oder schnaps verarbeitet werden: gelber enzian … · der durch gärung und destillation...

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Der Enzian ist seit alter Zeit ein viel gepriesenes Magen- und Verdauungs- mittel. Volksmedizinisch findet er als Tee und Schnaps Anwendung. Gion Candinas aus Surrein in Graubünden ist einer der wenigen Enzian- schnapsbrenner in der Schweiz. Text und Fotos: Bruno Vonarburg D er Enzianschnaps ist in den Alpenregionen Europas ein be- liebtes Volksheilmittel, welches nach alter Tradition bei verschie- denen gesundheitlichen Gebresten ver- wendet wird. Leider aber wird die Wir- kung dieses gebrannten Wassers mit den vergorenen Wurzeln kaum in der phyto- therapeutischen Fachliteratur beschrie- ben. Einzig Kräuterpfarrer Johann Künzle erwähnt den Schnaps in seinem «Grossen Kräuterheilbuch»: «Die Enziane, deren es mehrere Sorten gibt, haben ihren Namen von einem gotischen Fürsten, der den Heil- gebrauch dieser Pflanzen bei seinem Volke eingeführt hat. Von den 39 Arten, die in der Schweiz vorkommen, ist die gesuchteste der meterhohe, gelb blühende Alpenenzian (Gentiana lutea), dessen Wurzel zur Berei- tung des Enzianbranntweins gebraucht wird. Die Enzianwurzeln werden im Herbst gestochen, klein geschnitten, im Fass einge- legt und dann gebrannt. Enzianbranntwein reinigt die Leber, den Magen und die Milz, beseitigt Magenweh, stillt Durchfall und kuriert die Vergiftung durch verdorbene Speisen. Er wirkt besonders rasch bei Magen- kolik und Magenverkältung. Von der Wur Seine Wurzel kann zu Tee oder Schnaps verarbeitet werden: Gelber Enzian

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Der Enzian ist seit alter

Zeit ein viel gepriesenes

Magen- und Verdauungs-

mittel. Volksmedizinisch

findet er als Tee und

Schnaps Anwendung.

Gion Candinas aus Surrein

in Graubünden ist einer

der wenigen Enzian-

schnapsbrenner in der

Schweiz.

Text und Fotos: Bruno Vonarburg

Der Enzianschnaps ist in denAlpenregionen Europas ein be-liebtes Volksheilmittel, welchesnach alter Tradition bei verschie-

denen gesundheitlichen Gebresten ver-wendet wird. Leider aber wird die Wir-kung dieses gebrannten Wassers mit denvergorenen Wurzeln kaum in der phyto-therapeutischen Fachliteratur beschrie-ben. Einzig Kräuterpfarrer Johann Künzleerwähnt den Schnaps in seinem «GrossenKräuterheilbuch»: «Die Enziane, deren esmehrere Sorten gibt, haben ihren Namenvon einem gotischen Fürsten, der den Heil-gebrauch dieser Pflanzen bei seinem Volkeeingeführt hat. Von den 39 Arten, die inder Schweiz vorkommen, ist die gesuchtesteder meterhohe, gelb blühende Alpenenzian(Gentiana lutea), dessen Wurzel zur Berei-tung des Enzianbranntweins gebrauchtwird. Die Enzianwurzeln werden im Herbstgestochen, klein geschnitten, im Fass einge-legt und dann gebrannt. Enzianbranntweinreinigt die Leber, den Magen und die Milz,beseitigt Magenweh, stillt Durchfall undkuriert die Vergiftung durch verdorbeneSpeisen. Er wirkt besonders rasch bei Magen-kolik und Magenverkältung.

Von der WurSeine Wurzel kann zu Teeoder Schnaps verarbeitetwerden: Gelber Enzian

Man kann für den häuslichen Gebrauchauch bloss die fein zerhackte Enzianwurzel inguten Branntwein einlegen und ziehen lassen.Vom kleinen blau blühenden Enzian (Gen-tiana acaulis) gebraucht man in der Pflan-zenheilkunde nur die Blüten, die im Juni, nurbei sonnigem Wetter, gesammelt und raschan Luft und Schatten gedörrt werden. Tee vonblauen Enzianblüten, mit Zugabe von jungenTannenschossen und Wacholderbeeren, ist einvorzügliches Frühlings-Blutreinigungsmittel;er stärkt den Magen, vertreibt Magenvergif-tung und Durchfall.»

Ein später Blüher Rund um den Erdball gibt es zirka 800Enzianarten. Mit dem Begriff «Enzian» ver-binden die meisten Menschen die Vorstel-lung von ausschliesslich blauen Blumen-sternen, die üppig über kurzrasige undsteinige Weiden der Alpen zerstreut sindund deren Farben mit dem satten Blau desalpinen Himmels verfliessen. Die hoch-stängligen Enziane, vorab diejenigen mitanders gefärbten Blüten, sind weit wenigerbekannt. Der gelbe Enzian (Gentiana lutea)ist der grösste, stolzeste und majestätischs-te aller Enziane neben dem Purpur-Enzian(Gentiana purpurea), dem Punktierten

Enzian (Gentiana punctata) und dem Un-garischen Enzian (Gentiana pannonica).

Gentiana lutea ist ein mehrjähriges,rund 100 Zentimeter hohes Enzian-gewächs (Gentianacea). Er kann 60 bis 70Jahre alt werden und blüht erst ab dem7. bis 10. Lebensjahr. Vielerorts steht erunter strengstem Naturschutz. Wie leuch-tend gelbe Fackeln stehen die Blüten-sterne in der Landschaft, zwischen 700und 2400 m ü.M. auf dem Kalk, Gneisund Granit des Alpen- und Voralpengebie-tes. Oft wird die Pflanze mit dem giftigenGermer (Veratrum album) verwechselt,welcher im Gegensatz zum Gelben Enzian(mit gegenständigen Blättern) ein wech-selständiges Blattwerk besitzt.

Bitterwurz für den Magen Seit der Antike ist die Wurzel des GelbenEnzians ein viel gepriesenes Magenmittel,

welches bereits von Plinius sec., Diosku-rides und Galenos empfohlen wurde.Heute ist die Bitterstoffdroge (Amara) vonder pharmazeutischen Wissenschaft ein-gehend erforscht. Als Wirkstoffe sindBitterstoffglykoside, Gentiopikrin, Gen-tiin und Gentiamarin, ferner ätherischesÖl, Gentisid, Iridosid und Gentiansäurebekannt. Der Bitterwert der Wurzel istselbst bei einer Verdünnung von 1:20 000im Geschmack nachweisbar.

Diese Bitterkeit charakterisiert die heil-samen Eigenschaften des Enzians, da siedie Absonderung der Verdauungssäfte inMagen, Galle und Darm anregt, die Funk-tion von Leber, Galle und Bauchspei-cheldrüse fördert und die Durchblutungder Magenschleimhaut aktiviert. Weitersind die Wirkstoffe imstande, die Bildungder weissen Blutkörperchen zu fördern.

Der Tee bzw. Aufguss der Enzian-wurzel wird bei Magenbeschwerden, Gä-

Chrüteregge GESUNDHEIT

zel zum Schnaps

Erster Arbeitsgang:Der Wurzelbrei wirdin den Destillations-

hafen abgefüllt.

Heizkessel: Hier wird der Wurzelbrei destilliert.

Gion Candinas überprüft das Erntegut: Die Enzianwurzeln müssen einwandfrei sein.

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rungszuständen im Verdauungstrakt, beiAppetitlosigkeit, Aufstossen, Sodbrennen,mangelhafter Magensaftproduktion, Völle-gefühl, fehlender Darmperistaltik, Gallen-störungen, bei Funktionsschwäche derLeber und Bauchspeicheldrüse und zurVerbesserung des Blutbildes mit vermin-derten weissen Blutkörperchen empfoh-len. Zubereitung: 1 halber Teelöffel vollwird in einer Tasse mit kochend heissemWasser angeschüttet. Dann lässt man 2Minuten ziehen, filtriert ab und trinkt denTee 3-mal täglich ungesüsst oder mit we-nig Honig nach den Mahlzeiten.

Enzian-Schnaps brennen Der durch Gärung und Destillation herge-stellte Enzianschnaps aus frischen Wur-zeln ist in den Alpenländern ein beliebtesHausmittel bei allerhand Magenstörun-gen. Für Bergsteiger ist dieser Enzian-branntwein ein stärkendes Mittel für diedurch körperliche Strapazen gesunkenenLebenskräfte. Bei allgemeiner Schwäche,schwacher Herztätigkeit, Ohnmachtsge-fühl und Erschöpfung tritt bei Einnahmeeiner geringen Dosis (1 bis 2 Schlucke)eine belebende, vitalisierende Wirkung ein.

Ab Ende September bis Anfang No-vember herrscht in der Schnaps-Brennereivon Gion Candinas in Surrein Hoch-betrieb. Aus der ganzen Region, von An-dermatt bis Chur, reisen Enzianwurzel-Sammler an, die ihr Erntegut im Destil-lationsbetrieb zu Branntwein verarbeiten

wollen. Zu diesem Zweck muss GionCandinas die angelieferte Ware, die mitErlaubnis der Naturschutzbehörde gegra-ben wurde, in kleine Stücke zerschneidenund zusammen mit lauwarmem Wasser(6 l auf 10 kg Wurzeln) in Fässer abfüllen.

Der flüssige Brei wird mit Hefe versetztund während 3 Wochen der Gärung über-lassen. Danach wird die vergorene Masse inden Destillationshafen gegeben und vor-sichtig erwärmt. Sobald der Siedepunkterreicht ist, kondensiert der aufsteigendeDampf im spiralförmigen, mit fliessendemWasser zirkulierenden Kühlsystem, wobeider Rohbrand (erste Fraktion) in eine Glas-flasche abfliesst. Bei Beendigung desBrennverfahrens wird der Rückstand aufden Komposthaufen geworfen und derRohbrand einem 2. Destillationsverfahrenunterzogen. Die wasserklare 1. Fraktion(Rohbrand) wird im Kupferhafen erneuterwärmt und zur Kondensation gebracht.Die daraus entstehende 2. Fraktion teilt

sich in Vor-, Mittel- und Nachlauf, wobeider Mittellauf als Feinbrand den qualifi-zierten 40%igen Enzianschnaps darstellt.

10 kg vergorene Enzianwurzeln liefern5 Liter Rohbrand und letztlich 1 Liter Fein-brand. Während des ganzen Destillations-verfahrens muss darauf geachtet werden,dass der Alkoholgehalt des Mittellaufes derzweiten Fraktion nicht unter 40% fällt, an-sonsten der Enzianschnaps trüb wird. Miteinem Areometer wird der alkoholischeAnteil des Feinbrandes laufend überprüft.

Nach der Destillation wird der Enzi-anschnaps in 1-Liter-Flaschen abgefülltund zum Preis von Fr. 110.– verkauft1.Volksmedizinisch kann der hochwertigeEnzianbranntwein bei Magenweh, Ma-genkrämpfen, Magenverstimmung, Völle-gefühl, Appetitlosigkeit, Durchfall, Erkäl-tung und Schwächezuständen eingenom-men werden. Dosierung: Für Erwachsene3-mal täglich 1 EL voll verdünnt mitWasser, nach dem Essen. Bei Kindern,während der Schwangerschaft und in derStillzeit ist der Gebrauch verboten.

Gion Candinas, der die Enzianschnaps-Brennerei von Surrein in der 6. Generationbetreibt, produziert auch andere Brannt-weine wie Holunderbeer-, Vogelbeer- undHeidelbeer-, Anis-, Tannenknospen-, Küm-mel-, Wacholder- und Kräuterschnaps, dieebenfalls volksmedizinisch hoch geschätztsind. ■

1 Destillerie Candinas, 7173 Surrein, Tel. 081 943 33 40.

ChrütereggeGESUNDHEIT

Volksmedizinisch beliebt: fertiger Enzianschnaps

Kondensierter Enzianschnaps: Der Feinbrand fliesst ab.

Rigorose Kontrolle: Mit dem Areometer wird der Alkoholgehalt geprüft.