montessori-pädagogik – ein konzept zur umsetzung von inklusion? · 2015. 11. 4. ·...

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Montessori-Pädagogik – Ein Konzept zur Umsetzung von Inklusion? Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science an der Karl-Franzens-Universität Graz vorgelegt von Dagmar Hennecke, Bakk. a phil. am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft Begutachterin: Univ.-Prof. in Dr. in Barbara Gasteiger Klicpera Graz, 2015

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Page 1: Montessori-Pädagogik – Ein Konzept zur Umsetzung von Inklusion? · 2015. 11. 4. · Montessori-Pädagogik im Hinblick auf den Inklusionsgedanken leisten kann. Viele Aspekte, die

Montessori-Pädagogik –

Ein Konzept zur Umsetzung von Inklusion?

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Science

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Dagmar Hennecke, Bakk.a phil.

am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft

Begutachterin: Univ.-Prof.in Dr.in Barbara Gasteiger Klicpera

Graz, 2015

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EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und oh-ne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Graz, am ________________

Dagmar Hennecke, Bakk.a phil.

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Mein Dank gilt...

... all jenen, die mich während meines Studiums und der Erstellung dieser Masterarbeit

unterstützt haben.

... allen voran Frau Univ.-Prof.in Dr.in Barbara Gasteiger-Klicpera für die konstruktiven

Vorschläge sowie die fachliche und kompetente Unterstützung.

... allen Interviewpartnerinnen und -partnern, die durch ihre Offenheit und ihr Vertrauen,

die sie mir entgegengebracht haben, diese Arbeit überhaupt möglich gemacht haben.

... meinen Studienkolleginnen und -kollegen, die mich durchs Studium begleitet haben.

Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Edvina, Theresa, Lucia, Eva und Carla für

das Korrekturlesen und für alle wertvollen Anregungen.

... meinen Eltern, Schwiegereltern und meiner Schwester Karin, sowie meiner Cousine

Annette, die mir auf verschiedenste Weise während des Studiums eine große Stütze

waren.

... nicht zuletzt und ganz besonders meinem Mann, der mir das Studium ermöglicht hat

und mich während der gesamten Studienzeit stets mit viel Liebe, Humor, Geduld und

Verständnis begleitet, ermutigt und mit großem Engagement unterstützt hat, sowie

meinen beiden wunderbaren Kindern, die mir immer wieder auf ihre liebevolle Weise

Rückhalt geboten haben!

VIELEN, VIELEN DANK FÜR ALLES, MARCUS!

DANKE, KATHARINA UND DANKE, ALEXANDER!

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KURZFASSUNG

Im Rahmen der Weltkonferenz „Pädagogik für besondere Bedürfnisse: Zugang und

Qualität“ im Jahr 1994 forderten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Salaman-

ca-Erklärung das grundsätzliche Recht auf Bildung für jedes Kind und arbeiteten die

notwendigen Schritte für eine Schule für alle aus. In Großbritannien wurde der Index

für Inklusion als Leitfaden für die Umsetzung einer inklusiven Schule entwickelt und

erstmals im Jahre 2000 veröffentlicht. Darin wurden Indikatoren definiert und Fragen

erstellt, mit denen untersucht werden kann, inwieweit in einer Schule das Konzept der

Inklusion bereits umgesetzt ist und welche Maßnahmen noch dafür gesetzt werden

können.

Bereits vor über hundert Jahren hatte Maria Montessori ein pädagogisches Konzept

entworfen, das von sich aus schon viele inklusive Elemente beinhaltet. Die For-

schungsaufgabe in dieser Masterarbeit war es daher, den Index for Inclusion mit den

Grundsätzen der Montessori-Pädagogik zu vergleichen und zu untersuchen, wie diese

in der pädagogischen Realität umgesetzt werden. Mittels leitfadengestützter ExpertIn-

neninterviews wurden sechs Montessori-Pädagoginnen und -Pädagogen und sechs

Regelschullehrerinnen und -lehrer über die Situation in ihrer Praxis befragt. Anschlie-

ßend wurden die Gemeinsamkeiten herausgearbeitet und als Ergebnisse der Untersu-

chung dargelegt. Es hat sich weitestgehend bestätigt, dass die Grundelemente der

Montessori-Pädagogik, wie Altersmischung und Heterogenität, Elternkooperation und

ErzieherInnenverhalten, die vorbereitete Umgebung und die Freiarbeit sowie die Indivi-

dualisierung, Förderung der Selbstständigkeit und die ganzheitliche Betrachtung einen

wesentlichen Beitrag zur Umsetzung des Inklusionsgedankens leisten.

ABSTRACT

As part of the World Conference on Special Needs Education in the year 1994 the par-

ticipants adopted the Salamanca Declaration, which reaffirmed the right of education of

every individual and worked out the necessary steps toward an education for all. In

Great Britain the Index for Inclusion was developed as a guideline for establishing an

inclusive school, which was first published in 2000. It defines indicators and poses

questions, which help analyze to what degree a school has implemented the concept of

inclusion and which measures are yet to be taken.

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More than a hundred years ago Maria Montessori had already developed a pedagogi-

cal concept, which implicitly contains many inclusive elements. The main research task

of this thesis was it to compare the Index for Inclusion with the basic principles of the

Montessori pedagogics and to investigate how these are being practiced in the peda-

gogical reality. Using guided expert interviews six Montessori educators and six school-

teachers were questioned about their situation in practice. The commonalities were

carved out and the outcomes of the investigations presented. The results confirmed in

large parts that the basic elements of Montessori-pedagogics such as mixed age

groups, heterogeneity, cooperation with the parents and the teacher’s role, the pre-

pared environment and autoeducation as well as the individualization, promotion of

independence and the holistic approach contribute substantially to the idea of inclusion.

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INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT ................................................................................................................... 1

THEORETISCHE BASIS

1 INKLUSION............................................................................................................. 4

1.1 Der Begriff der Inklusion ............................................................................... 4

1.2 Inklusion im Bildungswesen ......................................................................... 5

1.3 Die UN-Behindertenrechtskonvention ........................................................ 11

1.4 Die Salamanca-Erklärung .......................................................................... 12

1.5 Der Index für Inklusion ............................................................................... 13

1.5.1 Der Aufbau des Index für Inklusion ................................................. 15

1.5.2 Der Index für Inklusion in der Praxis ................................................ 18

1.5.3 Perspektiven für eine inklusive Schule bzw. Pädagogik .................. 19

2 MONTESSORI PÄDAGOGIK ............................................................................... 21

2.1 Die Person Maria Montessori ..................................................................... 21

2.2 Das Bild des Kindes in der Montessori-Pädagogik ..................................... 23

2.2.1 Das Kind als Baumeister des Menschen ......................................... 23

2.2.2 Die sensiblen Phasen ..................................................................... 24

2.2.3 Polarisation der Aufmerksamkeit und Normalisation ....................... 26

2.3 Die Grundlagen und Ziele der Montessori-Pädagogik ................................ 27

2.3.1 Die vorbereitete Umgebung ............................................................ 28

2.3.2 Die Rolle der Erzieherin/des Erziehers ............................................ 30

2.3.3 Freiheit und Freiarbeit ..................................................................... 31

2.3.4 Soziale Erziehung und das Prinzip der Altersmischung ................... 32

2.3.5 Bewegung und Übungen der Stille .................................................. 33

3 MONTESSORI PÄDAGOGIK UND INKLUSION .................................................. 34

3.1 Maria Montessoris Zugang zu Kindern mit besonderen Bedürfnissen ........ 35

3.2 Montessori-Therapie und Heilpädagogik .................................................... 37

3.3 Inklusiver Unterricht in der Montessori-Schule ........................................... 40

3.3.1 Vorbereitete Lernumgebung ............................................................ 41

3.3.2 Soziales Lernen .............................................................................. 42

3.3.3 Interkulturelle Erziehung und Montessoris Friedenserziehung......... 44

3.4 Montessori-Pädagogik und Kinder mit besonderen Bedürfnissen ............... 45

3.4.1 Verhaltensauffällige Kinder ............................................................. 45

3.4.2 Förderung bei Legasthenie ............................................................. 47

3.4.3 Begabtenförderung ......................................................................... 51

3.4.4 Kinder mit Autismus ........................................................................ 55

EMPIRISCHER TEIL

4 ZIEL UND FRAGESTELLUNGEN ........................................................................ 64

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5 UNTERSUCHUNGSMETHODE ............................................................................ 66

5.1 Forschungsdesign ...................................................................................... 66

5.2 Stichprobe .................................................................................................. 66

5.3 Erhebungsinstrumente ............................................................................... 68

5.4 Auswertung ................................................................................................ 79

5.4.1 Aufbereitung der Daten ................................................................... 80

5.4.2 Beschreibung des Kategoriensystems ............................................ 80

6 ERGEBNISSE ....................................................................................................... 84

6.1 Kooperation mit den Eltern ......................................................................... 84

6.1.1 Gemeinschaft bilden (1) .................................................................. 84

6.1.2 Inklusive Werte verankern (2).......................................................... 85

6.1.3 Unterstützung für Vielfalt organisieren (4) ....................................... 85

6.1.4 Lernarrangements organisieren (5) ................................................. 86

6.1.5 Ressourcen mobilisieren (6) ............................................................ 86

6.2 Altersmischung .......................................................................................... 87

6.2.1 Gemeinschaft bilden (1) .................................................................. 87

6.2.2 Inklusive Werte verankern (2).......................................................... 87

6.2.3 Schule für alle entwickeln (3)........................................................... 88

6.2.4 Unterstützung für Vielfalt organisieren (4) ....................................... 88

6.2.5 Ressourcen mobilisieren (6) ............................................................ 88

6.3 Heterogenität ............................................................................................. 89

6.3.1 Gemeinschaft bilden (1) .................................................................. 89

6.3.2 Inklusive Werte verankern (2).......................................................... 89

6.3.3 Schule für alle entwickeln (3)........................................................... 91

6.3.4 Unterstützung für Vielfalt organisieren (4) ....................................... 91

6.3.5 Lernarrangements organisieren (5) ................................................. 92

6.3.6 Ressourcen mobilisieren (6) ............................................................ 93

6.4 Vorbereitete Umgebung ............................................................................. 94

6.4.1 Gemeinschaft bilden (1) .................................................................. 94

6.4.2 Inklusive Werte verankern (2).......................................................... 94

6.4.3 Unterstützung für Vielfalt organisieren (4) ....................................... 95

6.4.4 Ressourcen mobilisieren (6) ............................................................ 95

6.5 Prinzip der Freien Wahl .............................................................................. 95

6.5.1 Gemeinschaft bilden (1) .................................................................. 95

6.5.2 Inklusive Werte verankern (2).......................................................... 96

6.5.3 Schule für alle entwickeln (3)........................................................... 96

6.5.4 Lernarrangements organisieren (5) ................................................. 96

6.6 Erzieherinnenverhalten .............................................................................. 97

6.6.1 Gemeinschaft bilden (1) .................................................................. 97

6.6.2 Inklusive Werte verankern (2).......................................................... 97

6.6.3 Schule für alle entwickeln (3)........................................................... 98

6.6.4 Unterstützung für Vielfalt organisieren (4) ....................................... 99

6.6.5 Lernarrangements organisieren (5) ................................................. 99

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6.6.6 Ressourcen mobilisieren (6) .......................................................... 100

6.7 Individualisierung ..................................................................................... 100

6.7.1 Gemeinschaft bilden (1) ................................................................ 101

6.7.2 Inklusive Werte verankern (2)........................................................ 101

6.7.3 Schule für alle entwickeln (3)......................................................... 102

6.7.4 Unterstützung für Vielfalt organisieren (4) ..................................... 102

6.7.5 Lernarrangements organisieren (5) ............................................... 102

6.7.6 Ressourcen mobilisieren (6) .......................................................... 103

6.8 Förderung der Selbstständigkeit ............................................................... 104

6.8.1 Inklusive Werte verankern (2)........................................................ 104

6.8.2 Schule für alle entwickeln (3)......................................................... 104

6.8.3 Lernarrangements organisieren (5) ............................................... 105

6.9 Ganzheitliche Betrachtung ....................................................................... 106

6.9.1 Gemeinschaft bilden (1) ................................................................ 106

6.9.2 Schule für alle entwickeln (3)......................................................... 106

6.9.3 Unterstützung für Vielfalt organisieren (4) ..................................... 107

6.9.4 Lernarrangements organisieren (5) ............................................... 107

6.10 Rahmenbedingungen und Strukturen ....................................................... 108

6.10.1 Öffentliche Schulen ....................................................................... 108

6.10.2 Privatschulen ................................................................................ 110

6.10.3 Österreichisches Schulsystem ...................................................... 110

7 DISKUSSION ...................................................................................................... 112

7.1 Beantwortung der Forschungsfragen und Interpretation der Ergebnisse .. 112

7.2 Kritische Aspekte In Hinsicht auf die Arbeit .............................................. 119

8 SCHLUSSBEMERKUNGEN ............................................................................... 122

LITERATURVERZEICHNIS ...................................................................................... 123

ABBILDUNGSVERZEICHNIS................................................................................... 130

TABELLENVERZEICHNIS ....................................................................................... 130

ANHANG .................................................................................................................. 131

Anhang A: Transkriptionsregeln .......................................................................... 131

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Vorwort

1

VORWORT

Auf die Montessori-Pädagogik bin ich durch meinen Mann Marcus aufmerksam geworden,

der 1972, als der Montessori-München e.V. gegründet wurde, erst das Montessori-

Kinderhaus und anschließend die Montessori-Schule der “Aktion Sonnenschein” im Olym-

piapark besuchte.

Der Verein „Aktion Sonnenschein – Hilfe für das mehrfach behinderte Kind e.V.“ wurde im

Jahre 1968 von Theodor Hellbrügge, Kinderarzt und Sozialpädiater gegründet. Hellbrügge

machte sich bereits damals für die gemeinsame Erziehung, Bildung und Betreuung von Kin-

dern mit und ohne Beeinträchtigungen stark und setzte damit neue Akzente im Bereich der

Förderung von Kindern mit Beeinträchtigungen (Stiftung Aktion Sonnenschein, n.d.).

Ich begann mein Studium an der Universität Augsburg, in dessen Rahmen ich ein Praktikum

im Montessori-Kinderhaus Buttenweg in Ulm, meinem damaligen Wohnort, absolvierte. Auf-

grund persönlicher Erfahrungen in meiner eigenen Schulzeit war ich schnell vom pädagogi-

schen Konzept Montessoris begeistert und überzeugt. Ich wollte mehr darüber erfahren und

absolvierte den zweijährigen Diplomkurs der Deutschen Montessori-Vereinigung mit Sitz in

Aachen. Auch unsere beiden Kinder haben die Möglichkeit bekommen, Montessori-

Einrichtungen zu besuchen, in denen ich dann auch regelmäßig mitgearbeitet habe.

Als ich mein Studium nach dem Umzug nach Graz an der Karl-Franzens-Universität Graz

aufnahm, stand für mich von Anfang an fest, das Masterstudium im Arbeitsbereich Integrati-

onspädagogik und Heilpädagogische Psychologie zu absolvieren und die Kenntnisse über

die Montessori-Pädagogik mit denen der Inclusive Education zu verknüpfen.

Für die Masterarbeit hat sich nach Kennenlernen des Index für Inklusion geradezu angebo-

ten, die darin erarbeiteten Forderungen bzw. Vorschläge mit den Grundprinzipien des Mont-

essori-Konzepts in Beziehung zu bringen und der Frage nachzugehen, welchen Beitrag die

Montessori-Pädagogik im Hinblick auf den Inklusionsgedanken leisten kann.

Viele Aspekte, die im Index für Inklusion für die Umsetzung von Inklusion im Unterricht auf-

geführt wurden, erschienen mir im Montessori-Konzept bereits enthalten zu sein. Allein aus

theoretischen Überlegungen heraus sollte also die Montessori-Pädagogik viele Forderungen

des Index für Inklusion erfüllen.

Aus diesem Hintergrund ergaben sich folgende Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit:

Wie wirken sich die Kooperation mit den Eltern, das Konzept der Altersmischung und

der Heterogenität auf die Inklusion aller Kinder aus?

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Vorwort

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Welchen Beitrag leisten die vorbereitete Umgebung, das Prinzip der freien Wahl und

das ErzieherInnenverhalten zur Umsetzung des Inklusionsgedankens?

Wie unterstützen das Prinzip der Individualisierung, die Förderung der Selbstständig-

keit und der ganzheitlichen Betrachtung des Kindes die Ziele der Inklusion?

Der erste Teil der theoretischen Ausführung dieser Arbeit setzt sich allgemein mit dem The-

ma der Inklusion auseinander. Darin werden die Entwicklungsgeschichte, Begrifflichkeiten,

Definitionen und rechtliche Bestimmungen beleuchtet sowie auf Inklusion im pädagogischen

Kontext eingegangen.

Der zweite Abschnitt widmet sich dem Erziehungs- und Lernkonzept Maria Montessoris.

Montessoris Menschenbild und die Grundprinzipien ihrer Pädagogik werden darin kurz dar-

gelegt und Begrifflichkeiten erläutert. Die Montessori-Pädagogik ist in ihrer Ausgestaltung

sehr komplex und doch, oder gerade deshalb war Maria Montessori die exakte Umsetzung

ihrer Methode sehr wichtig. In einem weiteren Kapitel wird schließlich die Montessori-

Pädagogik in Bezug auf den Inklusionsgedanken untersucht.

Im empirischen Teil der Arbeit werden erst das Ziel der Masterarbeit, die Fragestellungen

sowie die Untersuchungsmethode vorgestellt. Es werden das Forschungsdesign, die Stich-

probe und die Erhebungsinstrumente erklärt. Des Weiteren werden der Untersuchungsablauf

und die Datenerhebung erläutert. Danach wird auf die Auswertungsmethode mit der Aufbe-

reitung der Daten und das Kategoriensystem näher eingegangen. Im Anschluss werden die

Untersuchungsergebnisse dargelegt, die Forschungsfragen beantwortet und ein kritischer

Blick auf die Forschungsarbeit geworfen. Danach erfolgt eine Schlussbemerkung die ein

Resümee über die vorliegende Arbeit ziehen soll.

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1 Inklusion

4

1 INKLUSION

„Es ist normal, verschieden zu sein. Es gibt keine Norm für das Menschsein“ Richard von

Weizsäcker (von Weizsäcker, 1993).

Im Alltag haben es Menschen mit Behinderungen oder Menschen, die einfach anders sind, in

unserer Gesellschaft oft schwer. Für Menschen mit Behinderungen sind dabei häufig gar

nicht die Behinderungen an sich das zentrale Problem, sondern vielmehr die Ausgrenzun-

gen, die Vorurteile und Zuschreibungen, die ihnen widerfahren oder das mangelnde Ver-

ständnis und die fehlende Unterstützung. Mit Vorurteilen, Zuschreibungen und Ausgrenzun-

gen haben aber auch Menschen einer anderen religiösen, ethnischen oder kulturellen Her-

kunft zu kämpfen. Segregation und Kategorienbildung ist im Denken der meisten Menschen

tief verankert. Der Inklusionsansatz verwehrt sich dagegen und vertritt eine Haltung, in der

alle Menschen wertvoll sind und die Vielfalt als Bereicherung gesehen wird.

1.1 DER BEGRIFF DER INKLUSION

In der Diskussion um den Umgang mit Heterogenität und Vielfalt in der Pädagogik fallen vor

allem zwei Begriffe, die aufgegriffen und geklärt werden müssen. Dies sind zum einen der

Integrations- und zum anderen der Inklusionsbegriff. Obwohl Integration und Inklusion im

alltäglichen Gebrauch häufig gleichgesetzt werden, stehen hinter den beiden Begriffen un-

terschiedliche Forderungen.

Integration ist lateinischen Ursprungs und bedeutet Wiederherstellung eines Ganzen und

wird im bildungssprachlichen Gebrauch auch als Einbeziehung, Eingliederung in ein größe-

res Ganzes verwendet (Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion, 2013b). Integration

meint also, dass Menschen mit besonderen Bedürfnissen in eine Gruppe von Menschen oh-

ne Beeinträchtigungen eingegliedert oder aufgenommen werden sollen. Das heißt, es wer-

den Personen eingegliedert, die zuerst ausgeschlossen waren.

Das Wort Inklusion leitet sich aus dem Lateinischen includere ab, was so viel wie einschlie-

ßen oder einfügen bedeutet. Inclusio wird mit Miteinbezogensein oder gleichberechtigte Teil-

habe übersetzt (Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion, 2013a). So steht Inklusion von

Vornherein für ein Miteinander, bei dem niemand integriert werden muss, da erst gar nie-

mand ausgegrenzt wurde (Eckert & Waldschmidt, 2010).

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1.2 INKLUSION IM BILDUNGSWESEN

Andreas Hinz definiert im Handlexikon der Behindertenpädagogik Inklusion als

„...allgemeinpädagogische[n] Ansatz, der auf der Basis von Bürgerrechten argumentiert, sich gegen jede gesellschaftliche Marginalisierung wendet und somit allen Menschen das gleiche volle Recht auf individuelle Entwicklung und soziale Teilhabe ungeachtet ih-rer persönlichen Unterstützungsbedürfnisse zugesichert sehen will. Für den Bildungsbe-reich bedeutet dies einen uneingeschränkten Zugang und die unbedingte Zugehörigkeit zu allgemeinen Kindergärten und Schulen des sozialen Umfeldes, die vor der Aufgabe stehen, den individuellen Bedürfnissen aller zu entsprechen – und damit wird dem Ver-ständnis der Inklusion entsprechend jeder Mensch als selbstverständliches Mitglied der Gemeinschaft anerkannt“ (Hinz, 2006, S. 97).

Inklusion befürwortet die Heterogenität und Vielfalt von Menschen und setzt sich dafür ein,

dass alle Dimensionen von Heterogenität in den Fokus gerückt und in Augenschein genom-

men werden. Dabei geht es ebenso um unterschiedliche Fähigkeiten wie um Geschlechter-

rollen, ethnische Herkunft oder soziale Schichtzugehörigkeit, verschiedene Nationalitäten,

Sprachen, Rassen, Religionen, weltanschauliche Einstellungen, körperliche Verfassung und

vieles mehr. Menschen werden nicht mehr in Kategorien wie zum Beispiel Einheimische und

Fremde, Frauen und Männer oder Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen eingeteilt

(Hinz, 2009).

Der Inklusionsbegriff hat sich seit den späten 1980er Jahren von Kanada und den USA aus

zu einem pädagogischen Fachterminus etabliert und fand seit der „World Conference on

Special Needs Education“ 1994 im spanischen Salamanca auch internationale Anerkennung.

Bemerkenswert ist allerdings, dass die offizielle deutsche Übersetzung der Salamanca-

Erklärung inclusion, inclusive education, inclusive schools weiterhin mit Integration, integrati-

ve Bildung und integrative Schulen erfolgte.

Auch eine einheitliche Verwendung des Begriffs Inklusion kann nicht ausgemacht werden.

Sander (2004) führte drei nach Stringenz und Inhalt unterschiedliche Bedeutungen von in-

clusion auf. Zum einen wird Inklusion meist mit Integration gleichgesetzt und wechselweise

synonym verwendet. Inklusion meint aber oft auch eine optimierte Integration, bei der die

Schwächen, die in der Realität der Integrationspraxis bestehen, systematisch vermieden

werden. Bei diesen Schwachstellen kann es sich entweder um lokale Einzelfälle handeln

oder um die strukturell missbräuchliche Verwendung des Begriffs Integration für Maßnah-

men, die eigentlich separieren. So werden dann beispielsweise nicht nur Kinder mit beson-

deren Bedürfnissen in eine Regelschulklasse aufgenommen, sondern die Heterogenität einer

Klasse wird berücksichtigt und akzeptiert. Zuletzt kann Inklusion allerdings auch mit einer

weitergefassten und verbesserten Integration gleichgesetzt werden, die für gegenwärtige

und zukünftige Entwicklungsprozesse als gemeinsames Richtziel fungieren soll. Hierbei wird

die Verschiedenheit der Kinder nicht nur als selbstverständlich erachtet, sondern auch als

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1 Inklusion

6

naturgemäßer Ausgangspunkt und Ziel einer jeden pädagogischen Arbeit angesehen

(Sander, 2006).

Der Weg zur Inklusion ist ein langer, noch anhaltender Entwicklungsprozess, der nach Bürli

(1997) in verschiedene Entwicklungsetappen einzuteilen ist. Allerdings treten die in Abbil-

dung 1 dargestellten Phasen Exklusion, Separation, Integration und Inklusion nicht exakt

getrennt auf, sondern überschneiden sich (Sander, 2004).

Abbildung 1: Entwicklungsphasen in der Sonderpädagogik (Bürli, 1997)

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1 Inklusion

7

Bei der Exklusion werden bestimmte, wie z.B. geistig

schwer beeinträchtige Menschen, die als bildungsunfähig

gelten, aus der schulischen Bildung und Erziehung ausge-

schlossen. Andere hingegen bekommen selbstverständlich

Zugang dazu. In Abbildung 2 wird dies durch die Existenz

von zwei Gruppen verdeutlicht. Das sind nach Hinz (2004)

zum einen die im grünen Bereich befindlichen richtigen und

eigentlichen Menschen und abseits die falschen bzw. unei-

gentlichen Menschen. Der dicke schwarze Strich kann als

Mauer gesehen werden, die die beiden Gruppen scharf

trennt und ebenso ein Bildungs- und damit einhergehend ein Lebensrecht in Frage stellt

(Hinz, 2004).

Bei der Segregation werden Kinder mittels bestimmter Kri-

terien spezialisierten Schulen und Erziehungsinstitutionen

zugewiesen. Hauptsächlich geschieht dies nach Leistung

aber auch nach sozialen Milieus. In der Abbildung 3 wer-

den die verschiedenen Gruppierungen dargestellt. Die grü-

ne Gruppe befindet sich im Bereich des Normalen. Jene,

die von dieser Normalität abweichen, werden dem gelben

Bereich zugewiesen, der quasi den Rand des Normalen

symbolisiert. Weicht eine Person innerhalb dieser Gruppie-

rung von der Normalität ab, wird diese noch weiter abge-

stuft und gerät in den roten Bereich. Der lila Bereich stellt

quasi den Rest vom Rest dar, so Hinz (2004). Der Bereich mit den blauen Sternen symboli-

siert Kinder und Jugendliche mit schweren Mehrfachbehinderungen, die in gesonderten

Klassen oder sogar Institutionen zu unterrichten wären. Das Modell der Segregation kann

auf das gegliederte Schulsystem übertragen werden, in dem der grüne Bereich dem Gymna-

sium, der gelbe der Realschule, der rote der Hauptschule und der lila Bereich der Sonder-

schule entspräche. Aber auch innerhalb des Sonderschulwesens lässt sich eine Strukturie-

rung angelehnt an das Segregationsmodell ausmachen. In diesem Vergleich entspräche der

grüne Anteil dem Bereich der Sinnesgeschädigten, der gelbe dem der Lernbehinderten, der

rote dem der geistig Behinderten und der lila Bereich dem der Schwerst- und Mehrfachbe-

hinderten (Hinz, 2004).

Abbildung 2: Exklusion (Hinz 2004)

Abbildung 3: Segregation (Hinz 2004)

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1 Inklusion

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Hinz (2002) beschreibt das Konzept der Integration als „2-

Gruppen-Theorie“, die zwischen Nicht-Behinderten, also

der dominierenden, grünen normalen Gruppe und den Be-

hinderten, den sogenannten Andersfarbigen unterscheidet.

Diese sollen, oft mit Hilfe sonderpädagogischer Unterstüt-

zung, in den grünen Bereich integriert werden. Die „2-

Gruppen-Theorie“ unterstützt allerdings weiterhin ein Ver-

ständnis von Differenz, obwohl institutionell gesehen keine

Trennungen und Aufteilungen mehr vorliegen. Durch die

speziellen Förderangebote kommt es jedoch auch hier zu

einer Deklassierung derjenigen, die individuelle Unterstützung brauchen (Hinz, 2004).

Bei der Inklusion befinden sich alle unterschiedlichen

Gruppierungen der verschiedenen Farben und Formen, wie

in Abbildung 5 ersichtlich wird, in einer Gruppe. Darin gibt

es auch keine Dominanz der grünen normalen Gruppe

mehr, die alle anderen Gruppen an den Rand drängt. Auch

die Frage, welche Personen aus welchen Gruppen inte-

griert werden können, ist kein Thema mehr, da sowieso

alle aus allen Gruppen von Anfang an in den Gruppierun-

gen inkludiert sind (Hinz, 2004; Tervooren, 2003).

Hinz (2002) stellte die zentralen Differenzen in der Praxis der Integration und der Inklusion in

der Tabelle 1 anschaulich gegenüber.

Tabelle 1: Praxis von Integration und Inklusion (Hinz, 2004)

Praxis der Integration Praxis der Inklusion

• Eingliederung von behinderten Kindern in die allgemeine Schule

• Leben und Lernen aller Kinder in der allge-meinen Schule

• Differenziertes System je nach Schädigung • Umfassendes System für alle

• Zwei-Gruppen-Theorie (behindert /nichtbehindert)

• Theorie einer pädagogischen ununterteilba-ren heterogenen Gruppe

• Aufnahme von Kindern mit Behinderung • Profilierung des Selbstverständnisses der Schule

• Individuumszentrierter Ansatz • Systemischer Ansatz

• Fixierung auf die administrative Ebene • Beachtung der emotionalen, sozialen und unterrichtlichen Ebenen

• Ressourcen für Kinder mit besonderem Be-darf

• Ressourcen für ganze Systeme (Klasse/ Schule)

Abbildung 4: Integration (Hinz 2004)

Abbildung 5: Inklusion (Hinz 2004)

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• Spezielle Förderung für Kinder mit Behinde-rungen

• Gemeinsames und individuelles Lernen für alle

• Individuelle Curricula für Einzelne • Ein individualisiertes Curriculum für alle

• Förderpläne für Kinder mit Behinderungen • Gemeinsame Reflexion und Planung aller Beteiligter

• Anliegen und Auftrag der Sonderpädagogik und SonderpädagogInnen

• Anliegen und Auftrag der Schulpädagogik und SchulpädagogInnen

• SonderpädagogInnen als Unterstützung für Kinder mit Behinderungen

• SonderpädagogInnen als Unterstützung für heterogene Klassen und KollegInnen

• Ausweitung von Sonderpädagogik in die Schulpädagogik hinein

• Veränderung von Sonderpädagogik und Schulpädagogik

• Kombination von Schul- und Sonderpädago-gik

• Synthese von Schul- und Sonderpädagogik

• Kontrolle durch ExpertInnen • Kollegiales Problemlösen im Team

Kinder mit Beeinträchtigungen werden in der Praxis der Integration in das allgemeine Schul-

wesen eingegliedert, während in der Praxis der Inklusion Kinder in der allgemeinen Schule

gemeinsam leben und lernen. In der Praxis der Integration existiert ein nach Beeinträchti-

gung differenziertes System, in der Inklusion hingegen ist ein umfassendes System für alle

Kinder vorhanden. Während in der Integrationspraxis eine Zwei-Gruppen-Theorie von behin-

dert bzw. nicht behindert vorherrscht, findet sich in der Praxis der Inklusion eine Theorie ei-

ner pädagogisch untrennbaren, heterogenen Gemeinschaft. Im System der Integration wer-

den Kinder mit Beeinträchtigungen aufgenommen während in der Inklusion ein neues

Selbstverständnis der Schule gefordert wird. In der Praxis der Integration herrscht ein indivi-

duumszentrierter Ansatz vor, in der Praxis der Inklusion jedoch ein systemischer. Herrscht in

der Praxis der Integration eine Fixierung auf die administrative Ebene, so wird in der Inklusi-

onspraxis die Gefühls-, Sozial- und Unterrichtsebene berücksichtigt. In der praktischen Arbeit

der Integration werden Ressourcen und gesonderte Förderung für Kinder mit besonderen

Bedürfnissen zur Verfügung gestellt. In der Praxis der Inklusion gibt es Ressourcen für gan-

ze Systeme wie einzelne Klassen oder die gesamte Schule, in denen sowohl gemeinschaftli-

ches als auch individuelles Lernen möglich ist. In der Integrationspraxis werden vereinzelt

individuelle Lehrpläne zur Verfügung gestellt, während in einer inklusiven Lehrpraxis alle

nach individuellen Curricula arbeiten. In der Integrationspraxis werden Förderpläne für Kin-

der mit Beeinträchtigungen gesondert erarbeitet, während in der Inklusionspraxis gemeinsa-

me Reflexionen stattfinden und alle Beteiligten zusammen planen. In der Integrationspäda-

gogik obliegen die Anliegen und Aufträge der Sonderpädagogik bzw. den Sonderpädagogin-

nen und -pädagogen, während sie in der Inklusionspädagogik der Schulpädagogik bzw. den

Schulpädagoginnen und –pädagogen zufallen. Sonderpädagoginnen und –pädagogen sind

in der Integrationspraxis zur Unterstützung der Kinder mit besonderen Bedürfnissen, in der

Inklusionspädagogik zur Unterstützung der Heterogenität in den Klassen, aber auch der Kol-

leginnen und Kollegen da. In der Integrationspädagogik breitet sich die Sonderpädagogik in

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1 Inklusion

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die Schulpädagogik aus bzw. werden die beiden miteinander kombiniert, während sich in der

Praxis der Inklusionspädagogik die Sonder- sowie die Schulpädagogik verändern und eine

Synthese der beiden stattfindet. Schließlich kontrollieren Expertinnen und Experten die Pra-

xis der Integration während in der Inklusionspraxis Probleme im Team gelöst werden (Hinz,

2002).

In der Allgemeinen Pädagogik schließlich sind Vielfalt und Heterogenität eine Selbstver-

ständlichkeit und machen eine eigene Bezeichnung und Ausarbeitung eines speziellen Kon-

zepts überflüssig. Inklusion geht in der Allgemeinen Pädagogik auf und ist somit auch kein

eigenständiges Thema mehr.

Aber auch Andreas Hinz (2004) weist noch einmal darauf hin, dass diese Phasen nicht ei-

nander nachfolgend aufgetreten sind bzw. auftreten und dieses Modell mitunter recht unter-

schiedlich und widersprüchlich gelebt wird.

Hinz (2004) machte sowohl quantitative als auch qualitative Probleme der Integrationsent-

wicklung in verschiedenen Ländern aus. Quantitativ schwierig ist es, dass der gemeinschaft-

liche Unterricht teilweise nach wie vor nur ergänzend stattfindet und nicht grundsätzlich, wie

es ursprünglich in der Reformbewegung vorgesehen war. Noch immer herrscht ein selekti-

ves System in Form eines gegliederten Schulwesens mit unterschiedlichen Angeboten und

Integrationsmöglichkeiten vor. Dazu kommen finanzielle Aspekte, die dazu führen, dass eine

Etikettierung wie beispielsweise die des sonderpädagogischen Förderbedarfs vonnöten ist

und sogar forciert wird, um notwendige Ressourcen zu bekommen. Es kommt zu der wider-

sprüchlichen Situation, dass Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, die eigentlich helfen

sollen, tatsächlich aber die Ausgrenzung noch verstärken. Qualitative Probleme werden

deutlich, wenn bestehende Strukturen zwar angepasst und integrativere Möglichkeiten tole-

riert werden, aber keine grundlegenden Veränderungen stattfinden (Reiser, 2002a, zitiert in

Hinz, 2004). Traditionelle Ansichten werden allerdings nur kaum korrigiert. So wird ein Kind

mit sonderpädagogischem Förderbedarf nach seiner Beeinträchtigung auch innerhalb von

integrativen Organisationen kategorisiert und bleibt immer das andere, defizitäre Kind. Feh-

len dann noch die erforderlichen Ressourcen, werden die qualitativen Schwierigkeiten noch

verstärkt (Hinz, 2004).

Daher ist es unbedingt notwendig, dass die Diskussion um die Inklusion, speziell im pädago-

gischen Bereich, weitergeführt und die Umsetzung des Inklusionsgedankens voran getrieben

werden. Ein Meilenstein in der Geschichte der Inklusion war sicherlich das Übereinkommen

über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das im nächsten Kapitel näher beleuch-

tet wird.

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1 Inklusion

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1.3 DIE UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION

Am 13. Dezember 2006 wurde das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Be-

hinderungen – BRK (Convention on the Rights of Persons with Disabilities – CRPD) von der

Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet und ist am 3. Mai 2008 in Kraft

getreten. Durch die Behindertenrechtskonvention sollen die vorherrschenden Einstellungen

und Haltungen gegenüber Menschen mit Behinderungen geändert werden und deren Rechte

gestärkt werden. Auf den allgemeinen Menschenrechten basierend, werden die Rechte von

Personen mit Beeinträchtigungen in den spezifischen Lebenssituationen konkretisiert und

deren gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben festgehalten. Damit soll ge-

währleistet werden, dass Menschen mit Behinderungen ihre Rechte selbstbestimmt geltend

machen können (United Nations, 2007).

In der Behindertenrechtskonvention wurden also keine Sonderrechte für besondere Men-

schen ausgearbeitet, sondern die allgemeinen Menschenrechte für Menschen mit Behinde-

rungen eingefordert. Die Orientierung an der Bürgerrechtsbewegung ist sicherlich ein wichti-

ger Unterschied zwischen Integration und Inklusion. Rief die Integration zu Verständnis,

Menschlichkeit und Freiwilligkeit auf, stützt sich die Inklusion auf einklagbares Recht

(Wocken, 2010).

Die Konvention besteht neben einer Präambel aus 50 Artikeln, in denen Zweck, Definitionen,

Grundsätze sowie die einzelnen Menschenrechte dargelegt werden. Eine besondere Bedeu-

tung kommt darin dem Artikel 24 Bildung zu, welcher klar festgelegt, dass „...[d]ie Vertrags-

staaten das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung [anerkennen] sollen“ (UN-

Konvention 2008, S.23).

Damit dieses Recht ohne Benachteiligungen und auf dem Grundsatz der Chancengleichheit

basierend umgesetzt werden kann, haben die Vertragsstaaten vereinbart, ein inklusives Bil-

dungssystem zu garantieren. Es sollen die Befähigungen eines jeden Menschen sowie des-

sen Würde und Selbstwertgefühl geachtet werden. Damit sollen die Menschenrechte und die

Anerkennung der menschlichen Vielfalt gestärkt werden. Menschen mit Behinderungen soll

so die Möglichkeit gegeben werden, ihre Persönlichkeit, ihre Stärken, sowie ihre geistigen

und körperlichen Fähigkeiten zu entfalten. Kein Mensch darf aufgrund irgendeiner Behinde-

rung aus dem Bildungssystem ausgeschlossen werden, sondern es müssen die notwendi-

gen Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden, um eine schulische und so-

ziale Entwicklung zu begünstigen. Es muss die Möglichkeit gegeben sein, sich lebensprakti-

sche Fertigkeiten und soziale Kompetenzen anzueignen, um die Teilhabe an der Gesell-

schaft zu unterstützen. Entsprechend ausgebildete Lehr- und Fachkräfte, auch solche mit

Behinderungen, sollen eingestellt und Lernmaterialien zur Verfügung gestellt werden.

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Schließlich soll auch der Zugang zu höheren Schulen, Erwachsenenbildung und lebenslan-

gem Lernen gewährleistet werden (Vereinte Nationen, 2008).

Die Forderung Bildung für alle wurde bereits in der Salamanca-Erklärung der UNESCO im

Jahre 1994 thematisiert und das Konzept einer inklusiven Pädagogik erarbeitet.

1.4 DIE SALAMANCA-ERKLÄRUNG

Im Juni 1994 trafen sich Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Ländern im spani-

schen Salamanca und arbeiteten die sogenannte Salamanca-Erklärung über Prinzipien, Poli-

tik und Praxis in der Pädagogik für besondere Bedürfnisse aus. Es galt, jene politischen Än-

derungen heraus zu arbeiten, die notwendig waren, um eine inklusive Pädagogik im Sinne

einer Schule für alle zu ermöglichen. Ziel war es, ein grundsätzliches Umdenken gemäß den

Prinzipien der Inklusion einzuleiten (UNESCO, 1994b).

Die Erklärung besagt, dass jedes Kind ein grundsätzliches Recht auf Bildung hat und für je-

des Kind die Chance bestehen muss, ein akzeptables Lernniveau erreichen und beibehalten

zu können. Jedes Kind hat seine individuelle Persönlichkeit, Interessen, Kompetenzen aber

auch spezielle Bedürfnisse, um gut lernen zu können. Daher muss eine Lernumgebung ge-

schaffen werden, die der Vielfalt der Persönlichkeiten und Bedürfnisse von Kindern ent-

spricht. Kinder mit besonderen Bedürfnissen dürfen aus regulären Schulen nicht ausge-

schlossen werden. Vielmehr müssen diese mit einer kindzentrierten Pädagogik den speziel-

len Anforderungen entsprechen. Regelschulen mit inklusiven Prinzipien sind die beste Vo-

raussetzung, diskriminierenden Einstellungen effektiv entgegen zu wirken und Gemeinschaf-

ten zu entwickeln, die aufgeschlossen sind, alle willkommen zu heißen und eine Bildung für

alle zu ermöglichen. Darüber hinaus schaffen inklusive Schulen eine Umgebung für eine ef-

fektive Bildung für einen großen Anteil der Kinder und erweisen sich auch als sehr effizient

bezüglich der Kosten innerhalb des gesamten Schulsystems (ebd.).

Daher wurden die Regierungen aufgefordert, die Schulsysteme so zu verbessern, dass alle

Kinder ungeachtet ihrer individuellen Schwierigkeiten einbezogen werden können. Die Ge-

setze sind so abzuändern, dass diese die Prinzipien inklusiver Pädagogik anerkennen kön-

nen und alle Kinder in Regelschulen aufgenommen werden, außer es ist unter bestimmten

zwingenden Umständen nicht möglich. Es soll ein Erfahrungsaustausch mit anderen inklusi-

ven Schulen, auch aus anderen Ländern, stattfinden. Dezentrale und unterstützende Struktu-

ren sollen geschaffen werden, in denen eine pädagogische Betreuung für Menschen mit be-

sonderen Bedürfnissen geplant, überwacht und bewertet werden kann. Die Beteiligung von

Eltern, Gemeinschaften sowie Organisationen ist bei Planungs- und Entscheidungsprozes-

sen zu unterstützen. Die Staaten sind aufgefordert, mehr hinsichtlich der Früherkennung und

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der Maßnahmensetzung zu unternehmen, sowie sich für berufliche Aspekte inklusiver Bil-

dung einzusetzen. Schließlich soll in Form einer systemischen Veränderung sichergestellt

werden, dass die Inhalte einer Pädagogik für besondere Bedürfnisse in inklusiven Schulen in

der Ausbildung von Lehrenden thematisiert werden (UNESCO, 1994b).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass

„[d]as Leitprinzip, das diesem Rahmen zugrunde liegt, besagt, dass Schulen alle Kin-der, unabhängig von ihren physischen, intellektuellen, sozialen, emotionalen, sprach-lichen oder anderen Fähigkeiten aufnehmen sollen. Das soll behinderte und begabte Kinder einschließen, Straßen- ebenso wie arbeitende Kinder, Kinder von entlegenen oder nomadischen Völkern, von sprachlichen, kulturellen oder ethnischen Minoritäten sowie Kinder von anders benachteiligten Randgruppen oder -gebieten“ (UNESCO, 1994a).

Die Salamanca-Erklärung geht also von einer von Natur aus gegebenen Unterschiedlichkeit

und Vielfalt der Menschen aus. Jede/r soll individuell mit ihren/seinen Eigenschaften, Kom-

petenzen, Neigungen und Bedürfnissen wahrgenommen werden, was auch in einem inklusi-

ven Unterricht berücksichtigt werden muss. Ein gemeinsames Leben und Lernen kann dann

gelingen, wenn die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden. Individuelle Fähigkeiten

und Bedürfnisse müssen erkannt und dementsprechend eingesetzt werden. Die Inklusion hat

den Anspruch, die Umgebung und Bedingungen an die unterschiedlichen Fähigkeiten und

Bedürfnisse aller Schülerinnen und Schüler anzupassen, anstatt von den Lernenden zu for-

dern, dass sie sich in die Strukturen einfügen, wie dies lange Zeit der Fall war.

Wie werden diese Forderungen der Salamanca-Erklärung schließlich in der Praxis umge-

setzt? Wie soll gelebte Inklusion konkret im schulischen Alltag ausschauen? Was macht eine

inklusiv gestaltete Schule aus? Diesen Fragen wurde unter anderem im Index für Inklusion

von Booth & Ainscow (2011) nachgegangen und im Zuge dessen ein Konzept für die Umset-

zung einer inklusiven Schule ausgearbeitet. Der Index wird nachfolgend kurz erläutert.

1.5 DER INDEX FÜR INKLUSION

Der Index for Inclusion für Schulen wurde in Großbritannien entwickelt und im Jahre 2000

erstmals veröffentlicht. Im Jahre 2003 wurde die deutsche Übersetzung von Ines Boban und

Andreas Hinz (2003) herausgegeben, die international für die Verbreitung und Weiterent-

wicklung des Index einen großen Stellenwert hat. Nach jahrelangem Erfahrungsaustausch

liegt inzwischen die dritte englische Version des Index for Inclusion für Schulen auf, die 2011

von Tony Booth und Mel Ainscow heraus gegeben wurde (Boban & Hinz, 2013).

Der Index gliedert sich in drei Dimensionen mit jeweils zwei Bereichen, die die verschiede-

nen Facetten der Inklusion aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit Hilfe von Indikatoren be-

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leuchten. Die Indikatoren stellen gewissermaßen eine Richtschnur dar, anhand derer fest-

gemacht werden kann, inwieweit eine Institution den Inklusionsgedanken umgesetzt hat be-

ziehungsweise welche Maßnahmen noch ergriffen werden können. Dazu stellt der Index

auch eine Reihe von Fragen zur Verfügung, mit denen herausgefunden werden kann, inwie-

weit die jeweiligen Indikatoren zutreffen.

Einige Beispiele von Indikatoren für eine inklusive Haltung, die im Index für den Bereich der

Erziehung und der Bildung herausgearbeitet wurden, sind unter anderem eine wertschätzen-

de Haltung gegenüber allen Schülerinnen und Schülern sowie allen Mitarbeiterinnen und

Mitarbeitern. Ein weiterer wichtiger Punkt stellt die Steigerung der Teilhabe und der damit

verbundene Abbau des Ausschlusses aller Schülerinnen und Schüler an Kultur, Unterricht

und der Gemeinschaft einer Schule dar. Auch die stetige Weiterentwicklung der Kulturen,

Strukturen und Praktiken einer Schule ist ein wesentlicher Aspekt, um einen adäquaten Um-

gang mit der Vielfalt der Schülerinnen und Schüler gewährleisten zu können. Eine große

Bedeutung im Index für Inklusion hat der Abbau von Barrieren für das Lernen und die Teil-

habe nicht nur jener Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen oder einem Anspruch

auf besonderen Förderbedarf, sondern aller Schülerinnen und Schüler. Eine große Hilfe sind

in diesem Zusammenhang Projekte, die genau diese Barrieren aufdecken und Veränderun-

gen bewirken und die grundlegende Haltung, dass Unterschiedlichkeit und Vielfalt als Chan-

ce für ein gemeinsames Lernen gelten und nicht als Hindernis, das es zu überwinden gilt.

Ein grundlegender Aspekt von Inklusion im Index ist auch das Recht eines jeden Kindes auf

eine wohnortnahe Bildung und Erziehung, sowie die bedeutsame Aufgabe einer Schule, den

Aufbau einer Gemeinschaft zu fördern, gemeinsame Werte heraus zu arbeiten sowie die

Leistungen aller zu verbessern. Grundsätzlich sollte der Anspruch bestehen, dass Inklusion

in Erziehung und Bildung eine grundlegende Voraussetzung von Inklusion in der Gesell-

schaft ist (Boban & Hinz, 2003b).

Inklusion bedeutet ständige Veränderung und einen niemals endenden Prozess auf dem

Weg zu einer Schule für alle und einer Pädagogik der Vielfalt. Es gilt, die Teilhabe aller zu

erhöhen und das Lernen zu steigern. Teilhabe meint, mit anderen Schülerinnen und Schü-

lern gemeinsam zu lernen und sich aktiv an Lernprozessen zu beteiligen. Letztendlich dreht

sich bei Inklusion alles um die ganzheitliche Wahrnehmung einer Person, die Akzeptanz so-

wie die Wertschätzung jedes einzelnen Menschen und darum, die Barrieren für alle auf ein

Mindestmaß zu reduzieren (ebd.).

Der Index für Inklusion stellt keine fertigen Lösungen in Form von Antworten auf bestimmte

Fragen zur Verfügung, sondern bietet mit seinen Indikatoren und Fragen vielmehr Anregun-

gen zur Reflexion und Selbstevaluation in der Entwicklung hin zu einer inklusiv gestalteten

Schule. Er soll helfen, ein Bewusstsein für Inklusion zu schaffen und den Fokus auf Themen

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zu richten, die sonst eher vernachlässigt würden. So sollen Planungsprozesse unterstützt

und Schritt für Schritt Annäherungen an eine Schule für alle ermöglicht werden. Der Index

bietet dazu ein Modell für eine zeitliche Strukturierung sowie inhaltliche Anregungen an

(Boban & Hinz, 2008).

1.5.1 DER AUFBAU DES INDEX FÜR INKLUSION

Der Index für Inklusion ist in drei Dimensionen eingeteilt, die zwar analytisch getrennt wur-

den, real aber miteinander vernetzt sind, wie in Abbildung 6 dargestellt. Diese sind jeweils

noch einmal in zwei Bereiche unterteilt (ebd.).

Abbildung 6: Inklusive Schule und Pädagogik

Zu jedem Bereich gehören zwischen fünf und elf Indikatoren, die Ziele vorgeben und zum

Vergleich mit der bestehenden Situation dienen. Daraus sollen weitere Entwicklungsschritte

abgeleitet werden. Die einzelnen Indikatoren beleuchten verschiedene Aspekte der Inklusion

in einer Schule. Tritt ein Aspekt in mehreren Indikatoren auf, verdeutlicht dies seine Wichtig-

keit. Die Bedeutung jedes Indikators wird durch eine Reihe von Fragen ergründet und so

werden die einzelnen Facetten jedes Indikators herausgearbeitet. Damit soll auch die Sensi-

bilität für bestimmte Aspekte einer inklusiven Schule erhöht, die Wahrnehmung gegenüber

der Situation in der eigenen Schule geschärft und Anregungen für weitere Entwicklungs-

schritte gegeben werden. Die Indikatoren dienen schließlich als Maßstab für die Einschät-

zung von Fortschritten. Relevant ist auch, dass die Fragen keineswegs vollständig sind, son-

dern noch Raum gelassen wurde, um eigene Fragen ergänzen zu können. So entsteht für

jede Schule ein eigener Index, angepasst an die jeweilige Situation und den bestehenden

Bedarf, indem Fragen weggelassen oder ergänzt werden können (Boban & Hinz, 2003b).

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Dimension A, Inklusive Kulturen schaffen, bildet mit den Bereichen Gemeinschaft bilden und

Inklusive Werte verankern die Basis. In dieser Dimension geht es darum, inwieweit ein inklu-

sives Selbstverständnis bereits in einer Schulgemeinschaft vorliegt. Die zweite Dimension,

Inklusive Strukturen etablieren, geht der Frage nach, wie sehr eine Schule in ihrer Organisa-

tion offen für alle ist. Sie besteht aus den beiden Bereichen Eine Schule für alle entwickeln

und Unterstützung für Vielfalt organisieren. Die dritte und letzte Dimension, Inklusive Prakti-

ken entwickeln, beschäftigt sich in den zwei Bereichen Lernarrangements organisieren und

Ressourcen mobilisieren mit der Etablierung inklusiver Praktiken. Darin wird der Frage nach-

gegangen, wie die inklusive Gestaltung von Unterricht und dem Schulleben aussieht (Boban

& Hinz, 2008).

Im Folgenden werden die genannten Dimensionen näher beschrieben.

1.5.1.1 DIMENSION A – INKLUSIVE KULTUREN

Die Fragen dieser Dimension zielen darauf ab, das inklusive Selbstverständnis, das in der

Schule vorherrscht, zu klären. Es soll eine Gemeinschaft geschaffen werden, in der jede

bzw. jeder wertgeschätzt und respektiert wird und individuell beste Leistungen erbracht wer-

den können. Dafür sollen inklusive Werte entwickelt und an alle Schülerinnen und Schüler,

Eltern, neue Kolleginnen und Kollegen sowie an die Mitglieder schulischer Gremien vermittelt

werden. Ziel ist es, das Lernen aller mittels einer stetigen Weiterentwicklung der Schule zu

verbessern, indem all jene Grundsätze und Werte einer inklusiven Schulkultur vermittelt wer-

den, die die Entscheidungen über Strukturen und Praxis im Schulalltag beeinflussen (Boban

& Hinz, 2003b).

BEREICH A 1: GEMEINSCHAFT BILDEN

Im ersten Bereich der Dimension A interessiert, wie sehr eine gleichberechtigte Zusammen-

arbeit von allen Beteiligten innerhalb der Schulgemeinschaft entwickelt wurde und ob auch

nach außen hin, also gegenüber dem schulischen Umfeld, eine Haltung vermittelt wird, die

jede und jeden willkommen heißt. Im Fokus liegt eine gewaltfreie, wertschätzende und posi-

tive Kommunikation (Boban & Hinz, 2008).

BEREICH A 2: INKLUSIVE WERTE VERANKERN

Im zweiten Teil der Dimension A geht es um die Entwicklung von Anerkennung, die jeder Art

von Barriere und Diskriminierung entgegenwirkt. Es wird erfragt, inwieweit die Unterstützung

für eine individuell bestmögliche Entwicklung und Leistung vorliegt. Auch hier geht es um

respektvollen, wertschätzenden Umgang bei dem jede bzw. jeder gleichwertig und ebenbür-

tig angesehen und behandelt wird (ebd.).

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1.5.1.2 DIMENSION B – INKLUSIVE STRUKTUREN

In dieser Dimension wird die Strukturierung innerhalb einer Schule beleuchtet. Es wird ge-

klärt, wie sehr Inklusion als Leitbild bereits in allen Strukturen verwurzelt und die Schule für

alle offen und zugänglich ist. Die Strukturen verstärken die Teilhabe aller und wirken dem

Aussonderungsdruck entgegen, was wegweisend für Veränderungen ist. Verschiedene Akti-

vitäten helfen, der Vielfalt der Schulgemeinschaft zu entsprechen und alle Formen der Un-

terstützung, die sich auf inklusive Prinzipien beziehen, werden in einen Kontext gebracht

(Boban & Hinz, 2003b).

BEREICH B 1: EINE SCHULE FÜR ALLE ENTWICKELN

Der erste Bereich der Dimension B erfragt, wie der Umgang mit Hierarchien und negativen

Stereotypen von Personen aussieht, wie zugänglich die Schule für alle aus der Umgebung

bzw. auch wie barrierefrei das Gebäude gestaltet ist und welche Unterstützung allen Neuan-

kömmlingen in der Schule zukommt. Ein Kernanliegen des Index für Inklusion ist insbeson-

dere die demokratische Teilhabe aller an den Geschehnissen des Schulalltags, etwa in Form

von Schulversammlungen oder –foren, wo das Schulleben diskutiert und weiterentwickelt

werden kann, sowie das Ermöglichen von selbstbestimmtem Lernen (Boban & Hinz, 2008).

BEREICH B 2: UNTERSTÜTZUNG FÜR DIE VIELFALT ORGANISIEREN

Im zweiten Bereich der Dimension B geht es darum, Unterstützungssysteme so zu gestalten,

dass diese nicht in irgendeiner Form stigmatisierend wirken und der Eindruck einer als nega-

tiv bewerteten Bedürftigkeit einzelner Schülerinnen und Schüler vermieden wird. Es sollen

vor allem innerhalb der Schule Unterstützungsnetzwerke so aufgebaut werden, dass die pä-

dagogische Qualität gestärkt wird, indem schulinterne sowie schulexterne Unterstützungs-

systeme koordiniert werden. Probleme werden innerhalb von Teams, je nach Bedarf aus

Lehrenden, Schülerinnen und Schülern und speziell ausgebildeten Fachleuten bestehend,

gelöst. Es soll vor allem präventiv gearbeitet werden, um Probleme zu vermeiden und die

Beratungen sollen möglichst flexibel gehandhabt werden. Wichtig für eine qualitativ gute in-

klusive Arbeit ist, dass sich die Zuständigkeit gewisser Strukturen nicht von vornherein auf

einen bestimmten Personenkreis beschränkt, sondern sich auf bestimmte Situationen und

Herausforderungen bezieht (ebd.).

1.5.1.3 DIMENSION C – INKLUSIVE PRAKTIKEN

Diese Dimension legt dar, dass jede Schule ihre Praktiken so gestalten soll, dass diese die

kulturellen Hintergründe der Schülerinnen und Schüler sowie die Strukturen der Schule zum

Ausdruck bringen. Der Unterricht wird so gestaltet, dass er der Vielfalt der Schülerinnen und

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Schüler gerecht wird. Die Schülerinnen und Schüler sollen möglichst aktiv und selbstständig

alle Belange ihres Lernens und ihrer Erziehung mitbestimmen und Einfluss darauf nehmen

können. Im Fokus stehen die Stärken, das Wissen sowie Erfahrungen, die auch außerhalb

der Schule gemacht werden. Gemeinsam mit Eltern, Lehrenden und örtlichen Institutionen

sollen die dafür nötigen Ressourcen mobilisiert werden, um ein aktives Lernen und die Teil-

habe aller zu unterstützen und zu fördern (Boban & Hinz, 2003b).

BEREICH C 1: LERNARRANGEMENTS ORGANISIEREN

In diesem Bereich wird die Qualität des Unterrichts in Hinblick auf inklusive Maßstäbe unter-

sucht, da dieser der Vielfalt der Schülerinnen und Schüler entsprechen muss. Besonderes

Augenmerk wird darauf gelegt, wie ein vernetztes Arbeiten innerhalb des Teams der Päda-

goginnen und Pädagogen sowie der Schülerinnen und Schüler organisiert wird. Eine hetero-

gene Zusammensetzung der Gruppen, sei es hinsichtlich unterschiedlicher intellektueller

Fähigkeiten, verschiedener ethnischer Herkunft, sozialer Schicht, Geschlecht, mit oder ohne

Behinderung, wird unbedingt als Bereicherung angesehen. Der Austausch innerhalb dieser

Gruppen wirkt sich äußerst positiv auf alle Beteiligten aus, da verschiedene Standpunkte

berücksichtigt und eigene Sichtweisen erweitert werden. Eine große Bedeutung haben dabei

die Steigerung des Selbstwertgefühls und der große Nutzen konstruktiver Kooperationen,

darunter vor allem das kooperative Lernen in einem offenen Unterricht (Boban & Hinz, 2008).

BEREICH C 2: RESSOURCEN MOBILISIERN

Im zweiten Bereich der Dimension C werden sämtliche Kenntnisse, Fähigkeiten bzw. Fertig-

keiten und Beziehungen von allen beteiligten Personen in Augenschein genommen, um eine

Optimierung der aktuellen Situation zu erreichen und die Perspektiven zu verbessern. Be-

sonderes Augenmerk liegt dabei auf der Verwendung und Generierung von Ressourcen. Vor

allem eine flexible Handhabe der Ressourcen und ein engagierter Unterstützerkreis aus dem

formellen aber auch informellen Umfeld sind von großer Wichtigkeit (ebd.).

1.5.2 DER INDEX FÜR INKLUSION IN DER PRAXIS

Der Index für Inklusion soll die Entwicklung zu einer inklusiven Schule unterstützen. Dieser

Prozess der Selbstevaluation verläuft, wie in Abbildung 7 dargestellt, in verschiedenen Pha-

sen. Ziel ist es, die Entwicklungspotenziale der Schule heraus zu arbeiten und nächste

Schritte einzuleiten, die zu einer inklusiven Schule führen (Boban & Hinz, 2003b).

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Abbildung 7: Der Index-Prozess und der Planungskreislauf der Schulentwicklung

Die erste Phase, Mit dem Index beginnen, dauert etwa ein Jahr und dient dazu, dass sich

eine dafür eingerichtete Koordinationsgruppe, bestehend aus dem Kollegium, schulische

Gremien, Eltern, Schülerinnen und Schüler mit dem Index vertraut machen kann. Die Aufga-

be dieser Gruppe ist es, den Fokus auf den Prozess der Schulentwicklung zu legen. Bei ei-

ner gemeinsamen Bestandsaufnahme werden vorhandene Kenntnisse und Erfahrungen aller

Beteiligten berücksichtigt. Diese dient schließlich als Basis für die Arbeit mit den Indikatoren

und Fragen. Es müssen Barrieren für das Lernen und eine Teilhabe identifiziert, Ziele für die

Entwicklung gesetzt und die Prozesse immer wieder reflektiert werden. Die Fragen und Indi-

katoren unterstützen den Prozess der Selbstevaluation (Boban & Hinz, 2003a).

„Schulentwicklung ist jedoch kein mechanischer Prozess; sie erwächst daraus, dass Werte, Gefühle und Handlungen miteinander verbunden werden, ebenso wie aus sorg-fältiger Reflexion, Analyse und Planung: ‚It is about hearts as much as minds’“ (Boban & Hinz, 2003b, S. 19).

1.5.3 PERSPEKTIVEN FÜR EINE INKLUSIVE SCHULE BZW. PÄDAGOGIK

Rückblickend kann nun zusammengefasst werden, dass Fortschritte in Richtung Inklusion

gemacht werden, wenn man in einer Schulkultur gewaltfreie Kommunikation und Werte wie

Gleichwertigkeit und Authentizität fördert, sich die Strukturen einer Schule an demokrati-

schen Prinzipien orientieren und sowohl schulinterne als auch -externe Unterstützungssys-

teme bereit gestellt werden und die Praktiken sich im Schulalltag auf gemeinschaftliches

Lernen in heterogenen Gruppen stützen.

Index für Inklusion - Lernen und Teilhabe in Schulen der Vielfalt entwickeln

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Der Index in der Praxis

"Er bewirkt Veränderungen, von de-

nen alle SchülerInnen profitieren, be-

einflusst Sichtweisen und steigert die

Aufmerksamkeit für die realen Bedeu-

tungen von Inklusion."

Abb. 6: Der Index-Prozess und der Planungskreislauf der Schulentwicklung

Schulentwicklung ist jedoch kein mechanischer Prozess; sie erwächst daraus, dass Werte,

Gefühle und Handlungen miteinander verbunden werden, ebenso wie aus sorgfältiger

Reflexion, Analyse und Planung: "I t is about hearts as much as minds."

Der Index in der Praxis

Der Index ist in sehr vielen Schulen in Großbritannien und in diversen anderen Ländern

eingesetzt worden. Den größten Nutzen haben Schulen von ihm, wenn sie die Materialien zu

ihrer eigenen Sache machen und sie ihren eigenen Umständen entsprechend modifizieren.

Versionen des Index auf Arabisch, Chinesisch, Deutsch, Finnisch, Französisch, Hindi,

Maltesisch, Norwegisch, Portugiesisch, Rumänisch, Spanisch, Schwedisch und Ungarisch

sind in Vorbereitung oder in Benutzung. Englische Versionen werden in Australien, Kanada,

Südafrika und den USA verwendet. Unterstützt durch die UNESCO hat ein internationales

Team geprüft, wie Versionen des Index für die ökonomisch armen Länder des Südens

entwickelt werden können (vgl. BOOTH & BLACK-HAWKINS 2001).

Dies macht deutlich, dass der Index für Inklusion einen

weiten Anwendungsbereich hat, über die auch ein

internationaler Austausch gepflegt wird. Jedoch besteht

großer Bedarf an mehr Beispielen über die Bedeutung

der Arbeit mit dem Index. Einige Beispiele finden sich

in Teil 2, eine Sammlung kurzer Berichte solcher

Arbeiten ist in Vorbereitung (vgl. CSIE 2002), ebenso

wie detaillierte Fallstudien mit dem Index in Aktion, die extra veröffentlicht werden.

Phase 1

Mit dem Index

beginnen

Phase 2

Die Schulsituation

beleuchten

Phase 3

Ein inklusives

Schulprogramm

entwerfen

Phase 5

Den Index-Prozess

reflektieren

Phase 4

Die Prioritäten

umsetzen

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1 Inklusion

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Fortbildungen zum Thema Inklusion, die vom Kollegium wahrgenommen werden, können

ebenfalls auf effektive Weise den Entwicklungsprozess hin zu einer inklusiven Schule unter-

stützen. Unabhängig jedoch von den Prioritäten, die im Schulentwicklungsprozess durch die

Arbeit mit dem Index für Inklusion gesetzt wurden oder aus welcher Ausgangslage sich eine

Schule in Richtung Inklusion bewegt, werden immer neue Impulse für die Schaffung einer

Weiterentwicklung in Richtung einer Schule für alle gesetzt.

Im nächsten Abschnitt sollen die Person Maria Montessori, ihr Leben und ihr Wirken sowie

die wichtigsten Grundelemente ihrer Pädagogik vorgestellt werden.

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2 Montessori Pädagogik

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2 MONTESSORI PÄDAGOGIK

„In Wirklichkeit trägt das Kind den Schlüssel zu seinem rätselhaften individuellen Dasein von

allem Anfang in sich. Es verfügt über seinen inneren Bauplan der Seele und über vorbe-

stimmte Richtlinien für seine Entwicklung“ (Montessori, 1952, S. 55f.).

2.1 DIE PERSON MARIA MONTESSORI

Maria Montessori kam am 31. August 1870 in der Provinz Ancona in Italien zur Welt. Die

Unterschiede zwischen Stadt und Land, Nord- und Süditalien, Reich und Arm waren zu die-

ser Zeit extrem. Bildung war nur der wohlhabenden Schicht vorbehalten, während die beste-

hende Schulpflicht von den ärmeren Schichten nur selten befolgt wurde (Kramer, 1988).

Montessori wuchs als Einzelkind in gutbürgerlichen Verhältnissen auf und wurde als willens-

stark, selbstsicher, pflichtbewusst sowie sehr zielstrebig beschrieben. Sie wurde früh dazu

angehalten, sich sozial zu engagieren, indem sie beispielsweise für ärmere Familien Klei-

dung strickte und sich einem körperlich beeinträchtigten Mädchen annahm (ebd.).

Im Jahre 1876 zog die Familie Montessori nach Rom und Maria Montessori wurde dort ein-

geschult. Der Unterricht damals war geprägt von Vorträgen der Lehrerinnen und Lehrer, lan-

gem Sitzen auf den Schulbänken und dem Abprüfen von auswendig Gelerntem, was ihr spä-

teres Engagement für Pädagogik nachhaltig prägte. Montessoris Wunsch, Medizin zu studie-

ren, war zu dieser Zeit Männern vorbehalten. Trotz großer Hindernisse studierte sie aber

schließlich als erste Frau Italiens Medizin und schloss das Studium 1896 mit Erfolg ab (ebd.).

In den letzten Jahren ihrer Studienzeit beschäftigte sich Maria Montessori bereits intensiv mit

der Kinderheilkunde und der Psychiatrie und übernahm 1897 auch eine Assistenzstelle in

einer psychiatrischen Klinik. Die Art, wie die geistig behinderten Kinder dort betreut wurden,

erschütterte Montessori allerdings sehr und sie begann sich mit den Werken der beiden Ärz-

te und Pädagogen Jean-Marc-Gaspard Itard und seinem Schüler Edouard Séguin zu befas-

sen. Beide waren davon überzeugt, dass die sinnliche Wahrnehmung dieser Kinder gefördert

werden müsse. Auch Montessori war der Meinung, dass die Kinder nicht nur gepflegt und

medizinisch versorgt werden müssten, sondern auch eine pädagogische Förderung erhalten

sollten. Die Kinder sollten einfache Tätigkeiten im Alltag selbst bewerkstelligen können und

dafür sollten ihre Feinmotorik sowie ihre Sinne geschult werden. Montessori begann sich von

da an auch für Pädagogik zu interessieren und beschäftigte sich mit den Ansichten Rousse-

aus und Pestalozzis und übernahm einige Ansichten Fröbels. Im Jahre 1900 übernahm Mon-

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2 Montessori Pädagogik

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tessori zusammen mit einem Kollegen die Leitung der Scuola Ortofrenica, einem medizi-

nisch-pädagogischen Institut, in dem Lehrerinnen und Lehrer für die Betreuung geistig be-

hinderter Kinder ausgebildet wurden. In der dazugehörigen Modellschule begann Montes-

sori, die von Itard und Séguin entwickelten Materialien zu verwenden, um die Wahrnehmung

und Geschicklichkeit von behinderten Kindern zu fördern. Durch die Erfolge, die sie damit

erzielte, stellte sie bald Überlegungen an, ob nicht auch normal entwickelte Kinder von die-

sen Materialien profitieren könnten. Auf Basis ihrer Beobachtungen entwickelte Maria Mont-

essori ihre Methode, Kinder zu unterrichten und zu erziehen, sowie weitere Materialien, die

später als die sogenannten Montessori-Materialien bekannt wurden (Kramer, 1988).

Im Jahre 1907 eröffnete Maria Montessori die Casa dei Bambini, ihr erstes Kinderhaus, im

Stadtteil San Lorenzo in Rom. Sie war mit der Betreuung von Arbeiterkindern beauftragt

worden. Allerdings hatte sie keinerlei finanzielle Mittel für Spielsachen, Möbel oder Mahlzei-

ten zu Verfügung gestellt bekommen und es gab nur einen einzigen Raum für etwa fünfzig

ziemlich verwahrloste Kinder im Volksschulalter. Die Kinder zeigten großes Interesse an den

Materialien, die Montessori bereits in der Scuola Ortofrenica verwendet hatte und sie began-

nen bald konzentriert zu arbeiteten, lernten eigenverantwortlich zu handeln, zu lesen und zu

schreiben. Das erregte das öffentliche Interesse und so bekam Montessori Unterstützung

aus der Mittel- und Oberschicht im In- und Ausland. Schon wenig später wurden weitere Kin-

derhäuser auch außerhalb Roms eröffnet (ebd.).

Ihren ersten Ausbildungskurs für Lehrerinnen und Lehrer hielt Maria Montessori 1909 ab. Sie

entwickelte ihre Methode weiter und schrieb sie in ihrem ersten Buch „Il Metodo della Peda-

gogica Scientifica applicato all’ educazione infantile nelle Case dei Bambini” nieder. Es wur-

de später in viele Sprachen übersetzt, wodurch die Montessori-Methode bald auf der ganzen

Welt bekannt wurde. Montessori hielt daraufhin weltweit Vorträge und Ausbildungskurse.

Das Buch „Dr. Montessori ́s Own Handbook“ erschien im Jahre 1914, in dem sie ihr Material

und dessen Handhabe genau beschrieb. Sie hatte grundsätzlich große Angst, dass ihre

Ideen nicht richtig verstanden und ihre Materialien falsch eingesetzt würden und bestand

daher darauf, die Ausbildungskurse persönlich abzuhalten. 1916 verlegte Maria Montessori

ihren Wohnsitz bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges 1936 nach Barcelona. 1917 reiste Mon-

tessori das erste Mal nach Holland, wo sie den Biologen Hugo de Vries kennenlernte. Mont-

essori machte Parallelen zwischen der kindlichen Entwicklung und der von de Vries beo-

bachteten Entwicklung bei Raupen aus. Montessori übernahm von de Vries den Begriff der

Sensitiven bzw. Sensiblen Perioden. Nach 1920 ging sie nach Amsterdam, um an der Uni-

versität über die Weiterentwicklung ihrer Methode, die nun über das Grundschulalter hinaus-

ging, vorzutragen. Diese Pläne für eine Sekundarerziehung wurden später als Die Erdkinder

bekannt (Kramer, 1988).

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2 Montessori Pädagogik

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Im Jahre 1922 übernahm Mussolini die Macht in Italien. Ihre Schulen wurden geschlossen

und aufgrund der politischen Entwicklungen übersiedelte Montessori 1936 nach England,

lebte zeitweise aber auch in Holland. Während des zweiten Weltkrieges wurden sämtliche

Montessori-Einrichtungen in Europa geschlossen. 1939 entschied sich Montessori, eine Vor-

tragsreise nach Indien zu unternehmen. Sie blieb aufgrund der Kriegswirren fast sieben Jah-

re lang dort, bildete tausende Lehrerinnen und Lehrer aus und traf auf Tagore, Gandhi und

Nehru, von denen Montessori große Anerkennung für ihre Arbeit bekam (ebd.).

Während Montessori in ihren Anfängen den Fokus auf das Vor- und Grundschulalter gelegt

hatte, begann sie sich im Alter für die Entwicklung im Säuglingsalter zu interessieren. Ihre

Ansichten schrieb sie im Buch The Absorbent Mind nieder.

Im Jahre 1946 kehrte Maria Montessori nach Holland zurück. Maria Montessori, nach dem

Krieg in Europa fast vergessen, nahm ihre Reisetätigkeit wieder auf und hielt weitere Vorträ-

ge sowie Ausbildungskurse. 1949 wurde Montessori für den Friedensnobelpreis vorgeschla-

gen und erhielt europaweit weitere Auszeichnungen. Wenige Monate vor ihrem zweiun-

dachtzigsten Geburtstag starb Montessori am 6. Mai 1952 in Holland (Kramer, 1988).

2.2 DAS BILD DES KINDES IN DER MONTESSORI-PÄDAGOGIK

2.2.1 DAS KIND ALS BAUMEISTER DES MENSCHEN

Maria Montessori propagierte mit ihrer Methode eine neue Sichtweise auf die Entwicklung

der Kinder sowie deren Erziehung. Das Kind und seine Entwicklungsbedürfnisse stehen da-

bei im Mittelpunkt eines jeden pädagogischen Handelns. Montessori erkannte das Kind als

eigenständiges Individuum an, das in der Lage ist, aus eigener Kraft seine Persönlichkeit zu

entwickeln. Ihre Forderungen formulierte Montessori in Form der Bitte eines Kindes „Hilf mir

es allein zu tun“ (Montessori, 1952, S. 274), die auch als Leitmaxime ihrer Methode gesehen

werden kann. Es war ihr besonders wichtig, dass Eltern ihre Kinder beschützen, deren Rech-

te achten und anerkennen, sich aber nicht als Bauherren ihrer Kinder sehen sollen und diese

durch Ratschläge, Richtlinien und Anreize als Abbild ihrer selbst schaffen wollen

(Montessori, 1952).

„Das Kind ist nicht ein ‚leeres Gefäß’, das wir mit unserem Wissen angefüllt haben und das uns so alles verdankt. Nein, das Kind ist der Baumeister des Menschen, und es gibt niemanden, der nicht von dem Kind, das er selbst einmal war, gebildet wurde“ (Montessori, 2002, S. 13).

Montessori machte die Beobachtung, dass Kinder in ihrer Entwicklung bestimmte sensible

Phasen durchlaufen, die bei jedem Kind individuell auftreten. In diesem Zeitrahmen besteht

für das Kind die Möglichkeit, eine intensive Verbindung zur Umwelt herzustellen und sich

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2 Montessori Pädagogik

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bestimmte Fähigkeiten mühelos anzueignen. Ist dies geschehen, „…senkt sich ein Schleier

der Gleichgültigkeit und Müdigkeit über die Seele des Kindes“ (Montessori, 1952, S. 64). Ist

eine sensible Phase verpasst worden, können die jeweiligen Fertigkeiten nur noch mit größe-

rer Anstrengung und Willenskraft mühevoll angeeignet und die Tätigkeiten ermüdend wer-

den. Den Begriff der Sensiblen Phasen übernahm Maria Montessori, wie in Kapitel 2.1. be-

reits erwähnt, vom niederländischen Biologen Hugo de Vries, der bestimmte Empfänglich-

keitsperioden in der Entwicklung von Raupen beobachten konnte. Er nannte diese Sensitive

oder Sensible Phasen. De Vries beschrieb die Sensiblen Phasen als begrenzte Zeitfenster,

die ein Lebewesen empfänglich machen, sich bestimmte Fähigkeiten anzueignen

(Montessori, 1952).

Montessori war davon überzeugt, dass das Kind von Geburt an über einen inneren Bauplan

für seine individuelle Entwicklung und Persönlichkeit verfügt. Sie beschreibt das Kind als

geistigen Embryo der nach seiner Geburt erst einmal auf Liebe und Nahrung angewiesen ist,

sich aber im Austausch mit seiner Umwelt zu entfalten beginnt. Das Kind fängt an, die „Um-

welt zu absorbieren“ (Montessori, 1952, S. 57), baut daraus seine Persönlichkeit auf und

wird so zum „Schöpfer des Menschen“ (Montessori, 1952, S. 58). Die Erwachsenen haben

dabei die Verantwortung, die Bedürfnisse der Kinder zu erkennen und ihnen eine entspre-

chende vorbereitete Umgebung zu schaffen (Montessori, 1952).

Der absorbierende Geist ist für Montessori die Grundlage für die Entwicklung des Kindes in

den ersten sechs Lebensjahren, durch den das Kind alle Eindrücke von seiner Umwelt auf-

nimmt. Ein Reifen und Lernen erfolgt jedoch nur dann unbewusst, mühelos und nachhaltig,

wenn es durch die vorbereitete Umgebung, die Freiheit und das ErzieherInnenverhalten zur

Nutzung der sensiblen Phasen kommt. Dafür bringt das Kind schon von Anfang an Potentia-

le mit, die Montessori, in Anlehnung an kosmische Sternennebel, Nebule benannte. Damit

meinte sie, dass die Anlagen eines Kindes erst formlos vorhanden sind, sich aber durch den

absorbierenden Geist und durch den Austausch mit der Umwelt nach und nach zu entfalten

beginnen. Geleitet wird dieser Prozess von einer Energie, die die Entwicklung und das Ler-

nen vorantreibt. Diesen vitalen Antrieb benannte Montessori Horme und übernahm diesen

Begriff von Percy Nunn. Das Ziel dieser Antriebskraft ist das Erlangen von Unabhängigkeit

(Montessori, 2002).

Im folgenden Kapitel werden die jeweiligen Sensiblen Phasen genauer beleuchtet.

2.2.2 DIE SENSIBLEN PHASEN

Maria Montessori beschrieb die verschiedenen Entwicklungsstufen eines Kindes in Form von

drei Phasen bzw. Perioden.

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Die erste Phase, die sogenannte Schöpferische Periode, dauert von der Geburt bis zum 6.

Lebensjahr und ist entscheidend für das gesamte Leben, da in ihr der Grundstein für die

Entwicklung der Persönlichkeit, Bildung und Intelligenz gelegt wird. Diese Phase lässt sich in

zwei Teilphasen gliedern. Die erste Teilphase ist die des unbewussten Absorbierens, die von

der Geburt bis zum 3. Lebensjahr andauert und von der Tätigkeit des absorbierenden Geis-

tes gekennzeichnet ist. In dieser Zeit werden die Grundsteine für Bewegung, Intelligenz,

Sprache und Ordnung gelegt. Das Kind nimmt unbewusst, mit all seiner inneren Energie sei-

ne Umwelt auf (Montessori, 2002). Der Sinn, für den das Kind zwischen null und drei Jahren

besonders sensibel ist, ist der Ordnungssinn. Alle Sinneseindrücke, die auf das Kind einwir-

ken, kommen ungeordnet bei ihm an und so legt es besonderen Wert darauf, dass die Um-

welt gleich bleibt und Ordnung und Rituale eingehalten werden. Die Ordnung hilft dem Kind,

sich in seiner Umwelt zurechtzufinden und ist so ein wesentlicher Bestandteil seiner Persön-

lichkeitsentwicklung (Montessori, 1952). Die zweite Teilphase ist die des bewussten, aktiven

Aneignens, die vom 3. bis zum 6. Lebensjahr dauert. In dieser Phase wird das Kind vom un-

bewussten Schöpfer zum bewusst Handelnden. Die in der vorangegangenen Teilphase ab-

sorbierten Eindrücke wollen nun analysiert, benannt, einander zugeordnet sowie in der Welt

erlebt und umgesetzt werden. So folgt beispielsweise die Schreibexplosion auf die vorange-

gangene Sprachentwicklung. Diese Phase ist aber auch von der Sensibilität für die Entwick-

lung eines Selbstbewusstseins und des Willens gekennzeichnet. Das Kind eignet sich durch

das eigene Handeln die Kultur an und entwickelt seinen Charakter (Montessori, 2002).

Die zweite Phase ist die Phase von Verstand und Gewissen und dauert vom 6. bis zum 12.

Lebensjahr. Sie steht im Zeichen des Wachsens sowie der gesundheitlichen, körperlichen

und geistigen Stabilität. Die Kinder sind besonders für Moral, Werte und Normen einer Ge-

sellschaft empfänglich und entwickeln ein Gewissen. Daher greifen soziales, moralisches

und intellektuelles Lernen bei Montessori konsequent ineinander. Die größte Leistung des

Kindes in dieser Phase besteht im Aufbau einer eigenen starken Persönlichkeit. Im Wesent-

lichen geschieht dies in den Momenten der Polarisation der Aufmerksamkeit, möglichst ohne

Störeinflüsse von außen (ebd.).

Die dritte und letzte Phase ist die Phase von Geborgenheit und Aufbruch, die vom 12. bis

zum 18. Lebensjahr andauert. Diese Phase ist durch immense körperliche Veränderungen

bestimmt. Der Fokus liegt in dieser Zeit darauf, vor allem durch produktive Arbeiten das

Selbstbewusstsein zu stärken. Die Jugendlichen sind gegenüber Gerechtigkeit und der Ach-

tung persönlicher Würde besonders sensibel, dem entsprechend ist ein respektvoller, ver-

ständnisvoller Umgang von größter Bedeutung (Montessori, 1988, zitiert nach Oswald &

Schulz-Benesch, 2009). Mit dem Gewissen, das die Kinder in der vorherigen Phase entwi-

ckelt haben, unterscheiden sie nun zwischen Gut und Böse (Montessori, 2002). Als Ärztin

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2 Montessori Pädagogik

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waren für Maria Montessori die körperliche Gesundheit, ausreichend frische Luft und gesun-

de Nahrung die Grundvoraussetzungen für optimale Lern- und Arbeitsbedingungen. Ihre de-

taillierten Ansichten über diese Phase finden sich in den Ausführungen die Erdkinder oder

die Landkinder (Montessori, 1988, zitiert nach Oswald & Schulz-Benesch, 2009).

Montessori unterscheidet zwischen positiven und negativen Anzeichen zum Erkennen sen-

sibler Phasen. Positive Anzeichen äußern sich dadurch, dass das Kind durch das Zusam-

menspiel von sensibler Phase und vorbereiteter Umgebung Erfahrungen machen kann. Es

kann sich auf Tätigkeiten mit Freude und großem Interesse einlassen und vertiefen. Negati-

ve Anzeichen hingegen lassen sich feststellen, wenn das Kind nicht die Möglichkeit hat, sich

gemäß den entsprechenden sensiblen Phasen zu entwickeln. Es reagiert mit frustriertem

und aggressivem Verhalten, das Erwachsene meist missverstehen und als Launen abtun.

Tatsächlich können diese Verhaltensweisen aber Ausdruck für eine seelische Krise sein,

hervorgerufen durch die Unfähigkeit, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Kann sich das Kind

jedoch gemäß seinen sensiblen Phasen in einer entsprechenden vorbereiteten Umgebung

entwickeln, so bildet sich in dieser Zeit seine Persönlichkeit heraus (Montessori, 1952).

Weitere Schlüsselbegriffe der Montessori-Pädagogik sind die Polarisation der Aufmerksam-

keit und die Normalisation, die im folgenden Kapitel näher erläutert werden.

2.2.3 POLARISATION DER AUFMERKSAMKEIT UND NORMALISATION

Das Phänomen der Polarisation der Aufmerksamkeit entdeckte Maria Montessori als sie ein

dreijähriges Mädchen im Kinderhaus beobachtete, das sich mit einem bestimmten Material,

nämlich den Einsatzzylindern beschäftigte. Es nahm die einzelnen Zylinder heraus und

steckte sie wieder in den Block ohne sich von äußeren Störungen ablenken zu lassen. Mont-

essori berichtete, dass das Mädchen nach 44 Wiederholungen plötzlich und ohne sichtbaren

Anlass mit ihrer Beschäftigung aufhörte, dabei aber nicht müde, sondern sichtlich erholt,

glücklich und zufrieden wirkte.

Es darf also nicht davon ausgegangen werden, dass Kinder nur ziellos umher wandern und

unstet sind, sondern durchaus ein inneres Bedürfnis haben, sich konzentriert in eine Arbeit

zu vertiefen. Voraussetzung dafür sind in erster Linie eine entsprechende, vorbereitete Um-

gebung, die freie Wahl der Beschäftigung und die Möglichkeit, die Tätigkeit öfters wiederho-

len zu können. Dadurch ist ein Begreifen im wahrsten Sinne des Wortes möglich und nur

dann kann das Kind sich in seine Tätigkeit vertiefen (Montessori, 2004; Montessori, 2002,

zitiert nach Oswald & Schulz-Benesch, 2009).

Diese tiefe Konzentration verläuft in drei Stufen. Zunächst ist das Kind in der Phase der Un-

ruhe meist auf der Suche nach neuen Aufgaben. Dabei kommt der Antrieb zur Suche vom

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2 Montessori Pädagogik

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Kind selbst, geleitet von seinem Interesse. Hat das Kind eine Arbeit gefunden, besorgt es

sich das Material, das es für seine Arbeit braucht und richtet sich seinen Arbeitsplatz her. In

der zweiten Phase, der Phase der großen Arbeit verfällt das Kind in völlige Konzentration. Es

ist in seine Tätigkeit ganz und gar vertieft, lässt sich durch nichts stören und löst sich voll-

kommen von seiner Umwelt. Ist eine gewisse Sättigung erreicht, beendet das Kind die Tätig-

keit von sich aus. In dieser Phase ist es wichtig, dass eine intensive Auseinandersetzung mit

der Tätigkeit stattgefunden hat. Danach folgt die Phase des Ausklangs, in der das Material

und der Arbeitsplatz vom Kind aufgeräumt werden. Es ist gedanklich noch bei der vorherigen

Tätigkeit und braucht noch ein wenig Zeit, um sich auf weitere Beschäftigungen einlassen zu

können. Ziel ist es, die konzentrierte Arbeit zur Gewohnheit werden zu lassen. Es kommt

dabei zur Stärkung der Persönlichkeit und das Kind baut seine Ich-Stärke auf, was eines der

wichtigsten Ziele der Montessori-Methode ist (B. Stein, 2003). Das Kind findet seinen Platz in

der Ordnung der Welt und spürt eine große Zufriedenheit. Aus diesem Bewusstsein heraus

kann sich das Kind anderen Personen und den Dingen der Umwelt in Zuneigung zuwenden.

So wie eine Person ein gesichertes Verhältnis zu sich selber hat, kann sie sich auch anderen

Menschen zuwenden und ihnen mit Verständnis begegnen (Montessori, 2002).

Durch die konzentrierte Arbeit, das Vertiefen in eine Tätigkeit kommt es zur Normalisierung

(ebd.). Ein normalisiertes Kind ist nach Maria Montessori ein psychisch gesundes Kind, das

sich seinen Entwicklungsimpulsen entsprechend harmonisch entwickeln kann. Das Kind lernt

in der Gemeinschaft konzentriert zu arbeiten und erwirbt dadurch nicht nur Wissen, sondern

auch ein stabiles Arbeits- und Sozialverhalten. Es kann selbstständig, ausdauernd und kon-

zentriert, eigenverantwortlich und diszipliniert arbeiten (B. Stein, 2003). Das normalisierte

Kind wird von den Erwachsenen verstanden und geachtet. Es fühlt sich angenommen, er-

kannt und unterstützt. Geschieht dies nicht, kommt es zur großen Verunsicherung und das

Kind entwickelt sich zu einer zerrissenen Persönlichkeit (Montessori, 1934, zitiert nach

Oswald & Schulz-Benesch, 2009).

Um das Konzept der Montessori-Pädagogik nachvollziehen zu können, ist es nötig, sich mit

einigen Grundgedanken desselben auseinander zu setzen. Diese werden im folgenden Ab-

schnitt behandelt.

2.3 DIE GRUNDLAGEN UND ZIELE DER MONTESSORI-

PÄDAGOGIK

Maria Montessori hat in ihrer Methode einige Grundprinzipien dargelegt, die die Rahmenbe-

dingungen für ein optimales Reifen und Lernen der Kinder ermöglichen sollen. Diese dienen

aber auch der Umsetzung des Inklusionsgedankens.

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2 Montessori Pädagogik

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2.3.1 DIE VORBEREITETE UMGEBUNG

Für Montessori war die vorbereitete Umgebung ein wesentliches Kriterium, um dem Kind ein

selbstständiges Arbeiten und damit die Entwicklung seiner Persönlichkeit ermöglichen zu

können. Diese besteht zum einem aus den Räumlichkeiten, der Erzieherin/dem Erzieher und

dem Material.

Die Räumlichkeiten beschrieb Montessori als „...ruhige und gesunde Umgebung, in der sich

die latenten Energien des Kindes auswirken können“ (Montessori, 1934, S. 265-285, zitiert

nach Oswald & Schulz-Benesch, 2009, S. 29). Montessori passte die Türklinken, Waschbe-

cken und Möbel an die Größe der Kinder an, damit sie sich ihren Bedürfnissen entsprechend

selbstständig bewegen können. Die Räume sollen gemütlich sein und sind mit Vorhängen

und Bildern ausgestattet. Außerdem sollte es eine Möglichkeit zur Tier- und Pflanzenpflege

geben (Montessori, 2004a). „Diese vorbereitete Umgebung ist ein Ganzes, das sich vom

Leben des Kindes her formt. Ihr Charakteristikum ist die sie durchdringende Ordnung, die

aber nicht nur zweckhaft gesetzt ist. Mit der Ordnung verbunden ist die Schönheit und der

Reichtum des Lebens“ (Helmig, 1987, S. 33, zitiert nach Oswald & Schulz-Benesch, 2009, S.

222). Das Kind muss gemäß seiner inneren Entwicklung, der sensitiven Perioden und aus

eigenem Interesse handeln dürfen und soll in seinen Tätigkeiten nicht unterbrochen werden.

Weder im Kinderhaus noch in der Schule gibt es daher ein fix vorgegebenes Programm

(Montessori, 1934, zitiert nach Oswald & Schulz-Benesch, 2009).

Das Montessori-Material ist ein weiterer Bestandteil der vorbereiteten Umgebung und lässt

sich in die Bereiche Übungen des täglichen Lebens, Sinnes- und Sprachmaterial, mathema-

tisches und kosmisches Material einteilen. Grundsätzlich beziehen sich die verschiedenen

Materialien aufeinander und sind teilweise aufeinander aufgebaut (Esser & Wilde, 1989).

Die Übungen des täglichen Lebens dienen der individuellen und sozialen Entwicklung des

Kindes. Sie lassen sich in die Übungen des praktischen Lebens, welche Handlungsabläufe

des Lebensalltages erfahrbar machen und die Sinnes- und Bewegungserziehung unterstüt-

zen, sowie die Übungen des sozialen Lebens, die das Erlernen zwischenmenschlicher Um-

gangsformen ermöglichen, unterteilen (ebd).

Die Materialien von Édouard Séguin und Jean Itard dienten Maria Montessori als Vorlage für

das Sinnesmaterial, das sie zum Teil übernahm, aber dann auch erweiterte und weiterentwi-

ckelte. Dieses Material hat die Aufgabe, die Sinne und damit die Wahrnehmung zu schulen

(Montessori, 2004a). Das didaktische Material dient der selbsttätigen Erziehung, dem selbst-

tätigen Lernen und somit der Stärkung der Persönlichkeit (Montessori, 1976, zitiert nach

Oswald & Schulz-Benesch, 2009).

Das Montessori-Material zeichnet sich durch bestimmte Kriterien aus. Die Isolierung einer

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einzigen Eigenschaft bedeutet, dass im Mittelpunkt eines jeden Sinnesmaterials ausschließ-

lich eine Sinnesqualität steht, sodass die Aufmerksamkeit auf nur eine Eigenschaft gelenkt

wird, beispielsweise nur auf eine Farbe oder eine Dimension (Montessori, 2004a). Weiters

muss das Material mit seinem stillen Aufforderungscharakter das Kind zur Aktivität verleiten,

es in seinem Sinne ansprechen, es interessieren und zur Wiederholung ermuntern, was

dann zur so genannten Polarisation der Aufmerksamkeit führen soll (Holtz, 2003). Die Feh-

lerkontrolle erfolgt durch das Kind selbst (Montessori, 2004a). Das Kind wird nicht von einem

Erwachsenen korrigiert, wenn es einen Fehler macht, da die Rückmeldung durch das Mate-

rial selbst erfolgt (Holtz, 2003). Durch die Begrenztheit des Materials wird es interessanter

und hilft dem Kind, die Gegenstände seiner Umgebung im Geist zu ordnen (Montessori,

2004a). Außerdem spielt dabei die soziale Erziehung eine große Rolle. Ist das Material be-

reits vergeben, muss sich das Kind gedulden und kann entweder das Material zu einem spä-

teren Zeitpunkt benutzen oder es verhandelt mit den anderen Kindern über eine Partner-

bzw. Gruppenarbeit (Holtz, 2003). Ein weiterer Aspekt ist die Ästhetik des Materials, das an-

ziehend, schlicht und robust sein soll. Dies fordert die Wertschätzung und Fürsorge des Ma-

terials vom Kind (Montessori, 2004a).

Die Einführung und den Umgang mit dem Material nennt Montessori Lektionen. Dabei ist es

wichtig, dass das Kind von nichts abgelenkt wird, das nicht mit der Lektion zu tun hat

(Montessori, 2004a). Die Lehrerin/der Lehrer holt mit dem Kind gemeinsam das Material,

damit das Kind dessen Platz kennen lernt und das Material dorthin auch wieder zurückräu-

men kann und bringt es zu einem leeren Tisch oder Teppich, der zuvor hergerichtet wurde

(Esser & Wilde, 1989). Die Lehrerin/der Lehrer zeigt dann ein- bis zweimal die Übung im

vollständigen Ablauf vor (Montessori, 2004a). Dabei wird so wenig wie möglich gesprochen,

denn die Erklärungen würden das Kind nur von der Handlung ablenken. Hat das Kind die

Lektion verstanden, übernimmt es die Tätigkeit und arbeitet selbstständig weiter (Esser &

Wilde, 1989).

Das Sprachmaterial beginnt im Kinderhaus mit den Sandpapierbuchstaben, die die Grundla-

ge darstellen, um Lesen zu lernen. Diese werden mit dem Zeige- und Mittelfinger nachgefah-

ren und dazu wird der Laut gesprochen. Bei diesem Vorgang prägt sich das Kind den Buch-

staben optisch, haptisch und akustisch ein. Es folgen verschiedenste Materialien mit denen

das Kind die verschiedenen Wortarten und die Grammatikregeln erlernt (ebd.).

Das Mathematische Material beginnt im Kinderhaus mit dem Sinnesmaterial, wie beispiels-

weise dem Rosa Turm und den Einsatzzylindern, mit denen das Kind zu ordnen und zu klas-

sifizieren beginnt. Es folgt eine Vielzahl von weiteren Materialien, um die Ziffern und Zahlen

kennen zu lernen, sowie die Grundrechenarten zu erlernen (Esser & Wilde, 1989).

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Das Kosmische Material ist für Montessori ein grundlegendes Material. Sie war der Ansicht,

dass der gesamten Schöpfung ein ganzheitlicher Plan zugrunde liegt und der Mensch als

Teil der Erde und der Natur angesehen wird. Jedes Lebewesen, jede Pflanze erfüllt sei-

ne/ihre Aufgaben und es gilt, die Vorgänge und Gesetze der Natur zu verstehen und zu ach-

ten. Der Mensch nimmt allerdings eine gesonderte Position ein, weil er im Gegensatz zur

restlichen Natur in der Lage ist bewusst Entscheidungen zu treffen (Esser & Wilde, 1989).

2.3.2 DIE ROLLE DER ERZIEHERIN/DES ERZIEHERS

Die Erzieherin/der Erzieher hat eine Doppelrolle in der vorbereiteten Umgebung. Einerseits

ist sie/er Teil dieser und zum anderen ist sie/er aber auch verantwortlich für sie und steht

quasi über ihr. Sie/Er ist Sachwalterin/Sachwalter der vorbereiteten Umgebung, die sie/er

gestaltet und herrichtet, die/der das Material pflegt, instand hält und ergänzt, aber auch das

Kind in den Umgang mit dem Material einweist. Außerdem ist die/der Erziehende die Garan-

tin/der Garant der Polarisation der Aufmerksamkeit und achtet somit darauf, dass das Kind

sich in seine Arbeit vertiefen, sich darauf konzentrieren kann und nicht gestört wird

(Montessori, 2004a). Eine Montessori-Erzieherin/ein Montessori-Erzieher hat die Aufgabe,

die sensitiven Perioden der Kinder wahrzunehmen und die vorbereitete Umgebung dement-

sprechend zu richten. Dabei muss die/der Erwachsene passiv werden, damit das Kind in

seinen Handlungen aktiv werden kann und die Entwicklung des Kindes so nicht behindert

wird (Montessori, 1934, zitiert nach Oswald & Schulz-Benesch, 2009). Arbeiten die Kinder

unabhängig und selbstständig, ist das Ziel der Montessori-Methode erreicht. Die Erziehe-

rin/der Erzieher muss darauf vertrauen, dass die Kinder selbstständig arbeiten wollen und

können. Es ist die Aufgabe der Erwachsenen, das Kind zum selbstständigen Handeln und

Denken hinzuführen, es zu ermutigen, seinen Willen und eigene Vorstellungen zu haben,

damit es von Erwachsenen unabhängig werden kann (Montessori, 1998, zitiert nach Oswald

& Schulz-Benesch, 2009). Montessori brachte diese Ansichten sehr klar zum Ausdruck:

„Unsere Auffassung ist also weder die, daß (sic!) der Erwachsene dem Kinde jede Tä-tigkeit abnehmen, noch die, daß (sic!) die Umwelt passiv sein und der Erwachsene das Kind völlig sich selber überlassen soll. So genügt es denn nicht für das Kind Gegen-stände zuzurüsten, die in Form und Ausmaß zu ihm passen: er (sic!) gilt, den Erwach-senen zuzurüsten, auf daß (sic!) er ihm zu helfen vermöge“ (Montessori, 1952, S. 275).

Die Erzieherin/der Erzieher fungiert aber auch als Vorbild für das Kind in seinen/ihren Verhal-

tens- und Denkmustern. Das Kind soll immer mit Wertschätzung und Respekt behandelt

werden (Montessori, 1998, zitiert nach Oswald & Schulz-Benesch, 2009). Eine der wichtigs-

ten Aufgaben einer Montessori-Erzieherin/eines Montessori-Erziehers ist die Beobachtung,

die Schaukraft. Sie/Er muss in ihrer/seiner Wahrnehmung positiv eingestellt sein und wis-

senschaftlich genau das Beobachtete interessensneutral, ohne Interpretationen festhalten.

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2 Montessori Pädagogik

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Die Beobachtungen sollen dauerhaft und langfristig sein, sodass Prozesse und Entwicklun-

gen mit erfasst werden (Montessori, 1976, zitiert nach Oswald & Schulz-Benesch, 2009).

Eine Montessori-Erzieherin/ein Montessori-Erzieher muss risikobereit sein und abwarten

können, um dem Kind die Chance zu geben, Schwierigkeiten selbst lösen zu können

(Montessori, 2004a).

Schließlich ist die Erzieherin/der Erzieher Garantin/Garant der Freiheit in Verantwortung.

2.3.3 FREIHEIT UND FREIARBEIT

In der Montessori-Pädagogik spielt der Zusammenhang von vorbereiteter Umgebung, Frei-

heit, Disziplin und Ordnung eine wichtige Rolle. Montessoris Begriff von Freiheit bedeutet,

sich verantwortlich gegenüber der eigenen Person, anderen Menschen und der Umgebung

zu verhalten. Die Bedingungen der Freiheit müssen allerdings so gestaltet sein, dass das

Kind zu einem verantwortlichen Umgang mit der Umgebung und dem Material sowie mit der

Freiheit in der Lage ist. Die vorbereitete Umgebung muss mit den inneren Bedürfnissen des

Kindes übereinstimmen. Nur so kann das Kind sich strukturieren. Die Ordnung in der Umge-

bung ist ein ebenso wichtiger Grundsatz bei Montessori. Es muss eine feste Ordnung für

jedes Material geben, denn Ordnung gibt Sicherheit und sorgt damit für Ordnung im Geist

des Kindes und für sein seelisches Wohlbefinden (Steenberg, 2003). Freiheit im Sinne Mon-

tessoris heißt aber vor allem auch Entwicklungsfreiheit. Das bedeutet, dass das Kind die

Möglichkeit haben soll, sich gemäß seines inneren Zeitplans entwickeln und sich nach sei-

nen eigenen Bedürfnissen entfalten zu dürfen. Das Kind soll unabhängig vom Erwachsenen

handeln dürfen und können (Montessori, 1934, zitiert nach Oswald & Schulz-Benesch,

2009). Das Kind soll seinen Willen entdecken und entwickeln, da der Wille das Kind wachsen

lässt. „Der bewusste Wille ist eine Macht, die sich durch die Übung und die Arbeit entwickelt“

(Montessori, 2002, S. 228). Zuerst wählt das Kind seine Tätigkeiten unbewusst und spontan,

später beginnt es dann bewusst und willentlich zu handeln (ebd.). Die Kinder sollen frei le-

ben, selbstständig handeln, sich über ihren Willen bewusst sein und sich in der Gemein-

schaft zu sozial verantwortungsbewussten Menschen entwickeln. Durch ihre erworbene Ich-

Stärke werden sie auch ihre eigenen Leistungen immer mehr vorantreiben (Montessori,

1934, zitiert nach Oswald & Schulz-Benesch, 2009).

Freiheit bedeutet allerdings nicht, wie es so oft missverstanden wird, ein Gewähren-lassen

oder dass sich ein Kind launig und zerstörerisch verhält. „Die Freiheit unserer Kinder hat als

Grenze die Gemeinschaft, denn Freiheit bedeutet nicht, dass man tut, was man will, sondern

Meister seiner selbst zu sein“ (ebd. S. 32).

Ein wichtiger Bestandteil der Montessori-Pädagogik ist die sogenannte Freiarbeit. Dabei hat

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2 Montessori Pädagogik

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das Kind die freie Wahl der Arbeit. Montessori war überzeugt davon, dass es zwecklos wäre,

einem Kind eine Tätigkeit aufzuzwingen und dass die Wahl aus eigenem Interesse heraus

stattfinden muss. Die freie Wahl des Ortes bedeutet, dass das Kind frei wählt, wo es arbeiten

möchte und durch die freie Wahl der Zeit entscheidet das Kind, wie lange es sich mit einer

Tätigkeit beschäftigen will. Die Kinder arbeiten mit dem Material höchst konzentriert und wie-

derholen ihre Tätigkeit immer und immer wieder. Für Montessori besteht ein unmittelbarer

Zusammenhang zwischen der Konzentration und den Wiederholungen, die das Kind reifen

lassen. Schließlich hat das Kind auch die freie Wahl der Sozialform, also ob es alleine oder

mit jemandem zusammen arbeiten möchte (Montessori, 2004a).

Besonders am Herzen lag Maria Montessori die soziale Erziehung, bei der das Prinzip der

Altersmischung eine große Rolle spielt.

2.3.4 SOZIALE ERZIEHUNG UND DAS PRINZIP DER ALTERSMISCHUNG

Je mehr Kinder in einer Gruppe sind, desto einfacher können mit unterschiedlichen Charak-

teren soziale Erfahrungen gemacht werden. Für Montessori war es aber auch wichtig, dass

die Kinder nicht altersmäßig zusammengefasst, sondern altersgemischt gruppiert werden.

Für die betreuende Person ist es wesentlich einfacher, Kinder unterschiedlichen Alters zu

versorgen, da sie für einander Gefährten sind und einander helfen können. Jüngere Kinder

bitten oft lieber etwas ältere Kinder darum, ihnen etwas zu erklären, da diese ihnen in der

Geistesform ähnlicher sind und deren Erklärungen leichter aufgenommen werden als die von

Erwachsenen. Die Älteren geben diese Hilfestellungen gerne und genießen es, dafür be-

wundert zu werden und die Jüngeren sind wiederum angespornt und arbeiten alleine weiter.

Es ist ein sehr soziales Miteinander, indem keine/r das Gefühl hat, unterlegen zu sein, denn

es kommt jede/r an die Reihe, in jeder Altersstufe vertreten zu sein. Ein weiterer Vorteil der

Altersmischung ist, dass die jüngeren Kinder die Möglichkeit haben, den älteren bei deren

Tätigkeiten zuzuschauen und sich dafür zu interessieren (Montessori, 2002).

Die Begrenztheit des Materials ist auch ein Aspekt, der die soziale Erziehung in der Montes-

sori-Methode unterstützt. Jedes Montessori-Material ist nur einmal vorhanden und die Kinder

müssen sich verständigen, wer das Material wann benutzen kann. Das Kind muss lernen zu

warten und geduldig zu sein. Aber auch Probleme werden sehr gut selbst unter den Kindern

gelöst und ein Eingreifen seitens einer Erwachsenen/eines Erwachsenen wäre eher störend.

Die Kinder sind in puncto Hilfestellungen abwartender als Erwachsene, sie respektieren sich

gegenseitig und greifen nur dann ein, wenn eine Hilfe wirklich nötig ist (ebd.).

Montessori war aber nicht nur die Vielfalt durch die Altersheterogenität, sondern auch die

gemeinsame Erziehung von Mädchen und Buben wichtig, weil „[E]s [ist] eine künstliche Iso-

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2 Montessori Pädagogik

33

lierung (ist), die die Entwicklung des sozialen Gefühls verhindert“ (Montessori, 2002, S. 203).

Durch die alltäglichen Erfahrungen manifestiert sich eine gesellschaftliche Grundstruktur.

Anders als in herkömmlichen Regelschulen sind die Kinder ständig miteinander in Kontakt

und nicht nur in den Pausen oder bei seltenen Ausflügen (Montessori, 2002).

Für Montessori spielen aber auch die Bewegung und die Stille eine entscheidende Rolle in

der Entwicklung der Mädchen und Buben.

2.3.5 BEWEGUNG UND ÜBUNGEN DER STILLE

Für Montessori ist Leben Bewegung. Sie ist davon überzeugt gewesen, dass Bewegung für

die Entwicklung der Kinder sehr bedeutend ist. Bewegung ermöglicht es Kindern auf ihre

Umwelt einzuwirken, sich selbst auszudrücken, sowie ihr Bewusstsein zu entwickeln. Kinder

haben den Drang nach Bewegung, der auch ein wesentlicher Faktor beim Aufbau der Intelli-

genz ist. Durch ihr eigenes Tun können sie lernen. Das Kind hat von sich aus das Bestreben,

Handlungen möglichst präzise auszuführen, die Koordination seiner Bewegungen zu verfei-

nern und es treibt dadurch seine Entwicklung an (Montessori, 1952). Daher ist Bewegung ein

wichtiger Aspekt der Montessori-Methode, beispielsweise bei der freien Wahl der Tätigkei-

ten, den Einführungen der Materialien, den sogenannten Lektionen und den Stille Übungen

(Montessori, 2004a).

Die Übung der Stille ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Montessori-Methode, da Mon-

tessori herausgefunden hatte, wie empfänglich die Kinder für Stille waren, um Vogelgezwit-

scher oder das Tropfen von Wasser zu hören. Die Kinder entwickelten regelrecht einen Ehr-

geiz, sich möglichst geräuschlos zwischen den verschiedenen Materialien, die im Raum ver-

teilt waren, zu bewegen. So entwarf Montessori Übungen zur Kontrolle und Koordination der

Bewegungen sowie Übungen zur Stille (Montessori, 1952).

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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3 MONTESSORI PÄDAGOGIK UND INKLUSION

In den letzten dreißig Jahren sind Kinder mit Entwicklungsstörungen, insbesondere jene mit

mentalen Behinderungen, in den Fokus des Interesses gerückt. Dadurch wurden viele von

ihnen gemeinsam mit ihren Familien aus der Isolation geholt und es wurde ihnen der Zugang

zu Fördermöglichkeiten und Bildung eröffnet.

Sucht man im schulischen Bereich nach Implementierungen von gemeinsamen Bildungsbe-

mühungen, finden sich vor allem integrative Konzepte in denen Kinder mit Entwicklungsstö-

rungen und normal entwickelte Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Allerdings fehlt meist

die Bereitschaft, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen wie beispielsweise

die Klassenstärken zu reduzieren sowie genügend Unterstützungsmaßnahmen und entspre-

chend geschultes Personal zur Verfügung zu stellen. Integration läuft dann letztlich darauf

hinaus, Kinder mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf zu unterscheiden was wie-

der zu einer Aussonderung der Kinder mit Entwicklungsstörungen führt. Aus diesen Gründen

präzisierte die UNESCO im Jahre 2006 den Begriff der Inklusion und wies darauf hin, dass

das Problem nicht beim Kind sondern in der Pädagogik liege. Im Laufe der folgenden Dis-

kussionen zeigte sich, dass es nicht ausreicht, ein Kind einfach in einer Regelschule einzu-

schulen, sondern dass das gesamte Bildungssystem inhaltlich auf Inklusion ausgerichtet sein

muss. Dies beschränkt sich allerdings nicht nur auf das Schulsystem und beginnt daher be-

reits in den Kinderkrippen und Kindergärten und deren Vernetzung im Bildungssystem. Mit-

hin geht es also um die vorbereitete Umgebung, wie es Maria Montessori beschreiben würde

(Von Voss, 2010).

Bei genauer Betrachtung der Leitgedanken der Montessori-Pädagogik werden viele inklusive

Ansätze deutlich. Die Montessori-Pädagogik ist international bekannt und die Association

Montessori Internationale (AMI) hat für die Montessori-Einrichtungen weltweit vergleichbare

Qualitätsstandards erstellt. In den Montessori-Einrichtungen sollen die Kinder die Möglichkeit

haben, selbsttätig zu lernen. Die Gestaltung der vorbereiteten Umgebung richtet sich nach

der Entwicklung und den Bedürfnissen der Kinder. Die Kinder sollen die Möglichkeit haben

selbstständig zu handeln. Ihre Unabhängigkeit sowie ihr kreatives Problemlöseverhalten

werden gefördert. Ein wichtiges Ziel ist es, jedes Kind individuell zu unterstützen und ganz-

heitlich zu betrachten. Maria Montessori legte zudem besonderen Wert darauf, dass ihre

Methode über alle sozialen, religiösen und ethnischen Grenzen hinweg gültig und für alle

anwendbar ist – für lernbeeinträchtigte und hochbegabte, für behinderte und nichtbehinderte,

für einheimische und eingewanderte, für arme und reiche Kinder (Raapke, 2003).

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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Im Jahre 2009 wurde von der Vereinigung Montessori Europe e. V. eine Erklärung, the Dec-

laration of Krakow, abgegeben, in der deutlich gemacht wurde, dass jeder Mensch beson-

ders und einzigartig ist. Angelehnt an Maria Montessoris Ausführungen wird festgehalten,

dass jedes Kind seine eigene Persönlichkeit durch das Zusammenspiel von der Umwelt, die

es umgibt, und dem eigenen inneren Bauplan aufbaut. Dabei sind diese Umweltbedingungen

aus biologischer, sozialer oder kultureller Sicht für jedes Kind völlig unterschiedlich und auch

die Begabungen eines jeden Menschen sind verschieden. Daher wird ein pädagogischer und

didaktischer Ansatz gefordert, der jedem Kind eine Umgebung ermöglicht, in der es Wege

und Mittel findet, sich optimal nach seinen individuellen Bedürfnissen zu entwickeln. Es wird

davon ausgegangen, dass alle Kinder und Jugendlichen Unterstützung brauchen, also Kin-

der und Jugendliche im Allgemeinen, hochbegabt oder in ihrer Entwicklung verzögert, kör-

perlich und/oder geistig beeinträchtigt. Die Kinder und Jugendlichen sollen daher im Sinne

der Inklusion das Recht haben, gemeinsam mit- und voneinander in heterogenen Gruppen

zu lernen, ungeachtet ihrer ethnischen, kulturellen oder sozialen Hintergründe, sowie ihrer

Probleme oder besonderen Lebensumstände. Dazu müssen Bildungssysteme kritisch be-

trachtet und Regierungen dazu aufgefordert werden, die Bildungssysteme und die Ausbil-

dung der Lehrenden so zu ändern, dass inklusive Bildung und Erziehung möglich wird. Dies

erfordert eine grundsätzliche Änderung der Einstellung und Haltung aller Beteiligten. So

heißt es am Schluss der Erklärung von Krakau: „Vielfalt und Inklusion sind das Herzstück der

Montessori-Pädagogik, geht es doch darum, den unterschiedlichen Bedürfnissen des Indivi-

duums durch die Bereitstellung einer entsprechend vorbereiteten Lernumgebung gerecht zu

werden“ (Montessori Europe e.V., 2010, S. 11).

Diese Erklärung stützt sich auf die UN-Behindertenrechtskonvention aus dem Jahre 2006

und fordert den uneingeschränkten Zugang zu einer allgemeinen Bildung und Erziehung für

alle Kinder. Die Vereinigung Montessori Europe e.V. wurde im Jahre 2000 begründet und

besteht aus 37 Mitgliedsländern, darunter auch Österreich. Ziel ist die Etablierung und För-

derung der Montessori-Pädagogik auf politischer, sozialer und pädagogischer Ebene inner-

halb Europas (Montessori Europe e.V., 2006).

3.1 MARIA MONTESSORIS ZUGANG ZU KINDERN MIT

BESONDEREN BEDÜRFNISSEN

Maria Montessori hat in ihren Anfängen als Ärztin am Ende des 19. Jahrhunderts, wie bereits

im Kapitel 2.1 kurz angeschnitten wurde, in einer Psychiatrischen Klinik der Universität in

Rom gearbeitet und die Behandlung der geistig beeinträchtigten Kinder dort erlebt. Diese

wurden zwar gepflegt und medizinisch betreut, ansonsten aber eher nur verwahrt. Montes-

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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sori war bald davon überzeugt, dass die Kinder dort nicht nur medizinisch sondern eben

auch pädagogisch versorgt gehörten und veröffentlichte gemeinsam mit ihren zwei Kollegen,

Montesano und De Sanctus, der als Begründer der italienischen Kinderpsychiatrie gilt, einen

Artikel über die Medizin und insbesondere über die Pädagogik des „abnormalen“ Kindes.

Maria Montessori schloss ihr Studium mit einer Arbeit zum Thema Wahnvorstellungen im

Jahre 1896 ab und hielt 1898 eine herausragende Rede auf einem Kongress in Turin, in der

sie eindringlich für die Schaffung von Sondereinrichtungen für die Betreuung von Kindern mit

Behinderungen und ein dafür entsprechend gut ausgebildetes Personal plädierte. In Folge

wurde eine Organisation gegründet, der Nationale Verband zur Erziehung behinderter Kin-

der, dessen Vorstand Montessori später dann auch angehörte. Im Jahre 1901 übernahm sie

gemeinsam mit ihrem Kollegen Montesano die Leitung einer Einrichtung, der Scuola Ortofre-

nica, in der Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen ausgebildet wurden, in der aber

auch eine Sonderschule untergebracht war. In dieser Zeit widmete sich Montessori intensiv

den Werken und Erkenntnissen Itards, besonders aber Séguins, die damals eine Vorreiter-

rolle in Hinblick auf den Umgang mit behinderten Kindern einnahmen. Schließlich reiste Mon-

tessori auch nach Frankreich, um sich vor Ort ein Bild von den Einrichtungen zu machen, die

nach den Methoden Séguins arbeiteten. Montessori war, wie auch Séguin, der Meinung,

dass die Bedürfnisse der Kinder mit Beeinträchtigungen nicht vorwiegend biologisch-

medizinische sind, sondern die Notwendigkeit einer sozialen und pädagogischen Betreuung

besteht. Statt also wie bisher nur medizinisch versorgt und gepflegt zu werden, forderte Mon-

tessori eine fundierte Förderung für diese Kinder. Grundlegend dafür waren für Maria Mont-

essori eine pädagogische Anthropologie, der methodische Einsatz eines speziellen Materi-

als, die Errichtung spezieller Institutionen für diese Aufgabe sowie eine fundierte pädagogi-

sche Ausbildung für die Betreuerinnen und Betreuer. Diese vier Erkenntnisse aus jahrelan-

ger wissenschaftlicher Arbeit bilden auch heute noch die Eckpfeiler der Montessori-

Pädagogik (Winkler, 2010). Montessori entwickelte die Ansätze Séguins und Itards weiter

und richtete den Fokus vor allem auf die Sinnes- und Bewegungserziehung, aber auch auf

das Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen. Was damals als unmöglich zu erreichen

galt, gelang Montessori mit ihrer Methode und die Kinder, die zwei Jahre lang ganztägig

Montessoris erste Sonderschule besuchten, bestanden erfolgreich die Examen einer öffentli-

chen Volksschule (Neise, 2009).

Es war erstaunlich, zu welchen kognitiven Leistungen die geistig behinderten Kinder mit dem

Konzept der Montessori-Pädagogik in der Lage waren. Montessori begann dann aber bald

auch zwischen behinderten und entwicklungsmäßig unauffälligen Kindern zu differenzieren,

die Unterschiede im Umgang mit dem Material und bei den Übungen festzuhalten und er-

kannte dadurch auch die Grenzen in der Arbeit mit behinderten Kindern (Winkler, 2010).

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Während sich normal entwickelte Kinder von sich aus spontan für die Montessori-Materialien

begeistern können, benötigen geistig beeinträchtigte Kinder immer wieder zusätzliche Anrei-

ze. Während die inhärente Fehlerrückmeldung bei normal entwickelten Kindern den Ehrgeiz

anregt, sind geistig beeinträchtigte Kinder davon eher unbeeindruckt. Sie lassen sich auch

wesentlich leichter ablenken und erreichen nicht denselben Grad der Konzentration. Es fällt

ihnen schwer, die wesentlichen Merkmale eines Materials von den beiläufigen Hilfsmitteln zu

unterscheiden, was die Isolierung einer einzigen Eigenschaft erschwert. Geht es beispiels-

weise um den Tastsinn, kann man als weitere Differenzierung der Übung dem Kind die Au-

gen verbinden. Die Augenbinde wird dann leicht zur Ablenkung. Interessanterweise werden

die Verschiedenheiten zwischen normal entwickelten und geistig beeinträchtigten Kindern

geringer oder verdeckt in einer eher unterrichtsähnlichen Konstellation, in der das Kind pas-

siv Lerninhalte von der Lehrerin/vom Lehrer empfängt (Montessori, 2004a).

Infolge dieser Beobachtungen und der Erfolge bei behinderten Kindern wollte Montessori

herausfinden, wie sich ihr pädagogisches Konzept bei nicht beeinträchtigten Kindern bewäh-

ren würde (Winkler, 2010). Mit der Eröffnung ihres Kinderhauses hatte Montessori schließlich

die Möglichkeit, ihre Methode bei normal intelligenten Kindern im Alter von drei bis sechs

Jahren aus sozial benachteiligten Familien auszutesten und weiterzuentwickeln. Sie hoffte,

dass durch ihre Pädagogik spätere soziale oder sprachliche Auffälligkeiten vermieden wer-

den können. Mit ihrer Arbeit beobachtete Montessori bestimmte kindliche Verhaltensmuster,

die sie später als Entdeckung des Kindes bezeichnete, wie beispielsweise die Polarisation

der Aufmerksamkeit, bei der das Kind in eine tiefe Konzentration verfällt, was letztlich zu ei-

ner normalisierten Entwicklung des Kindes führt (Neise, 2009).

Man darf auch nicht außer Acht lassen, dass es Maria Montessori gelungen ist, sich zu die-

ser Zeit als Frau durch ihr fundiertes Fachwissen als Ärztin zu etablieren. Allerdings ging

Montessori ab 1901 neue Wege, indem sie die Leitung des Instituts verließ und sich eher der

Pädagogik zuwandte. Mit der Eröffnung des Kinderhauses San Lorenzo im Jahre 1907 wird

der Beginn der Montessori-Pädagogik angegeben (Winkler, 2010).

3.2 MONTESSORI-THERAPIE UND HEILPÄDAGOGIK

In den 1970ern wurde die Montessori-Pädagogik für die Arbeit mit behinderten Kindern und

Jugendlichen durch den Pädiater Theodor Hellbrügge neu entdeckt. Mit der Zeit entwickelte

sich im Rahmen von eigenen Einrichtungen, eigens entwickelten Materialien sowie speziel-

len Ausbildungskursen die Montessori-Heilpädagogik und infolgedessen konnte sich daraus

die Montessori-Therapie etablieren (ebd.).

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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Theodor Hellbrügge bemerkte treffend, dass „[e]s [...] merkwürdig [erscheint], dass eine ärzt-

liche Pädagogik wie die Maria Montessoris weltweit ausschließlich für normal begabte, nicht-

behinderte Kinder eingesetzt wird und erst Jahrzehnte nach ihrem Ursprung der Gedanke

auftaucht, sie auch für behinderte Kinder anzuwenden“ (Hellbrügge, 2009, S. 251).

Hellbrügge, selbst Kinderarzt, begann seine Arbeit mit den medizinischen und behinderten-

pädagogischen Ursprüngen der Montessori-Pädagogik. Für Hellbrügge ist die Montessori-

Pädagogik „...eine Pädagogik für alle Kinder unabhängig von ihrer körperlichen, emotionalen

und geistigen Ausstattung“ (Winkler, 2010, S.97). Während sich Montessori, wohl auch auf-

grund zeitgeschichtlicher Voraussetzungen, noch für gesonderte Einrichtungen für Kinder mit

Beeinträchtigungen aussprach, machte sich Hellbrügge für eine durchgängige Realisierung

von Integration, für ein gemeinsames Leben und Lernen von Kindern mit und ohne Behinde-

rungen stark (Winkler, 2010). Hellbrügge erkannte, nachdem er ein geistig beeinträchtigtes

Kind in einem Montessori-Kinderhaus beim Umgang mit dem Montessori-Material beobach-

ten konnte, welches Potential darin für die Arbeit mit mehrfach und verschiedenartig behin-

derten Kindern steckte. Infolgedessen wurden die Grundprinzipien der Montessori-

Pädagogik zu einem heilpädagogischen Ansatz ausgearbeitet, um diese für mehrfach und

verschiedenartig behinderte Kinder nutzbar zu machen (Hellbrügge, 2009).

Die Montessori-Therapie beschäftigt sich mit der gleichen Zielgruppe wie die Montessori-

Heilpädagogik, nur dass die Montessori-Therapie außerhalb von Kindergarten oder Schule

angeboten wird. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt dabei in der Einzel- und Kleingruppenthe-

rapie, die unter intensiver Einbeziehung von Bezugspersonen auf bestimmte Störungsbilder

eingeht. Losgelöst von pädagogischen Institutionen öffnen sich so auch neue Tätigkeitsfelder

beispielsweise im Bereich des Betreuten Wohnens oder in Seniorenheimen, wo erweiterte,

den Situationen angepasste Übungen des Lebens oder die sensomotorischen Materialien

zum Einsatz kommen (Winkler, 2010).

Der Ansatz der therapeutischen Maßnahmen in der Montessori-Pädagogik ist sinnesphysio-

logischen Ursprungs, denn das Lernen erfolgt mit Hilfe des Materials mit allen Sinnen, durch

das Sehen, Hören, Riechen, Fühlen, aber auch durch die Bewegung. So trainieren die Kin-

der durch Geräusch-, Geruchs- bzw. Geschmacksdosen oder Tasttäfelchen mit unterschied-

lichen Graden von Rauigkeit ihre Sinneswahrnehmung hinsichtlich Geschmacks-, Tast- und

Geruchserfahrungen. Das Kind lernt über das Greifen zu begreifen und kann über das sen-

somotorische Lernen die verschiedenen Eindrücke miteinander verknüpfen. Die Bewegung

hat beim Lernen für Montessori eine große Bedeutung und ist beim Umgang mit dem Materi-

al stets Teil der Lernprozesse, beispielsweise durch das Tragen des Materials oder das Er-

lernen von Bewegungsmustern. Durch die Bewegung werden die Abläufe eingeübt und die

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Koordination von Bewegungen wird so lange trainiert, bis sie sich schließlich, wie Montessori

es nannte, als Muskelgedächtnis einprägen (Hellbrügge, 2009).

Auf dieser Grundlage wurde aus der klassischen Montessori-Pädagogik die Montessori Heil-

pädagogik für mehrfach und verschiedenartig behinderte Kinder entwickelt, deren Ziele die

Behandlungen von Störungen der Sprache und der Wahrnehmung, der Sozialentwicklung

durch die Förderung selbstständigen Handelns sowie die soziale Integration von Kindern mit

Behinderungen oder anderen Störungen in die Gemeinschaft mit unauffälligen Kindern sind.

Durch das soziale Miteinander profitieren alle, Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen,

durch die Förderung von Selbstständigkeit und Kontaktfähigkeit (ebd.).

Die Montessori-Heilpädagogik besteht organisatorisch aus vier Stufen. In der Einzeltherapie

wird mit dem behinderten Kind gemeinsam mit den Eltern gearbeitet. Dafür wurde das klas-

sische Montessori-Material an den jeweiligen Bedarf angepasst und so entstand das heilpä-

dagogische Montessori-Material, das laufend geprüft und weiterentwickelt wird. In Kleingrup-

pen von zwei bis drei Kindern werden, zuerst mit den Eltern, später auch ohne sie, soziale

Interaktionen eingeübt mit dem Ziel, dass die Kinder möglichst selbstständig handeln lernen

und sich im gemeinschaftlichen Miteinander zurecht finden. Ist diese Stufe erreicht, kommen

die Kinder mit möglichst verschiedenen Beeinträchtigungen in den Kindergarten, wo sie mit

Kindern ohne Beeinträchtigungen zusammen spielen und lernen sollen. In der vierten Stufe

geht es dann um die integrierte Erziehung von der Grundschule bis zur Hauptschule in Ko-

operation mit Sonderschulen für Kinder mit geistigen Beeinträchtigungen und Lernbehinde-

rungen. Der Fokus der Erziehung liegt auch in der Schule in der Sozialentwicklung und der

Förderung von Selbstständigkeit. Die Kinder lernen individuell ganz unterschiedlich und ohne

Leistungsdruck, Angst vor Noten und Versagen, mit einer für sie nachvollziehbaren Leis-

tungsbeurteilung. Ein Wechsel in das Regelschulsystem oder auch von einer Regelschule ist

jederzeit ohne Probleme und Nachteile möglich (ebd.).

Seit vielen Jahren besteht nun der Modellversuch der Aktion Sonnenschein in den Montes-

sori-Schulen des Kinderzentrums und kann so also nicht nur als Beweis gesehen werden,

„dass die Montessori-Pädagogik einzigartige Komponenten der heilpädagogischen Hilfe für mehrfach und verschiedenartig behinderte Kinder enthält, sondern auch, dass es keine Schwierigkeiten bereitet, mehrfach und verschiedenartig behinderte Kinder ge-meinsam mit nichtbehinderten Kindern in diesem pädagogischen System zu unterrich-ten“ (Hellbrügge, 2009, S. 254f.).

Hellbrügge (2009) berichtet auch, dass über die Hälfte der nicht behinderten Kinder ohne

Schwierigkeiten die Aufnahmeprüfungen, die für den weiterführenden Schulbesuch auf ei-

nem Gymnasium nach dem 4. Schuljahr notwendig sind, bestanden, die Schullaufbahn wei-

ter verfolgen konnten und auch keine Probleme hatten, das Gymnasium positiv abzuschlie-

ßen. Auch bei den Kindern mit geistigen Beeinträchtigungen, Lernbehinderungen bzw. Er-

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ziehungsschwierigkeiten konnten im Laufe des Bestehens des Schulversuchs viele schuli-

sche Erfolge verbucht werden. So erreichten zwei von den 17 im Schuljahr 1974/75 als geis-

tig behindert eingeschulten Kindern nach acht Jahren den Hauptschulabschluss, sieben wei-

tere den Lernbehindertenabschluss und nur acht erhielten den Abschluss für geistig behin-

derte Kinder. Von den 16 Kindern, die als lernbehindert eingestuft wurden, erreichte die Hälf-

te einen normalen Hauptschulabschluss, während es bei den anderen acht Schülerinnen und

Schülern bei einem Lernbehindertenabschluss blieb. Weitere vier Schülerinnen und Schüler,

die als Kinder mit Erziehungsschwierigkeiten eingeschult wurden, erlangten den Hauptschul-

abschluss und bei nur einem Kind blieb es bei einem Lernbehindertenabschluss. Diese Beur-

teilungen erfolgten sowohl bei der Einschulung als auch bei den Abschlussprüfungen durch

schulfremde, externe Institutionen (Hellbrügge, 2009).

An dieser Stelle soll aber auch bemerkt werden, dass die Montessori-Pädagogik, bietet sie

doch einen fundierten theoretischen Hintergrund sowie eine praktische Ausstattung, nicht

omnipotent sein kann. Die Montessori-Pädagogik stellt sowohl Möglichkeiten bereit, kann

aber auch an ihre Grenzen stoßen, wenn die Rahmenbedingungen dies nicht zulassen.

Grundsätzlich ist die Montessori-Pädagogik aber eine Pädagogik für alle. Es braucht aller-

dings, wie bei jedem anderen guten pädagogischen Ansatz adäquate materielle Unterstüt-

zung und entsprechende strukturelle Bedingungen, wie beispielsweise Kleingruppen, in de-

nen gelernt werden kann oder entsprechend ausgebildetes Personal, sowie die Offenheit für

eine Weiterentwicklung (Winkler, 2010).

3.3 INKLUSIVER UNTERRICHT IN DER MONTESSORI-SCHULE

Maria Montessori orientierte sich in ihrer Pädagogik von Beginn an der körperlichen, geisti-

gen und psychischen Entwicklung sowie den individuellen Lernbedürfnissen jedes einzelnen

Kindes. Sie vertraute auf die inneren Impulse und das Eigeninteresse der Kinder, wachsen

zu wollen und sich weiter zu entwickeln. Die Pädagoginnen und Pädagogen haben die Auf-

gabe, die Kinder zu unterstützen und sie genau zu beobachten, um deren aktuelle Entwick-

lungsphasen und Bedürfnisse zu erkennen und dann die entsprechenden Angebote und Hil-

festellungen bereit zu stellen. Die Kinder sollen ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten entdecken

und entfalten können, um zu leistungsfähigen, selbstbewussten und sozial kompetenten

Menschen heranzuwachsen. Besonders wichtig ist dies, wenn es darum geht, Störungen zu

erkennen und entsprechende Förderung bereitzustellen (Raapke, 2003).

Viele Grundelemente der Montessori-Pädagogik, wie beispielsweise die Vorbereitete Umge-

bung oder die Montessori-Materialien sind den Entwicklungsphasen jedes Kindes angepasst

und unterstützen außerdem bei der Arbeit mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen. Daher

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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eignet sich, so van der Wolf (2010), die Montessori-Pädagogik bestens für eine Schule, in

der bereits inklusiv unterrichtet wird oder für eine, in der dies angestrebt werden soll.

Dies zeigt sich im direkten Vergleich der wichtigsten Forderungen einer inklusiven Pädagogik

mit den Grundelementen der Montessori-Pädagogik.

Die Inklusion stellt nicht nur die Förderung eines einzelnen Kindes sondern die Schulge-

meinschaft als Ganzes mit allen personellen und materiellen Konsequenzen in den Mittel-

punkt (Sander, 2004). Dies wird in der Montessori-Pädagogik in Form der Freiarbeit, in der

Beschaffenheit der vorbereiteten Umgebung sowie der Achtung der sensiblen Phasen und

der Unterstützung der Kinder in ihren Interessen umgesetzt (Kapfer-Buchberger, 2008).

3.3.1 VORBEREITETE LERNUMGEBUNG

Durch die Erfahrungen im Kinderhaus von San Lorenzo entstand das Konzept der vorberei-

teten Umgebung, das eine optimale Förderung für normal entwickelte vor allem aber für Kin-

der und Jugendliche mit Behinderungen bereitstellt. Das Sinnesmaterial beispielsweise stellt

durch das Prinzip der Isolierung der Schwierigkeiten und die Möglichkeit der uneinge-

schränkten Wiederholbarkeit der Übungen eine „gute Hilfe kompensatorischer und differen-

zierter Stimulationen“ (Neise, 2009, S. 248) bereit. Besonders bei Kindern mit Hör- oder

Sehbeeinträchtigungen werden die sensomotorischen Ausfälle entweder aufgehoben oder

abgemildert. Die Übungen schulen die Wahrnehmungsfähigkeit der Kinder hinsichtlich Ge-

nauigkeit, Differenzierung und Geschwindigkeit beim Tasten, Riechen und Schmecken, beim

Hören und Sehen sowie im kinästhetischen Bereich und fördern die kognitive Entwicklung

der Kinder mit Beeinträchtigungen. Dies geschieht für jedes Kind individuell abgestimmt. Das

Arbeiten mit den Sinnesmaterialien leitet zu genauen Bewegungen an und so wird automa-

tisch die Motorik mit trainiert. Dasselbe gilt auch für die Übungen des täglichen Lebens, de-

ren Ziel die Erlangung einer immer umfangreicher werdenden Unabhängigkeit und die Fä-

higkeit zum selbstständigen Handeln ist. Das didaktische Entwicklungsmaterial ist entspre-

chend dem Entwicklungsstand des Kindes flexibel einsetzbar. Je nach Alter oder Beeinträch-

tigung eines Kindes ist der Umgang erst einfach und wird dann immer komplexer (Neise,

2009).

Durch die vorbereitete Umgebung ist es möglich, auf alle Bedürfnisse individuell einzugehen,

da sie für jedes einzelne Kind entsprechend gestaltet werden kann. Sander (2004) hat die

Parallele im Inklusionsansatz wie folgt formuliert:

„Während also gemäß dem traditionellen Ansatz das behinderte Kind in die passende Institu-

tion platziert wird, wird gemäß dem Inklusionsansatz die Ausstattung und Arbeitsweise der

Regelklasse so geändert, dass sie für jedes Kind passt und alle Kinder unterstützt“ (Sander,

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2004, S. 20). Dies sollte die Aufgabe einer jeden Klasse sein und nicht nur auf einzelne

Klassen oder ausgewählte Schulen beschränkt sein (Sander, 2004).

Das bedeutet auch, dass die Lehr- und Lernbedingungen in einer inklusiv geführten Einrich-

tung so gestaltet werden müssen, dass jedes Kind den eigenen Fähigkeiten bzw. Fertigkei-

ten entsprechend lernen und arbeiten kann. Die verschiedenen Leistungsniveaus werden

dabei als normal angesehen und jedes Kind wird innerhalb dieser individuellen Möglichkeiten

gefördert und in seiner Persönlichkeitsentwicklung unterstützt (ebd.). In Montessori-

Einrichtungen wird dem in Form des Erzieherinnen- und Erzieherverhaltens, vor allem durch

die teilnehmende Beobachtung der Kinder, der Freiarbeit sowie durch den Umgang mit dem

Montessori-Material in der vorbereiteten Umgebung Rechnung getragen (Kapfer-

Buchberger, 2008).

Einen hohen Stellenwert hat die soziale Erziehung in der Montessori-Pädagogik, was we-

sentlich zum Erfolg der inklusiven Erziehung dieses Konzepts beitragen dürfte. Ob im Um-

gang mit dem Material oder der freien Wahl der Sozialform, auch das soziale Lernen spielt

dabei eine große Rolle.

3.3.2 SOZIALES LERNEN

Häufig wird in der Literatur missverständlich dargestellt, der angebliche Fokus der Montes-

sori-Pädagogik läge auf der individuellen Förderung. Tatsächlich hat das soziale Verhalten

für Montessori aber einen ebenso hohen Stellenwert und so auch die Erziehung zur Ge-

meinschaft. Montessori schreibt dazu: „Als erstes muss das Kind den Weg und die Mittel zur

Konzentration finden, die die Grundlagen des Charakters und das soziale Verhalten stabili-

sieren“ (Montessori, 2002, S.199). Damit ist die Möglichkeit für das Kind, zur Polarisation der

Aufmerksamkeit zu finden, gemeint und die Bedeutsamkeit der Umgebung wird offensicht-

lich. Das Streben eines Kindes, sich mit einem ganz bestimmten Thema zu beschäftigen,

etwas Spezifisches zu erlernen, rührt aus seinem individuellen momentanen Entwicklungs-

stand her. Montessori war davon überzeugt, dass jedes Kind aus seinem Inneren heraus den

Impuls hat, sich mit seiner Umwelt auseinander zu setzen und diese Stück für Stück zu er-

fassen. Dazu braucht das Kind eine entsprechende vorbereitete Umgebung und die Zeit, die

nötig ist, um selbstständig seine Tätigkeit in Ruhe beenden zu können, um daraus Selbstver-

trauen gewinnen zu können. Die Polarisation der Aufmerksamkeit unterstützt zusammen mit

der daraus resultierenden Normalisation, wie im Kapitel 2.2 bereits genau erläutert, das Kind

dabei, seine Persönlichkeit aufzubauen (Raapke, 2003).

Die soziale Erziehung in der Montessori-Pädagogik findet auf mehreren Ebenen statt. Mont-

essori hatte sich bereits im Kinderhaus von San Lorenzo bewusst für eine altersheterogene

Klasse entschieden. Dies entspricht auch der breiten Streuung, die durch die verschiedenen

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Entwicklungsniveaus der Kinder mit Beeinträchtigungen entsteht. Dadurch haben die Kinder

die Möglichkeit, durch Nachahmung und soziale Interaktion voneinander zu lernen. Aber

auch die sprachliche Kommunikation der Kinder mit Beeinträchtigungen wird dadurch indirekt

gefördert. In der Montessori-Pädagogik fehlen jegliche sanktionierende Maßnahmen und es

gibt keinen direkten Wettstreit um Leistungen. So lernen auch Kinder und Jugendliche mit

Beeinträchtigungen sich aus eigenem Antrieb heraus zu motivieren und machen die Erfah-

rung, dass sie Lernprozesse eigenständig vorantreiben können. Das führt wiederum dazu,

dass sich die Kinder schließlich auch realistisch einschätzen können. Eine vorbereitete Um-

gebung, die auch spezielle Erfordernisse berücksichtigt, bietet Kindern mit besonderen Be-

dürfnissen die Möglichkeit, sich gemäß ihrem individuellen Tempo zu entwickeln. Das Mate-

rial ermöglicht es auch Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen ausdauernd

und konzentriert damit zu arbeiten und dadurch große Zufriedenheit zu erfahren (Neise,

2009). Die Kinder lernen situationsbedingt, da nur jedes Material in der vorbereiteten Umge-

bung zur Verfügung steht, rücksichtsvoll miteinander umzugehen und entweder zu teilen

oder zu warten (Montessori, 2002).

Die soziale Entwicklung eines Kindes vollzieht sich durch die Fähigkeit, sowohl selbstständig

handeln als auch Kontakt zu anderen Kindern herstellen und mit ihnen zusammen arbeiten

zu können. Das soziale Lernen wird dadurch gefördert, dass ein Kind Hilfe anbieten aber

auch Hilfe annehmen lernt. Es entwickelt seine Selbstständigkeit weiter, was ein wichtiger

Aspekt des Konzepts ist. Heterogenität in den Klassen spielt dabei eine zentrale Rolle. Un-

terstützt wird das soziale Lernen beispielsweise dadurch, dass in der Montessori-Pädagogik

keine Jahrgangsklassen vorgesehen sind, sondern grundsätzlich in altersgemischten Klas-

sen gelernt wird. Dadurch ergibt sich automatisch, dass die jüngeren, unerfahreneren Kinder

Hilfe von den größeren, erfahreneren Kindern erhalten. Jenes soziale Miteinander ist in

Klassen, in denen Kinder mit unterschiedlichsten Beeinträchtigungen und Kinder ohne Be-

hinderungen gemeinsam unterrichtet werden noch stärker ausgeprägt, da die Leistungsfä-

higkeiten noch heterogener sind. So können auch Kinder mit Beeinträchtigungen entspre-

chend ihrer Fähigkeiten andere Kinder unterstützen. Über die soziale Entwicklung und die

Erlangung der Selbstständigkeit wird aber ebenso die kognitive Leistungsfähigkeit erhöht

(Hellbrügge, 2009).

Das Hauptaugenmerk der Montessori-Pädagogik liegt auf den Lernzielen. Dabei geht es al-

lerdings nicht in erster Linie um kognitive Leistungen sondern vielmehr um den Erwerb so-

genannter Schlüsselkompetenzen, mit dem auch die Aneignung fachlicher Kenntnisse ein-

hergeht. Zu diesen Kompetenzen zählt es etwa, miteinander kommunizieren, Zeit einteilen

und mit anderen zusammenarbeiten zu können. Das erklärte Ziel der Montessori-Pädagogik

ist es, die Kinder möglichst früh zur Selbstständigkeit anzuleiten und ihnen damit zur Unab-

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hängigkeit von den Erwachsenen zu verhelfen. Dabei spielt der Aspekt der immanenten Feh-

lerkontrolle des Materials eine große Rolle, da das Kind die Fehlerkontrolle selbst in der

Hand hat und nicht vom Erwachsenen korrigiert werden muss. Das heißt aber auch, dass

das Kind lernt, selbstverantwortlich zu handeln (Raapke, 2003). Einen hohen Stellenwert

nehmen in der Montessori-Pädagogik die sogenannten Sozialkompetenzen ein. Diese wer-

den durch das Anbieten von Hilfe und das Übernehmen der Verantwortung gegenüber sich

selbst, den anderen Menschen und der Umgebung erlernt, wie ein weiteres Zitat Montessoris

verdeutlicht: „Die größte Vervollkommnung der Kinder wird durch die sozialen Erfahrungen

erreicht“ (Montessori, 2002, S. 202). Montessoris Ziel war es, Kinder und Jugendliche zu-

sammen aufwachsen zu sehen, egal welchem ethnischen, nationalen und sozialen Hinter-

grund diese angehören (Raapke, 2003).

3.3.3 INTERKULTURELLE ERZIEHUNG UND MONTESSORIS

FRIEDENSERZIEHUNG

Aufgrund der weltweiten Verbreitung der Montessori-Methode mit ihrem anthropologischen

Ansatz und ihren didaktischen Mitteln ist es augenscheinlich, dass sich die Montessori-

Pädagogik für Kinder verschiedenster Kulturen eignet und so eine interkulturelle Erziehung

ermöglicht. Durch das Konzept der vorbereiteten Umgebung können Kinder aus verschiede-

nen kulturellen Hintergründen individuell gefördert werden. Das didaktische Material unter-

stützt den Lernprozess durch die oben genannten Faktoren. Speziell das umfangreiche

Sprachmaterial begünstigt in der interkulturellen Erziehung die Sprachförderung. Das

Sprachmaterial wird in Form von Sprachlektionen, aber auch in Verbindung mit den anderen

Materialien, wie beispielsweise dem Mathematik- oder dem kosmischen Material verwendet

und dient als Unterstützung im Unterricht (Kapfer-Buchberger, 2008).

Friedenserziehung war für Maria Montessori ein wichtiges Thema, das in enger Verbindung

mit dem sozialen und interkulturellen Lernen steht. Sie beschrieb zwei Arten, den Frieden für

die Menschen herzustellen. Es ist zum einen die Aufgabe der Politik zu versuchen, Konflikte

zu vermeiden und für einen beständigen Frieden zu sorgen und zum anderen der Auftrag der

Erziehung, Frieden zu etablieren. Dabei kann eine konstruktive Friedenserziehung nicht nur

auf den schulischen Bereich eingegrenzt werden, sondern muss universell eingesetzt wer-

den. „Sie besteht nicht nur in einer Neugestaltung des Menschen, die die innere Entwicklung

der Persönlichkeit ermöglicht, sondern sie ist auch Orientierung auf die Ziele der Menschheit

und die gegenwärtigen Bedingungen des sozialen Lebens hin“ (Montessori, 1936, zitiert

nach Oswald & Schulz-Benesch, 2009, S. 207).

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Montessori beschreibt in ihrem Vortrag von 1936 in Brüssel, wie die technischen Entwicklun-

gen vor allem auch zu schnellen Veränderungen der sozialen Gegebenheiten führen. Die

Menschen sind weltweit durch die wirtschaftlichen Verflechtungen und durch die Möglichkeit,

auch über große Distanzen hinweg in Kontakt zu treten, in der Lage, ihre materiellen Werte

zu vereinheitlichen. Somit wird es aber auch immer bedeutsamer, die sozialen Regeln zu

erkennen, wodurch sich Montessori Lösungen zur Erlangung des Friedens erhofft. Statt sich

als einzelne Nationen mit verschiedenen, gegensätzlichen Interessen zu verstehen und so-

gar Krieg und Zerstörung zu riskieren, sollten die Menschen die „Einzige Nation“ anstreben:

„Es wird immer menschliche Gruppen und Familien mit verschiedenen Traditionen und Spra-

chen geben, aber diese werden keine Nationen im hergebrachten Sinne des Wortes mehr

bilden können“ (Montessori, 1936, zitiert nach Oswald & Schulz-Benesch, 2009, S. 208).

Während die technischen Möglichkeiten sich immer weiter entwickelt und gleichermaßen

bereits eine vernetzte Welt geschaffen haben, hat sich der Mensch geistig nicht weiterentwi-

ckelt und bleibt der Umwelt gegenüber misstrauisch. Somit liegt eine wesentliche Aufgabe

der Erziehung darin, die Menschen aller Nationen auf eine gemeinsame Bestimmung auszu-

richten. Diese muss bereits beim Kind beginnen, „… denn in ihm liegt der Ursprung und der

Schlüssel der Rätsel der Menschheit“ (Montessori, 1936, zitiert nach Oswald & Schulz-

Benesch, 2009, S. 209). Dabei liegt die Verantwortung an der Gesellschaft für die volle An-

erkennung der sozialen Rechte der Kinder und Jugendlichen zu sorgen und eine Umgebung

bereitzustellen, die die geistige Entwicklung garantieren kann (Montessori, 1936, zitiert nach

Oswald & Schulz-Benesch, 2009).

3.4 MONTESSORI-PÄDAGOGIK UND KINDER MIT BESONDEREN

BEDÜRFNISSEN

Besondere Bedürfnisse von Kindern zeigen sich auf vielfältige Weise. In den nächsten Kapi-

teln sollen anhand von einigen Beispielen Einblicke gegeben werden, welche Möglichkeiten

die Montessori-Pädagogik bietet, um die Kinder in ihren individuellen Bedürfnissen zu unter-

stützen und zu fördern.

3.4.1 VERHALTENSAUFFÄLLIGE KINDER

In ihrem Buch Kinder sind anders beschrieb Maria Montessori bereits sehr genau, wo sie die

Wurzeln von Verhaltensauffälligkeiten vermutet (Kapfer-Buchberger, 2008).

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Was versteht Montessori unter Verhaltensauffälligkeiten?

Werden Kinder deviant, also beispielsweise aggressiv, rebellisch, zornig, träge oder begin-

nen sie zu lügen oder zu stehlen, dann geschieht dies nicht, weil das Kind einen schlechten

Charakter hat, sondern weil dieses Benehmen als Hilferuf verstanden werden muss. Mont-

essori unterschied zwischen sogenannten schwachen, eher apathischen und starken Kin-

dern, die sich zerstörerisch und offen rebellisch verhalten. Für Montessori sind solche Ver-

haltensweisen Indizien dafür, dass die Beziehung zwischen dem Kind und seiner Umwelt

gestört ist. Das Kind wurde daran gehindert, seiner Entwicklung entsprechende Erfahrungen

zu machen, wodurch es auch nicht die Umwelt für sich erschließen konnte. So kommt es

dann dazu, dass das Kind dennoch versucht, für sich entwicklungsfördernde Handlungsmög-

lichkeiten, wenn nötig auch gegen den Willen der Erwachsenen, zu schaffen. Diese ständi-

gen Auseinandersetzungen zwischen Kind und Erwachsenen werden sodann als Verhal-

tensauffälligkeiten bezeichnet. Diese Kinder können jedoch durchaus wieder zu normalen

Verhalten zurückgebracht werden (Ammann, 2010).

Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten in der Montessori-Pädagogik

Um auf Verhaltensauffälligkeiten adäquat zu reagieren ist es als erstes wichtig, die Ursachen

herauszufinden (Kapfer-Buchberger, 2008).

„...[D]as Kind ist der Baumeister des Menschen ...“ (Montessori, 2002, S.13), also auch sei-

ner selbst. Nun kann es allerdings vorkommen, dass die Erwachsenen, auch wenn dies un-

bewusst und ohne böse Absicht geschieht, diesen Bauplan missachten und zerstören

(Montessori, 1999).

„Die Umgebung des Erwachsenen ist keine lebensbringende Umwelt für das Kind, son-dern eher eine Anhäufung von Hindernissen, zwischen denen das Kind Abwehrkräfte entwickelt, zu verbildeten Anpassungen genötigt wird und allerlei Suggestionseinflüssen unterliegt“ (ebd., S.115).

Montessori sieht eine mögliche Lösung durch eine neue Erziehung, wie sie es bezeichnet.

Damit ist gemeint, dass das Kind zuerst einmal entdeckt werden muss, damit es schließlich

befreit werden kann. Dafür braucht es eine „offene, seinem Lebensmoment angepaßte (sic!)

Umwelt“, denn „so wird sich die kindliche Seele spontan offenbaren“ (ebd. S. 116). Erst da-

nach erfolgt der weitere Schritt, nämlich dem Kind entsprechende Hilfestellungen anzubieten

(Montessori, 1999).

Das bedeutet, dass verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche die Möglichkeit in einer ih-

rem Entwicklungsstand entsprechenden vorbereiteten Umgebung bekommen, sich eine Tä-

tigkeit zu suchen, die sie interessiert und die sie konzentriert ausführen können, denn die

„Normalisierung kommt von der ‚Konzentration’ auf eine Arbeit“ (Montessori, 2002, S. 184).

Bedeutend dabei ist die Rolle der Erziehenden, die möglichst freundlich und ruhig agieren

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und Aufgaben für das Kind finden, die es interessieren und auf die es sich konzentrieren ler-

nen kann. Befindet sich das Kind auf dem Weg zurück zur Normalisierung, ist es wichtig,

dass sich die/der Erziehende zurückzieht. Vor allem der Aufbau von Vertrauen zwischen

der/dem Erziehenden und dem Kind ist wichtig. Montessori lehnt daher Strafen jeglicher Art

strikt ab und betont stattdessen immer wieder die Liebe und die gegenseitige Achtung, die

den Kindern entgegengebracht werden muss. Dies bedeutet allerdings nicht, dass keine kla-

ren Grenzen gesetzt werden müssen (Ammann, 2010). Ganz im Gegenteil verlieh Montes-

sori dieser Ansicht Nachdruck mit der folgenden Aussage: „Fürchtet euch nicht davor, das

Schlechte zu zerstören. Wir müssen uns nur fürchten, das Gute zu zerstören“ (Montessori,

2002, S. 242).

Maria Montessori trat dafür ein, Dinge aus dem Blickwinkel der Kinder zu betrachten und

lehrte den Erzieherinnen und Erziehern, stets in der Lage zu sein, ihre pädagogische Grund-

haltung und ihr Handeln zu reflektieren. Laut Amman (2010, S. 149) ist es offenkundig, „...

dass viele pädagogische, heilpädagogische und therapeutische Maßnahmen, die für auf-

merksamkeitsgestörte Kinder empfohlen werden, zu den konstitutiven Merkmalen der Mont-

essori-Pädagogik gehören (z.B. Wahlfreiheit, Strukturierung der Tätigkeit, Bewegung, selbst-

ständige Fehlerkontrolle).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Verhaltensauffälligkeiten als Hilferufe

verstanden und diesen indirekt begegnet werden muss. Auf diese Weise haben Kinder kei-

nen Grund mehr, sich zu widersetzen und ihnen wird die Möglichkeit geboten, sich frei zu

entfalten. Damit wird ihr deviantes Verhalten verschwinden (Ammann, 2010).

3.4.2 FÖRDERUNG BEI LEGASTHENIE

Sowohl in deutschsprachigen Ländern als auch in anderen Industriestaaten mit hoch entwi-

ckelten Schulsystemen finden sich Schülerinnen und Schüler, die Probleme beim Lernen von

Lesen und Schreiben haben. Diese Schwierigkeiten werden oft auch von weiteren Entwick-

lungsproblemen, insbesondere von Sprachentwicklungsstörungen begleitet (Klicpera,

Schabmann, & Gasteiger-Klicpera, 2010).

Was ist Legasthenie?

Legasthenie wird in der ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Rela-

ted Health Problems), einem von der Weltgesundheitsorganisation veröffentlichten internati-

onalen, klinischen Klassifikationssystem, in dem psychische Störungen definiert werden, als

„umschriebene Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten“ gelistet. Differenziert wird zwi-

schen einer „Lese- und Rechtschreibstörung“, bei der Probleme beim Lesen und/oder

Rechtschreiben auftreten und der „isolierten Rechtschreibstörung“, bei der die Schwierigkei-

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ten nur die Rechtschreibfertigkeiten betreffen (“ICD-10 (International Statistical Classification

of Diseases and Related Health Problems) Version 2015; F81.0 Specific reading disorder;

F81.1 Specific spelling disorder,” 2015).

Legasthenie oder Lese-Rechtschreibstörung wird dann diagnostiziert, wenn die Leistungen

in der Lesegenauigkeit und dem Leseverständnis sowie, oft auch damit einhergehend, beim

Rechtschreiben von jenen dem Alter und der Intelligenz eines Kindes üblichen deutlich ab-

weichen (Klicpera et al., 2010). Die Störungen dürfen allerdings nicht aufgrund unzureichen-

der Möglichkeiten zu lernen, Hör- bzw. Sehstörungen oder durch geistige Beeinträchtigun-

gen auftreten. Betroffen sein kann das Leseverständnis, also gelesene Worte zu erkennen

und vorlesen zu können. Nicht zu vernachlässigen sind dabei die in der Schulzeit häufig

auch auftretenden emotionalen Schwierigkeiten und Verhaltensprobleme (“ICD-10 (Internati-

onal Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) Version 2015; F81.0

Specific reading disorder; F81.1 Specific spelling disorder,” 2015).

Als umschriebene Störung wird die Lese-Rechtschreibschwäche bezeichnet, weil sich das

betroffene Kind ansonsten unauffällig in seiner Entwicklung zeigt. In den letzten Jahren

konnte gezeigt werden, dass sich die Störung weitgehend unabhängig von der Intelligenz

des Kindes darstellt und sich die Fördermaßnahmen ähnlich positiv auswirken (Gasteiger-

Klicpera & Klicpera, 2014).

Der Begriff Legasthenie ist nur im deutschsprachigen Raum gebräuchlich während in allen

anderen Ländern diese Störung als Dyslexie bezeichnet wird.

„Dyslexie zeichnet sich durch Schwierigkeiten bei der genauen und/oder fließenden Worterkennung und durch schlechte Rechtschreibung und Dekodierungsfähigkeiten aus. Diese Schwierigkeiten rühren typischerweise von einem Defizit in der phonologi-schen Komponente der Sprache her, die oft unerwartet ist in Zusammenhang mit ande-ren kognitiven Fähigkeiten oder einem effektiven Unterricht“ (The International Dyslexia Association, 2002).

Eine Lese-Rechtschreibschwäche zeichnet sich durch einige charakteristische Einschrän-

kungen mehrerer Fähigkeiten aus (Gasteiger-Klicpera & Klicpera, 2014).

Zum einen werden Schwierigkeiten in der phonologischen Bewusstheit deutlich. Das betrifft

die Fähigkeit, Worte in Laute zu zerlegen bzw. aus Lauten Wörter zu bilden. Deutlich wird

dies bereits bei Vorschulkindern, wenn Reime und Alliterationen gebildet werden sollen.

Zum anderen bestehen häufig Mängel bei der phonologischen Informationsverarbeitung, die

Vorausetzung für das Lesen- und Schreibenlernen ist. Bedeutend dabei ist die Fähigkeit,

Buchstabenfolgen in Lautfolgen zu übersetzen und umgekehrt sowie die Zuordnung der

Buchstaben zu Lauten (ebd.).

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Auf der Wortebene zeigen sich oft Defizite in der seriellen Benennungsgeschwindigkeit.

Dabei bestehen Schwierigkeiten beim Benennen von Zahlen und Gegenstandsbildern sowie

beim Lesen, wenn von einem Wort zum nächsten gewechselt werden soll. Ursache ist

zumeist eine Schwäche bei der Speicherung von Schriftwörtern. Dies führt zu einem

langsamen und mit Fehlern behafteten Lesen und Schreiben (Gasteiger-Klicpera & Klicpera,

2014).

Ein Teil der Kinder weist auch visuelle Verarbeitungsstörungen auf, obwohl die visuelle

Wahrnehmung prinzipiell funktionsfähig ist. Eine These vermutet, dass schnell wechselnde

visuelle Reize unzulänglich verarbeitet werden.

Weitere Schwierigkeiten ergeben sich für lese- und rechtschreibschwache Kinder durch

Aufmerksamkeitsstörungen, wie unzureichendes Durchhaltevermögen und Probleme sich zu

konzentrieren. Aber auch ein fehlendes förderndes Umfeld in der Familie wie auch im

Unterricht können zu den Ursachen gezählt werden. So können Vorlesen, Lesen zusammen

mit dem Kind sowie Reimspiele die Risiken reduzieren, dass sich eine Lese-

Rechtschreibstörung entwickelt. Auch der Stil der Klassenführung und die Didaktik im

Unterricht können einen wesentlichen Beitrag leisten.

Ohne intensive Intervention zeigt sich, dass eine Lese-Rechtschreibstörung über die

gesamte Schullaufbahn stabil bleibt. Die Schwierigkeiten verfestigen sich aufgrund

mangelnder Übung und fehlender Freude am Lesen und können von alleine nicht

überwunden werden (ebd.).

Förderung bei Legasthenie durch Montessori-Pädagogik

In der Montessori-Pädagogik wird ebenfalls davon ausgegangen, dass unbekannte Wörter

über die Phonetik erschlossen werden. Daher wird das Lesen den Kindern in der Montessori-

Pädagogik über die Phonetik näher gebracht. Prinzipiell kommen bei der Arbeit mit legasthe-

nen Kindern grundsätzliche Elemente der Montessori-Pädagogik, wie beispielsweise die

Sinnesschulung, die sensorische Simulation zur Förderung der Wahrnehmung sowie man-

nigfache Möglichkeiten zur Generalisierung des Erlernten zum Tragen. Weiters steht die

Festigung des Selbstbewusstseins des Kindes mit Hilfe der Selbsttätigkeit im Fokus, die

durch neueste neuropsychologische Erkenntnisse bekräftigt wurde (Milz, 1997; Schulze-

Frieling, 2003, zitiert nach Hellwig, 2009).

Das Kinderhaus- bzw. Vorschulmaterial, das Montessori (2004b) Schlüssel zur Welt nannte,

ist optimal dafür geeignet, um legasthene Kinder beim Lesen- und Schreibenlernen zu unter-

stützen und zu fördern. Ein Kind mit Legasthenie kann von den „...Hilfen, die ihm die Umwelt

begreiflicher und erfassbarer machen, und damit die Grundlage für die kognitiven Funktionen

bereitstellen“, nur profitieren (Milz, 1997, zitiert nach Hellwig, 2009, S. 99). Dadurch, dass die

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Kinder beim Erlernen des Lesens und des Schreibens ständig das Gefühl haben, zu schei-

tern, schwindet verständlicherweise die Begeisterung dafür. Daher besteht für die Pädago-

ginnen und Pädagogen die Aufgabe, die Kinder darauf aufmerksam zu machen und in einer

entsprechend vorbereiteten Umgebung und mit Hilfe von Montessori-Material zum Lesen

und Schreiben zu ermutigen (Montessori, 2004a). Entscheidend ist, das Kind immer wieder

dazu zu motivieren, möglichst selbstständig weitere Lernziele zur erkennen. Mit Hilfe des

Materials und der Drei-Stufen-Lektion werden kleine Lernschritte erarbeitet. Komplexere

Lernziele müssen systematisch aufgebaut und in einzelne Arbeitsschritte unterteilt werden.

Dabei muss das Kind genau beobachtet und mit entsprechenden Materialien versorgt wer-

den. Wurde der Lernstoff vom Kind schließlich richtig erfasst, kann mit weiteren Übungs-

schritten fortgefahren werden (Montessori, 1992, zitiert nach Hellwig, 2009).

Hier kommen Montessoris Sinnesmaterialien ins Spiel. Taktile, auditive, visuelle und kinäs-

thetische Sinneserfahrungen werden im Umgang mit dem Material miteinander verknüpft.

Montessori hat diesen Ansatz von Itards und Séguins physiologischer Methode übernommen

(Hellwig, 2009). Diese setzt auf „die Einheit von Intellekt und Sinnestätigkeit bzw. Motorik

und die Aktivierung des Intellektes durch Einwirkung auf die Sinne und den Bewegungszu-

sammenhang. [...] Die Aktivierung des Geistes geschieht daher über die Sinne. Durch die

Peripherie wird auf das Zentrum eingewirkt“ (Heiland, 1991, zitiert nach Hellwig, 2009, S.

39). Montessoris Sinnesmaterial, wie bereits weiter oben näher erläutert, zeichnet sich unter

anderem durch bestimmte Eigenschaften wie Farbe, Form, Maße, Klang oder Rauheit aus.

Dabei wird eine einzige Eigenschaft isoliert. Das Material dazu sind beispielsweise Glocken,

die verschiedene Töne von sich geben, Farbtäfelchen mit verschiedensten Farbschattierun-

gen, Dinge mit verschiedenem Gewicht aber gleicher Größe oder Gegenstände mit gleichen

Eigenschaften aber in unterschiedlichen Abstufungen. Durch den Umgang mit dem didakti-

schen Material werden die Wahrnehmung verfeinert und die Sinne geschult (Montessori,

2004a). Das Sinnesmaterial umfasst eine weitere Dimension, nämlich die Möglichkeit, Kate-

gorien zu bilden und Sinneseindrücke zu ordnen (Hellwig, 2009). Montessori entwickelte

auch eine Vielzahl von Tastmaterialien. Durch das Ertasten von Oberflächenstrukturen, etwa

bei den Tasttäfelchen oder Sandpapierbuchstaben aber auch von Formen geometrischer

Figuren, wie beispielsweise der metallenen Einsätze und der Einsatzzylinder, kann ein Kind

seinen Tastsinn verfeinern und die Tasteindrücke im sogenannten Muskelgedächtnis spei-

chern. Über „Greifen zum Begreifen“ lernen Kinder mit Legasthenie über das Muskelge-

dächtnis. Die Arbeit mit diesen Materialien dienen im Vorschulalter zur Vorbereitung für das

Lesen- und Schreibenlernen (ebd.). Bei legasthenen Kinder, bei denen häufig eine beein-

trächtigte Fein- bzw. Grobmotorik sowie Merkfähigkeit vorliegt, können dieses Material bzw.

diese Tastübungen zur Förderung eingesetzt werden (Schulze-Frieling, 2003, zitiert nach

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Hellwig, 2009). Nachdem das Kind die Buchstaben dem Laut zuordnen kann, trainiert es

durch das Abtasten der Sandpapierbuchstaben die taktil-kinästhetische Wahrnehmung der

Hand. Die Buchstabenform bzw. die Buchstabenfolge wird dadurch über das Muskelge-

dächtnis abgespeichert. Um den Trainingserfolg zu sichern, müssen die abgespeicherten

taktil-kinästhetischen Eindrücke eng an visuelle Informationen geknüpft werden (Affolter,

1975, zitiert nach Hellwig, 2009). Daher ist es wichtig, die visuellen Fertigkeiten zu trainieren,

da die Fähigkeit, optisch zu differenzieren, Voraussetzung für das Lesen- und Schreibenler-

nen ist. Bei allen Übungen ist es unbedingt notwendig, schrittweise vorzugehen. Legastheni-

ker haben allerdings nicht nur Probleme mit der visuellen Wahrnehmung, sondern auch mit

der auditiven, also mit der „phonologischen Bewusstheit“. Das bedeutet, Legastheniker ha-

ben Schwierigkeiten, Worte in Laute zu unterteilen und einzelne Wörter aus Sätzen oder

Silben aus Wörtern herauszuhören. Dafür entwickelte Montessori einige Materialien, um den

Gehörsinn und die phonologische Bewusstheit zu trainieren. Unter anderem zählen die Ge-

räuschdosen, der Glockensatz oder der Satz mit Klangstäben dazu, mit denen die Unter-

scheidung der verschiedenen Töne und Geräusche geübt wird (Montessori, 2004a). Dies soll

dazu dienen, den Gehörsinn zu verbessern (Hellwig, 2009).

Werden die oben genannten Voraussetzungen geschaffen, „kann die von Montessori betonte

Normalisation erreicht werden, was für ein legasthenes Kind Folgendes bedeutet: Die eigene

Legasthenie akzeptieren, die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben soweit wie möglich

überwinden, zum seelischen Gleichgewicht kommen, zur Integration in die Gesellschaft vor-

bereitet werden“ (Hellwig, 2009, S. 11).

3.4.3 BEGABTENFÖRDERUNG

Was wird unter (Hoch-) Begabung verstanden?

Was (Hoch-)Begabung bedeutet, darüber wurde in wissenschaftlichen Debatten viel disku-

tiert. Heute ist es erwiesen, dass eine Hochbegabung nicht uneingeschränkt über die kogni-

tiven Fähigkeiten ausgemacht werden kann, sondern dass vielmehr eine komplexe Systema-

tik dafür ausschlaggebend ist, die sich aus verschiedenen Intelligenzkomponenten zusam-

mensetzt. Diese werden ihrerseits durch Umwelteinflüsse und Persönlichkeitsmerkmale be-

einflusst. Dadurch können sich bestimmte Begabungen in gewissen Leistungsgebieten ent-

falten (Mönks & Ypenburg, 2005; Heller & Perleth, 2008; Gagné, 2007, zitiert nach Erb,

2010).

Aus dieser Auffassung heraus wurden sogenannte Mehrfaktorenmodelle entwickelt, um den

Begriff Begabung zu definieren. Ein sehr anerkanntes und weit verbreitetes Modell ist das

Münchner Hochbegabungsmodell von Heller, in dem Begabungsfaktoren als sogenannte

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Prädiktoren, nicht-kognitive Persönlichkeits- und Umweltmerkmale als Moderatoren, sowie

Leistungsbereiche, als Kriterien, aufgeführt werden (Mönks & Ypenburg, 2005; Heller & Per-

leth, 2008; Gagné, 2007, zitiert nach Erb, 2010). Dieses Modell nimmt sieben zentrale Bega-

bungstypen an, die als variable Prädiktoren für bestimmte herausragende Leistungen auf

acht verschiedenen Gebieten dienen. Die Begabungspotentiale und die Leistungsgebiete

werden von den sogenannten Moderatoren, die die individuelle Persönlichkeit und die Um-

welteinflüsse betreffen, beeinflusst. Die Moderatoren divergieren je nachdem wie sehr die

einzelnen Variablen ausgeprägt sind und beeinflussen dementsprechend die Verknüpfung

zwischen den Begabungsfaktoren und den Leistungsbereichen. Dieses Begabungsmodell

versucht den Prozess möglichst lebendig zu beschreiben, mit dem Leistungen aus Bega-

bungen hervorgehen (Erb, 2010).

Abbildung 8: Das mehrdimensionale (Hoch-)Begabungsmodell (Heller & Perleth, 2008, S. 449).

Als Fazit kann festgehalten werden, dass Begabungen mehrdimensional angelegte, indivi-

duelle Fähigkeiten sind, die nicht nur unter Umweltwelteinflüssen sondern auch durch die

Möglichkeiten zu lernen, zu trainieren oder zu üben in Leistung umgewandelt werden kön-

nen. Eine Hochbegabung kann dann attestiert werden, wenn die Potenziale in einem Bereich

über dem Durchschnitt veranlagt sind (Erb, 2010).

Hochbegabte Kinder brauchen wesentlich differenziertere Anregungen und eine stimulieren-

dere Förderung als in einem herkömmlichen Frontalunterricht möglich ist. Sprechen hochbe-

Abbildung 1: Das Münchner (Hoch-)Begabungsmodell als Beispiel für mehrdimensionale,

typologische Begabungskonzepte.

Legende: Umweltmerkmale (Moderatoren), z.B.

– Anregungsgehalt der häuslichen Lernumwelt

Begabungsfaktoren (Prädiktoren), z.B. – Bildungsniveau der Eltern

− Intelligenz (sprachliche, mathematische, – Erziehungsstil

technisch-konstruktive Fähigkeiten usw.) – Häusliche Leistungsforderungen

− Kreativität (sprachliche, mathematische, – Soziale Reaktion auf Erfolgs-/Misserfolgs-

technische, gestalterische usw.) erlebnisse

− Soziale Kompetenz – Geschwisterzahl und -position

− Musikalität – Familienklima

− Musisch-künstlerische Fähigkeiten – Unterrichtsqualität

− Psychomotorik – Lerndifferenzierung

− Praktische Intelligenz – Schulklima

– Kritische Lebensereignisse

(Nichtkognitive) Persönlichkeitsmerkmale

(Moderatoren), z.B. Leistungsbereiche (Kriteriumsvariablen), z.B.

− Leistungsmotivation, Lern- u. Aufgaben- – Sprachen

motivation – Mathematik

− Hoffnung auf Erfolg vs. Misserfolgs- – Naturwissenschaften

ängstlichkeit – Technik, Gestaltendes Handwerk

− Anstrengungsbereitschaft – Informatik, Schach, usw.

− Kontrollüberzeugung, Kausalattribution – Musik

− Erkenntnisstreben, Interessen – Musisch-künstlerische Bereiche

− Stressbewältigungskompetenz – Sozialwissenschaften

− Selbstkonzept (allgemeines, schulisches, – Führungsfunktionen in der Industrie, usw.

Begabungs-Selbstkonzept, usw.) – Sportliche Tätigkeiten

Stress-bewältigung

Leistungs-motivation

Arbeitsverhalten, Aufmerk./Konz.

Prüfungssorgen, Ängstlichkeit

Kausal-attribution

Nicht-kogn. Per-

sönlichkeits-merkmale

(Moderatoren)

Intellektuelle Fähigkeiten

Kreative Fähigkeiten

Soziale Kompetenz

Begabungs-faktoren

(Prädiktoren)

Leistungs-bereiche (Kriterien)

Umwelt- merkmale

(Moderatoren)

Musikalität

Künstlerische Fähigkeiten

Psycho-motorik

Praktische Intelligenz

Familiäre Lernumwelt

Sprachen

Mathematik

Naturwissen-schaften

Technik

Informatik,Schach

Musik, Kunst (Malerei usw.)

SozialeBeziehungen

Sport

Familien-klima

Instruktions-qualität

Schul-klima

Krit. Lebens- ereignisse

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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gabte Kinder über ihre Schulzeit, wird deutlich, wie sehr sie sich im Unterricht isoliert fühlen,

da ihre Fähigkeiten, Begabungen und Interessen entweder unerkannt bleiben, vernachlässigt

oder nicht entsprechend gefördert werden. Die Folgen sind oft unausweichlich und resultie-

ren in unzufriedenen, verhaltensauffälligen Kindern, bei denen sich schließlich nicht selten

psychische Probleme manifestieren (Wolff, 2000).

Förderung von Begabungen in der Montessori-Pädagogik

Montessori stellte das Kind in den Mittelpunkt ihrer Pädagogik und sprach jedem Kind das

Recht zu, entsprechend seinen persönlichen Fähigkeiten, Stärken wie auch Schwächen indi-

viduell bestmöglich gefördert zu werden. Die Montessori-Pädagogik bietet schon aufgrund

ihrer Grundelemente die Voraussetzung für Begabtenförderung an sich (Erb, 2010).

„Der Weg, auf dem die Schwachen sich stärken, ist der gleiche wie der, auf dem die Starken

sich vervollkommnen“ (Montessori, 1987, zitiert nach Eckert & Waldschmidt, 2010, S. 9).

Dieses Zitat bezog sich damals allerdings nicht etwa auf minder- bzw. hochbegabte Kinder,

sondern auf Kinder, an denen sich Fehlentwicklungen in unterschiedlichen Ausprägungen

zeigten. So nannte Montessori die impulsiven Kinder als stark und die schüchternen, ängstli-

chen Kinder als schwach. Allerdings kann dieses Zitat durchaus auch auf die Förderung von

minder- bzw. hochbegabten Kindern innerhalb des Montessori-Konzepts übertragen werden.

Ausschlaggebend ist dabei, dass die Kinder nicht durch ihre Umwelt, ihr soziales Umfeld

oder erzieherische Maßnahmen behindert werden (Erb, 2010).

Ganz entgegen der damaligen Auffassung, Intelligenz und Begabung wären genetisch fest-

gelegt und könnten nicht weiter entwickelt werden, war Maria Montessori bereits davon

überzeugt, dass jedes Kind individuelle Begabungen zwar von Anfang an mitbringt, ihm al-

lerdings die Möglichkeiten geboten werden müssen, diese Potentiale entfalten zu können.

Dabei kommen auch die Überzeugung der Veränderbarkeit und die Möglichkeit der Einfluss-

nahme auf die Begabungen zu tragen, die der pädagogischen Arbeit bezüglich Hochbegab-

tenförderung Sinn verleiht. Ausschlaggebend ist hier wiederum die Aufgabe der Erziehen-

den, die dafür Sorge zu tragen haben, dass diese die Art der Begabungen, das Entwick-

lungstempo sowie die Vor- und Nachteile, die mit den Begabungen verbunden sind, im Blick

haben. Die Pädagogin bzw. der Pädagoge sollte das hochbegabte Kind beispielsweise nicht

spüren lassen, dass sie bzw. er von der Auffassungsgabe oder der Begabung besonders

beeindruckt ist, da das Kind sonst Gefahr läuft, nicht aus eigenem Interesse heraus zu han-

deln, sondern statt dessen beginnt, nur die Aufmerksamkeit erhaschen zu wollen. Daher

muss es das Bestreben der Erziehenden sein, die Freude des Kindes am Wissenserwerb

und an der Erkenntnis zu erhalten und zu fördern (Wolff, 2000).

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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Da Montessori in ihrer Pädagogik immer vom Kind ausgeht, also jedes Kind als individuelles

Wesen mit seiner ganz eigenen Entwicklungs- bzw. Lebensgeschichte gesehen wird, kann

so auch auf die Bedürfnisse hochbegabter Kinder individuell eingegangen werden und dem-

entsprechend können die Fördermaßnahmen gesetzt werden. Innerhalb der Freiarbeit be-

steht auch für hochbegabte Kinder die Möglichkeit, individuell zu bestimmen, mit welchem

Arbeitstempo, welcher Arbeitsdauer und welcher Hingabe es an einem Thema arbeiten

möchte, um sich gemäß seines „inneren Bauplans“ (Montessori, 1952, S. 27) entwickeln zu

können. Allerdings muss dies in einem bestimmten Rahmen von Freiheit und Verantwortung

geschehen, sodass der momentane Entwicklungsstand berücksichtigt wird und die Potentia-

le des Kindes bestmöglich genutzt werden. Die Verantwortung der Lehrenden besteht darin,

die Interessen der Kinder aufzugreifen und durch die Bereitstellung von Material oder Infor-

mationen den ungehinderten Zugang zum Wissenserwerb zu gewährleisten (Wolff, 2000).

Allerdings ist nicht nur die kognitive Förderung bei Montessori bedeutend, sondern vielmehr

eine ganzheitliche Sicht auf das Kind. Einen großen Vorteil bei der Förderung hochbegabter

Kinder stellt der jahrgangsübergreifende Unterricht dar. Da diese Kinder gleichaltrigen

Kindern meist intellektuell um mindestens ein bis zwei Jahre voraus sind, bevorzugen sie

eher den Kontakt mit älteren Kindern, um sich mit ihnen auszutauschen. Wichtig erscheint

aber auch die Bedeutung des sozialen Lernens. Konnten hochbegabte Kinder über einige

Zeit ihr Begabungspotenzial ausschöpfen und stabilisieren, sollten sie sich im Umgang mit

den jüngeren Kindern kooperativ zeigen können. Das wäre ein wichtiges Ziel hinsichtlich des

sozialen Lernens, das nach Montessori immer ausgewogen mit den kognitiven Lernzielen

Beachtung finden sollte. Hochbegabte Kinder laufen Gefahr, sich sozial zu isolieren und sich

von anderen Kindern abzugrenzen. Ein Unterricht, der allen Kindern gerecht werden soll,

muss möglichst differenziert angelegt werden, sodass allen Kindern entsprechend ihren

Fähigkeiten alle Entwicklungsmöglichkeiten offen stehen und zwar ohne Grenzen nach oben.

Somit können sowohl minder- als auch normal- und hochbegabte Kinder miteinander lernen,

ohne dabei durch ihre Begabung stigmatisiert zu werden. Außerdem ist es wichtig, nicht nur

die Begabungen, sondern die gesamte Persönlichkeit des Kindes im Blick zu behalten

(ebd.).

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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3.4.4 KINDER MIT AUTISMUS

Grundlegendes über Autismus

Autismus wird in der ICD-10 als tiefgreifende Entwicklungsstörung gelistet (WHO, 2015). Es

handelt sich dabei um eine sehr komplexe Beeinträchtigung mit unterschiedlichen Ausprä-

gungsformen, die vor allem durch eine extrem abgewandelte Verarbeitung von Wahrneh-

mung und Reizen geprägt, meist pränatal angelegt ist und durch viele Faktoren ausgelöst

werden kann (Baumann & Michlo, 2010).

Die Störung zeigt sich durch Auffälligkeiten in den drei Bereichen soziale Kontakte, Kommu-

nikation und funktionales bzw. symbolisches Spielverhalten und geht öfters mit geistigen

Beeinträchtigungen einher. Das Knüpfen und Pflegen von sozialen Kontakten sowie das

Verstehen der Umwelt fällt Menschen mit Autismus sehr schwer (Klicpera & Gasteiger-

Klicpera, 2008). Zahlreiche Symptome beschreiben das ganze Spektrum des Autismus-

Syndroms. Die Ausprägungen der Probleme und Beeinträchtigungen sind individuell ganz

verschieden. In der Medizin werden der Frühkindliche Autismus mit einer speziellen Form,

dem High-functioning Autismus sowie der Atypische Autismus und das Asperger-Syndrom

als Formen der Autismus-Spektrum-Störung unterschieden (Baumann & Michlo, 2010).

Beim frühkindlichen Autismus oder Kanner-Syndrom sind vier Hauptmerkmale besonders

auffällig. Das sind zum einen die Beeinträchtigungen der wechselseitigen sozialen Interakti-

onen und der Kommunikation und zum anderen die Einschränkungen von Interessen sowie

Stereotypien in den Verhaltensweisen. So können Kinder mit frühkindlichem Autismus keine

Beziehung zu Personen, Geschehnissen oder Gegenständen aufbauen. Es gibt kein Ant-

wortlächeln, keinen Blickkontakt, keine Unterscheidung von vertrauten und fremden Perso-

nen oder Gesten, die den Wunsch nach einem (Körper-)Kontakt anzeigen würden. Bei älte-

ren Kindern kann man weder gemeinschaftliches Spielverhalten noch die Fähigkeit zur Em-

pathie beobachten, weshalb sie oft auch nicht in der Lage sind, Freundschaften einzugehen

oder zu pflegen. Außerdem ist der frühkindliche Autismus durch außergewöhnliches Abgren-

zen von der übrigen Umwelt, verängstigtes Festklammern an Vertrautem und Gewohnheiten

sowie Auffälligkeiten bei der Sprache gekennzeichnet. Stereotype Handlungen sind in der

Sprache und in der Motorik zu beobachten. Kommen die Kinder ins Fragealter, stellen sie

immer wieder dieselben Fragen. Weitere typische Symptome sind ausgeprägte Vorlieben,

aber auch Aggressionen gegen sich und andere, keine Furcht vor gefährlichen Situationen

und eine Überempfindlichkeit bei Sinnesreizen. Kennzeichnend ist, dass alle diese Merkmale

und Symptome beim frühkindlichen Autismus vor dem dritten Lebensjahr auftreten

(Remschmidt, 2012).

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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Beim Asperger-Syndrom (Autistische Persönlichkeitsstörung) wird die Diagnose oft später

gestellt als beim frühkindlichen Autismus, da die Kinder und Jugendlichen erst viel später

auffällig werden, nämlich meist dann, wenn sie sich sozial integrieren sollen. Das ist entwe-

der bei ihrem Einstieg in den Kindergarten oder in die Schule der Fall. Der Grad der Ausprä-

gung ist dabei sehr unterschiedlich. Die typischen Grundmerkmale des Asperger-Syndroms

sind Auffälligkeiten bei sozialen Interaktionen, außergewöhnliche und extrem ausgeprägte

Interessen sowie stereotype Verhaltensweisen. Bei Sozialkontakten fällt auf, dass bei den

Kindern und Jugendlichen Gestik, Mimik oder Blickkontakt fehlen, aber auch, dass es für

diese unmöglich ist, zwanglos Beziehungen mit anderen Menschen aufzubauen oder auch

Empathie zu zeigen. Kinder und Jugendliche können sich nur schwer an andere Menschen

oder Situationen anpassen. Interessen fallen sehr speziell aus, sind meist für andere Men-

schen nicht besonders ansprechend, werden allerdings sehr exzessiv ausgelebt. Anders als

beim frühkindlichen Autismus fehlen die verspätete Sprachentwicklung sowie die Beeinträch-

tigungen der kognitiven Entwicklung. Die Störung wird dadurch offensichtlich, dass die Kin-

der einfach zu reden beginnen, wann sie wollen, ohne Rücksicht auf die Zuhörenden zu

nehmen und oft mit sich selbst sprechen. Kinder mit dem Asperger-Syndrom können gut

logisch, abstrakt und kreativ denken, haben allerdings trotz guter Intelligenz in der Schule oft

Probleme, weil sie wie die Kinder und Jugendlichen mit frühkindlichem Autismus eine ausge-

sprochene Aufmerksamkeitsstörung haben. Diese wird nicht durch äußere Einflüsse ausge-

löst, sondern kommt durch eine intensive Beschäftigung mit sich selbst und damit von „in-

nen“ zustande. Besonders auffällig ist, dass Menschen mit Asperger-Syndrom fein- und

grobmotorisch ungeschickt sind. Die Emotionalität dieser Kinder, die durchaus starke Emp-

findungen zulässt, ist durch disharmonische und widersprüchliche Gemütslagen geprägt.

Daher werden die Kinder und Jugendlichen in der Schule oft verspottet, worauf sie meist

unangemessen kontern. Betroffene mit dem Asperger-Syndrom sind an sozialen Kontakten

durchaus interessiert, wissen aber nicht, wie sie diese knüpfen sollen (Remschmidt, 2012).

Beim Atypischen Autismus sind die Symptome ähnlich wie beim frühkindlichen Autismus, nur

dass diese erst nach dem dritten Geburtstag offensichtlich werden oder die Kriterien für die

Diagnose für einen frühkindlichen Autismus nicht in allen drei Bereichen zutreffen (ebd.).

Grundsätzlich gilt für alle Autismus-Formen als Therapieansatz die Entlastung der Eltern

bzw. Familien autistischer Kinder und Jugendlicher von Schuldgefühlen, die Akzeptanz, dass

keine einheitliche Ursache, sondern vielmehr ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren für die

autistische Störung ausschlaggebend ist, die Berücksichtigung der Beeinträchtigung kogniti-

ver Fähigkeiten, die keine großen Verbesserungen zulässt, sowie strukturgebende Behand-

lungsmaßnahmen anstelle einer Laissez-faire-Haltung. Die Auffälligkeiten im kognitiven und

emotionalen Bereich können nach derzeitigem Wissen nicht vollständig behoben werden.

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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Dagegen können das Sozialverhalten und die Kommunikation sehr wohl gefördert werden.

Ausschlaggebend für die Behandlung von Menschen mit Autismus ist es, einen ganzheitli-

chen Ansatz bei der Auswahl von Therapien und Fördermaßnahmen zu verfolgen, die Men-

schen individuell in ihrer gesamten Entwicklung und mit ihren Bedürfnissen wahrzunehmen

und dementsprechend Behandlungskonzepte festzulegen. Als sehr hilfreich hat es sich auch

erwiesen, Kinder mit Autismus zusammen mit gesunden Kindern zu unterrichten, damit adä-

quates Sozialverhalten eingeübt werden kann (Mc Hale et al.,1981, zitiert nach Remschmidt,

2012). Zuletzt ist für eine gelungene Rehabilitation autistischer Menschen wichtig, dass ein

wechselseitiger Prozess in Form von Anpassungsmaßnahmen sowohl auf Seiten der Men-

schen mit Autismus als auch auf Seiten des sie umgebenden Umfelds stattfindet

(Remschmidt, 2012).

Was kann Montessori-Pädagogik für autistische Kinder leisten?

Erzieherinnen und Erzieher, die mit Kindern mit Autismus arbeiten, müssen genaue Kennt-

nisse über die Merkmale und Symptome dieser Störung haben und auch, entsprechend Ma-

ria Montessoris Konzept, die Kinder und Jugendlichen genau beobachten können, um ihre

Stärken und Schwächen zu erkennen und eine entsprechende Lernumgebung für sie zu

schaffen. Sind die Beeinträchtigungen in der Wahrnehmung und deren Folgen für die Kom-

munikation, die sozialen Kontakte und die Planung von Handlungen bekannt, ist es vage

vorstellbar, mit welchen Problemen Kinder mit Autismus in einem (Schul-)Alltag konfrontiert

sind. Es gibt beispielsweise Momente, in denen es sehr laut und unstrukturiert ist, wie bei-

spielsweise in der Pause, wenn die Kinder mit Autismus mit ganz verschiedenen Sozialkon-

takten zurechtkommen müssen oder plötzliche Abweichungen von Routinen auf sie zukom-

men, wenn zum Beispiel reguläre Schulstunden suppliert werden müssen. So ist darauf zu

achten, dass der Unterricht nicht zu offen gestaltet wird, da Gruppenarbeit und ein Überan-

gebot an Material eher beängstigend wirken können (Hüther, 2008, zitiert nach Baumann &

Michlo, 2010).

Maria Montessori vertrat die Ansicht, dass Kinder nur dann erfolgreich lernen und dazu einen

positiven und angstfreien Zugang haben können, wenn sie eine für ihre Entwicklung förderli-

che Umgebung vorfinden, in der sie selbstständig handeln können (Montessori, 2002). Das

bedeutet für Kinder mit Autismus, dass ihnen eine ruhige und gut durchstrukturierte Umge-

bung bereitet werden muss, die ihnen Sicherheit und Verlässlichkeit vermittelt, in der sie Hil-

fe beim Aufbau sozialer Kontakte bekommen und Rückzugsmöglichkeiten vorfinden. Viele

Aspekte für die Umsetzung einer solchen vorbereiteten Umgebung finden sich auch im

TEACCH-Ansatz. Aus diesem Grund lassen sich das Montessori-Konzept und der TEACCH-

Ansatz gut miteinander kombinieren, da in beiden die gleichen Intentionen und Grundprinzi-

pien verfolgt werden (Baumann & Michlo, 2010). Im Folgenden soll der TEACCH-Ansatz

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näher erläutert werden, um die Parallelen zwischen diesem und dem Montessori-Ansatz auf-

zuzeigen.

Der TEACCH-Ansatz

TEACCH bedeutet Treatment and Education of Autistic and related Communication handi-

capped CHildren und ist eine bedeutende Methode zur pädagogischen Förderung autisti-

scher Kinder, Jugendlicher und Erwachsener (Häußler, 2008).

TEACCH ist ein ganzheitlicher pädagogisch-therapeutischer Ansatz, der die Besonder-heiten von Menschen mit Autismus berücksichtigt und die Entwicklung individueller Hil-fen zur Unterstützung des Lernens und zur selbstständigen Bewältigung des Alltags in den Mittelpunkt stellt. Der methodische Aspekt der Strukturierung und Visualisierung bildet dabei eine grundlegende Strategie in der Förderung, die sich auf alle Bereiche der Entwicklung bezieht (Häußler, 2006, S. 1).

Grundvoraussetzung für die Arbeit mit TEACCH und besonders für die Erstellung von För-

derplänen ist ein qualifiziertes Fachwissen über Autismus und das Verständnis für die typi-

schen Schwierigkeiten. Eine ganzheitliche Sicht auf die individuelle Person und die jeweilige

Situation, sowie die Berücksichtigung aller Aspekte der Persönlichkeit und der Entwicklung in

allen Lebensbereichen sind bedeutend. Ein wesentlicher Aspekt des TEACCH-Ansatzes ist

dabei auch die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Eltern und der Familie, die in die

Ausführung der Interventionen einbezogen werden. Die Vorschläge zur Unterstützung in den

einzelnen Entwicklungsbereichen werden aufeinander abgestimmt und in einem Förderplan

dargelegt. Die Förderkonzepte setzen einerseits an den Stärken an, andererseits werden

aber auch die Schwächen erkannt und akzeptiert. Für jeden Menschen, jede Situation wird

aus den unterschiedlichen, wissenschaftlich fundierten Methoden die passende ausgewählt.

Beobachtetes Problemverhalten ist der Ausgangspunkt von Interventionen. Es wird versucht,

die Ursache(n) für das Verhalten herauszufinden, um vorbeugende Maßnahmen treffen zu

können und im Vorfeld vermittelnde Strategien anzuwenden. Auf diese Weise kann ein

Mensch mit Autismus eher mit einer bestimmten Situation angemessen umgehen und das

Problemverhalten wird so möglichst gering gehalten (Schopler, 1994; Schopler, 1995;

Schopler & Mesibow, 2000, zitiert in Häußler, 2008).

TEACCH ist ein besonders auf Kommunikation ausgerichteter Ansatz, der den Fokus auf

das gegenseitige Mitteilen und Verstehen richtet. Die Betreuenden versuchen, sich mit Hilfe

einer angepassten Kommunikation verständlich zu machen. Es werden individuelle Wege

gesucht, damit sich die Menschen mit Autismus ihrerseits bestmöglich mitteilen und so an

ihrer Lebensgestaltung aktiv mitwirken können. Das wichtigste Ziel ist es, den Umfang der

Fremdbestimmung so gering wie möglich zu halten (Schopler, 1994; Schopler, 1995;

Schopler & Mesibow, 2000, zitiert in Häußler, 2008).

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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Dabei wird das sogenannte Picture Exchange Communication System, kurz PECS, als ein

Kommunikationssystem eingesetzt. Mit Hilfe von Bildkarten soll ermöglicht werden, Unterhal-

tungen zu verstehen und zu praktizieren. Besonders das Initiieren von Kommunikation soll

erleichtert werden. Durch das Reichen der Bildkarte wird der Kontakt zur Gesprächspartnerin

bzw. zum Gesprächspartner hergestellt. Menschen mit Autismus müssen auf diese Weise

nicht erst warten, bis sie gefragt werden, sondern können ihre Wünsche und Bedürfnisse von

sich aus äußern. PECS setzt an der Motivation der Betroffenen an, indem sie nach jedem

kommunikativen Teilschritt ihre Wünsche sofort erfüllt bekommen. Auch die Aufmerksamkeit

wird durch PECS gefördert, indem die Betroffene bzw. der Betroffene lernt, immer aufmerk-

samer aus verschiedenen Bildkarten zu wählen und diese schließlich auch mit anderen zu

teilen beginnt (Lechmann, Diepers-Pérez, Grass, & Pfeiffer, 2009).

Für Menschen mit Autismus ist es von größter Bedeutung, dass sie bestimmte Situationen

verstehen und sich auf diese einstellen können. Die Strukturierung von Lern- und Alltagssi-

tuationen sind dabei eine große Hilfe (Schopler, 1994; Schopler, 1995; Schopler & Mesibow,

2000 zitiert in Häußler, 2008). Strukturierung und Visualisierung werden fälschlicherweise oft

mit TEACCH gleichgesetzt, stellen tatsächlich aber nur einen Aspekt von TEACCH dar und

bieten den Rahmen für die Gestaltung von Förderangeboten (Häußler, 2008).

Beim TEACCH-Ansatz steht vor allem die Unterstützung beim Lernen im Vordergrund, da

Menschen mit Autismus eine andere Wahrnehmung haben und Informationen auch anders

verarbeiten (Klicpera & Gasteiger-Klicpera, 2008). Probleme in der Informationsverarbeitung

zeigen sich beim Lenken der Aufmerksamkeit, Einbeziehen und Analysieren von Reizen,

Gedächtnis und Lösen von Problemen, was dann Konsequenzen für das Lernen hat.

Individuelle strukturierende Hilfe, wie die visuelle Gestaltung des Umfeldes, die Darstellung

komplexer Handlungen in Teilschritten und die Strukturierung von Zeit und Raum soll Orien-

tierung bieten und ein Verstehen, Lernen und Handeln erleichtern. Durch die räumliche und

zeitliche Strukturierung der Lernsituation werden die eigene Verhaltensorganisation und das

Lernen unterstützt sowie die Informationsaufnahme und -verarbeitung erleichtert (Häußler,

2008).

Ziel von Strukturierung ist es, Komplexität zu reduzieren, die Aufmerksamkeit auf Wesentli-

ches zu lenken, Zusammenhänge deutlich zu machen und Abläufe begreifen zu können.

Menschen mit Autismus nehmen visuelle Informationen auch leichter auf als verbale. Visuel-

le Informationen sind beständiger und immer wieder abrufbar, dienen als Erinnerungshilfen,

ermöglichen ein selbstständiges Handeln und machen Menschen mit Autismus damit unab-

hängig von Betreuungspersonen (Häußler, 2008).

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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Die räumliche Strukturierung umfasst die Gestaltung des lokalen Umfeldes als Lern- und

Lebensumfeld aber auch die Gestaltung und Anordnung des Materials. Die Räumlichkeiten

und die verschiedenen Arbeitsbereiche sollten übersichtlich und klar voneinander abgegrenzt

sein und ihrem Zweck entsprechend gekennzeichnet werden. Auch die Zuordnung der Ge-

genstände und Materialien zu bestimmten Orten ist wichtig (ebd.).

Die zeitliche Strukturierung umfasst Zeitpläne, Aufgabenpläne und Anleitungen für bestimm-

te Tätigkeiten. Die Zeitpläne, wie Tages-, Wochen- oder Monatspläne, sollen Aktivitäten, die

in einem bestimmten Zeitraum erledigt werden, überschaubar machen und die Reihenfolge

der Tätigkeiten strukturieren. Aktivitäten werden auch durch das begrenzte Vorhandensein

des Materials zeitlich beschränkt. Sind Tätigkeiten für Betroffene zu komplex, hilft es, die

Reihenfolgen aufgeschlüsselt, mit Hilfe konkreter Gegenstände, schriftlicher Hinweise, Fotos

oder Zeichnungen darzustellen. Aufgabenpläne hingegen bieten eine Orientierungshilfe bei

der selbstständigen Erledigung einer Handlung und geben an, was, wie viel, wie lange und in

welcher Reihenfolge zu tun ist. Anleitungen stellen eine visuelle Strukturierung der Aufgaben

dar und umfassen die visuelle Organisation, visuelle Instruktion sowie die visuelle Deutlich-

keit. Die visuelle Organisation betrifft die übersichtliche Anordnung der Materialien wie auch

die Gestaltung der Arbeitsflächen. Es wurde eine Vielfalt verschiedener Arten von Aufgaben

innerhalb des TEACCH-Programms entwickelt. Die visuellen Instruktionen beinhalten die

Hinweise für den Umgang mit dem Material. Durch visuelle Deutlichkeit werden besonders

wichtige Aspekte einer Übung oder eines Hinweises hervorgehoben (ebd.).

Schließlich ist der Aufbau von Routinen für Menschen mit Autismus bedeutend, was nach

gleich bleibenden Bedingungen verlangt. Routinen können als Hilfestellung für bestimmte

Tätigkeiten und zur Alltagsbewältigung, besonders in schwierigen Situationen, auch eingeübt

werden (Häußler, 2008).

Der TEACCH-Ansatz und die Montessori-Pädagogik

Anke Baumann und Kerstin Michlo (2010) beschreiben in ihrem Bericht anschaulich, wie sie

Montessori-Pädagogik für Kinder mit Autismus umsetzen und diese mit den Grundprinzipien

des TEACCH-Ansatzes kombinieren. Der Schulalltag ist durch räumliche und zeitliche Struk-

turierung gut durchorganisiert.

Basis für die Arbeit mit den Kindern mit Autismus ist es, eine entsprechende vorbereitete

Umgebung herzurichten. Jede Schülerin und jeder Schüler arbeitet einzeln an einem Tisch,

mit Blickrichtung zur Wand und von Regalen abgetrennt, was eine Reizüberflutung verhin-

dern soll. Für Gruppenarbeiten steht ein Gruppentisch zur Verfügung, an dem jede Schüle-

rin, jeder Schüler einen festen Platz hat. Für verschiedene andere Tätigkeiten wie das Bau-

en, Spielen oder die Computerarbeit stehen bestimmte, ebenfalls räumlich abgetrennte Be-

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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reiche zur Verfügung. Das (Montessori-)Material für die Lerngegenstände Deutsch, Mathe-

matik, Kosmische Erziehung bzw. Sachunterricht ist übersichtlich in den offenen Regalen

angeordnet und mit Schildern gekennzeichnet. So können die Kinder selbstständig das Ma-

terial für ihre Lerntätigkeiten wählen und wieder aufräumen. Ein runder Teppich ist Treffpunkt

für den Morgenkreis, vor einer Freiarbeit, für Darbietungen von Materialien und Projektarbei-

ten. Der Schulalltag soll für die Kinder mit Autismus möglichst vorhersehbar und verlässlich

gestaltet sein. So wird im Morgenkreis der Tagesverlauf besprochen und anhand eines Mo-

dell-Stundenplans veranschaulicht. Es wird mit individuellen Tagesplänen gearbeitet und

Handlungsabläufe werden mit Hilfe von Bildkarten Schritt für Schritt abgearbeitet. Sanduhren

prägen das Bild im Klassenzimmer und helfen dabei, die Zeit zu strukturieren. Die Phasen

der einzelnen Tätigkeiten werden so überschaubar und das vermittelt den Kindern Sicher-

heit. Auch Routinen bieten den Kindern Gewissheit und Halt im Schulalltag. So werden be-

stimmte Aktionen mit einer gemeinsamen Zusammenkunft am Teppich begonnen. In der

Freiarbeit können einerseits die Materialien eingeführt und andererseits die Kinder gut bei

der Arbeit beobachtet werden. Die Beobachtungen bieten dann die Grundlage dafür, wie die

Umgebung vorbereitet werden muss und welches Material angeboten oder adaptiert werden

soll. Besonders die selbstgewählten Tätigkeiten geben Aufschluss über den Entwicklungs-

und Leistungsstand sowie die Interessen der einzelnen Kinder (Baumann & Michlo, 2010).

Durch das große Angebot der verschiedenen Materialien ist es auch möglich, über Umwege

zum Ziel zu kommen. Statt gleich mit einem Stift zu schreiben, konnte ein Kind erst über ver-

schiedene Übungen des täglichen Lebens und die Sinnesmaterialien, wie beispielsweise die

Einsatzzylinder und die metallenen Einsätze, dazu motiviert werden, einen Stift in die Hand

zu nehmen. Über das intensive Interesse für eine bestimmte Thematik begann es schließlich

zu schreiben. Die Freiarbeit bietet den Rahmen dafür, flexibel zu arbeiten, die Zeit frei einzu-

teilen und nötige Pausen einzulegen sowie die Möglichkeit, den Ort frei zu wählen, an dem

gearbeitet werden soll. Die klare Struktur der Materialien und die Möglichkeit, durch die Viel-

falt der Materialien auf andere auszuweichen, kommen Menschen mit Autismus entgegen.

Bleiben die Kinder mit Autismus in ihren Handlungen hängen und können ihre Aufmerksam-

keit nicht länger auf eine Tätigkeit richten, helfen ihnen dabei die Arbeitspläne, um diese

schrittweise abzuarbeiten (ebd.)

Prinzipiell sind die didaktischen Grundlagen der Montessori-Pädagogik, wie beispielsweise

der Aufbau der Übungen vom Einfachen zum Schwierigen, die Analyse der Bewegung, um

komplexe Handlungen aufzuschlüsseln, die Möglichkeit zur Wiederholung der Tätigkeiten, so

oft diese nötig sind, das Lernen in Teilschritten und nach eigenem Tempo, das auch Raum

für Fehler lässt, eine aus eigenem Antrieb entstandene Motivation, das Erreichen der Polari-

sation der Aufmerksamkeit sowie die klare Struktur der Montessori-Materialien beim Lernen

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3 Montessori Pädagogik und Inklusion

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für Kinder mit Autismus eine große Unterstützung. Besonders die Übungen des täglichen

Lebens helfen den Kindern, ihre Feinmotorik zu schulen und Tätigkeiten für ihren Alltag ein-

zuüben. Das Sinnesmaterial ermöglicht es, einzelne isolierte Eigenschaften, wie beispiels-

weise groß und klein oder dick und dünn, kennenzulernen und zu erfahren. Schließlich kön-

nen diese Erfahrungen im näheren Umfeld umgesetzt und erweitert werden. So können Zu-

sammenhänge eigenständig entdeckt und verstanden werden. Alle Erfahrungen können in

einem geschützten Rahmen gemacht werden, so dass sich die Kinder in Ruhe mit der Um-

welt auseinander setzen können. Auch die Sprach- und Mathematikmaterialien bieten eine

große Unterstützung im Lernalltag. Allerdings gilt es da, diese entsprechend der besonderen

Informationsbearbeitung der Kinder mit Autismus zu adaptieren, da diese sich häufig zu sehr

an Details orientieren. Beim Mathematik-Material hat es sich bewährt, wenn es nicht aus zu

vielen verschiedenen Farben und Einzelteilen besteht, wie die Numerischen Stangen oder

Spindelkäste, während das Goldene Perlenmaterial die Kinder eher dazu bringt, stereotyp

mit den Perlen zu spielen. Dieses Material wird dann nur in Einzellektionen mit genauen und

eindeutigen Aufgabenstellungen eingesetzt (Baumann & Michlo, 2010).

Die Parallelen zwischen dem TEACCH-Ansatz und der Montessori-Pädagogik zeigen sich

vor allem in der vorbereiteten Umgebung und den Materialien, sowie in der gesamtheitlichen

Betrachtung des Individuums.

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EMPIRISCHER TEIL

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4 Ziel und Fragestellungen

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4 ZIEL UND FRAGESTELLUNGEN

Wie in Kapitel 3 bereits näher ausgeführt, werden bei genauer Betrachtung der Leitgedanken

der Montessori-Pädagogik viele inklusive Ansätze deutlich, die auch im Index für Inklusion

dargelegt werden.

Feyerer (2013) bezeichnet den gemeinsamen Unterricht als „unverzichtbares Mittel“ mit dem

die in unserer Gesellschaft übliche Trennung von Menschen mit und ohne Beeinträchtigun-

gen nachhaltig geändert werden kann. Auf diese Weise wird das Ziel einer inklusiven Gesell-

schaft von Beginn an verfolgt. Es gilt, die Vielfältigkeit der Menschheit wertzuschätzen und

zu unterstützen, jedem Menschen die gleiche Achtung und das gleiche Recht anzuerkennen,

ungeachtet von jeweiligen kognitiven, sprachlichen oder physischen Fähigkeiten. Menschen

gleichwertig zu behandeln ist ein Grundsatz in der Inklusiven Pädagogik (Feyerer, 2013).

Der Kind-Umfeld-Ansatz ist ein weiteres grundlegendes Element einer Inklusionspädagogik.

Dabei geht es um den Prozess der Wechselwirkung, der zwischen dem Individuum und der

Gesellschaft stattfindet sowie um die Relevanz des sozialen Umfeldes für den Entwicklungs-

prozess eines Menschen. Wie sich ein Kind entwickelt, hängt nicht alleine von den individuel-

len Fähigkeiten ab, sondern durchaus auch von der Unterstützung und den Förderungen, die

es durch sein Umfeld, wie beispielsweise die Schule, erfährt. Eine inklusive Schule passt die

Lernbedingungen an die Bedürfnisse des einzelnen Kindes an und fordert keine Anpassung

des Kindes an die schulischen Gegebenheiten (Feyerer, 2013).

In den Montessori-Einrichtungen lernen die Kinder in einer für sie angepassten vorbereiteten

Umgebung selbstständig zu handeln und sich Wissen selbsttätig anzueignen. Die Gestaltung

der vorbereiteten Umgebung richtet sich nach der Entwicklung und den Bedürfnissen der

Kinder. Maria Montessori war es sehr wichtig, dass ihre Methode über alle sozialen, religiö-

sen und ethnischen Grenzen hinweg gültig und für alle anwendbar ist – für lernbeeinträchtig-

te und hochbegabte, für behinderte und nichtbehinderte, für einheimische und eingewander-

te, für arme und reiche Kinder (Raapke 2003).

Die Montessori-Pädagogik ist international bekannt und die Association Montessori Internati-

onale (AMI) hat für die Montessori Einrichtungen weltweit vergleichbare Qualitätsstandards

erstellt (ebd.).

Das Ziel der Masterarbeit ist es, die Aspekte des Inklusionsgedankens mit den Grundgedan-

ken der Montessori-Pädagogik zu vergleichen sowie die Gemeinsamkeiten und damit die

Umsetzung des Inklusionsgedankens in Montessori-Einrichtungen herauszuarbeiten.

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4 Ziel und Fragestellungen

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Dazu wurde die Forschungsfrage „Welchen Beitrag kann die Montessori-Pädagogik im Hin-

blick auf den Inklusionsgedanken leisten?“ in drei Unterfragen aufgegliedert:

Wie wirken sich die Kooperation der Eltern, das Konzept der Altersmischung und der

Heterogenität auf die Inklusion aller Kinder aus?

Welchen Beitrag leisten die vorbereitete Umgebung, das Prinzip der freien Wahl und

das ErzieherInnenverhalten zur Umsetzung des Inklusionsgedankens?

Wie unterstützen das Prinzip der Individualisierung, die Förderung der Selbstständig-

keit und der ganzheitlichen Betrachtung des Kindes die Ziele der Inklusion?

Um diese Fragestellungen beantworten zu können, wurden Expertinnen und Experten in

Regelschulen und in Schulen befragt, die sich der Montessori-Pädagogik verschrieben oder

Teile davon in ihr pädagogisches Konzept aufgenommen haben.

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5 Untersuchungsmethode

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5 UNTERSUCHUNGSMETHODE

Die empirische Untersuchung erfolgte mittels einer qualitativen Forschungsarbeit. Zur Erhe-

bung der Daten wurden Leitfaden- bzw. ExpertInneninterviews durchgeführt, bei denen Mon-

tessori-Pädagoginnen und -Pädagogen und auch Regelschullehrerinnen und -lehrer befragt

wurden.

In den folgenden Kapiteln werden das Forschungsdesign, die Stichprobe sowie die Erhe-

bungsinstrumente und die Auswertungsmethode erläutert.

5.1 FORSCHUNGSDESIGN

Die Leitfaden- bzw. ExpertInneninterviews wurden mit den Lehrerinnen und Lehrern nach

Unterrichtsschluss in den Klassenräumen, Bibliotheken oder Konferenzzimmern der Volks-

schulen im Zeitraum vom 5. Februar bis 17. März 2014 durchgeführt. Die Gespräche wurden

mit Hilfe eines Diktiergerätes aufgezeichnet. Teilweise wurden auch Gedächtnisprotokolle

verfasst, wenn nach dem Interview noch ergänzende Informationen zur Sprache kamen oder

Bemerkungen zum Gesprächsverlauf von Bedeutung erschienen. Die Aufzeichnungen soll-

ten sicherstellen, dass es möglichst zu keinen Veränderungen oder gar Verlusten der Infor-

mationen kommt (Gläser & Laudel, 2010).

Auf dem Interviewleitfaden wurden zu Beginn des Gesprächs auch das Datum des Inter-

views vermerkt sowie Angaben zu den Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern notiert

(Name, Alter, Geschlecht, Schule, Ausbildung, Fort- und Weiterbildung, Berufsjahre).

5.2 STICHPROBE

Um die Forschungsfrage beantworten zu können, schien es sinnvoll, die von der AMI

(Association Montessori Internationale, 2015), der internationalen Montessori-Vereinigung,

erstellten Qualitätskriterien, die für eine Montessori-Institution vergeben werden, den Krite-

rien des Index für Inklusion gegenüber zu stellen.

Für die Auswahl der Stichprobe galt es grundsätzlich zu überlegen, wer über jenes relevante

Wissen verfügen könnte und auch bereit wäre, die Fragen des recht umfangreichen Inter-

viewleitfadens zu beantworten (Gläser & Laudel, 2010).

So ergab sich ursprünglich die Überlegung, die Befragung zur Hälfte mit Montessori-

Pädagoginnen und -Pädagogen und zur Hälfte mit Regelschullehrerinnen und -lehrer durch-

zuführen, um deren Aussagen direkt miteinander vergleichen zu können.

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5 Untersuchungsmethode

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An dieser Stelle ist vorauszuschicken, dass die Auswahl von Montessori-Pädagoginnen und

-Pädagogen, die in ihrer Klasse rein nach der Montessori-Methode unterrichten, nicht ganz

einfach war und diese ursprüngliche Idee, die Stichprobe strikt in Montessori-Pädagoginnen

und -Pädagogen und Regelschullehrerinnen und -lehrer aufzuteilen, so nicht umgesetzt wer-

den konnte. Dafür gibt es mehrere Erklärungen.

Einige Volksschullehrerinnen und -lehrer in Graz sind durchaus mit der Montessori-

Pädagogik durch verschiedenste Formen von Zusatzausbildungen mehr oder weniger ver-

traut. Aber auch da gibt es große Unterschiede. Neben dem von der AMI anerkannten zwei

Jahre dauernden Diplom-Lehrgang gibt es verkürzte Versionen, die allerdings nur einen gro-

ben Einblick in dieses doch sehr komplexe pädagogische Konzept geben können. Andere

Pädagoginnen und Pädagogen haben in ihren Klassenzimmern nicht die Möglichkeit, nach

dem Konzept der Montessori-Pädagogik zu unterrichten, sei es aus Platzgründen, nicht vor-

handenem Montessori-Material oder der fehlenden Möglichkeit einer Altersmischung der

Kinder. Ein weiterer Grund ist, dass sich in Graz viele reformpädagogisch geführte Klassen

und auch ganze Schulen oft nach verschiedenen pädagogischen Konzepten der Reformpä-

dagogik orientieren und diese miteinander kombinieren oder nur gewisse Elemente der Kon-

zepte herausfiltern und in den Unterricht einbauen.

Daher besteht die Stichprobe schlussendlich aus vier Montessori-Pädagoginnen und Mont-

essori-Pädagogen einer Grazer Privatschule, die dort Montessori-Klassen nach Montessori-

Qualitätskriterien leiten, einer Sonderschullehrerin, die selbst die Jenaplan-Ausbildung, ein

reformpädagogisches Konzept nach Peter Petersen, absolviert hat und zusammen mit einer

Montessori-Pädagogin die Inklusionsklasse in der vorhin erwähnten Privatschule führt. Wei-

ters enthält die Stichprobe eine Montessori-Pädagogin, die an einer Regelschule eine Integ-

rationsklasse leitet, sowie eine Sonderschullehrerin, die ebenfalls den Montessori-

Diplomkurs absolviert hat, aber in einer Integrationsklasse einer Regelschule als Integrati-

onslehrerin unterrichtet. Letztere ist allerdings nur stundenweise in der Klasse und kann nur

einzelne Elemente der Montessori-Pädagogik in den Unterricht einbauen. Schließlich besteht

die Stichprobe auch noch aus fünf Regelschullehrerinnen und -lehrern, die an Regelschulen

in regulären Jahrgangsklassen unterrichten, wobei zwei von ihnen einen sehr hohen Migrati-

onsanteil in ihren Klassen haben.

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Tabelle 2: Stichprobe Übersicht

PädagogIn Schulform Ausbildung Alter Berufsjahre Geschlecht

MP1 Privatschule Montessori-Klasse

Montessori-Diplom 57 35 weiblich

MP2 Privatschule Montessori-Klasse

Montessori-Diplom 46 20 weiblich

MP3 Privatschule Montessori-Klasse

Montessori-Diplom 47 25 männlich

MP4 Privatschule Montessori-Klasse

Montessori-Diplom 32 6 männlich

MP5/ JP Privatschule Inklusions-Klasse

Montessori-Diplom/ Jenaplan/ Sonder-pädagogik

36 14 weiblich

MP6 Regelschule Integrations-klasse

Montessori-Diplom/ Sonderpädagogik Integrationslehrerin

54 30 weiblich

RS1 Regelschule Volkschullehramt 32 7 weiblich

RS2 Regelschule Integrations-klasse

Sonderpädagogik, Integrationslehrerin

43 20 weiblich

RS3 Regelschule Integrations-klasse

Sonderpädagogik, Integrationslehrer

56 34 männlich

RS4 Regelschule Volkschullehramt 48 24 männlich

RS5 Regelschule Volkschullehramt 48 23 männlich

RS6 Regelschule/ Integrations-klasse

Montessori-Diplom/ Sonderpädagogik/ Integrationslehrerin

43 14 weiblich

5.3 ERHEBUNGSINSTRUMENTE

Zur Befragung wurden, wie oben bereits erwähnt, Leitfaden- bzw. ExpertInneninterviews

durchgeführt. Durch den Leitfaden liegt ein mehr oder weniger strukturierter, schriftlich fest-

gelegter Ablauf von Fragen vor. Der Leitfaden dient als Orientierungshilfe und als Gedächt-

nisstütze beim Interview und enthält sämtliche wichtigen Fragen, sogenannte Schlüsselfra-

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5 Untersuchungsmethode

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gen, die unbedingt gestellt werden müssen, Vermerke, wie bestimmte Themenbereiche ein-

geleitet werden sollen, sowie Fragen, die nicht so bedeutend sind und optional gestellt wer-

den können (Stigler & Felbinger, 2005).

ExpertInneninterviews werden häufig als Leitfadeninterviews geführt. Für deren Grundlage

dient eine Reihe vorbereiteter offen gestellter Fragen als Gesprächsbasis (Gläser & Laudel,

2010). Der Zweck eines ExpertInneninterviews scheint offensichtlich, da das Ziel dabei ist,

besonderes, spezielles, detailliertes oder auch umfangreiches Wissen mit Hilfe der Expertin-

nen und Experten zu rekonstruieren (Pfadenhauer, 2009). In der pädagogischen Forschung

gilt es, besonders Personen aus der Praxis zu befragen, die Angaben zu Routinen und Ge-

setzmäßigkeiten machen können. Jene Personen werden als Expertinnen und Experten für

ein bestimmtes Handlungsfeld angesehen, das sozusagen von ihnen repräsentiert wird

(Meuser & Nagel, 2013).

Als Expertinnen und Experten wurden Lehrerinnen und Lehrer ausgewählt, da diese aus

ihrem Unterrichtsalltag heraus beurteilen können, inwieweit die im Index für Inklusion aufge-

führten Punkte zur Umsetzung einer inklusiven Schule bereits in ihrem Unterricht in der

Klasse bzw. in der Schule umgesetzt worden sind, ob es Tendenzen in diese Richtung gibt

oder ob keinerlei Übereinstimmungenmit den genannten Bedingungen vorhanden sind.

Als Vorlage zur Erstellung des Leitfadens dienten die von Boban & Hinz (2003) im Index für

Inklusion ausgearbeiteten Fragen und Indikatoren. Einleitend wurde die Forschungsaufgabe

erklärt und darauf hingewiesen, dass die Aussagen in anonymisierter Form und nur im Zu-

sammenhang mit dieser Untersuchung verwendet werden. Es wurde auch das Einverständ-

nis zur Aufzeichnung der Gespräche erbeten und schließlich wurden einige Informationen

über die Interviewpartnerin bzw. den Interviewpartner eingeholt.

Neben persönlichen Daten, wie dem Alter und dem Geschlecht war von Interesse, welche

Ausbildung, wie viele Berufsjahre und welche Zusatzqualifikationen, insbesondere im Be-

reich der Montessori-Pädagogik, aber auch der Sonderpädagogik die Interviewpartnerin bzw.

der Interviewpartner hatte. Weiters wurde erfragt, ob und inwieweit die bzw. der Befragte mit

dem Index für Inklusion vertraut war. War dies nicht der Fall, wurden kurz ein paar Informati-

onen zum Index für Inklusion erläutert.

Die Fragenblöcke waren durch die drei Dimensionen des Index für Inklusion, Kulturen schaf-

fen, Strukturen etablieren und Inklusive Praktiken entwickeln bereits vorgegeben. Jede Di-

mension wurde in zwei Indikatoren unterteilt, beispielsweise A.1 Gemeinschaft bilden und

A.2 Inklusive Werte verankern für die Dimension A Kulturen schaffen, B.1 Eine Schule für

alle entwickeln und B.2. Unterstützung für Vielfalt organisieren für die Dimension B Inklusive

Strukturen etablieren, sowie C.1 Lernarrangements organisieren und C.2 Ressourcen mobi-

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lisieren für die dritte Dimension C Inklusive Praktiken entwickeln. Dem entsprechend ent-

standen sechs Frageblöcke für den Leitfaden.

Für jeden Indikator wurden wiederum zwischen fünf und elf Unterkategorien, wie zum Bei-

spiel A.1.1. Jede(r) fühlt sich willkommen oder A.2.2. SchülerInnen helfen einander usw.

ausgearbeitet. Diesen Unterkategorien wurde schließlich jeweils eine Reihe von Fragen zu-

geordnet, die in der Untersuchung dieser Forschungsarbeit in einer zusammengefassten

Version als Beispielpunkte aufgeführt wurden, um zu verdeutlichen, was mit der Unterkate-

gorie des jeweiligen Indikators gemeint war. Dadurch bekamen die Interviewpartnerinnen

und -partner die Möglichkeit, sich eine erste Meinung zu bilden und sich der Thematik der

Unterkategorie gedanklich anzunähern. Anschließend sollten die Antworten genauer erläu-

tert werden. Dazu wurde im Anschluss an die Befragung zu jedem Indikator noch eine offene

Frage gestellt, die speziell die Situation in der Praxis der jeweiligen Interviewpartnerin bzw.

des jeweiligen Interviewpartners erfragen sollte. Diese bzw. dieser sollte dann genauer auf

die Praktiken, Konzepte und Ideen eingehen, die die davor besprochenen Punkte unterstüt-

zen, aber auch erklären, wo die Probleme lagen, falls die Punkte nicht zutrafen. Auf diese

Weise sollte die Möglichkeit gegeben werden, frei aus der Praxis erzählen und Überlegun-

gen anstellen zu können.

Bei den ersten Interviews wurde die offene Frage noch wie geplant zum Schluss gestellt,

aber im Laufe der Interviews stellte sich heraus, dass bereits oft zu den einzelnen Punkten

gerne Ergänzungen, Bemerkungen zu der eigenen Situation oder Erfahrungen gemacht

wurden. In diesem Fall wurde am Ende nur nach ergänzenden Anmerkungen gefragt.

Tabelle 3: Interviewleitfaden

Befragung von Pädagoginnen und Pädagogen zum Thema Montessori-Pädagogik und Inklusi-

on: Welchen Beitrag kann die Montessori-Pädagogik in Hinblick auf den Inklusionsgedanken

leisten?

Begrüßung

Mein Name ist Dagmar Hennecke und ich studiere Inclusive Education an der KFU. Im Rahmen mei-

ner Masterarbeit arbeite ich an dem Thema „Welchen Beitrag kann Montessori-Pädagogik zur Umset-

zung von Inklusion leisten?“. Es geht mir darum, die Parallelen vom Inklusionsgedanken und der Mon-

tessori-Pädagogik herauszuarbeiten.

Dabei beziehe ich mich als Grundlage auf den Index von Inklusion. Dementsprechend habe ich erst

einige vorgegebene Fragen, angelehnt an den Index für Inklusion vorbereitet, möchte aber im An-

schluss an diese auch noch eine offene Frage stellen.

Ihre Aussagen werden selbstverständlich ausschließlich in anonymisierter Form und nur im Zusam-

menhang mit dieser Untersuchung verwendet. Als Hilfestellung für die spätere Auswertung der Daten

möchte ich das Gespräch gerne aufzeichnen, werde diese Aufzeichnungen nach Abschluss der Un-

tersuchung selbstverständlich löschen.

Ich möchte mich an dieser Stelle dafür bedanken, dass Sie mir die Gelegenheit für dieses Interview

geben.

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5 Untersuchungsmethode

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Die Dauer des Interviews beträgt ca. 45 Minuten.

Pädagogin/e: Geschlecht: Alter:

Schule: Berufsjahre:

Weiterbildung Montessori (Reformpädagogik)

Berufsjahre in Montessori-Einrichtungen

Weiterbildung Inklusion/ Sonderpädagogische För-

derung

Berufsjahre in sonderpädagogischer Förderung

Frage: Inwieweit sind Sie mit dem Index für Inklusion vertraut?

Information: 3 Dimensionen mit je 2 Aspekten – In England in dreijähriger Zusammenarbeit von Leh-

rerInnen, Eltern, Schulvorständen, ForscherInnen und einem Vertreter von Behindertenorganisationen

als Unterstützung für die Entwicklung (Prozess) von Inklusion entwickelt!

Der Index besteht aus 3 Dimensionen:

A: Inklusive Kulturen schaffen B: Inklusive Strukturen etablieren

C: Inklusive Praktiken entwickeln

Dimension A: Inklusive Kulturen schaffen S

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Frage 1: Werden an Ihrer Schule/ in Ihrer Klasse Inklusive Kulturen geschaffen

und Gemeinschaft gebildet?

A.1.1 Jede(r) fühlt sich willkommen.

A.1.2 SchülerInnen helfen einander.

A.1.3 MitarbeiterInnen arbeiten zusammen.

A.1.4 MitarbeiterInnen und SchülerInnen gehen miteinander respektvoll um.

A.1.5 Partnerschaftlicher Umgang von MitarbeiterInnen und Eltern.

A.1.6 MitarbeiterInnen, schulische Gremien und lokale Gruppierungen arbei-

ten gut zusammen.

Das heißt...

jede(r) fühlt sich willkommen

Kinder mit Migrationshintergrund, von AsylbewerberInnen, mit Beeinträchtigungen, aus verschiedenen

sozialen Milieus. Es gibt Willkommensrituale, Wertschätzung verschiedener Kulturen, Übersetzungen

(Muttersprache, Braille, Gebärdensprache). Es gibt ein Verantwortungsgefühl gegenüber Klas-

sen/Schulgebäude/Schulgemeinschaft.

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SchülerInnen helfen einander

Es gibt eine Kultur Hilfe anzubieten/ Hilfe zu erbitten. SchülerInnen verstehen, dass unterschiedliche

Grade der Erfüllung schulischer Regeln von verschiedenen SchülerInnen erwartet werden. Es gibt die

Möglichkeit Probleme und Streitigkeiten zu besprechen (Klassenrat).

MitarbeiterInnen arbeiten zusammen

Es gibt ein respektvolles Miteinander und ein Gefühl der gemeinsamen Verantwortung – Teilnahme

und Beteiligung aller an Dienstversammlungen, Unterrichtsplanung/-reflexion.

MitarbeiterInnen und SchülerInnen gehen miteinander respektvoll um

Es gibt einen konstruktiven Umgang mit unterschiedlichen Meinungen und Problemen.

Partnerschaftlicher Umgang von MitarbeiterInnen und Eltern

Es gibt gegenseitigen Respekt, Informationsaustausch und Möglichkeit der Einflussnahme. Es gibt ein

Angebot für die Unterstützung von Eltern.

MitarbeiterInnen, schulische Gremien und lokale Gruppierungen arbeiten gut zusam-

men

Schulische Gremien sind willkommen sich einzubringen. Gemeinwesenarbeit ist erwünscht.

Auf welche Weise kann in Ihrer Praxis Gemeinschaft gebildet werden? Was sind Ihrer Meinung

nach die Praktiken, Konzepte, Ideen etc., die diese Anliegen unterstützen? Woran scheitert es?

Nennen Sie bitte Beispiele!

Dimension A: Inklusive Kulturen schaffen

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mt

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Frage 2: Werden an Ihrer Schule/ in Ihrer Klasse Inklusive Kulturen geschaffen

und Inklusive Werte verankert?

A.2.1 An alle SchülerInnen werden hohe Erwartungen gestellt.

A.2.2 Alle, MitarbeiterInnen, SchülerInnen, Eltern und schulische Gremien

haben eine gemeinsame Philosophie der Inklusion.

A.2.3 Alle SchülerInnen werden in gleicher Weise wertgeschätzt.

A.2.4 MitarbeiterInnen und SchülerInnen beachten einander als Person und

als RollenträgerIn.

A.2.5 Die MitarbeiterInnen versuchen Hindernisse für das Lernen und die

Teilhabe in allen Bereichen der Schule zu beseitigen.

A.2.6 Die Schule bemüht sich, alle Formen der Diskriminierung auf ein Mini-

mum zu reduzieren.

Das heißt....

An alle SchülerInnen werden hohe Erwartungen gestellt.

Allen SchülerInnen wird vermittelt, dass sie individuell beste Leistungen erreichen können. Sie können

Leistungen bringen, wenn sie soweit sind und werden nicht auf ihre Fähigkeiten festgelegt! Auf Versa-

gensängste wird entlastend und unterstützend eingegangen.

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Alle, MitarbeiterInnen, SchülerInnen, Eltern und schulische Gremien haben eine ge-

meinsame Philosophie der Inklusion

Es gibt ein gemeinsames Verständnis, dass ein Aufbau einer unterstützenden Schulgemeinschaft

ebenso wichtig ist, wie die Steigerung kognitiver Leistungen, Zusammenarbeit so wichtig ist wie Un-

abhängigkeit und Unterschiedlichkeit anregend ist. Es geht um die volle Teilhabe/den uneinge-

schränkten Zugang aller.

Alle SchülerInnen werden in gleicher Weise wertgeschätzt

Die Vielfalt von sozialen Verhältnissen, Familiensituationen, Sprachen und Beeinträchtigungen und

Geschlecht werden als positiver Aspekt gesehen. Alle SchülerInnen verlassen die Schule mit entspre-

chenden Abschlusszeugnissen.

MitarbeiterInnen und SchülerInnen beachten einander als Person und als Rollenträge-

rIn.

Alle Mitglieder der Schulgemeinschaft werden zugleich als Lernende und Lehrende gesehen. Anlie-

gen, Interessen, besondere Situationen (Geburt, Todesfall, Ärger, Wahrung Intimsphäre) werden be-

rücksichtigt. Respekt gegenüber individuellen Kulturen wird entgegengebracht.

Die MitarbeiterInnen versuchen Hindernisse für das Lernen und die Teilhabe in allen

Bereichen der Schule zu beseitigen.

Hindernisse und Lernbarrieren, die die Teilhabe der SchülerInnen einschränken können, sind den

MitarbeiterInnen bekannt, ebenso die Tatsache, dass die Etikettierung „mit sonderpädagogischen

Förderbedarf“ zur Abwertung/Aussonderung führen kann.

Die Schule bemüht sich, alle Formen der Diskriminierung auf ein Minimum zu reduzie-

ren.

Es besteht eine Sensibilisierung gegenüber verschiedenen Arten von Diskriminierung: Institutionelle

und soziale Diskriminierung, ausgrenzender Druck, intoleranter Umgang mit ethnischen Minderheiten,

stereotype Geschlechterzuschreibung, Alter, Beeinträchtigungen usw.

Auf welche Weise können in Ihrer Praxis Inklusive Werte verankert werden? Was sind Ihrer

Meinung nach die Praktiken, Konzepte, Ideen etc., die diese Anliegen unterstützen? Woran

scheitert es?

Nennen Sie bitte Beispiele!

Dimension B: Inklusive Strukturen etablieren

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Frage 3: : Werden an Ihrer Schule/ in Ihrer Klasse Inklusive Strukturen etabliert

und eine Schule für alle entwickelt?

B.1.1 Ein gerechter Umgang mit MitarbeiterInnen in der Schule.

B.1.2 Hilfe für neue MitarbeiterInnen bei der Eingewöhnung in der Schule.

B.1.3 Die Schule nimmt alle SchülerInnen ihrer Umgebung auf.

B.1.4 Die Schule ist ein für alle Menschen barrierefrei zugängliches Gebäude.

B.1.5 Hilfe für alle neuen SchülerInnen bei der Eingewöhnung in der Schule.

B.1.6 Die Schule organisiert Lerngruppen so, dass alle SchülerInnen wertge-

schätzt werden.

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Das heißt...

Ein gerechter Umgang mit MitarbeiterInnen in der Schule

Der Aspekt der Inklusion/die Wertschätzung der Vielfalt wird auch bei der Stellenbesetzung berück-

sichtigt (Geschlecht, Behinderung). Es gibt gerechte Chance auf offene Stellen/leitende Positionen.

Hilfe für neue MitarbeiterInnen bei der Eingewöhnung in der Schule

Es gibt für neue MitarbeiterInnen Unterstützung in der Zeit der Eingewöhnung (Versorgen mit Informa-

tionen). Die Erfahrungen/das Wissen der neuen MitarbeiterInnen wird als Bereicherung gesehen. Es

gibt die Möglichkeit des Austauschs über Fähigkeiten/Sachkenntnisse.

Die Schule nimmt alle SchülerInnen ihrer Umgebung auf

SchülerInnen aus dem Einzugsgebiet werden ermutigt die Schule zu besuchen und werden akzeptiert,

unabhängig von ihren Leistungen oder Beeinträchtigungen. Hindernisse für die Teilhabe verschiede-

ner ethnischer Gruppen der Umgebung werden überwunden.

Die Schule ist ein für alle Menschen barrierefrei zugängliches Gebäude

Bedürfnisse von gehörlosen, sehgeschädigten, körperbehinderten Menschen werden bei dem Pro-

zess, das ganze Schulgebäude für alle zugänglich zu machen, bedacht (Klassen, Toiletten, Schulhof,

Speiseraum etc.). Behindertenorganisationen werden um Rat gefragt.

Hilfe für alle neuen SchülerInnen bei der Eingewöhnung in der Schule

Für die Eingewöhnung der SchülerInnen stehen Unterstützung, Einführungsprogramme und Informa-

tionen zum Bildungssystem zur Verfügung, egal wann diese während des Schuljahres kommen. Un-

terschiede im kognitiven Verstehen oder in der Erstsprache werden berücksichtigt. Es gibt Kooperati-

onen und Unterstützung beim Wechsel zwischen Kindergärten, Grundschulen bzw. den weiterführen-

den Schulen.

Die Schule organisiert Lerngruppen so, dass alle SchülerInnen wertgeschätzt werden.

Es werden heterogene Lerngruppen zusammengestellt, innerhalb derer mit und voneinander gelernt

werden kann. Sie werden hinsichtlich Raumausstattung, Lage der Klassenräume und Lehrpersonal

angemessen behandelt. Es gibt Strategien zur Vermeidung von Unzufriedenheit und Minderwertig-

keitsgefühle und zur Verbesserung von Lernchancen (Änderung von Sitzordnungen u. Gruppen, echte

Auswahl, separate Gruppen bei starkem Ungleichgewicht).

Auf welche Weise kann in Ihrer Praxis eine Schule für alle entwickelt werden? Was sind Ihrer

Meinung nach die Praktiken, Konzepte, Ideen etc., die diese Anliegen unterstützen? Woran

scheitert es?

Nennen Sie bitte Beispiele!

Dimension B: Inklusive Strukturen etablieren

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Frage 4: Werden an Ihrer Schule/ in Ihrer Klasse Inklusive Strukturen etabliert

und Unterstützung für Vielfalt organisiert?

B.2.1 Alle Formen der Unterstützung werden koordiniert.

B.2.2 Fortbildungsangebote helfen den MitarbeiterInnen auf die Vielfalt der

SchülerInnen einzugehen.

B.2.3 Sonderpädagogische Strukturen werden inklusiv strukturiert.

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B.2.4 Dem Gleichstellungsgebot wird durch den Abbau von Hindernissen für

das Lernen und die Teilhabe aller Schülerinnen entsprochen.

B.2.5 Unterstützung für SchülerInnen mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ)

oder bei psychischen und Verhaltensproblemen wird mit der Lernunter-

stützung koordiniert.

B.2.6 Druck zu Ausschluss als Strafe wird vermindert.

B.2.7 Hindernisse für die Anwesenheit werden reduziert.

B.2.8 Mobbing und Gewalt werden abgebaut.

Das heißt...

Alle Formen der Unterstützung werden koordiniert

Es gibt klare Strategien, Unterstützungssysteme so zu koordinieren, damit sie der Vielfalt entspre-

chen und Hindernisse für das Lernen und die Teilhabe vermeiden. Es gibt auch Koordinationen mit

anderen Initiativen (gesunde Schule, Begabtenförderung etc.)

Fortbildungsangebote helfen den MitarbeiterInnen auf die Vielfalt der SchülerInnen einzu-

gehen.

Unterrichtsplanung ist auf die Teilhabe aller SchülerInnen unterschiedlicher Herkunft, Erfahrungen,

Leistungen und Beeinträchtigungen ausgerichtet sowie auf den Abbau von Hindernissen für das Ler-

nen und die Teilhabe. Fortbildungsangebote (Technologie, Umgang mit Rassismus, Sexismus, Ho-

mophobie, Gewalt, Gleichstelllung von MmB), gemeinsame Reflexion, Hospitationen unterstützen

MitarbeiterInnen in einer effektiven Zusammenarbeit. Verantwortung für die Teilnahme an Fortbildun-

gen wird von den MitarbeiterInnen übernommen.

Sonderpädagogische Strukturen werden inklusiv strukturiert

Übermäßige Etikettierungen „SPF“, speziell auch von Buben und ethnischen Gruppen werden mini-

miert. Es werden SchülerInnen mit SPF als Individuen mit unterschiedlichen Interessen, Kenntnissen

und Fähigkeiten gesehen (nicht als Behinderte). Unterstützung wird als Recht verstanden um Lernen

und Teilhabe zu erhöhen und wird als Bereicherung für die Lernerfahrungen aller SchülerInnen gese-

hen (nicht als Zusatz zur Erziehung/ Privileg). Sie wird ohne formales Überprüfungsverfahren gege-

ben.

Dem Gleichstellungsgebot wird durch den Abbau von Hindernissen für das Lernen und

die Teilhabe aller Schülerinnen entsprochen.

Das Gleichstellungsgebot ist im übergreifenden Schulprogramm enthalten und dient zur Unterstüt-

zung, nicht zur Überprüfung. Individuelle Förderpläne werden zusammen mit den SchülerInnen, Eltern

und MitarbeiterInnen erstellt, um die Lernbedingungen und die Teilhabe zu verbessern. Gutachten zur

Feststellung von SPF bauen auf den Fähigkeiten/Stärken auf (anstatt Schwächen zu fixieren) und

dienen zur Verbesserung der Lehr- u. Lernsituation und zur Unterstützung der Teilhabe.

Die Unterstützung für SchülerInnen mit Deutsch als Zweitsprache oder bei psychischen

und Verhaltensproblemen wird mit der Lernunterstützung koordiniert

Die Unterstützung trägt zum Erkennen und Abbau von Hindernissen für das Lernen und die Teilhabe

bei (nicht Etikettierung). Oberstes Ziel ist die Steigerung von Selbstachtung und Selbstbewusstsein,

sowie des Lernens und der Teilhabe für alle. Dafür werden Handlungsstrategien entwickelt. Kenntnis-

se der Eltern werden zum Abbau von Krisen/Störungen genutzt. Die SchülerInnen tragen dazu bei,

eigene Krisen/Störungen und die von anderen zu überwinden. ÜbersetzerInnen/MitarbeiterInnen mit

gleichem kulturellen Hintergrund stehen für DaZ SchülerInnen bereit.

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Druck zu Ausschluss als Strafe wird vermindert

Ausschluss wird durch Unterstützung und Intervention zu vermeiden versucht. Abwertung von Schüle-

rInnen und deren Krisen/Störverhalten werden im Zusammenhang mit Ausschluss als Strafe gesehen.

Schwache SchülerInnen werden nicht in Lerngruppen zusammengefasst, dadurch abgewertet und so

Krisenpotentiale provoziert. Es gibt Treffen von KollegInnen, SchülerInnen, Eltern vor einer Eskalation.

Es gibt eine Kultur des Verzeihens.

Hindernisse für die Anwesenheit werden reduziert

Es werden alle Hindernisse für die Beteiligung innerhalb der Kulturen, Strukturen und Praktiken der

Schule sowie die Einstellungen der Kinder und ihrer Elternhäuser erforscht. Zusammenhänge von

Schwänzen, fehlenden unterstützenden Freundschaften und Aggressionen werden wahrgenommen.

Schwänzen/Fehlen wird nicht mit Ausschluss vom Unterricht bestraft, sondern eine Rückkehr unter-

stützt (Trauerfall, chronischer Erkrankung etc.) Es gibt Kooperationen zwischen Eltern, sozialen

Diensten und Schule.

Mobbing und Gewalt werden abgebaut

Es gibt schulische Gremien, die sich mit körperlicher, emotionaler sowie verbaler Gewalt und Mobbing

auseinandersetzen, die als potentielle Begleiterscheinungen aller Machtbeziehungen verstanden wer-

den. Es gibt eine für alle verständliche Grundsatzerklärung der Schule und es gibt AnsprechpartnerIn-

nen im Falle von Mobbing/Gewalt. Es werden Strategien von SchülerInnen entworfen, um Mob-

bing/Gewalt abzubauen.

Auf welche Weise kann in Ihrer Praxis Unterstützung für Vielfalt organisiert werden? Was sind

Ihrer Meinung nach die Praktiken, Konzepte, Ideen etc., die diese Anliegen unterstützen? Wo-

ran scheitert es?

Nennen Sie bitte Beispiele!

Dimension C: Inklusive Praktiken entwickeln S

tim

mt

vo

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Stim

mt

zu

m T

eil

Stim

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nic

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We

iß n

ich

t

Frage 5: Werden an Ihrer Schule/ in Ihrer Klasse Inklusive Praktiken entwickelt

und Lernarrangements organisiert?

C.1.1 Der Unterricht wird auf die Vielfalt der SchülerInnen hin geplant.

C.1.2 Der Unterricht stärkt die Teilhabe aller SchülerInnen.

C.1.3 Der Unterricht entwickelt ein positives Verständnis von Unterschie-

den.

C.1.4 Die SchülerInnen sind Subjekte ihres eigenen Lernens.

C.1.5 Die SchülerInnen lernen miteinander.

C.1.6 Bewertung erfolgt für alle SchülerInnen in leistungsförderlicher Form.

C.1.7 Die Disziplin in der Klasse basiert auf gegenseitigem Respekt.

C.1.8 Die LehrerInnen planen, unterrichten und reflektieren im Team.

C.1.9 Die Hausaufgaben tragen zum Lernen aller SchülerInnen bei.

C.1.10 Alle SchülerInnen beteiligen sich an Aktivitäten außerhalb der Klasse.

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5 Untersuchungsmethode

77

Das heißt...

Der Unterricht wird auf die Vielfalt der SchülerInnen hin geplant.

Die Unterrichtsplanung orientiert sich am Lernen der SchülerInnen, die Materialien entsprechen den

Hintergründen, Erfahrungen und Interessen. Der Unterricht nimmt Rücksicht auf spezielle Bedürfnisse

(Übersetzer, körperliche/Sinnesbeeinträchtigungen, Religion). Der Unterricht schließt Partner- und

Gruppenarbeiten wie Einzelarbeiten und Arbeiten mit der ganzen Klasse ein und es gibt eine Vielzahl

unterschiedlicher Aktivitäten (mündliche Vorträge, Diskussionen, Vorträge, Schreiben, Zeichnen, Bib-

liothek, Computer). Zwischen verschiedenen Fächern kann gewählt werden. Hindernisse werden ab-

gebaut.

Der Unterricht stärkt die Teilhabe aller SchülerInnen.

Es gibt ein Gefühl der gemeinsamen Verantwortung für das Lernen im Unterricht. Unterricht und Un-

terstützung wird aus der Perspektive der SchülerInnen betrachtet. Der Unterricht baut auf den Unter-

schieden auf. Emotionale Aspekte des Lernens sind genauso wichtig wie kognitive. Der Unterricht

befördert die Lust am Lernen. Arbeitsergebnisse können auf unterschiedlichste Weisen vorgestellt

werden. Die LehrerInnen kümmern sich um die Teilhabe aller SchülerInnen und haben das Ziel, dass

die SchülerInnen von ihrer Hilfe unabhängig werden.

Der Unterricht entwickelt ein positives Verständnis von Unterschieden.

SchülerInnen werden ermuntert, Sichtweisen zu erkunden, die sich von ihren eigenen unterscheiden.

Die Stärken jeder Person werden in der Lerngruppe bekannt gemacht und eingesetzt. SchülerInnen

können mit anderen, die sich durch sozialen Hintergrund, ethnische Herkunft, etc. unterscheiden, zu-

sammenarbeiten und/oder kommunizieren. Ein positives Verständnis von Unterschieden wird entwi-

ckelt.

Die SchülerInnen sind Subjekte ihres eigenen Lernens.

Die SchülerInnen werden ermutigt, die Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen und es wird

ihnen vermittelt, wie sie forschen, ein Thema bearbeiten können, wie sie die Bibliothek und moderne

Medien benutzen. Es besteht die Möglichkeit zwischen Aktivitäten zu wählen.

Die SchülerInnen lernen miteinander.

Es wird als normal angesehen, Hilfe anzubieten und zu erhalten, es gibt feste Regeln, nacheinander

zu sprechen, einander zuzuhören, nach Erklärungen zu fragen. Gruppenaufgaben ermöglichen es,

Aufgaben aufzuteilen und Gelerntes zusammenzutragen. Die SchülerInnen lösen Konflikte, tauschen

sich aus, helfen einander, setzen nächste Ziele in der Schule.

Bewertung erfolgt für alle SchülerInnen in leistungsförderlicher Form.

Die LehrerInnen übernehmen die Verantwortung für den Fortschritt aller SchülerInnen. Alle Personen

sind an der Bewertung des Lernens und der Lernfortschritte beteiligt/einbezogen: MitarbeiterInnen,

SchülerInnen und Eltern. Zeugnisse verdeutlichen alle Fertigkeiten und Kenntnisse. Die Bewertungen

zeugen von Respekt, basieren auf genauer Beobachtung, zeigen auf, was wichtig ist zu lernen, regen

das Lernen an, führen zur Modifikation des Unterrichts, sind für die SchülerInnen verständlich, zeigen

auf, was sie gelernt haben und was als nächstes getan werden kann.

Die Disziplin in der Klasse basiert auf gegenseitigem Respekt.

MitarbeiterInnen unterstützen sich gegenseitig darin, ohne Aggressivität selbstbewusst aufzutreten.

Schwierigkeiten werden gemeinsam mit SchülerInnen gelöst und Klassenregeln werden mit Schüle-

rInnen aufgestellt. Die SchülerInnen haben das Gefühl, dass sie fair behandelt werden. Es gibt klare

Vorgehensweisen bei extrem störendem Verhalten.

Die LehrerInnen planen, unterrichten und reflektieren im Team.

Es gibt Planungs- und Koordinationszeiten für die Teams. Die KollegInnen planen gemeinsam den

Unterricht und die Hausaufgaben. Sie engagieren sich für partnerschaftliches Unterrichten. Das Ler-

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5 Untersuchungsmethode

78

nen der SchülerInnen wird genutzt um zu reflektieren. Gegenseitige Kritik wird geschätzt und führt zu

Veränderungen. Gemeinsam wird an Problemlösungen gearbeitet.

Die Hausaufgaben tragen zum Lernen aller SchülerInnen bei.

Die Hausaufgaben haben ein klares Lernziel. Sie stehen in Beziehung zu den Fertigkeiten und Kennt-

nissen aller SchülerInnen und erweitern diese und man kann sie auf verschiedene Weise erfüllen. Sie

bestärken die SchülerInnen darin, Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen und ein spe-

zielles Interessensgebiet über längere Zeit zu bearbeiten.

Alle SchülerInnen beteiligen sich an Aktivitäten außerhalb der Klasse.

Alle SchülerInnen können an Aktivitäten (Musik, Theater, Sport, Schulfahrten, Sportfeste) teilnehmen,

die ihnen zusagen und werden auch dazu ermutigt. Ausgrenzung durch Dominanz in einer Gruppe

(z.B. durch Geschlecht, Religion, ethnische Herkunft) wird vorgebeugt.

Auf welche Weise können in Ihrer Praxis Lernarrangements organisiert werden? Was sind Ihrer

Meinung nach die Praktiken, Konzepte, Ideen etc., die diese Anliegen unterstützen? Woran

scheitert es?

Nennen Sie bitte Beispiele!

Dimension C: Inklusive Praktiken entwickeln

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Frage 6: Werden an Ihrer Schule/ in Ihrer Klasse Inklusive Praktiken entwi-

ckelt und Ressourcen mobilisiert?

C.2.1 Die Unterschiedlichkeit der SchülerInnen wird als Chance für das

Lehren und das Lernen genutzt.

C.2.2 Die Fachkenntnis der MitarbeiterInnen wird voll ausgeschöpft.

C.2.3 Das Kollegium entwickelt Ressourcen, um das Lernen und die Teil-

habe zu unterstützen.

C.2.4 Die Ressourcen im Umfeld der Schule sind bekannt und werden

genutzt.

C.2.5 Die Schulressourcen werden gerecht verteilt, um Inklusion zu ver-

wirklichen.

Das heißt...

Die Unterschiedlichkeit der SchülerInnen wird als Chance für das Lehren und das Ler-

nen genutzt.

Kenntnisse und Erfahrungen werden auf Basis unterschiedlicher Hintergründe und Herkünfte zusam-

mengetragen. Es gibt gegenseitige Unterstützung und Erfahrungsaustausch, durch Jahrgangsmi-

schung und von leistungsstärkeren SchülerInnen für leistungsschwächere, aber auch umgekehrt. Je-

der/jedem wird zugetraut etwas zum Unterricht beizutragen. Die Vielfalt der Sprachen wird als Anre-

gung im Sprachunterricht genutzt.

Die Fachkenntnis der MitarbeiterInnen wird voll ausgeschöpft.

Alle Fertigkeiten und Fähigkeiten der MitarbeiterInnen sind bekannt, sollen eingebracht werden und

sollen Lernprozesse unterstützen. Fortbildungen sind gefordert. Unterschiedliche gesprochene Spra-

chen, kulturelle und soziale Hintergründe der MitarbeiterInnen werden als Ressource genutzt. Es gibt

einen Austausch und Lernen von anderen Schulen in puncto Unterrichtsgestaltung und Erfahrung.

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5 Untersuchungsmethode

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Das Kollegium entwickelt Ressourcen, um das Lernen und die Teilhabe zu unterstüt-

zen.

Es werden langfristig und von allen nutzbare Hilfsmittel zur Unterstützung des Lernens hergestellt, die

auch allen bekannt sind. Struktur und Ausstattung der Schulbibliothek unterstützen selbstständiges

Lernen und unterstützen das Lernen aller (andere Erstsprachen, Brailleschrift..). Bildungsprogramme,

Computer, Email und Internet werden effizient im Unterricht eingesetzt (Spracherkennungsprogram-

me).

Die Ressourcen im Umfeld der Schule sind bekannt und werden genutzt.

Es werden Ressourcen wie Museen, Galerien, Theater, Kino, lokale religiöse Zentren, Feuerwehr,

Park- und Spielanlagen, Bibliotheken, Bauernhöfe, Bahnhöfe, Hochschulen etc. für den Unterricht

genutzt. Lokale Gruppen tragen etwas zu Unterrichtsinhalten bei und Menschen aus dem Umfeld

agieren als PatInnen oder MentorInnen (Eltern stellen ihre speziellen Kompetenzen im Unterricht zur

Verfügung)

Die Schulressourcen werden gerecht verteilt, um Inklusion zu verwirklichen.

Mittel werden offen und gerecht verteilt, um selbstständiges Lernen zu verstärken. Die Ressourcen

der Schule für den sonderpädagogischen Förderbedarf sind bekannt und werden dafür genutzt die

Kompetenzen der Schule zu steigern, um auf die Vielfalt einzugehen. Mit den Unterstützungsressour-

cen werden Etikettierungen sowie Hindernisse für das Lernen und die Teilhabe vermieden. Deren

Nutzung wird regelmäßig reflektiert und flexibel eingesetzt.

Auf welche Weise können in Ihrer Praxis Ressourcen zu mobilisiert werden? Was sind Ihrer

Meinung nach die Praktiken, Konzepte, Ideen etc., die diese Anliegen unterstützen?

Nennen Sie bitte Beispiele!

5.4 AUSWERTUNG

Im folgenden Kapitel werden die Aufbereitung der Daten und das Kategoriensystem mit den

dazu erstellten Kategorien näher erläutert.

In den Erziehungswissenschaften und auch in den Sozialwissenschaften sind Texte in unter-

schiedlichsten Varianten, in sprachlicher aber auch bildlicher Form, bedeutende Informati-

onsquellen in der Forschung. Ein Beispiel dafür sind Transkripte von halb-strukturierten In-

terviews, wie sie auch in dieser Forschungsarbeit eingesetzt wurden. Die Auswertung des

gewonnenen Datenmaterials erfordert allerdings die Bearbeitung mit einem textanalytischen

Ansatz (Mayring & Brunner, 2013).

Eine klassische Methode zur Analyse von Textmaterial ist die qualitative Inhaltsanalyse. Ein

wichtiges Merkmal der qualitativen Inhaltsanalyse ist die Verwendung von Kategorien mit

dem vorrangigen Ziel, das Material zu reduzieren (Flick, 2011).

Grundsätzlich ist es bei der qualitativen Inhaltsanalyse wichtig, ein methodisches Vorgehen

im Umgang auch bei großen Datenmengen und bei den qualitativen Analyseschritten der

Textinterpretation einzuhalten. So sollen die Kategorien zum Textmaterial mit Hilfe von in-

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5 Untersuchungsmethode

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haltsanalytischen Regeln so genau erstellt werden, dass diese intersubjektiv nachvollziehbar

sind. Bei der Analyse gibt es drei Vorgangsweisen für den Umgang mit Textquellen, nämlich

die zusammenfassende, die explizierende sowie die strukturierende Inhaltsanalyse.

Zur Auswertung der Daten der vorliegenden Forschungsarbeit wurde die strukturierende

Inhaltsanalyse eingesetzt. Bei dieser Vorgangsweise stehen die Kategorien bereits vor der

Bearbeitung des Textmaterials fest, die theoriegeleitet im Vorfeld entwickelt wurden und die

durch die inhaltsanalytischen Regeln beschrieben werden, sodass sie dem Material eindeu-

tig zugeordnet werden können (Mayring & Brunner, 2013).

5.4.1 AUFBEREITUNG DER DATEN

Die Grundlage für die qualitative Inhaltsanalyse ist prinzipiell ein schriftliches Dokument. Die

gesammelten Daten wurden, wie bereits erläutert, mittels Leitfadeninterviews erhoben. Dabei

wurden die verbalen Daten mit einem Diktiergerät aufgezeichnet. Vor der Auswertung der

Daten ist es notwendig, die Interviewaufnahmen zu verschriftlichen bzw. zu transkribieren.

Damit keine Informationen verloren gehen und die Informationen möglichst situations- und

inhaltsgetreu wiedergegeben werden, ist es wichtig, auch undeutlich ausgesprochene Wörter

oder abgebrochene Sätze sowie auch Füllwörter zu vermerken (Kittl, 2005).

Bislang gibt es keine allgemein festgelegten Regeln für die Transkription der protokollierten

Interviews. Wichtig ist jedoch, dass die eigenen Transkriptionsregeln festgelegt und durch-

gängig einheitlich verwendet werden. Pausen, Lachen, Stottern oder paraverbale Äußerun-

gen, wie „äh“, „hm“ usw., können weggelassen werden, wenn diese für das Untersuchungs-

ziel nicht bedeutend sind (Gläser & Laudel, 2010).

Die Interviewaufnahmen wurden wortwörtlich transkribiert, um die Vollständigkeit zu gewähr-

leisten. Die in der Arbeit verwendeten Transkriptionsregeln sind im Anhang abgebildet und

dort nachzulesen. Die Namen der Interviewpartnerinnen und –partner wurden in den Tran-

skriptionen mittels Codes anonymisiert.

Die Aussagen der Befragten wurden in Kategorien eingeteilt, die im folgenden Kapitel näher

erläutert werden.

5.4.2 BESCHREIBUNG DES KATEGORIENSYSTEMS

Für die Auswertung der Ergebnisse wurden Haupt- und Subkategorien in dem Kategorien-

system erstellt. Die Hauptkategorien bilden die in den Forschungsfragen aufgeführten Grun-

delemente der Montessori-Pädagogik. Die Subkategorien ergeben sich aus den Dimensio-

nen und Indikatoren des Index für Inklusion.

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5 Untersuchungsmethode

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Während der Auswertung der Interviews ergab sich die Notwendigkeit für eine weitere

Hauptkategorie, die ergänzt werden musste (Schmidt, 2010). Diese betrifft die äußeren

Rahmenbedingungen, die oft großen Einfluss darauf haben, wie Inklusion in den Schulen

umgesetzt werden kann.

Die unten angeführten Tabellen sollen einen ersten Überblick über das Kategoriensystem

geben. Anschließend werden die einzelnen Haupt- und Subkategorien näher erläutert.

Tabelle 4: Gegenüberstellung der Grundelemente der Montessori-Pädagogik und der Indikatoren des

Index für Inklusion

Tabelle 5: Kategoriensystem Montessori-Pädagogik und Index für Inklusion

Hauptkategorien Subkategorien

Kooperation mit Eltern Inklusive Kulturen schaffen (1) Gemeinschaft bilden

(2) Inklusive Werte verankern

Inklusive Strukturen etablieren (4) Unterstützung für Vielfalt organisieren

Inklusive Praktiken entwickeln (5) Lernarrangements organisieren

(6) Ressourcen mobilisieren

Altersmischung Inklusive Kulturen schaffen (1) Gemeinschaft bilden

(2) Inklusive Werte verankern

Inklusive Strukturen etablieren (3) Schule für alle entwickeln

(4) Unterstützung für Vielfalt organisieren

Inklusive Praktiken entwickeln (6) Ressourcen mobilisieren

Heterogenität Inklusive Kulturen schaffen (1) Gemeinschaft bilden

(2) Inklusive Werte verankern

Inklusive Strukturen etablieren (3) Schule für alle entwickeln

(4) Unterstützung für Vielfalt organisieren

Inklusive Praktiken entwickeln (5) Lernarrangements organisieren

(6) Ressourcen mobilisieren

Vorbereitete Umge-

bung

Inklusive Kulturen schaffen (1) Gemeinschaft bilden

(2) Inklusive Werte verankern

Inklusive Strukturen etablieren (4) Unterstützung für Vielfalt organisieren

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5 Untersuchungsmethode

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Inklusive Praktiken entwickeln (6) Ressourcen mobilisieren

Freie Wahl Inklusive Kulturen schaffen (1) Gemeinschaft bilden

(2) Inklusive Werte verankern

Inklusive Strukturen etablieren (3) Schule für alle entwickeln

Inklusive Praktiken entwickeln (5) Lernarrangements organisieren

ErzieherInnen-

verhalten

Inklusive Kulturen schaffen (1) Gemeinschaft bilden

(2) Inklusive Werte verankern

Inklusive Strukturen etablieren (3) Schule für alle entwickeln

(4) Unterstützung für Vielfalt organisieren

Inklusive Praktiken entwickeln (5) Lernarrangements organisieren

(6) Ressourcen mobilisieren

Individualisierung Inklusive Kulturen schaffen (1) Gemeinschaft bilden

(2) Inklusive Werte verankern

Inklusive Strukturen etablieren (3) Schule für alle entwickeln

(4) Unterstützung für Vielfalt organisieren

Inklusive Praktiken entwickeln (5) Lernarrangements organisieren

(6) Ressourcen mobilisieren

Förderung der Selbst-

ständigkeit

Inklusive Kulturen schaffen (2) Inklusive Werte verankern

Inklusive Strukturen etablieren (3) Schule für alle entwickeln

Inklusive Praktiken entwickeln (5) Lernarrangements organisieren

Ganzheitliche Betrach-

tung

Inklusive Kulturen schaffen (1) Gemeinschaft bilden

Inklusive Strukturen etablieren (3) Schule für alle entwickeln

(4) Unterstützung für Vielfalt organisieren

Inklusive Praktiken entwickeln (5) Lernarrangements organisieren

Rahmenbedingungen/

Strukturen

Öffentliche Schulen

Privatschulen

Österreichisches Schulsystem

Die Hauptkategorien Kooperation mit Eltern, Altersmischung, Heterogenität, Vorbereitete

Umgebung, Freie Wahl, ErzieherInnenverhalten, Individualisierung, Förderung der Selbst-

ständigkeit und Ganzheitliche Betrachtung wurden aus den Forschungsfragen entnommen

und stellen Grundelemente der Montessori-Pädagogik dar. Den Hauptkategorien sind jeweils

die drei Subkategorien Inklusive Kulturen schaffen, Inklusive Strukturen etablieren und Inklu-

sive Praktiken entwickeln, die Dimensionen und deren Bereiche aus dem Index für Inklusion

untergeordnet.

Als erste Hauptkategorie wurde die Kooperation mit Eltern im Kategoriensystem aufgeführt.

In diesem Bereich wurden alle Informationen und Kommentare aus den Interviews hinsicht-

lich partnerschaftlicher Zusammenarbeit von Lehrenden und Eltern, Unterstützung und En-

gagement im Unterricht und für die Schule sowie für die Kinder gesammelt. In die zweite

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Kategorie Altersmischung fielen sämtliche Aussagen über gegenseitigen Respekt, Unterstüt-

zung und Wertschätzung der Kinder untereinander im Unterricht, Koordination der Unterstüt-

zungsangebote sowie Förderung selbstständigen und individuellen, aber auch gemeinsamen

Lernens. Die Hauptkategorie Heterogenität beinhaltet Informationen über den Umgang mit

der Vielfalt. Dabei geht es um die grundsätzliche Haltung, aber auch um Projekte, die die

Heterogenität fördern und unterstützen und darum, wie der Lernalltag für die unterschiedli-

chen Kinder organisiert ist. Weitere Hauptkategorien sind die Vorbereitete Umgebung welche

Beschreibungen der Klassenräume, Schulgebäude und der Lernmaterialien erfasst sowie die

Freie Wahl, in der Informationen zu Themen wie beispielsweise Freiarbeit oder individuellen

Lernmöglichkeiten gesammelt wurden. Aspekte, die die Lehrenden bzw. die Erzieherinnen

und Erzieher betreffen, wurden in der Hauptkategorie ErzieherInnenverhalten zusammenge-

tragen. Dabei geht es um Teamwork, Engagement oder die Bereitschaft, sich weiterzubilden.

Die Hauptkategorie Individualisierung beinhaltet Hinweise auf die individuelle Förderung ent-

sprechend des Entwicklungsstandes der Kinder. Themen wie der Aufbau von Selbstvertrau-

en und selbstverantwortliches Lernen mit Hilfe von beispielsweise Wochenplänen oder Lern-

zielkatalogen kamen zur Sprache. Eine weitere Hauptkategorie beinhaltet Aussagen zum

Thema Ganzheitliche Betrachtung. Darin wurden Projekte und Maßnahmen angesprochen,

die vorwiegend zur Persönlichkeitsbildung der Kinder beitragen sollen, aber auch die Be-

rücksichtigung sämtlicher Einflussfaktoren, die in der Entwicklung des Kindes eine Rolle

spielen.

Die letzte Hauptkategorie betrifft die Rahmenbedingungen bzw. Strukturen des österreichi-

schen Schulsystems. Darin wurden Aussagen zusammengesammelt, die Kommentare hin-

sichtlich der Organisation des Schulsystems, bürokratischer Hürden oder vorgegebener

Rahmenbedingungen enthielten, die die Umsetzung von Inklusion beeinflussen.

Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse näher erläutert und mit Beispielen aus den In-

terviews verdeutlicht.

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6 Ergebnisse

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6 ERGEBNISSE

In diesem Kapitel werden die Ergebnisse anhand des in Kapitel 5.4.2 vorgestellten Katego-

riensystems gegliedert dargestellt. Zu jeder Kategorie werden dabei die wesentlichen Aus-

sagen zusammengefasst, die hierzu während der Interviews gemacht wurden. Zitate aus den

Transkriptionen der Interviews sollen die Ergebnisse unterstreichen. Die Namen der Inter-

viewten wurden mit MP für Montessori-Pädagogin bzw. -Pädagoge und RS für Regelschule

kodiert und mit Nummern versehen, um die Anonymität zu gewährleisten.

6.1 KOOPERATION MIT DEN ELTERN

In diese Kategorie fallen Aussagen der Lehrerinnen und Lehrer darüber, wie sich der Kontakt

zu den Eltern gestaltet. Findet ein Informationsaustausch statt? Gibt es Unterstützungsange-

bote für die Eltern? Tragen die Eltern den Inklusionsgedanken mit? Gibt es eine Kooperation

bei Problemen? Besteht ein Interesse seitens der Eltern an schulischen Aktivitäten und eine

Bereitschaft, sich auch im Schulalltag einzubringen?

6.1.1 GEMEINSCHAFT BILDEN (1)

Die Montessori-Pädagoginnen und -Pädagogen gaben an, dass die Elternarbeit grundsätz-

lich einen hohen Stellenwert hätte, Elterngespräche zur Information über verschiedene The-

men, beispielsweise zu den Lernzielkatalogen, regelmäßig stattfänden und sich die Eltern

auch im Unterricht einbrächten. In diesen Gesprächen fänden ein Austausch und Diskussio-

nen statt, so die Pädagoginnen und Pädagogen.

„Ja, gerade in reformpädagogischen Klassen natürlich viel intensiver [...] Ich mein, El-tern sind auch lästiger (lacht) oder so [...] die sprechen alles an. Die haben ihr Kind in eine reformpädagogisch geführte Klasse gegeben. [...] Ja, es ist sehr viel Diskussion, sehr viel reden, aber es ist ein offener Umgang [...]“ (MP6, Abs. 13).

Allerdings kam von einer Montessori-Pädagogin, die an einer öffentlichen Schule eine Mont-

essori-Klasse führt, auch zur Sprache, dass die Eltern früher mehr Zeit hätten aufbringen

können, um beispielsweise Material zusammen mit der Pädagogin herzustellen, was heute

aber nicht mehr der Fall wäre.

Auch von den Regelschullehrerinnen und -lehrern kam die Rückmeldung, dass vor allem

eine direkte Kommunikation wichtig wäre, um Missverständnisse zu vermeiden, die Eltern

aber auch viel Mitspracherecht einforderten. Eine andere Regelschullehrerin und ein Regel-

schullehrer gaben an, dass der Kontakt zu den Eltern im Allgemeinen nicht sehr gut wäre

und gab sprachliche Barrieren, Zeitmangel, verursacht unter anderem durch die Berufstätig-

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6 Ergebnisse

85

keit, oder auch offensichtliches Desinteresse seitens der Eltern als mögliche Gründe an.

Gleichzeitig räumte die Lehrerin dann aber auch ein, dass es sehr wohl Eltern gäbe, die in

die Sprechstunden nachfragen kämen, auch wenn alles in Ordnung wäre. Der Lehrer er-

wähnte, dass sehr oft Schulmaterialien nicht besorgt würden und die Kinder beispielsweise

keine Hefte zum Mitschreiben zu Verfügung hätten. Die Lehrerin bedauerte auch, dass viele

Angebote der Schule bzw. der Stadt Graz nicht wahrgenommen würden. Eine weitere Lehre-

rin einer Regelschule konnte dagegen berichten, dass eine sehr gute Kooperation mit den

Eltern bestünde und diese sehr engagiert wären.

6.1.2 INKLUSIVE WERTE VERANKERN (2)

In den Montessori-Klassen teilten viele Eltern die reformpädagogischen Vorstellungen, trüg-

gen diese auch mit und unterstützten sie. Es wäre aber auch so, dass im Falle der Privat-

schule, aber auch in reformpädagogischen Klassen an öffentlichen Schulen, die Kinder da-

nach ausgewählt würden, ob das Erziehungskonzept der Eltern sich mit dem pädagogischen

Konzept deckte. Schwierigkeiten gäbe es, wenn Weltbilder oder Vorstellungen über die Zu-

kunft der Kinder unterschiedlich wären. Dann müsste entsprechend vermittelt werden, denn

Lehrende könnten nur begleiten und unterstützen, aber keine Wunder bewirken.

„[...] Eltern von Kindern mit einer Beeinträchtigung haben ein völlig anderes Bild [...] als wir Lehrerinnen. [...] Die einen wollen das Beste für ihr Kind [...] und, und kämpfen und kommen auch mit wunderbaren Wunschvorstellungen [...], dass eben ein Kind im ASO-Lehrplan ist oder eben schwerst-, also im Zahlenraum 10 in der 3. Klasse rechnet und der Papa sagt dann: ‚Und welches Gymnasium würdest du uns raten?’ [...] Wir sind halt nur Begleiter und Begleiterinnen [...] und können nur unterstützen [...]“ (MP 6, Abs. 38,40).

Ein Regelschullehrer meinte, Eltern könnten nicht pauschal eingeordnet werden, da es eine

große Bandbreite gäbe und sehr unterschiedliche Einstellungen gegenüber Inklusion exis-

tierten. Teilweise geschähe Diskriminierung aber auch unter den Eltern, wenn Konflikte auf-

grund ihrer Herkunft ausgetragen würden, worunter in der Folge die Kinder zu leiden hätten.

6.1.3 UNTERSTÜTZUNG FÜR VIELFALT ORGANISIEREN (4)

Wichtig wären die Gespräche und Kooperation mit den Eltern bei Problemen, um etwaige

Lösungen und Unterstützungsmöglichkeiten auszuloten. Ein Montessori-Pädagoge der Pri-

vatschule erwähnte, dass in seinem Fall die Probleme kaum auf Sprachbarrieren oder auf

kulturelle Hintergründe zurückzuführen, sondern durchaus psychische Störungen und Prob-

leme ein Thema wären. Die Montessori-Pädagogin der öffentlichen Schule erzählte, dass

immer wieder Kinder abwesend seien, da deren Eltern an psychischen Erkrankungen litten

und sie diese erst ermuntern müsste, die Kinder doch zur Schule zu schicken.

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6 Ergebnisse

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An den Regelschulen wären Lernzielkataloge und Zeugnisse ein oft angesprochenes The-

ma. Einige Regelschullehrende berichteten, dass die Eltern sich Notenzeugnisse wünschten,

da diese eine klarere Aussagekraft hätten, aber auch weil sie es von ihren Ursprungsländern

her gewohnt wären. Außerdem würde es eher Verständnisprobleme durch die Sprachbarrie-

ren bei Lernzielkatalogen und Elternbriefen geben. Einige Lehrerinnen und Lehrer äußerten

Bedenken, dass die Lernzielkataloge nicht zielführend erschienen, da die Eltern diese

sprachlich und/oder das Konzept nicht verstünden. Eine Regelschullehrerin gab an, dass es

bei Problemen kaum bis keine Unterstützung der Eltern gäbe. Diese würden erst nach offizi-

ellen Interventionen reagieren. Weiters berichtete sie, dass einige Eltern wenig Interesse an

ihren Kindern zeigen würden, diese oft unbeaufsichtigt wären und die Familienleben häufig

durch Gewalt und Alkoholprobleme geprägt wären. Bei Umfragen oder Elternbriefen gäbe es

auch (aufgrund von Sprachbarrieren) nur einen geringen Rücklauf.

6.1.4 LERNARRANGEMENTS ORGANISIEREN (5)

Eine Regelschullehrerin bedauerte, dass die Eltern viele Angebote wie Spielefeste oder die

Gratisbenutzung einer Bibliothek nicht annähmen. Sie vermutete, dass Probleme in der

Kommunikation bzw. Sprachbarrieren oder eine gewisse Scheu teilzunehmen Ursache dafür

wären. Eine andere Lehrkraft berichtete, dass der Elternverein gut funktionierte und auch bei

finanziellen Engpässen für Unterstützung sorgte.

6.1.5 RESSOURCEN MOBILISIEREN (6)

In Interviews wurde deutlich, dass die Kooperation mit Eltern ein wichtiger Aspekt für einen

guten Unterricht in einer Montessori-Einrichtung wäre.

„[...] es gibt so tolle Dinge bei uns [...] Man muss es nur zulassen [...] Ich glaub, man muss einfach sagen, ‚Ja, die Eltern haben in unserer Schule Platz’ und vor dem haben viele Angst [...]. Schade. [...] klar is es net immer einfach, aber auch des lernt ma [...] manchmal muss man sich abgrenzen und sagen, „ok, ja ihre Mitarbeit beschränkt sich jetzt auf des und das is wieder meins, ja“. Und des lernt ma aber mit der Zeit [...]“ (MP2, Abs. 147-149).

Es wäre selbstverständlich, dass Eltern oder auch Großeltern der Kinder als Expertinnen und

Experten ihrer Berufsgruppen oder für ein Hobby bzw. Interessen in den Unterricht eingela-

den würden. Allerdings räumte eine Montessori-Pädagogin auch ein, dass die Eltern nicht

mehr so viel Zeit hätten und die Bereitschaft, den Unterricht mitzugestalten, in der letzten

Zeit sehr nachgelassen hätte.

In einer Regelschule organisierten die Eltern Ausflüge, Aktivitäten zur Brauchtumspflege und

es würden Workshops für die Kinder organisiert. Aber eine Regelschullehrerin gab auch an,

dass es großen Druck erzeugte, wenn sich Eltern in Unterrichtsbelange einmischten.

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6 Ergebnisse

87

6.2 ALTERSMISCHUNG

In die Kategorie Altersmischung fallen Kommentare beispielsweise zur gegenseitigen Wert-

schätzung der Kinder untereinander, zum Aufbau der Persönlichkeit und zum gemeinschaft-

lichen Arbeiten, zur Vergleichbarkeit der Kinder bzw. zum Konkurrenzkampf sowie zur Mög-

lichkeit der Unterstützung von unterschiedlichen Bedürfnissen.

6.2.1 GEMEINSCHAFT BILDEN (1)

Eine Montessori-Pädagogin meinte, dass die Jahrgangsmischung eine große Rolle dabei

spielte, wie die Kinder miteinander arbeiteten und sich gegenseitig Hilfestellungen anböten

aber auch Trost spendeten. Ein Montessori-Pädagoge bemerkte, dass durch die Altersmi-

schung das gegenseitige voneinander Lernen unterstützt würde und die ständige Vergleich-

barkeit und der Konkurrenzkampf wegfallen würde.

„[...] die ständige Vergleichbarkeit, was wer anderer arbeitet [...], der Konkurrenzkampf fällt in einer gewissen Weise weg, weil sich jeder auf seine Arbeit konzentriert und sich dort vertiefen kann und net ständig beim Nachbarn schauen muss, ja, wie weit is der mit dem Arbeitsblatt und der is schon weiter und ich bin noch net so weit [...]“ (MP4, Abs. 37).

Allerdings räumte er auch ein, dass bei der Führung einer jahrgangsgemischten Klasse eine

gute Organisation vonnöten wäre. So müssten der Lehrstoff für jedes Kind gut vorbereitet,

die vorbereitete Umgebung entsprechend gestaltet und die Regeln für das Miteinander und

die Freiarbeit sehr klar dargelegt sein. Für die Lehrkraft bedürfte es einiges an Disziplin, den

Überblick über die Kinder zu behalten, diese zu beobachten und die Beobachtungen schließ-

lich zu dokumentieren.

6.2.2 INKLUSIVE WERTE VERANKERN (2)

In jahrgangsgemischten Klassen könnten die älteren Kinder bereits Erlerntes festigen, indem

sie dieses an andere Kinder weitergäben. Außerdem würde dadurch auch der Selbstwert der

Kinder gestärkt und ihre Persönlichkeit aufgebaut. Grundsätzlich wären die Wiederholungen

gute Übungen für die Kinder, meinte eine Montessori-Pädagogin. Wichtig wäre ihr auch,

dass die Kinder alle Leistungen gegenseitig wertschätzten, also die leistungsstarken Kinder

die der leistungsschwächeren, die älteren Kinder die Leistungen der jüngeren und dass ein

respektvoller Umgang gepflegt würde. Die Altersmischung erlaubte es, alle Kinder gemein-

sam zu unterrichten, also auch Kinder mit unterschiedlichen Lernniveaus und mit besonde-

ren Bedürfnissen.

„Ja, wir haben zuerst einmal jahrgangsgemischte Klassen, die uns erlauben, Kinder mit unterschiedlichen Lernniveaus, da geht´s gar nicht um die Jahrgänge an sich, sondern um Kinder unterschiedlicher Lernniveaus miteinander zu unterrichten [...]. Das is ein

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ganz großer Vorteil. [...] Und dabei haben hier auch Kinder mit besonderen Bedürfnis-sen natürlich ihren Platz“ (MP3, Abs. 43).

6.2.3 SCHULE FÜR ALLE ENTWICKELN (3)

In den jahrgangsgemischten Montessori-Klassen gäbe es Partnerschaften und Kooperatio-

nen sowohl innerhalb der Klassen als auch klassenübergreifend, meinten mehrere Montes-

sori-Pädagoginnen und -Pädagogen. Die Altersmischung helfe auch im Bereich der Transiti-

on Kindergarten und Schule, da neue Kinder automatisch mitgeleitet würden, und unterstütz-

te die Wertschätzung aller Schülerinnen und Schüler.

Auch in den Regelschulen wäre das Transitionsthema sehr bedeutend und es gäbe entspre-

chende Projekte, wie beispielsweise jenes, dass Schulkinder Kindergartenkindern vorlesen

oder mit ihnen gemeinsam turnen.

6.2.4 UNTERSTÜTZUNG FÜR VIELFALT ORGANISIEREN (4)

Eine Regelschullehrerin berichtete, dass es an ihrer Schule das sogenannte Buddy-System

gäbe, das den jüngeren Kindern Unterstützung beispielsweise auf dem Schulhof in der Pau-

se und beim Einleben in den Schulalltag bieten sollte.

Eine Montessori-Pädagogin war überzeugt davon, dass sich durch das Mehrstufensystem

gleich mehrere Vorteile ergäben. So könnten die Kinder vieles voneinander lernen, da sie in

dieser Gemeinschaft verschiedene Altersstufen durchliefen und je nach Alter verschiedene

Rollen einnähmen. Allerdings gab sie auch zu bedenken, dass in einer altersgemischten

Klasse eine geringere Auswahl an Freunden oder Gleichgesinnten, also Kinder mit gleichen

oder ähnlichen Interessen, in einer Altersgruppe zur Verfügung stünden. Sie räumte ande-

rerseits ein, dass die Altersmischung einer Familienstruktur gleichkäme, was wiederrum un-

sere Gesellschaftsstruktur widerspiegeln würde. Außerdem bemerkte die Pädagogin auch,

dass das Vergleichen und Messen durch die Jahrgangsmischung mit den anderen entfiele

und sich viele Kooperationen und Synergien entwickeln könnten.

6.2.5 RESSOURCEN MOBILISIEREN (6)

In diesem Bereich unterstrich eine Montessori-Pädagogin, welch große Leistung die Hilfe-

stellungen der älteren Kinder für die jüngeren Kindern darstellen würden, da das, was an

Wissen weitergegeben würde, selbst gut beherrscht werden müsste. Sie sah dies als Chan-

ce für das spätere Leben und Lernen, da die Kinder Wissen festigten, lernten, sich auf be-

stimmte Dinge zu konzentrieren und zu fokussieren, sowie dass es in Ordnung und ganz

normal wäre, um Hilfe zu fragen. Ein weiterer Pädagoge bemerkte an dieser Stelle, dass die

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Jahrgangsmischung der Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler entgegenkäme,

da es immer einen Pool an Angeboten gäbe.

6.3 HETEROGENITÄT

In diesem Bereich wurden die Interviewpartnerinnen und -partner zum Umgang mit den ver-

schiedenen Menschen, sei es aufgrund von Beeinträchtigungen, unterschiedlichen Leis-

tungs- bzw. Lernniveaus oder aufgrund anderer kultureller Hintergründe, befragt.

6.3.1 GEMEINSCHAFT BILDEN (1)

Die Heterogenität würde durch die Altersmischung in den Montessori-Klassen tagtäglich ge-

lebt und die Vielfalt würde als Chance in jeder Hinsicht gesehen. Für eine Pädagogin war

Jeux Dramatiques eine große Hilfe, um mit der bunten Mischung von Kindern in ihrer Klasse

zurechtzukommen, da es sowohl zur Prävention als auch zur Problemlösung dienlich wäre.

Durch die Rollenspiele würden sich die Kinder verbunden fühlen, obwohl sie sehr verschie-

den wären.

In den Regelschulen hätte soziales Lernen ebenfalls einen hohen Stellenwert. Allerdings

berichteten die Lehrkräfte, dass es stark davon abhinge, welche Einstellung die Kinder hin-

sichtlich Heterogenität von zu Hause mitbekämen. In einer anderen Klasse wurde berichtet,

dass ein Rollstuhlkind nicht gut integriert werden könnte, weil die anderen Kinder es eher als

Belastung empfänden, es immer überallhin mitnehmen zu müssen und das Spiel dadurch

nicht mehr so frei wäre. In einer weiteren Regelschulklasse wäre das Anbieten gegenseitiger

Hilfe und Arbeiten in Gruppen in den Klassenregeln enthalten, so die Lehrerin und das The-

ma Heterogenität würde auf verschiedenste Weise, wie beispielsweise in Theaterstücken,

thematisiert. In einer anderen Klasse wurde berichtet, dass es Schwierigkeiten gäbe, einen

Buben aus der Türkei zu integrieren, allerdings wüssten alle um die Hintergründe seiner Le-

bensgeschichte Bescheid und die gegenseitige Hilfe funktionierte sehr gut.

6.3.2 INKLUSIVE WERTE VERANKERN (2)

In diesem Bereich meinte eine Montessori-Pädagogin, wie wertvoll das gegenseitige Lernen

wäre, also dass zwar die Schülerinnen und Schüler von den Lehrerinnen und Lehrern lern-

ten, aber eben auch umgekehrt. Das Thematisieren von Unterschieden wäre in ihrer Klasse

sehr wichtig, berichtete eine weitere Pädagogin, die eine Inklusionsklasse führt.

„In der Klasse selber und in Gesprächen, auch mit Kindern, Kollegen, ah oder Eltern is es so, dass wir jetzt eine Beeinträchtigung [...] ich nenn´s amal Beeinträchtigung, [...] mit den Kindern ah in dem Sinne thematisieren, dass wir sagen, jeder von uns is indivi-duell und anders. „Du hast eine Brille, ich hab Kontaktlinsen, ich humpel, ich hab eine

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Operation ghabt, ich geh mit dem linken Fuss nicht gut. [...], „Was fällt dir noch auf?“ Andere Haarfarbe, andere Augenfarbe, der eine sieht schlecht, der andere hört schlecht oder besser, also, und so wird das dann gesammelt. Aber es wird jetzt nicht [...] es wird thematisiert, jemand lernt halt schneller, jemand braucht a bissl länger und es werden auch Vergleiche gezogen. ‚Du, für die Schülerin xy is des, die Arbeit jetzt so schwierig, wie für dich eine ganze Seite schreiben. Kannst du dir das vorstellen? Und wie geht´s dir dabei?’ Und so kann man des vergleichen, also wir versuchen des, den Kindern so nahe zu bringen (MP5, Abs. 45).

Bezüglich des Status Sonderpädagogischer Förderbedarf (SPF) und des a.o. Status (Außer-

ordentlicher Status) bemerkten einige Pädagoginnen und Pädagogen, dass dieser aus büro-

kratischen Gründen immer noch eine Notwendigkeit im Schulalltag wäre. Den a.o. Status

bekämen Kinder mit nicht deutscher Muttersprache und erhielten keine Zeugnisse, sondern

lediglich eine Schulbesuchsbestätigung, was sie vom Rest der Klasse unterscheide. So be-

richtete eine Montessori-Pädagogin, dass auf der einen Seite die Eltern darum kämpften,

dass der SPF abgeschafft würde aus Angst vor Etikettierung bzw. Stigmatisierung, die Leh-

rerinnen und Lehrer sich aber dafür einsetzten (einsetzen müssten), diesen für ein Kind zu

bekommen, um einfach mehr Ressourcen für den Unterrichtsalltag bekommen zu können.

Eine weitere Lehrerin bemerkte, dass es Förderung eben nur mit Stempel gäbe.

Die Pädagogin empfand die bunte Mischung in ihrer Klasse in jeder Hinsicht als sehr berei-

chernd, da es zum Abbau von Berührungsängsten käme und für das spätere Leben wichtig

wäre.

„Ich find´s sehr schön, ich find´s total belebend und wunderbar, dass wir so eine Misch-kulanz haben [...] ein Kind, das als Muttersprache Arabisch hat oder ein Kind, das keine Sprache hat oder ein Kind im Rolli [...], also ich find, dass das unendlich bereichernd is, dass das weit mehr lernen bedeutet, also für die Kinder für später. Meine Kinder, meine Schulkinder werden amal, haben keine, absolut keine Berührungsängste und das find ich wunderbar. [...] Also [...] ich find´s sehr, sehr traurig, dass ma immer noch Eltern fra-gen muss, ob sie ihr Kind in eine Integrationsklasse, ihr nicht behindertes Kind in eine Integrationsklasse geben würden. Ich find das absolut unter der Gürtellinie [...] da braucht niemand gefragt werden, weil ma alle zsamm ghören (lacht)“ (MP6, Abs. 55).

In den Regelschulen wie in den Montessori-Klassen wurde die Teilnahme an verschiedenen

Programmen, Projekten oder Kooperationen erwähnt, wie beispielsweise das Streitschlich-

terprogramm, SOHA, „Wir sind Graz“ oder „Das kleine Ego“. Eine Regelschullehrerin berich-

tete, dass in ihrer Klasse auch Lerngruppen flexibel zusammengestellt und geändert würden.

In einer anderen Klasse meinte ein Lehrer, dass einzelne Kinder in einer Klasse die deut-

sche Sprache schnell lernten und vom Klassenverband mitgetragen würden. Eine weitere

Regelschullehrerin erzählte, dass die Kinder in ihrer Klasse eine tolle Feedbackkultur hätten

und sich gut gegenseitig unterstützten, weil es auch von zu Hause gefördert und mitgegeben

würde. Bei gröberen Problemen würde Hilfe von außen geholt werden.

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6.3.3 SCHULE FÜR ALLE ENTWICKELN (3)

Ein Montessori-Pädagoge meinte, dass eine Ausgewogenheit der Heterogenität wichtig wä-

re, dass beispielsweise das Verhältnis Buben-Mädchen stimmen sollte, damit ein Klassen-

verband harmonisch sein könnte. Eine Pädagogin erklärte, dass die Direktorin an ihrer Schu-

le sehr engagiert wäre, was das Thema Heterogenität an der Schule anbelangt, und sich in

verschiedenen Richtungen dafür einsetzte. Eine andere Lehrerin bemerkte, dass es in der

Ausbildung zur Regelschullehrerin bzw. zum Regelschullehrer keinerlei Vorbereitung auf die

Heterogenität, auf die eine Junglehrerin bzw. ein Junglehrer in der Praxis träfe, gäbe. Daher

bestünde auch oft nur eine geringe bis keine Bereitschaft, an einer Schule zu unterrichten,

an der eine große Heterogenität vorzufinden wäre. Ein Lehrer meinte, dass es in seiner

Klasse schwierig wäre, heterogene Lerngruppen zusammenzustellen, sodass die Kinder

voneinander profitieren könnten. Ein weiterer Regelschullehrer meinte, dass Kinder mit nicht-

deutscher Muttersprache sich in einer schwierigen Situation befänden, da diese aufgrund

ihres Alters in einer dritten Klasse eingeschult würden, aber nicht die Sprache beherrschten

und obwohl sie in ihrem Heimatland schon vieles gelernt hätten, wieder am Anfang stünden

und er als Klassenlehrer Schwierigkeiten hätte, den Bedürfnissen des Kindes gerecht zu

werden. Er bemerkte, dass das Leistungsspektrum vom Lerntempo und von der Auffas-

sungsgabe her in seiner Klasse sehr groß wäre und mit der Zeit immer größer geworden

wäre. Dabei gäbe es aber immer weniger besonders gute Schülerinnen und Schüler, da die

Kinder immer weniger Unterstützung von zu Hause bekommen würden. Es würde immer

weniger vorgelesen, zusammen gespielt und miteinander gesprochen. Aber auch finanzielle

Belange wären ein Thema in den Familien. Die Kinder hätten keinen Lerneifer und die Lern-

motivation wäre nur schwer zu vermitteln, manchmal würden nur sehr autoritäres Durchgrei-

fen und klare Richtlinien helfen. Eine freie Aufgabenstellung wie in einer Freiarbeit sei da

nicht möglich, weil die Kinder sehr undiszipliniert wären, sich sehr schnell ablenken ließen

und kein Interesse am eigenen Tun bestünde. Die Kinder bräuchten auch viel Zeit, um zur

Ruhe zu kommen und sich zu konzentrieren. Es sei schwierig, der großen Bandbreite ge-

recht zu werden, da die Kinder zwischen rüpelhaftem Verhalten und der Suche nach Nähe

und Zuspruch schwankten. Grundsätzlich meinte der Lehrer aber: „Der Klassenlehrer muss

innerhalb der Gemeinschaft schauen, dass sie miteinander auskommen und dass auch wirk-

lich leistungsstarke Kinder mit leistungsschwächeren Kindern kooperieren“ (RS5, Abs. 67).

6.3.4 UNTERSTÜTZUNG FÜR VIELFALT ORGANISIEREN (4)

Es wäre völlig unwichtig für die Gemeinschaft, ob Kinder eine Klasse wiederholt hätten und

auch ein unterschiedlicher Entwicklungs- und Leistungsstand wäre nicht relevant, meinte

eine Montessori-Pädagogin. Kinder mit SPF würden von der restlichen Klasse nicht getrennt

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und es bestünde kein Unterschied für Kinder, da die Kinder nicht wüssten, welche Mitschüle-

rin bzw. welcher Mitschüler einen SPF bekommen hätte.

Ein Regelschullehrer merkte an, dass die Eltern daran zweifelten, dass der SPF-Status in-

klusiv strukturiert würde und Angst vor einer Stigmatisierung ihrer Kinder hätten. Ein weiterer

meinte, dass der SPF sich zu sehr auf die Schwächen der Kinder konzentrierte. Zur Unter-

stützung von Heterogenität erwähnten weitere Pädagoginnen und Pädagogen verschiedene

Programme und Projekte, wie „Seven steps zur Schule der Achtsamkeit“, „Das kleine Ego“,

„Große helfen Kleinen“ oder „Die weiße Feder“, an denen sie teilgenommen hätten. Grund-

sätzlich wäre Heterogenität auf jeden Fall immer eine Bereicherung, meinte eine andere Re-

gelschullehrerin und es wäre selbstverständlich zu respektieren, dass Kinder, die anderen

Religionen angehörten als der katholischen bzw. christlichen, an ihren hohen religiösen Fei-

ertagen nicht zur Schule kämen. Andere Methoden zur Unterstützung der Vielfalt wären so-

ziale Lernstunden, sogenannte Smiley-Listen für ein gutes Betragen oder ein Angebot von

Sport, um Gewalt abzubauen. Ein Regelschullehrer berichtete, dass er die Sitzordnung aus-

loste. Auf diese Weise solle das Auskommen mit allen Schulkolleginnen und -kollegen geübt

werden, also eine Form sozialen Lernens. Weiters erzählte er, dass die Kinder keinen Rück-

halt von zu Hause hätten und dadurch Verhaltensauffälligkeiten zeigten. Er monierte auch,

dass in der Schule für den Fall gröberer Probleme, wie Mobbing oder Gewalt, kein wirklicher

Leitfaden vorhanden wäre und dass jede Lehrerin und jeder Lehrer schauen müsste, wie sie

bzw. er zurecht käme. Allerdings gäbe es auch Unterstützung von außen (verschiedene Ver-

eine, SPZ). Eine Pädagogin in einer Regelschule meinte, dass auf jeden Fall ein Gespür und

Verständnis seitens der Kinder für Unterschiedlichkeit gegeben wäre und dass das für sie

ganz in Ordnung wäre. Sie merkte auch an, dass bezüglich der Heterogenität eine Ausge-

wogenheit wichtig wäre. Sie stellte Überlegungen an, ob es beispielsweise für den türkischen

Buben in ihrer Klasse besser wäre, andere türkischstämmige Kinder für den sozialen Aus-

tausch in der Klasse zu haben. Sie berichtete aber auch über eine Mobbing Situation, die

selbst mit Coach nicht geregelt werden konnte.

6.3.5 LERNARRANGEMENTS ORGANISIEREN (5)

Die Kinder lernten Hilfe anzunehmen und anzubieten, berichtete eine Montessori-Pädagogin

und eine andere erzählte von der gegenseitigen Wertschätzung der Kinder für die individuel-

len Leistungen, beispielsweise wenn die Arbeiten im Wochenkreis vorgestellt würden. Ein

weiterer Lehrer betonte, wie wichtig es ihm wäre, dass die Schülerinnen und Schüler lernten,

ein konstruktives Feedback zu geben und dass eine auf der Sachebene wertschätzende

Feedbackkultur gepflegt würde. Auch wenn die Unterschiede weniger kulturell geprägt wä-

ren, müssten verschiedene familiäre Hintergründe berücksichtigt werden, die auch im Schul-

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alltag thematisiert würden, so der Pädagoge. Durch die Heterogenität wäre es selbstver-

ständlich, dass die Älteren den Jüngeren helfen und vorgegebene Partnerarbeiten unter-

stützten das gemeinsame Lernen, erklärte eine weitere Pädagogin und erzählte vom aktuel-

len Projekt der Schule nach Martin Buber „Vom ich, zum du, zum wir“ und vice versa. Dabei

würde gezeigt, wie man von der Gemeinschaft auch über die Gemeinschaft zum Ich käme

und umgekehrt.

Die Montessori-Pädagogin in der Regelschule erzählte, wie gut das Miteinander in ihrer

Klasse funktionierte und Kinder mit Beeinträchtigungen beispielsweise auch bei Referaten

oder Projektarbeiten gut integriert wären und gut unterstützt würden, um mitarbeiten zu kön-

nen. Eine Regelschullehrerin bemerkte, dass zwar keiner ausgelacht würde, oft aber trotz-

dem rücksichtsloses Verhalten gegenüber den anderen in der Klasse herrschte. Ein positives

Verständnis von Unterschieden und Heterogenität müsste auch oft erst entwickelt werden,

bemerkte ein anderer Regelschullehrer und ein weiterer meinte, dass die Vielfalt zwar in der

Unterrichtsplanung berücksichtigt würde, da es anders gar nicht ginge, aber ein offener Un-

terricht nicht möglich wäre. Er meinte, all die Punkte, die im Index für Inklusion aufgeführt

würden, klängen sehr gut, wären jedoch nur teilweise umsetzbar. Er und seine Teamlehrerin

würden sich tagtäglich sehr bemühen, aber es wäre schwierig. An manchen Tagen gäbe es

kaum ein respektvolles Miteinander. Weiters meinte er, dass Noten nicht sehr leistungsför-

derlich wären und seiner Meinung nach Lernzielkataloge besser wären, in denen man an-

merken könnte, wie sehr sich ein Kind anstrengte oder bemühte und der Fokus nicht nur auf

den erbrachten Leistungen läge.

6.3.6 RESSOURCEN MOBILISIEREN (6)

Eine Montessori-Pädagogin meinte, dass die Heterogenität als Ressource gesehen werden

müsste und zwar nicht nur durch die Unterstützung, die in heterogenen Lerngruppen gege-

ben wäre, sondern auch durch das Vorleben und das Miteinander, wodurch Neugierde ge-

schürt und Interessen geweckt würden. Die älteren Kinder würden bewundert, was ihre Per-

sönlichkeit stärkte und die jüngeren Kinder eiferten den älteren nach. Eine weitere Montes-

sori-Pädagogin meinte, dass die leistungsstärkeren Kinder den leistungsschwächeren helfen

würden, aber auch umgekehrt die leistungsschwächeren Kinder den leistungstärkeren, was

nicht unterschätzt werden dürfte. Diese gegenseitige Hilfe und Unterstützung in der Klasse

gäbe den Lehrenden auch Freiräume für andere Dinge.

Eine Regelschullehrerin bemerkte in diesem Bereich die Mängel in der Ausbildung, da es

Regelschullehrkräften an sonderpädagogischem Wissen fehlte. In einer anderen Schule

würden Lesepatinnen und -paten eingeladen. Das sind ältere Menschen, die in die Schule

kämen, um mit den Kinder das Lesen zu üben. Ein anderer Regelschullehrer meinte, die

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Vielfalt der Sprachen oder Kulturen an der Schule würde nicht genutzt und Ressourcen wie

Elternkooperation oder die Möglichkeit für Ausflüge könnten noch verstärkt eingesetzt wer-

den. Teilweise wäre es aber auch eine Gratwanderung, um das Einverständnis der Eltern zu

bekommen. Allerdings gäbe es eine Multikultifeier am Schulanfang. Eine Lehrerin meinte,

dass die verschiedenen Sprachen der Kinder im Schulalltag beispielsweise in Form von

mehrsprachigen Grußtafeln aufgenommen würden.

6.4 VORBEREITETE UMGEBUNG

In der Montessori-Pädagogik bezieht sich der Begriff der vorbereiteten Umgebung auf die

Räumlichkeiten, das Unterrichtsmaterial sowie die Erzieherin bzw. den Erzieher. In dieser

Kategorie wurden vor allem Aussagen und Informationen erfasst, die das Anbieten und den

Umgang mit dem Material sowie den Räumlichkeiten betreffen. Für die Angaben zum Erzie-

herInnenverhalten gibt es eine eigene Hauptkategorie, die in Kapitel 6.6 behandelt wird.

6.4.1 GEMEINSCHAFT BILDEN (1)

Durch die verschiedenen Möglichkeiten, gemeinsam am Material zu arbeiten, würde Ge-

meinschaft bilden auch unterstützt und gefördert, meinte eine Montessori-Pädagogin. Aller-

dings wäre das ausschließliche Arbeiten mit Material für die Eltern oft schwierig, weil dann

keine Schulbücher oder -hefte zum Überprüfen da wären. „[...] wir arbeiten mit Montessori-

Material, wir haben nicht so viel in der Hand, es kann sein, dass wir in der ersten Klasse kein

Buch haben [...] und trotzdem lernen [...], dass ma das aushält“ (MP6, Abs. 19).

6.4.2 INKLUSIVE WERTE VERANKERN (2)

Eine Montessori-Pädagogin meinte, dass mehrere Aspekte dabei hälfen, inklusive Werte zu

verankern. Dazu zählten das kooperative Arbeiten und Handeln in der Freiarbeit, das (ge-

meinsame) Arbeiten mit dem Montessori-Material. Speziell das Sinnesmaterial böte Kindern

mit Beeinträchtigungen besondere Unterstützung und könnte den verschiedenen kognitiven

Fähigkeiten gerecht werden, so die Pädagogin. Das Material unterstützte dabei, individuell

beste Leistungen zu erbringen, ohne dabei das Kind zu über oder zu unterfordern, meinte

ein anderer Pädagoge, da das Kind entweder selbst das Material in der Vorbereiteten Um-

gebung auswählen könnte oder die Pädagogin bzw. der Pädagoge das Material anböte und

so die Umgebung für das Kind vorbereitete.

In einer Regelschulklasse hoffte ein Lehrer auf eine Stützlehrerin bzw. einen Stützlehrer auf-

grund der SchülerInnenzahl von 26 Kindern und einem Kind mit SPF, damit die Teilhabe am

Unterricht nicht eingeschränkt wäre.

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6.4.3 UNTERSTÜTZUNG FÜR VIELFALT ORGANISIEREN (4)

Montessori böte mit den Entwicklungsmaterialien einen roten Faden an, um das Lernen zu

unterstützen, erklärte eine Montessori-Pädagogin. Besonders das Sprachmaterial und das

Mathematik-Material würden grundsätzlich dabei helfen, Rechtschreibung, Grammatik und

Grundrechnungsarten begreifbar zu machen und unterstützten beim Aufholen von Defiziten,

erklärte eine Montessori-Pädagogin. Die Aufgabe der Pädagogin bzw. des Pädagogen wäre

es eben, entsprechendes Material bereitzustellen und die Umgebung dementsprechend vor-

zubereiten. Das kosmische Material böte sich gerade dazu an, fremde Kulturen kennen zu

lernen. Eine weitere Pädagogin meinte, dass die Grundprinzipien für einen offenen Unterricht

die Jahrgangsmischung und die Einstellung der Lehrperson zum Kind wären und noch vieles

mehr, was aber im Montessori-Konzept nicht explizit zur Sprache käme, weil es bereits im-

plizit inkludiert wäre.

Ein Lehrer an der Regelschule meinte zu dem Thema, dass die Räumlichkeiten viel zu klein

wären, um einen offenen Unterricht bzw. Freiarbeit zu ermöglichen.

6.4.4 RESSOURCEN MOBILISIEREN (6)

In der kosmischen Erziehung böten sich viele Materialien auch in der vierten Klasse noch an,

ansonsten seien die Materialien bereits eher erschöpft, meint ein Montessori-Pädagoge.

6.5 PRINZIP DER FREIEN WAHL

Das Prinzip der freien Wahl bedeutet für ein Kind zu wählen, was es mit wem, wie lange und

wo arbeiten möchte. So finden in dieser Kategorie vor allem Bemerkungen zur Freiarbeit

nach Montessori, aber auch zum offenen Unterricht und Sozialverhalten ihren Platz.

6.5.1 GEMEINSCHAFT BILDEN (1)

Gegenseitige Hilfe wäre Teil der Freiarbeit, meinte ein Montessori-Pädagoge. Seine Kollegin

betonte, dass Freiarbeit aber angebahnt werden müsste, am besten bereits sehr früh, also

im Kindergartenalter. Den Kindern wären zunächst die Freundschaften wichtiger, so die Pä-

dagogin. Schlussendlich sollten sie aber in der Lage sein, ihre Interessen bzw. gemeinsa-

men Lernziele vor Augen haben, wenn sie Partnerinnen und Partner für die Freiarbeit wäh-

len. Dies zu fördern läge in der Verantwortung der Pädagoginnen und Pädagogen.

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6.5.2 INKLUSIVE WERTE VERANKERN (2)

Durch die Freiarbeit nach Montessori, in der sehr offen und unabhängig gearbeitet würde,

könnte auch sämtlichen Bedürfnissen entgegen gekommen werden und durch die Beobach-

tung wüsste die Pädagogin bzw. der Pädagoge, was das jeweilige Kind an Entwicklungsma-

terial zum Arbeiten brauchte, meinte eine Montessori-Pädagogin. Jede Schülerin bzw. jeder

Schüler arbeitete an dem, was für sie bzw. ihn gerade entsprechend der Sensiblen Phasen

passte, erklärte eine andere Pädagogin.

Das Konzept der Freiarbeit ist auch in einer Regelschule als Planarbeit genannt worden und

wurde so beschrieben, dass die Kinder nach einer anfänglichen gemeinsamen Arbeit mit der

Lehrerin andere Teile alleine, zu zweit oder in Gruppen ausarbeiten dürften.

6.5.3 SCHULE FÜR ALLE ENTWICKELN (3)

Die freie Wahl der Arbeit, des Ortes, der Zeit und der sozialen Form unterstützte die Wert-

schätzung aller Schülerinnen und Schüler, da Lerngruppen heterogen zusammengestellt

werden könnten und individuell auf die Bedürfnisse der Kinder eingegangen werden könnte,

erklärte ein Montessori-Pädagoge.

Die Regelschullehrerin, die in einer Integrationsklasse einer Regelschule unterrichtet, mein-

te, dass der offene Unterricht den Integrationskindern besonders entgegen käme.

6.5.4 LERNARRANGEMENTS ORGANISIEREN (5)

Bei der Frage, wie die Lernarrangements organisiert wären kamen von allen Montessori-

Pädagoginnen und -Pädagogen ähnliche Berichte, die von einer Kollegin in einem Satz auf

den Punkt gebracht wurden „Es ist die Freiarbeit, ganz nach den Kriterien, den Prinzipien

nach Maria Montessori“ (MP1, Abs. 175). Die in den Subfragen vorkommenden Schlagwör-

ter, wie beispielsweise gemeinsame Verantwortung für das Lernen und emotionale Aspekte

des Lernens, wären genauso wichtig wie die kognitiven, der Unterricht wäre auf den Unter-

schieden aufgebaut, selbstverantwortliches und gemeinschaftliches Lernen oder Disziplin

basierten auf gegenseitigem Respekt. Dies wären alles Montessori-Prinzipien, so die Päda-

goginnen und Pädagogen. Ein Pädagoge antwortete auf die Frage, ob sein Unterricht die

Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler stärkte: „Ja, das ist das große Ziel in der Montes-

sori-Pädagogik schlechthin. Das steht sicher ganz zentral da“ (MP3, Abs. 108). Er bestätigte,

dass die Kinder die Sozialformen, unterschiedliche Aktivitäten und auch das Schulfach min-

destens zur Hälfte frei wählen könnten. Er räumte aber auch ein, dass die Regeln der Freiar-

beit sehr klar dargelegt und konsequent eingehalten werden müssten. Weiters erklärte er,

dass in der Freiarbeit das soziale Miteinander, wie das Lösen von Konflikten oder Proble-

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men, geübt werden könnte. Aufgrund der Freiheit könnte auf die Vielfalt der Schülerinnen

und Schüler leichter eingegangen werden, die Freiarbeitsregeln würden dabei den Rahmen

für eine angenehme Lernkultur bilden, meinte ein weiterer Pädagoge.

Die Integrationslehrerin fügte hinzu, in der Freiarbeit könnte man auf alle Bedürfnisse indivi-

duell eingehen und ein offenes System hälfe bei einer großen Vielfalt sehr. Sie erwähnte

auch, dass regelmäßig durchgeführte Stille Übungen sicherlich hilfreich wären, da sie aber

als Integrationslehrerin dafür zu wenig in der Klasse wäre, wäre ihr das nicht möglich.

6.6 ERZIEHERINNENVERHALTEN

In diese Kategorie fallen Kommentare und Anmerkungen zum Umgang und zur Arbeit mit

den Kindern und im Team, sowie zu Unterstützung und Kooperationen im Kollegium und zur

Bereitschaft zu Fortbildungen.

6.6.1 GEMEINSCHAFT BILDEN (1)

Im Kollegium der Montessori-Pädagoginnen und -Pädagogen zögen alle an einem Strang,

hätten die gleichen Einstellungen und Vorgaben, das gleiche Denken und Handeln, berichte-

te eine Montessori-Pädagogin. Ein Pädagoge meinte, es gäbe eine starke Vernetzung beim

Arbeiten. Von Kooperationen und Hilfe auch von außen berichtete eine andere Pädagogin.

Die Montessori-Pädagogin in der Regelschule meinte, ohne gute Zusammenarbeit im Team

wäre der Schulalltag gar nicht schaffbar. Ein Regelschullehrer erzählte hingegen, dass es in

seiner Schule keine gute Schulgemeinschaft gäbe und auch keine Empathie seitens der Di-

rektorin vorhanden wäre. Das führte dazu, dass es wenig laufende und regelmäßige Unter-

stützung gäbe.

6.6.2 INKLUSIVE WERTE VERANKERN (2)

Die Pädagoginnen und Pädagogen hätten darauf zu achten, dass die Kinder alle Bereiche in

der Freiarbeit abarbeiteten und sie berieten die Kinder in der Freiarbeit, erklärte eine Mont-

essori-Pädagogin und meinte weiter, die Kinder wären grundsätzlich motiviert, Leistung zu

bringen und das müssten Pädagoginnen und Pädagogen aufgreifen und unterstützen.

„[...] Ah, ja, der erste Punkt schon allein, dass wir in der Montessori Klasse, ah, dass je-der das arbeitet, [...] was grad zu einem [...] passt [...], ist mit Sicherheit a ganz, ganz großer Punkt, wobei wir ja auch drauf achten, dass alle Bereiche erfüllt werden und die Kinder kommen a zu uns und fragen uns ‚Was wären da noch für mich wichtig?’ [...] Al-so ich habe so das Gefühl [...], die Kinder kommen ja in die Schule, um was zu lernen, um Leistung zu bringen und man muss das eigentlich nur aufgreifen und das kann man indem man motiviert und net dauernd auf einem Fehler herumhackt und des sind wir,

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glaub ich einig, dass wir den Kindern beibringen, dass ein Fehler ein Freund sein kann“ (MP2, Abs. 38).

Weiters meinte die Pädagogin, dass jeder bzw. jedem die gleiche Wertschätzung entgegen-

gebracht würde, wäre die Grundvoraussetzung für die Arbeit einer Pädagogin bzw. eines

Pädagogen: „I glaub, wenn irgendwer in irgendeiner Schule unterrichtet und des net bringt,

dann hat er seinen Beruf verfehlt“ (MP2, Abs. 38).

Auch eine Regelschullehrerin erklärte, dass alle in gleicher Weise wertgeschätzt würden und

dass sie auch je nach Kind differenzierte, welche Erwartungen sie an ein Kind vom Sozial-

verhalten und von den Leistungen her haben könnte. Das würde sie so auch an die Kinder

weiter kommunizieren. Viele Lehrerinnen und Lehrer würden nicht gerne an einer Schule mit

hohem Migrationsanteil oder Kindern mit Defiziten, Beeinträchtigungen und Problemen un-

terrichten, weil sie es sich nicht zutrauten oder es zu mühsam werden könnte, berichtete

eine Regelschullehrerin. Sie sähe da Handlungsbedarf in den Ausbildungen, da nur die Son-

derschulpädagoginnen bzw. Sonderschulpädagogen, nicht aber die Regelschullehrerinnen

bzw. Regelschullehrer auf die Heterogenität, die im Schulalltag existierte, vorbereitet würden.

Als Konsequenzen würden dann Überforderung bis hin zum Burnout bei den Junglehrerin-

nen und -lehrern auftreten.

„[...] ich habe nur gehört, dass es viele Lehrer gibt, die sagen, sie gehen nicht an so ei-ne Schule [...], weil sie sich das nicht zutrauen und weil [...] du glaubst immer, wenn du an so einer Schule bist, das ist, glaub ich schon ein Vorurteil von außen, [...], dass es eben da viel wilder zu geht [...]. Und dann gibt´s Lehrer, die sagen: „Nein, an dieser Schule will ich nicht unterrichten.“ [...]. Und des find ich einfach net in Ordnung und ich find auch, wenn auch ein Junglehrer kommt, dass die Großteils einfach net vorbereitet sind [...] und wenn sie da ein erstes Dienstjahr haben, also wir haben jetzt den Fall und das war nicht das erste, sondern das dritte oder vierte Dienstjahr, Burnout und hat ge-kündigt beim Landesschulrat, [...] weil du einfach mit der Situation net fertig wirst. [...] Und ich glaub einfach, dass man da besser vorbereitet werden sollte“ (RS2, Abs. 78).

Ein Regelschullehrer stellte klar, dass es unter den Lehrkräften sehr unterschiedliche Einstel-

lungen zu Inklusion gäbe. Ein anderer Regelschullehrer bemängelte, dass es keine Gemein-

schaftsbildung, kein gemeinsames Leitbild und keine regelmäßige Unterstützung in der Klas-

se gäbe.

6.6.3 SCHULE FÜR ALLE ENTWICKELN (3)

Im Montessori-Kollegium würde ein Austausch unter den Kolleginnen und Kollegen als

Chance gesehen, so eine Pädagogin. Ihre Kollegin merkte an, dass die individuelle Förde-

rung der Schülerinnen und Schüler vormittags und nachmittags sehr gut koordiniert würde

und dass die Nachmittagsbetreuung auch Zugang zu den Materialien hätte.

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6 Ergebnisse

99

Hilfreiche Unterstützung bekämen Lehrende im Lehrerberatungszentrum, berichtete ein Re-

gelschullehrer, während eine andere Lehrerin meinte, dass die Unterstützung sehr unter-

schiedlich ausfiele.

6.6.4 UNTERSTÜTZUNG FÜR VIELFALT ORGANISIEREN (4)

Fortbildungsangebote würden bei Bedarf wahrgenommen werden, war die Aussage einer

Pädagogin. Ein Kollege meinte, dass viele Fortbildungsangebote und Supervisionen zur Ver-

fügung stünden. Grundsätzlich wäre eine entsprechende Montessori-Ausbildung die Grund-

voraussetzung, um in einer Montessori-Klasse unterrichten zu können.

„[...] es wird bei uns vorausgesetzt, dass jemand der in einem Schwerpunktbereich ar-beitet, a) die Ausbildung hat und noch einmal vorher die grundlegende Haltung auch dazu [...]. Nichtsdestotrotz is es gleichermaßen wichtig, dass sich, dass diese Person aber bereit is, sich im Bereich Inklusive Pädagogik firm zu machen. [...]. Oder bestens, bestenfalls auch ausgebildet ist oder in Ausbildung“ (MP5, Abs. 72).

Dies erforderte eine große Eigenmotivation seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so

die Pädagogin weiter. Eine andere Montessori-Pädagogin meinte, dass es auf jeden Fall

Unterschiede zwischen den Einstellungen hinsichtlich des Umgangs mit Heterogenität bzw.

Inklusion gäbe. Sie fände, dass Reformpädagoginnen und -pädagogen oder Menschen, die

im Inklusionsbereich arbeiten, meist motivierter und engagierter wären, da sie doch einen

höheren Arbeitsaufwand für den Unterricht aufbringen müssten und ein Unterricht nach alt-

bewährten Methoden offensichtlich weniger Arbeit und Engagement bedeutete. Auch erklärte

sie, dass es Sache der eigenen Motivation, aber auch die Freude an der Arbeit wäre, die

einen antriebe, da es viel Kraft und Energie kostete, im Inklusionsbereich zu arbeiten.

Ein Regelschullehrer fühlte sich bei seiner Arbeit oft überfordert und ausgepowert. „[...] ahm,

ja, wir sind einfach auch als Lehrer oft mit den verschiedenen Anforderungen bei jedem ein-

zelnen Kind wirklich schwerstens überfordert“ (RS5, Abs. 73). Er berichtete aber über die

Teilnahme an Fortbildungen wie Gewaltfreie Kommunikation und Unterstützung vom Lehrer-

Beratungszentrum. Er bedauerte es sehr, dass es oft nur mit eingesetzter Strenge ginge,

aber anders wäre es nicht zu bewerkstelligen.

6.6.5 LERNARRANGEMENTS ORGANISIEREN (5)

In Teamsitzungen und Teamgesprächen würden Unterrichtsbelange und Organisatorisches

geplant und koordiniert, erklärte eine Montessori-Pädagogin. Innerhalb des Kollegiums fände

ein sehr guter Austausch von Unterrichtsmaterial und -gestaltung sowie konstruktiver Kritik

statt, berichtete ihre Kollegin. Weiters erläuterte die Pädagogin, dass die Lehrerinnen und

Lehrer die Kinder während der Freiarbeit beobachteten und die Beobachtungen dokumen-

tierten, um diese danach mit ihnen zu besprechen und in den Lernzielkatalogen festzuhalten.

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6 Ergebnisse

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Ein weiterer Kollege berichtete, dass die Lernzielkataloge lernbegleitend eingesetzt würden,

um dem Kind die Lernziele verständlich und nachvollziehbar zu machen. Sollte ein Kind bei-

spielsweise bei den Hausaufgaben scheitern, müsste das von der Lehrerin bzw. dem Lehrer

eruiert werden. Außerdem würde das Kollegium als klassenübergreifendes Team zusam-

menarbeiten.

Eine Regelschullehrerin erzählte, dass sie ein Pensenbuch für die Kinder anlegte und die

Beurteilung darin mit den Kindern bespräche. An dieser Stelle bedauerte eine andere Lehre-

rin den Einsatz des Notensystems, da sie Noten für nicht so aussagekräftig hielte. Eine wei-

tere Regelschullehrerin lobte die gute Kommunikation unter den Lehrenden an ihrer Schule.

6.6.6 RESSOURCEN MOBILISIEREN (6)

Auf diese Frage hin erklärte eine Montessori-Pädagogin, dass im Kollegium schon im Vorfeld

genau auf die Ausbildungen der Pädagoginnen und Pädagogen geschaut würde, damit die

„Chancen des Lernens und Lehrens“ auch genützt werden könnten. Es würde erwartet wer-

den, dass bestimmte Kenntnisse über die verschiedenen reformpädagogischen Zugänge

bereits vorhanden wären, damit die Pädagogik dann auch bei den Kindern angewendet wer-

den könnte. Demnach würde auch entschieden, wer ins Kollegium aufgenommen würde.

Weiters meinte die Pädagogin: „[...] ich denk, wer verantwortungsvoll die Montessori-

Pädagogik lebt und da sich identifiziert, weiß, dass man da viel nutzen kann“ (MP1, Abs.

202). Außerdem wären der Austausch mit den Studierenden und eine gewisse Offenheit

sehr wichtig. Auch der Austausch von Fachkenntnissen innerhalb der Kolleginnen und Kolle-

gen sowie die Besuche von Fachvorträgen wären von großer Bedeutung, meinte eine Kolle-

gin. Das erklärte Ziel wäre es, so die Pädagogin, Inklusion im Leitbild der Schule stehen zu

haben. Die Schule würde ja bereits weitgehend inklusiv geführt, aber alle Möglichkeiten wür-

den oder könnten nicht ganz ausgeschöpft werden, beispielsweise aufgrund von Platzman-

gel. Dies wurde in den Interviews mehrfach angemerkt. Die Teams würden von den Anforde-

rungsprofilen her zusammengesetzt und vernetzten sich gut untereinander, aber auch mit

Experten von außen, um die Fachkenntnisse voll ausschöpfen zu können.

Auch eine Regelschullehrerin meinte, dass alle fachlichen Kompetenzen gut genutzt würden

und eine andere Kollegin berichtete, dass es ein großes Team in der Schule gäbe, wodurch

Wissen und Erfahrungen zum Austausch zur Verfügung stünden.

6.7 INDIVIDUALISIERUNG

Die individuelle Förderung der Kinder und das Ermöglichen sowie die Koordination individu-

ellen Lernens stellen das Thema in dieser Kategorie dar.

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6 Ergebnisse

101

6.7.1 GEMEINSCHAFT BILDEN (1)

In den Montessori-Klassen könnten die Lerninhalte durch Wiederholung gut gefestigt werden

und durch die individuelle Zeiteinteilung könnte das Lernen flexibler gestaltet werden, erklär-

te ein Pädagoge. Seine Kollegin berichtete, dass die Kinder dort abgeholt würden, wo sie

gerade in ihrer Entwicklung stünden.

Eine Regelschullehrerin meinte, dass das individuelle Eingehen auf ein Kind im interkulturel-

len Unterricht (IKL-Unterricht) gut möglich wäre.

6.7.2 INKLUSIVE WERTE VERANKERN (2)

Eine Montessori-Pädagogin versicherte, dass jedes einzelne Kind im sozialen wie auch im

kognitiven Bereich gemäß seiner Fähigkeiten gefördert würde. Durch die speziellen Materia-

lien könnte auch jeder Schülerin bzw. jedem Schüler entsprechend ihres bzw. seines Ent-

wicklungsstandes etwas zum Arbeiten angeboten werden und durch die Beobachtung wisse

die Pädagogin bzw. der Pädagoge, welches Material anzubieten wäre. Selbstverständlich

würden auch die verschiedenen familiären Hintergründe berücksichtigt, meinte ein Kollege.

Das gesamte Konzept der Montessori Pädagogik unterstütze die Kinder darin sehr, individu-

ell beste Leistungen zu erbringen, so eine Montessori-Pädagogin. Die Lehrerinnen und Leh-

rer sähen, wo das Kind in seiner Entwicklung stünde und was es an Materialien aus der vor-

bereiteten Umgebung zum Lernen brauchte.

Eine Regelschullehrerin versicherte, dass sie den Kindern auch vermittelte, dass nicht alles

von allen in gleicher Weise erwartet werden könnte und sie genau differenzierte. Eine andere

Regelschullehrerin meinte, dass die Erwartungen des Lehrkörpers an die Kinder durch den

hohen Migrationsanteil sehr heruntergeschraubt würden.

„Also das ist in der Schule schon extrem, kommt mir vor [...] es wird nicht mehr so viel erwartet [...]. Das Level wird sicher runtergeschraubt. [...] Bei diesen Überprüfungen wa-ren wir die schlechteste Schule in Graz, gell [...]. Für uns Lehrer war das aber nicht überraschend, weil die Kinder diese Tests nicht verstanden haben und du schraubst deine Erwartungen automatisch runter [...]. Ich habe meine Erwartungen schon runter-geschraubt. Natürlich, du willst es verbessern, [...] aber du willst nicht das gleiche Level erreichen, wie in einem anderen Schulbezirk“ (RS2, Abs. 25).

Ein Kollege berichtete, dass er sich überfordert fühlte, alle Kinder alleine entsprechend inklu-

siv zu fordern und zu fördern. Der MigrantInnenanteil läge in der Schule bei 80 Prozent und

davon gäbe es viele Kinder mit nicht deutscher Muttersprache sowie teilweise sehr schwieri-

ge Kinder, die aus schwierigen familiären Verhältnissen kämen, so der Lehrer. Aber er be-

mühte sich sehr wohl, den Kindern gerecht zu werden. Eine Regelschullehrerin meinte, dass

die Kinder auch entsprechend ihres Entwicklungsstandes gefördert würden und dass darauf

geschaut würde, wo noch Unterstützung nötig wäre. Sie bedauerte ebenfalls, dass dabei die

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6 Ergebnisse

102

leistungsstarken Schülerinnen und Schüler auch aufgrund von Zeitmangel meist außen vor

blieben und merkte an, dass man mit Hilfe des Montessori-Materials viel mehr fördern könn-

te.

6.7.3 SCHULE FÜR ALLE ENTWICKELN (3)

Individuelle Förderung vormittags und nachmittags würde in den Montessori-Klassen koordi-

niert, erklärte ein Montessori-Pädagoge. Grundsätzlich wären der Gedanke der individuellen

Leistungsförderung und die Orientierung am Entwicklungsstand in allen reformpädagogi-

schen Konzepten verankert. Weiter meinte er, wäre es wichtig, dass die Berücksichtigung

des individuellen Leistungs- und Entwicklungsstandes bei der Arbeit am Kind beherzigt wür-

de und keine Orientierung an einem gedachten Durchschnitt stattfände.

„Es kommt jedes Kind mit einem ganz persönlichen Entwicklungsstand zu uns [...] und dann sehen wir recht schnell, wo brauchen die noch Förderung und die werden mit den Klassenlehrern noch abgesprochen [...]. Weil die Klassenlehrer auch noch ein Förder-, eine halbe Stunde zur Förderung zur Verfügung haben und da sind die Absprachen ganz wichtig, damit ma da ah, d’accord geht“ (MP3, Abs. 73).

Es würden auch viele unverbindliche Übungen angeboten, sodass die individuellen Interes-

sen noch zusätzlich gefördert werden könnten, so der Pädagoge. Durch das individuelle Ar-

beiten würden Wettbewerbsgedanken unter den Kindern vermieden.

6.7.4 UNTERSTÜTZUNG FÜR VIELFALT ORGANISIEREN (4)

Sollte ein Kind eine Schulstufe wiederholen, fiele das nicht weiter auf, denn es bliebe ja in

der Klassengemeinschaft, erklärte eine Montessori-Pädagogin. Bedeutend wäre eine Be-

standsaufnahme des individuellen Förderbedarfs eines jeden Kindes, so ein Kollege. Weiter

meinte dieser, dass die Unterrichtsplanung immer auf die Ungleichheit von Schülerinnen und

Schülern ausgerichtet würde. Dies wäre Teil des Unterrichtskonzeptes, um den Unterschie-

den überhaupt gerecht werden zu können. Eine Kollegin merkte an, dass für jedes Kind Al-

ternativangebote erstellt würden und eine andere Pädagogin erklärte, es gäbe für alle Kinder

individuelle Förder- und Entwicklungspläne.

6.7.5 LERNARRANGEMENTS ORGANISIEREN (5)

Die Bewertung aller Schülerinnen und Schüler in einer leistungsförderlichen Form und das

Übernehmen der Verantwortung für das Ermöglichen eines Lernfortschritts, wäre der klare

Auftrag der Montessori-Pädagogik, erklärte eine Montessori-Pädagogin. Sie meinte weiter,

dass eine Leistungsbeurteilung aufgrund der Aufzeichnungen von Beobachtungen in der

Freiarbeit erfolgte. Dies bestätigte auch eine Kollegin. Zwei Montessori-Pädagogen und eine

-Pädagogin beschrieben, auf welche Weise individuelle Angebote oder alternative Lösungen

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6 Ergebnisse

103

bei Ausflügen gefunden würden, damit sich auch alle daran beteiligen könnten. Am Schitag

wären als Alternativprogramme Schwimmen oder Rodeln angeboten worden. An einem

Wandertag hätte ein Kind ein Stückchen getragen werden müssen und alle Pädagoginnen

und Pädagogen hätten sich abgewechselt und zusammengeholfen.

Eine vollkommene individuelle Unterrichtsplanung wäre nicht möglich, meinte eine Regel-

schullehrerin. Im Unterricht gäbe es für die verschiedenen Kinder schon Unterstützung, aber

als Lehrerin müsste sie dann trotzdem eine Unterrichtsplanung für jedes Kind machen, weil

die Kinder auch alle unterschiedliche Lerntypen wären, so die Lehrerin. Ein anderer Lehrer

sagte, dass die Wahl zwischen verschiedenen Fächern möglich wäre. Ein weiterer Kollege

antwortete auf die Frage, ob der Unterricht auf die Vielfalt der Schülerinnen und Schüler hin

geplant würde (Orientierung der Unterrichtsplanung nach dem Lernen, den Interessen und

Erfahrungen der Kinder, Rücksicht auf spezielle Bedürfnisse, verschiedenen Sozialformen

beim Lernen, Vielzahl verschiedener Aktivitäten): „Hm, da sind viele super coole Ideen drin-

nen, einiges können wir davon berücksichtigen und einiges tun wir so gut wir können. Die

Überschrift tun wir natürlich. Wir planen auf die Vielfalt der SchülerInnen, es geht gar net

anders. [...]. Es ist kein offener Unterricht (...)“ (RS5, Abs. 130). Die Regelschullehrerin in der

Integrationsklasse berichtete, dass in der Klasse die Unterrichtsplanung flexibel wäre, dass

oft die ganze Klasse zusammen wäre und dann die Kinder, die in einem Kurssystem je nach

Leistung erfasst würden, auch nach den jeweiligen Stufen getrennt würden. Für manche

Kinder müsste überhaupt ein ganz individuelles Programm erstellt werden. Die Kinder arbei-

teten mit dem von den Lehrerinnen vorbereiteten Material in zwei Stunden Freiarbeit täglich.

Die Lehrerin meinte, sie hätten zwar nicht viel Montessori-Material zur Verfügung, aber doch

Material, das Freiarbeit ermöglichte. Außerdem gäbe es Projektarbeit (freie Projekte, Klas-

senprojekte) und keinen vorgefertigten Wochenplan. Jedes Kind hätte eine Planmappe, in

der die Arbeit dokumentiert würde und zum Wochenende könnte jedes Kind die eigene Ar-

beit reflektieren und neu strukturieren.

6.7.6 RESSOURCEN MOBILISIEREN (6)

Es gäbe keinerlei Einschränkung sondern Offenheit in alle Richtungen, um alle Ressourcen

auszunützen. In der Montessori-Pädagogik dächte sie besonders an die kosmische Erzie-

hung, die dazu unzählige Möglichkeiten böte, sämtliche Neigungen und Interessen zu unter-

stützen und zu fördern, meinte eine Montessori-Pädagogin.

Die Integrationslehrerin an der Regelschule erzählte, dass die Kinder sehr autonom arbeite-

teten. Es gäbe eine Aufgabenliste, die abgearbeitet würde. Dabei würden die Kinder einan-

der helfen und wären sehr verständig und unterstützend im Umgang miteinander.

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6 Ergebnisse

104

6.8 FÖRDERUNG DER SELBSTSTÄNDIGKEIT

In diese Kategorie fallen Aussagen und Kommentare bezüglich des selbstständigen und ei-

genverantwortlichen Arbeitens, der Förderung des Selbstvertrauens und des Aufbaus der

Persönlichkeit und des Ausmaßes, in dem es möglich ist, diese Punkte im Schulalltag umzu-

setzen.

6.8.1 INKLUSIVE WERTE VERANKERN (2)

Es gäbe keine Diskriminierung in der Hinsicht, dass einem Kind gesagt würde, „das kannst

nicht“ oder „das ist zu schwer“, denn durch das Material wäre ein Begreifen für alle Kinder

mit verschiedenen kognitiven Fähigkeiten möglich, erklärte eine Montessori-Pädagogin. Ihre

Kollegin bekräftigte, dass die Kinder grundsätzlich Leistungen erbringen wollten und sich

gezielt heraussuchten, was sie arbeiten möchten. In einer anderen Klasse würde noch ein

weiterer Punkt verwirklicht, der von Maria Montessori für die vorbereitete Umgebung gefor-

dert wurde, nämlich die Verantwortung für ein Tier zu übernehmen. Die Kinder hätten einen

Therapiehund in ihrer Klasse. Die Montessori-Pädagogin, die an einer Regelschule eine In-

tegrationsklasse führt, meinte, Forderung wäre etwas sehr Wichtiges und nannte Makaren-

kos Erziehungsprinzip Ich fordere dich, weil ich dich achte als Beispiel und meinte weiter,

dass es für Kinder nicht förderlich wäre, nichts zu tun.

6.8.2 SCHULE FÜR ALLE ENTWICKELN (3)

Die Montessori-Pädagoginnen und -Pädagogen berichteten über die Einführung eines Klas-

senrats innerhalb der Klassen und eines Schulrats, bei dem alle Kinder der Schule zusam-

menkämen, sowie Schulversammlungen, bei denen Probleme wie beispielsweise Gewalt

und Mobbing besprochen werden könnten.

Ein Regelschullehrer erzählte, die Kinder in seiner Klasse würden sich mit einem offenen

Arbeitsplan eher schwer tun, da sie sich sehr leicht ablenken ließen und kaum Interesse an

dem zeigten, was sie gerade tun. Während sich einige Kinder wunderbar für eine Art Freiar-

beit eigneten, würden sich die meisten die Aufgaben eher erschwindeln und den Arbeitsplan

nicht ehrlich abzeichnen, was sich dann auf die Leistungen der Kinder auswirkte.

„Andere erschwindeln solche Aufgaben einfach ganz elegant, indem ständig nur ab-schauen und wenn dir das als Lehrer nicht auffällt, dann hast du plötzlich zwei Wochen später ein Kind, wo du gemeint hast, das könne das Kind, das kann´s aber net. [...] die-ses freie Arbeiten birgt in so einer Klasse wirklich eine große Gefahr und ich hab net wenig Erfahrung. Ich hab montessorisch auf jeden Fall schon viele Jahre gearbeitet“ (RS5, Abs. 75).

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6 Ergebnisse

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6.8.3 LERNARRANGEMENTS ORGANISIEREN (5)

Die Montessori-Pädagogik böte mit der vorbereiteten Umgebung die Rahmenbedingungen

für selbstverantwortliches Lernen, erklärte eine Montessori-Pädagogin. Eine Kollegin fasste

dies in einem Satz zusammen: „Die Kinder arbeiten selbstständig und haben eine selbst-

ständige Arbeitshaltung“ (MP2, Abs. 168). Die Schülerinnen und Schüler agierten nach indi-

viduellen Wochenplänen, erläuterte eine weitere Kollegin. Die Kinder lernten Verantwortung

zu übernehmen, erklärte eine weitere Pädagogin, denn durch die Heterogenität würden die

größeren Kinder die Verantwortung für die kleineren Kinder übernehmen. Zudem wären alle

zusammen neben dem eigenen Lernfortschritt und ihrer Zeiteinteilung auch für ein Tier (The-

rapiehund) verantwortlich, so die Pädagogin. Weiters legte die Lehrerin dar, dass die Lern-

zielkataloge soweit umgearbeitet würden, dass nicht Lernziele sondern vielmehr Kompeten-

zen formuliert würden. So sollte sichergestellt werden, dass die Kinder sich besser einschät-

zen könnten und nachvollziehen lernten, welche Kompetenzen sie bereits erreicht hätten und

an welchen sie noch arbeiten müssten. Die dafür individuell ausgearbeiteten Wochenpläne

setzten da an, wo ein Kind in seiner Entwicklung stünde, erklärte die Lehrerin weiter. Eine

andere Montessori-Pädagogin stellte klar, dass den Kindern ganz deutlich vermittelt würde,

dass sie selbst für ihr Lernen verantwortlich wären und die Lehrerinnen und Lehrer lediglich

zum Begleiten und Unterstützen da wären.

In seiner Klasse gäbe es immer wieder Angebote für selbstständiges Arbeiten, meinte ein

Regelschullehrer. Die Hausaufgaben würden allerdings, wenn überhaupt, sehr schnell und

ohne Interesse erledigt werden, verdeutlichte ein Kollege. Weiters würden die Kinder nichts

über die verpflichtenden Dinge hinaus machen.

Die Integrationslehrerin erzählte, dass die Kinder Planmappen zum Dokumentieren ihrer

Arbeiten verwendeten, um am Ende der Woche die eigene Arbeit reflektieren und strukturie-

ren zu können. Die Themen würden nicht von den Lehrenden vorgegeben, sondern die Kin-

der könnten diese aus der Freiarbeit übernehmen und weiter bearbeiten, so die Lehrerin.

Außerdem sollten die Kinder mit Hilfe von Mindmaps Ziele niederschreiben und dazu notie-

ren, mit welchen Lernmaterialien diese zu erreichen wären, führte diesselbe weiter aus. Wä-

ren die Kinder soweit, dass sie meinten, das Lernziel erreicht zu haben, könnten sie zu den

Lehrkräften gehen und den Beweis ablegen, dass diese erreicht wären. In der Planmappe

würde dieses Lernziel dann als erreicht abgehakt werden. Zusammen mit dem Lernzielkata-

log würden von den Kindern der zweiten Schulstufe Einschätzungsbögen ausgefüllt, in de-

nen sie ihre Leistungen selber einschätzen lernen sollten. Danach würde alles zusammen

mit den Kindern besprochen und dokumentiert. Die Kinder der dritten Schulstufe bekämen

Lernzielkataloge und die Integrationskinder ein verbales Feedback über deren Leistungszu-

wachs, berichtete die Lehrerin weiter. Die Kinder würden auch ganz individuell unterschiedli-

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6 Ergebnisse

106

che Aufgaben gestellt bekommen oder die Kinder würden selber bestimmte Übungen aussu-

chen und mit den Lehrkräften absprechen.

6.9 GANZHEITLICHE BETRACHTUNG

In dieser Kategorie finden sich Informationen über die Methoden und Möglichkeiten, die Kin-

der in ihrer Entwicklung ganzheitlich zu unterstützen.

6.9.1 GEMEINSCHAFT BILDEN (1)

In den Montessori-Klassen würde das Miteinander in sogenannten Morgenkreisen, Wochen-

abschlusskreisen und auch in den Stille Übungen gepflegt. Es gäbe einen Klassenrat sowie

Klassenkonferenzen und Morgenfeiern, in denen Befindlichkeiten und Probleme angespro-

chen sowie schöne wie auch traurige Anlässe gewürdigt würden, berichtet eine Pädagogin.

Die Kinder sollten darin begleitet und beraten werden, verschiedene Lebensumstände zu

meistern, was selbstverständlich unter Berücksichtigung der Privatsphäre geschähe. Es gä-

be entweder Vier-Augen-Gespräche zwischen Lehrerin bzw. Lehrer und dem Kind oder auch

Besprechungen mit der ganzen Klasse, in denen beraten würde, was sie als Gemeinschaft

tun könnte. Weiters würden die Kinder in der Morgenfeier gefragt, was ihnen selbst aber

auch anderen Kindern besonders gut gelungen wäre. Die Kinder sollten auf diese Weise

lernen, sowohl Wertschätzung zu zeigen, als auch sich selbst bzw. andere einschätzen zu

können. Im Wochenschlusskreis würden die Begebenheiten der vergangenen Woche reflek-

tiert. Es gäbe die Möglichkeit, Wünsche zu äußern, Probleme anzusprechen und zurückzu-

blicken, ob geäußerte Wünsche in Erfüllung gegangen wären oder nicht. Auf diese Weise

sollten eine Feedbackkultur und auch Konfliktmanagement geübt werden.

Ein Regelschullehrer berichtete, dass die Kinder Rucksäcke voll mit Schicksalsschlägen und

familiären Problemen mit in den Unterricht brächten, die es zu berücksichtigen gölte.

„[...] darum müssen wir uns täglich kümmern. [...] und das Bemühen ist selbstverständ-lich da, natürlich. [...] Man will, dass niemand Angst hat und dass, es gehört zum Leben dazu. [....] Also unsere Kinder haben Rucksäcke mit, Schicksalsschläge, das ist un-glaublich“ (RS5, Abs. 36).

6.9.2 SCHULE FÜR ALLE ENTWICKELN (3)

Um eine Schule für alle zu entwickeln, gäbe es in jeder Klasse einen Klassenrat und einen

Briefkasten für Beschwerden und Wünsche, erklärte ein Montessori-Pädagoge. So könnten

gute Lösungsvorschläge in der Gruppe ausgearbeitet werden, meinte er.

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6.9.3 UNTERSTÜTZUNG FÜR VIELFALT ORGANISIEREN (4)

Auch in dieser Kategorie erwähnte derselbe Montessori-Pädagoge die Einrichtung des Klas-

senrats und erklärte, dass in erster Linie die Ansprechpartnerinnen und -partner bei Schwie-

rigkeiten die Lehrerinnen und Lehrer wären, es aber auch einen Briefkasten gäbe, in den

Sorgen und Wünsche anonym eingeworfen werden könnten. Es gäbe ebenso Kooperationen

mit verschiedenen Einrichtungen, für die Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen,

wie zum Beispiel den Verein Rainbows. Gespräche dienten zur Problemlösung, erklärte der

Pädagoge weiter.

Eine Regelschullehrerin berichtete, dass die religiösen und kulturellen Hintergründe mitbe-

rücksichtigt würden und die muslimischen Kinder beispielsweise an Bayram, einem hohen

Feiertag, in der Schule fehlen dürften. Sie erzählte weiter, dass die Kinder tagsüber auch

öfter unbeaufsichtigt wären und ihre Eltern kaum Interesse an dem zeigten, was die Kinder

so in ihrer Freizeit trieben.

„[...] sie sind zwar im Freien, sie raufen dann halt allein im Park und wenn jetzt so eine Einrichtung wäre, [...] wo sie jetzt, was weiß ich, Karate, Judo oder sonst irgendwas be-suchen, dann wär das sicher von Vorteil. Ich meine, [...] manche Eltern checken das auch, aber andere, die interessiert das überhaupt net. [...]. Die Kinder sind sehr viel un-beaufsichtigt, sag ich jetzt einmal. [...]. Das staut sich schon auf bei ihnen. Und ich glaub schon, dass es in diesen Familien auch viel Gewalt gibt einfach auch [...]. Es gibt immer wieder Fälle, wo die Väter verwiesen werden, weil sie einfach so gewalttätig sind und in Kombination mit Alkohol“ (RS2, Abs. 136).

Ein anderer Regelschullehrer berichtete vom Streitschlichterprojekt, dem Projekt „Mein Kör-

per gehört mir“ und „Das kleine Ego“, bei denen es darum ginge, dass die Kinder lernten,

darauf zu achten, wie sie sich in verschiedenen Situationen fühlten, Selbstvertrauen aufzu-

bauen und sich behaupten zu können.

6.9.4 LERNARRANGEMENTS ORGANISIEREN (5)

Ein Montessori-Pädagoge meinte, ein offener Unterricht ermögliche ein individuelles Einge-

hen auf die Kinder und deren Befindlichkeiten, beispielsweise, wenn es einem Kind nicht gut

ginge. Die kulturellen Hintergründe wären recht homogen, aber soziale Unterschiede wären

ein Thema und würden in der Klasse diskutiert werden. Eine Kollegin berichtete von einem

positiven Verständnis, das in Bezug auf Unterschiede in der Klasse gepflegt und dass Vielfalt

als Chance gesehen würde. Mit Hilfe von Reflexionsrunden würden die Befindlichkeiten der

Kinder erfragt. Eine weitere Kollegin berichtete von einem Klassenrat und Klassenkonferen-

zen, die in Form von Peer Mediationen beim Lösen von Problemen helfen sollten.

Lernzielkataloge würden zwar verwendet werden, meinte ein Regelschullehrer, er äußerte

allerdings seine Bedenken, ob diese wirklich leistungsförderlich wären, da sie sehr umfang-

reich und komplex wären und bezweifelte, dass die Kinder sie verstehen könnten. Außerdem

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6 Ergebnisse

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meinte er, könnte darin auf gewisse Dinge nicht eingegangen werden, wie beispielsweise die

erzielten Fortschritte. Dies wäre bei einer verbalen Beurteilung dagegen sehr wohl möglich.

Er war überzeugt davon, dass die Kinder selbst lieber Noten hätten. Eine Kollegin berichtete

von der Verwendung von Lernzielkatalogen und Eltern-LehrerInnen-Kind Gesprächen, in

denen Lernfortschritte und Lernbeobachtungen dokumentiert würden, um so ein ganzheitli-

ches Bild von einem Kind zu bekommen. Die Lehrerin erzählte weiter, dass die Kinder einen

Klassenrat in der Klasse selbst organisieren und leiten würden. In einem Postkasten würden

Wünsche und Beschwerden gesammelt, die am Ende der Woche dann im Klassenrat be-

sprochen würden.

6.10 RAHMENBEDINGUNGEN UND STRUKTUREN

Im Laufe der Interviews fielen auch Kommentare, die weder in die Montessori-Kategorie

noch in die Index für Inklusion-Kategorie fallen, sehr wohl aber Einfluss auf die Umsetzung

der beiden Konzepte haben. Das sind zum Großteil Informationen bezüglich Strukturen im

österreichischen Schulsystem, organisatorische und bürokratische Hürden. Diese sollen nun

erläutert werden.

6.10.1 ÖFFENTLICHE SCHULEN

Im Index für Inklusion wird erfragt, ob es ein Bewusstsein dafür gäbe, dass die Etikettierung

Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf zu deren Abwertung und

auch Aussonderung führen könne und gefordert, dass eine übermäßige Etikettierung, be-

sonders von Buben und ethnischen Gruppen, vermieden werden solle (Boban & Hinz,

2003b). In den Interviews wurde klar, dass dieses Bewusstsein sehr wohl vorhanden ist, al-

lerdings antworteten die Lehrkräfte, dass dies eine Ressourcenfrage wäre. Damit war ge-

meint, dass nur mit bestimmten Titeln bzw. Bescheiden Ressourcen für unterstützende

Maßnahmen, sei es in personeller und/oder finanzieller Hinsicht, von den Behörden geneh-

migt würden. Dabei hätten die Eltern auf der einen Seite stets die Sorge, dass ihr Kind mit

einem Bescheid für einen sonderpädagogischen Förderbedarf in der Klassengemeinschaft

aber auch aus der Sicht der Lehrenden einen Sonderstatus mit negativen Auswirkungen

haben könnte. Auf der anderen Seite stünden die Lehrkräfte, die in ihren Klassen Kinder mit

Unterstützungsbedarf unterrichteten, mit dem Bedarf für mehr Unterrichtsstunden, Zweitleh-

rerinnen bzw. -lehrer und weitere Unterstützungsmaßnahmen. Ein Regelschullehrer meinte

dazu:

„Aber es muss immer [...] sein, dass das Ding sein Mascherl hat und seine Etikette hat, weil sonst kann man zum Beispiel auch keine Ressourcen für Kinder mit Immigrations-hintergrund schaffen, [...] da kriegt man die IKL Lehrerin die entsprechende Stundenan-

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zahl hat, weil dieses Kind so ist. Man müsste mal von oben her anfangen“ (RS3, Abs.62).

Eine Kollegin erklärte, dass sehr genau untersucht würde, ob ein Kind sonderpädagogi-

schen Förderbedarf benötigte und dieser als Unterstützung gedacht wäre. Allerdings erzähl-

te sie von einem Gespräch mit einer Sozialarbeiterin, die ihr eröffnet hätte, dass es jetzt,

nachdem das Kind einen sonderpädagogischen Förderbedarf bewilligt bekommen hätte,

irrelevant sei, ob das Kind die Schulpflicht erfüllte oder nicht.

„Ich mein, das, was ich heute in dem Gespräch gehabt hab, ist oft der Nachteil, dass Kinder oder Eltern glauben, wenn sie einen SPF haben, sie brauchen nichts mehr zu tun. [...]. Das [...] ist wie ein Schutzmantel, weil die Kinder steigen automatisch auf, wurscht, was sie für Noten haben, [...] und heute hat uns, eben die Sozialarbeiterin beinhart ins Gesicht gesagt: ‚Das Kind hat eh einen SPF, also passiert eh nichts, wurscht ob jetzt die Mutter die Schulpflicht, ob er jetzt die Schulpflicht erfüllt oder nicht.‘ [...]. Und das ist wieder eine Gefahr für die, denk ich mir. Wenn ein Kind jetzt einen SPF hat und dann glauben andere, der braucht eh nix mehr tun“ (RS2, Abs. 98).

Ein anderes bürokratisches Problem ergibt sich aus der Fixierung des Stellenplans. Käme

ein Kind, das eigentlich in irgendeiner Form Unterstützung bräuchte erst nach einem be-

stimmten Datum in die Schule, würden keine zusätzlichen Unterrichtsstunden bzw. Unter-

stützungsmaßnahmen mehr genehmigt werden.

„[...]. Jedes Kind, das mit nichtdeutscher Muttersprache kommt und kein Wort Deutsch kann, hat Recht auf 11 oder 13 Stunden [...] und die bekommt’s aber nur, wenn’s bis zum 9. Oktober in der Klasse gemeldet ist. Nach dem 9. Oktober steht der Stellenplan und wir können schauen, wie wir die Kinder unterrichten“ (RS2, Abs.112).

Weiter meinte die Lehrerin, kippte die Situation in Integrations- bzw. Inklusionsklassen dann,

wenn zu viele Kinder mit besonderen Bedürfnissen, sei es mit körperlichen und/oder geisti-

gen Defiziten, mit Lernschwächen oder Verhaltensauffälligkeiten in diesen Klasse unterrich-

tet werden sollten, um weitere Lehrkräfte in anderen Klassen einsparen zu können.

Eine andere Kollegin meinte, sie wünschte sich mehr Unterstützung durch ein höheres Aus-

maß an Stunden. Dieses würde jedoch nur durch Integrationskinder und über die Eingangs-

stufe zu bekommen sein, nicht aber für eine Mehrstufenklasse, obwohl Ressourcen auch da

nötig wären. Die oben bereits erwähnten Mängel in der Ausbildung, die das sonderpädago-

gische Wissen betreffen, sollten auch an dieser Stelle angemerkt werden. Es fehlte an einer

soliden Vorbereitung auf die Heterogenität in den Klassenzimmern in der Ausbildung für das

Volksschullehramt. Auch wäre durch den LehrerInnenmangel das Problem gegeben, dass es

keinerlei qualitative Auswahl gäbe und quasi jede bzw. jeder genommen werden müsste und

dadurch auch Probleme entstünden. Ein anderes Problem das genannt wurde, waren die

Verständnisschwierigkeiten bei verschiedenen Testungen. Die Schülerinnen und Schüler

hätten häufig Schwierigkeiten, die Angaben zu verstehen, allerdings wären dabei oft nur die

sprachlichen Schwierigkeiten der Grund und nicht die kognitiven. Daran würde dann aber

das gesamte Lernniveau festgemacht werden, was zur Unterforderung der Kinder führte,

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6 Ergebnisse

110

erklärte eine Regelschullehrerin. Die Montessori-Pädagogin in der Regelschule erzählte,

dass sie keinen Einfluss auf die Wahl ihrer Teamlehrerin bzw. ihres Teamlehrers hätte, ob-

wohl es in einer Integrations-Klasse wirklich wichtig wäre, gut eingespielt zu sein.

6.10.2 PRIVATSCHULEN

Entgegen der Forderungen des Index für Inklusion wären Privatschulen nicht uneinge-

schränkt für alle Kinder zugänglich, da das zu bezahlende Schulgeld nicht für alle Familien

erschwinglich wäre. Wäre darüber hinaus das Leitbild der Schule religiös ausgerichtet, wäre

der Zugang für anders gläubige Kinder ebenfalls einschränkt. Dadurch wäre Heterogenität

nur noch auf die Altersmischung zurückzuführen und nicht auf eine große kulturelle Vielfalt.

Es wurde seitens der Montessori-Pädagoginnen und -Pädagogen auch bedauert, dass die

Montessori-Pädagogik eher an Privatschulen als Unterrichtskonzept umgesetzt würde und

kaum an öffentlichen Schulen. So kämen jene Kinder, die von dem Konzept am meisten pro-

fitieren könnten, nicht zum Zug. Allerdings gäbe es auch im neuen Gebäude einer der Schu-

len mit Montessori-Pädagogik (die Schule ist vor fünf Jahren umgezogen) räumliche und

strukturelle Einschränkungen, so dass die Umsetzung des Konzepts nicht optimal möglich

wäre.

6.10.3 ÖSTERREICHISCHES SCHULSYSTEM

Probleme bei der Umsetzung des Index für Inklusion bereiteten aber auch die Strukturen des

Österreichischen Schulsystems. Einige wurden bereits im Kapitel 6.10.1 genannt. Darüber

hinaus erklärte ein Montessori-Pädagoge, dass in den Montessori-Einrichtungen keine Beno-

tung der Leistungen vorgesehen wäre, als Kompromiss würden aber die Kinder in der 4.

Klasse auch mit Schularbeiten und Notensystem auf die weiterführenden Schulen vorberei-

tet. Damit fiele die Altersmischung weg, obwohl trotzdem klassenübergreifend gearbeitet

würde. Außerdem wäre eine große Unsicherheit seitens der Eltern spürbar, wenn es um die

Noten ginge, so der Pädagoge.

„[...] wir kommen in der 4. Schulstufe in der Volksschule ein bisschen in den Zwiespalt mit diesen Dingen, [Anm. d. Verf.: Montessori-Prinzipien], weil da gibt´s amal Bildungs-standards [...], das setzt eher die Lehrer in der Regel unter Druck, der zweite Punkt, der eher die Eltern unter Druck setzt, das is die Wahl der weiterführenden Schule. [...] auch wenn Leute drei Jahre lang voll im Boot waren, was Montessori- Ziele betrifft, auch mit dem Schwerpunkt Soziales, Emotionales, so kippt das in der 4., weil da geht´s um handfestes Kognitives und um handfeste Noten. [...]. Deswegen ist die 4. Stufe leider eine, wo wir immer mehr Kompromiss eingehen müssen und da fehlt uns ganz einfach die 5. und 6. Schulstufe mit der wir da eigentlich den Dampf rausnehmen könnten [...] und den roten Faden weiterspinnen. [...] deswegen hamma die 4. als einzelne Montes-sori [Anm. d. Verf.: Ohne Altersmischung], die hat eine Sonderrolle [...]“ (MP3, Abs. 108).

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6 Ergebnisse

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Eine weitere Besonderheit stellte der a.o. Status dar, erklärte ein Lehrer. Kinder mit nicht-

deutscher Muttersprache, die dem Unterricht nicht folgen könnten, bekämen diesen Status

zugewiesen, erhielten aber auch keine regulären Zeugnisse, sondern lediglich eine Schul-

besuchsbestätigung. Die Kinder würden bemerken, dass sie keine Zeugnisse wie die ande-

ren Kinder bekämen, was sie in eine Außenseiterposition drängte und sie auch verunsichern

würde, so der Pädagoge. Auch das Einteilen von Kindern in Schubladen kritisierte er sehr,

denn die Kinder sollten vielmehr individuell behandelt werden. Ebenso merkte er kritisch an,

dass die Notwendigkeit bestünde, die Kinder erst an ihre Leistungsgrenzen bringen zu müs-

sen, um Unterstützungsmaßnahmen zu erhalten oder ein Kind zurückstufen zu können.

Dies wäre sicher nicht dem Aufbau des Selbstwertgefühls eines Kindes dienlich, so der Leh-

rer.

„[...] die Schule, allgemein formuliert, [...] als Institution bringt auch viele Barrieren, [...] in Form von zum Beispiel Zeugnissen, gell, [...] eben zum Beispiel, dass ein außeror-dentlicher Schüler kein vollwertiges Zeugnis kriegt, rein von der rechtlichen Seite her, finde ich zum Beispiel nicht ok, gell. Die Kinder fragen bei mir auch: „Wieso habe ich jetzt ein anderes Zeugnis?“ und natürlich [...] bezogen auf Kinder, die Behinderungen haben, Einschränkungen haben, ist es natürlich schon so, dass sie immer abgestempelt werden müssen. [...] Da musst du zuerst das Kind praktisch immer mal anstehen las-sen, das heißt, schlechte Noten geben [...], dass Du es überhaupt einmal begründen kannst, weil der ja schlechte Noten hat, deswegen muss er zurückgestuft werden oder deswegen soll er einen ASO-Lehrplan erhalten, gell. Also [...] was ich mir wünschen würde [...], dass man eigentlich sehr individuell die Kinder da beurteilt, [...] und nicht so sehr in irgendwelche Schubladen [...] steckt, [...] und gar nicht sagt: „Das ist ein Volks-schulkind und das ist ein Sonderschulkind und das Kind kommt von da und kann nicht Deutsch“ (RS3, Abs. 62).

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7 Diskussion

112

7 DISKUSSION

Im folgenden Kapitel werden die Forschungsfragen beantwortet und anschließend kritisch

beleuchtet.

7.1 BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN UND

INTERPRETATION DER ERGEBNISSE

Um die Hauptforschungsfrage „Welchen Beitrag kann die Montessori-Pädagogik im Hin-

blick auf den Inklusionsgedanken leisten?“ zu beantworten, sollen die gewonnenen Da-

ten mit der bestehenden Literatur in Verbindung gesetzt werden. Dazu werden die Grunde-

lemente der Montessori-Pädagogik in drei Unterfragen in den Fokus gerückt und auf ihren

jeweiligen Beitrag untersucht, indem sie den jeweiligen Forderungen aus dem Index für In-

klusion gegenübergestellt werden.

Wie wirken sich die Kooperation der Eltern, das Konzept der Altersmischung und

der Heterogenität auf die Inklusion aller Kinder aus?

In der Montessori-Pädagogik werde die Kooperation mit den Eltern grundsätzlich als eine

äußerst bedeutende Ressource erachtet. Allerdings variiere das Ausmaß des Engagements

der Eltern deutlich, so das Ergebnis der Interviews. Die Bandbreite ist an allen Schultypen

groß. Sehr unterschiedlich und abhängig vom Elternhaus sind Aspekte wie Wertschätzung

und Verantwortungsgefühl, die die Kinder in den Schulalltag mitbringen. Es wird von den

Lehrenden als besonders problematisch angesehen, wenn den Kindern seitens der Eltern

kein Verantwortungsgefühl vermittelt wird.

Stehen die Eltern hinter dem pädagogischen Konzept oder zeigen generell Interesse an Bil-

dung, wirke sich das sehr positiv auf den Schulalltag aus. In reformpädagogisch geführten

Klassen decke sich das Erziehungskonzept der Eltern oft mit dem pädagogischen Konzept

der Schule, was auch seitens der Pädagoginnen und Pädagogen erwünscht sei. Allerdings

unterscheiden sich die Vorstellungen und Erwartungen der Eltern mitunter stark, war eine

Erkenntnis der Befragung. So gebe es durchaus auch Eltern, die eine reformpädagogisch

geführte Klasse für ihr Kind nur auswählen, weil sie davon ausgehen, dass es ihrem Kind mit

seinen besonderen Bedürfnissen gut tue. Sie verlassen sich darauf, dass darin besser auf

seine Bedürfnisse (mehr Bewegungsfreiheit, Platz, Flexibilität, Verständnis) eingegangen

werden kann, ohne jedoch weiteres Interesse an dem pädagogischen Konzept zu zeigen.

Die Arbeit im Unterricht werde ebenso erschwert, wenn der Rückhalt der Eltern fehle. Die

Gründe, die in den Interviews dafür genannt wurden, sind beispielsweise fehlende Ge-

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7 Diskussion

113

sprächsbereitschaft, finanzielle Unterstützung oder Förderung der Kinder beim Lernen.

Ebenso kamen familiäre Probleme wie Gewalt, finanzielle Schwierigkeiten, Arbeitslosigkeit,

Alkoholismus oder psychische Erkrankungen als Ursache zur Sprache. Die Auswirkungen

zeigen sich in der Regel vor allem auch bei den schulischen Leistungen, ebenso wie in den

Verhaltensweisen der Schülerinnen und Schüler. Eine Studie, die in diesem Zusammenhang

Erkenntnisse liefern konnte, ist die deutschlandweite Lernstandserhebung VERA aus dem

Jahr 2004.

Es wurden in dieser Untersuchung vor allem die Leistungen von Schülerinnen und Schülern

im 4. Grundschuljahr in Mathematik und Deutsch verglichen. Bemerkenswert waren beson-

ders die Ergebnisse aus Nordrhein-Westfalen. In diesem Bundesland sind die Montessori-

Grundschulen meist keine Privatschulen, die von Kindern sozial privilegierter Familien be-

sucht werden, sondern überwiegend Schulen des regulären staatlichen Schulwesens. Dar-

über hinaus liegen einige sogar in sozialen Problemgebieten großer Städte. Grundsätzlich

kann gesagt werden, dass die Montessori-Vergleichsgruppen fast zur Hälfte höhere Lern-

stände als die Regelschulen aufwiesen. Speziell in Mathematik fielen die Ergebnisse beson-

ders gut aus. Interessant an dieser Stelle ist aber vielmehr, dass die Montessori-Gruppen mit

den ungünstigeren Lernbedingungen, also beispielsweise Kinder mit einer anderen Mutter-

sprache als Deutsch oder aus Familien in sozial schwierigen Lebenssituationen, gleiche oder

sogar bessere Ergebnisse im Bereich Deutsch aufweisen konnten. Ein wesentlicher Grund

für die Erfolge an Montessori-Schulen wurde auf einen hohen Fördereffekt auch für Kinder in

schwierigen Lernsituationen zurückgeführt sowie auf die Möglichkeit der individuellen Förde-

rung und eines handlungsorientierten, verstehenden Lernens in der Montessori-Pädagogik

(Fischer, 2006). Diese Ergebnisse decken sich durchaus auch mit einigen Aussagen dieser

Untersuchung.

In den Interviews wurde die Altersmischung häufig als ein wesentlicher Aspekt genannt,

der günstige Rahmenbedingungen für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit unter-

schiedlichsten Bedürfnissen schaffe. Da die älteren Kinder in altersgemischten Klassen be-

reits wissen, wie gewisse Abläufe, Regeln oder Gepflogenheit in einer Klasse aussehen,

können sie dieses Wissen an die jüngeren Kinder weitergeben. Auf diese Weise, erklärten

die Montessori-Pädagoginnen und -Pädagogen, haben sie zeitlich neue Spielräume gewon-

nen, um sich anderen Aufgaben widmen zu können. Eine davon sei es, jedes einzelne Kind

im Blick zu behalten, zu wissen wo jedes Kind in seiner Entwicklung stehe und welche Auf-

gabenstellungen für das Kind wichtig seien.

Dadurch sei es aber auch möglich, dass die Lehrerin/der Lehrer mit Kleingruppen neue

Stoffgebiete erarbeiten könne, während die anderen Kinder sich selbst beschäftigten. Daher

sei die Altersmischung auch unabdingbar für die Freiarbeit. Es werde miteinander gearbeitet

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7 Diskussion

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und gegenseitig Hilfe angeboten, aber auch gelernt, diese anzunehmen, so der einheitliche

Tenor der Befragten. Dies sei ebenfalls ein wesentlicher Punkt für das soziale Lernen. Indem

ein Kind dem anderen etwas erklärt, festige es sein Wissen, gewinne dadurch Selbstvertrau-

en und baue so seine Persönlichkeit auf, da es Bewunderung erfahre und oft auch als Vor-

bild fungiere, erklärte eine Montessori-Pädagogin. Dadurch werden die Neugierde und neue

Interessen der jüngeren Kinder geweckt, die den älteren nacheifern. Die leistungsstärkeren

Kinder helfen den leistungsschwächeren in kognitiven Bereichen, erhalten aber auch umge-

kehrt Hilfe und Unterstützung in anderen Belangen, was nicht zu unterschätzen sei, so die

Aussage der Pädagogin. Auf diese Weise entstehen Lernpartnerschaften und Kooperationen

innerhalb der Klasse, aber auch klassenübergreifend. Die Kinder bekommen die Möglichkeit,

verschiedene Rollen innerhalb der Klasse einzunehmen und voneinander zu lernen.

Als weiterer positiver Faktor wurde erwähnt, dass für die Kinder die Vergleichbarkeit wegfal-

le. Jedes Kind arbeite nach seinen individuellen Zeit- und Aufgabenplänen. Auf diese Weise

entfalle der Druck, sich ständig mit anderen Kindern messen zu müssen. Das komme be-

sonders jenen Kindern sehr entgegen, die mehr Zeit zum Lernen brauchen. Es gab jedoch

auch die Überlegung seitens einer Lehrerin, dass in einer altersgemischten Klasse in den

einzelnen Altersgruppen die Auswahl an gleichaltrigen Kindern eingeschränkter sein könne,

da oft nur noch etwa vier bis fünf Kinder zur Auswahl stehen, um etwa Freundschaften zu

schließen.

Die Heterogenität in einer Klasse wurde von allen Befragten grundsätzlich als große Berei-

cherung in jeder Hinsicht und als natürlich angesehen. Vielfalt in der Klasse baue Berüh-

rungsängste im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen oder anderen kulturellen o-

der religiösen Hintergründen ab. Die Befragten gaben an, darauf zu achten, dass allen Kin-

dern gleiche Wertschätzung entgegengebracht werde und dass großer Wert darauf gelegt

werde, dass sich die Kinder anderen gegenüber wertschätzend verhalten sowie eine wert-

schätzende Feedbackkultur geübt und gepflegt werde. All diese Aspekte werden im Index für

Inklusion (Boban & Hinz, 2003b) angeregt und sind in der Montessori-Pädagogik gar nicht

explizit ausgewiesen, weil es im Konzept sowieso implizit enthalten ist. Dies wurde mehrfach

von den befragten Montessori-Pädagoginnen und -Pädagogen herausgestrichen. Neuan-

kömmlinge oder Quereinsteigerinnen und -einsteiger können leichter eingegliedert werden,

da sie durch die Heterogenität keine Sonderposition einnehmen. Helfen und Hilfe erbitten,

sich gegenseitig zu unterstützen werde in Montessori-Einrichtungen tagtäglich praktiziert und

sei selbstverständlich unter den Kindern, ebenso wie das Verantwortungsgefühl für einander.

Lerngruppen finden sich flexibel und je nach Interessen zusammen. Es wurde häufig betont,

dass das gegenseitige Lernen von Schülerinnen bzw. Schülern und Lehrenden als Bereiche-

rung gesehen und als Miteinander wachsen gelebt werde. Ein wichtiger Aspekt war aller-

dings, so die Ergebnisse der Befragung, sowohl in den Regelschulen als auch in den Mont-

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7 Diskussion

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essori-Klassen, dass auf eine Ausgewogenheit der Heterogenität unbedingt geachtet werden

müsse, da ansonsten die individuelle Unterstützung für jedes einzelne Kind nicht gewährleis-

tet werden könne. Dies würde die Umsetzung des Inklusionsgedankens zum Scheitern ver-

urteilen. Es dürfe nicht passieren, wie aus der Praxis berichtet wurde, dass in einer Integrati-

onsklasse die Höchstzahl an Kindern mit besonderen Bedürfnissen überschritten werde, um

Personal bzw. weitere Integrationsklassen einsparen zu können.

Ein unterschiedlicher Entwicklungs- und Leistungsstand im Klassenverband ist in Montes-

sori-Klassen also nicht relevant. Die Lehrenden der Regelschulen berichteten hingegen,

dass es Schwierigkeiten bereite, wenn das Leistungsspektrum der Schülerinnen und Schüler

sehr breit gestreut sei, das Lerntempo und die Auffassungsgabe sehr unterschiedlich seien,

alle Kinder aber den gleichen Stoff zur gleichen Zeit erlernen sollen.

Welchen Beitrag leisten die vorbereitete Umgebung, das Prinzip der freien Wahl

und das ErzieherInnenverhalten zur Umsetzung des Inklusionsgedankens?

Die vorbereitete Umgebung biete als Grundprinzip der Montessori-Pädagogik die Rahmen-

bedingungen für ein unterstützendes Lernen. Das seien zum einen die gut strukturierten

Räumlichkeiten und zum anderen das Montessori-Material mit seinen im Kapitel 2.3.1. näher

erläuterten Eigenschaften, wurde in den Interviews deutlich. Die Arbeit mit dem Material un-

terstütze die Gemeinschaftsbildung, da es nur einmal vorhanden sei und da die Sozialform

für das Arbeiten mit dem Material gewählt werden müsse. Das Montessori-Material helfe,

den Lernstoff zu begreifen, weil er damit anschaulich gemacht und mit dem Hantieren bzw.

Tun erfasst werde, wie es eine Montessori-Pädagogin ausgedrückt hat. Das individuelle Ar-

beiten unterstütze auch dabei, individuell beste Leistungen erbringen zu können, wie es im

Index für Inklusion (Boban & Hinz, 2003b) gefordert wird. Als Entwicklungsmaterial entspre-

che es von den Anforderungen her immer dem jeweiligen Entwicklungsstand, so die Päda-

gogin. Das Sprachmaterial helfe beim Erlernen der Buchstaben, der Satzstrukturen und der

Grammatik und das Mathematikmaterial unterstütze beim Begreifen der Zahlen und Grund-

rechnungsarten. Das kosmische Material eigne sich auch sehr für das interkulturelle Lernen.

Die Umgebung könne speziellen Themen und Bedürfnissen entsprechend angepasst und

das dazu passende Material dargeboten werden. Auf diese Weise können bestimmte Inte-

ressen aufgegriffen und mit dem Material aufbereitet oder ergänzende Materialien zu einem

Thema hergestellt werden. Durch diese Flexibilität im Aufbau der Umgebung und in der Dar-

bietung der Materialien biete sich die Montessori-Pädagogik für eine breite Streuung von

Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichsten Bedürfnissen an. Auch dem Bedürfnis

nach Bewegung werde entsprochen, da die Kinder freie Platzwahl für ihre Arbeit haben, am

Boden oder an einem Tisch, im Klassenraum oder im Gang vor der Klasse.

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Die Freiarbeit nach Maria Montessori biete den Rahmen für das individuelle und soziale

Lernen, war der Tenor der befragten Montessori-Pädagoginnen und -Pädagogen, da die

Kinder sich Arbeitsthemen auswählen können, die sie alleine, zu zweit oder in einer Gruppe

an einem Ort ihrer Wahl bearbeiten. In den Interviews wurde auch betont, dass die Verant-

wortung dabei bei der Lehrerin/dem Lehrer liege, den Kindern beizubringen, sich die Freiar-

beit hinsichtlich der Zeiteinteilung mit Hilfe von Tages-, Wochen- oder Monatsplänen gut zu

organisieren sowie sich selbstständig Themengebiete herauszusuchen und diese zu bear-

beiten. Dies solle auch möglichst früh, am besten schon im Kindergartenalter, geschehen,

denn in der Freiarbeit gelte es, möglichst eigenverantwortlich zu lernen, je nachdem, was

gerade für das jeweilige Kind von Bedeutung oder Interesse sei. Einige der Interviewpartne-

rinnen und -partner sagten aus, dass das offene Prinzip des Unterrichts Kindern mit beson-

deren Bedürfnissen oder Lernschwierigkeiten entgegenkomme, da die Kinder individuell un-

terstützt werden können. Die Kinder bekommen die Möglichkeit, bestimmte Themengebiete

flexibel auszuwählen und sich genug Zeit für Wiederholungen nehmen zu können. Die/der

Lehrende sei flexibel genug, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Kinder indi-

viduell eingehen zu können und diese in ihrer Arbeit zu unterstützen. Für die Freiarbeit, aber

auch für das Lösen von Konflikten und Problemen müssen auf jeden Fall klare Regeln fest-

gelegt werden, damit alle Kinder ungestört in einer angenehmen Arbeitsatmosphäre arbeiten

können, wurde seitens der Befragten festgehalten. Es gelte die Freiheit in Verantwortung zu

leben, was bedeute, dass die Bedürfnisse der anderen als Grenze der eigenen Freiheit ge-

sehen werden müsse, betonte eine Montessori-Pädagogin.

Das ErzieherInnenverhalten wurde in den Interviews als essentieller Aspekt der Montes-

sori-Pädagogik herausgekehrt. Die Vorbereitung der Umgebung, die Wahrung der Freiheit in

Verantwortung und somit auch die Verantwortung für den Lernerfolg eines Kindes, obliege

der Lehrerin/dem Lehrer, wurde in den Interviews mehrfach betont. Die Lehrenden beraten

die Kinder in der Freiarbeit, überprüfen die erarbeiteten Bereiche und tragen die Verantwor-

tung, die Motivation der Kinder, Leistung erbringen zu wollen, aufzugreifen und diese zu un-

terstützen. Grundvoraussetzung war für alle Befragten, die Wertschätzung gegenüber allen

Kindern sowie die Fähigkeit, zwischen den unterschiedlichen Leistungen, die von den Kin-

dern zu erwarten sind, zu differenzieren. Eine bedeutende Aufgabe der Montessori-

Pädagoginnen und -Pädagogen sei die Beobachtung der Kinder in der Freiarbeit, um fest-

stellen zu können, wo die Kinder in ihrer Entwicklung stehen und welche Materialien dafür

bereitgestellt werden müssen. Infolge müsse alles dokumentiert werden, um Rückmeldungen

an die Kinder geben zu können sowie die Lernzielkataloge erstellen zu können, erklärte ein

Pädagoge.

Bedeutend für ihre Arbeit ist den Montessori-Pädagoginnen und -Pädagogen, dass alle im

Kollegium an einem Strang ziehen und die gleiche Einstellung teilen. Daher sei auch eine

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7 Diskussion

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entsprechende Montessori-Ausbildung Grundvoraussetzung für die Arbeit in einer Montes-

sori-Einrichtung. Auch eine starke Vernetzung beim Arbeiten und der Austausch innerhalb

des Kollegiums seien wichtig um individuelle Förderungsmaßnahmen und Hausaufgaben zu

koordinieren, sich über Unterrichtsmaterial auszutauschen und von den verschiedenen

Fachkompetenzen profitieren zu können. Konstruktive Kritik wird von den Befragten als hilf-

reich und erwünscht erachtet.

Auch die Pädagoginnen und Pädagogen der Regelschulen wünschen sich eine solche enge

Zusammenarbeit im Kollegium und Unterstützung vom Direktorium, stellten jedoch häufig

fest, dass diese in der Praxis nur unzureichend vorhanden sei. Oft sind die Kolleginnen und

Kollegen mit den Schwierigkeiten im Schulalltag überfordert. Als ein Grund wurde angege-

ben, dass sie sich zu wenig vorbereitet fühlen, um mit der Bandbreite der Heterogenität um-

gehen zu können. Des Weiteren gebe es zu wenige finanzielle, räumliche oder personelle

Ressourcen.

Wie unterstützen das Prinzip der Individualisierung, die Förderung der Selbststän-

digkeit und die ganzheitliche Betrachtung des Kindes die Ziele der Inklusion?

Individualisierung bedeutet in der Montessori-Pädagogik, dass jedes Kind gemäß seiner

Fähigkeiten in seiner Entwicklung individuell gefördert werden kann und zwar im kognitiven

wie auch im sozialen Bereich (Suffenplan, 2006). Jedes Kind sei durch die Individualisierung

flexibel genug, sich das Material passend zu jenen Lerninhalten auszuwählen, die gerade

dem Entwicklungsstand entsprechen oder von persönlichem Interesse sind, erklärte eine

Montessori-Pädagogin. Die Montessori-Pädagogin/der Montessori-Pädagoge habe dabei die

Aufgabe, aufgrund der Beobachtungen des einzelnen Kindes das angemessene Material

bereitzustellen und dem Kind darzubieten. Durch die individuelle Zeiteinteilung habe es auch

die Möglichkeit, Lerninhalte so oft zu wiederholen wie es nötig sei, um diese zu festigen. Den

Rahmen dazu bieten die vorbereitete Umgebung und die Freiarbeit nach Montessori. Indivi-

duelle Wochenpläne helfen, die Arbeitsaufgaben zeitlich zu strukturieren. Auf diese Weise

trage die Montessori-Pädagogik dazu bei, dass alle Kinder individuell beste Leistungen er-

bringen können und daher sei es auch selbstverständlich, dass nicht von allen Kindern alles

gleich erwartet werden könne. Da jedes Kind einzeln betrachtet werde, entfallen der unmit-

telbare Vergleich mit den anderen Kindern und die Orientierung an einem gedachten Durch-

schnitt, erklärte ein Kollege. Bei der Förderung der Kinder sei auch nicht das Alter sondern

der Entwicklungsstand ausschlaggebend. Wiederholt ein Kind eine Schulstufe, falle dies

nicht weiter auf, da es im Klassenverband verbleibe und somit eine Stigmatisierung als

Schulversagerin/Schulversager ausbleibe. All dies sind Forderungen aus dem Index für In-

klusion (Boban & Hinz, 2003b).

Die Vorteile des nachhaltigen und individuellen Lernens in der Montessori-Pädagogik wurden

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7 Diskussion

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in einer Studie aus den USA, der sogenannten Milwaukee-Studie von Rindskopf-Dohrmann

(2003) belegt. Die Ergebnisse dieser Längsschnittstudie wiesen auf, dass jene Schülerinnen

und Schüler, die in der Vorschul- und Grundschulzeit eine Montessori-Einrichtung besucht

haben gegenüber Schülerinnen und Schülern, die keine Montessori-Einrichtungen besuch-

ten, auch im Sekundarschulbereich des Regelschulsystems leistungsmäßig besser abschnit-

ten. Dies zeigte sich vor allem im naturwissenschaftlichen Bereich, besonders in Mathematik

(Rindskopf-Dohrmann, 2003).

Das Hauptaugenmerk liege in der Montessori-Pädagogik darauf, die Selbstständigkeit und

das eigenverantwortliche Lernen zu fördern, wurde in den Interviews mehrfach betont. Der

Auftrag an die Lehrenden in der Montessori-Pädagogik sei es, Verantwortung dafür zu über-

nehmen, dass der Lernfortschritt für alle Kinder ermöglicht werde. Das betreffe das Erlernen

von Sachwissen, aber auch das Aneignen einer grundlegenden Arbeitshaltung, wie bei-

spielsweise Motivation, selbstständiges Entscheiden und Arbeiten, Konzentrationsfähigkeit,

Ausdauer und Selbstvertrauen sowie das Erlangen sozialer Kompetenzen wie Kooperations-

fähigkeit, Hilfsbereitschaft oder die Fähigkeit Probleme zu lösen (Suffenplan, 2006). Dazu

gab es in den USA eine Studie von Lillard und Else-Quest (2006), die genau diese Kompe-

tenzen in Montessori-Schulen untersucht haben. In dieser Arbeit wurden nicht nur fachliche

Leistungen in den Bereichen Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften, sondern auch

fächerübergreifende Leistungen wie Arbeitshaltung, Motivation, Kreativität und Sozialverhal-

ten bewertet. Die Untersuchung bestätigte die positiven Effekte der Vorschul- und Grund-

schulerziehung in Montessori-Schulen. Die Kinder wiesen einen ähnlich großen Wortschatz

auf wie Kinder, die keine Montessori-Einrichtungen besuchten, zeigten aber bessere Leis-

tungen bei Lese- u. Rechenaufgaben. Bemerkenswert waren jedoch die deutlichen Unter-

schiede, die im Sozialverhalten gezeigt wurden. Üblicherweise sind soziale Kompetenzen

stark vom häuslichen Umfeld beeinflusst, aufgrund des verwendeten Auswahlverfahrens

konnte es im Falle dieser Untersuchung jedoch der Montessori-Erziehung zugeschrieben

werden.

In der Montessori-Pädagogik gehe man davon aus, dass Kinder grundsätzlich Leistung brin-

gen möchten und für sich ebenso wie für andere, eventuell auch für Tiere und Pflanzen so-

wie für ihre Umgebung Verantwortung übernehmen wollen, so die Erkenntnisse aus den In-

terviews. Voraussetzung für die Freiarbeit sei, dass die Kinder ein Verantwortungsgefühl

gegenüber sich selbst, den anderen Kindern sowie dem selbstverantwortlichem Lernen ha-

ben, damit im Unterricht fokussiert und diszipliniert gearbeitet werden könne. Das unterstütz-

te auch ihre Persönlichkeitsentwicklung. Daher sei auch eine gewisse Forderung, weder

Über- noch Unterforderung, von großer Bedeutung. Lernzielkataloge sollen dazu dienen,

eigene Kompetenzen besser einschätzen zu lernen, Lernziele zu reflektieren und neu zu

strukturieren sowie die passenden Montessori-Materialien auszuwählen. Die Montessori-

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Pädagoginnen und -Pädagogen sehen sich als Begleiterinnen und Begleiter, die Kinder ler-

nen jedoch eigenverantwortlich.

Mehrmals wurde in den Interviews darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, dass die Kinder

bereits von klein auf angeleitet werden, selbstständig und selbstverantwortlich arbeiten zu

wollen. Einige Regelschullehrende berichteten, dass die Freiarbeit nicht ohne frühe Anbah-

nung funktionieren könne, da die Kinder meist unmotiviert und undiszipliniert arbeiten und

sich die Arbeitsziele eher erschwindeln würden. Selbstverantwortliches Handeln müsse vor-

zugsweise möglichst früh erlernt werden.

Die ganzheitliche Betrachtung eines Kindes ist auch in der Montessori-Pädagogik unab-

dingbar (Suffenplan, 2006) und wird auch im Index für Inklusion (Boban & Hinz, 2003b) ver-

langt. Den Rahmen dafür bereiten der Morgenkreis, der dem Ankommen in der Klasse dient

und die Möglichkeit bietet zu erzählen, Wünsche und Beschwerden zu äußern, aber auch

der Wochenabschlusskreis, um die Woche Revue passieren zu lassen und zu reflektieren,

erklärten die Pädagoginnen und Pädagogen. Die Kinder haben die Möglichkeit, Probleme zu

besprechen und sich gegenseitig zu helfen oder zu beraten. Auf diese Weise können auch

familiäre Hintergründe und Befindlichkeiten erfahren und berücksichtigt und traurige wie

schöne Anlässe gewürdigt werden. Aber auch die Stille Übungen nach Montessori ermögli-

chen es, Kinder in ihren Bedürfnissen zu unterstützen, damit sie zur Ruhe kommen und sich

auf sich fokussieren können. Wie in einigen Interviews deutlich wurde, sind die Kinder häufig

mit Schicksalsschlägen und familiären Problemen konfrontiert. Aus diesem Grund ist es au-

ßerordentlich wichtig, einen Raum für die Aufarbeitung dieser Thematiken zu bieten.

Das folgende Kapitel führt einige kritische Bemerkungen hinsichtlich der Durchführung der

Arbeit sowie der Rahmenbedingungen, die durch das österreichische Schulsystem bzw.

durch die dazu gehörige Gesetzeslage für die Montessori-Pädagogik und die Umsetzung des

Index für Inklusion gegeben sind, an. Weiters werden einige Aspekte bezüglich der Montes-

sori-Pädagogik dargelegt.

7.2 KRITISCHE ASPEKTE IN HINSICHT AUF DIE ARBEIT

Die Forschungsfrage sowie die Unterfragen konnten mit Hilfe des Interviewleitfadens zwar

durchaus beantwortet werden, jedoch hätte den Befragten durch eine offenere Fragestellung

mehr Raum für eigene Darstellung gegeben werden können. Das gilt besonders für die Mon-

tessori-Pädagoginnen und -Pädagogen, die die Fragen häufig als selbstverständlich emp-

fanden, da sich viele Aspekte des Index für Inklusion mit der Montessori-Pädagogik decken.

Erst aufgrund einer dezidierteren Nachfrage wurden schließlich die Gründe oder eigene Er-

fahrungen aus der Praxis näher erläutert. Der bereits vorgegebene Fragebogen im Index für

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7 Diskussion

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Inklusion war jedoch mit den kleineren Adaptionen (Kürzungen und Zusammenfassung ein-

zelner Punkte), die vorgenommen wurden, grundsätzlich sehr hilfreich, um die wesentlichen

Punkte zur Umsetzung von Inklusion in der jeweiligen Einrichtung zu erfragen.

Auch die Stichprobe konnte zum Teil nicht strikt nach Montessori-Pädagoginnen und -

Pädagogen und Regelschullehrerinnen und -lehrern aufgeteilt werden, da in Graz die Mont-

essori-Pädagogik kaum als alleiniges Konzept in einer Klasse realisiert wird. Häufig werden

nur einzelne Elemente aus der Montessori-Pädagogik, wie beispielsweise die Freiarbeit,

verwendet und/oder mit anderen Konzepten, wie beispielsweise dem Jenaplan, zusammen

im Unterricht eingesetzt. Auf diese Weise können nicht alle Grundprinzipien der Montessori-

Pädagogik umgesetzt werden. Die Schule, die die Montessori-Pädagogik möglichst vollstän-

dig umsetzt, ist wiederum eine Privatschule und Kinder mit Migrationshintergrund oder aus

einem sozial schwierigen familiären Hintergrund bilden dort eher die Ausnahme. Das bedeu-

tet allerdings nicht, dass es in dieser Schule keine der Schwierigkeiten, die auch im Index für

Inklusion angesprochen wurden, zu bewältigen gilt. Es gibt jedoch zwei Klassen, die als In-

klusionsklassen geführt werden und grundsätzlich besteht der Wunsch, alle Klassen für Kin-

der mit besonderen Bedürfnissen inklusiv als Montessori-Klassen führen zu können. Das

scheitert derzeit allerdings noch an der Platz- und Raumproblematik.

Es gibt aber auch Anmerkungen, die die Montessori-Pädagogik selbst betreffen. Das Kon-

zept der Montessori-Pädagogik ist sehr komplex, da Maria Montessori ihre Pädagogik sehr

dezidiert und facettenreich ausgearbeitet hat und schon zu Lebzeiten großen Wert darauf

gelegt hatte, dass das Konzept ihren Vorstellungen entsprechend ausgeführt wird. Die ein-

zelnen Grundprinzipien wie die vorbereitete Umgebung, das ErzieherInnenverhalten, die

Arbeit mit dem Entwicklungsmaterial, das Ermöglichen der Polarisation der Aufmerksamkeit

und der Normalisierung, die Bewegung und die Stille Übungen müssen ineinander greifen

können, damit das Konzept voll ausgeschöpft werden kann. Zudem ist auch die Anschaffung

des umfangreichen Entwicklungsmaterials doch recht kostenintensiv und die Erweiterung

und Instandhaltung des Materialbestandes erfordert sehr viel Engagement von den Pädago-

ginnen und Pädagogen.

Diese Komplexität führt allerdings dazu, dass in den zeitlich oft recht kurz gefassten Zusatz-

ausbildungen nur oberflächlich in die Montessori-Pädagogik eingeführt wird, viele Facetten

und Aspekte dieses Konzepts nicht vermittelt werden können und die Montessori-Pädagogik

von den Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern nicht in ihrer Vollständigkeit erfasst wird. An-

dere Gründe sind auch, dass das Konzept räumlich viel Platz erfordert, das Material recht

umfangreich und teuer in der Anschaffung ist und die Arbeit als Montessori-Pädagogin bzw. -

Pädagoge wesentlich umfassender ist als die der Lehrenden, die nach traditionellen Unter-

richtsmethoden unterrichten. Daher werden eher einzelne Elemente der Montessori-

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7 Diskussion

121

Pädagogik für den Unterrichtsalltag herausgenommen, das Konzept wird dann lücken- und

häufig auch nur mangelhaft umgesetzt. Das kann dazu führen, dass der Montessori-

Pädagogik immer wieder Vorbehalte entgegengebracht werden und Ansichten über das

Konzept entstehen, die jedoch keineswegs den tatsächlichen Komponenten der Montessori-

Pädagogik entsprechen. Eine Montessori-Pädagogin meinte dazu: „[...] ich denk, wer ver-

antwortungsvoll die Montessori-Pädagogik lebt und [...] sich damit identifiziert, weiß, dass

man da viel nutzen kann“ (MP1, Abs. 202).

Es erscheint daher auch nicht sinnvoll, Montessori mit anderen reformpädagogischen For-

men zu mischen, da einzelne Grundelemente aus zeitlichen Gründen auf der Strecke bleiben

müssen. Es müssen alle Aspekte der Montessori-Pädagogik ineinander greifen können, da-

mit das Konzept der Entwicklung der Kinder umfassend dienen kann.

Schließlich ist an dieser Stelle auch anzumerken, dass Montessori-Klassen den Regeln des

österreichischen Schulsystems unterliegen und daher einige Kompromisse eingegangen

werden müssen. Beispielsweise müssen in der letzten Volksschulklasse entgegen der Auf-

fassung Montessoris Noten vergeben oder eine Prüfung abgeschlossen werden, um in die

weiterführenden Schulen aufgenommen zu werden. So werden auch in den Montessori-

Klassen der Privatschule die Kinder der vierten Schulstufe nicht mehr in den altersgemisch-

ten Klassen unterrichtet, sondern als Jahrgangsklasse auf die weiterführenden Schulen vor-

bereitet.

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8 Schlussbemerkungen

122

8 SCHLUSSBEMERKUNGEN

Ziel der vorliegenden Forschungsarbeit war es zu untersuchen, inwieweit die Montessori-

Pädagogik den Forderungen der Inklusion nachkommt. Dazu wurden die Gemeinsamkeiten

zwischen den Indikatoren, die im Index für die Umsetzung für Inklusion ausgearbeitet wurden

und den Grundprinzipien der Montessori-Pädagogik festgestellt.

Zu diesem Zweck wurden leitfadengestützte ExpertInneninterviews mit Montessori-

Pädagoginnen und -Pädagogen sowie mit Regelschullehrerinnen und -lehrern geführt, um

auf diese Weise einen Einblick in deren Praxiserfahrungen zu bekommen. Der Leitfaden

enthielt gezielte Fragen zu den einzelnen Indikatoren des Index für Inklusion.

Die Voraussetzungen im Raum Graz waren aus Mangel an für diese Untersuchung reprä-

sentativen Montessori-Einrichtungen bedauerlicherweise nicht optimal, da sich keine Regel-

schule fand, die vollständig nach dem Montessori-Konzept arbeitet und sich gleichzeitig auch

den vielfältigen Herausforderungen einer inklusiven Klasse stellen muss.

Nichtsdestotrotz konnte dargelegt werden, dass das Montessori-Konzept in vielerlei Hinsicht

die Umsetzung des Inklusionsgedankens unterstützt. Die Altersmischung stellt eine Form der

Heterogenität dar, die ein wichtiger Grundpfeiler der Inklusion ist. In altersgemischten Klas-

sen wird in kleineren Gruppen gearbeitet, was ein konzentrierteres Arbeiten ermöglicht. Die

Kinder helfen sich dabei gegenseitig. Auf diese Weise ist die Lehrerin/der Lehrer in der Lage,

dort intensiver zu unterstützen, wo mehr Hilfe benötigt wird, und den Kindern mehr Freiräu-

me beim Lernen zu ermöglichen. Die Freiarbeit in der vorbereiteten Umgebung fördert das

selbstständige und eigenverantwortliche Arbeiten, da die Kinder ihre Lernthemen und das

dazu passende Material, den Platz, an dem sie arbeiten wollen und wie lange sie sich damit

beschäftigen, selbst wählen. Durch die so erlangte Unabhängigkeit wird das Selbstwertge-

fühl gestärkt und die Persönlichkeit der Kinder aufgebaut, was eigentlich das primäre Ziel der

Montessori-Pädagogik ist.

Dies wurde auch in den Ergebnissen der Studien in Deutschland (Suffenplan, 2006) und den

USA (Lillard & Else-Quest, 2006; Rindskopf-Dohrmann, 2003) bestätigt. Neben den äußerst

guten kognitiven Leistungen fallen die besonders ausgeprägten sozialen Kompetenzen in

den Ergebnissen auf. Es konnte gezeigt werden, dass vor allem Kinder, die aufgrund schwie-

riger familiärer Hintergründe von zu Hause wenig Unterstützung hinsichtlich ihrer schulischen

Aufgaben erfahren, von der Montessori-Pädagogik profitieren.

Insgesamt lässt sich daraus schlussfolgern, dass die Montessori-Pädagogik sehr gut geeig-

net ist, den Inklusionsgedanken umzusetzen. Wünschenswert wäre es, wenn die Montessori-

Pädagogik im Zusammenhang mit der Inklusion in den Fokus weiterer Studien rücken würde.

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Abbildungsverzeichnis

130

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Entwicklungsphasen in der Sonderpädagogik (Bürli, 1997) ...................... 6

Abbildung 2: Exklusion (Hinz 2004) ............................................................................... 7

Abbildung 3: Segregation (Hinz 2004) ........................................................................... 7

Abbildung 4: Integration (Hinz 2004) ............................................................................. 8

Abbildung 5: Inklusion (Hinz 2004) ................................................................................ 8

Abbildung 6: Inklusive Schule und Pädagogik ............................................................. 15

Abbildung 7: Der Index-Prozess und der Planungskreislauf der Schulentwicklung ...... 19

Abbildung 8: Das mehrdimensionale (Hoch-)Begabungsmodell (Heller & Perleth, 2008, S. 449). ............................................................................................................ 52

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Praxis von Integration und Inklusion (Hinz, 2004) ......................................... 8

Tabelle 2: Stichprobe Übersicht ................................................................................... 68

Tabelle 3: Interviewleitfaden ........................................................................................ 70

Tabelle 4: Gegenüberstellung der Grundelemente der Montessori-Pädagogik und der Indikatoren des Index für Inklusion .............................................................. 81

Tabelle 5: Kategoriensystem Montessori-Pädagogik und Index für Inklusion ............... 81

Tabelle 6: Transkriptionsregeln (Langer, 2010, S. 523) ............................................. 131

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Anhang

131

ANHANG

ANHANG A: TRANSKRIPTIONSREGELN

Tabelle 6: Transkriptionsregeln (Langer, 2010, S. 523)

() Unverständliche Passage; die Länge der Klammer entspricht

in etwa der Dauer

(schwer zu verstehen) Unsichere Transkription; vermutete Äußerung in der Klammer

(.) Sehr kurze Pause

(3) Pause in Sekunden

LAUT Laut gesprochen

‚leise’ Leise gesprochen

betont Betont gesprochen

g e d e h n t Gedehnt gesprochen

((lacht)) Para- oder nonverbaler Akt, steht vor der entsprechenden

Stelle, * markiert das Ende

Da sagt der: „Komm her“ Zitat innerhalb der Rede

gegan- Wortabbruch

[ Überlappung von Redebeiträgen bzw. direkter Redeanschluss,

wird hervorgehoben, indem genau an der Stelle weiterge-

schrieben wird

[Interviewpartner scheint

sehr aufgewühlt]