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Molekulargenetik im Zusammenhang mit dem Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmern und Antikoa-gulantien: Hilfreich bei der Therapieentscheidung?
PD DR. BERTHOLD HOPPE
FACHBEREICH LABORATORIUMSMEDIZIN & TOXIKOLOGIE,
LABOR BERLIN – CHARITÉ VIVANTES GMBH
INSTITUT FÜR LABORATORIUMSMEDIZIN UND PATHOBIOCHEMIE,
CHARITÉ – UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN
Die Pharmakogenetik wird als eine wesentliche Komponente der personalisierten
Medizin aufgefasst und in diesem Zusammenhang viel diskutiert. Hinsichtlich
gerinnungshemmend wirkender Medikamente wird derzeit lediglich für das
Clopidogrel und die Gruppe der Vitamin-K-Antagonisten eine wesentliche phar-
makogenetische Beeinflussung beschrieben. In diesem Artikel wird der aktuelle
Kenntnisstand zu diesem Themenkomplex dargestellt.
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Pharmakogenetik
Der Bereich der Pharmakogenetik
wurde vor mehr als einer Dekade als
ein wesentlicher Hautpfeiler der per-
sonalisierten Medizin beschrieben,
und es wurde eine rasante Entwick-
lung des medizinischen Fortschritts
hierdurch vorausgesagt [Evans
1999]. Beispielsweise in Hinblick auf
Therapien im Bereich der Hämatolo-
gie/Onkologie ist die Pharmakogene-
tik zu einem wesentlichen Bestand-
teil des medizinischen Alltags ge-
worden. Betrachtet man die labor-
medizinische Diagnostik, sind aller-
dings bislang relativ wenige Biomar-
ker, beispielsweise TPMT bzw.
UGT1A1 vor Therapie mit Thiopuri-
nen bzw. Irinotecan, in die erweiterte
Routinediagnostik überführt worden.
Pharmakogenetik und Gerin-nungshemmer
Bislang sind lediglich beim P2Y12-
Hemmer Clopidogrel sowie bei den
Vitamin-K-Antagonisten – in der Lite-
ratur im Wesentlichen am Beispiel
des Warfarin diskutiert – relevante
pharmakogenetische Effekte be-
kannt. Dies schlägt sich in der aktuell
von der FDA geführten Auflistung der
pharmakogenetischen Biomarker
nieder, in der lediglich für diese bei-
den Pharmaka Einträge zur pharma-
kogenetischen Beeinflussung existie-
ren. Rein zahlenmäßig überwiegen
in der Literatur in diesem Zusam-
menhang die Publikationen zu
Warfarin. Auch wenn für beide Medi-
kamente die pharmakogenetische
Charakterisierung noch nicht Ein-
gang in die übliche medizinische
Praxis gefunden hat, erscheint die
Rationale für diese Diskrepanz zwi-
schen Empfehlung und Praxis in bei-
den Fällen unterschiedlich gut nach-
vollziehbar.
Pharmakogenetik der Vitamin-K- Antagonisten
Vitamin K ist von wesentlicher Be-
deutung bei der sogenannten γ-
Carboxylierung von Proteinen, durch
die beispielsweise die Gerinnungs-
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faktoren II, VII, IX und X erst ihre
physiologische Funktionsfähigkeit er-
halten. Durch den Einsatz von Vita-
min-K-Antagonisten wird ein wesent-
liches Enzym, der Vitamin-K- Epo-
xidreduktase-Komplex 1 (VKORC1),
in seiner Funktion beeinträchtigt, die
zur kontinuierlichen Regenerierung
von funktionstüchtigem Vitamin K
notwendig ist. Es resultiert eine Phä-
notyp der dem Vitamin-K-Mangel
vergleichbar ist. Die Vitamin-K-
Antagonisten werden durch Ver-
stoffwechselung durch Cytochrom
P450 metabolisiert und eliminiert
(Abb. 1) [Oldenburg 2007].
Abbildung 1: Vitamin-K-Antagonisten: Pharmakogenetik. Sowohl für VKORC1 als auch für das
involvierte Cytochrom P450,
CYP2C9, ist eine große Zahl an ge-
netischen Varianten bekannt, von
denen einige die Funktionsfähigkeit
deutlich beeinflussen. Beim CYP2C9
werden unter anderem die Allele *1,
*2 und 3 unterschieden, von denen
CYP2C9*1 das unbeeinträchtigt akti-
ve Allel darstellt, wohingegen
CYP2C9*2 und *3 mit einer deutlich
verminderten Aktivität einhergehen.
Träger dieser non-CYP2C9*1-Allele
weisen daher eine reduzierte Elimi-
nationsgeschwindigkeit und damit
eine prolongierte Medikamentenwir-
kung auf. Für das VKORC1 werden
zum Teil Genotypen beschrieben,
bei denen die Aktivität des Enzym-
komplexes reduziert ist. Bei den ent-
Abb. 1: Vitamin K Antagonisten – Pharmakogenetik
Vitamin K Antagonisten
�
Inaktive Metaboliten CYP2C9
Non-CYP2C9*1/*1: Verminderte Inaktivierung
VKORC1-Varianten: Erhöhte oder verminderte
VKA-Empfindlichkeit
Modifiziert nach Oldenburg J et al. J Thromb Haemost 2007; 5, s1: 1-6
VKORC1-abhängige γ-Carboxylierung
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sprechenden Personen kann im sel-
tenen Extremfall ein Bild resultieren,
das klinisch schwierig vom Bild eines
alimentären Vitamin-K-Mangels bzw.
einer Vergiftung mit einem Vitamin-
K-Antagonisten zu trennen ist. Beim
hochfrequenten VKORC1 -1639G>A
Genotyp wird eine beim G-Allel ver-
minderte Sensitivität des VKORC1
auf Vitamin-K-Antagonisten be-
schrieben.
Eine Vielzahl an Arbeiten belegt,
dass die Verwendung der beschrie-
benen genetischen Information zu
CYP2C9 und VKORC1 -1639G>A
bei der Planung der Therapie mit
Vitamin-K-Antagonisten Parameter
wie die „Time to therapeutic range“,
die „Time to stable INR“, „Percenta-
ge of time in the therapeutic range“
oder „Percentage of out-of-range
INR“, d.h. Kenngrößen, die den Zeit-
raum bis zum (stabilen) Erreichen
des Ziel-INRs charakterisieren, posi-
tiv beeinflusst. Ein Überblick hierzu
wird von Fung et al. gegeben [Fung
2012].
In einer Arbeit, der Medco-Mayo
Warfarin Effectiveness Study, wur-
den nicht diese intermediären Phä-
notypen, sondern der klinische End-
punkt der stationären Wiederauf-
nahme nach Beginn der Therapie mit
Warfarin untersucht [Epstein 2010].
Im Vergleich zu einer historischen
Kontrollgruppe ließ sich dem An-
schein nach durch Verwendung einer
pharmakogenetischen Charakterisie-
rung die Zahl der Hospitalisierungen
um ca. 30% senken (Figure 1 in Re-
ferenz Epstein 2010). Der positive
Effekt, der durch die Verwendung
der Pharmakogenetik in diesem Fall
beschrieben wurde, bezog sich so-
wohl auf die Gesamt-Hos-
pitalisierungsrate als auch auf die
durch Blutungen und Thromboembo-
lien verursachte.
Die Autoren zogen die Schlussfolge-
rung, dass eine „Warfarin-Geno-
typisierung“ einen großen, statistisch
signifikanten und klinisch bedeuten-
den Effekt bewirke und vor Beginn
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einer Warfarin-Therapie ernsthaft in
Erwägung zu ziehen sei.
Betrachtet man allerdings den Hin-
tergrund des Studienkonzepts ge-
nauer, so sind Zweifel an der Belast-
barkeit dieser Aussage angebracht
(Abb. 2). So bestand bei über 70%
der Patienten – all denjenigen, die
nicht die Kombination der häufigsten
Genotypen für VKORC1 bzw.
CYP2C9 aufwiesen – die Hand-
lungsempfehlung darin, entweder
gehäufte INR-Kontrolle in Erwägung
oder aber – im Fall der Kombination
des CYP2C9*1/*1 und des VKORC1
-1639 G/G Genotyps – eine höhere
Anfangsdosis des Warfarin in Be-
tracht zu ziehen und somit implizit,
den Behandlungsverlauf engmaschi-
ger zu überwachen.
Abbildung 2: Warfarin-Pharmakogenetik: Prozedere der Medca-Mayo Warfarin
Effectiveness Study. Führt höhere Vigilanz zu reduzierter Komplikationsrate?
Insofern mag bei der Interpretation
dieser Studie die Frage erlaubt sein,
ob die Verbesserung des klinischen
Verlaufs unter Warfarin-Therapie
1. This most common genotype is likely to exhibit normal response to warfarin.
2. […] less than normal sensitivity to warfarin. Warfarin dose increase may be required to maintain optimal INR.
3. […] mild sensitivity to warfarin. Frequent INR monitoring should be considered.
4. […] moderate sensitivity to warfarin. Warfarin dose decrease and frequent INR monitoring should be considered.
5. […] high sensitivity to warfarin. Warfarin dose decrease and frequent INR monitoring should be considered.
6. […] very high sensitivity to warfarin. Warfarin dose decrease and frequent INR monitoring should be considered.
7. […] very high sensitivity to warfarin. Warfarin dose decrease and frequent INR monitoring should be considered.
Abb. 3: Warfarin-Pharmakogenetik – Prozedere Medco-Mayo Warfarin Effectiveness Study
War
farin
-Em
pfin
dlic
hkei
t
VKORC1
CYP2C9
*1/*1 *1/*2 *1/*3 *2/*2 *2/*3 *3/*3
-1639 G/G 2 3 3 3 4 5
-1639 A/G 1 (29.2%) 4 4 4 5 6
-1639 A/A 4 5 6 6 6 7
Höhere Vigilanz reduziert Komplikationsrate?!
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durch eine entsprechende pharma-
kogenetische Charakterisierung tat-
sächlich auf diese Maßnahme selbst
zurückzuführen ist oder aber, ob die
Verbesserung nicht lediglich auf eine
erhöhte Vigilanz und eine erhöhte
Frequenz an INR-Kontrollen zurück-
geht. Interessanterweise, wird exakt
dieser Punkt, die Zahl der INR-
Kontrollen bzw. der ambulanten
Wiedervorstellungen, in der genann-
ten Arbeit ausdrücklich nicht ausge-
wiesen.
Bei der Überwachung einer Therapie
mit Vitamin-K-Antagonisten ist die
Orientierung an der INR ein integra-
ler Bestandteil. Diese Kontrollunter-
suchungen erlauben es, überschie-
ßende Reaktionen frühzeitig zu er-
kennen und entsprechend zu reagie-
ren. Auch in Hinblick auf Patienten,
die aufgrund ihrer Disposition höhere
Dosierungen des Vitamin-K-
Antagonisten benötigen, besteht we-
gen der bis zum stabilen Erreichen
der Ziel-INR überlappenden Thera-
pie mit Heparin bei ausreichend
aufmerksamer Therapiekontrolle kein
besonderes Risiko. Es scheinen da-
her Zweifel an der zwingenden Not-
wendigkeit einer routinemäßigen
pharmakogenetischen Diagnostik vor
Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten
angebracht zu sein.
Pharmakogenetik von Clopidogrel
Die Thrombozytenfunktionshem-
mung durch Clopidogrel, die bei ver-
schiedenen atherothrombotischen
Konstellationen nach wie vor zur
gängigen Praxis gehört, wird nicht
durch das Pharmakon selbst son-
dern durch aktive Metaboliten her-
vorgerufen, die im Rahmen der
Clopidogrel-Verstoffwechselung ge-
neriert werden. Diese Metabolisie-
rung ist stark von genetischen Vari-
anten einiger der beteiligten Proteine
abhängig (Abb. 3).
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Abbildung 3: Clopidogrel: Metabolische Aktivierung
Dies erscheint schon bei der ersten
Betrachtung im Vergleich zu den Vi-
tamin-K-Antagonisten von größerer
Bedeutung zu sein, da eine labordi-
agnostische Wirkungskontrolle bei
der Therapie mit Thrombozytenag-
gregationshemmern durchaus nicht
üblich ist.
Bereits 2006 wurde an gesunden
Probanden gezeigt, dass der Geno-
typ des CYP2C19 Einfluss auf das
Restniveau der Thrombozytenfunkti-
on unter Clopidogrel nimmt [Hulot
2006]. Für CYP2C19 wird der so ge-
nannte High-Metabolizer Genotyp
CYP2C19*1 von den so genannten
Low-Metabolizer Genotypen
CYP2C19*2 oder *3 unterschieden.
Low-Metabolizer generieren unter
Therapie mit Clopidogrel geringere
Mengen an aktiven Metaboliten, und
die bei Ihnen erreichte Thrombozy-
Abb. 4: Clopidogrel – metabolische Aktivierung
Clopidogrel
Clopidogrel
ABCB1 Aufnahme
Metabolisierung
Aktive Metaboliten
2-Oxo-Clopidogrel
CYP 2C19
CYP 1A2 CYP
2B6
CYP 3A4
CYP 2C9 CYP
3A5 CYP 2B6 CYP
2C19
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tenfunktionshemmung ist signifikant
schwächer ausgeprägt als bei High-
Metabolizern [Holmes 2011]. Dieser
labordiagnostisch fassbare interme-
diäre Phänotyp ist mit Hilfe verschie-
dener, heute gängiger Thrombozy-
tenfunktionstests gut charakterisier-
bar. Auch wenn die Beziehung zwi-
schen Thrombozytenrestfunktion
unter Aggregationshemmung und
klinischem Verlauf unter dieser The-
rapie mittlerweile relativ gut belegt
ist, ist eine einfache Analogiebildung
im Sinne der Annahme, dass der
CYP2C19 Genotyp auch den klini-
schen Verlauf unter Clopidogrel be-
einflussen müsse, wenn er die In-
vitro-Wirkung dieser Therapie beein-
flusse, nicht zulässig. Allerdings ist
die Beziehung zwischen CYP2C19
und dem klinischen Verlauf unter
Clopidogrel mittlerweile durch ver-
schiedene entsprechende Studien
gut belegt. So beschreiben Collet
und Mitarbeiter (2009) eine bei Low-
Metabolizern ungünstigere Prognose
nach akutem Myokardinfarkt unter
Therapie mit ASS und Clopidogrel
verglichen mit High-Metabolizern.
Insbesondere die Frequenzen an
Reinfarkten sowie an Stent-
Thrombosen war in dieser Gruppe
verglichen mit dem High-Metabolizer
Genotyp CYP2C19*1 signifikant er-
höht. Verschiedene andere Arbeits-
gruppen beschrieben zeitgleich und
im weiteren Verlauf die klinische Re-
levanz von CYP2C19 bei akutem
Myokardinfarkt bzw. bei akutem Ko-
ronarsyndrom (ACS) [Mega 2010].
Von einer, dem aktuellen Kenntnis-
stand nach ungefähr dem CYP2C19
vergleichbaren Bedeutung ist der
Genotyp des Transportproteins
ABCB1. Dieses Protein ist unter an-
derem auf der apikalen Membran
intestinaler Epithelien lokalisiert und
wirkt als Efflux-Pumpe der Aufnahme
von Clopidogrel entgegen. Die hoch-
frequente genetische Variante
ABCB1 3435C>T ist mit einer ver-
mehrten Expression dieses Proteins
und einer verminderten Clopidogrel-
Plasmakonzentration assoziiert. Für
homozygote Träger dieser geneti-
schen Variante (ABCB1 3435TT)
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wird nach perkutaner Koronarinter-
vention (PCI) bei ACS ein ungünsti-
gerer Verlauf unter Therapie mit ASS
und Clopidogrel beschrieben [Mega
2010a]. Bemerkenswert ist in diesem
Zusammenhang, dass bei Berück-
sichtigung auch des CYP2C19 Ge-
notyps über ein Beobachtungsinter-
vall von 450 Tagen die Frequenz
eines Ereignisses (kardiovaskulär
bedingter Todesfall, Reinfarkt, Apop-
lex cerebri) von 6,3% für
CYP2C19*1/*1 & ABCB1 3435 non-
TT Träger auf 13,6% für Patienten
mit der Kombination Low-Metabolizer
(CYP2C19*2) & ABCB1 3435TT an-
steigt.
Um die klinische Bedeutung dieser
Befunde ausreichend würdigen zu
können, muss an dieser Stelle fest-
gehalten werden, dass die Frequen-
zen sowohl des Low-Metabolizer-
Genotyps (CYP2C19) als auch der
Homozygotie ABCB1 3435TT in der
normalen Bevölkerung bei ca. 30%
liegt, so dass bei einer relevanten
Zahl an Patienten mit einer vermin-
derten Response auf Clopidogrel zu
rechnen ist.
Handlungsoptionen zur Pharma-kogenetik von Clopidogrel
Die Möglichkeiten, wie mit den
pharmakogenetischen Besonderhei-
ten des Clopidogrel umgegangen
werden kann, sind vielfältig. Im Sinne
einer optimalen Therapieführung er-
scheint bei den genannten Häufigkei-
ten für die Disposition zum Non-
Responder die Therapie mit
Clopidogrel ohne eine labordiagnos-
tische Wirkungskontrolle als proble-
matisch. Für die funktionelle Charak-
terisierung der gewünschten, thera-
pieinduzierten Thrombozytenfunkti-
onshemmung stehen verschiedene
Labortests zur Verfügung, mit deren
Hilfe einige Tage nach Beginn der
Therapie mit Clopidogrel die Throm-
bozytenrestfunktion und somit die
Therapieresponse (in vitro) ermittelt
werden können. Im Vergleich zur
genetischen Charakterisierung kön-
nen mindestens zwei Vorteile ge-
nannt werden. Zum einen ist bei
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Standarddosierung mit 75 mg
Clopidogrel pro Tag nicht bei allen
Low-Metabolizern (CYP2C19) eine
nicht ausreichende Thrombozyten-
funktionshemmung nachweisbar; der
Anteil liegt nach der aktuellen Litera-
tur bei ca. 50% [Mega 2011]. Zum
anderen erfasst die Thrombozyten-
funktionstestung auch die Wirkung
möglicherweise interagierender Ko-
medikationen. Der wesentliche
Nachteil der phänotypischen Charak-
terisierung liegt darin, dass sie erst
einige Tage nach Beginn der Medi-
kation aussagekräftig ist, d.h., dass
sie in der akuten Situation nicht zu-
verlässig anwendbar ist. Zumindest
für den CYP2C19 Genotyp wurde im
vergangenen Jahr eine Point-of-
Care-Testing-fähige Technik für die
Genotypisierung beschrieben und im
klinischen Einsatz getestet [Roberts
2012]. In dieser Arbeit wurden Pati-
enten mit PCI bei ACS in der akuten
Situation genotypisiert. In einem Arm
wurde bei Vorliegen des High-
Metabolizer-Genotyps eine Stan-
dardmedikation mit ASS und
Clopidogrel und bei Low-
Metabolizer-Genotyp die Medikation
mit Prasugrel anstelle von
Clopidogrel verwendet. Im zweiten
Arm wurde unabhängig von der Ge-
notypisierung die Standardmedikati-
on mit ASS und Clopidogrel verab-
reicht. Letztendlich konnte mit Hilfe
der am CYP2C19-Genotyp orientier-
ten Therapiedifferenzierung die bei
Low-Metabolizern im nicht differen-
zierenden Arm auftretende vermin-
derte Thrombozytenfunktionshem-
mung zuverlässig vermieden wer-
den. Ob mit Hilfe dieser Strategie
auch klinische Endpunkte optimiert
werden können, kann zum jetzigen
Zeitpunkt aufgrund noch fehlender
Studien nicht gesagt werden.
Schlussfolgerungen
Die Pharmakogenetik bietet im Zu-
sammenhang mit gerinnungshem-
menden Therapien bislang nur weni-
ge Ansatzpunkte. Diese beschrän-
ken sich zur Zeit auf (a) CYP2C9
und VKORC1 bei Therapie mit Vita-
min-K-Antagonisten sowie (b) auf
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CYP2C19 und ABCB1 bei
Clopidogrel.
Während im Zusammenhang mit der
Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten
aufgrund der ohnehin notwendigen
INR-Kontrollen eine generelle gene-
tische Charakterisierung von
CYP2C9 und VKORC1 wenig sinn-
voll erscheint, würde eine Kontrolle
der Response beim Einsatz von
Clopidogrel bei einem relevanten
Anteil der behandelten Patienten
potentiell zu einer Therapieoptimie-
rung führen. Zum jetzigen Zeitpunkt
erscheint die Charakterisierung der
Response unter laufender
Clopidogrel-Therapie mit Hilfe von
Thrombozytenfunktionstests und bei
non-Response gegebenenfalls die
genetische Charakterisierung das
praktikabelste Vorgehen darzustel-
len. In wie weit die genetische Cha-
rakterisierung in der akuten Situation
und eine hierauf gestützte Thera-
piedifferenzierung klinisch vorteilhaft
wäre, muss durch entsprechende
Studien noch untersucht werden.
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