNS) vorgenommen. Eine aus nur vier verschiedenen Nucleot iden gebildete Se- quenz kann nun aber keinesfalls direkt eine bes t immte AminosKuresequenz widerspie- geln, da es insgesamt 20 verschiedene Amino- sKuren gibt. Eine eindeutige Zuordnung er- fordert , daft jede Aminos/~ure durch eine fest- gelegte Kombina t i on aus mindestens drei aufeinanderfolgenden Nucleot iden symboli- siert wird. 20 versehiedenen Aminos/~uren mfissen also 20 versehieden zusammenge- setzte Nueleot id-Triplet ts entspreehen (gene- tiseher Code). Eine bes t immte Aminosdiure- sequenz wird daher im Nucleot ids t rang durch eine bes t immte Triple t tsequenz eodifiziert. Die direkte Anlazerung yon Aminos/~uren an ihre Triplet ts i~ der eben erw~hnten RNS- Spezialkopie k o m m t mangels spezifiseher Bin- dungskr~fte jedoeh nieht in Betracht . Jede Zelle muft deshalb 20 versehiedene Typen yon Adaptermolek~den (sog. t ransfer-RNS) bereit- halten. Jedes yon ihnen t rggt am einen Ende t in bes t immtes Nueleotid-Triplet t , w/ihrend au f sein anderes Ende nur ein Typ der 20 ver- schiedenen Typen yon Aminosguren ,,paint". Die Adaptermolekfi le mit da ranhgngender Aminosgure k5nnen nun durch ihre eigenen, dem , ,W6r te rbueh" des genetischen Code entsprechenden Tripletts, zum dr i t tenmal un te r Ausnu tzung des Basenpaarungsme- chanismus, yon den dazu komplement/ i ren Triplet ts der RNS-Spezialkopie gebunden werden, wodurch sich die verschiedenen Aminosiiuren in genau der Reihenfolge auf- f~deln, die die Triplet tsequenz des RNS- Fadens vorschreibt . Es bleibt dann nur noch fibrig, die fiber ihre Adap te r am messenger- g N S - F a d e n aufgereihten Aminosguren pep- tidiseh untere inander zu verkni ipfen und sie yon den Adap te rn zu ]Ssen, dann ist die genau nach Vorlage hergestellte Po lypep t idke t t e fer- rig. Das daffir n6tige E n z y m s y s t e m befindet sieh in besonderen, Ribosomen genann ten Zellpartikeln. Die freigewordenen Adapte r s tehen ffir Neubeladung mit Aminoss und erneute Einbeziehung in einen Transskrip- tionsprozeft jederzeit wieder zur Verffigung.

Das molekulare Zusammenspiel ist also, noch etwas umst/~ndlieher zwar als vorherge- sehen, zum Kreis des biosynthet isch auto- nomen Systems geschlossen, womit a posteri- ori als realisierbar und realisiert e rkannt ist, was man sich als logisch evidentes Kon- s t rukt ionsprinzip lebender Systeme eigent- lieh sehon sehr vie1 frfiher h/itte k larmaehen kSnnen.

Ansehrift des Verfassers:

Prof. Dr. W. Weidel, Max.Planck-Institut ftir Biologic, Tfibingen

Diskussion

G. Kanig (Ludwigshafen): Wie dick sind die W/~nde der iibrigbleibenden

,,Beutel" nach dem Abbau der Salmonellen-Zellwand?

W. Weidel (Tiibingen) : Bei Salmonellen und anderen Gram-negativen

Bakterien scheint das beutelf6rmige Makromolekiil der Zellwand (Murein-Sacculus) aus einer einschichtigen, in sieh selbst geschlossenen Netzebene yon Murein zu bestehen. Die Sacculi von Gram-positiven haben eine erheblich gr6Bere Wandsts so dab hier mehrerc solcher Netzebenen iibereinander liegen diirften.

W. Funke (Stuttgart): Ist es bekannt, ob dieses zweidimensionale Netzwerk,

fiir das Sie einen sehr regelmaltigen Bau angegeben haben, bei seiner Entstehung dem ZellinhaR nur geo- metrisch angepa•t wird, oder ob seine Ausbildung durch den als Substrat dienenden Zellinhalt selbst geregelt und gesteuert wird?

W. Weidel (Tiibingen) : Die Zelle selbst steuert die Form ihres Murein-

Sa,ceulus. Man kann ihn in einer z. B. st/~bchenf6rmigen Zelle durch bestimmte Eingriffe in vivo zerst6ren, wor- auf sich die Zelle zu einer Kugel abrundet. L/~ftt man sie jetzt einen neuen Sacculus synthetisieren, so gibt sie diesem sofort die normale, langgestreckte Form und wird so alsbald wieder zum St/ibchen. Wir hoffen, hier erstmals ein brauchbares Modell zum Studium der Biochemie der Morphogenese gefunden zu haben. Ich daft erw~hnen, dab eine eingehende Diskussion aller bisher bekannten Daten fiber die Murein-Saeeuli yon Bakterien im ngehsten Band der ,,Advances in En- zymology" erseheinen wlrd.

F. H. Miiller (Marburg/Lahn): Geniigt es, eine Replikations~.6glichkeit yon Mole-

kiilen zu schaffen, um das Lel~en zu erkl~ren? Sie sprachen von Regulationsprozessen. Diese miit]ten dann dafiir sorgen, daft in immer komplizierteren Systemen der 13bergang vom Virus zum Bakterium und schlieftlich zu h6her organisiertem Leben zustande gekommen ist. Wo liegt dann die Grenze zwischen noch unbelebter und belebter Materie?

W. Weidel (Tiibingen) : ,,Das Leben" ist eine fiir rationale Erkl~rungen un-

geeignete, weil allzu leere Abstraktion. Man kann nur reale Systeme aus dem Bereich des Lebendigen erkli~ren wollen. Die Molekularbiologie hat sich der einfaehsten unter ihnen angenommen und zu zeigen vermocht, dab es relativ einfache, molekulare Mechanismen sind, die ihr bisher stets r~tselhaft gebliebenes Funktionieren

Engel und Beier, Die Riickbildung der Sekund~ir- und Tertffirstruktur denaturierter Eiwei[3molekiile 7

ermSglichen. Die charakteristischen, als ,,Belebtheit" imponierenden Eigenschaften solcher Systeme werden, wie geschfldert, hervorgerufen durch ein vorwiegend strukturchemisch gesteuertes, dynamisches Zuammen- spiel zwischen bestimmten Molekiiltypen, die voll- z/~hlig nur in autonomen Zellen, aber nicht mehr unter- halb dieser Organisationsstufe, also z. B. in Virus- teilchen, zu finden sind. Jede Realisierung dieser Art

yon Zusammenspiel erfordert selbstverst/mdlich Ma- terie, nirgendwo jedoch ,,belebte" Materie. Einen Unterschied zwischen belebter und unbelebter Materie zu vermuten, ist angesiehts der neuen molekular- biologischen Erkenntnisse nicht mehr sinnvoll, oder jedenfalls nicht sinnvoller als die Vermutung, laufende Motoren bestiinden aus laufender Materie, abgestellte Motoren hingegen aus abgestellter.

Aus dem Max-Planck-Institut /iir Eiwei/3- und Leder[or~chunq, Mi~nchen

Die Riickbildung der Sekund/ir- und Terti/irstruktur denaturierter EiweiBmolekiile

Von J~trgen Engel und Gundol/ Beier

Mit 4 Abbildungen in 11 Einzeldarslellungen

l, Einleitung Schon in frtihen Untersuehungen an En-

zymen [z. B. an Trypsin (1) und Chymo- trypsin bzw. Chymotrypsinogen (2)] war be- merkt worden, dab deren Denaturierung durch Harnstoffeinwirkung, p~-Ver/mderung oder W/rune in einigen F/illen reversibel war, wobei unter Denaturierung im Falle eines Enzyms zun/iehst der Verlust der enzyma- tisehen Aktivit/it verstanden wurde. Mit anderen Worten: Die enzymatische Aktivit/it kehrte zumindest teilweise und langsam wieder zuriiek, naehdem das denaturierende Agens entfernt worden war oder die LSsung unter die Denaturierungstemperatur abge- kiihlt wurde. Es wurde vermutet, dab die De- und Renaturierung einer ZerstSrung und Rtickbildung der EiweiBstruktur gleiehzu- setzen ist.

In der darauffolgenden Zeit hat man in vielen Beispielen die ZerstSrung der iiber- geordneten Eiweigstruktur - die Denaturie- rung - mit den teilweise erst neu entwiekelten Methoden, die auf Xnderungen der Gestalt oder der inneren sterisehen Anordnung emp- findlieh sind, verfolgt und die obige An- schauung voll best/~tigt. Derartige Megmetho- den, die Form//nderungen in LSsungen an- zeigen, sind z. B. Viskosit/~t (3), Ultrazentri- fugenmessungen (4), Liehtstreuung (5) u. a. ; 2~nderungen der inneren Ordnung der Mole- kale kSnnen dureh optisehe Drehung (6, 7), Dispersion der optisehen Drehung (6, 7), Fluoreszenz- (8) und UV-Spektroskopie (9) verfolgt werden.

Die waehsenden, meist aus RSntgenunter- suehungen (10) stammenden Kenntnisse tiber die Struktur der Eiweigmolektile im nativen Zustand untersttitzten die Interpretation sol-

(Eingegangen am 26. November 1963)

eher Denaturierungs- und sp/~ter auch der Renaturierungsuntersuchungen. So kennt man einige oft wiederkehrende Strukturen, wie die Paulingsche a-Helix (l l) und die Faltblatt- bzw./%Struktur (12). Beide kBn- nen abet auch gleichzeitig in einem Molekiil vorkommen (13), Uberg/inge bilden oder durch vBllig andere Strukturen ersetzt werden (14). Dabei bezeichnet man die erste Faltung der Polypeptidkette (deren Aminos/iuresequenz als Prim/~rstruktur bezeichnet wird), ..z.B. in eine a-Helix, als Sekund//rstruktur. Uber- geordnete Faltungen, z. B. dieser Helix inner- halb eines Molekiils, werden Terti/~rstruktur, geordnete Zusammenlagerungen mehrerer Molekiile Quartern/~rstruktur genannt.

Man kennt prinzipiell die Kr/ffte und Weehselwirkungen, die die Eiweigstrukturen stabilisieren. Es sind haupts/~chlieh Wasser- stoffbrtickenbindungen (15) und hydrophobe Weehselwirkungen (16), die die Bildung der Sekund/ir- und Terti/~rstruktur verursaehen, wobei bei letzterer oft die hydrophoben Bin- dungen tiberwiegen und zus/itzlieh noeh ste- rischen Behinderungen (z. B. durch sperrige Prolinringe) far die Faltung bedeutungsvoll werden. Auch kovMente Verbriickungen zwi- sehen verschiedenen Teilen der Polypeptid- kette (meist S-S-Briicken) kSnnen fiir eine Faltung mitverantwortlieh sein (17), obwohl deren Bedeutung wohl oft iibersch/itzt wurde.

Da bei Denaturierungen immer ein hoehge- ordneter ,,unwahrscheinlieher" Zustand in einen ungeordneten mehr statistisehen tiber- geht, verlaufen diese Vorg//nge mit extrem hohem Entropiegewinn (bis zu 500 e.u.). Viel- leicht aus dem Gedanken heraus, dab ein Vor- gang mit so hoher, beim Zuriicklaufen jetzt negativer Entropie/~nderung nieht von selbst