newroz 2010 in diyarbakir - bericht der delegation aus bremen / hannover

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  • 8/9/2019 Newroz 2010 in Diyarbakir - Bericht der Delegation aus Bremen / Hannover

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    Newroz 2010

    DiyarbakirBericht der Delegation

    Bremen/Hannover

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    Newroz 2010

    DiyarbakirBericht der

    YEK-KOM Delegation

    Bremen/Hannover

    23. Mrz 2010

    Inhalt

    Teil I Minderjhrige politische Hftlinge

    Teil II Gefallene, Gefangene, Verschwundene

    Teil III Verfolgung von Journalisten

    Teil IV Politische Organisierung und Repression

    TeilnehmerInnen

    Jana Behrens, Medizinische Flchtlingssolidaritt Hannover

    Inci Dul, Birati e.V., Bremen

    Gl Seven Gzel, Arbeistkreis Asyl, Stuttgart

    Christian Jakob, Journalist, Bremen

    Julia Krperich, Rechtsanwltin, Bremen

    Julia Neuse, Medizinische Flchtlingssolidaritt Hannover

    Antje Steinberg, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Bremen

    Die Fotos stammen von Julia Krperich, Christian Jakob und Julia Neuse.

    Kontakt: [email protected]

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    seite 3 | Minderjhrige politische Hftlinge

    Teil I Minderjhrige politische Hftlinge

    2007 hat das Verfassungsgericht inAnkara ein Urteil gefllt, demzu-

    folge auch Kinder fr Unterstt-zungshandlungen als Teil einerTerrororganisation betrachtet wer-den knnen. Dazu wurde der Arti-kels 8 des trkischen

    Anti-Terror-Gesetzes TMK neuinterpretiert. Kinder von 12 bis 14

    Jahren knnen seither von speziel-lenGerichten zu langjhrigen Stra-fen verurteilt werden, Minder-

    jhrige im Alter von 15 bis 18 be-

    reits wie Erwachsene. Der im Ju-gendstrafrecht gem der 1995vonder Trkei ratifizierten UN-Kin-derrechtskonvention geltendeGrundsatz der Schutz der privat-sphre von Kindern, wird herange-zogen, um der ffentlichkeit denZugang zu den Prozessen zu ver-

    weigern. Die geschieht auch dann,wenn die Kinder strafrechtlich wieerwachsene Terroristen behandelt

    werden.Die Inhaftierung Minder-jhriger wurde bei unserer Delega-tionsreise von fast allenGesprchspartnern als besondersdringliches Problem benannt.

    > Aktuelles Fallbeispiel:Erkan Balaban, 15 JahreAm 6. Dezember 2009 wurde derheute 15-jhrige kurdische Jugend-liche Erkan Balaban aus Diyarbakir

    nach einer Demonstration verhaftetund ist seitdem im Gefngnis vonDiyarbakir Haft. Wir trafen seineFamilie am 18. Mrz 2010 imHohen Strafgericht in Diyarbakir,

    wo sie uns auf das Verfahren gegenihren Sohn aufmerksam machte.

    Wir baten die Familie um ein Ge-sprch und trafen seine Mutter, Ja-hide Balaban, 34, und seineSchwester, Yakmur Balaban, 17, am

    20. Mrz in einer Teestube nahe derBDP-Zentrale. Die Familie ist arm,der Vater ernhrt die sieben Kinderim Alter von drei bis 17 Jahren mitunzureichenden Einknften aus

    seiner Arbeit als Taxifahrer. Ermusste eine dreijhrige Haftstrafe

    wegen Schmuggels verben.Die ganze Familie war am Sonn-tag, dem 6.Dezember in Diyarbakirzu einer Demonstration gegen dieHaftbedingungen des PKK-Grn-ders Abdullah calan gegangen.An jenem Tag waren rund 15.000Menschen auf der Strae. Als diePolizei dem Protestzug den Weg

    versperrte,flogen Steine.Die Fami-lie Balaban, so berichtete uns die

    Mutter, verlie daraufhin die De-monstration, ihr Sohn Erkan hin-gegen blieb. Die Polizei ging mit

    Wasserwerfern, Trnengas undscharfer Munition gegen die De-monstranten vor. Der 23-jhrigeErdem Aydin wurde durch eineKugel gettet, zwei weitere Men-schen wurden verletzt. Es gab 113Festnahmen, darunter 19 Minder-

    jhrige. Einer davon war Balaban.

    Die Polizei werfe ihm vor, Polizi-sten beleidigt und Steine geworfenzu haben, berichtet seine Mutter.Einer seiner Freunde sei frei gelas-sen worden,weil die Familie umge-rechnet rund 200 EuroBestechungsgeld an die Polizei ge-zahlt habe. Die Balabans htten

    sich das nicht leisten knnen. Auchdie anderen verhafteten Jugendli-

    chen seien mittlerweile freigelassen worden. Erkan hingegen blieb inGewahrsam Seiner Mutter berich-tete er, dort misshandelt und sostark in den Magen geschlagen

    worden zu sein, dass er sich berge-ben musste.

    Bei der Vernehmung von Erkanhabe die Familie nicht dabei seindrfen.Im Gefngnis sei es nicht zu

    weiteren Misshandlungen gekom-

    men. Die engste Familie drfeErkan ein Mal wchentlich besu-chen. Entfernte Verwandte undFreunde htten jedoch kein Be-suchsrecht. Bei Betreten des Ge-fngnisses msse die Familieintensive Kontrollen ber sich erge-hen lassen und Schuhe und Kopf-tuch ablegen. Geschenke, Essenoder Kleidung drfe sie Erkan nichtmitbringen, lediglich Geld sei er-

    laubt. Die Mutter spare sich vom wenigen Geld der Familie w-chentlich umgerechnet 15 Euro frZigaretten ab, damit der Sohn "imGefngnis wenigstens genug zurauchen hat".

    Die Wrter seien bei den Besu-chen in einem groen Raum mit

    > mdchen beim newroz-fest in diyarbakir, 21.03.10

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    seite 4 | Minderjhrige politische Hftlinge

    mehreren Familien mit anwesend.Lnger als 40 Minuten drften sieden Sohn nicht sehen. Im Gefng-nis gebe es weder Lehrer, rztenoch Psychologen zur Betreuungder Jugendlichen. In Erkans Haft-

    raum seien rund 35 Jugendliche(laut einer Liste des Menschen-rechtsvereins IHD sind es aller-dings nur 24) im Alter von zwlf bis18 Jahren eingesperrt. Sie wrdensich mit Handarbeit wie der Her-stellung von Schmuck beschftigen,sagt die Mutter. Manche Jugendli-chen seien Waisen und wrdenberhaupt keinen Besuch bekom-

    men. Ein Mal in der Woche frei-tags drften sie fr eine halbe

    Stunde in den Hof gehen (nachAngaben der rztekammer vonDiyarbakir drfen die Jugendlichenallerdings tglich auf den Hof).

    Nach Darstellung der Mutter seiErkan bei einem Verhr ein Zei-tungsfoto gezeigt worden. Manhabe ihn gefragt, ob er auf demFoto zu sehen sei. Das habe er be-

    jaht. Auf dem Foto habe er dieHnde in den Taschen, sagt die

    Mutter.Dennoch behauptet die Po-lizei, er habe Steine geworfen. Al-lerdings gibt es auch ein Video derDemonstration, das die Mutter je-doch nicht gesehen hat. Bis zur

    Fortsetzung der Verhandlung am13. Mai soll Erkan in Haft bleiben.

    Seine von der Anwaltskammer ge-stellte Anwltin Saime Erdogan be-sttigte uns bei einem Gesprch am25. Mrz die Darstellung der Muter

    im Wesentlichen.Die Staatsanwalt-schaft habe noch kein konkretesStrafma verlangt. Sie rechne damit,dass Erkan B. eine Haftstrafe von8,5 Jahren droht. Das besagte Fotozeige Erkan zwar im Tatgeschehen,nicht aber beim Werfen von Steinen.Das Video habe sie noch nicht gese-hen. Es sei jedoch nur bedingt vonBedeutung, weil nach ihrer Erfah-

    rung die Polizei bei drftiger Be-weislage vor Gericht oft behaupte,

    die Angeklagten htten sie beleidigt.Das ist wie im Lotto,sagte Erdo-gan.

    > HaftbedingungenNach einer aktuellen Aufstellungdes Menschenrechtsvereins IHD(nsan Haklar Dernei) gibt es al-lein in Diyarbakir derzeit 63 min-derjhrige politische Hftlinge,darunter zwei Mdchen. Die 14-

    jhrige Beriwan Sayaca etwa solle

    13,5 Jahre im Gefngnis bleiben.Im Februar diesen Jahres habe sieSteine auf Polizisten geworfen,ohne jedoch jemanden verletzt zuhaben. Laut dem Geschftsfhrer

    der rztekammer der Provinz Diy-arbakir (Diyarbakr Tabip OdasBakan), Adnan Selcuk Mizraklisollen allein in der Provinz Diyar-bakir derzeit 500 politisch moti-

    vierte Anklagen gegen

    Minderjhrige anhngig sein, tr-keiweit seien es rund 3.000.Mit einer Kommission aus Kin-

    derpsychologen, Pdagogen undrzten sowie Vertretern des Ju-gendamtes von Diyarbakir und derAnwaltskammer hat Mizrakli imApril 2009 das Gefgnins von Diy-arbakir besucht, um sich ein Bildber die Lage der einsitzendenMinderjhrigen zu machen.Seither

    htten Vertreter der Anwalts- undrztekammer das Gefngnis nochmehrfach besucht.

    Nach Mizraklis Ansicht ist dieHaftanstalt fr Kinder ungeeignet.Es gebe dort kaum Platz zum spie-len, keine Sportmglichkeiten oderMusikinstrumente. Die Bettenseien, ebenso wie die Kleidung der

    jungen Gefangenen, nicht sauber.Oft werde ihnen verboten, ihre Fa-

    milien zu sehen.Mizrakli berichtet etwa von einemJungen,der bei einem Besuch seinesVaters diesem das in der Trkei alsPKK-Symbol verbotene "Victory"-Zeichen aus gespreiztem Zeige- undMittelfinger gezeigt habe.Daraufhinerlie die Gefngnisleitung einedreimonatige Besuchsperre. "Es gibtdort keine Sozialpdagogen, keinePsychologen und keine Lehrer.Nie-

    mand unterrichtet die Kinder," sagtauch Mizrakli.Es handele sich nichtum ein spezielles Jugendgefngnis,dort seien auch erwachsene Strf-linge untergebracht.Die Minderjh-rigen htten allerdings einenseparaten Trakt.

    Die Jungen verteilen sich auf dreiHaftrume mit 15 bis 24 Insassen.Laut Mizrakli drfen sie zwei bisdrei Stunden am Tag auf den offe-

    nen Hof.Es gebe Fernsehen,rztli-che Versorgung erreiche dieGefangenen aber oft nur mit star-ker Verzgerung. Zu krperlichenMisshandlungen durch die Wrte-

    > newroz indiyarbakir, 21.03.10

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    rInnen komme es laut Mizrakli of-fenbar nicht.Das hatte uns auch Ja-hide Balaban gesagt. DieInhaftierung unter solchen Bedi-gungen msse jedoch als psychischeMisshandlung gelten.

    Viele der Kinder mssten Strafenvon ber zehn Jahre absitzen, man-che gar mehr als zwanzig Jahre. DieVergehen seien in der Regel die Be-leidigung von Polizisten, das Wer-fen von Steinen auf "Sicherheitskrfte" oder aber dasbloe Vermummen auf Demon-strationen, das als Guerilla-Symbolgewertet werde.

    > Einschtzung des Men-schenrechtsvereins IHDAuch der MenschenrechtsvereinIHD uerte sich zur Lage inhaf-tierter Minderjhriger. Die Kinder-kommission des Vereins versucht,die Einzelflle zu erfassen und ko-stenlos Rechtsbeistand zur Verf-gung zu stellen. In der Trkei hatzwar von Gesetzes wegen jeder An-spruch auf einen Pflichtverteidiger,

    es wurde jedoch dem IHD berich-

    tet, dass betroffene Kinder nachAussagen der Polizei auf ihrePflichtverteidigung verzichtet ht-ten und so ohne Beistand waren.Viele Kinder htten angegeben,dass sie zwischen Festnahme und

    Ankunft im Polizeiprsidium ge-schlagen und stark eingeschchtertwurden. Der in Diyarbakir festge-nommene Kirk Boran etwa sei der-art misshandelt worden, dass seineKleidung blutgetrnkt war. Es seiihm gelungen, diese seinen Elternzu schicken, die sie an den IHD

    weitergaben.Whrend es frher zu mehr Fl-

    len von krperlicher Folter kam,

    nhmen heute die psychischen Fol-termethoden zu.So wrden Kindernachts zum Verhr geweckt, sexuellgedemtigt oder beschimpft. Kin-der wrden gemeinsam mit nichtpolitischen Strafttern unterge-bracht und seien Misshandlungen

    von Mithftlingen ausgesetzt. DieErnhrungssituation sei mangel-haft. Es gebe Berichte von Finger-ngeln im Essen.

    > AnwaltskammerAuch der Vorsitzende der Anwalts-kammer von Diyarbakr (BarosuBakan) Emin Aktar,kritisierte diezunehmende Inhaftierung Jugend-licher aus politischen Grnden.

    "Seit drei Jahren werden Minder-jhrige als Terroristen eingesperrt.Damit machen sich die Richterzum Werkzeug des Staates gegendie KurdInnen. Ich war vor zwei

    Wochen im Gefngnis, dort waren66 Kinder, davon zwei Mdchen.

    Wir wissen, dass hnlich viele inVan, Adana und Istanbul in Haftsind." Sie wrden ab dem Alter von15 Jahren wie Erwachsene behan-

    delt, weil sie an politischen Prote-sten teilgenommen haben.Dennoch werde die ffentlichkeitbei Gerichtsverhandliungen mitdem Argument des Jugendschutzesausgesperrt, weil Kinder unter 18angeblich "unter dem Schutz desGesetzes" stnden.

    Die Anwaltskammer plant eineKlage vor dem Europischen Ge-richtshof fr Menschenrechte

    (EuGHM). Dies dauere aber sechs

    seite 5 | Minderjhrige politische Hftlinge

    > junge sympa-thisanten derkurdischen parteiBDP vor der par-teizentrale in diy-arbakir, 20.03.10

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    Jahre, weil zuerst alle nationalenRechtswege beschritten werdenmssten. Ein jetzt 15 Jahre alterGefangener habe davon kaum

    etwas. "Wenn der Prozess in Stra-burg vorbei ist, ist er 22," sagteAktar.

    Die Angaben von IHD und An- waltskammer werden durch denUNICEF-Bericht Field Visit Re-port on Children Deemed to be Terro-rist Offenders for Participating inDemonstrations von 2009 gesttzt.

    > Initiative der rztekammerDie rztekammer betrachtet diezunehmende Inhaftierung Minder-

    jhriger wegen politischer Vergehenals "riesiges psychisches Problem

    fr die Jugendlichen und riesigessoziales und politisches Problem frdie Kurden," sagte uns ihr Vorsit-zender Dr. Adnan Seluk Mizrakli.

    Ein schriftlicher Bericht ber dieZustnde in dem Gefngnis wurdevon einer von der Kammer zusam-men gestellten Kommission verfasstund im Mai 2009 dem Parlament inAnkara bergeben.Passiert sei dar-aufhin "absolut nichts,", sagt Miz-rakli. Der Chef der rechtsextremenMilliyeti Hareket Partisi(MHP),Devlet Baheli, habe ihnen gesagt,

    wer "heute Steine wirft, der nimmt

    morgen Waffen gegen unsere Sol-daten in die Hand.""Kinder knnen nicht aus politi-

    schen Grnden verurteilt werden.Kinder sind Kinder, man kann sie

    nicht behandeln wie Erwachsene,"sagt Mizrakli. "Das muss aufhren,sie sollen mit ihren Familien lebenknnen."

    Die rztekammer fordert dieEntlassung der wegen politischer

    Vergehen einsitzenden Kinder undJugendlichen und ein "Rehabilitati-onsprogramm" mit psychosozialenElementen und einer nachholendenSchulausbildung.

    Mizrakli erklrt die zunehmendeRepression gegen Minderjhrige mitder genderten politischen Strategieder Kurden. "Seit etwa vier Jahrenhat die kurdische ZivilgesellschaftDruck auf die Guerilla ausgebt,

    damit diese ihre bewaffneten Aktio-nen einstellt. In dieser Zeit wurdendie Aktivitten des legalen, politi-schen Arms der Bewegung intensi-

    viert."Das habe sich in dem Wahlerfolg

    der inzwischen verbotenen DTP beiden Kommunalwahlen 2009 nieder-geschlagen. Um dieser zivilen Kon-solidierung der kurdischen Politikentgegen zu wirken, wolle die Re-

    gierung Kinder und Jugendlichedurch solch drakonische Strafen ab-schrecken, sich in kurdischen Struk-turen zu politisieren.

    > Initiative derBildungsgewerkschaftEgitim SenAuch beim Besuch des Bezirks-

    vorsitzenden der Bildungsgewerk-schaft Egitim Sen, der trkischen

    Schwesterorganisation der deut-schen Gewerkschaft Erziehungund Wissenschaft, Abdullah Ka-daran ging es um dieses ema.

    Ein besonderes Problem sei, dassdie Jugendlichen nicht beschult

    wrden und nach ihrer Entlassunghufig den Anschluss in der Schule

    verloren haben, sagte Kadaran.Ge-meinsam mit dem Brgermeisterder Stadt Diyarbakir arbeitet Egi-

    tim Sen an einer Initiative, um die Jugendlichen in der Haft zu be-schulen. Geplant ist, den Unterricht

    vor allem in kurdischer Sprachestattfinden zu lassen

    seite 6 | Minderjhrige politische Hftlinge

    > kurdin beim newroz-festin diyarbakir, 21.03.10

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    seite 7 | gefallene, gefangene, verschwundene

    Teil II Gefallene, Gefangene, Verschwundene

    > Allgemeine Einschtzungder Menschenrechtslage

    Nach Einschtzung des IHD hatdie Regierung im letzten Jahr ihrePolitik gegenber der kurdischenBevlkerung wesentlich gendert.In den 90er Jahren wurden Men-schen ermordet, heute steigt dafrdie Zahl der Festnahmen sehr starkan. Fr geringfgige Vergehen wer-den unverhltnismige Hchst-strafen verhngt, berichte uns derIHD-Broleiter Burhan Zoroolu

    in Diyarbakir.

    Die Polizei gehe bei Demonstra-tionen extrem gewaltttig vor.Staatsbedienstete wie Richter ver-

    hielten sich ber die Maen staats-treu, anstatt ihre Unabhngigkeit zuwahren. Im Amt begangene Ver-brechen wrden nicht strafrechtlich

    verfolgt. Solange dies nicht ge-

    schehe, sei "Null Toleranz" gegenFolter nicht mglich, sagte Zo-

    roolu.Beispielsweise sei der Mord andem politisch aktiven StudentenAydin Erdem im Winter 2009 inDiyarbakir auf einer nicht angemel-deten Demonstration nicht aufge-klrt worden, weil die potentiellenZeugen aus Angst vor Repressionenkeine Angaben machten und dieam Ort der tdlichen Schsse in-stallierte befindliche berwa-

    chungskamera angeblich nicht

    funktionierte. Die Untersuchungdes Todes von Ceylan nkol, einesMdchen aus Lice im November

    2009 durch eine explodierende Ra-kete des Militrs dauert noch an.Dorfbewohner wrden dem IHDhufig von bergriffen der so ge-nannten Dorfschtzer berichten,

    gegen die nicht vorgegangen werde.Etwa 50 schwerstkranke Gefan-

    gene in osttrkischen Haftanstaltenwrden nicht oder nicht ausreichendmedizinisch versorgt oder nicht auf-grund ihres Gesundheitszustandesentlassen. So habe Amnesty Inter-national in London beispielsweiseden Fall des chronisch kranken Ge-fangenen Nurettin aufmerksam ge-macht, ohne dass eine Reaktionerfolgte (dies konnten wir beiAmnesty nicht verifizieren). Auch

    wurde von der Behandlung vonkranken Gefangenen in Van in einerLeichenhalle berichtet.

    Die Verhaftungen nhmen insge-samt zu. Vor einem Jahr waren 154politische Gefangene in Haft, heuteseien es ber 1.000 allein in der Re-gion Diyarbakir sagte Zoroolu.

    Am Mittwoch, dem Tag unsererAnkunft in Diyarbakir, wurden imrund 200 Kilometer stlich geleg-

    nen Siirt 13 Personen festgenom-men, darunter der lokaleIHD-Vorsitzende und sein Stell-

    vertreter sowie Mitglieder der krz-lich verbotenen kurdischen ParteiDTP und der legalen KurdenparteiBDP. Acht Brgermeister und fnfIHD-Funktionre seien in Haft,darnter der ehemalige stellvertre-tende IHD-Vorsitzende MuharremErbey, der sich insondere mit den

    940 Verschwundenen der letztenzehn Jahre und der Ermordung vonGuerillamitgliedern beschftigte.

    > Meya-Der: Selbsthilfe frAngehrigeVerschwundenerBei einem Besuch erluterte HasanPence, der Vorsitzende von Meya-Der ( Mezopotamya YardmlamaDernei), einer kurdischen Selbst-hilfeorganisation von Kriegsopfer-

    familien, die Schwierigkeiten beider Aufarbeitung der militrischenAuseinandersetzungen.

    So habe der kurdisch-trkischeKonflikt rund 17.500 Opfer gefor-

    > alter mann an der ab-sperrung der haupt-bhne des newroz- festsin diyarbakir, 21.03.10

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    dert, deren Todesumstnde bisherungeklrt seien. In diesen Fllen

    wurde entweder keine Leiche ge-funden, oder die Todesursache liesich nicht rekonstruieren. Nochimmer sind viele Massengrber ent-

    weder nicht entdeckt oder nichtausgehoben. Das trkische Militrhat sich lange heftig dagegen ge-

    wehrt, dass hier Nachforschungenangestellt werden, weil so mgli-cherweise Beweise fr Kriegsver-brechen sicher gestellt werdenknnten.

    Lange war das ema offiziell ta-buisiert, jede ffentliche Auseinan-dersetzung damit wurde hart

    bestraft. 2006 organisierte das "In-ternationale Kommittee gegen dasVerschwindenlassen" (ICAD) zu-sammen mit dessen trkischen Sek-tion YAKAY-DER (YaknlarnKaybeden Ailelerle Yardmlama veDayanma Dernei) in Diyarbakireinen groen Kongress. Damalskonnten zum ersten Mal Angeh-rige von Verschwundenen ffentlichber ihre Erfahrungen sprechen.

    Einige der Organisatoren wurdenim August 2007 wegen angeblicherMitgliedschaft in einer verbotenenlinken trkischen Partei zu langenHaftstrafen verurteilt. Das emablieb jedoch auf der Tagesordnung.2008 wurde Meya-Der gegrndet.

    Seitdem seien dort etwa 2.000Antrge auf Nachforschung einge-gangen, berichtete Pence. In 600Fllen konnte der Verein die Todes-

    ursache feststellen beziehungsweiseeine Leiche bergen. Zuletzt wurdeam Mittwoch,dem 16.Mrz in derNhe der Stadt Kiziltepe sdlich

    von Diyarbakir die Leiche eines im Jahr 1992 verschwundenenenPKK-Kmpfers gefunden.

    Die Identifikation der geborge-nen Gebeine erfolgt hufig mitHilfe von DNA-Tests, fr die dertrkische Staat auf Antrag der An-

    gehrigen die Kosten trgt, wennMeya-Der oder andere Organmsa-tionen die Grber, teils Massengr-ber, exhumieren lassen. "Der Krieghat 30 Jahre gedauert, fast alle Fa-

    milien hier haben Opfer zu bekla-gen. Teils ist nur eine einzige Per-son brig geblieben," sagt Pence.Mit Meya-Der wolle man einenRaum schaffen, in dem sich Hin-terbliebene gegenseitig Halt geben

    knnen. Weiter gehe es vor allemdarum, dass die Toten eine ange-messene Grabsttte erhalten. Zurihrer Arbeit gehre aber auch dasBestreben um politische Aussh-nung. Hierzu habe Meya-Der 2008eine Demonstration mit 10.000 bis15.000 TeilnehmerInnen organi-siert, bei der Angehrige gefallenerPKK-KmpferInnen gemeinsammit Angehrigen gefallener trki-

    scher Soldaten und anderen Kriegs-opfern in Diyarbakir demonstrierthtten.

    Die finanzielle Lage von Meya-Der sei prekr. Von 27 Vorstands-mitgliedern seien nur sieben in derLage aktiv mitzuarbeiten. Alle b-rigen knnten sich dies nicht lei-sten. Pence arbeite in denSommermonaten als Saisonarbeiter,

    von diesen Einknften lebe er den

    Rest des Jahres. Die Organisationhofft auf Zuwendungen der EU,um weiter Nachforschungen berdie whrend des Krieges ver-schwundenen KurdInnen anstellenzu knnen.

    Neben fehlendem Geld sei die ju-ristische Verfolgung ein weiteresProblem. Gegen fast alle Aktivi-stInnen von Meya-Der ermittle dietrkische Justiz, in der Regel wegen

    angeblicher Propagandadelikte.Pence selber habe eine 30-monatigeHaftstrafe abgesessen, weil er Ab-dullah calan als "Anfhrer derKurden" bezeichnet habe.

    > Tuha-Der, Selbsthilfe frdie Angehrigen GefangenerIm Anschluss berichtete SelahattinKaya, ein Vertreter der Gefange-nenhilfsorganisation Tuha-Der

    ber seine Arbeit. "In der Trkeigibt es so viele Gefngnisse, baldreichen die Buchstaben nichtmehr," sagte er in Anspielung dar-auf, dass die Typen von Gefngnis-

    sen derzeit mit den Buchstaben A,B, C,D, E,F, H,K L,M und T ka-tegorisiert werden. "Und fr wen

    werden die gebaut? Fr die Kur-den!" sagte Kaya.

    Den Einwand, dass auch linke

    Trken hufig aus politischen Grn-den zu sehr langen Haftstrafen ver-urteilt wrden, wies Kaya zurck.Seiner Ansicht nach gebe es eineZwei-Klassen-Justiz auch im Hin-blick auf politische Gefangene.Diesuere sich unter anderem darin,dass Gnadengesuchen todkrankerpolitischer Gefangener eher stattge-gegeben wrde, wenn es sich um

    Trken handelt.

    Es gebe derzeit 54 tdlich er-krankte kurdische Gefangene intrkischen Gefngnissen. Gnaden-gesuche wrden abgelehnt.So habeim Fall des kurdischen HftlingsNurettin Soysal ein Amtsarzt dieDiagnose einer innerhalb von sechsMonaten zum Tode fhrenden Er-krankung besttigt,jedoch hinzuge-fgt, Soysal knne dennoch weiteredrei Monate in Haft bleiben.

    Amnesty International in Londonhabe den Fall aufgegriffen, ohnedass eine Rektion erfolgt sei.

    Kaya schilderte, dass ein groesProblem bei der Betreuung kurdi-scher Gefangener sei, dass die tr-kische Justiz sie als Schikanesystematisch in Haftanstalten berdas ganze Land verteile. "So werdenauch die Familien zu Opfern," sagtKaya, denn diese knnten sich die

    Busfahrt in Stdte an der Schwarz-meerkste oder gar im Westen desLandes nicht leisten. Ehepartnerknnten sich dadurch oft jahrelangnicht sehen. Versuche von Tuha-Der,gnstige Sammeltransporte zuorganisieren, seien von der Justizkonterkariert worden, indem nur je-

    weils eine Besucherlaubnis je Tagund Anstalt erteilt werde.

    Auch die finanzielle Lage von

    Tuha-Der sei extrem angespannt.Viele Mitglieder knnten sich denTuha-Der Monatsbeitrag von dreitrkischen Lira (1,50 Euro) nichtleisten.

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    Kaya selbst habe zehn Jahre inHaft gesessen. Er stamme aus demDorf Koceky (kurd. Karaz) naheDiyarbakir. In den Jahren 1990 bis1992 habe das Militr die Einwoh-ner zwingen wollen, "Dorfscht-

    zer", also Paramilitrs, gegen diePKK aufzustellen.Alle 75 Familienhtten sich geweigert.

    Kaya selbst sei zunchst ffentlichauf dem Dorfplatz, spter in einemGefngnis gefoltert worden. DieRepression sei irgendwann "nichtmehr zu ertragen" gewesen, aus-nahmslos alle Mnner und Frauendes Dorfes seien gefoltert worden.Am 27. Dezember 1992 habe das

    Militr das Dorf schlielich nieder-gebrannt. Kaya habe sich daraufhinder PKK angeschlossen. Sein Bru-der, der es vorgezogen habe nachDiyarbakir zu fliehen, sei hier vontrkischen "Sicherheitskrften" er-schossen worden. 1994 sei Kaya inIzmir verhaftet worden, als er sichin rztliche Behandlung begebenmusste.Man habe ihn 37 Tage langschwer gefoltert, bis er mit verbun-

    denen Augen ein ihm unbekanntesGestndnis unterschrieben habe.Das Gericht habe dies jedoch

    nicht gegen ihn verwenden wollen,wenn er bekenne, dass er "bereut,dass es die PKK gibt,weil nur durchdie PKK mein Dorf niedergebrannt

    wurde, es Krieg gibt und ich gefol-tert wurde". Er habe geantwortert,dass er kein Angehriger der PKKsei, sich der Organisation aber an-

    geschlossen htte, wenn er gewussthtte,dass der Staat ihn derartig fol-tern wrde. Dies habe er bei mehre-ren Gerichtsterminen wiederholt,bis er schlielich zu der zehnhjhri-gen Haftstrafe verurteilt wurde.

    Kaya bekrftigte dies mit denWorten: "Vor der Organisation" gemeint ist die PKK "waren wirblind, wir konnten nicht lesen undschreiben, unsere Frauen durften

    keine drei Schritte vor die Tr ma-chen. Wir kannten uns selbst nicht.Sie hat uns Augen und Ohren ge-ffnet, und uns zu dem gemacht,

    was wir heute sind."

    > Besuchserlaubnis fr dasGefngnis nicht erteilt

    In den letzten Monaten wurdenfhrende Politiker der DTP undAktivisten des Menschenrechtsver-eins IHD festgenommen und sit-zen seither im Gefngnis vonDiyarbakir in Haft. Unter ihnensind Muharram Erbey, der stellv.Vorsitzende des IHD, Firat Anli,Vorsitzender der DTP, Kamuran

    Yksek, stellv. Vorsitzender derDTP, Bayram Altun, stellv. Vorsit-

    zender DTP und Abdullah Demir-bas, Brgermeister der Stadt Sur.Sie haben bisher keinen Besuch vonauslndischen Beobachtern emp-fangen drfe.

    Um zu ihnen gelassen zu werden,sandten wir vorab ein entsprechen-des Gesuch an die Rechts- undKonsularabteilung der deutschenBotschaft in Ankara und die Rechts-und Presseabteilung der trkischen

    Botschaft in Berlin, mit der Bitte,das Schreiben an das trkische Ju-stizministerium weiterzuleiten. Dietrkische Presse- abteilung stellteRckfragen ber Zusammensetzungund Hintergrund unserer Gruppeund leitete das Gesuch an die Staats-anwaltschaft in Diyarbakir weiter.Dort gibt es ein Bro fr Men-schenrechtsangelegenheiten und"Verschwundene", dessen Mitarbei-

    ter auch fr unseren Antrag zustn-dig war.Als wir es am Donnerstag auf-

    suchten, hatte der Mitarbeiter be-reits eine bersetzte

    Zusammenfassung unseres an diePresseabteilung eingereichten Ge-

    suchs vom Staatsgouverneur be-kommen. Der wiederum hatte dasSchreiben von der Presseinformati-onsstelle des Regierungsprsidiumsin Ankara erhalten.

    Das "Menschenrechtsbro" be-hauptete, uns nicht helfen zu kn-nen, weil die Genehmigung des

    Justizministeriums noch nicht vor-lge. Wir berzeugten den Mitar-beiter, dort anzurufen und

    nachzufragen, obwohl dies nachseinen Angaben "auerhalb seinerZustndigkeit" lge. Als er es den-noch tat, sagte das Justizministe-rium, das Gesuch sei noch nichtdort eingegangen. Man empfahluns, die deutsche Botschaft zu bit-ten, mit dem Auen- und dem Ju-stizministerium zu sprechen.

    Laut der deutschen Botschaft hatder Leiter der Rechts- und Konsu-

    larabteilung unser Gesuch mit einer"Verbalnote" (Nr. 5074) direkt demAuenministerium berbringenlassen. Es ging dort bereits am 15.Mrz ein. Zu dem Umstand, dassdas Gesuch laut Staatsanwaltschafttrotzdem nicht an das Justizmini-sterium weitergeleitet wurde,wolltesich der Abteilungsleiter spternicht uern. Es bestehe ohnehinkein Rechtsanspruch auf eine Be-

    suchserlaubnis, sagte er uns. Dertrkische Staat sei lediglich ver-pflichtet, den Menschenrechtskom-missar des Europarats Besuche zuermglichen.

    seite 9 | gefallene, gefangene, verschwundene

    > newroz-fest indiyarbakir, 21.03.10

  • 8/9/2019 Newroz 2010 in Diyarbakir - Bericht der Delegation aus Bremen / Hannover

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    > Anklage gegen denJournalisten Vedat Kursun

    Am Donnerstag, dem 18. Mrz, be-riet der Hohe Strafgerichtshof inDiyarbakir zum vierten Mal ber denFall des kurdischen JournalistenVedat Kursun, der fr 525 Jahre insGefngnis soll. Die Staatsanwalt-schaft wirft ihm vor, als Chefredak-teur der kurdischsprachigen

    Tageszeitung Azadiya Welat ("Frei-heit desVaterlandes") Propaganda frdie PKK betrieben zu haben.

    In der Anklageschrift sind 103Ausgaben von Azadiya Welat ausden Jahren 2007 und 2008 aufge-fhrt. Bereits die Nennung der Be-griffe "Kurdistan" und "Guerilla"soll nach Ansicht der Justiz gegendas trkische Anti-Terror-Recht

    verstoen. Auch die Bezeichnungdes PKK-Grnders Abdullah ca-lan als "Anfhrer der Kurden", dieVerbreitung von Erklrungen fh-

    renden PKK-ler oder Traueranzei-gen fr gefallene kurdischeKmpfer sind Gegenstand der An-klage. Seit Januar 2009 sitzt der 34-

    jhrige gelernte Fernsehtechniker inUntersuchungshaft.

    Beim Prozess nahm der Staatsan-walt neben den Richtern an deren

    Tisch Platz. Kursun selbst durfte je-doch nicht bei seinen Anwlten sit-zen. Von zwei Soldaten bewachtkonnte er in der gegenberliegen-den Ecke des Saales verfolgen, wiedas Gericht nach nur wenigen Mi-nuten den Fortgang der Verhand-lung auf den 6. Mai vertagte. Dannsoll ein Urteil fallen.

    Azadiya Welat ist die einzige Ta-geszeitung in der Trkei,die in kur-

    discher Sprache erscheint. NachAngaben des derzeitigen Chefre-dakteurs Eser Ugansiz erreicht sieeine Auflage von 15.000 Exempla-ren, die in der Osttrkei und dengroen Stdten des Westens auf derStrae verkauft werden. Fr denVertrieb am Kiosk ist die Auflagezu gering.

    Wie praktisch jedes kurdischeMedium betrachtet der trkische

    Staat die Zeitung vor allem alsSprachrohr der PKK. "Wir sind nurein Sprachrohr des kurdischen Vol-kes," sagt Ugansiz dazu. Mit An-klagen wie der gegen Kursun wolledie Regierung die Kurden zwingen

    "ihre Sprachmuster zu bernehmen.Aber wir lassen uns nicht vorschrei-

    ben, wie wir zu sprechen haben."Seitdem die Zeitung 2006 be-gann, tglich zu erscheinen, wurdesie fnf Mal fr bis zu einen Monatgeschlossen. Der Vorwurf war stetsder gleiche: "Werbung fr eine ver-botene Organisation". Ugansiz istder fnfte Chefredakteur.Der erstefloh nach einer Verurteilung in dieSchweiz.Seine Nachfolgerin EmireDemir ist wegen Propagandadelik-

    ten in 80 Fllen angeklagt. Nochluft das Verfahren, Demir ist auffreiem Fu. Ugansiz' Vorgnger,Ozan Kilinc produzierte im Juni2009 nur zwlf Ausgaben von Aza-diya Welat.Er wurde am 9.Februardiesen Jahres zu 21 Jahren Haft ver-urteilt und sitzt im Gefngnis.

    Der im Gefngnis an Hepatitis Berkrankte Journalist Kur?un hatzwei Jahre fr die kurdische Nach-

    richtenagentur DIHA gearbeitet,bevor er 2007 zu Azadiya Welatkam. Als der Journalist 2009 ver-suchte, nach Europa zu fliehen,

    wurde er am Flughafen von Istan-bul verhaftet. Sein Nachfolger hatfr ihn wenig Hoffnung. "Der wirdnicht wieder freikommen",frchtetUgansiz. Im Moment sei die Lagefr kurdische Publizisten "soschlimm wie noch nie". Fast jeder

    verffentlichte Artikel und Fotowerde als Straftat gewertet. "Des-halb sind wir gezwungen, die Ver-antwortlichen der Zeitung stndigauszutauschen," sagt Ugansiz.Den-noch wolle die Redaktion auchdann "genau so weitermachen, wiebisher",wenn Kursun tatschlich zuder Rekord-Strafe verurteilt wird.Ugansiz selbst rechnet damit, mit-telfristig ebenfalls nach Westeuropa

    fliehen zu mssen.Mit der Pressefreiheit in der Tr-kei gebe es "riesige Probleme," sagtauch Erol nderoglu, der Trkei-Vertreter von Reporter ohne Gren-

    seite 10 | verfolgung von journalisten

    Teil III Verfolgung von Journalisten

    > vedat kursun

  • 8/9/2019 Newroz 2010 in Diyarbakir - Bericht der Delegation aus Bremen / Hannover

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    zen. Der Fall Kursun und AzadiyaWelat sei nur die Spitze des Eis-bergs. "Der Staat kmpft gegen dieMeinungsfreiheit, wo er kann." DieZeitung habe "Sympathien" frczalan geuert und ihn als "Fh-

    rer der Kurden" bezeichnet. Dasrechtfertige jedoch keinesfalls sol-che drakonischen Strafen. Der Eu-ropische Gerichtshofs frMenschenrechte (EuGHM) habeeindeutig entschieden: Nur "HateSpeech", zu deutsch etwa Aufsta-chelung zum Hass gegen eine Be-

    vlkerungsgruppe oder der Aufrufzur Gewalt drften verboten wer-den. Der EuGHM habe immer

    wieder festgestellt, dass die Trkeimit der weiten Interpretation ihresAnti-Terror-Rechts diese Regel

    verletze, sagt nderoglu.

    > Verhaftung einer weiterenJournalistin, Verurteilungeines VerlegersLaut dem Azadiya Welat-Chefre-dakteur Eser Uyansiz, wurde am

    Tag der Verhandlung gegen Kursunauch die 21-jhrige kurdische Jour-nalistin Gurbet Cakar verhaftet.Siesei auf dem Weg zur Gerichtsver-handlung verhaftet worden,berichteUyansiz. Cakar arbeite als Redak-teurin der Frauenzeitschrift He-wiya Jine. Nach ihrer Festnahmesei sie von Polizisten geschlagen undin das E-Typ Gefngnis von Diy-

    arbakir gebracht worden.Am nchsten Tag sei der Verle-gere Bedri Adnir vom Verlag AramPublishing in Istanbul zu 80 Jah-ren Haft verurteilt worden. Adnirhabe Bcher des PKK-GrndersAbdullah calan verlegt, daraufdessen Foto gedruckt und ihn alsHerr calanstatt als Terroristenbezeichnet.

    seite 11 | politische organisierung und repression

    > Einschtzung desAnwaltsvereinsNach Ansicht des Vorsitzenden derAnwaltskammer von Diyarbakr(Barosu Bakan) Emin Aktar, habedie Regierung seit den Erfolgen derDTP bei den Kommunalwahlen

    am 14. April 2009 "eine neue Stra-tegie der Repression" eingeschla-gen. Die sei geschehen, obwohl diePKK am Vortag der Wahlen zum

    wiederholten Mal einen Waffen-stillstand erklrt habe. Die trkischeRegierung weigere sich mit den or-ganisierten KurdInnen zu verhan-deln. "Sie zieht es seit jeher vor,Probleme nicht durch Dialog zulsen,sondern eigenmchtig zu ent-

    scheiden und dies dann gegen alleWiderstnde durchzusetzen. " Mitdieser "traditionellen Methode" seisie auch gegen DTP-PolitikerInnen

    vorgegangen. "Das kurdische Pro-

    blem ist ein juristisches Problem,"sagte Aktar.

    Die Bewegung habe dem Separa-tismus abgeschworen. "Wir wollendie derzeitigen Grenzen des trki-schen Staates nicht verndern".Vonden trkischen Bestrebungen um

    eine Aufnahme in die EU habe sienicht profitiert. "Am Anfang derEU-Annherung waren wir sehroptmistisch,dass dies die Rechte derKurdInnen befrdern wrde. Jetztsind wir das nicht mehr. Es hat unsnichts gentzt," sagte Aktar.

    Noch immer gehe der trkischeStaat "mit schmutzigen Mittelngegen KurdInnen vor". Stattdessenmsse er seine Verantwortung fr

    die Entvlkerung und Verbrennungkurdischer Drfer, extralegale T-tungen und "Verschwindenlassen"anerkennen.

    > Brgermeister vonDiyarbakir unter ArrestDer Oberbrgermeister von Diyar-bakir, Osman Baydemir,ist seit dem19.Januar 2010 mit einem Reisever-bot belegt worden. Das Verbot sei"zeitlich unbegrenzt" ausgesprochen

    worden,berichtete uns Baydemir beieinem Empfang im Rathaus. Erknne deshalb nicht an internatio-nalen Konferenzen teilnehmen oderim Ausland um Untersttzung frdie Region Diyarbakir werben.

    Insgesamt stehe die von der pro-kurdischen BDP dominierte Stadt-

    verwaltung unter starkempolitischen und juristischen Druck."1.500 unserer Leute sitzen im Ge-

    fngnis," klagte Baydemir. ber diegenauen Grnde, warum Staatsan-waltschaft und mittelbar derAKP-treue Provinzgouverneur dieFestnahmen veranlasst haben,herr-

    Teil IV Politische Organisierung und Repression

    > das total zivile team deskurdischen senders roj-tv auf

    der pressetribne des newroz-fests in diyarbakir, 21.03.10

  • 8/9/2019 Newroz 2010 in Diyarbakir - Bericht der Delegation aus Bremen / Hannover

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    sche Unklarheit.Baydemir selbst seinach dem Verbot der DTP im Ja-nuar fnf Stunden lang verhrt

    worden. Die Staatsanwaltschafthabe ihm unter anderem dieDurchfhrung von Fortbildungs-

    veranstaltung fr Parteimitgliederund die Organisation von Lokal-konferenzen der Partei vorgewor-fen. "Das tut jede Partei der Welt,ich sehe nicht,wie wir uns da schul-

    dig gemacht haben sollten," sagteBaydemir.Er rechne mit weiter anhaltenden

    juristischen Repressionen und habemittlerweile den berblick verlo-ren, wie viele Verfahren gegen ihnanhngig seien. Mittlerweile habees nach seiner Schtzung "etwa1.000" politisch motivierte Anzei-gen gegen ihn gegeben."Ich habe inden letzten Jahren die meiste Zeit

    in Justizgebuden verbracht.MeineFreunde machen sich immer bermich lustig, sie fragen mich, ob ich

    Jura studiert habe, um mich selbstzu verteidigen."

    Er habe Briefe erhalten, in denenihm vorhergesagt werde,dass er vonder PKK erschossen wrde. "Aber

    warum sollten die das tun?" Erhalte es vielmehr fr vorstellbar,dass ein Attentat gegen ihn verbt

    werde, um dies anschlieend derPKK in die Schuhe zu schieben."Wenn ein mit ber 60 Prozent derStimmen demokratisch gewhlterBrgermeister einer anderen Stadt

    so verfolgt wrde, dann wre dieWelt nicht still," sagte Baydemir.Ererklrte sich die Tatenlosigkeit dereuropischen Staaten im Hinblickauf die kurdische Frage damit, dassder trkische Staat es verstandenhabe "das Kurdenproblem als Ter-rorproblem hinzustellen".Weil sichdie EU in erster Linie auf offizielletrkische Stellen als Quellen ver-lasse, gelte ihr automatisch jeder,

    der sich fr die Rechte der Kurdeneinsetze, als Terrorist. Bekmen dieKurden denen der Basken oder Ka-talenen vergleichbare Autonomie-rechte "dann gbe es keine einzigeSchieerei".

    Baydemir berichtete, sich im ver-gangenen Jahr zur Vorbereitungeiner Stdtepartnerschaft mit demhannoverschen OberbrgermeisterStephan Weil getroffen und warte

    seitdem auf eine Antwort. ZweiDelgationsmitgliederinnen berichte-ten ihm, vor ihrer Abreise ebenfallsbei Weil gewesen zu sein, der ihnenmitgeteilt htte, seinerseits auf eineAntwort aus Diyarbakir zu warten.

    Baydemir sagte, beim Newroz-Fest am Sonntag "berhaupt keinenegativen Zwischenflle, sondernfriedliche Feierlichkeiten" zu er-

    warten. Er bedankte sich, dass wir

    bei dem Fest zu Gast sein wrden,um ihre "Hoffnung auf Frieden undFortschritt zu teilen" und sagte,dassNewroz "Neuanfang" bedeute.

    > Leyla Zana erneut zu zwlfJahre Haft verurteiltDer ehemaligen Abgeordneteneiner mittlerweile verbotenenDTP-Vorgngerpartei,Leyla Zana,droht erneut eine zwlhrige

    Haftstrafe. Dies berichtete sie unsbei einem Treffen am Samstag-nachmittag in der Zentrale derBDP in Diyarbakir. Sie hatte bis2004 zehn Jahre im Gefngnis ge-sessen, weil sie in der trkischenNationalversammlung ihrem Amts-eid den kurdischen Satz hinzuge-fgt hatte: Ich werde mich dafreinsetzen, dass das kurdische unddas trkische Volk zusammen in

    einem demokratischen Rahmenleben knnen. Dafr und weil siesich in anderen Reden fr die kur-dische Selbstbestimmung einge-setzt hatte, wurde von derStaatsanwaltschaft zunchst sogardie Todesstrafe fr sie gefordert.1993 sei ber sie ein politisches Be-ttigungsverbot verhngt worden,seit ihrer Entlassung aus dem Ge-fngnis darf sie weder Mitglied

    einer Partei werden noch fr einesolche sprechen. Sie drfe nichteinmal einem Verein beitreten. ImGegensatz zu dem BrgermeisterBaydemir darf Zana aber reisen unddas Land verlassen.

    Nun wurde sie erneut zu zwlfJahren Haft verurteilt.Rechtsmitteldagegen laufen, doch mit dem Ver-fahren umzugehen sei schwierig."Es wird keine Gerichtsverhand-

    lung geben, wir mssen ahnungsloswarten,bis das oberste Gericht hin-ter verschlossenen Tren entschei-det. Mehr knnen wir nicht tun,"sagte Zana.

    Die Strafe sei mit einem Rede-beitrag beim Newroz-Fest 2007 inDiyarbakir, "vier bis fnf Redebei-trgen bei Wahlveranstaltungen"und einer angeblichen DTP-Mit-gliedschaft begrndet. Allein hier-

    fr soll sie fr fnf Jahre insGefngnis. "Obwohl ich nichtDTP-Mitglied bin, wurde ich des-halb nochmal zu fnf Jahren verur-teilt, das ist mir unerklrlich," sagte

    seite 13 | politische organisierung und repression

    > osman baydemir

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    Zana. Bei den inkriminierten Re-debeitrgen habe sie gesagt, dass esein kurdisches Volk gebe und dassdieses fr seine Rechte kmpfen

    werde. "Das kurdische Volk gibt esaber laut trkischem Gesetz nicht.

    Ich sage den Richtern, wenn dieGesetze mich als Volk akzeptierenwrden,dann wrde ich mich nichtwehren, aber die Gesetze verleug-nen uns ja. Die Richter sindmanchmal sehr traurig und sagen,'es tut auch uns sehr leid,wir wollenSie hier auch nicht immer sehen',aber das Gesetz gibt uns keine an-dere Mglichkeit."

    Auf demNewroz-Fest am Sonntag

    in Diyarbakir sprachZana als Haupt-rednerin vor mehr als 700.00 Men-schen. In einer 20-mintigen Rederief sie die Menge dazu auf,in Kampfum Selbstbestimmung fr das kurdi-sche Volk nicht nachzulassen.

    Zana macht vor allem die Verfas-sung, die die Generle nach demPutsch 1983 installiert haben,hier-fr verantwortlich. "Darin stehtnichts von Vielfalt der Vlker oder

    Menschenrechten, sondern nur vonder Macht des Militrs. Wenn un-sere Kinder morgens in die Schulegehen, mssen sie immer noch

    jeden Morgen sagen: 'Wir sindstolze Trken.'" Auf diese Weise

    versuche der trkische Staat weiter,die KurdInnen zum Trkentum zuassimilieren.

    Fr die Lage der KurdInnendrfe man aber nicht allein den tr-kischen Staat kritisieren. "Die Tr-kei alleine ist nicht Schuld an derLage der Kurden, die ganze Welt

    verleugnet uns und betrachtet undals Terroristen und Verbrecher.Dasist ungerecht, und solange die Weltdiese Ansicht nicht ndert, knnen

    wir nicht zum Frieden kommen."Zana schwebt vor, das kurdische

    Volk trkeiweit einmal im Jahr ineinem Referendum darber abstim-men zu lassen, ob es einen eigenenStaat wolle. Auch Deutschland seiSchuld an der derzeitigen Lage derKurdInnen. "Wenn Deutschlanddamals czalan aufgenommenhtte, dann knnten wir uns heutein einer ganz anderen Lage unter-

    halten." Schlielich wies sie daraufhin, dass die PKK in den letztenJahren mehrfach einseitige Waffen-stillstnde erklrt habe, die von der

    Trkei aber nicht erwidert wordenseien.

    > Massenhaft Lokalpolitikerim Gefngnishnlich der Stadtverwaltung leidetauch die DTP-Nachfolgepartei

    BDP (Bar ve Demokrasi Partisi;Partei des Friedens und der Demokra-tie) unter einer Welle juristischerVerfolgung. Der Regionalverbands-

    vorsitzende Cafer Kan berichtet,dass sich unter den seit 2009 ver-hafteten 1.500 politischen Aktivi-sten zwlf Brgermeister, fnfVorstandsmitglieder und rund 20DTP-Ortsvereinsvorsitzende be-funden haben. "Der Groteil" der

    brigen Inhaftierten seien Unter-sttzer oder einfache Parteimitglie-der gewesen. Auch Firat Anle undKamuran Yuksek, der Vorsitzendeund stellvertretende Vorsitzendedes DTP-Bezirks Diyarbakir sindin Haft.

    Kan selbst hat zwlf Jahre im Ge-fgnis gesessen. Seit neun Monatenist er auf freiem Fu und in derBDP organisiert. In dieser Zeit

    seien drei Anzeigen wegen ideellerUntersttzung fr die PKK gegenihn gestellt worden. Am 26. Mrzsei ein erster Prozesstermin ange-setzt. Gegen seinen ebenfalls ange-

    seite 14 | politische organisierung und repression

    > leyla zana

    > cafer kan

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    klagten Vorgnger habe die Staats-anwaltschaft eine Haftstrafe von 15

    Jahren und drei Monate wegeneiner einzigen Rede beantragt.

    In der Trkei liege es im Ermes-sen der Staatsanwaltschaft,gewhl-

    ten PolitikerInnen dieparlamentarische Immunitt zuentziehen. Faktisch werde davonbesonders hufig bei kurdischenPolitikerInnen Gebrauch gemacht.Hinzu komme, dass bei Verurtei-lungen oft ein politisches Betti-gungsverbot ausgesprochen werde.

    Der Repressionsgrad erklrt sichnach Darstellung von Kan im We-sentlichen durch die breite Veran-

    kerung der BDP in der kurdischenBevlkerung. Sie stelle eine 21-kpfige Fraktion in der trkischenNationalversammlung, in fast 100Stdten stelle sie den Brgermeister,habe Untersttzung von MillionenMenschen im Volk. Die Partei or-ganisiere in 126 Stdten dieNewroz-Feierlichkeiten, zu denensie insgesamt ber 4,5 Millionen

    TeilnehmerInnen erwarte. Das

    DTP-Verbot habe der Partei "tg-liche Schwierigkeiten" bereitet.,aber auch neue Aktivisten beschert.So htten sich etwa 5.000 Freiwil-lige an den Newroz-Vorbereitungenbeteiligt. Die mit den mehrfachenParteiverboten einhergehenden Be-schlagnahmungen knne man in-zwischen besser handhaben. "Wirhaben sehr viel Erfahrung gesam-melt. Was ihr hier seht, das gehrt

    uns gar nicht."Die kurdische Bewegung leide andrei verschiedenen Formen der Re-pression: Erstens seien dies die ei-genen, internen Schwierigkeiten.

    vor alle Defizite beim innerkurdi-schen Demokratisierungsprozess,die die politische Organisierungschwer machten. Hinzu kommendie Unterdrckung durch den tr-kischen Staat und die Verfolgung

    oder Gleichgltigkeit des Auslands.Kan stellte heraus,dass die kurdi-sche Bewegung viel erreicht habe,etwa auf dem Gebiete der Frauen-entwicklung. So hat die DTP in

    ihrer Satzung festgelegt, dass esstets eine gemischtgeschlechtlicheDoppelspitze geben muss. Demsteht allerdings dass trkische Par-teiengesetz entgegen, dass nureineN VorsitzendeN vorsehe.

    > DTK Alternativer Regio-nalkongress der kurdischenBewegung2004 grndeten verschiedene kur-dische Organisationen den DTK(DemokratikToplum Kongresi', "De-mokratischer Gesellschaftskon-gress"), eine Art alternativesRegionalparlament. Auf diese

    Weise soll die grenzberschreitende

    Zusammenarbeit mit den KurdIn-nen im Iran, Irak und Syrien gefe-stigt werden. Zum anderen soll eineregionalpolitische Struktur jenseitsder AKP-treuen Provinzgouver-neure in der Osttrkei entstehen.Der DTK geht zurck auf das 2005

    von calan im Gefngnis von Im-rali entwickelte Modell des "demo-kratischen Konfderalismus", derdas Ziel einer neuen, "dritten

    Phase" der kurdischen Politik ist.Esist angelehnt an den US-Anarchi-sten Michael Bookchin.Es soll eine demokratisch-kologi-sche Zivilgesellschaft im NahenOsten schaffen, die keine Staats-grndung zum Ziel hat, sondern dieAbschaffung des Staates und allerHierarchien.Angestrebt wird dabeinicht eine kurdische Eigenstaat-lichkeit und auch keine Konfdera-

    tion von Teilstaaten, sondern derAufbau einer Selbstverwaltungdurch kommunale Basisorganisie-rung und ohne die bestehendenStaatsgrenzen in Frage zu stellen.

    Am Samstag trafen wir dieDTK-Vorsitzende und Mitgrnde-rin Yksel Genc. Sie ist zusammenmit Hatip Dicle der Vorstand desDTK, da der Vorstand satzungsge-m immer mit einem Mann und

    einer Frau zu besetzen ist. Diclewurde vor kurzem wieder verhaftet,so das Genc die Arbeit beider Vor-sitzender derzeit allein bewltigenmuss.Die 37-jhrige war fnf Jahre

    in den Bergen und kehrte von dortnach einem Aufruf calans mit sie-ben anderen Kmpfer_innen als"Friedensbotschafterin" aus denBergen 1999 zurck nach Diyarba-kir. Dort jedoch wurden sie jedoch

    nicht als Friedensbotschafter inEmpfang genommen, sondern frfnf Jahre und zwei Monate im Ge-fngnis von Mus inhaftiert. Diedort gefangenen Frauen waren inder PJAK (Partei fr ein FreiesLeben in Kurdistan/Partiya JiyanaAzad a Kurdistan, der militanteniranischen Schwesterorganisationder PKK) und der PJA (Partiya JinaAzad Partei der Freien Frau) or-

    ganisiert. Im Gefngnis trafen siesich wieder und organisierten sichneu. Daraus entstand spter dieDemokratische Freie Frauenbewe-

    gung DHK. Nach ihrer Entlas-sung vor fnf Jahren arbeite Genc

    als Journalistin fr die Zeitung"Gndem".Am DTK seien etwa 800 Dele-

    gierte aus der Wirtschaft, sozialenOrganisationen, Menschenrechts-

    vertretern, Politik und Angehrigenethnischer Minderheiten beteiligt.Letzteres sei dem DTK besonders

    wichtig, weil den KurdInnen oftvorgeworfen wird, sich nur fr ihreeigenen Rechte einzusetzen. Der-

    zeit beschftigt sich der DTK mitVorschlgen zur nderung der tr-kischen Verfassung und der kono-mischen Situation in der Osttrkei.

    seite 15 | politische organisierung und repression

    > yuksel genc (li.)

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    > Repression gegen LehrerNach Angaben des Gewerkschaf-ters Kadaran mssen kurdischeLehrerInnen weiter mit disziplina-rischen Manahmen rechnen,

    wenn sie sich politisch bettigen.Er

    selber habe mittlerweile rund 30Anzeigen erhalten. Eine sei voneinem Militr gestellt worden, weilKadaran eine Presseerklrung ver-ffentlicht hatte, dass der Militreinen Schler geschlagen hatte, dermit dessen Sohn in Streit geraten

    war. Es gebe derzeit zehn Verfahrenfr Berufsverbote wegen politischerAktivitten gegen kurdische Lehre-rInnen. Schon die Teilnahme am

    Newroz-Fest reicht laut Kadaranaus. Strafversetzungen werden nacheinen EUGHMR nur noch inner-halb eines Bezirks durchgefhrt.Neue Inhaftierungen gebe es nicht.

    FRAUENPROJEKTE

    > KADEM Frauenzentrumin Diyarbakir/Sur

    Die schwierigste Aufgabe ist dieFrauen berhaupt aus ihren Husernzu holen

    Am Vormittag besuchten wir dasKADEM Frauenzentrum in dergrtenteils von kurdischen Flcht-lingsfamilien bewohnten Altstadt

    von Diyarbakir. Laut der Vorsitzen-

    den sind husliche Gewalt und exi-stenzielle Probleme besonders dort

    weit verbreitet.Die Angebote von KADEM wur-

    den im Vorfeld von den Mitarbeite-rinnen auf die Bedrfnisse und Nte

    der Frauen ausgerichtet.Der Zugangsollte mglichst niedrigschwellig seinund auf eine breite Akzeptanz derBewohnerInnen des Stadtteils sto-en. Das Projekt ist erst vor knappeinem Jahr mit Hilfedes mittlerweileinhaftierten BezirksbrgermeistersAbdullah Demirbas und der BDPKommunalverwaltung erffnet wor-den. Auf engstem Raum finden hierAlphabetisierungsklassen, Ausbil-

    dungenzur Schneiderinoder zurK-chin sowie juristische undpsychologische Beratungsgesprchestatt. Zu den Kursen knnen dieFrauen ihre Kinder mitbringen, dieparallel betreut werden,was eine Teil-nahme den Frauen erst ermglicht.

    Bislang konnten 80 Teilnehme-rinnen Zertifikate erwerben undsind so in der Lage ihre Familien zufinanzieren oder eigenstndig zu

    leben. Durch das groe Interessebesteht Bedarf,die Projekte fortzu-setzen und zu erweitern (Compu-terkurse und Ausbildung zurFriseurin). Die Finanzierung fr dieFortfhrung der Projekte ist nichtgesichert, da die Kommune vomGouverneur der Region keinerleiUntersttzung erwarten kann.Trotzder unklaren Situation sind die

    Mitarbeiterinnen bereit, auch un-entgeltlich weiterzuarbeiten.

    > DIKASUM Einrichtung frkriegstraumatisierte Frauen

    In diesem Gebiet als Mensch zu lebenist schwer, aber als Frau ist es doppeltso schwer

    Die Einrichtung wurde 2001 durchaktive Selbstorganisation vonFrauen der DKH (Demokrati-sche Freie Frauenbewegung) insLeben gerufen. Damals gab es vieleHilfe suchende Frauen, die entwe-der selber oder deren Angehrige

    durch bergriffe des Militrs undder Polizei betroffen oder gettetwurden und unter Armut, Vertrei-bung und huslicher Gewalt litten.

    Um zunchst Kontakte und Aus-tausch untereinander zu ermglichen

    wurden drei Waschhuser mitWaschmadschinen eingerichtet, be-richtet die Hauptverantwortlichezlem zen. So konnten hier dieFrauen Erleichterung bei der Haus-

    arbeit bekommen,zum Anderen warder Ort ein geschtzter Anlaufpunkt.Es gibt Rume,in denen die Kin-

    der nach einem gewaltprventivenpdagogischen Ansatz betreut wer-den. Nach und nach wurden auchsoziale, psychologische und juristi-sche Beratungsangebote integriert,um ber Probleme, Sorgen undNte sprechen zu knnen und Hil-fen zu vermitteln. Da der Grossteil

    der Frauen nur Kurdisch spricht, werden die Angebote mutter-sprachlich umgesetzt,was bis dahinneu war. Fr Frauen, die unertrg-lichen Gefhrdungssituationen aus-gesetzt sind, wurde 2008 einFrauenhaus mit 12 Pltzen erffnet.Finanziert wird das Projekt von derlinken, prokurdischen Partei desFriedens und der Demokratie(BDP), die im Osten der Trkei die

    meisten Kommunalverwaltungenstellt. Nach 15 Minuten mussten wir wegen Termindruck rgerli-cherweise das Bro von zlemzen schnell verlassen.

    seite 16 | politische organisierung und repression

    > die KADEM-geschftsfhrerin

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    REU7266 OVR 3 GERT GEA OE SWI GEG TR MEAST EMRG rtrLDE62K0A4 ber rtr vom 21.03.10 16:05:12

    TRKEI/PKK (INTERVIEW)

    INTERVIEW-PKK droht mit Wiederaufnahme

    des bewaffneten Kampfes

    INTERVIEW-PKK droht mit Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes

    Akojan/Irak, 21. Mr (Reuters) - Die kurdische Untergrundorganisation PKK

    hat mit der Wiederaufnahme ihres bewaffneten Kampfes in der Trkeigedroht. Das Verbot der wichtigsten Kurden-Partei habe die Basis fr einepolitische Lsung zerstrt, sagte Murat Karayilan, Stellvertreter desinhaftierten PKK-Chefs Abdullah calan, am Sonntag in einem Reuters-Interview. "Die Kurden werden zum Krieg gezwungen." Falls sich nichtsndere, werde die Gruppe Ende April oder Anfang Mai wieder zu den Waffengreifen.

    Das trkische Verfassungsgericht hatte die Partei fr eine DemokratischeGesellschaft (DTP) im Dezember mit der Begrndung verboten, sie habeVerbindungen zur PKK. Die Trkei, die USA und die Europische Union

    (EU) stufen die PKK als terroristische Organisation ein. Karayilan, der dieGruppe in calans Abwesenheit leitet, sagte, die PKK rechne nach derSchneeschmelze mit einem Vormarsch des trkischen Militrs in den BergenNordiraks. Die Aufstndischen nutzen die Gegend als Rckzugsgebiet."Wenn der trkische Staat an seinem militrischen Vorgehen und seinemDruck auf politische Akteure festhlt, dann kann es keinen andauerndenFrieden geben", warnte der Kurden-Fhrer. "Wir werden diesen Angriffennicht aus dem Weg gehen, das Frhjahr kann daher kompliziert und unruhigwerden."

    Nach Karayilans Angaben hat die Gruppe derzeit 7000 Kmpfer, mehr als dieHlfte von ihnen leben im Norden des Irak. Die PKK hatte im April desvergangenen Jahres angekndigt, fr unbestimmte Zeit die Waffenniederzulegen - auer, wenn sie angegriffen werde.

    Die PKK kmpft seit 1984 gegen den trkischen Staat. In dem Konfliktkamen bislang mehr als 40.000 Menschen ums Leben. Die ursprnglicheForderung nach einem unabhngigen Kurdenstaat hat die Gruppe inzwischenaufgegeben. Sie tritt ein fr mehr kulturelle Rechte wie lokaleSelbstverwaltungen. Knapp jeder Fnfte der 72 Millionen Trken ist Kurde.

    (Reporter: Ayla Jean Yackley; bearbeitet von Sebastian Engel; redigiert vonAndreas Kenner)

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  • 8/9/2019 Newroz 2010 in Diyarbakir - Bericht der Delegation aus Bremen / Hannover

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    Kurden begehen das Neujahrsfest am Sonntag in Diyabakir Foto: ap

    Leyla Zana. Das kurdische Volk

    hat viele Wunden, rief die vonder trkischen Justiz mit einemlebenslangen Bettigungsverbotbelegte Politikerin auf Kurdisch.SiefordertedieFeierndenauf,imKampf fr Selbstbestimmungs-rechte nicht nachzulassen. Tau-sende jubelten ihr zu undschwenkten Fahnen der verbote-nen kurdischen ArbeiterparteiPKK und Fotos des inhaftiertenPKK-Grnders Abdullah calan.

    Zana hatte bis 2004 zehn Jah-

    re im Gefngnis gesessen, weilsie in der trkischen National-versammlung ihren Amtseid in

    der lange Zeit verbotenen kurdi-schen Sprache geleistet hatte.Wegen mehrererpolitischer Auf-tritte in den vergangenen Jahrendroht ihr nach eigenen Angabennun erneut eine zwlfjhrige

    Haftstrafe.DermiteinemReiseverbotbe-

    legte Brgermeister von Diyaba-

    kir, Osman Baydemir, uertedie Hoffnung auf eine Entspan-nung in der Region. Newroz

    heit Aufbruch, sagte er. AuchgegendenPolitikerderprokurdi-schen Partei BDP sind Verfahrenanhngig, weil er die PKK ideelluntersttzt haben soll.

    Bei den Newroz-Feiern in denvergangenen Jahren gab es im-mer wieder schwere Auseinan-dersetzungen zwischen Polizeiund Demonstranten. Zuletztstarben dabei 2008 zwei jungeKurden. Das Newroz-Fest wirdvom trkischen Staat als Symbol

    fr die kurdischen Autonomie-bestrebungen betrachtet. Auchin diesem Jahr waren Zusam-menste erwartet worden.

    Die Lage im Sdostender Tr-kei ist angespannt, seitdem dieRegierung in Ankara die Kurden-partei DTP im Dezember 2009hatte verbieten und ber 1.500Mandatstrger, Funktionre undParteimitglieder verhaften las-sen. Bei Protesten gegen das Par-teiverbot war im Dezember in

    Diyabakir der Student Eden Ay-din von der Polizei erschossenworden. Alle brig gebliebenenDTP-Politiker waren daraufhinder noch legalen Nachfolgepar-tei BDP beigetreten, die die New-roz-Feiern am Sonntag ausge-richtet hatte.

    Trotz aller Verbote steht dasVolk hinter uns, sagte der BDP-Chef von Diyarbakir, Cafer Kan.Auch er hat wegen Unterstt-zung der PKK bis 2009 zwlf Jah-

    re in Haft gesessen. Am kom-menden Freitag muss er sich er-neut vor Gericht verantworten.

    Kampfparolen zumNeujahrsfestTRKEI In Diyabakir versammeln sich hunderttausende Kurden zu den traditionellen

    Newroz-Feiern. Kurdische Exabgeordnete Leyla Zana mahnt Selbstbestimmungsrecht an

    Das kurdischeVolk hat viele

    WundenKURDENPOLITIKERIN LEYLA ZANA

    AUS DIYABAKIR CHRISTIAN JAKOB

    ber eine Million Kurden habenam Sonntag im Sdosten derTrkei das Neujahrsfest Newrozbegangen. In der Provinzhaupt-stadt Diyabakir versammeltensich mehrere hunderttausendMenschen.AndersalsindenVor-jahren hielt sich das Militr biszum Nachmittag zurck. Polizis-ten bewachten nur die Zufahrt-straen zum Festgelnde im S-den der Stadt, lieen die Feiern-

    denaberungehindertpassieren.Hauptrednerin war die ehe-

    malige kurdische Abgeordnete

  • 8/9/2019 Newroz 2010 in Diyarbakir - Bericht der Delegation aus Bremen / Hannover

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    FREITAG, 19. MRZ 2010 DIE TAGESZEITUNG 17

    Staatsanwlte fordern525JahreHaft fr Journalisten

    Fr 525 Jahre soll der kurdischeJournalist Vedat Kursun ins Ge-fngnis. Die Staatsanwaltschaftim osttrkischen Diyarbakirwirft ihm vor, als Chefredakteurder kurdischsprachigen Tages-zeitungAzadiya Welat(DieFrei-heit des Vaterlandes) Propagan-da fr die PKK betrieben zu

    haben.In der Anklageschrift sind 103Ausgaben vonAzadiya Welatausden Jahren 2007 und 2008 auf-gefhrt. Bereits die Nennung derBegriffe Kurdistan und Gue-rilla soll nach Ansicht der Justiz

    gegen das trkische Antiterror-Recht verstoen. Auch die Be-zeichnung des PKK-GrndersAbdullah calan als Anfhrerder Kurden, die Verbreitung vonErklrungen fhrenden PKKleroder Traueranzeigen fr gefalle-

    ne kurdische Kmpfer sind Ge-genstand der Anklage.

    Seit Januar 2009 sitzt der 34-jhrige gelernte Fernsehtechni-ker in Untersuchungshaft. AmDonnerstag beriet der HoheStrafgerichtshof in Diyarbakir

    zumviertenMalberseinenFall.Der Staatsanwalt hatte nebendenRichternanderenTischPlatzgenommen,KursunselbstdurftejedochnichtbeiseinenAnwltensitzen. Von zwei Soldaten be-wacht konnte er in der gegen-berliegenden Ecke des Saalesverfolgen, wie das Gericht nachnur wenigen Minuten den Fort-gang der Verhandlung auf den 6.Mai vertagte. Dann soll ein Urteilfallen.

    Azadiya Welatist die einzigeTageszeitunginderTrkei,dieinkurdischer Sprache erscheint.Nach Angaben des derzeitigenChefredakteurs Eser Ugansiz er-reicht sie eine Auflage von15.000 Exemplaren, die in der

    Osttrkei und den groen Std-ten des Westens auf der Straeverkauft werden. Fr den Ver-trieb am Kiosk ist die Auflage zugering.

    Wie praktisch jedes kurdischeMedium betrachtet der trki-

    sche Staat die Zeitung vor allemals Sprachrohr der PKK Wir sind

    PRESSEFREIHEIT Der trkische Staat mchte einenKurden zu einer Rekordstrafe verurteilen, weil erber Kurdistan und Guerilla geschrieben hat

    den zwingen, ihre Sprachmus-ter zu bernehmen. Aber wir las-sen uns nicht vorschreiben, wie

    wir zu sprechen haben.Seitdem die Zeitung 2006 be-gann tglich zu erscheinen, wur-de sie fnfmal fr bis zu einenMonat geschlossen. Der Vorwurfwar stets der gleiche: Werbungfr eine verbotene Organisati-

    on.UgansizistderfnfteChefre-dakteur. Der erste floh nach ei-ner Verurteilung in die Schweiz.Seine Nachfolgerin Emire Demirist wegen Propagandadelikten in80 Fllen angeklagt. Noch luftdas Verfahren, Demir ist auf frei-

    em Fu. Ugansiz Vorgnger,Ozan Kilinc, produzierte im Juni2009 nur zwlf Ausgaben vonAzadiya Welat. Er wurde am 9.Februar dieses Jahres zu 21 Jah-ren Haft verurteilt und sitzt imGefngnis.

    DerimGefngnisanHepatitiserkrankte Journalist Kursun hatzwei Jahre fr die kurdischeNachrichtenagentur Diha gear-beitet, bevor er 2007 zu AzadiyaWelat kam. Als der Journalist

    2009 versuchte nach Europa zufliehen, wurde er am Flughafenvon Istanbul verhaftet. SeinNachfolger hat fr ihn wenigHoffnung. Der wird nicht wie-der freikommen, frchtet Ugan-siz. Im Moment sei die Lage

    fr kurdische Publizisten soschlimm wie noch nie. Fast jederverffentlichte Artikel und undjedes Foto werde als Straftat ge-wertet. Deshalb sind wir ge-zwungen, die Verantwortlichender Zeitung stndig auszutau-

    schen, sagt Ugansiz. Dennochwolle die Redaktion auch dann

    Journalist Vedat Kursun erkranktein Haft an Hepatitis Foto: DIHA