noir - ausgabe 7: amerika

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Amerika Ausgabe 4/08 (Oktober) www.noirmag.de Lifestyle Lyrik als Leiden- schaft einer jun- gen Subkultur Reise Achtung, Neid- gefahr: Traum- ziel Hawaii Querbeet Killerspiele: Kampf gegen das Gesurre

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NOIR - Ausgabe 7: Amerika

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Page 1: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

Amerika

Ausgabe 4/08 (Oktober)www.noirmag.de

Lifestyle

Lyrik als Leiden-schaft einer jun-gen Subkultur

Reise

Achtung, Neid-gefahr: Traum-ziel Hawaii

Querbeet

Killerspiele: Kampf gegendas Gesurre

Page 2: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

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Page 3: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

Foto: photocase.com/User: sk1 (l inks); Verena Weihrauch / jugendfotos.de (rechts)

002 Lifestyle. Die Macht der Poesie

003 Kultur. Doppelleben

004 Thema. Weltmacht USA

007 Experte. Leitfigut Obama?

009 Thema. Ausgeträumt?

011 Porträt. Randy Pausch

012 Reportage. Hoch hinauf

014 Wissen. Rollende Büsche

015 Reise. Traumziel Hawaii

016 Sport. Blindenfußball

017 Intern. Wer hinter Noir steckt

018 Politik. Wem gehört die Arktis?

019 Politik. Die Israel-Lobby

020 Querbeet. Vater werden

001 Editorial019 Impressum

~ Editorial ~

Giraffen festbinden verboten! Mehr Kuriosi-täten aus den USA auf Seite 014.

Noir - Ausgabe 4/2008 1

MEHR SEIN ALS SCHEIN

Kein verantwortungsloser Idiot hatte in den letzten 2000 Jahren so viel Macht wie ich“, schildert Octave

Perango, Roman- und Filmheld, in „39,90“ Octave ist kein Gott, kein Diktator, sondern der erfolgreichste Kreative der globalen Werbeindustrie. Er schwimmt in Geld, feiert lu-xuriöse Parties, schleppt ein Model nach dem anderen ab – und manipuliert die Menschheit. Mit Werbung.

Werbung fasziniert, befriedigt Sehnsüchte oder weckt sie erst gar in uns. Sie ist überall. Morgens beim Zähneputzen im Radio, auf dem Bus. Abends auf der Coach im Fern-sehen, auf der Flasche Limo. Sie begleitet uns tagtäglich – manchmal still und unauffällig, manchmal laut und prollig wie die Klingeltonwerbung des Musikkanals.

Selbst der amerikanische Wahlkampf gipfelt in diesem Jahr in einer noch nie geahnten Werbeschlacht. Filmfi-gur Octave offenbart die kritische, schmutzige Seite, die Abgründe hinter dem Zahnpastalächeln der Politiker und Werbefiguren.

Was hat das hiermit zu tun? Dass wir uns der Werbung öff-nen und uns dennoch nicht verlieren. Und dass wir manch-mal Kompromisse machen müssen, um zu wachsen: So wie in dieser Noir, in der ihr zum ersten Mal Werbung auch im Innenteil vorfindet. Doch nicht als Zeichen der Schwäche, sondern der Stärke: Noir wird wachsen, dank und mit euch. Und dank der Werbung. Denn nach wie vor – und gera-de deshalb – bleibt bei Noir alles echt, pur. Mehr sein als Schein. Werbung schadet also nicht automatisch.

Inhalt – Noir 7

Page 4: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

L i festy le ~ Kultur ~ Ti te l thema ~ Porträt ~ Reportage ~ Wissen ~ Reise ~ Sport ~ Noir- Intern ~ Pol i t ik ~ Querbeet

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Atemberaubende Alliterationen. Me-lodische Metaphern. Eindringliche

Ellipsen. Klingt nett. Doch sollte man als hipper Youngster im Zeitalter der Instant-Kommunikation rhetorische Stilmittel besser einmotten und als rudimentäres Überbleibsel altmodischer Dichterkulturen

ein für alle mal abstempeln? Die Antwort lautet: Nein. Der Beweis nennt sich „Po-etry Slam“.

Denn Lyrik ist die Leidenschaft ei-ner ganzen jungen Subkultur. Kaum zu glauben, wenn man, noch nachhaltig traumatisiert vom letzten „Rap goes

Mainstream“-Phänomen, die gram-matikalischen Gewalttaten zu ver-

gessen versucht, die ihre Schneisen durch die breite Bevölkerung ge-

schlagen haben. Doch Poetry Slam hat nichts gemein mit

lyrischen Grobmotorikern wie Sido & Co., die mit

Nutten und Maskerade das Publikum visuell

betäuben, bevor die „Message“ grob-

schlächtig einge-trichtert wird.

Poetry Slam ist moderne Poesie auf ho-hem Niveau.

Dabei treten junge Dichter mit eige-nen Gedichten in den Wettstreit. Diese tragen sie einem Publikum, das gleichzeitig als Jury fun-giert, vor. Allein durch Gestik, Mimik und die Modulation der Stim-me untermalt der Poet sein Gedicht. Er flü-stert die Zeilen, schreit sie, raunt sie, schluchzt sie, keucht sie. Wie ein Wort-Dompteur, nur mit einem Mikrofon und einem klaren Ver-stand bewaffnet, zähmt

DIE RÜCKKEHR DER DICHTER

er die wildesten Auswüchse der deut-schen Sprache, um sie in wohltuen-den, überraschenden oder vielleicht zynischen Wortkombinationen auf das Publikum loszulassen.

Auf diese Weise weiß der Künstler ein mitwissendes Schmunzeln zu pro-vozieren oder eine herzhafte Lachsalve auszulösen. Ebenso vermag er es sein Publikum in Beklemmung zu stürzen oder in tiefes Mitgefühl. So steht er da, der junge Poet. Vor dem Mikro-fon. Auf der Bühne. Ohne Verklei-dung, die von ihm ablenken und ihn schützen könnte. Denn Poetry Slam ist pur. Das macht ihn so unmittelbar und so überzeugend ehrlich.

Junge Poeten in Chucks und T-Shirt lassen tief blicken. Sie geben einen Teil ihrer Gedanken frei, lassen Ge-fühle zu und sprechen Themen an, die beschäftigen. Ob in der Prosaform oder im jambischen Hexameter – der Gedichtform sind keine Grenzen ge-setzt, solange das Gedicht bewegt. „Eins für ein Gedicht, das nie hätte geschrieben werden dürfen, zehn für ein Gedicht, das einen spontanen, kol-lektiven Orgasmus im Raum auslöst“, so legt Ben Holman, ein Zar unter den Poeten, die Messlatte fest. Denn auch im Dichterwettstreit wird bewertet. Und was zählt, ist das Gefühl, das ein Gedicht bei den Zuhoerern heraufbe-schwört.

Gemeinsam abtauchen in die Ge-dankengänge eines jungen Poeten. Mitreissen lassen. Poetry Slam ist ge-meinschaftlich, aber kompetitiv. Alt-modisch, aber sehr modern. Subjek-tiv, aber unglaublich nachvollziehbar. Und vor allem wunderbar konträr. Poetry Slam ist lyrisches Kräftemes-sen mit den Bandagen der Dichtkunst und das schönste Kompliment, das die Jugend des 21. Jahrhunderts ei-ner Macht machen kann, die sich über tausende von Jahren nie von der Menschheit getrennt hat: der Macht der Poesie. Fe l i c ia Schne iderhan

Noir - Ausgabe 4/2008

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Noir - Ausgabe 4/2008 3Fotos: Ullstein Verlag (oben); Weezer (unten)

L i festy le ~ Kultur ~ Ti te l thema ~ Porträt ~ Reportage ~ Wissen ~ Reise ~ Sport ~ Noir- Intern ~ Pol i t ik ~ Querbeet

Auf den ersten Blick unterscheidet sich die junge Frau aus Italien kaum

merklich von anderen Berliner Studen-tinnen. Klein, grazil, lange dunkle Mähne. Doch Sonia Rossi ist anders: Während ihre Kommilitoninnen im Supermarkt kassieren oder kellnern, um sich ein biss-chen Geld dazu zu verdienen, verkauft die Mathematikstudentin Nacht für Nacht ihren Körper. Jetzt berichtet sie in ihrer Autobiografie ungeniert, offen und scho-ckierend facettenreich über ihr Leben als Teilzeithure.

Sonia, die es aus einem kleinen Kaff auf einer winzigen italienischen Insel nach Deutschland zieht, ist berauscht von Berlin. Innerhalb kürzester Zeit lernt sie Deutsch, beginnt ihr Mathematikstudium und findet neue Freunde. Sie lässt keine Party aus, genießt ihre neu gewonnene Freiheit und Unabhängigkeit in vollen Zügen. Doch schon nach kurzer Zeit wird das Geld knapp. Die intelligente Studen-tin ist von eintönigen, schlecht bezahlten Nebenjobs gelangweilt. Zudem versorgt sie ihren Freund Ladja, der weder Aufent-haltsgenehmigung noch Arbeit hat. Eine Freundin warnt Sonia vor dem dauerbe-kifften Träumer: „Ein Straßenkind aus Polen, okay für Sex, aber verlieb dich nicht in ihn.“ Trotzdem hält Sonia zu Ladja, hei-ratet ihn sogar.

So erlebt der Leser die Verwandlung: Aus Sonia, der braven Studentin, wird die routinierte Prostituierte Stella, die im Rotlichtmilieu das schnelle Geld sucht, mehrmals aussteigt und trotzdem immer wieder abrutscht. Die in ihrer Arbeitszeit

über tausend Kunden befriedigt. Wie fin-det man den Einstieg? Wie fühlt es sich an, sich Männern für Geld hinzugeben? Sonia legt Seite um Seite nicht nur einen kör-perlichen, sondern auch einen seelischen Striptease hin.

Der tiefe Einblick ins Rotlichtmilieu Berlins hinterlässt beim Lesen bleibende Spuren, denn er ist so ganz anders als gewohnt: nicht klischeebelastet, sondern authentisch. Das wirkliche Leben eben. Gerade aus diesem Grund ist „Fucking Berlin“ keine leichte Lektüre, sondern auch Kritik am Uni-System, an Bafög-Standards und Bürokratie. Der Roman ist alles, nur kein Schmuddelsex-Heftchen. Vielmehr fragt man sich: Wie geht es Sonia, heute 25 Jahre alt, nach ihrem Studium, wie ih-rem kleinen Sohn? Vielleicht erfüllt Sonia Rossi ihren Fans ja bald den Wunsch und schreibt weiter – in einem Blog.

(Rossi, Sonia: Fucking Berlin. Ullstein Verlag, August 2008)

Kat r in Ehmke

VOM HÖRSAAL INS BORDELL

Sonia Rossi lebt ein Doppelleben: Tagsüber studiert sie Mathematik,

nachts arbeitet sie als Hure. Nun schildert sie in „Fucking Berlin“

ihren Spagat zwischen Uni, Familie und Bordell

Wezzer ist eine vierköpfige Alternativ-Rock-band die 1992 in Los Angeles gegründet wurde. Die Band setzt sich derzeit aus Frontsänger und Gitarrist Rivers Cuomo, Brian Bell (Gitarre, Gesang), Scott Shriner (Bass, Gesang) und Pa-trick Wilson (Schlagzeug) zusammen. Der ty-pische Weezer-Sound ist sehr gitarrenlastig und begeistert mit eingehenden Melodien.

Ihr Stil wird oft als College-Rock oder gitar-renlastiger Pop-Punk beschrieben. Alternativ ist die Band deswegen, weil Weezer alle Möglich-keiten nutzen, immer wieder durch die Gren-zen andere Genre zu brechen.

Anfang Juni dieses Jahres kam ihre sechste Platte, betitelt mit dem Bandnamen „Weezer“, in die Läden. Inoffiziell wird sie aber „The Red Album“ genannt, weil das Album in rot daher-kommt – nach zwei Alben, die ebenfalls Wee-

zer hießen, aber ein blaues und grünes Cover hatten. Nachdem ihre letzten zwei Alben eher enttäuschend waren, versuchen Weezer an ihre Erfolge mit grün und blau anzuknüpfen.Wäh-rend der ersten Hälfte der Platte bemerkt man schnell, dass sich Weezer diesmal etwas weg bewegen von ihrem typischen Sound und viel experimentiert haben.

Vom sehr hymnenartigen „The Greatest Man That Ever Lived“, bei dem sich die Jungs bereits in ganz neuen Gefilden bewegen, bis hin zu dem fast mit den Red Hot Chili Peppers zu ver-wechselnden „Everybody Get Dangerous“ bie-tet Weezer auf ihrem neusten Werk auch den ein oder anderen ruhigeren Song.

Erstmals durfte sich hier auch der Rest der Band austoben und eigene Songs schreiben, was neue Impulse gibt und das Album etwas

auflockert. Ob Weezer mit diesem Album an den Erfolg ihrer alten Großtaten anknüpfen können, ist ungewiss. Reinhören lohnt sich aber auf jeden Fall – schon allein, weil Weezer dem Namen „Alternativ“ mit diesem Album alle Ehre machen. F lor ian Car l

Mehr Informationen auf www.weezer.com

The Red Album

Hörenswert

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Foto: photocase.com/User: cw-signNoir - Ausgabe 4/20084

Nach dem 11. September 2001 gab es weltweit Kritik an der Politik der US-Regierung. Das Land der unbe-

grenzten Möglichkeiten scheint an Faszination zu verlieren. Dabei waren es einst Europäer, die voller Hoff-

nung in die „neue Welt“ aufbrachen

DIE GESCHICHTE EINER WELTMACHT

Über den Straßen Manhattans liegt eine gespenstische Stille. Läden, Re-

staurants und Büros haben geschlossen. Eine dicke Staubschicht bedeckt alles, was vom Vortag übrig ist. Einige Menschen hal-ten sich an den Händen und beten. An den Krankenhäusern bilden sich Schlangen von Menschen, die Blut spenden möchten. Und ständig sind Feuerwehrmänner und Rettungskräfte auf dem Weg zu der Stelle, von der noch immer dicker Qualm in den New Yorker Morgenhimmel steigt.

Gestern noch standen hier die Türme des World Trade Centers, dem Symbol für die wirtschaftliche Macht der Vereinigten Staaten von Amerika. Heute klafft dort ein riesiges Loch. Ein Stahlskelett ragt noch aus Schutt und Asche.

Am Tag nach dem 11. September 2001 ist in Amerika nichts mehr, wie es einmal war. Über 3000 Menschen verloren bei den Terroranschlägen ihr Leben, nachdem neben dem World Trade Center auch das Pentagon getroffen wurde und ein weiteres Flugzeug in Pennsylvania abstürzte.

Über das ganze Land legt sich ein Trauma aus Schreckensbildern und persönlichen Schicksalsschlägen. Das riesige Loch am Ground Zero versinnbildlicht die seelische Wunde der amerikanischen Nation.

Doch in dem tiefen Gefühl der Trauer und Verzweiflung scheint langsam wieder Hoffnung zu keimen.

Einen Tag nach den Anschlägen schreibt der Ex-Beatle Paul McCartney das Lied „Freedom“. Als er damit bei einem Ge-denkkonzert auftritt, stehen Feuerwehr-männer in der ersten Reihe. Viele von ih-nen wischen sich Tränen aus den Augen.

McCartneys Stimme klingt entschlossen, als er sagt: „Wir haben einen Song über ‚Freiheit’ geschrieben.“ Mahnend hebt er den Zeigefinger hoch. „Das ist eine Sache, die diese Terroristen nicht verstehen kön-nen. Wir kämpfen für die Freiheit!“

Einige Zuschauer schwenken die ameri-

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Noir - Ausgabe 4/2008 5

kanische Flagge. Die Hoffnung, die lang-sam keimt, ist verbunden mit einem tiefen Gefühl des Patriotismus’.

„Das Feuer brennt noch, aber aus ihm ist ein stärkerer Geist hervorgegangen“, sagt der New Yorker Bürgermeister Giulia-ni bei einer Trauerfeier einen Monat nach den Anschlägen.

Angriff auf Freiheit und Demokratie

Während die Amerikaner versuchen, das Erlebte zu verarbeiten, muss Präsident Bush politisch reagieren. Er bezeichnet die Anschläge als einen „Angriff auf Freiheit und Demokratie“. Als Drahtzieher sieht die Regierung das Terrornetzwerk Al-Quaida und vor allem deren Kopf Osama Bin Laden, der sich später zu den Anschlä-gen bekennt.

Bush will gegen die „Achse des Bösen“ militärisch vorgehen und macht deutlich „Jedes Land muss sich jetzt entscheiden: Entweder es steht auf unserer Seite oder auf der Seite der Terroristen.“ Doch wer sind sie überhaupt, „die Terroristen“?

Die Terroranschläge haben gezeigt: eine Gruppe von extremistischen Islamisten, die vor nichts zurückschrecken. Doch offenbar beschränkt sich der Hass gegen Amerika nicht nur auf eine kleine Gruppe von Extremisten: Am Abend des 11. Sep-tembers berichtet ein ARD-Korrespondent live aus Israel über die Reaktionen der Palästinenser: „Es war heute eine klamm-heimliche Freude in Ostjerusalem. Die Leute sind auf die Straße gegangen und haben gejubelt.“

Jubel und Freude. Wie tief muss der Hass auf die Weltmacht USA sein, wenn Menschen mit diesen Gefühlen auf die blutigen Anschläge reagieren?

Die Reaktionen bei den Palästinensern scheinen eine allgemeine Stimmung in der arabischen Welt widerzuspiegeln. Seit vielen Jahren kritisieren einige arabische Länder die zunehmende Einmischung der USA.

Der britische Schriftsteller Salman Rus-hdie schrieb 2002 in einem Essay über die Rolle Amerikas in der Welt: „Die Ameri-ka-Kritik aus vielen muslimischen Staaten bezieht sich fast immer neidvoll auf die Stärke, den Erfolg und die Arroganz der USA.“

Doch er erkennt auch in der westlichen Welt einen zunehmenden Antiamerikanis-

mus, der sich häufig direkt gegen das ame-rikanische Volk richte: „Amerikanischer Patriotismus, amerikanische Fettleibigkeit, Emotionalität und Selbstbezogenheit - das sind die ernsten Themen.“, so Rushdie.

Ein anderes Thema ist die Politik der Bush-Regierung. Im Februar 2003 gingen alleine in Berlin 500 000 Menschen auf die Straße, um gegen den drohenden Irak-krieg zu demonstrieren.

Tatsächlich hat vor allem die Bush-Re-gierung dem Ansehen Amerikas weltweit geschadet. Doch auch in den USA sind die meisten Bürger nicht mehr zufrieden mit ihrem Präsidenten. Der Kulturwis-senschaftler Dr. Andrew Gross aus Kali-fornien formuliert diese Sichtweise noch krasser: „Ich würde die Bush-Regierung als ein sehr großes Problem für Amerika sehen“.

Besonders der Angriffskrieg gegen den Irak stieß weltweit auf Kritik und die Fol-ter irakischer Kriegsgefangener wurde zu einem schweren Skandal für die USA.

Europäer gründen die er-sten Siedlungen

Das „Land der unbegrenzten Möglich-keiten“ scheint viel von seiner Faszination eingebüßt zu haben. Dabei war es einst das Traumland für Millionen von Europäer.

Genau genommen sind heute rund drei-viertel der Amerikaner europäischer Ab-stammung.

Im 16. Jahrhundert gründeten spanische Seefahrer die erste dauerhafte Niederlas-sung im Nordosten des heutigen Floridas.

Vor allem Entdeckungsdrang, aber auch die Suche nach Bodenschätzen und neu-em Siedlungsgebiet veranlasste die euro-päischen Kolonialmächte dazu, Expediti-onen nach Amerika zu senden.

1620 gründeten die „Pilgrim Fathers“ die Stadt Plymouth, benannt nach ihrer Hei-matstadt in England. Die „pilgrims“ waren eine Splittergruppe der Puritaner, einer kirchlichen und sozialen Protestbewegung innerhalb des englischen Protestantismus. Sie lebten nach strengen Grundsätzen: Alleine das Wort der Bibel zählte, festge-schriebene Hierarchien, wie in der eng-lischen Kirche üblich, lehnten sie ab.

Neben den Puritanern gab es weitere klei-ne Glaubensgemeinschaften. Sie verband vor allem eine religiöse Idee: Die Güte Gottes zeigt sich im wirtschaftlichen Er-folg eines Menschen! Professor Dr. Harald

Wenzel vom John-F.-Kennedy-Institut in Berlin erklärt den Glauben der Puritaner so: „Das Leben jedes Menschen ist von Gott vorbestimmt. Man könnte meinen, die Menschen lehnen sich dann zurück, um nur noch auf den Tod zu warten. Doch genau das Gegenteil war in Amerika der Fall: Die Menschen sind aktiv geworden. Für sie schien klar: ‚Wenn man im Leben wirtschaftlich erfolgreich ist, dann konnte man darauf vertrauen, von Gott erwählt zu sein.’“

Die Siedler konnten in Amerika zwar ihren freien Glauben leben, doch die Sied-lungen waren weiterhin nur Kolonien der europäischen Mächte, die zunehmend um Einfluss und Landbesitz auf dem amerika-nischen Kontinent konkurrierten.

So kam es 1756 zu einem Krieg zwischen Frankreich und England, bei dem die Eng-länder schließlich als Sieger hervorgingen und nach und nach die französischen Ko-lonialgebiete einnahmen.

Damit war Großbritannien die Vor-macht in Nordamerika. Doch der Krieg hatte das britische Königreich viel Geld gekostet. Außerdem mussten die neuen Gebiete zunehmend gegen die Indianer geschützt werden. Dazu wurden britische Schutztruppen an den Siedlungsgrenzen stationiert.

Für die Kosten sollten die Siedler selbst aufkommen: Sie mussten immer höhere Steuern bezahlen, schließlich wollte Groß-britannien aus seinen Kolonien auch fi-nanziellen Gewinn schlagen. Doch dabei gab es für die Siedler kaum Mitsprache-recht im britischen Parlament.

Langsam rumorte es im Verhältnis von Großbritannien und den Siedlern in den amerikanischen Kolonialstaaten.

Am späten Abend des 28. November 1773 liegen drei Handelsschiffe am Hafen von Boston vor Anker. An Bord haben sie große Ladungen Tee aus dem britischen Königreich, die nun im Hafen ausgeladen werden sollen.

Plötzlich zeichnet das grelle Mondlicht die Umrisse einer Gruppe Indianer auf den Kai. Mit Kriegsgeheul stürmen sie die Schiffe und werfen die gesamte Ladung von rund 45 Tonnen Tee ins Wasser.

Diese Aktion geht als „Boston Tea Party“ in die Geschichte ein. Die Indianer waren in Wirklichkeit Bostoner Bürger, die sich als Symbol der Unterdrückten als Indianer verkleidet hatten und gegen die britische Steuer auf importierten Tee protestieren wollten. Die Tee-Steuer war eine der we-nigen Steuern, die es noch gab. Aber sie

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Noir - Ausgabe 4/20086

war ein Symbol für die Besteuerung und Bevormundung der Kolonien durch die britische Krone.

Es dauerte lediglich noch zwei Jahre, bis sich der Konflikt zwischen den Kolonien und der britischen Krone im Unabhängig-keitskrieg entlud. Mit Hilfe Frankreichs ge-lang der Armee der amerikanischen Trup-pen schließlich der Sieg über die Briten.

Thomas Jefferson war der Hauptautor der amerikanischen Unabhängigkeitser-klärung. Er erklärte die Kernpunkte der Verfassung: „Es versteht sich von selbst, dass alle Menschen gleich sind, dass ihr Schöpfer ihnen unan-tastbare Rechte verlie-hen hat, darunter das Recht auf Leben, Frei-heit und Glück“. Diese Rechte wurden in der Erklärung niederge-schrieben, doch in der Realität zeigte sich ein anderes Bild: Thomas Jefferson besaß, wie viele Amerikaner, zu dieser Zeit 149 Sklaven. In deren mussten die Worte von Jefferson nach Sarkasmus geklungen haben, konnten sie von Frei-heitsrechten doch nur träumen.

Die Sklavenfrage war eines der wesent-lichen Konfliktthemen zwischen den Nord- und den Südstaaten und Ausdruck einer wirtschaftlichen und sozialen Spal-tung: Während die reicheren Nordstaaten sich zunehmend auf Industrie und Dienst-leistungen konzentrierten, waren die Süd-staaten vor allem von großen Baumwoll-, Zucker und Tabakplantagen geprägt und wollten dabei nicht auf den Einsatz von Sklaven verzichten.

Der Konflikt gipfelte schließlich im Bür-gerkrieg, der mit dem Sieg der Nordstaaten endete. Nun schienen die Vereinigten Staaten zum ersten Mal wirklich vereint. Auch der Süden erlebte eine zunehmende Industrialisierung. Die Sklavenfrage wur-de aber nur auf dem Papier gelöst. Obwohl die Sklaven Bürger- und Wahlrechte zuge-sprochen bekamen, wurden sie weiterhin diskriminiert. So konnten sie auch kaum am wirtschaftlichen Aufschwung teilha-ben, der sich nach dem Bürgerkrieg in den Vereinigten Staaten anbahnte.

Aufstieg zur Weltmacht

Am Ende des 19. Jahrhunderts strömen immer mehr Einwanderer aus Europa ins

Land. Sie träumen von Freiheit und hof-fen, innerhalb kurzer Zeit reich zu werden, erfüllt von Sehnsucht nach einem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das Freiheitsgefühl ist aber noch mit einem anderen Mythos verbunden: Den Cow-boys und dem Wilden Westen. Bevor das Eisenbahnnetz auch im Westen ausgebaut wurde, mussten Rinderhirten riesige Vie-herden zu den Weidegründen führen. Sie stießen häufig in Regionen vor, in denen Farmer ihr Land eingezäunt hatten oder Siedler – von den Gerüchten eines Gold-fundes getrieben – ganze Städte aufgebaut

hatten. Was heute in vielen Western-Filmen mit der Sied-lungsgeschichte der USA gleichgesetzt wird, war in Wirk-lichkeit eine Ent-wicklung der USA von gerade einmal 35 Jahren.

Nachdem alle Regionen im Westen der USA erschlossen waren, ein riesiges Eisen-bahnnetz das Land überzog und der Ein-wanderungsstrom aus Europa weiter an-stieg, erlebte Amerika einen beispiellosen Wirtschaftsaufschwung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist aus den ehemaligen europäischen Kolonien eines der bevölke-rungsreichsten Länder der Welt geworden. Amerika ist weltweit führend in der Indus-trie- und Landwirtschaftsproduktion. Die Wirtschaft profitiert von einem ungezügel-ten Kapitalismus, es herrscht Vollbeschäf-tigung und der Staat ist nahezu frei von Schulden.

Es ist die Zeit, in der die Vereinigten Staaten den Grundstock legen für die Entwicklung zur Weltmacht und zu einem neuen Lebensstil, dem „American way of life“.

„Dieser war nicht zu trennen vom ‚Ame-rican Dream’, der Hoffnung, man könne arm anfangen und irgendwann sogar Präsident werden.“, erklärt der Dr. Gross. „Dieser Lebensstil war vor allem von einer starken Konsumorientierung geprägt.“

Das ganze Land wird mit Konsumgütern überflutet. In Städten wie New York, Bo-ston oder Chicago symbolisieren schwin-delerregende Wolkenkratzer die Moderne, in großer Eile werden ganze Kaufhaustem-pel gebaut. Autos werden in Massen pro-duziert. Doch wie real war der Traum, vom Tellerwäscher zum Millionär aufzusteigen?

„Die Fälle der Menschen, die diesen Aufstieg geschafft haben, ist natürlich be-

grenzt, aber dennoch größer als in Euro-pa.“, sagt Dr. Gross. „Dabei darf man aber nicht vergessen, dass es in den USA keinen Adel gegeben hat. Im Vergleich zu Europa gab es also keine von vorneherein bevor-zugte Elite.“ John Rockefeller war einer dieser Menschen, die den amerikanischen Traum in ihrem Leben verwirklichten. Ro-ckefeller begann als Buchhalter und stieg später ins Ölgeschäft ein. Auf dem Höhe-punkt seiner Karriere wurde Rockefellers Privatvermögen auf rund 900 Millionen Dollar geschätzt, damit war er der reichste Mann der Welt.

Es sind Geschichten wie diese, die den amerikanischen Mythos prägen. Doch bestimmte Bevölkerungsgruppen waren von vorneherein von der amerikanischen Wohlstandsgesellschaft ausgeschlossen. „Der wirtschaftliche und soziale Aufstieg war fast unmöglich für die schwarze Be-völkerung oder für die Hispanics, also die US-Bürger lateinamerikanischer Abstam-mung. Auch die Frauen waren lange Zeit benachteiligt.“, erklärt Dr. Gross.

Ein andere Bevölkerungsgruppe wurde seit der Besiedelung Amerikas brutal un-terdrückt und von ihrem Land vertrieben: die Indianer. Rund ein Drittel von ihnen leben heute in Reservaten. Das wildroman-tische Bild des edlen und tapferen India-ners hat dabei kaum mehr etwas mit der Realität gemein: Die Reservate sind sozial und kulturell verelendet, bis zu 80 Prozent der männlichen Bevölkerung sind abhän-gig von Alkohol oder anderen Drogen.

Die Indianer stellen heute nur noch eine kleine Prozentzahl der amerikanischen Be-völkerung - einer Bevölkerung, die Soziolo-gen mit einer „Salatschüssel“ vergleichen. „In einer Salatschüssel sind alle möglichen bunten Zutaten, mit ganz unterschied-lichen Geschmacksrichtungen. Diese Zu-taten werden zwar vermischt, aber nicht mehr zu etwas neuem zusammengeschmol-zen.“ erklärt Professor Dr. Wenzel.

Salatschüssel gerät ins Schleudern

Doch die amerikanische Salatschüssel scheint kräftig ins Schleudern geraten zu sein: Einzelne Minderheiten werden an den Rand gedrängt, in den Städten sind zum Teil ganze Ghettos entstanden, die Kluft zwischen Arm und Reich wächst seit vielen Jahren. Während die Armuts-

Cowboys und der Wilde Westen

Freiheitsgefühl und Mythos

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7Noir - Ausgabe 4/2008

Jan Spreitzenbarth ärgert sich über die Überpräsenz der US-Wahlen in den Medien

Wie haben wir Deutschen gejubelt, als Barack

Obama seine Rede in Berlin hielt. Er sprach

von Veränderung, Chancen, von einem neuen An-

fang. 200 000 Menschen kamen nur, um ihn zu

sehen. In Berlin, der Stadt der Freiheit, wo 60 Jahre

zuvor die Amerikaner West-Berlin um keinen Preis

aufgeben wollten.

Obama, der neue Star der Freiheit. Auf der an-

deren Seite des Atlantiks blieb dem Gegenkandi-

daten John McCain hingegen nichts anders übrig,

als über die „kriecherischen“ Deutschen herzuzie-

hen. Der US-Wahlkampf ist in vollem Gange.

Auf dem großen Parteitag der Demokraten er-

wählte Obama Joseph Biden als seinen Vizeprä-

sidentschaftskandidaten. Biden ist ein außen-

politisch sehr erfahrener Mann und macht auch

einen ganz erfahrenen Eindruck. In etwa so, wie

McCain, nur ohne den Verdacht von Gesundheits-

problemen.

Oft stelle ich mir die die Frage: Wieso interessiert

uns Deutsche das so sehr? Klar, Amerika ist ein

schönes, mannigfaltiges Land. Auch ich möchte

einmal eine Tour an der Ostküste machen. Jedoch

steht dies schon Langen nicht mehr an erster Stel-

le. Ganz andere Länder, Kulturen sind viel interes-

santer. Das Erbe der Azteken erforschen oder Afri-

ka per Jeep erkunden. Das möchte ich entdecken.

Doch Unsere Medien berichten lieber über den

charismatischen Präsidentschaftskandidaten. Als

hätten wir keine eigenen Probleme. Etwa Staats-

schulden oder den Unmut über die Volksparteien.

Noch schlimmer finde ich aber das Gefühl, dass es

egal ist, wen wir wählen. Ich werde schräg ange-

schaut, wenn ich meinen Wunsch, Politik zu stu-

dieren, äußere. In China erging es mir ähnlich, nur

da konnte ich es verstehen.

Getrieben vom Traum reich zu werden, nahmen

tausende Siedler den Weg in das Land der Frei-

heit auf sich. Heute steht der Präsident, ob es

nun McCain oder Obama werden sollte, vor rie-

sigen Scherbenhaufen. Große soziale Ungleich-

heit, die Masse von illegalen Einwanderern, der

Vertrauensverlust in die Fähigkeit der Regierung,

der Weltmachtsanspruch und ideologisches Sen-

dungsbewusstsein mit einhergehendem Anse-

hensverlust der USA in der Welt.

Die Sterne werden uns nicht die Lösung aller

Probleme zuflüstern. Wir Menschen, ganz gleich

ob Deutscher, Amerikaner oder Iraner, müssen sie

finden. Gemeinsam.

Gibt es keine anderen Probleme?

rate 2002 bei Afroamerikanern bei rund 24 Prozent und bei den Hispanics bei 22 Prozent lag, lebten gerade 10 Prozent der Weißen in Armut. Wie kann sich eine Ge-sellschaft mit all diesen Gegensätzen als eine zusammengehörige Nation fühlen?

Der Student Matthias Stier war als Schü-ler ein Jahr lang in Amerika. Er erinnert sich an den Beginn der morgendlichen Schulstunde: „Vor dem Unterricht kommt eine Durchsage, dann stehen alle Schüler auf, um gemeinsam den Treueschwur auf die amerikanische Nation und die Fahne zu leisten.“

Professor Dr. Wenzel glaubt nur bedingt an eine gemeinsame nationale Identität der Amerikaner: „Ich bin der Auffassung, dass eine gemeinsame nationale Identität der Amerikaner in Friedenszeiten und in Phasen der Normalität eigentlich gar nicht mehr gibt. Wenn es etwas gibt, das wie eine nationale Identität aussieht, taucht dieses in Krisenzeiten auf, in Zeiten des Krieges. Dann kreieren die Amerikaner sozusagen eine nationale Identität.“

In der Zeit nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 besinnen sich die Amerikaner auf diese nationale Identität, auf der einen Seite um das kollektive Trau-ma zu verarbeiten, auf der anderen Seite als eine Art Trotzreaktion auf den Angriff der Terroristen, von denen Paul McCart-ney sagt, dass sie den Wert der Freiheit nicht verstehen könnten.

„In der amerikanischen Kultur gibt es auch heute noch die Idee, dass die eigenen Werte allgemein gültige Werte sind und dass jeder Mensch nach Freiheit strebt“, er-klärt die Kulturwissenschaftlerin Professor Dr. Georgi-Findlay. Verbunden mit diesen Werten ist auch die Vision, anderen Län-dern diese Freiheit zu schenken. Kaum ein anderes Land hat stärker von dieser Vision profitiert als die Bundesrepublik Deutsch-land, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA rund 1,4 Milliarden Dollar im Rahmen des Marshallplans erhielt.

Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende des Kalten Krieges waren die USA die einzig verbliebene Weltmacht und gleichzeitig auch in der Rolle des Weltpo-lizisten. „Ich habe gerade bei jungen Men-schen das Gefühl, dass ein sehr großes Misstrauen gegenüber Amerika herrscht“, sagt Professor Dr. Georgi Findlay. „Man kann sich, glaube ich, als junger Mensch nicht mehr mit der Idee anfreunden, dass die Welt eine Ordnungsmacht braucht, um Frieden zu schaffen. Gleichzeitig weiß ich, dass gerade die amerikanische Populärkul-

tur weiter an Anziehungskraft gewinnt.“Dr. Gross pflichtet ihr bei: „Hollywood-

filme, die amerikanische Musik oder bestimmte Kleidungsstile sind einfach beliebt. Das hat nichts mit kulturellem Imperialismus zu tun. Niemand steht da mit einer Waffe und sagt: „Sie müssen das kaufen!“

Land der Gegensätze

In der Bucht von Manhattan steht das Wahrzeichen Amerikas: die Freiheitssta-tue. Seit über 120 Jahren hält sie die Fackel der Freiheit in die Höhe. Ihr Blick scheint auf das endlose Meer gerichtet. Doch wie sieht es hinter ihrem Rücken aus?

Im „Land der unbegrenzten Möglich-keiten“ sitzt zurzeit jeder hundertste Bür-ger im Gefängnis. Damit nimmt Amerika weltweit einen traurigen Spitzenplatz ein. Zudem haben die USA mit einer schweren Wirtschaftskrise zu kämpfen. Das ameri-kanische Sozialsystem ist vor allem auf pri-vate Eigenvorsorge auslegt. Staatliche Hilfe gibt es nur sehr begrenzt: Rund 46 Millio-nen US-Bürger haben keine Krankenversi-cherung. Besonders hart trifft es dabei die Unterschicht: „In Bushs Amerika grassiert die Armut“, titelt „Der Spiegel“.

Amerikas Gesellschaft scheint immer weiter auseinanderzudriften. Wie also wird die Zukunft des Landes aussehen? Dr. Findlay ist hoffnungsvoll: „Amerika ist auch ein Land des Nonkonformismus, der Gegensätze und Widersprüche. Aber es hat die Fähigkeit, alle kritischen The-men irgendwann auf die Tagesordnung zu bringen und zu diskutieren. Das hat eine ungeheure Selbstheilungskraft.“

Amerika war auch das Land, in dem die Hippie-Bewegung ihren Anfang nahm. Im Amerika gab es die größten Proteste gegen den Vietnamkrieg. Und Amerika hat eine vielfältige Subkultur, wie zum Beispiel die Kultur der Afroamerikaner, die zwei der populärsten Musikstile hervorgebracht hat: Jazz und Hip-Hop.

Am 4. November 2008 wählt Amerika einen neuen Präsidenten. McCain oder Obama? Wohin treibt der Wind der Ver-änderung die amerikanische Gesellschaft? Können die USA ihrer Rolle als Ord-nungsmacht in der Zukunft besser gerecht werden?

Auf der amerikanischen Flagge prangen 50 Sterne. Die Antworten stehen in ihnen. Andreas Speng le r

Page 10: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

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8 Noir - Ausgabe 4/2008

H err Miller, der Wahlkampf in den USA ist in vollem Gange. Steckt

im umjubelten und doch unerfahrenen Demokraten Obama mehr politisches Risiko als im gestandenen Republikaner McCain?Erfahren sind beide Kandidaten nicht. Weder Barack Obama noch John McCain hatten große Führungspositionen. Auch

John F. Kennedy, Bill Clinton und George W. Bush fehlte das beim

Amtsantritt. Verlässlicher in den Entscheidungen

ist sicherlich McCain, der trotz mancher

Alleingänge durch die lange Zeit in

der Politik bere-chenbarer ist. Obama hat da mehr Po-tential in alle Rich-tungen. Doch

beide Kandidaten haben erfahrene Bera-ter, die das Schiff USA auf Kurs halten werden.

Fehlt in Deutschland eine Leitfigur wie Obama?Obama ist vieles: mitreißend, charisma-tisch und vor allem anders. Doch eine Leitfigur kann ich in Obama nicht finden. In den USA erntet er keine allgemeine Zu-stimmung. Zur Leitfigur gehört vor allem die Rückendeckung des eigenen Volkes und nicht nur eine Mobilisierung im Aus-land, die wahrscheinlich mehr durch eine Bush-Antipathie begründet ist. In Deutsch-

land ist eine Leitfigur dagegen kaum mög-lich. Nach der Ochsentour ist der Politiker der Partei untergeordnet, während in den USA die starken Kandidaten für sich ste-hen und mehr Möglichkeiten der Selbst-darstellung haben. Als Zugpferd der Poli-tik würde ich auch in Deutschland einen starken Politiker begrüßen.

Könnte eine Krise McCain einen unge-ahnten Höhenflug verpassen?Das kommt ganz auf die Krise an. Bei einem Terroranschlag wäre der außenpoli-tisch starke McCain klar im Vorteil. Sollte die Wirtschaft stark schwächeln, könnte Obama seine ganzen wirtschaftlichen Kompetenzen ausspielen. Mit Krisen kön-nen sich Politiker immer profilieren und solche Situationen ausnutzen – wie beim Hochwasser in Deutschland geschehen.

Sind die Wahlen in den USA überhaupt noch demokratisch?

Leider nur bedingt. Das Wahlsystem mit Wahlmännern stammt aus einer Zeit, als noch einige Vertreter mit dem Pferd zur

zentralen Wahl reiten mussten. Heute lie-ße sich bestimmt eine zentrale Wahl arran-gieren. Gerade bei wenigen Einwohnern bringen die zwei immer nominierten Sena-toren das System aus dem Gleichgewicht. Bei der anstehenden Wahl spielt das Wahl-system aber eher eine untergeordnete Rol-le - die vielen Spontanwähler werden das Rennen um das Weiße Haus entscheiden.

Wie frei sind Politiker nach Geldspen-den?Zunächst sind Wahlspenden nichts Schlechtes. Ohne die wäre ein solcher zelebrierter Wahlkampf kaum möglich, und der ist einfach Tradition. Sicherlich erwartet die Industrie für die Spenden ein gewisses Entgegenkommen. Doch spen-den auch Organisationen mit entgegenge-setztem Interesse, und so richtet sich die Verpflichtung des Präsidenten mehr in Richtung der Wähler – schließlich wurden

umfassende Wahlverprechen gemacht. Gerade Obama finanziert sich fast nur aus Kleinspenden der Wähler und ist diesen besonders verpflichtet.

Welchem Präsidentschaftskandidaten würden Sie abschließend das Kreuzchen geben?Obama. Aber auch nur momentan. Die nächsten Monate werden entscheiden, wer beim öffentlichen Schlagabtausch besser abschneidet. Tendenziell hat Obama die besseren Karten. Es schreit förmlich nach dem propagiertem „Wandel“, und bei der geringen Wahlbeteiligung sind die si-cheren Stimmen der Farbigen für Obama Gold wert.

„OBAMA IST KEINE LEITFIGUR“Noir-Redakteur Adrian Bechtold sprach mit Bernhard Miller, Politikwissenschaftler des Mannheimer Zentrum

für Sozialforschung, über die anstehenden US-Wahlen

„Tendenziell hat Obama die

besseren Karten“ Bernhard Miller

Veraltetes Wahl-sytem

Einst mit Pferd zur zentralen Wahl

Page 11: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

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Noir - Ausgabe 4/2008 9

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VERLOREN ZWISCHEN

IRAKKRIEG UND FINANZKRISEAuf der Suche nach dem amerikanischen Traum

J eder zweite Haushalt in den USA hat einen PC, fast alle

mit Zugang zum Internet. Die Amerikaner suchen damit mit-tels Google die Themen „Brit-ney Spears“ und die Ergebnisse der Football-Bundesliga. Der amerikanische Traum taucht in diesen Statistiken nicht auf, auch wenn er mehr als eine ei-gene Website hat.

Kurz vor den Wahlen glau-ben über 70 Prozent der Amerikaner, dass es immer schwieriger, wenn nicht un-möglich wird, den Traum noch zu leben. Auf das Stichwort werden die guten alten Zeiten – das „Golden Age“– heraufbe-

schworen: Früher konnte aus einem Tellerwäscher ein Mil-lionär werden. Heute braucht der Tellerwäscher dafür zuerst eine Krankenversicherung, ohne die er von keinem Arzt behandelt wird. Er braucht ei-nen Collegeabschluss, der pro Jahr 15.000 bis 30.000 Dollar Studiengebühr kostet. Und er muss einen Kredit aufnehmen, für den er die Zinsen kaum be-zahlen kann. Alle Menschen

träumen anders, manche in Farbe, manche in schwarz-weiß, manche nur in Bildern, manche mit Ton.

Die Aussicht, genauso indi-viduell leben zu können wie wir träumen, war es, die in den 30er Jahren Menschen aus Europa in die Küstenstädte der USA lockte, auf der Suche nach dem „American Dream“.

Heute füllt diese Hoffnung die Auffanglager für illegale Einwanderer an der Grenze zu Mexiko. Green Cards, die dau-erhafte Aufenthalts- und Ar-beitserlaubnis, sind nach wie vor die beliebtesten Visa überhaupt. Doch scheinen es hauptsächlich Menschen von anderen Kontinenten zu sein, die noch an den Traum der amerikanischen Nation glauben. Allerdings bedeu-tet auch für sie ein gelebter Traum meistens vor allem eins: Wohlstand.

„Der amerikanische Traum bedeutet, einfach reich zu sein“, lautet der frustrierte Kommentar ei-ner Umfrage.

Der Traum von Ameri-ka tist immer die Vorstel-lung von mit Gold gepfla-sterten Straßen gewesen. Er hat sich stets durch den Kapitalismus definiert und nie ein Geheimnis daraus gemacht. Freiheit, Gleichheit und Brüder-lichkeit sind Schlüssel-worte der Demokratie, wie sie die Amerikaner lieben, doch reichen sie heute nicht mehr aus um damit einen Wahlkampf zu gewinnen. Selbst der „American Dream Can-

didate“ Barack Obama verlässt sich lieber auf die Lobbyisten, die ihm den Wahlkampf finan-zieren, als auf die reine Magie der Rhetorik, die sich Martin Luther King in seiner „I have a dream“–Rede vor rund 40 Jah-ren zunutzen machte.

Der amerikanische Traum, wie es ihn einst gab – da sind sich die meisten einig – ist zwischen Irakkrieg und Fi-nanzkrise irgendwie verloren gegangen.

Doch die Amerikaner wä-ren nicht sie selbst, würden sie

nicht schon wieder an einer neuen Idee basteln, die sie sich auf ihr Sternenbanner schrei-ben können. Der Klimaschutz ist das neue Programm der un-erschütterlichen Optimisten am anderen Ende des Atlan-tik. Denn wo sich der Enthusi-asmus alter Träume allmählich in Luft auflöst, bekommen die Worte „erneuerbare Energie“ einen ganz neuen Klang. Bei-nahe etwas traumhaftes.

Georg ia Häd icke

Über 70% der Amerikaner haben den

Glauben an den „American Dream“ schon

verloren

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Page 12: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

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10 Noir - Ausgabe 4/2008 Foto: Julian Beger / www.jugendfotos.de

Den Journalismus drückt Zeit, Geld und die Einflussnahme von Kon-

zernen und Politik. Platte Themen und Schlagzeilen im schwarz-weiß-Schema ver-drängen seriöse Recherche. Als vermeint-licher Erfolgsfaktor tischen Print- wie Onlinemedien oberflächliche Kost auf. Hierzulande wie auch in den USA bringt diese Entwicklung Redakteure und Repor-ter mit Rückgrat ins Schwitzen.

„Sie ist bunt ge-worden, vielfältig, voller Trallala und Albernheiten, der Werbung nahe und dem Showgeschäft und immer auf Ren-dite bedacht.“ Jürgen Leinemann, jahr-zehntelang Redakteur beim Nachrichtem-nagazin „Spiegel“, hat die Entwicklung der Medienlandschaft und des Journalismus in Deutschland als Redakteur, Reporter und Büroleiter über 35 Berufsjahre mit-verfolgt. Der Wert der Berichterstattung orientiere sich in Redaktionen heute oft am Unterhaltungsfaktor und nicht mehr am Öffentlichkeitsinteresse, bemerkt er kritisch in ver.dis Zeitschrift „Menschen Machen Medien“.

Sowohl in Deutschland als auch in den USA sind die Medien fast alle in der Hand von wenigen großen Konzernen, die die Berichte der Nachrichtenagenturen oft ungefiltert verwerten.

Sie geben maßgeblich den Ton an und

drängen kleinere und unabhängigere Zei-tungen und Sender vom Markt. Die Forde-rung der Aktionäre nach hohen Renditen bringt Redakteure unter Zeitdruck, läßt ihre Honorare dahinschmelzen und führt zu oberflächlicher Recherche, seichten Themen und Verdruss. Geschwächt von diesen Faktoren ist der Journalismus im Ausverkauf und nicht nur ein propagan-distisches Mittel erster Güte für unter-

nehmerischen, sondern auch für politischen Machtmissbrauch.

„Statt aufzudecken und nachzuforschen begnügen sich die eta-blierten Medien bis heu-te damit, das gängige Terror-Verschwörungss-

zenario zu verbreiten und Zweifler zu dif-famieren”, bemerkt der umstrittene freie Journalist, Buchautor und Filmemacher Gerhard Wisnewski. Durch die Anschlä-ge am 11. September beispielsweise seien die Massenmedien zum Sprachrohr der US-Regierung für einen Krieg gegen den Terror. Sie hätten damit den USA beim Erstschlag gegen Afghanisten und den Irak geholfen sowie Überwachungsgesetze in der westlichen Welt rechtfertigt.

Seine kritische Dokumentation über den 11. September wurde von seinem Auftrag-geber, dem WDR zwar ausgestrahlt. „Der Spiegel“ warf ihm jedoch Manipulation vor. Kurze Zeit später wurde er wegen vom WDR gefeuert.

Die einzige Chance, einer finsteren Zukunft zu entrinnen, sieht er in einer finanziell unabhängigeren Presse und in Journalisten, die nicht einfach nur im Me-diengeschäft dabei sein wollen.

Es sei allerhöchste Zeit für Redakteure und Reporter, sich verantwortungsvoll mit ihren Themen auseinandersetzen und in-vestigativ hintergründig nachforschen.

Eine wesentlich fatalere Sicht legte der zum damaligen Zeitpunkt bereits pensio-nierte ehemalige Chefredakteur der New York Times, John Swinton, an den Tag. Auf einen Trinkspruch auf die unabhän-gige Presse bei einem Festbankett zu sei-nen Ehren antwortete er im Jahre 1880: „Es gibt so etwas wie eine unabhängige Presse zu dieser Zeit der Weltgeschichte in Amerika nicht.“ Und weiter: „Das Ge-schäft der Journalisten ist es, die Wahrheit zu zerstören, gerade heraus zu lügen, zu verdrehen, zu verunglimpfen, vor den Fü-ßen des Mammons zu kuschen und sein Land und seine Menschen um sein täg-liches Brot zu verkaufen.“

Swintons Fazit: „Sie wissen es und ich weiß es, wozu der törichte Trinkspruch auf die unabhängige Presse. Wir sind die Werkzeuge und Vasallen reicher Menschen hinter der Szene. Wir sind die Marionet-ten, sie ziehen die Schnüre und wir tanzen. Unsere Talente, unsere Fähigkeiten und unsere Leben sind alle das Eigentum ande-rer. Wir sind intellektuelle Prostituierte.“

Matth ias Et zo ld

INTELLEKTUELLE PROSTITUIERTE

Oberfl ächliche Recherche, seichte Themen und Verdruss: Manövriert

sich der Journalismus in den USA ins Abseits? Eine Bestandsaufnahme

Redakteure mit Rückgrat kommen

ins Schwitzen

Page 13: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

Noir - Ausgabe 4/2008 11

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Berge versetzen.

Wäre ich Maler, hätte ich gemalt, wäre ich Musi-

ker, hätte ich Musik kompo-niert. Aber ich bin Professor, also habe ich eine Vorlesung gehalten.“ Als der Computer-wissenschaftler Randy Pausch am 18. September 2007 seine letzte Vorlesung an der Carne-gie Mellon University in Pitts-burgh (USA) hält, ist der Titel Last Lecture leider wörtlich zu nehmen.

Die Last Lecture ist eine net-te Tradition an amerikanischen Universitäten. Professoren wer-den gebeten sich vorzustellen, diese Vorlesung sei ihre letzte. Was wollten sie den Studenten mitgeben? Es geht um Weisheit und die großen Fragen der Menschheit.

Randy Pausch muss sich nicht vorstellen, es sei seine letzte Vorlesung. Er weiß es. Pausch hat Bauchspeicheldrü-

senkrebs im Endstadium, zehn Tumore in seiner Leber und nur noch wenige Monate zu le-ben. Er hat gekämpft, aber der Krebs war immer stärker. Ran-dy Pausch ist mit seiner Traum-frau Ja verheiratet und hat drei kleine Kinder: Dylan, Logan und Cloe. Dennoch, oder ge-rade deswegen, handelt seine Vorlesung vom Leben, nicht vom Sterben. „Zeit ist alles, was man hat“, so Pausch und

so wolle er die begrenzte Zeit, die ihm bleibe, nicht damit ver-geuden, sich zu bemitleiden.

„Obwohl ich Krebs habe“, sagt Pausch, „bin ich ein glücklicher Mensch! Denn ich konnte meine Kindheitsträu-me verwirklichen.“ Zu Pauschs Kindheitsträumen gehören un-ter anderem das Schweben in der Schwerelosigkeit, bei Dis-ney zu arbeiten, auf dem Jahr-markt große Kuscheltiere zu gewinnen und einen Lexikonartikel zu verfas-sen.

Und so spricht er in seiner letzten Vorlesung über Kinderträume und wie man sie wahr werden lassen kann. Und noch viel wichtiger: Er spricht darüber, wie man anderen dabei helfen kann, Träu-me zu verwirklichen und sie mit Leidenschaft zu inspirieren. Sein Vortrag ist witzig und selbstironi-sch. Randy Pausch macht nachdenklich, aber gleich-zeitig auch Mut.

Millionen schauten sich die Vorlesung im Inter-net an. Die Vorlesung bietet die Grundlage für das Buch „The Last Lec-ture – Die Lehren meines Lebens“, das Pausch mit Co-Autor Jeffrey Zaslow geschrieben hat. Das Buch wurde mittlerweile in ein Dutzend Sprachen über-setzt und ist ein weltweiter Bestseller.

Pauschs Kinder Dylan, Logan und Cloe sind fünf,

VOLLER LEBEN

Der US-Computerwissenschaftler Randy Pausch starb an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Millionen schauten sich

seine letzte Vorlesung im Internet an. Dabei war sie eigentlich nur für seine Kinder gedacht

„Zeit ist alleswas man hat“

zwei und ein Jahr alt, als ihr Va-ter am 25. Juli dieses Jahres im Alter von 47 Jahren stirbt. Seine Last Lecture soll den Kindern Antworten geben, wenn sie in das Alter kommen, in dem sie nach ihrem Vater fragen. Die Vorlesung und das Buch sollen ihnen helfen zu verstehen, wer ihr Vater war, was ihm wichtig war und was er seinen Kin-dern mitgeben möchte. Randy

Pausch hielt diese Vorlesung für seine Kinder. Nicht nur seiner Familie wird er als ein begnadeter Lehrer, brillanter Forscher und vor allem als ein liebender Ehemann und Vater in Erinnerung bleiben.

Mir iam Kumpf

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Page 14: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

12 Noir - Ausgabe 4/2008 Alle Fotos: Thibaut Gauzin-Müller

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HANNIBALS ENKEL

Sich selbst überwinden, die wilde Schönheit und Macht der Alpen erleben –

die Faszination des Alpenwanderns

Der Karthagerführer Hannibal über-quert im Jahr 218 vor Christus die

winterlichen Alpen um Rom einzuneh-men. Seit jeher führen Transitwege über die Alpen, die als natürliches Hindernis zwischen Mittel- und Südeuropa stehen.

Einmal die Alpen zu überqueren wie Hannibal, das stellte sich der 18jährige Thibaut Gauzin-Müller als eine richtige Herausforderung vor, der er sich unbe-dingt stellen wollte. Seine Absichten wa-ren dabei jedoch nicht kriegerisch, son-dern äußerst friedlich.

Gemeinsam mit seinem Freund Andreas (20) machte er sich im Sommer 2007 an dieses Wagnis. „Ich wollte einfach mal spüren, wo meine körperlichen Grenzen liegen“, erklärt Thibaut den Grund für seine Entscheidung, „und die Alpen sind nunmal eine echte Herausforderung. Vor allem, da wir beide noch nie Mehrtage-stouren gemacht hatten“.

Gerade für Neulinge ist es schwierig, eine solche Reise zu planen. Doch die beiden Schüler wussten sich durch das Internet zu

helfen. Sie informierten sich in Foren über Ausrüstung, Gepäck und Routen. Sie ver-brachten Stunden damit, die spannendste Route herauszusuchen, und entschieden sich schließlich für den Fernwanderweg E5 von Oberstdorf nach Bozen, da dieser die höchsten Berge der Umgebung hat. Wenn schon, denn schon!

Beim Deutschen Alpenverein in Stutt-gart ließen sie sich noch einmal beraten und traten schließlich sogar ein, um an gün-stigere Unterbringung und Verpflegung in den Hütten zu kom-men. Aber auch der soziale Gedanke, dadurch das Wandern für die Allgemeinheit zu verbessern, be-wegte sie zu dieser Entscheidung. Denn der Alpenverein bemüht sich unter ande-rem um bessere und sicherere Wander-wege und unterstützt die Berghütten und ihre Ausrüstung.

Der Deutsche Alpenverein wurde 1869 gegründet und ist mit 750.000 Mitgliedern der größte Bergsportverband der Welt und einer der großen Sport- und Naturschutz-verbände Deutschlands. Er steht für die Vereinbarkeit von Bergsport und Natur.

In der Stuttgarter Innenstadt besorgten sich Thibaut und Andreas die passenden

Wander ruck säcke, Wanderstöcke, Was-serflaschen, Hütten-schlafsäcke, Wander-hosen und -schuhe, um perfekt vorbereitet zu sein.

Ein Wanderhut durfte nicht fehlen, „ohne Hut kann man

doch nicht wandern gehen“, lacht Thibaut.Außerdem ist die Höhensonne in den Al-pen nicht zu unterschätzen – wer nicht auf-passt, hat schnell einen Sonnenstich oder einen schmerzhaften Sonnenbrand.

Die Packliste musste gut durchdacht sein, da beim Wandern jedes Gramm

Willst du einBonbon?

250 Gramm zu viel im Rucksack

Mit Stock und Hut durch die Alpen. Die geschundenen Füße entschädigt ein phänomenaler Ausblick Rauschende Gebirgsbäche sorgen für Abkühlung

Page 15: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

Noir - Ausgabe 4/2008 13

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Klima retten.

Kalte Duschen und Mas-senlager auf den Hütten

Die Jungwanderer schreckt das nicht ab

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zählt. Schließlich muss der Wanderer seine Ausrüstung viele Höhenmeter hoch und wieder runtertragen. Es gibt sogar Freaks, die den Stiel ihrer Zahnbürste abschneiden, um Gewicht zu sparen.

Ganz so penibel waren Thibaut und Andreas nicht – sie ließen ihre Zahnbürsten ganz. „Aber wir hatten eine Packung „Nimm Zwei“ dabei – das waren 250 unnötige Gramm! Wir haben dann jedem, den wir trafen sofort versucht ein Bonbon anzudrehen“, scherzt Thibaut.

Sonst hatten sie nicht sehr viel dabei. Nur Kleidung zum Wechseln, ein paar warme Sachen, zwei Liter Wasser, En-ergieriegel als Kalorienbomben, das wichtigste zum Wa-schen, Notfallapotheke, Fotoapparat, Taschenmesser und Toilettenpapier, falls mal keine Hütte in der Nähe ist.

„Der erste Tag war eigentlich der schwerste“, erninnert sich Thibaut. „Bis wir endlich an der ersten Hütte waren, hat uns alles weh getan. Ich habe jeden einzelnen Muskel in meinem Körper gespürt. Im Schlafsaal, einem Massen-lager, hatte es gerade mal acht Grad, und duschen konnte man auch nur kalt.“

Mit solchen Unannehmlichkeiten muss man als Wande-rer rechnen. Aber die beiden Jungwanderer schreckte die-se „Kleinigkeit“, wie Thibaut meint, nicht ab. „‚Was mich nicht umbringt, macht mich nur stärker‘ war unser Mot-to, frei nach Milton. Selbst wenn man glaubt, man kann nicht mehr weitergehen, kann man sich zusammenreißen und nochmal eine ganze Weile durchhalten.“

All die Strapazen haben sich am Ende gelohnt: Für bei-de war die Tour ein unvergessliches Erlebnis. Die endlose Weite der Berge, die unglaubliche Aussicht und vor allem das gute Gefühl, etwas wirklich Großes erreicht und sich selbst überwunden zu haben. Dieses Jahr wollen Thibaut und Andreas wieder ein Stück der Alpen erkunden und noch schneller noch höhere Gipfel erklimmen.

Ann-Kathr in Freude

Page 16: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

14 Noir - Ausgabe 4/2008 Fotos: photocase.com/User: misterQM (o. l inks); photocase.com/User: .marqs (u.l inks);Jez Arnold (rechts)

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Kansas, der „Sunflower State“ der Vereinigten Staaten im Jahr 1994:

Linda Katz bekommt Anschluss an das Internet. Eigentlich will sie nur lernen, wie man damit umgeht, und ihrer Fami-lie eine eigene Seite im Netz erstellen. Doch daraus sollte sich eine Geldquelle der besonderen Art entwickeln. „Dass es sich so entwickelt, hätte ich nie gedacht”, verriet die stolze Besitzerin der „Prairie

Tumbleweed Farm” Anfang des Jahres der Financial Times Deutschland. Tum-bleweeds, zu deutsch Steppenläufer, das sind diese Büsche, die in jedem Western durch die Gegend rollen. Wohlgemerkt rollen, nicht einfach nur herumliegen! Darauf legt Linda wert: „If they don‘t tumble we don‘t sell them!” steht auf ih-rem Webauftritt. Zu deutsch „wenn sie nicht rollen, verkaufen wir sie nicht!”

Wie es aussieht, hält sie ihr Verspre-chen, denn die Bestellungen reißen nicht ab. Ob aus Österreich oder aus

Indien: Pro Jahr bringen die Büsche mehrere Tausend US-Dollar ein. Sie kosten zwischen 15 und 25 Dollar pro Stück, je nach Größe. Hinzu kommen die Kosten für den Versand. Selbst die Nasa hat schon einmal angerufen, auch den Film „Wenn Träume fliegen lernen“ mit Johnny Depp schmücken bereits die Heuballen aus Linda Katz’ Produktion.

„Mit der Tumbleweedfarm verdiene

ich mir mein Taschengeld”, so die er-folgreiche Unternehmerin. Sie ist sonst Hausfrau, ihr Mann hat einen Dachde-ckerbetrieb. Ist ein Ende des Geldsegens in Sicht? Angst, dass der Vorrat einmal ausgeht?

Linda Katz meint: „Oh nein, wirklich nicht. Wir haben hier so viele Büsche in der Region, dass die Farmer sie oft ver-brennen.” Manchmal würden sie sogar Verkehrsunfälle verursachen. Weil sie durch die Gegend rollen. Wie in jedem Western. Okan Be l l i k l i

Im Namen des Gesetzes

Amerika ist nicht nur das Land der unbe-grenzten Möglichkeiten, sondern auch der kuriosesten Gesetze. Wer seine Speisen ger-ne mit Knoblauch würzt sollte aufpassen, denn im Bundesstaat Indiana darf man vier Stunden nach dem Verzehr von Knoblauch nicht mit der Straßenbahn fahren. In Texas solltet ihr immer bequeme Schuhe tragen, denn eine städtische Verordnung bestimmt dort, dass man nicht barfuß gehen darf, ohne sich vorher für fünf Dollar eine beson-dere Genehmigung besorgt zu haben.

Wenn ihr einen guten Gleichgewichtssinn und Lust zum Feiern habt, seid ihr in Kentu-cky richtig, denn hier gilt jeder als nüchtern, solange er sich noch aufrecht halten kann. Als besonderer Tierfreund sollte man in New York aufpassen: Hier dürfen Giraffen näm-lich nicht an Straßenlaternen festgebunden werden. Anna Rupper t

Vom Wunsch der eigenen Webseite zur Lieferantin von rollenden

Büschen für die Nasa und Hollywood: Die wundersame Geschichte

von Linda Katz und ihrer Tumbleweeds-Farm

BUSCH FÜR 25 DOLLAR

Kurioses USA-Wissen

Auf den Highways gibt es sogenannte „Food Exits“, die zu nichts weiter als einer An-sammlung verschiedenster Restaurants füh-ren – in der Regel Fast-Food-Restaurants. Vergangenes Jahr zerrte ein Senator aus dem US-Staat Nebraska Gott vor Gericht, um sei-ne Kritik am amerikanischen Rechtswesen auszudrücken – es kann nämlich jeder jeden verklagen.

Einer 61jährigen Gouverneurin wurde der Einlass in ein Lokal verweigert. Begün-dung: Sie hatte keinen Ausweis dabei. Der Türsteher war sich nicht sicher, ob die Dame die Altersgrenze für den Alkoholgenuss – 21 Jahre – schon erreicht hatte.

In Pennsylvania sollte der Papagei einer Frau sich zur Musterung melden. Angeboten wurden ihm auch ein Leihanzug, ein Aus-tausch-Studienplatz und eine Kreditkarte. Okan Be l l i k l i

Sie rollen durch den Wilden Westen und verursachen manchmal sogar Verkehrsunfälle: Tumble-weeds. Linda Katz aus dem US-Bundesstaat Kansas vertreibt sie erfolgreich über das Internet.

Page 17: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

Noir - Ausgabe 4/2008 15

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Foto: Fabian Sommer

Schon der Name klingt nach einem Paradies in der

Südsee. Doch Hawaii hat viel mehr zu bieten: vom wüstenar-tigen Klima über hochalpine Zonen und tropischen Regen-wäldern wartet Hawaii mit den verschiedensten Klimazonen auf, die sehr nah beieinander liegen. Es lohnt sich also, nicht nur faul an den Traumstränden zu liegen, sondern das Land zu entdecken.

Die erste Insel, die wir er-kunden ist Kaua’i, die Garten-Insel. Wir entdecken wun-derschöne Sandstrände mit grandiosen Wellen, an denen sich zahlreiche Surfer tum-meln. Der Großteil der Insel ist sehr grün und pflanzen-reich. Wir durchfahren den Weimea-Canyon, eine etwa 15 Kilometer und mehrere Hun-dert Meter tiefe Schlucht. An deren Ende haben wir einen sagenhaften Blick auf die Na-pali Küste, die schon Schau-plätze für zahlreiche Kinofilme wie King Kong bot.

Am letzen Tag auf Kaua’i erlebe ich den ersten Heliko-pterflug meines Lebens. Nach anfänglichem flauem Gefühl im Magen genieße ich immer mehr den außergewöhnlichen Blick von oben auf die Insel. Die Tour geht auf der größten der sieben hawaiianischen In-seln weiter: Big Island. Die In-sel ist vulkanischen Ursprungs. Es gibt sehr wenige Pflanzen, dafür umso mehr erstarrte La-vaströme.

Unser erstes Ziel ist der der Vulcano National Park. Hier befindet sich der aktivste Vul-kan der Welt: der Kilauea. Wir sind mit einem Mietwa-

gen unterwegs, denn auf der Insel fahren keine Busse. Es geht quer durch erkaltete La-vaströme. Wir machen Halt an riesigen Kratern. Wir laufen durch frühere Lavaröhren, in denen die Lava vor hunderten von Jahren unterirdisch ins Meer floss. Am Abend können wir aus sicherer Entfernung beobachten, wie noch flüssige Lava ins Meer fließt und dieses zum Kochen bringt.

Nach einigen entspannten Tagen auf der anderen Seite der Insel fliegen wir die letzte Insel auf unserer Reise an: Maui, die magische Insel. Hier verbringen wir viel Zeit an den wunder-schönen Sandstränden und liegen unter Palmen. Nachts besuchen wir den Haleakala, den größten Vulkan der Insel. Von hier oben erleben wir einen magischen Sonnenauf-gang. Die restlichen Tage verbringen wir mit Bo-dyboarden, Schnorcheln und Relaxen am Strand – so lässt es sich aushalten.

Nach drei Wochen heißt es leider Abschied nehmen von der einzigartigen Na-tur, den Traumstränden, den unglaublich freund-lichen und hilfsbereiten Inselbewohnern und dem herzlichen „Aloha“, mit dem man an jeder Stra-ßenecke begrüßt wird. Be-vor ich ins Flugzeug steige, lasse ich den Blick noch einmal über den Horizont schweifen und weiß, dass ich eines Tages wieder-kommen werde.

Fab ian Sommer

Nach zwölf Stunden Flug Zwischenstopp in San Fransisco. Nach weiteren sechs Stunden Flug ist das Ziel der

Reise um die halbe Welt erreicht: Hawaii

THE ALOHA STATE

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Page 18: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

16 Noir - Ausgabe 4/2008

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Foto: ohneski / photocase.com

Ein rasselnder Ball, „Voy“-Rufe, klopfen gegen die Torpfosten und Zuschauer,

die keinen Mucks von sich geben – keine gewöhnliche Szene auf einem Fußball-platz.

Ein Spieler im gelben Trikot startet ei-nen Angriff auf das Tor der gegnerischen Mannschaft. Er trägt eine blaue Augenbin-de. Alexander Fangmann ist 23, Student an der Uni Tübingen und erfolgreicher Fußballspieler. Seit seiner Kindheit ist Ale-xander begeistert vom runden Leder. Die Netzhautablösung, an der er im Alter von acht Jahren erblindete, konnte ihn nicht davon abhalten, sein liebstes Hobby wei-terzuführen. Inzwischen spielt er nicht nur in der Blindenfußballbundesliga, sondern ist auch Kapitän der deutschen National-mannschaft.

Dribbeln, Strafstoß und Neunmeter: Für Alexander und seine Mannschaftskol-legen steht das volle Programm eines Fuß-balltrainings auf dem Plan. Einmal in der Woche trainiert der Rhetorikstudent mit der Blindenfußballmanschaft des MTV Stuttgart; ein weiteres Mal beim Hoch-schulsport seiner Uni. Gerade testet er in einem Probespiel seinen Trainingsstand.

Bis auf den Torwart und einen soge-nannten Guide, der hinter dem Tor An-weisungen gibt, sind alle vier Feldspieler blind. Aus Fairnessgründen tragen die Fußballer eine Augenbinde, denn einige von ihnen können noch Umrisse oder Schatten erkennen.

Alexander passt seinem Mannschaftskol-legen Jörg den Ball, dieser läuft Richtung Tor, wird aber von einem gegnerischen

Spieler aufgehalten. Bundestrainer Ulrich Pfisterer pfeift: Strafstoß! Der gegnerische Spieler hatte nicht mit einem „Voy“ auf sich aufmerksam gemacht. Das ist spanisch und heißt soviel wie „Ich komme“.

Beim Blindenfußball läuft alles über das Gehör. Kommunikation zwischen den Spielern ist das A und O. Nur so können sie sich auf dem Platz orientieren. Deshalb müssen die Spieler auch akustisch klarma-chen, dass sie angreifen.

Das Spielfeld ist mit 20 mal 40 Metern deutlich kleiner als beim gewöhnlichen Fußball. Begrenzt wird es durch Banden, an denen sich die Spieler entlang tasten oder über die Bälle gepasst werden kön-nen. Die Bälle sind mit Rasseln gefüllt, da-mit die Spieler sie hören können und sind außerdem etwas kleiner und schwerer als der Standardball.

Hohe Pässe gibt es im Blindenfußball nicht. Bis auf diese wenigen Ausnahmen läuft ein Blindenfußballspiel aber genau so rasant und spannend ab wie ein Spiel sehender Fußballer.

Die Geschichte des Blindenfußball in Deutschland ist noch jung. Im Mai 2008 fand die erste Bundesliga statt. In-ternational konnten sich Alexander und seine Mannschaftskollegen bereits 2007 in Athen bei der Europameisterschaft im Blindenfußball mit anderen Mann-schaften messen. „Leider erreichten wir nur den siebten Platz – aber Spaß gemacht hat es trotzdem“, sagt Alexander.

Bis vor kurzem gab es in Deutschland noch keine feste Vereinsorganisation, wie das beispielsweise in Südamerika, England oder Spanien – daher übrigens auch der spanische Begriff „Voy“ – schon viele Jah-re der Fall ist. Inzwischen wird der Sport auch in Deutschland gefördert, unter an-deren vom Deutschen Blinden- und Sehbe-hindertenverband (DBSV) und dem Deut-sche Behindertensportverband (DBS).

Nächstes Ziel von Alexanders Mann-schaft: die Europameisterschaft 2009 in Frankreich. Bis dahin stehen jedoch noch viele Trainingseinheiten auf dem Pro-gramm, denn die Latte hängt hoch: „Von einem Fußballland wie Deutschland wird natürlich auch im Blindenfußball einiges erwartet“, weiß Ulrich Pfisterer.

Für Alexander heißt das, weiterhin min-destens zweimal in der Woche neben den Vorlesungen trainieren und einmal in der Woche mit dem Zug nach Stuttgart fahren. J u l ia K leb i t z

ALLES ÜBER DAS GEHÖR

Sie können das Tor nicht sehen, dribbeln aber trotzdem wie die Profi s, und ihr Spiel ist nicht minder rasant:

Blindenfußball wird auch in Deutschland populär. Und die Erwartungen an die Mannschaft sind hoch

Page 19: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

Noir - Ausgabe 4/2008 17

L i festy le ~ Kultur ~ Ti te l thema ~ Porträt ~ Reportage ~ Wissen ~ Reise ~ Sport ~ Noir- Intern ~ Pol i t ik ~ Querbeet

Fel ic ia Schneiderhan, 2

0, Studentin

In fünf Adjektiven: unbeschwert aber krit isch,

weltoffen, kreativ und sowieso unbeschreibl ich

Mein Job bei der NOIR: Redakteurin

Wen würdest du gerne interviewen und warum?

Muhammed bin Raschid al Maktum – Dubai im

Spannungsfeld zwischen m

usl imischen Moralvor-

stel lungen und westl iche

r Dekadenz?

Berufswunsch im Kindergarte

n: Ich wol lte, wenn

ich groß bin, immer Dinosaurierknochen au

sbuddeln

Liebl ingsessen: Croissant m

it Butter und Honig

Bei dieser Real ity-Show würde ich so

fort mit-

machen: UNO sucht d

en Mega-Delegierten – in

der Jury Ban Ki Moon, Rupert Murdoch und

Wladimir Putin

Das kann ich überhaupt

nicht: die übergeordnete

Ordnung in meinem Kopf entdecken

Jan Marti

n Spreitzenbarth

, 20, Schüler

In drei A

djektiven

: schludrig ,

süß, zu eh

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Mein Job bei d

er NOIR: Schre

iberl ing

Im Unterrich

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Impressum

Noir ist das junge Magazin der

Jugendpresse Baden-

Württemberg e.V.

Ausgabe 7 – Oktober 2008

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Page 20: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

Wäre die Welt ein großes Kinder-zimmer, dann würden wohl fünf

Paar Kinderhände begierig nach diesem neuen interessanten Spielzeug greifen: der Arktis. Circa 15 Millionen Quadrat-kilometer eisbedeckter Ozean, der in den letzten dreißig Jahren enorm an Wichtig-keit gewonnen hat und nun die Begierde der Machthaber reizt. Denn außer einem Paradies für rund vierzig gefährdete, ark-tische Tierarten und dem wichtigsten Argument gegen die Erderwärmung lie-gen große Mengen schwarzen Goldes im Schoße der Arktis.

Rund ein Viertel des Erdöl- und Erdgas-vorkommens der Erde soll nach Exper-teneinschätzung am arktischen Nordpol zu finden sein. Nach Jahrzehnten wohl-wollender Beteuerungen der Mächtigen, die Arktis sei Gemeinschaftsgut und aus ökologischen Gründen für Staatsober-häupter unantastbar, beginnt sich diese altruistische Ansicht zu ändern. Mit der industriellen Entwicklung großer Schwel-lenländer wie China und Indien steigt die Nachfrage nach Erdöl erheblich. Der Öl-preis drückt. Niemals zuvor waren wir uns der Erschöpflichkeit der Erdölquellen so sehr bewusst.

In diesem Bewusstsein breitet sich un-ter den fünf formellen Anrainerstaaten der Arktis Argwohn aus. Jeder möchte sein Stück vom arktischen Erdölkuchen abhaben. Auch die unter der globalen Er-wärmung frei schmelzenden Gebiete, die neue, günstige Seewege für die Schifffahrt öffnen, sorgen für begehrliche Seiten-blicke der Anrainerstaaten. Vor allem die

großen An-rainer Ka-nada, Russ-land und die USA stehen bezüglich der Arktis-Frage au-ßenpolitisch unter Druck. Diese unter-schwellige Rivalität gip-felte im Sommer 2007 in einer symbolischen, aber ernst zu nehmenden Geste der Russen: In 4000 Metern Tiefe unter dem polaren Packeis „hissten“ sie auf dem Meeresboden die russische Flagge. Dies geschah im Zuge einer russischen Expedition, die beweisen sollte, dass die Arktis geologisch gesehen zum russischen Staatsgebiet gehöre.

Nach kurzer Empörung seitens der üb-rigen Anrainer, beäugt man sich seitdem misstrauisch. Um einer Eskalation dieses stillschweigenden Wettrennens vorzubeu-gen, lud Dänemark im Mai 2008 vier An-rainerstaaten der Arktis zum Gipfeltreffen in Grönland ein. Diplomaten Kanadas, Russlands, Norwegens, Dänemarks und der USA tauschten sich hier zu diesem prekären Thema aus. Eine Lösung des Konflikts um die Gebietsansprüche in der Arktis ist jedoch noch weit entfernt.

Fakt ist: Um als Inhaber der arktischen Gebiete die Ölquellen auf legale Weise zu schröpfen, bedarf es der Genehmigung der Vereinten Nationen, die sich auf die Seerechtskonvention berufen. Außer den USA haben alle Anrainerstaaten diese Konvetion im Jahre 1982 ratifiziert und

haben bis 2013 Zeit, im Rahmen dieser Konvention ihre Besitzansprüche auf die Arktis bei den Vereinten Nationen anzu-melden. Deshalb läuft der Ratifizierungs-prozess der Seerechtskonvention in den USA nun auf Hochtouren.

Immerhin werden die Anrainer dank der Initiative Dänemarks wohl eine ge-meinsame Erklärung verabschieden, die eine friedliche, diplomatische Lösung von Streitigkeiten vorsieht und die Einhaltung der internationalen Regeln voraussetzt. Für die USA führt damit kein Weg an der Seerechtskonvention vorbei. Wie die Vereinten Nationen reagieren, bleibt abzu-warten. Eine schnelle Lösung ist allerdings nicht in Sicht. Bleibt zu hoffen, dass sich alle Wettstreiter trotz großer Verlockung an die Regeln halten, um so die gefähr-liche Ausbeutung eines der sensibelsten Ökosysteme unseres Planeten wenigstens hinauszuzögern.

Fe l i c ia Schne iderhan

RINGEN UM DEN NORDPOL

Unter dem ewigen Eis der Arktis sollen rund ein Viertel der

globalen Rohölvorkommen liegen. Die Arktis-Anrainer

ersuchen nun auf dem internationalen Terretorium

ihre Ansprüche abzustecken

Foto: Yannik Markworth / www.jugendfotos.de

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18 Noir - Ausgabe 4/2008

Page 21: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

Noir - Ausgabe 4/2008 19

VERDECKTE PARTNERSCHAFTZwei amerikanische Professoren möchten ihre brisanten Recherchen über die politischen und wirtschaftlichen

Beziehungen zwischen den USA und Israel veröffentlichen – und stoßen auf heftigen Widerstand

Nicht oft haben Wissenschaftler den Mut, ein Tabu zu brechen. In den

Vereinigten Staaten ist die enge politische Bindung an Israel längst zu einem Tabu geworden.

Umso mehr erstaunt daher der Artikel „The Israel Lobby“. Zwei Professoren für internationale Beziehungen, John Mears-heimer aus Chicago und Stephen Walt aus Harvard, haben auf 21 eng bedruckten Sei-ten Fakten zusammen getragen, die viele erstaunen mögen.

Israel bekommt von den USA zu beson-ders günstigen Bedingungen mehr direkte finanzielle Hilfe als jedes andere Land, dazu Militärhilfe und beispiellose poli-tische Unterstützung.

Seit 1982 haben die USA in den Ver-einten Nationen 32 israelkritische Resolu-tionen per Veto verhindert. Die Autoren fragen sich, wie es dazu kommen kann, dass Amerika solch eine Politik führt, die deutlich erkennbar den nationalen Inte-

ressen schade, den Ölpreis in die Höhe treibt und das Verhältnis zur arabischen Welt negativ beeinflusst?

Die Israel-Lobby unterscheidet sich von anderen, weniger mächtigen Interessenver-tretungen in zwei wichtigen Punkten: zum einen durch ihre meist erfolgreichen Ver-suche, israelkritische Stimmen zu unter-binden. Zum anderen in ihrem Bestreben, Amerika zu militärischen Maßnahmen zu bewegen, die zwar mancher in Israel für angemessen halten mag, die aber den In-teressen der Vereinigten Staaten objektiv entgegenstehen.

Walt und Mearsheimer geben Beispiele: etwa Wahlkämpfer, die es an Israel-Treue fehlen lassen, und deswegen von der Lob-by abgeschossen werden. Oder wie selbst zaghafte Versuche amerikanischer Regie-rungen, auf Israel Druck auszuüben, durch die erfolgreiche Mobilisierung pro-israe-lischer Stimmen im US-Kongress blockiert werden. Man kann über viele diese Thesen

streiten. Genau das ist es, was die beiden Autoren anstreben: eine „offenere Debatte über die Interessen Amerikas“. Ob ihnen das allerdings gelingen wird, ist fraglich. Bisher haben sie zu Hause nur Nichtbeach-tung geerntet und sich den wohlfeilen Vor-wurf des Antisemitismus eingehandelt.

Es ist selbst in Amerika nicht mehr so einfach, ein Tabu herauszufordern. Die Technik der Autoren ist raffiniert simpel. Sie leugnen das Offensichtliche in Ver-schwörerton: Dass Israel die einzige De-mokratie in Nahost zwischen Diktaturen sei, „kann das Ausmaß der Hilfe nicht er-klären“. Wieso eigentlich nicht?

Tatsächlich hatten die Autoren in den USA niemanden gefunden, der ihre Stu-die drucken wollte. Was wiederum ein Beweis ist für – richtig: den Einfluss der Israel-Lobby!

I r ina Be rnhardt

Foto: Nicole Falterbaum / www.jugendfotos.de

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Page 22: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

20 Noir - Ausgabe 4/2008 Foto: photocase.com/User: el_fabo

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Das lästige Surren steigert sich wie im Crescendo des berühmten

Hummelflugs von Korsakow. In der Stille der Nacht hört sich die Fliege an wie der Rotor eines tieffliegenden Hub-schraubers. Jede Hoffnung, der dicke Brummer werde endlich landen, macht er im Bruchteil einer Sekunde zunichte, indem er sich wieder in die Lüfte des Schlafzimmers erhebt. Doch damit ist jetzt Schluss! Ich habe ein ganzes Waffe-narsenal zusammen getragen. Möge der Kampf beginnen.

Phase eins: Stundenlang öffne ich bei Dämmerung meine Fenster und schalte Festbeleuchtung ein. Mücken, Schna-ken, Fliegen – das volle Programm ist in meinen vier Wänden versammelt.

Phase zwei: Im Wohnzimmer stecke ich einen elektrischen Mückenwächter in die Steckdose. Der „Windhager 3350“ soll Insekten durch ultrahohe, nicht wahrnehmbare Tonfrequenzen verschre-cken. Den Effekt des Wundersteckers schreibe ich jedoch dem Zufall zu. In der Küche versprühen sechs Zitruskerzen ih-ren Duft. Hier sind tatsächlich nur weni-ge Fliegen zu finden. Dafür ist der stren-ge Geruch gewöhnungsbedürftig. Die Kerzen sind wohl eher für Terasse oder Balkon geeignet. Im Schlafzimmer sol-len chemische Fallen ihr Werk verrich-ten. Die Chemiekeule bringt jedoch nur den Fruchtfliegen und wenigen dicken Brummern erhebliche Verluste bei.

Phase drei: Ich teste eine hell strah-lende Blaulicht-Lampe, die kurz und schmerzlos per Elektroschock tötet. Vor allem Falter und Motten rasen wie die Lemminge auf die Lampe zu. Bis auf das ab und an ertönende Knistern verbreitet die Lampe sogar eine loungige Atmo-sphäre in meinem Wohnzimmer. Jedoch ist helles Licht in anderen Räumen tabu. Sehr zum Nachteil jeglicher lichtgebun-dener Aktivitäten.

Phase vier: Überlebende verfolge ich nun mit der altbewährten Fliegenklat-sche. Leider geht bei der wilden Jagd ein Bilderrahmen zu Bruch, und schlafen kann ich nach dem Adrenalin geschwän-gerten Blutrausch auch nicht mehr.

Phase fünf: Ich packe die Geheimwaf-fe aus: die Fliegen-Kanone. Eine Art Minifliegenklatsche wird auf den Lauf des Plastikrevolvers gegen den Wider-stand einer Feder gedrückt und einge-rastet. Jetzt nur noch zielen und Feuer frei! Durch das Drücken des Abzugs be-schleunigt der Fliegenfänger durch die Feder und erschlägt sein Opfer selbst auf weichem Grund. Innerhalb weniger Mi-nuten bin ich die Plagegeister los. Wer braucht schon Agent 007? Die Plastikka-none ist mein Geheimtipp, seither mein ständiger Begleiter im Kampf gegen das Surren und gewinnt den Praxistest vor allem aufgrund des großen Spaßfaktors. Kat r in Ehmke

Im Visier des neuen Noir-Praxistests steht der Kampf

gegen Schnaken, Brummer und Co.

AGENT NULL NULL FLIEGEAl l täg l icher WG-Wahnsinn

Als ich erfahren habe, dass ich Vater werde, gingen mir tausend Gedanken und Gefühle durch den Kopf. Von Freude bis Angst war alles dabei. Natürlich habe ich mich auch gefragt, wie es weitergeht. Nach einer Weile habe ich die neue Situation akzeptiert und begonnen, mich auf den Nachwuchs zu freu-en.

Martin Rafael ist am 18. Juli um 18.45 Uhr auf die Welt gekommen. Ich war bei der Ge-burt dabei, es war toll! Meinen eigenen Sohn in den Armen zu halten war ein unbeschreib-liches Gefühl, ich konnte es gar nicht wirk-

lich glauben. Seitdem hat sich in meinem Leben viel verändert: weniger Party, mehr Stress und mehr Verantwortung. Dafür aber auch jeden Tag neue Erlebnisse und Glücks-gefühle. Meine Freundin Maria, Martin und ich sind jetzt eine Familie.

Inzwischenhabe ich keine Angst mehr, dass ich etwas falsch machen oder es nicht schaffen könnte. Klar frage ich mich, wie die Zukunft sein wird, aber ich sehe es optimi-stisch. Für Martins Zukunft wünsche ich mir, dass er sein Leben genießen kann und immer viel Freude mit seinen Eltern hat. tb

Mein erstes Mal ... Vater werden

Mein erstes Mal

„Die Mülltonne ist weg“, sagt Jule und knallt die Wohnungstür zu. Ich verstehe nicht so richtig. „Wie, weg?“

Jule zuckt die Achseln. „Weg eben. Ge-klaut!“ – „Wer klaut denn Mülltonnen?“ will ich wissen. Der vorwurfsvolle Blick meiner Mitbewohnerin bringt mir die Einsicht. In unserer Siedlung hat jede Wohnung eine Mülltonne, die alle zwei Wochen geleert wird. Eine zweite Müll-tonne ist der Inbegriff von Luxus ... den in unserem Fall jetzt jemand anderes genießt! Unsere Mülltonne ist also weg. Wen ruft man da an? Die Polizei, die Müllabfuhr, Stern-TV?

Jule und ich tun das, was man in ei-ner WG immer tut, wenn man ratlos ist: Wir geben uns gegenseitig die Schuld. „Bestimmt haben die Nachbarn sie uns weggenommen, weil DU nie Zeitungspa-pier um den Biomüll wickelst!“ meckert Jule.

Da kann ich nicht viel gegen sagen, au-ßer, dass es stimmt. Aber ich kann kon-tern. „DU hast doch neulich deine alte Zahnbürste in den Hausmüll geworfen.“

„Weil DU seit vier Wochen sagst, dass du neue Plastiksäcke holst.“ Gelbe Sä-cke gibt es bei uns nur beim Bürgeramt, und das hat komische Öffnungszeiten. Wir könnten ewig so weitermachen. Die Mülltonnengötter haben Recht. Sowas wie wir verdient keinen grauen Abfallbe-hälter. Am nächsten Tag wickele ich drei Bananenschalen in den Sportteil ein, und Jule geht morgens um 8 Uhr zum Bürgeramt, um Gelbe Säcke zu holen. Nachmittags kaufen wir im Baumarkt eine neue Mülltonne. Als wir damit nach Hause kommen, steht die alte wie-der an ihrem Platz. Georg ia Häd icke

Die Mülltonne

Page 23: NOIR - Ausgabe 7: Amerika

Anmeldeschluss:31. Oktober 2008Einsendeschluss:15. Januar 2009

Beim Siemens Schülerwettbewerb 2009 in Mathematik, Naturwissenschaften und Technik.

Wir suchen junge Forscherinnen und Forscher ab Jahrgangsstufe 11 mit innovativen Lösungsansätzen rund um die Ressource Wasser. Die Besten präsentieren ihre Arbeiten vor Professoren der Partner-Universitäten RWTH Aachen, TU Berlin und TU München. Gewinnen Sie Geldpreise im Gesamtwert von 111.000 Euro!

Ein Projekt des weltweiten Bildungsprogramms Siemens Generation21.www.siemens.de/generation21/schuelerwettbewerb

Antworten.

Auf H2Ochtourenforschen?

Page 24: NOIR - Ausgabe 7: Amerika