nr. 26 juni - juni bis september 2015

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Ausgabe 26 Juni – September 2015 Fachmagazin für das Management im öffentlichen Sektor Deutschland 4.0 Neue Perspektiven Interview Der Code für Innovationen Wissenschaſt Vertrauen in der digitalen Welt Ausland Wien erfindet sich neu

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Page 1: Nr. 26 Juni - Juni bis September 2015

Ausgabe 26Juni – September 2015

Fachmagazin für das Management im öffentlichen Sektor

Deutschland 4.0

Neue Perspektiven

VestibulumAliquam lorem ante AeneanDonec sodales sagittis magna PhasellusEtiam sit amet orci eget

InterviewDer Code für Innovationen

WissenschaftVertrauen in der digitalen Welt

Ausland Wien erfindet sich neu

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Vieles ist möglich

Veränderungen gehören zu unserem Leben. Wir empfin-den das nicht als unangenehm und sind eigentlich sogar an einen kontinuierlichen Wandel – mal mehr, mal we-niger deutlich – gewöhnt. Doch hin und wieder gibt es diese großen disruptiven Veränderungen: Sie sind radi-kal, allumfassend. Sie verlangen von uns, gewohnte Pfade zu verlassen und Neues auszuprobieren, dass wir unsere Perspektive verändern, erweitern, erneuern. Die digitale Transformation ist so eine Veränderung. Sie zwingt uns, zu neuen Perspektiven. Aber sie bietet uns dafür viele Möglichkeiten.

Wir befinden uns mitten in einem sehr dynamischen Pro-zess, der neue Lebensgewohnheiten, Arbeits- und Ge-schäftsmodelle sowie Marktstrukturen entstehen lässt. Wer einen Internetzugang besitzt, ist durchschnittlich 2,5 Stunden im Netz. Jeden Tag. Jedes vierte Kind in Deutsch-land zwischen acht und neun Jahren nutzt ein Smartphone, bei den zehn- bis elf-Jährigen sind es schon 57 Prozent.

Wie gehen die Bürger mit den neuen Technologien um? Wie wollen sie in Zukunft leben und arbeiten? Wie wollen sie kommunizieren? Welche Implikationen hat die digi-tale Entwicklung auf die Wirtschaft? Und welche auf die öffentliche Verwaltung?

Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, das ist das Konzept von 360°. Die Herausforderungen der digitalen Transformation für Verwaltungen, Wirtschaft, Bildung und soziale Interaktion sind die Themen dieser Ausgabe. Wir stellen Ihnen Best Practices aus Kommunen vor, und wir haben Bürgermeister, Landräte und CIOs der Länder zur Rolle der Verwaltungen befragt (Seite 4 bis 10).

Über den Innovationsstandort Deutschland haben wir mit Ulrich Dietz, Vorstand des IT-Unternehmens GFT, gesprochen. Der Unternehmer aus Leidenschaft fördert junge Start-ups und plädiert für „besseres und auf die Zukunft ausgerichtetes Miteinander, damit der Wirtschafts- und Verwaltungsstand-ort Deutschland die Digitalisierung gestaltet.“ (Seite 16).

Die Basis eines jeden Miteinanders ist Ver-trauen. Professor Dr. Bernd Blöbaum hat untersucht, wie sich digitale Kommunika-tion und das Leben in virtuellen Räumen auf das Vertrauen auswirken (Seite 20).

Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gibt es zwischen der Freien Hansestadt Bremen und der Deutschen Post. Im Fokus der langjährigen Zusammenar-beit stehen Prozessoptimierungen in der Verwaltung. Vieles konnte dabei bereits erfolgreich verwirklicht wer-den (Seite 22).

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.

Ihr

Martin Linde

Chief Sales Officer Post

Deutsche Post AG

Seite 2

Rubrik Einstieg

De utschland 4.0

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Seite 3

Rubrik

Offen für NeuesDie Herausforderungen der digitalen Transformation für Verwaltung und Gesellschaft beschreiben Catharina Specht und

Marc Reinhardt von der Initiative D21. Seite 4

Best Practice Von Geo-App bis zur Onlineanhörung für Verkehrssünder – 360° zeigt vier

beispielhafte Verwaltungsinnovationen. Seite 7

Stimmen 360° hat Praktiker gefragt, welche Rolle die öffentliche Verwaltung bei der

digitalen Transformation spielen soll und kann. Seite 9

Klein, aber …Die Freie Hansestadt Bremen setzt bei ihrer Kommunikation mit den Bürgern

auf die Partnerschaft mit der Deutschen Post. Seite 22

Weniger ist viel mehrE-Post senkt laufende Kosten in Taunusstein Seite 24

Einfaches HandlingDie elektronische Erfassung der Einschreiben entlastet die Poststelle der Versicherungskammer Bayern Seite 25

Qualität zähltNeues Gutachten zu den Kriterien zur Vergabe von Postdienstleistungen Seite 26

Kompetenzen

Inhalt

Strategie

VertrauenssacheWie sich die digitale Kommunikation auf den sozialen Mechanismus des Vertrauens auswirkt.

Ein Beitrag von Professor Dr. Bernd Blöbaum, Universität Münster. Seite 20

Wissenschaft

Ihr direkter Draht zu uns und Impressum Seite 27Service

Der Code für InnovationenIm Gespräch mit Ulrich Dietz, Gesellschaft für Technologietransfer (GFT),

über die Innovationsfähigkeit des Standortes Deutschland. Seite 16

Interview

Lebende AgendaDie Stadt Wien hat bei der Entwicklung ihrer Digitalen Agenda möglichst viele

Menschen mit ins Boot geholt. Warum, erklärt CIO Ulrike Huemer. Seite 11

Ausland

Bits und BytesWie digitale Daten unser Leben beeinflussen. Seite 14

Zahlen, Daten, Fakten

Nicht für die SchuleWeiterbildung und Wissenstransfer funktionieren online bestens. Wie genau,

zeigen Martin Schmucker und Hannes Klöpper von iversity.org Seite 18

Bildung

Perspektive

De utschland 4.0

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Seite 4

Strategie

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Offen für Neues_ Jeder Veränderungsprozess benötigt eine Vision. Eine Vision, die diejenigen,

� Disruptive Veränderungen wie die Digitalisierung brauchen eine

Vision, damit der Veränderungsprozess zielgerichtet stattfindet.

� Die öffentliche Verwaltung kann von der Digitalisierung durch

höhere Effizienz und reduzierte Kosten profitieren.

� Bürger, Wirtschaft und Verwaltung müssen die digitale Transfor-

mation gemeinsam aktiv vorantreiben. Voraussetzungen dazu

sind Transparenz und digitale Kompetenz.

die von der Veränderung betroffen sind, motiviert, den Wandel anzunehmen. Eine gute Vision ist ein mächtiges Instrument. Sie zeigt dem Einzelnen die individuellen Vorteile auf, die am Ende des Veränderungsprozesses zu erwarten sind, während sich zugleich alle mit dem for-mulierten Ziel identifizieren können. In Unternehmen werden Change Manager eingesetzt, um den Mitarbeitern beispielsweise die Vorteile einer Fusion oder einer neuen Unternehmenskultur so aufzuzeigen, dass sie sich mit dem Neuen identifizieren und bereit sind, es aktiv mitzu-gestalten.

Im Moment erleben wir mit der digitalen Revolu-tion eine disruptive Transformation, die un-seren Sozialstaat und un-sere Gesellschaft radikal verändern wird. Die technologische Entwicklung verspricht, unseren Alltag mit überraschenden Innovationen in vielerlei Hinsicht zu vereinfachen und zu verbessern. Wer die individuellen Chancen dieses Veränderungsprozesses für sich erkennt, gehört zu den Gewinnern. Denn, wer das Licht am Ende des Tunnels deutlich sieht, ist gewillt, das Risiko einzuge-hen, ein paar vorsichtige Schritte ins Dunkle zu machen.

Pioniere Sie verändern seit jeher mit

visionären Ideen die Gesellschaft.

Seite 5

Strategie

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Im Hinblick auf die digitale Transformation, die unsere Zeit prägt, sind Visionen besonders entscheidend. Die gesell-schaftlichen Implikationen der schnell voranschreitenden Digitalisierung sind weitreichend und schwer prognosti-zierbar. Ohne eine gesamtgesellschaftliche Vision passiert die Digitalisierung ziellos, kann der digitale Wandel nicht aktiv gestaltet werden. Die Digitalisierung fordert eine Wertedebatte mit dem Ziel eines gesamtgesellschaftlichen Konsens über nicht weniger als die Frage, wie wir morgen leben möchten. In einer Welt, die plötzlich digitalen Logi-ken folgt und technologische Veränderungen den Status Quo innerhalb kürzester Zeit verändern können.

Die Rolle der Verwaltung

Eine moderne Verwaltung muss zur digitalen Lebenswelt der Bevölkerung passen und sich den Lebens- und Wir-kungsrealitäten der Bürgerinnen und Bürgern anpassen. Für Wirtschaftsunternehmen ist die öffentliche Verwal-tung sogar ein entscheidender Standortfaktor. Die Chan-cen digitalisierter Verwaltungen liegen in effizienterer Interaktion mit den Kunden bei deutlich geringeren Kos-ten. Anders gesagt, machen E-Government-Lösungen Verwaltungen zum Dialogpartner der Bürger. In Pionier-ländern wie Estland oder Malta ist dies schon Realität und trifft auf große Zustimmung in der Bevölkerung. Auch in Deutschland gibt es Kommunen wie Köln, Ulm oder Hamburg, die im Bereich E-Government hohe Standards erreichen. Die Niveauunterschiede im Digitalisierungs-grad der Kommunen innerhalb Deutschlands sind jedoch enorm.

Im vergangenen Jahr wurden deshalb verschiedene Ge-setze in Bund und Ländern beschlossen, die das Ziel ha-ben, die internen Prozesse der Verwaltung sowie die Schnittstelle zu den Kunden durchgängig digitalisiert, vernetzt und medienbruchfrei zu gestalten. Zwar fanden in Deutschland 2014 bereits 2,4 von durchschnittlich fünf jährlichen Behördenkontakten online statt, so der E-Government Monitor 2014. Demnach wünschen sich 49 Prozent der Deutschen ein umfangreicheres Online-angebot, die Studie zeigt jedoch auch, dass die vorhande-nen zu wenig bekannt sind. 76 Prozent der Deutschen geben an, dass sie solche Angebote nicht intensiver nut-zen, weil sie ihnen unbekannt sind.

In den Vergleichsländern der Studie, Österreich, der Schweiz und Schweden, ist die Zufriedenheit mit E-Go-vernment-Angeboten deutlich höher, da sich die Bevöl-kerung der Vorteile digitaler Verwaltungslösungen klarer bewusst ist. Bei deren Gestaltung ist darauf zu achten, dass diese nutzerorientiert und ausbaufähig im Bezug auf technologische Entwicklungen und veränderte Bedürf-nisse sind. Um die Hemmschwelle gegenüber digitalen Prozessen abzubauen, ist es ebenso wichtig, dass diese für Verwaltungsangestellte wie für Kunden intuitiv verständ-lich sind und von Anfang an überzeugen.

Eine solche 360-Grad-Perspektive bei der Entwicklung von E-Government-Angeboten könnte ein Schlüssel sein, um die Transformationsbereitschaft der Behörden in Deutschland zu verbessern. Die Digitalisierung der Ver-waltung bleibt jedoch eine komplexe Aufgabe, denn an-ders als Unternehmen, die nur überleben, wenn sie in der

Generation Z Sie bewegt sich selbstverständlich in der digitalen Welt.

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QualitätStrategie

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der Deutschen wünschen sich von Behörden ein umfangreicheres Onlineangebot

Quelle: E-Government Monitor 2014PROZENT49

Lage sind, Marktveränderungen zu adaptieren, müssen öffentliche Organisationen – aus gutem Grund – nicht gewinnmaximierend arbeiten. Die so motivierte geringere Anpassungsfähigkeit der Behörden wird oft mit Födera-lismus, Datenschutz und Finanzstrukturen begründet und erschwert den Modernisierungsprozess.

Kulturwandel ist Chefsache

In einer Capgemini-Umfrage vom Herbst 2014 gab über ein Drittel der befragten CIOs aus Wirtschaft und Ver-waltung an, die Digitalisierung sei die wichtigste Anfor-derung in 2015. Ergänzend wird eine schnellere Bereit-stellung von IT-Services, mehr Innovation, mehr Datensicherheit und eine bessere Informationsauswer-tung und -nutzung genannt.

Auch die Führungskräfte in der Verwaltung sehen sich zunehmend damit konfrontiert, dass sie eine Vorbild-funktion im Kulturwandel einnehmen müssen. Es ist an ihnen, die Logiken der digitalisierten Welt zu verstehen, zu vermitteln und die Offenheit gegenüber neuen Tech-nologien in der Belegschaft zu fördern. Sie sind verant-wortlich, die Ausbildung zukünftiger Beamter bedarfsge-

recht anzupassen und den Vorbehalten und Ängsten älterer Mitarbeiter zu begegnen.

Eine komplexe Herausforderung, zumal der technologi-sche Fortschritt auch darin resultiert, dass vertraute Machtmechanismen nicht mehr gelten. Eine digitalisierte Verwaltung kann nicht wie eine analoge geführt werden. Informationshierarchien funktionieren beispielsweise nicht mehr, weil die Mitarbeiter zunehmend Transparenz und selbstbestimmtes Arbeiten einfordern.

AALEN: Wegweisende Stadt

Für beste Orientierung der Aalener Bürger sorgt seit Juli 2012 die Geo-App der Stadt. Fragen mit Raumbe-zug, etwa nach der nächsten Bushaltestelle oder einem Spielplatz, beantwortet die App zuverlässig. Bereits über 2.000 Bürger haben die Anwendung auf ihr Smartphone oder ihr Tablet heruntergeladen. Durch die Geo-App nehmen auch die Zugriffe auf das Geo-datenportal der Kommune zu. Inzwischen wird es bis

zu 25 Prozent mobil genutzt und die täglichen Visits sind um fast ein Drittel auf etwa 1.300 gestiegen.

Ein besonderes Feature der Geo-App ist der Schadens-melder. Damit können Bürger Schäden, zum Beispiel Schlaglöcher, melden oder auch Anregungen an die Stadt schicken. Demnächst gibt es in der Anwendung zu den Schadensmeldungen sogar Erledigt-Vermerke.

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Strategie

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Strategie

Seite 8

HESSEN: Kalkulierte Transparenz

Immobilienbesitzer in Hessen können den Wert ihres Eigen-heims seit Oktober online ermitteln. Die Zentrale Geschäfts-stelle der Gutachterausschüsse für Immobilienwerte des Lan-des Hessen (ZGGH) hat im „Geodaten online“-Shop der Hessischen Verwaltung für Boden-Management und Geoin-formation den sogenannten Immobilien-Preis-Kalkulator Hessen (IPK Hessen) eingestellt.

Der Kalkulator errechnet das mittlere Preisniveau für Wohn- immobilien und berücksichtigt dabei Lage, Baujahr, Grund-stücks- und Wohnfläche. Basis sind die tatsächlichen Kauf-preise der vergangenen drei Jahre. 97 Prozent des Bestands gebrauchter Standardobjekte ab dem Baujahr 1950 sind er-fasst. „Damit verbessern wir die Transparenz des hessischen Immobilienmarkts weiter“, erklärt Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. Unter www.gds.hessen.de ist der kostenpflichtige Kalkulator zu finden.

Die Modernisierung der Verwaltung ist unerlässlich. Es kann jedoch nicht Aufgabe der Behörden sein, die Leit-planken zu definieren, innerhalb derer sich digitales Le-ben entwickeln soll. Hier ist die Politik in der Verantwor-tung. Die Digitale Agenda der Bundesregierung, die im vergangenen Jahr vorgestellt wurde, bildet die strategi-sche Grundlage für wesentliche Zukunftsthemen. Sie nimmt die drängenden Fragen der digitalen Gesellschaft in Angriff und bildet den Auftakt für einen gesamtgesell-

schaftlichen Modernisierungsprozess, den es sinnvoll und zügig zu gestalten gilt. Die Digitale Agenda gibt Im-pulse zum Dialog. Einigen geht dies nicht weit genug. Sie fordern richtigerweise, die Digitale Agenda so anzupas-sen, dass sie die Gesellschaft mobilisiert wird, die digitale Transformation anzunehmen, um die Chancen der Digi-talisierung für alle zugänglich und nutzbar zu machen. Es ist ein positives Zeichen, dass die politischen Parteien in Deutschland aktuell ihre Grundsatzprogramme über-prüfen, ob sie die richtigen Werte für eine digitale Gesell-schaft transportieren und in der digitalen Welt Bestand haben können.

Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert ist mit der Ent-stehung der politischen Parteien, der Neuorganisation der Verwaltung und der Anpassung der gesellschaftlichen Strukturen ein historisches Beispiel für die Auswirkungen einer disruptiven Transformation.

Die Entwicklung der Digitalen Gesellschaft Im Moment ist die digitale Gesellschaft noch ausgespro-chen heterogen. Rund zwei Drittel der Bevölkerung sind

der Führungskräfte in Unternehmen und Verwaltungen sehen Digitalisierung als wichtigste Aufgabe in 2015.

Quelle: Capgemini 2014

PROZENT34,4

MOERS: Daten-Hack

Was passiert, wenn Hacker offene kommunale Daten in die Hand bekommen? Beim ersten „Hackday“ in Moers gab es die Antwort: Die Stadt hat ihre Datenbestände für Computer- freaks und Programmierer geöffnet. Dabei entstanden vie-le interessante Lösungen – zum Beispiel Visualisierungen von Verkehrsmessungen, eine Lärm-App und eine Baustel-lenanwendung.

Über 60 Teilnehmer waren zu der gemeinsamen Veranstal-tung der Stadt Moers und der Bertelsmann-Stiftung gekom-men. „Der Hackday beweist, dass es sinnvoll ist, auf die Community zuzugehen. Im engen Austausch können An-wendungen entstehen, die die Lösungen der Verwaltung mindestens ergänzen, wenn nicht gar ersetzen“, so Claus Arndt, Initiator des Hackdays und städtischer Referent für E-Government und Neue Medien.

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Stimmen_ Welche Rolle soll und kann die öffentliche Verwaltung bei der digitalen Transformation spielen? 360° hat nachgefragt.

Sven Ambrosym, Landrat des Landkreises Friesland

„Neue Kommunikationskanäle bieten der öffentlichen Ver-waltung die Chance, näher an die Bürger zu gelangen und deren Bedürfnissen besser gerecht zu werden. Zugleich müs-

sen die Kommunen den Breitbandaus-bau als Teil der Daseinsvorsorge begrei-fen, um die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Teilhabe aller am sozialen, gesellschaft-lichen und wirtschaftlichen Leben zu schaffen.“

Hans-Josef Vogel, Bürgermeister der Stadt Arnsberg

„Digitale Transformation hat stattgefunden. Wir haben be-reits überall digitale Bürgerschaften. Wer Bürgerschaften, also

lokale Bürgergesellschaften entspre-chen, unterstützen, für sie arbeiten und sie zur Entfaltung bringen will, muss digital handeln. Oder anders: ‚Digitale Bürgerschaft erzwingt digitale öffentli-che Verwaltungen‘.“

Cornelius Everding, Chief Process Innovation Officer, Brandenburg

„Vieles ändert sich – und manches nicht. Die Verwaltung muss zuerst für letzteres Gewähr bieten: Rechtsstaatlichkeit stellt Anforderungen an Geschäftsprozesse, die sich nicht nur in Effektivität erschöpfen. Und: Verwaltung muss sich auch mit der sie umgebenden Gesellschaft verändern. Gleiche Aufga-

ben mit neuen Werkzeugen – und die Frage: welche Aufgabe hat die Verwal-tung bisher übernommen, weil der Bür-ger sich – bislang – nicht selber darum kümmern konnte?“

„Die digitale Transformation erreicht uns mit voller Wucht. Staat und Kommunen müssen sich unter anderem auf ein neues Politikverständnis einlassen, hin zum Bürgerstaat mit weitgehender Selbstorganisation der Bürger. Strukturen und

Aufgaben müssen umgebaut werden. Davon sind wir noch weit entfernt. Pas-siert das nicht, hat dies gravierende Auswirkungen auf Wettbewerb und Lebensqualität.“

Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes

„Die öffentliche Verwaltung kann beim Übergang in die digitale Welt eine Vorreiterrolle spielen. Dank der digitalen Technolo- gien haben wir die Möglichkeit, Verwaltung neu zu denken und

anders zu gestalten – mit mehr Flexibili-tät, mehr Transparenz und mehr Bürger-nähe. Wir sollten den Mut haben, diese Chance zu nutzen.“

Heike Raab, Staatssekretärin im Innenministerium und IT Beauftragte

der Landesregierung Rheinland-Pfalz

„An der digitalen Transformation müssen alle mitwirken. Dabei sind die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung nicht überflüssig, sondern müssen Inputs weiterverarbeiten, den Mitstreitern Feedback geben und die endgültigen Ent-scheidungen treffen. Zentral ist, dass Politik und Verwaltung

die Kompetenz der ‚anderen‘ wert-schätzen, ihnen auf Augenhöhe begeg-nen und demütig sind. Sie müssen die Externen als gleichberechtigte Fach- leute akzeptieren, deren Wissen eine wertvolle Ressource ist.“

Dr. Marianne Wulff, Geschäftsführerin Vitako – Bundes-Arbeitsgemeinschaft

der Kommunalen IT-Dienstleister e.V.

„Trotz vieler Schlagworte – Deutschlands Branchen digitali-sieren sich zögerlich. Öffentliche Verwaltung hat die Chance, offensiv voran zu gehen. Seien es die Bereiche Bürgerservice, Backoffice, eDemocracy oder Open Data. Wichtig ist, dass die politischen Entscheidungsträger aller Ebenen Rückende-ckung geben und der Verwaltung Spielräume lassen, eigen-

verantwortlich nach intelligenten Lö-sungen zu suchen. Besonders spannend wird es bei der digitalen Partizipation. Hier mischen die Bürger kreativ an der Schnittstelle zwischen realer und virtu-eller Welt mit.“

Christoph Meineke, Bürgermeister der Gemeinde Wennigsen (Deister)

Strategie

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BAD SCHWALBACH: Verkehrssünder-Komfort

Eine gebührenfreie Onlineanhörung? Die gibt es in Bad Schwalbach. Bürger, die ein Knöllchen erhalten haben, können das Verwarngeld jetzt per Web aner-kennen und bezahlen. Zudem ist eine Angabe zur Sa-che, etwa die Benennung eines Fahrers, möglich.

Für den Weg ins Netz enthält das Schreiben vom Ord-nungsamt eine Benutzerkennung und ein Passwort. Unter www.anhoerung24.de kann der Nutzer dann

seine Angaben machen. Alle Informationen werden sicher übertragen und verschlüsselt gespeichert. Zu-dem besteht Zugang nur so lange, wie das Verfahren für den Fahrzeughalter aktiv ist. Mit einem Giro-Code im Schreiben der Stadt wird zudem für Smartphone- Nutzer die Zahlung des Verwarngeldes einfacher: Mit dem Einscannen des Codes sind alle erforderlichen Daten im Überweisungsformular für das Online- banking eingetragen.

Strategie

noch immer skeptisch bis vorsichtig gegenüber dem di-gitalen Wandel, wie der D21-Digital-Index 2014 feststellt. Das Datenbewusstsein in der Bevölkerung ist nur schwach ausgeprägt. 78 Prozent der Deutschen geben im Sommer 2014 an, keine persönlichen Daten gegen einen kosten-losen Service tauschen zu wollen. Dennoch sind die Nut-zerzahlen bei den entsprechenden Anwendungen hoch. Die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit macht deutlich, dass es zum Thema Datenbewusstsein noch massiven Aufklärungsbedarf gibt.

Neben Transparenz sind digitale Kompetenzen die Vo-raussetzung, damit die Zivilgesellschaft gemeinsam mit Wirtschaft und Politik aktiv zur Gestaltung des digi-talen Standorts Deutschland beitragen kann. Es müssen rasch Möglichkeiten der Kompetenzerlangung und ent-sprechende Schutzmechanismen des Daten- und Ver-braucherschutzes geschaffen werden, so dass sich auch Internetnutzer mit geringer IT-Kompetenz sicher in der digitalen Welt bewegen können.

Um als Nation wettbewerbsfähig zu bleiben, sind wir dar-auf angewiesen, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Wir müssen von einer Angst- zu einer Gestaltungsdebatte

kommen und die Risiken trotz allem beobachten, ernstneh- men und bewältigen. Genauso wenig wie der Manchester Kapitalismus das für Deutschland passende Modell der Industrialisierung war, muss die Silicon Valley Digitalöko-nomie das für Europa passende Modell sein. Die histori-sche Herausforderung besteht darin, den richtigen Ansatz für die Entwicklung einer souveränen digitalen Gesell-schaft in Deutschland zu finden.

Marc Reinhardt ist

Mitglied des Vorstands,

Initiative D21.

Catharina Specht

ist Sprecherin der

Initiative D21.

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Masse getragen werden. Die Stadt Wien hat bei der Ent-wicklung ihrer Digitalen Agenda deshalb auf einen ko-

operativen Ansatz gesetzt, der möglichst viele Menschen beteiligt.

Wien liegt in Lebensqualitäts- und Innovationsrankings immer weit vorne. Mit rund 5.700 Unternehmen, die 54.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, ist die Informations- und Kommunikationstechnik (IKT)-Branche eine wichtige Wirtschaftskraft. Und sie schafft eine hervorragende Ausgangsposition für die di-gitale Zukunft. Denn Wien soll „Smart City“ werden, so die Vision. Das Ziel: Durch den intelligenten und effizi-enten Einsatz der IKT soll die Standort- und Lebensqua-lität weiter gesteigert und den durch die digitale Trans-formation veränderten Bedingungen angepasst werden. Den Weg dorthin zeigt die Digitale Agenda der Stadt Wien auf.

Der Startschuss dazu fiel im Herbst 2014. Bürger, Wirt-schaft und Verwaltung haben gemeinsam die Digitale Agenda entwickelt. Warum gemeinsam? Die Digitalisie-rung betrifft keinesfalls nur die IT-Abteilungen der Ver-waltung. Durch sie verändern sich die Gesellschaft und das Zusammenleben als Ganzes. Organisationsformen und Infrastrukturen wandeln sich, neue Arbeits- und Geschäftsmodelle entstehen, alte werden modifiziert oder überleben sich. Von diesen Umwälzungen sind alle Menschen betroffen: bei der Daseinsvorsorge, ihren Be-rufs- und Mobilitätsmöglichkeiten, in Bezug auf Bil-dungschancen und den Erhalt der Gesundheit sowie natürlich bei der Interaktion mit der Verwaltung.

Deshalb findet die Ausarbeitung der Digitalen Agenda auf breitester Beteiligungsbasis statt. Sie ist also nicht im stillen Kämmerlein entstanden, sondern das Ergebnis eines kollektiven Arbeitsprozesses. Der reicht von der Ideengenerierung über die Diskussion in Workshops bis hin zur Texterstellung selbst. Diese Art der Zusammen-arbeit funktioniert nur dann, wenn man sich von den traditionell hierarchisch geprägten Arbeitsmethoden löst und neue technologische Möglichkeiten ausschöpft.

Dabei hat sich gezeigt: Wo technische Innovationen und neues Denken zusammenkommen, wird Erstaunliches möglich. Und die Vision der Smart City Wien kommt nicht ohne die Ideen und die Mitwirkung aller Wiener aus.

Arbeitsprozess in drei Stufen

Die Digitale Agenda erarbeiteten die Beteiligten in einem dreistufigen Prozess. Ausgangspunkt waren fünf Kern-fragen:

� Wie soll die IKT-Infrastruktur der Stadt Wien in Zukunft gestaltet sein?

� Wie kann der Wirtschaftsstandort Wien durch die IKT weiterentwickelt werden?

� Wie kann die IKT der Stadt Wien ihre Bürger in allen Lebenslagen besser unterstützen?

� Wie verändert die IKT die Verwaltung der Zukunft? � Welche Bedenken ergeben sich durch eine zuneh-

mende Digitalisierung der Wiener Stadtverwaltung?

Der erste Schritt umfasste die Ideenfindung zu diesen Fra-gen. Hier konnten Bürger, Mitarbeiter der Stadtverwal-tung und Vertreter aus den stadtnahen Unternehmen ihre persönlichen Erfahrungen, ihre individuellen Meinungen und kreativen Ansätze einbringen. Dies war ein hoch- dynamischer und interaktiver Prozess. Die Teilnehmerin-nen und Teilnehmer konnten die Ideen auch gleich online kommentieren und mit Likes oder Dislikes versehen.

In Schritt zwei erfolgte die Diskussion der Vorschläge in Arbeitsgruppen. Dabei wurden die Ideen noch einmal vertieft beziehungsweise präzisiert. Auf dieser Basis

Im Takt Wiens Digitale Agenda ist als Gemeinschafswerk entstanden.

Lebende Agenda_ Große umfassende Veränderungen müssen von einer breiten

� Für ihre Digitale Agenda hat die Stadt Wien einen kollektiven Arbeitsprozess

gewählt, der Bürgerinnen und Bürger, Verwaltung und Wirtschaft einbezieht.

� Der Agendaprozess ist kontinuierlich und wird so der Dynamik des Themas

IT gerecht.

Seite 11

Ausland

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folgte die Formulierung von Ziel- und Maßnahmenvor-schlägen – in einem permanenten Optimierungspro-zess. Im Verlauf der Arbeit am ersten Textentwurf wur-den aus 500 Seiten schließlich 30, ergänzt mit einem ausführlichen Anhang, damit keine Ideen verloren ge-hen. Im Text verweisen Fußnoten auf den Input, der den Aufführungen zugrunde liegt. Es wird so stets klar, dass das Dokument das Ergebnis eines Crowdsourcing- Prozesses ist. Die Transparenz in dieser Phase gewähr-leisteten öffentliche Veranstaltungen, um die Ideengeber über die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zu informieren.

Im dritten Schritt wurde der Entwurf online zur Dis-kussion gestellt. Auch hier gab es die Möglichkeit, zu kommentieren oder Ergänzungen hinzuzufügen. Dieser

Input war nicht nur „nice to have“, sondern brachte die Digitale Agenda weiter voran. Das finale Dokument wird schließlich mit Ende des zweiten Quartals 2015 fertiggestellt und veröffentlicht.

Während des Arbeitsprozesses kristallisierten sich – trotz der unterschiedlichen Akteure – Grundprinzipien heraus, die das Denken und Handeln der Beteiligten ge-leitet haben. Als „Wiener Prinzipien“ (siehe Kasten) fan-den sie schließlich Eingang in die Digitale Agenda. Zu ihnen zählen beispielsweise die Themen Konsolidierung und Kooperation. So schätzte das Agendateam die Kon-solidierung der Strukturen als ökonomisch und strate-gisch alternativlos ein. Denn die Anforderungen an die Verwaltung steigen, nicht aber die finanziellen städti-

Smarte Stadt Auch in punkto Digitalisierung bleibt Wien seinen Prinzipien treu.

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Ausland

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Ulrike Huemer ist seit 2014 CIO der Stadt Wien.

1. Vertrauen und SicherheitVertrauen in die Informationssicherheit ist entschei-dend für das gesamte Handeln und die Basis der moder-nen Stadt. Die Sicherheit von Infrastruktur, Daten und Kommunikation ist daher von höchster Priorität und immer zu berücksichtigen.

2. Transparenz, Offenheit und BeteiligungDie Stadt Wien entwickelt sich immer stärker von einem geschlossenen Bürokratiemodell zu einer of-fenen und partizipativen Kommune. Transparenz und Offenheit leiten das Verwaltungsdenken und Handeln.

3. Inklusion und soziale NachhaltigkeitDie Stadt Wien stellt sicher, dass niemand zurückge-lassen wird und dass alle Services für alle Menschen der Stadt zugänglich bleiben, unabhängig von Bildung und Einkommen. Das Inklusionsprinzip ist daher ein zentrales Anliegen.

4. GendergerechtigkeitFrauen und Mädchen sind sowohl in digitalen Berufen wie auch generell in den digitalisierten Lebenswelten unterrepräsentiert. Die Gleichberechtigung in diesem wesentlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsbereich herzustellen, ist daher eine wesentliche Handlungsan-leitung für die Stadt Wien.

5. BürgerInnenorientierungVerwaltung ist eine Dienstleistung für die Bürgerin-nen und Bürger. Sie orientiert sich daher weitgehend an ihren Blickwinkeln und Lebenslagen. Für deren Anliegen ist sie sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag online verfügbar.

6. Stärkung des WirtschaftsstandortsDie IT-Branche hat sich in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren entwickelt. Das gemeinsam weiter auszubauen, ist wichtige Aufgabe für alle Beteiligten.

7. KonsolidierungDie Stadtverwaltung Wien und ihre Unternehmen werden in einer bürger- und bürgerinnenorientierten Sicht gesamthaft wahrgenommen. Eine koordinierte und konsolidierte Vorgangsweise ist Grundvorausset-zung für eine effiziente und effektive Weiterentwick-lung der IKT.

8. InnovationDie Stadt Wien schafft einen zusätzlichen Rahmen für innovative Projekte und unterstützt Innovationskul-tur im eigenen Haus aktiv. Gemeinsam mit der FTI- Strategie „Innovatives Wien 2020“ will die Digitale Agenda hierzu einen Beitrag leisten.

9. Flexibilität und LernenUm die Herausforderungen der digitalen Transforma-tion zu meistern, bedarf es einer lernenden Organisa-tion, die ein hohes Maß an Flexibilität, Beweglichkeit (Agilität) und Veränderungsbereitschaft vorweist. Das heißt auch den Einsatz neuer Managementmethoden, die eine Innovationskultur unterstützen, sowie die Veränderung von Prozessen und den Einsatz innova-tiver Technologien des digitalen Zeitalters.

schen Ressourcen. Eine weitere wertvolle Erkenntnis unterstreicht die Notwendigkeit koordinierten Han-delns. So machte der Agendaprozess deutlich, dass Bür-gerinnen und Bürger die Stadtverwaltung als Gesamtheit wahrnehmen und nicht differenzieren, welche Organi-sationseinheit welchen Service erbringt.

Die Stadt Wien leitet nun die Umsetzung der Digitalen Agenda ein. Diese wird die Stadt über die nächsten Jahre und Jahrzehnte beschäftigen. Sie wird viel Neues hervor-bringen, aber auch von allen Beteiligten Neues einfor-dern: Wie schon während der Erarbeitung der Agenda selbst, müssen auch künftig bisherige Denkmuster hin-terfragt und neue technologische Fähigkeiten und Ma-nagementansätze erlernt werden. Die erprobte Zusam-

menarbeit wird daher fortgeführt. So tagen die Arbeits- gruppen weiterhin. Einmal im Jahr laden sie zudem inte-ressierte Bürgerinnen und Bürger und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung zu einer Ideenfindung ein, um für die Digitale Agenda kontinuierlich neue Im-pulse zu generieren. Hinzu kommt der Austausch mit internationalen Partnerkommunen etwa in Deutschland, Spanien und der Schweiz. Die Wiener Digitale Agenda stellt sich so nicht nur einmal den Ansprüchen, die durch die Digitalisierung an die österreichische Metropole her-angetragen werden, sondern kontinuierlich. Sie ist eine lebhafte Agenda, die der Dynamik des Themas IT gewach-sen ist.

Wiener Prinzipien Die folgenden neun Leitmotive der Digitalen Agenda sollen sicherstellen, dass der besondere Charakter Wiens auch im Zeitalter der Digitalisierung stets Geltung behält.

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2,47

Bits und Bytes_ bestimmen zunehmend unser Leben. Mit unseren mobilen Gadgets nutzen und erzeugen wir Daten. Wirtschaft, Verwaltung und die Bürger selbst sind Teil eines dynamischen Veränderungsprozesses.

10010101110011110010101110 1000110101 000 0011001 001

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Smart Home

Industrie 4.0

Social Networks

Internet der Dinge

Smart City

E-Mails

Connected Cars

Roboting

Instagramm

Google

Datenvolumen weltweit

Das weltweite Datenvolumen wird bis 2020 um das Zehn- fache anwachsen – von derzeit 4,4 Billionen Gigabyte auf 44 Billionen Gigabyte. Würde man diese Daten auf 128 Gigabytes-Tablets speichern und die Tablets zu einem Turm stapeln, wäre er 63.000 Kilometer hoch.

Quelle: EMC Studie

Billionen Gigabyte

44

1010010100111 001001 1100100100011011 100100 1001001001110110110101 11100111010001 1010010100111 001001 1100100011011 100100 100100100111110110101 1110011 1010010100111 001001

1100100011011 100100 100100100111110110101 1110011

der privaten Internetnutzer legen Daten und Inhalte im Internet ab. Prozent

82der User speichern Daten in sozialen Netzwerken. Prozent

70der Privatnutzer legen ihre Daten auf Foto- und Video-plattformen ab.Prozent

21Quelle: BITCOM, Vertrauen und Sicherheit im Netz, 2012

Die Mehrheit der Deutschen ist online und liefert Daten.

Zahlen, Daten, Fakten

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Tele

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1,82

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1,97

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1000 00 010010

100100 00 010010 0000 01 1101

10101100100000110101

Digitalisierungsgrad nach Branchen

Bewertungsskala: 1 = größtenteils 2 = teilweise 3 = wenig

Quelle: Accenture, Top 500 Studie 2014

1,0

2,0

3,0

1995 Amazon.com verkauft im Juli das erste Buch.

2005 Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim gründen Youtube.

2015 Youtube hat mehr als eine Milliarde Besucher pro Monat.

2014 Amazon setzt im internationalen Geschäft 33,5 Milliarden Dollar um.

Quellen: Youtube, Amazon

Digitalisierung der Verwaltung

Welche Gründe werden von Verwaltung als entscheidend

für den Einsatz moderner Technologien gesehen?

Quelle: Lünendonk, Branchendossier Öffentliche Verwaltung,

Lünendonk-Studie 2014: Mobile Enterprise Review Mittelwerte Bewertung von 1 (nicht wichtig) bis 5 (sehr wichtig)

Prozesseffizienz 4,1

Kostenstrukturen 4,1Kundenbindung 2,8

Arbeitgeberattraktivität 3,6Servicespektrum und -qualität für Kunden 3,9

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Zahlen, Daten, Fakten

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Neue Ideen Viele Versuche führen zum Erfolg.

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360°: Deutschland war einmal Innovationsstandort Nummer eins. Im Bereich der Digitalisierung scheinen wir jetzt jedoch hinterher zu hinken. Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen?Dietz: Ich sehe das nicht so pessimistisch. Die großen digitalen Player kommen aus den USA, das ist richtig. Und dort gibt es auch ein regelrechtes Ökosystem für Start-ups, angefangen beim Venture Capital bis hin zum Exit. Das begünstigt natürlich die Entwicklung innovati-ver Geschäftsmodelle. Zudem sind die USA ein sehr gro-ßer Markt mit mehr als 350 Millionen Menschen. Alles in allem also gute Voraussetzungen, um Lösungen global installieren zu können.

In Deutschland ist die Situation eine andere: Wir haben keine globalen Digitalunternehmen wie Facebook oder Google. Aber diese sind auch nicht die Digitalisierung - sie sind lediglich einer von vielen Treibern. Was wir haben, sind weltweite Innovations- und Marktfhrer in vielen Hightech-Branchen, etwa der Medizintechnik, dem Ma-schinenbau oder der Optik. Unsere vielen, vielen Top-Un-ternehmen stehen nun vor der Aufgabe, ihre Geschäftsmo-delle um neue digitale zu erweitern. Dafür haben wir die

allerbesten Voraussetzungen: etwa eine hervorragende Infrastruktur und erstklassige Ausbildung. Unser USP ist dabei die Denkweise in Qualität. In Deutschland werden Technologie-Produkte der Spitzenklasse entwickelt. Wenn jetzt die Schnittstellen zwischen der industriellen und der digitalen Wirtschaft geschaffen werden, eröffnen sich für viele Unternehmen außerordentliche Geschäftschancen. Davon bin ich fest überzeugt. Man muss es eben nur tun.

360°: Fehlen uns also die richtigen Unternehmertypen?Dietz: Gute Leute mit guten Ideen gibt es überall. Wir müssen sie zusammenbringen und die unterschiedlichen Kulturen der industriellen Technik mit der stark vernetz-ten Denkweise der digitalen Welt verknüpfen. Ein Bei-spiel: Google hat im vergangenen Jahr einen Hersteller von Raumthermostaten für 3,2 Milliarden Dollar gekauft. Solche Thermostate werden auch in Deutschland gebaut – wahrscheinlich in noch sehr viel besserer Qualität. Nur kam hier niemand auf die Idee, dass diese Geräte Daten produzieren, die sehr viel wertvoller sein können als das Produkt, etwa für Smart-Home-Anwendungen. Da sind wir zu sehr in überkommenen Strukturen und nicht zeit-gemäßen Denkweisen verhaftet. Wir müssen die IT mit

Der Code für Innovationen_ 360° sprach mit dem IT-Unternehmer Ulrich Dietz über die Inno- vationsfähigkeit des Standortes Deutschland.

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Interview

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Seite 17

Rubrik

der Industrie zusammenbringen – nicht nur, wenn es um die Aussteuerung von Prozessen und um interne IT-An-wendungen geht, sondern auch in der Produktkreation und Marktentwicklung. Das muss bald geschehen, sonst machen es andere.

360°: Wandert gerade vor dem Hintergrund einer zu-nehmenden Internationalisierung und Globalisierung nicht immer mehr innovatives Potenzial ab?Dietz: Internationalisierung ist nicht Schlimmes – ganz im Gegenteil. Es sind internationale Netzwerke, die den Digitalisierungsstandort Deutschland und Europa voran-treiben. Wir müssen nur insgesamt viel mehr in größeren Dimensionen denken. Europa bietet da unglaublich gute Chancen. Wir haben eine große kulturelle Vielfalt – von Spanien bis Polen denken und handeln die Menschen unterschiedlich. Das ist sehr inspirierend und erweitert den Horizont. Gleichzeitig sind die Wege kurz. Barcelona, Warschau, Wien – sie können diese Standorte in einer Flugstunde erreichen. All das in einem sehr abwechs-lungsreichen Lebensraum, faszinierende Städte inmitten von attraktiven Landschaften. In den USA oder in China gibt es diese Vielfalt auf so engem Raum nicht. Europa verfügt über eine sehr große kulturelle Kraft. Diese müs-sen wir nur nutzen.

360°: Wo müssen wir den Hebel ansetzen, um die Vor-teile, von denen Sie sprechen, richtig auszuspielen?Dietz: Wir müssen mehr vom Kunden her denken und Ideen in Produkte wandeln, die sich weltweit verkaufen lassen. Nehmen wir das Beispiel Indien, das in diesem Jahr Partnerland der Hannover Messe war. Das ist eine aufstrebende Ökonomie mit einem riesigen Bedarf an Problemlösungen. Vielfach für Themen, die wir sehr gut beherrschen wie beispielsweise Infrastruktur, Städtepla-nung, Verwaltungsmanagement – Deutschland dient da-bei als Blaupause. Wir können aufsetzen auf etwas, das wir schon selbst etabliert haben und es kombinieren mit den Erfordernissen der neuen digitalen Wirklichkeit, also einfach Bestehendes weiterdenken. Selbst innerhalb des europäischen Raums gibt es dafür einen großen Markt – einfach weil die Digitalisierung den Bedarf schafft und dieser weiter wachsen wird.

360°: Welche Rolle kann hierbei die öffentliche Verwal-tung spielen? Dietz: Deutschland verfügt sicherlich über eine der besten Verwaltungen weltweit – sowohl was die Effizienz als auch die Rechtssicherheit angeht. Für Unternehmen ist das es-senziell. In Bezug auf die Digitalisierung läuft das aber

alles deutlich zu kompliziert. Wir führen jahrelange Dis-kussionen, jedes Bundesland hat einen eigenen Ansatz, Kooperationen funktionieren nicht wirklich. Dadurch dauert einfach alles viel zu lange. Die Wirtschaft entwickelt sich viel, viel schneller. Das lässt sich dann nur schwer synchronisieren, zum Nachteil von uns allen. Verstehen Sie mich richtig: Ich beschreibe hier nicht ein Gegenein-ander, sondern ich plädiere für ein besseres und auf die Zukunft ausgerichtetes Miteinander, damit der Wirt-schafts- und Verwaltungsstandort Deutschland die Digi-talisierung gestaltet. Und nicht am Ende überrascht wird.

360°: Seit 2012 fördert GFT mit der Initiative »CODE_n« junge Gründer. Wofür steht CODE_n? Dietz: Ganz einfach: der Code für das Neue. Es geht da-rum, Ideen Raum zu geben. Dem Neuen eine Chance zu geben, sich entwickeln zu können. Das ist der Ansatz hin-ter unserer Plattform. Wir bringen Menschen zusammen, die gute Ideen auf der einen Seite und Erfahrung auf der anderen Seite. Und dann sehen wir, ob daraus was wird. Wenn nicht, ist das auch kein Problem. Man kann nur Neues entwickeln, wenn man es ausprobiert. In den sel-tensten Fällen gelingt das beim ersten Wurf. Aber man kann aus diesem Wurf lernen. Und beim nächsten Mal einen Fehler vermeiden.

360°: Eine persönliche Frage zum Schluss: Auf welches Arbeitsgerät können Sie nicht verzichten?Dietz: Auf meinen Bleistift. Er liegt gut in der Hand. Und ich kann radieren. Ganz schnell etwas ändern. Das finde ich gut.

Bühne für Start-ups

CODE_n ist eine in dieser Art einzigartige Plattform für digitale Pioniere, Start-ups und Innovatoren. Sie wurde 2011 von GFT ins Leben gerufen. In nur vier Jahren hat sich CODE_n zu einem der führen-den Start-up-Wettbewerbe in Europa entwickelt. Die Inszenierung in Halle 16 der CeBIT schlägt jedes Jahr Wellen. „Die ... CODE_n-Halle galt als innova-tivster Ort der gesamten Messe“, kommentierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung in diesem Jahr. Für

CODE_n können sich Start-ups aus der ganzen Welt in jedem Jahr zu einem bestimmten Thema bewerben. Die Gewinner dürfen dann auf der größten IT-Messe der Welt ihr Geschäftsmodell vorstellen.

Auch in diesem Jahr wurden 50 Unternehmen aus über 400 Bewerbern ausgewählt. Thema: Das Internet der Dinge mit Schwerpunkten unter anderem auf In-dustrie 4.0 und Smart Cities.

Ulrich Dietz gründete 1987 zusammen mit zwei Partnern die Gesellschaft für Techno-

logietransfer GFT. Heute beschäftigt die GFT Group mehr als 3.200 Mitarbeiter, ist in elf

Ländern präsent und erwirtschaftet mit Beratung und innovativen IT-Lösungen für Finanz-

dienstleister einen Umsatz von über 360 Millionen Euro im Jahr. Dietz ist unter anderem

Vize-Präsident des BITKOM und doziert zum Thema „Entrepreneurship“ an der Zeppelin

University Friedrichshafen.

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Interview

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öffentlichen Verwaltung. Massive Open Online Courses ermöglichen den Wissenstransfer in einer bisher unbe-kannten Größenordnung. In vielen solchen Onlinelehr-veranstaltungen versammeln sich Tausende oder Zehn-tausende von Studierenden, die gemeinsam und interaktiv Wissen erarbeiten. Die Bandbreite der Themen reicht von Architektur bis Zellbiologie, vom Spanischkurs bis zur Einführung in das Wirken Karls des Großen.

Seit 2013 hat die MOOC-Welle, die in den USA gestartet ist, auch Europa erfasst. Mittlerweile bietet das Berliner Startup iversity, einer der großen europäischen Spieler im MOOC-Feld, mehr als 70 Kurse von 40 europäischen Universitäten an. Auf der Plattform iversity.org nutzen fast 700.000 Lernende aus der ganzen Welt die Flexibilität, die MOOCs bieten: Onlinestudierende können an dem Ort und zu der Zeit lernen, wo und wann es ihnen am besten passt. Die Kurse werden zumeist von Universitäten angeboten und sind prinzipiell für jedes Fachgebiet ein-setzbar. MOOCs haben sich als wandlungsfähige Lern-medien erwiesen, die schon heute praktische Ergebnisse in der realen Welt zeitigen (siehe Infoboxen).

Doch auch jenseits der Universitäten wecken Online-Kur-se inzwischen großes Interesse. So hat der französische Kosmetikkonzern L’Oreal erst kürzlich 160 seiner Mitar-

beiter in Sachen Rhetorik geschult – und zwar mit Hilfe des Kurses „Public Speaking“, angeboten auf iversity.org.

Dass Unternehmen in Onlinekursen eine Möglichkeit sehen, ihren Weiterbildungsbedarf zu decken, kann nicht verwundern, denn zum einen verändert sich das Wissen selbst mit hoher Geschwindigkeit: Was wir heute für rich-tig halten, mag schon in fünf Jahren veraltet sein. Zum anderen verlaufen Bildungsbiografien heute nicht mehr so linear wie früher, sondern folgen verschlungenen, nicht vorhersagbaren Wegen. Menschen wechseln öfter als frü-her die Branche oder beginnen etwas ganz Neues. Sie brauchen deshalb häufiger als bisher eine Auffrischung ihrer Kenntnisse. Bei jedem dieser Schritte müssen Ar-beitnehmer die Frage „Was muss ich wissen?“ neu beant-worten. Der Bedarf an kontinuierlichem, lebensbeglei-tendem Lernen ist also groß und wird weiter wachsen.

Die breite Bevökerung ansprechen

Diesen Bedarf zu decken, sind die meisten Universitäten allerdings bis dato nicht eingestellt. Digitale Technologi-en machen es möglich, die universitäre Lehre massiv zu öffnen. Zugleich können dadurch die Wissensbestände und Kompetenzen der (Fach-)Hochschulen viel besser als

Wissenstransfer Wie wir lernen, wird sich in Zukunft deutlich verändern.

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Nicht für die Schule_ Alle müssen sich weiterbilden. Dies gilt für Angestellte privater Unternehmen ebenso wie für Selbstständige und Mitarbeiter der

Bildung

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Start-ups für eine bessere Welt: Der „Changemaker MOOC“

Was haben die drei folgenden Initi-ativen gemeinsam? 1. Ein Start-up in Kiel, das nachhaltiges Craft Bier braut (lillebraeu.de). 2. Ein Jungun-ternehmen in Kassel, das Energie-sparherde für Entwicklungsländer entwickelt (glow-energy.de). 3. Eine Bäckerei in München, in der Senio-rinnen Kuchen nach traditionellen Rezepten herstellen (kuchentratsch.com)? Die Antwort: Alle diese Ini-tiativen haben den „Changemaker MOOC“ über soziales Unterneh-mertum besucht. Der Grundgedan-ke: Es gibt zahlreiche Ideen, wie die Welt durch viele kleine gute Taten

verbessert werden kann. Aber auch Idealisten müssen wissen, was gutes Projektmanagement ist, wie sie Startkapital bekommen, wie sie die Öffentlichkeit erreichen und vieles mehr. Prof. Christoph Corves von der Universität Kiel zeigt den Kurs- teilnehmerInnen, wie sie mit unter-nehmerischen Ansätzen auf He- rausforderungen aus den Bereichen Umwelt, Gesellschaft, Bildung und Kultur reagieren können. Das Ergebnis: Aus Ideen entstehen Pro-jekte, Vereine und Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen und dabei dem Gemeinwohl dienen. Er

kommentiert: „Die innovativen Ideen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer überraschen mich im-mer wieder. In den alten Werkstät-ten der Muthesius-Kunsthoch- schule in Kiel ist sogar ein eigenes kleines Start-up-Ökosystem ent-standen, wo Jungunternehmer an ihren Ideen arbeiten.“ Der Changemaker MOOC ist mittler-weile ein Pilotprojekt in der Landes-entwicklungsstrategie 2030 der Landesregierung Schleswig-Hol-stein und steht unter der Schirm-herrschaft des Ministerpräsidenten Torsten Albig (zukunftsmacher.sh).

bisher für alle zugänglich gemacht werden. Dies sieht auch die von der Bundesregierung eingesetzte „Experten-kommission Forschung und Innovation“ (E-FI) so. In ihrem im Februar 2015 veröffentlichten Jahresgutachten heißt es: „MOOCs stellen leicht zugängliche Angebote für eine informelle Weiterbildung dar, die breite Teile der Bevölkerung ansprechen dürften, die derzeit keinen Zu-gang zu akademischer Ausbildung haben.“

MOOCs sind allerdings nur ein erster Schritt, und das Feld der Möglichkeiten ist groß. So können beispielsweise

Forschungsinstitute, Nicht-Regierungs-Organisationen, Unternehmen, die öffentliche Verwaltung und viele mehr MOOCs zur Vermittlung von Wissen an große und heterogene Lerngemeinschaften einsetzen. Und auch der Zuschnitt der Teilnehmerkreise kann variiert werden, indem zum Beispiel der Zugang auf einzelne Teams in Unternehmen oder Institutionen eingeschränkt wird, um projektbezogenes Wissen zu vermitteln. MOOCs sind erst der Anfang. Es gibt sicherlich noch viele weite-re Möglichkeiten, das Potenzial des neuen Lernmediums auszuschöpfen.

Mittlerweile beschäftigen sich auch viele deutsche Hochschulen mit virtuellen Lernformaten. 16 Prozent der Unis bieten MOOC an, genauso viele planen solche Angebote.

Laut einer Umfrage des HIS-Instituts für Hochschulentwicklung beschäftigen sich 70 Prozent der für die Lehre zuständigen Vize-Rektoren grundsätzlich mit der MOOC-Idee.

Die meisten Onlinevorlesungen gibt es in Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, sowie in den Ingenieurwissenschaften und der Mathematik.

70

Prozent

Laut Branchenverband Bitkom haben die rund 250 deutschen E-Learning-Anbieter ihre Umsätze 2014 innerhalb eines Jahres um 13,5 Prozent auf 582 Millionen Euro steigern können.

13,5

Prozent

Hannes Klöpper ist Geschäftsführer von

iversity.org

Martin Schmucker ist Leiter der Öffent-

lichkeitsarbeit, iversity.org

16

Prozent

Bildung

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Partnerschaften basieren auf Vertrauen, Institutionen und Unternehmen sind auf Vertrauen angewiesen und ohne Vertrauen könnten große gesellschaftliche Bereiche wie Politik, Wirtschaft, Religion oder Wissenschaft nicht existieren. Vertrauen ist nicht sichtbar und schwer mess-bar. Bundesligamanager sprechen Trainern öffentlich ihr

Vertrauen aus, was oft auf ein gestörtes Vertrauens-verhältnis hinweist, Poli-tiker werben um das Ver-trauen von Wählern, Banken um Vertrauen von Anlegern und Kun-

den; Griechenland kämpft um das Vertrauen von IWF, EU und Weltbank, öffentliche Verwaltungen sind auf das Vertrauen der Bürger angewiesen. Blickt man auf die Er-gebnisse einfacher Vertrauensumfragen, dann steht es eher schlecht um das Vertrauen in Politik, Politiker und gesellschaftliche Institutionen wie zum Beispiel Regie-rungen und Parlamente. In vielen westlichen Ländern sinkt der Anteil der Menschen, die angeben, den genann-ten Einrichtungen und Akteuren zu vertrauen. Dies ist auch deshalb ein Problem, weil Vertrauen schneller ver-loren geht als es zurückzugewinnen ist. Vertrauen ist eine sensible soziale Größe – und es ist eine große Errungen-schaft unserer modernen Gesellschaft.

Leitmotiv sozialen Handelns

Die Historikerin Ute Frevert weist nach, wie seit dem spä-ten 18. Jahrhundert Vertrauen zu einem Leitmotiv sozia-

len Handelns wird, sich aus den sozialen Nahverhältnis-sen familiärer und freundschaftlicher Beziehungen löst und aus dem Reservat persönlicher Interaktionen auf sachliche Beziehungen und Organisationen sowie gesell-schaftliche Bereiche wie Politik und Wirtschaft ausdehnt. Der Bielefelder Soziologe Niklas Luhmann, der nach wie vor eine wichtige Referenz für Vertrauensforscher vieler Disziplinen ist, hat darauf hingewiesen, dass unsere Ge-sellschaft ohne Vertrauen nicht funktionieren würde. Weil wir bei wachsender Komplexität nicht mehr in der Lage sind, vor jeder Handlung unsere Entscheidungen zu prüfen, hat sich mit Vertrauen ein sozialer Mechanismus entwickelt, der uns Handlungsspielraum gerade in sol-chen Situationen ermöglicht, in denen wir nicht viel oder genug über eine andere Person, einen Sachverhalt oder eine Organisation wissen.

Vertrauen ist immer mit Risiko verbunden. Wer vertraut, riskiert enttäuscht zu werden, kann einen Schaden erlei-den und seine Entscheidung hinterher bereuen. Der so-ziale Klebstoff Vertrauen und das damit einhergehende Risiko betrifft alle Formen und Konstellationen: interper-sonale Beziehungen ebenso wie das Verhältnis von Bür-gern zur Verwaltung, von Kunden zu Dienstleistern und das Vertrauen in die großen gesellschaftlichen Felder wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft etc. Die Repräsentanten dieser Bereiche, also beispielsweise Politiker, Manager, Professoren, aber auch Athleten im Sport und Bischöfe in der Kirche genießen Vertrauen, weil sie für Teilbereiche und Institutionen stehen, die sich über viele Jahre als ver-trauenswürdig erwiesen haben. Sie profitieren von der Reputation der Einrichtungen, für die sie stehen. Plagiats-

Freier Fall Moderne Gesellschaft ohne Vertrauen gibt es nicht.

� Vertrauen ist eine sensible soziale Größe – und es ist eine

große Errungenschaft unserer modernen Gesellschaft, für

das Funktionieren unserer Gesellschaft ist es unabdingbar.

� Die Digitalisierung verändert die Bedingungen des Auf-

baus und der Aufrechterhaltung von Vertrauensbeziehung

Vertrauenssache_ Ob bei der Arbeit oder im Privat- leben: Als soziale Größe – mal offensichtlich, häufig latent – ist Vertrauen ist ständig im Spiel.

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Wissenschaft

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fälle in der Wissenschaft, moralisches Fehlverhalten von Politikern, Korruption in der Wirtschaft und Miss-brauchsvorwürfe gegen kirchliche Würdenträger treffen deshalb nicht nur die Individuen, sondern auch immer die Institutionen, die sie vertreten. Vertrauen

� ist auf Zukünftiges gerichtet, mit Erwartung verknüpft, � beruht auf Wahrnehmungen und Erfahrungen, � beinhaltet ein Risiko, bei dem ein möglicher Schaden

größer ist als der Nutzen, � hat stets einen Bezug (Situation, Objekt, Leistung …), � bedeutet die Bereitschaft eines Vertrauensgebers, sich

gegenüber dem Vertrauensnehmer verwundbar zu machen.

Wovon hängt Vertrauen ab?

Die Vertrauensforschung hat zahlreiche Faktoren iden-tifiziert, die den Vertrauensprozess beeinflussen. Bei In-dividuen gibt es eine generelle Vertrauensneigung, die mal stärker, mal schwächer ausgeprägt sein kann. Wer vertraut, der Vertrauensgeber, spult einen Prüfprozess ab. Dieses oft intuitive Prüfverfahren gibt Aufschluss darü-ber, ob einer Person, einer Institution oder einem breiten gesellschaftlichen Feld in einer konkreten Handlungs- und Entscheidungssituation Vertrauen entgegengebracht wird. Wer sich dann dafür entscheidet, zu vertrauen, ist zu einer positiven Bewertung der Vertrauenswürdigkeit des Vertrauensnehmers, sei es eine Person oder Organisation gekommen. In diese Bewertung – sie ist der Vertrauens-handlung vorgelagert – gehen zahlreiche Faktoren ein:

� Die Fähigkeit und damit die Kompetenz des Vertrau-ensnehmers, eine spezifische Aufgabe zu erfüllen

� Das Wohlwollen des Vertrauensnehmers beinhaltet die Annahme, dass dieser nicht primär von egoisti-schen Motiven gesteuert, sondern dem Vertrauensge-ber prinzipiell wohlgesonnen ist.

� Die Integrität des Vertrauensnehmers umfasst die Vorstellung, dass dieser von grundlegend anerkann-ten moralischen und ethischen Vorstellungen geleitet ist, bei denen Gerechtigkeit, Fair Play, Verlässlichkeit und Transparenz Handlungen und Entscheidungen steuern.

� Erfahrungen des Vertrauensgebers aus erster und zweiter Hand

� Die Reputation des Vertrauensnehmers

Bei Vertrauen in Organisationen wie öffentliche Verwal-tungen bezieht sich der Vertrauensprozess einerseits auf Personen als Repräsentanten des Systems, andererseits aber auch auf das richtige Funktionieren des Systems, in die rationalen Abläufe, die Logik, die Transparenz und Kompetenz.

Die Digitalisierung verändert die Bedingungen des Auf-baus und der Aufrechterhaltung von Vertrauensbezie-hungen zwischen Vertrauensgebern und Vertrauensneh-mern. Im Internet sind mehr Informationen leichter zugänglich als in der analogen Welt. Nutzer wie Verbrau-cher und Kunden können deshalb Leistungen besser ver-gleichen. Wer Leistungen im Netz anbietet, muss Lösun-gen finden, wie unter den online gegebenen Bedingungen von Anonymität und Distanz Vertrauen zu entwickeln ist. Neben Erfahrungen beeinflussen in digitalen Kontexten Webseitenmerkmale wie Übersichtlichkeit, Qualität, Ak-tualität und Nützlichkeit der Informationen die Vertrau-ensbildung. Soziale Präsenz fördert den Aufbau von Ver-trauen ebenso wie die Wahrnehmung, dass Vertrauens- nehmer keine eigennützigen Motive leiten. Datensicher-heit und der verantwortungsvolle Umgang mit persönlichen Daten spielen bei der Bewertung von Ver-trauenswürdigkeit ebenfalls eine Rolle.

Mit dem Internet haben Individuen und vor allem Organisationen wie Unternehmen, Vereine und Verbän-de, Hochschulen und Behörden die Möglichkeit, direkt mit ihren Zielgruppen zu kommunizieren (ohne dabei zum Beispiel auf journalistische Medien angewiesen zu sein). Webseiten und soziale Medien wie Facebook und Twitter werden damit zu Schaufenstern und müssen entsprechend kompetent dekoriert werden. Sicherheits-zertifikate und positive Bewertungen haben im Internet das Potenzial, die Vertrauenswürdigkeit zu steigern. Eini-ge Untersuchungen verweisen darauf, dass bei Online-In-formationsangeboten die Inhalte bei der Vertrauensbildung deutlich wichtiger sind als deren grafisches Design.

Via Internet werden Nutzer leichter erreicht. Wer Infor-mationen und Leistungen über das Netz anbietet, hat damit auch die Chance, seine Vertrauenswürdigkeit digital unter Beweis zu stellen. Damit verbunden ist das Risiko, Vertrauen zu verlieren, wenn die Rahmenbedin-gungen der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Vertrauen in einer digitalisierten Welt nicht beachtet werden.

Dr. Bernd Blöbaum ist Professor für

Kommunikationswissenschaft am Institut

für Kommunikationswissenschaft der Uni-

versität Münster. Er ist Sprecher des von

der DFG geförderten Graduiertenkollegs

„Vertrauen und Kommunikation in einer

digitalisierten Welt“ und im Sommerse-

mester 2015 Senior Fellow am Alfried

Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald.

Seite 21

Wissenschaft

Page 22: Nr. 26 Juni - Juni bis September 2015

Klein, aber … _ Auf 420 Quadratkilometer leben 660.000 Einwohner in 360.000 Haushalten. Die Freie Hansestadt Bremen vereint viele Superlative:

Es ist das kleinste Bundesland mit der geringsten Fläche und der niedrigsten Einwohnerzahl aller Bundesländer.

Die Wege sind kurz. Die Stadt Bremen selbst misst an der breitesten Stelle gerade mal 16 Kilometer. Für eine funktio- nierende Kommunikation zwischen den Behörden und Bürgern sowie innerhalb der Verwaltung sorgt eine über viele Jahre gewachsene Partnerschaft: Die erfolgreiche Verbindung zwischen dem Stadtstaat an der Weser und der Deutschen Post besteht seit den neunziger Jahren. Sie erstreckt sich auf viele verschiedene Bereiche, von der Re-gelkommunikation über die Wahlabwicklung bis hin zur Prozessoptimierung.

Für öffentliche Verwaltungen sind verlässliche Postdienst-leitungen von essenzieller Bedeutung. Die reibungslose Schriftkommunikation mit Bürgern und Unternehmen ist dabei kein Nice-to-have-Service. Über den informel-

len Charakter hinaus hat sie eine rechtliche Außenwir-kung. Seit 2002 besteht ein Teilleistungsvertrag zwischen der Senatsverwaltung und der Deutschen Post, in den alle 150 bremischen Landesdienststellen integriert sind. Ein Botendienst holt die Sendungen täglich bei allen Behör-denstandorten ab und bringt sie in eine zentrale Poststel-le. Deren Betreiber ist der Landeseigenbetrieb Performa Nord, die sich um die Weiterverarbeitung bis hin zur sor-tierten und frankierten Einlieferung beim Briefzentrum kümmert. Durch diese gebündelte Postbearbeitung erzielt die Verwaltung ganz erhebliche Kostenvorteile.

Gemeinsame Forschung

Prozessoptimierungen stehen bei vielen Projekten der Bre-mer Stadtverwaltung und der Deutschen Post im Fokus. So wurde bereits 2008 ein gemeinsames Forschungsprojekt

Gemeinsam Bremen und die Deutsche Post verbindet eine langjährige erfolgreiche Partnerschaft.

Seite 22

Kompetenzen

Page 23: Nr. 26 Juni - Juni bis September 2015

zur zukunftssicheren Handhabung physischer und digita-ler Dokumente initiiert. Beteiligt war neben der Freien Hansestadt Bremen und der Deutschen Post die European Business School. Thema war die explizite Betrachtung der schriftlichen und der elektronischen Dokumentenlogistik in Bremen. Das Ziel: Die Identifikation von Optimierungs-potenzialen und die Ableitung konkreter Maßnahmen. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Möglichkei-ten der Digitalisierung von papiergebundenen Prozessen gelegt. Denn eine ganzheitliche Betrachtung der physi-schen und elektronischen Prozesse kann die medienbruch-freie Gestaltung zielgerichtet voranbringen. Die For-schungsarbeit war in drei Phasen gegliedert. Phase eins umfasste die Untersuchung des Status Quo und der doku-mentenlogistischen Ansätze. Phase zwei widmete sich der Analyse verwaltungsspezifischer Grundlagen. In Phase drei wurde schließlich das Konzept für die Optimierung der Abläufe entworfen. Dazu führten die Wissenschaftler mehr als 150 Tiefeninterviews, veranstalteten Workshops mit den Stakeholdern und koordinierten die Umsetzung von Pilotprojekten.

Die Studie hat gezeigt, dass die Restrukturierung der ope-rativen Abwicklung dokumentenlogistischer Aufgaben nicht nur erhebliche Kostensenkungspotenziale erschlie-ßen kann. Auch die Leistungsfähigkeit der Verwaltungs-einheiten lässt sich steigern. Zudem erfüllt die Untersu-chung ökologische Kriterien, da ressourcenschonende Prozesse beispielsweise Papierverbrauch und Emissionen reduzieren.

Hybride Prozesse

Auch bei den Bremer Bürgerschaftswahlen ist die Deutsche Post regelmäßig beteiligt. Das Bremer Statistische Landes-amt bereitet die Datensätze für den Versand auf, verant-wortet Benachrichtigungen und mögliche Informations-sendungen rund um die Wahl. Novum 2015: Das Statistische Landesamt hat die Wahlbenachrichtigungen über die neu angeschaffte E-Postbusiness Box verschickt. Mit dieser Lö-sung der Deutschen Post können Verwaltungen und Un-ternehmen ihre Korrespondenz digital versenden, aber dennoch physisch zustellen lassen. Aufwände für Druck und Kuvertierung fallen also weg (siehe dazu auch den Beitrag auf Seite 24).

Auch die gesamte Regelkommunikation des Amtes läuft künftig über die E-Postbusiness Box. Davon erhofft sich

die Bremer Verwaltung weitere Einsparungen bei den in-ternen Prozessen rund um den Postein- und -ausgang.

Beiderseitiger Nutzen

Moderne hybride Informationslogistik und der Blick nach vorne – gemeinsam besser zu werden, Prozesse und Kosten zu optimieren – sind das Credo der erfolgreichen Zusammenarbeit der Bremer Senatsverwaltung und der Deutschen Post. Key Account Managerin Christa Kruse- Wilkens: „Die Partnerschaft mit der Senatsverwaltung läuft seit Jahren absolut auf Augenhöhe. Wir sind hier nicht nur Dienstleister, sondern entwickeln zusammen Ideen für Verbesserungen im Prozessbereich, sowohl bei der Verwaltung als auch bei uns.“ Besonders hervorzu-heben ist auch die Fehlerkultur. Kruse-Wilkens weiter: „Natürlich läuft nicht immer alles auf Anhieb rund. Aber gerade dann ist es wichtig, konstruktiv zu arbeiten und dafür zu sorgen, dass der Kunde zufrieden ist. Wenn beide Partner vertrauensvoll zusammenwirken, ist das möglich.“

Forschungsstudie Dokumentenlogistik – das Projekt in Zahlen

� 2,5 Millionen Zugriffe pro Jahr auf Archive � Austausch von jährlich mehr als 40.000

Containern mit Akten und Dokumenten zwischen den Dienststellen

� Durchschnittlich 700 ankommende Dokumente in jeder Poststelle täglich

� 35 bis 40 Millionen Klicks pro Jahr in den wichtigsten Druckereien

� Rund vier Millionen Briefe Sendungsvolumen beim Landeseigenbetrieb Performa Nord im Schnitt pro Jahr

� Täglich mehr als 10.000 Dokumente Botenpost beim Landeseigenbetrieb Performa Nord in unterschiedlichster Dicke

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Kompetenzen

Page 24: Nr. 26 Juni - Juni bis September 2015

zuletzt durch einen Erlass zur Konsolidierung des kom-munalen Etats ist die Stadtverwaltung gezwungen, für das Jahr 2016 einen ausgeglichenen Haushalt zu prä-sentieren. Die Einführung von E-Post, ein Produkt der Deutschen Post, spielt eine zentrale Rolle bei der sub- stanziellen Kostenreduzierung im Briefversand der Stadt. Jährlich verschickt die Stadtverwaltung etwa 100.000 Briefe an ihre Bürger. Allein die Portokosten betrugen 2013 etwa 60.000 Euro. Hinzu kamen Kosten für Um-schläge, Papier und Ausdrucke. „Schon damals zeichnete sich ab, dass unsere Briefversandkosten immer weiter an-steigen würden“, berichtet Stephan Reimann, Mitarbeiter im Fachbereich Verwaltungssteuerung. „Ausgangspunkt war die Frage, wie wir bei diesen Kosten Einsparun-gen erzielen können.“ Nach einer umfassenden Analy-se des Marktes entschied sich die Stadtverwaltung für die Einführung des E-Postbriefs in Verbindung mit der E-Postbusiness Box.

E-Post entlastet Stadt

Beide sind Teil des Dienstleistungsmodells „E-POST“ und ermöglichen den Versand von Briefen direkt aus allen

gängigen Software-Anwendungen heraus. Der Auftrag zur Erstellung und zum Versand eines Briefs erfolgt allein über das Druckmenü. Über die E-Postbusiness Box wird dieser Auftrag über eine sichere Verbindung direkt an die Deutsche Post geschickt. Diese druckt den Brief aus, ku-vertiert und frankiert ihn und stellt ihn auf dem klassi-schen Postweg zu. Besitzt der Empfänger allerdings selbst ein E-Post Konto, kann die Zustellung auch elektronisch erfolgen. Jedoch nutzt die Stadtverwaltung diese Möglich-keit derzeit noch nicht. „Für einen vollständig digitalen Workflow hätten wir seinerzeit in unserem Haus keine Unterstützung gefunden“, erläutert Reimann.

Die Deutsche Post lieferte der Stadt alle nötigen Sicher-heitszertifikate, die die Vertraulichkeit des Übertragungs-weges belegen. Damit diese stets gewahrt bleibt, nutzt die E-Post Verschlüsselungstechnologien sowie Sicherheits- aspekte wie Postident und eine Arbeitsplatzerkennung – datenschutzrechtlich wichtige Punkte, da über die neue Lösung auch die jährlich gut 7.000 Zahlungserinnerun-gen, Mahnungen, Vollstreckungsbescheide sowie mehre-re Hundert SEPA-Mandate versendet werden. Die Imple-mentierung der E-Postbusiness Box selbst war eine Sache von wenigen Stunden. Live ging E-Post in der Taunusstei-ner Verwaltung dann im Februar 2014. Zunächst wurden zwölf Mitarbeiter an die Lösung der Deutschen Post an-gebunden, die allerdings zusammen über 60 Prozent des gesamten Postausgangs generieren. Seither hat die Stadt über 80.000 Briefe über E-Post verschickt und alleine da-durch ihre Kosten um fast 10.000 Euro reduziert. Hinzu kommt die hohe Einsparung an Arbeitszeit der städti-schen Bediensteten, die einen noch größeren Gewinn für die Stadtverwaltung darstellt.

Im digitalen Postfach der Bürger

Aus den Erfahrungen des ersten Jahres ist auch klar ge-worden: Die Nachfrage nach einem elektronischen Emp-fang von Briefen in Taunusstein ist vorhanden. Deshalb wird Taunusstein in Kürze den nächsten Schritt gehen und den digitalen Versand via E-Postbusiness Box frei schalten. Dieser Schritt wird helfen, weitere Kosten zu reduzieren. Darüber hinaus plant die Stadtverwaltung, weitere Mitarbeiter mit der Lösung auszustatten, da der Einsatz in weiteren Ämtern bevorsteht: Auch die Steuer-bescheide sowie die Ablesezettel für die Wasserzähler in 2015 sollen via E-Post zugestellt werden.

Weniger ist viel mehr_ Mit ihren rund 29.000 Einwohnern gehört die Stadt Taunusstein zu den 500 größten Gemeinden in Deutschland. Nicht

Einfache Rechnung

E-Post entlastet Taunussteiner Haushalt.

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Wechselfrist für KFZ-Versicherungen ausläuft. Aber auch in normalen Zeiten sind es rund 500 Einschreiben am Tag, die wichtige Vertragsunterlagen und Dokumente enthal-ten. Früher bedeutete dies für die Beschäftigten im Post- eingang großen manuellen Aufwand. Bis Anfang 2014 mussten die Mitarbeiter der Versicherungskammer Bay-ern jedes Einschreiben mit einer physischen Liste abglei-chen. Das ist jetzt Vergangenheit. Das digitale Postprodukt „EEE“, die Elektronische Erfassung Einschreiben, hat eine neue Ära am Hauptsitz in München eingeläutet. Heute bekommt Franz Vogl, Leiter der Abteilung Posteingang, die Listen mit seinen Einschreiben elektronisch von der Deutschen Post direkt vom Briefzentrum auf den Bild-schirm. Hier sind bereits alle Sendungsnummern erfasst und chronologisch sortiert. Vogl sieht so schon im Vorfeld, noch bevor der Zusteller mit den Sendungen eintrifft, wie viele Einschreiben an diesem Tag ankommen. Entspre-chend kann er seine Mitarbeiter einteilen.

Vollkommene Transparenz

Sind die physischen Sendungen dann da, folgt die Kon- trolle. Was früher langwieriges händisches Abgleichen be-deutete, ist heute nur noch ein Klacks. Die Mitarbeiter erfassen die Sendungen nun ganz einfach, indem sie mit einem Handscanner den Barcode der Sendungen auslesen. In Sekundenschnelle erfolgt ein automatischer Abgleich mit der Liste der Deutschen Post. Auf einen Blick sehen sie, ob auch alle Sendungen angekommen sind. Ist alles geprüft, bestätigen sie im letzten Schritt den Erhalt der Sendungen. Die so generierten Daten werden elektronisch abgelegt und stehen für Folgeprozesse zur Verfügung. „Mehr Transparenz geht nicht“, so Franz Vogl. „Wir sind sehr zufrieden mit den verbesserten Abläufen. So bleibt uns Zeit für andere Aufgaben. Bei der Implementierung der Software hat uns die Deutsche Post intensiv betreut und steht uns immer mit Rat und Tat zur Seite.“ Der Abteilungs-

leiter ist ein großer Fan des Services: „Ich kann das Verfah-ren jedem Unternehmen nur wärmstens empfehlen.“

Der Fall zeigt die Vorteile für die Anwender: „Unser Web-service beschleunigt die Prozesse beim Kunden“, erklärt Anna Schwalbach, Produktmanagerin Zusatz- und Spezi-alleistung Brief bei der Deutschen Post. „Der Posteingang kann schneller bearbeitet werden, das Handling ist sehr einfach. Alles in allem ein deutlicher Zeitgewinn und eine Arbeitserleichterung für alle Beteiligten.“

Nach einem erfolgreichen Testlauf ist „EEE“ nun bereits bei mehr als 30 Unternehmen auf Erfolgskurs, unter an-derem bei der Gothaer Versicherung und beim Beitrags-service von ARD, ZDF und Deutschlandradio. Zudem wird die Deutsche Post den neuen Service kostenlos allen Geschäftskunden zur Verfügung zu stellen, die mehr als 50 Einschreiben pro Tag bearbeiten. Eine große Erleich-terung für die täglichen Prozesse.

Einfaches Handling_ Mehr als 3.000 Einschreiben erhält die Versicherungskammer Bayern an Spitzen-tagen. Zum Beispiel im November, wenn die

Handscanner Sie vereinfachen die Erfassung des Posteingangs.

1811 gegründet als „Allgemeine Brandversicherungs-anstalt“ ist die Versicherungskammer Bayern heute ein Unternehmen des Konzern VKB. Im Geschäfts-jahr 2014 erzielte er Beitragseinnahmen von insge-samt 7,25 Mrd. Euro (vorläufig). Mit seinen regional tätigen Gesellschaften ist das Unternehmen in Bayern, der Pfalz, im Saarland sowie in Berlin und Branden-burg tätig; im Krankenversicherungsgeschäft zusam-men mit den anderen öffentlichen Versicherern bun-desweit. Der Konzern VKB ist mit dem Zertifikat „Beruf und Familie“ als familienfreundliches Unter-nehmen ausgezeichnet und hat rund 6.800 Beschäf-tigte, davon über 400 Auszubildende.

Versicherungskammer Bayern

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,Downloads und Veranstaltungen

� Das Gutachten von Prof. Burgi sowie eine Arbeitshilfe für Ausschreibungen

ist kostenfrei bestellbar beim Bundesverband Deutscher Postdienstleister e.V.

(BVDP) unter [email protected].

� Professor Burgi wird bei der BVDP-Veranstaltung zur Vergabe von Post-

dienstleistungen sprechen, die am 16. Juli in der Allianz-Arena in München

stattfindet.

irrige Einschätzung vieler Verantwortlicher der öffentlichen Hand auch bei der Vergabe von Postdienst-leistungen.„Dabei wird die zentrale Bedeutung funkti-onierender Postdienstleistungen für eine gemeinwohl-orientierte Staatstätigkeit missachtet“, schreibt Prof. Dr. Martin Burgi in dem Gutachten „Kriterien für die Vergabe von Postdienstleistungen“, das im Sommer erscheint. In der Untersuchung stellt der Experte für Vergaberecht und Verwaltungskooperationen an der Ludwig-Maximilians- Universität München bei der Handhabung des Vergabe-rechts erhebliche Unsicherheiten in der Praxis fest. Für den Zuschlag beispielsweise bei Postdienstleistungen sei aber eben nicht nur der Preis maßgeblich. Die Quali-tät und Zuverlässigkeit seien ebenso wichtige Kriterien. Das ist auch in der Bedeutung von Postdienstleistungen für das Staats- und Allgemeinwesen begründet. Post-dienstleistungen sind unmittelbar im Außenverhältnis zwischen dem Staat und seinen Bürgern angesiedelt und sind bei der Begründung von Pflichten, der Erfüllung von Ansprüchen, der Wahrung von Fristen oder bei der neuerdings so bedeutsamen Gewährung von Informa- tionen relevant.

Professor Burgi verweist hier auf die sogenannte Ge-währleistungsverantwortung öffentlicher Auftraggeber. Diese erstrecke sich auf die Beachtung der jeweils ein-schlägigen Bekanntgabe- und Zustellungsvorschriften sowie auf den Zustellungserfolg. „Diese Zusammenhän-ge werden durch die neuere Rechtsprechung unter dem Schlagwort ‚Beschaffungsautonomie des Auftraggebers‘ gestärkt“, so Professor Burgi. Die Qualitätsanforderun-gen an die Leistungen sollten bereits durch eine konkrete Bestimmung des Auftragsgegenstandes erfolgen. Dabei gelte hinsichtlich der Leistungsbeschreibung der Grund-satz „je detaillierter, desto besser“. Die Bestimmung des Auftragsgegenstandes hat erheblichen Einfluss auf die Eignungskriterien Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Geset-zestreue und Zuverlässigkeit. Burgi: „Alle sind Muss- Kriterien und alle sind durch den öffentlichen Auftragge-ber inhaltlich näher zu bestimmen. Das können beispiels-weise das Vorhandensein von Kenntnissen und Erfahrun-gen im Umgang mit den Spezifika des öffentlichen Sektors, Bonität oder das Vorhandensein des notwendigen infra-strukturellen Know-hows sein.

Auch in Bezug auf die abschließende Prüfung der Zu-schlagskriterien kommt bei der Beschaffung von Post-dienstleistungen das Kriterium des niedrigsten Preises als ausschließliches Zuschlagskriterium im Regelfall nicht in Betracht, so die Studie. Vielmehr hänge die Er-teilung des Zuschlags grundsätzlich davon ab, welches der Angebote sich als das wirtschaftlichste erweist. „Bei Postdienstleistungen ist insbesondere das Kriterium der Qualität relevant“, schreibt Professor Burgi.

Schließlich unterstreicht die Untersuchung die wachsen-de Bedeutung ökologischer Zielsetzungen und die Pflicht zur Zahlung des bundesweiten Mindestlohnes.

Präzision Zuverlässigkeit und Erfahrung bestimmen die Leistungsfähigkeit.

Qualität zählt_ Der Preis ist das ausschlaggebende Kriterium – das ist die

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KOMMT NEU!

Herausgeber_ Deutsche Post AG ZentraleCharles-de-Gaulle-Straße 20, 53250 BonnV. i. S. d. P._ Petra PraschVice PresidentKommunikation Vertrieb BriefDeutsche Post AGCharles-de-Gaulle-Straße 2053113 BonnProjektverantwortlich_ Petra KunzDeutsche Post AG Verbreitete Auflage_ ca. 7.500

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion oder der Deutschen Post AG wieder.Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste/ins Internet und Vervielfältigung auf Datenträger sind nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung desHerausgebers zulässig. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Materialien (vor allem Manuskripte und Fotos).

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Sonja Terbrüggen Grafik_ Necmettin Atlialp, Alicja Zens

Autoren_ Dr. Bernd Blöbaum, Ulrike Huemer, Hannes Klöpper, Marc Reinhardt, Martin Schmucker, Catharina SpechtDruck_ Deutsche Post Geschäftsprozesse GmbHHansestraße 2, 37574 Einbeck

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Ausgabe 26Juni - Sepember 2015