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Institut für angewandte Biomechanik • Tübingen • Dipl.Phys. Dr. T. Obens / Dr. med. N.L. Becker
Belastungsreduktion durch angepasste Bewegungsausführung - Seite 1 von 13
Vortrag auf dem D.A.F. Kongress - Münster 29. März 2014
Optimierung der Gangabwicklung Reduktion der Belastung für den Fuß und den gesamten Bewegungsapparat
• ein Erfahrungsbericht •
Ausgangspunkt sind Probleme, die speziell nach Gehen, Walken, Wandern und Laufen in
den Bereichen Fuß (Achillessehne, Ferse, Mittelfuß, Großzehengrundgelenk, Großzehe)
und Bein (Schienenbein, Knie)
sowie Hüfte und Rücken (LWS) empfunden werden.
Die medizinisch-orthopädische Diagnostik kennzeichnet die Probleme:
z.B. als Achillodynie, Fersensporn, Fasciitis plantaris, Knick-Senk-Spreizfuß,
Shin splints, ilio-tibialis Syndrom, Patellaspitzensyndrom, Jumpers knee sowie
Arthrose und Coxarthrose.
Die Biomechanik liefert zusammen mit der Bewegungsanalyse Informationen über
die Bewegungsausführung und die damit einhergehende Belastung.
Es wird der Ist-Zustand beschrieben = wollen bzw. sollen.
Daraus können Vorschläge abgeleitet werden,
wie Belastungen verändert bzw. verringert werden kann.
Ausgangssituation für eine Bewegungsoptimierung ist der natürliche Gang.
Dieser wurde erstmals im Jahre 1887 von Eadweard Muybridge fotografisch dokumentiert.
Der Zentrale Punkt ist hierbei der Aufsatz des Fußes.
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Eine Theorie zum natürlichen Gang findet sich bei Jacquelin Perry (1992), die die
Phasen der Gangabwicklung auflistet.
Auch hier wird ein flacher Fersenaufsatz bildlich dokumentiert,
ohne dass auf ihn hingewiesen wird und ohne ihn explizit zu beschreiben..
Die Darstellung der Belastungsverteilung in farbcodierten 2d- bzw 3d- Abbildungen
zeigt die typische zentrale Fersenbelastung,
einen Bodenkontakt mit der lateralen Seite des Mittelfußbereichs und
unter dem Vorfuß die höchste Belastung im Zentrum.
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Belastung beim Gang barfuß
Eine Kraftübertragung auf den Untergrund durch alle Zehen ist sicherlich wünschenswert
aber in der heutigen Zeit eher die Ausnahme.
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Nun stellt sich die Frage „Wie natürlich gehen wir heute noch?“.
Drei Beispiele sollen einen kleinen Hinweis liefern:
Alles drei Situationen, in denen die Konzentration sicherlich nicht auf die
Gangabwicklung gerichtet ist, d.h. sie spiegeln unsere Alltagsmotorik wider.
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Wie wir gehen
Im feuchten Sand , die Füße vom Wasser umspielt, erfolgt der Fußaufsatz flach,
wobei die Ferse relativ großflächig aufgesetzt wird –
sie stabilisiert den Fuß im weichen Untergrund.
Auf dem roten Teppich ist ein steiler Fußaufsatz zu erkennen,
der erste Bodenkontakt erfolg mit dem hinteren Rand des Schuhs und
das System Fuß – Schuh klappt nach vorn.
Weder eine Stoßdämpfung noch ein natürliches Abrollen ist möglich.
Auf dem Pflaster ein ähnliches Bild,
der weichere Absatz übernimmt dabei eine gewisse Schockabsorption
und durch seine Verformung wird der Kippeffekt etwas reduziert.
Im nächsten Schritt gilt es zu klären, wie anpassungsfähig bzw. lernfähig sind wir bei
unsere Bewegungsausführung.
Benno Nigg (damals ETH Zürich und einer der „Gründer“ der „sportlichen Biomechanik“)
sah es 1980 als erwiesen an, dass sich der Mensch spätestens nach dem dritten
Bodenkontakt beim Gehen bzw. Laufen auf einen neuen Untergrund eingestellt hat.
Bei härterem Untergrund erfolgt ein weicherer Fersenaufsatz.
Bei unebenem Untergrund ist der Fußaufsatz vorsichtiger und erfolgt großflächiger.
Bei weichem Untergrund wird die Ferse stärker aufgesetzt.
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Diese Einschätzung wurde von Peter Cavanagh durch seine Messungen (1980) der
plantaren Fußbelastung im Turn-Schuh unterstützt.
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Belastung beim Gang im Turn-Schuh
Cavanagh, P. (1980) in Perry, J.: Gait Analysis 1992
zum Vergleich: Gang barfuß
Es zeigt sich im Gegensatz zum Gang barfuß auf festem Untergrund
eine an den hinteren Fersenrand verlagerte Maximalbelastung.
Der Turnschuh übernimmt einen Teil der Stoßdämpfung,
die Information über den tatsächlichen Untergrund geht verloren.
Unsere aktuellen Belastungsmessungen unter dem Fuß beim Gang über eine (feste)
Messplatte belegen häufig (ca. 30 %) eine gegenüber dem „Natürlichen“ veränderte
Belastungsverteilung unter der Ferse. Es zeigt sich entweder
eine nach hinten verlagerte Hauptbelastung (wie 1980 im weichen Turnschuh) oder
(noch auffälliger) eine doppelte Fersenbelastung.
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plantare Druckbelastung barfuß auf festem Untergrund
„ideal“
im Jahre 2014
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Beispiele für eine hohe Belastung am hinteren Fersenrand.
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hohe Belastung am Fersenrand
Beispiel für doppelte Fersenbelastung
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zweigipflige Belastung der Ferse
Pronationsaufsatz
Beispiel für doppelte Fersenbelastung mit deutlicher Knickfußkomponente
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zweigipflige Belastung der Ferse
Knickfußausprägung
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Allein die Tatsache, dass auch nach mehr als 20 Schritten auf hartem Untergrund
(vor und während des Messablaufs) noch keine Veränderung bzw. Anpassung der
Belastung an den Untergrund erfolgt ist, erlaubt den Rückschluss, dass sich
Sensibilität und Anpassungsfähigkeit verändert haben bzw. verloren gegangen sind.
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Adaption an Untergrund1980: nach ca. drei Kontakten ---- 2014: häufig verändert – Reizschwelle höher
Untergrund: Laminat Meßstrecke mit Meßplatte
Heute ist die Reizschwelle, die zu einer Veränderung der Bewegung führt deutlich
heraufgesetzt – beim Gang heißt dass, erst starke Schmerzimpulse bewirken eine
Veränderung – Anpassung (z.B. Laufen auf Asphalt)
Als wesentliche mechanische Ursache für die „doppelte Fersenbelastung“ ist der
steilere Aufsatz der Ferse anzusehen.
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Ursache - der steilere Fußaufsatz
Dieser zeigt sich sowohl beim Gang mit Schuh als auch barfuss.
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Erste Konsequenz aus dem steileren Fußanstellwinkel ist
eine geringer Belastungsfläche (bei gleicher Kraft höherer Druck) und eine
Einschränkung bei der Möglichkeit abzurollen (mehr klappen, schlagen , fallen).
[Problemempfinden z.B. Fersensporn, Fasciitis plantaris, Shin splints,...]
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Mechanische Auswirkungen
steilerer Aufsatz – kleine Kontaktfläche – eingeschränktes Abrollen
Auffällig bei einem steileren Fußanstellwinkel ist ein kleiner Sprunggelenkswinkel
und eine größerer Winkel zwischen Unterschenkel und Senkrechten.
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Mechanische Auswirkungen
steilerer Aufsatz – kleinere SprunggelenkswinkelUnterschenkel weiter hinter dem Aufsatzpunkt - Bremseffekt
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Der steilere Fußanstellwinkel bedeutet
eine längere Fallstrecke bis zum planen Fußaufsatz.
Da die Innenrotation vom Fuß und damit auch des Unterschenkels mit dem ersten
Bodenkontakt beginnt, begünstigt die längere Fallstrecke eine Vergrößerung der
Innenrotation.
[Problemfelder z.B. Patellaspitzensyndrom, Ilio- tibialis Syndrom, Shin splints,
Knick-Senk-Spreizfuß, Großzehengrundgelenksarthrose]
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Mechanische Auswirkungen
steilerer Aufsatz – längere Fallstrecke – spätere Stoßdämpfungzeitlich längere Innenrotation – verstärkte Pronation
Was führt bzw. begünstigt einen steilere Fußaufsatzwinkel?
Ein Ursache ist in einer größeren Schrittlänge zu finden.
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Wird die Schrittlänge nur über eine größere Bewegungsweite in der Hüfte
(bei gleich bleibendem bzw. größerem Kniewinkel) gesteuert,
begünstig dies einen steileren Fußaufsatz.
Ein „durchgestrecktes“ Bein (großer Kniewinkel) erhöht die (Stauch-) Belastung
im Knie und beeinträchtigt die Belastungsreduktion durch „Abfedern“ im Kniegelenk
[Problem z.B. ilio-tibialis Syndrom, Patellaspitzensyndrom, (Jumpers knee)]
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Warum aber laufen wir heute so?
Eine mögliche Ursache ist die Entwicklung unsere Schuhe bzw. der Schuhmode.
Im Business-Schuh (klassisch) überwiegt noch der kantige feste Absatz aus Leder.
Die Tendenz geht aber eindeutig in Richtung bequem und Komfort. Das bedeutet als
Errungenschaft der „Turnschuhgeneration“ weicher Absatz, gerundete Formen.
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Mögliche Ursache – unsere Schuhe
harter – eckiger Absatz weicher – gerundeter Absatz
Diese Entwicklung fördert das Komfortempfinden und ermöglicht eine dynamischere und
sportlichere Gangausführung. Der Schuh erlaubt es uns problemlos anders zu gehen,
als es unsere Anatomie und Physiologie entspricht. (Wie wir es im Laufe der Evolution bis
heute adaptiert haben.)
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Fluch oder Segen?
weiches Absatzmaterial abgerundeter Absatz
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Gut gemeinte Ratschläge bei im Allgemeinen als muskel- und gelenkschonenden
Bewegungen (Sportarten) z.B. die Anweisung lange Schritte zu machen können dabei
leicht zu unnötigen Überbelastungen führen.
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gut gemeint
Die Jugend (der Junge im unteren Bild) geht (noch) „natürlich“,
die Erwachsenen haben „etwas anderes“ erlernt
Wenn dann die Industrie speziell auf diese Bewegungsanweisung adaptierte Schuh baut,
zeigt das, wie weit wir uns (teilweise) vom natürlichen Gang entfernt haben.
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Zum Abschluss ein paar Kriterien, die zu einer Belastungsreduktion (beim Gehen,
Wandern, Walken und Laufen) führen können:
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Eine optimierte Gangausführung
Kniewinkel kleiner ca. 160 Grad
Aufsatzwinkel unter ca. 35 Grad
Beim ersten Bodenkontakt ein Aufstellwinkel des Fuß es unter ca. 35 Grad.
Dies gewährleistet einen zentralen flächigen Fersenaufsatz und
einen schnellen großflächigen Bodenkontakt, bei dem die Gewölbekonstruktion des Fußes
als Stoßdämpfer agieren kann.
Beim ersten Bodenkontakt ein Kniewinkel unter ca. 1 60 Grad (Bein leicht gebeugt).
Dadurch wird eine Stauchung des Kniegelenks minimiert und
eine kontinuierliche Reduktion der Belastung (des gesamten Körpers) durch eine
Verkleinerung des Kniewinkels begünstigt.
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Belastungsreduktion durch angepasste Bewegungsausführung - Seite 13 von 13
Die Messung der plantare Druckverteilung ermöglicht eine Optimierung der
Bewegungsausführung durch Vergleich mit einer „Idealvorstellung“:
Diese beinhaltet dass,
die Ferse nahezu zentral belastet wird,
das Abrollen des Fußes über den lateralen Bereich des Mittelfußes erfolgt,
der Ballen in seiner gesamten Breite belastet wird,
das Abrollen über die Mitte des Vorfußes in Richtung auf die längste Zehe erfolgt
und alle Zehen Bodenkontakt aufweisen (Stabilisierung und kraftvollen Abdruck)
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Eine optimierte Gangausführung
Bodenkontakt mit allen Zehen
Abrollen über den Ballen in Richtung der längsten Zehe
Aufsatz und Belastung der Ballens in gesamter Breite
Abrollen über die laterale Seite des Mittelfußes
flacher Fersenaufsatz