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PALÄSTINA 2009 Joe Sacco Pädagogisch-didaktische Aufbereitung: Peter Schott, Nancy Nach den Richtlinien des Europäischen Referenzrahmens eignet sich die Bearbeitung der Graphic Novel ab Niveaustufe B1. Joe Sacco, 1960 auf Malta geboren, studierte erst Journalismus an der University of Oregon; später arbeitete er für den Verlag Fantagraphics Books und kreierte seine eigene Comic-Buch- reihe „Yahoo“. 1991/1992 bereiste er Israel und die palästinensischen Gebiete. Seine Eindrücke veröffentlichte er in neun Comic-Heften, die unter dem Titel „Palestine“ erschienen. Dafür erhielt er 1996 den American Book Award. (Abschließender Klappentext zu Joe Saccos "Palästina") Joe Sacco beschreibt die Rebellion mit den Steinen von 1987 bis 1992 mit ihrem Leid, Elend und den Toten. (...) in der Intifada haben sich die jungen Palästinenser mit ihren Steinen nicht nur gegen Soldaten der israelischen Be- satzungsarmee erhoben, sie haben den Man- tel der Vergessenheit zerrissen, mit dem das Schicksal ihres Volkes verdeckt wurde. Nicht nur die israelische, sondern auch die Welt- Öffentlichkeit nahm die Palästinenser plötzlich wieder wahr und auch ernst. Dabei schildert Joe Sacco in seiner Comic-Reportage die Regi- on, in der die Palästinenser ihr Zuhause haben als ein einziges Gefängnis und nutzt Sarkasmus und Selbstironie als Stilmittel, um von der Aus- weglosigkeit der Situation abzulenken. (Auszüge aus dem Vorwort von Ulrich Tilgner zu Joe Saccos „Palästina“, edition moderne, 2009)

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Page 1: Palästina - Edition Moderne · Palästina 2009 Joe Sacco Pädagogisch-didaktische Aufbereitung: Peter Schott, Nancy Nach den Richtlinien des Europäischen Referenzrahmens eignet

Palästina2009

Joe SaccoPädagogisch-didaktische Aufbereitung: Peter Schott, Nancy

Nach den Richtlinien des Europäischen Referenzrahmens eignet sich die Bearbeitung der Graphic Novel ab Niveaustufe B1.

Joe Sacco, 1960 auf Malta geboren, studierte erst Journalismus an der University of Oregon; später arbeitete er für den Verlag Fantagraphics Books und kreierte seine eigene Comic-Buch-reihe „Yahoo“. 1991/1992 bereiste er Israel und die palästinensischen Gebiete. Seine Eindrücke veröffentlichte er in neun Comic-Heften, die unter dem Titel „Palestine“ erschienen. Dafür erhielt er 1996 den American Book Award.(Abschließender Klappentext zu Joe Saccos "Palästina")

Joe Sacco beschreibt die Rebellion mit den Steinen von 1987 bis 1992 mit ihrem Leid, Elend und den Toten. (...) in der Intifada haben sich die jungen Palästinenser mit ihren Steinen nicht nur gegen Soldaten der israelischen Be-satzungsarmee erhoben, sie haben den Man-tel der Vergessenheit zerrissen, mit dem das Schicksal ihres Volkes verdeckt wurde. Nicht nur die israelische, sondern auch die Welt-Öffentlichkeit nahm die Palästinenser plötzlich wieder wahr und auch ernst. Dabei schildert Joe Sacco in seiner Comic-Reportage die Regi-on, in der die Palästinenser ihr Zuhause haben als ein einziges Gefängnis und nutzt Sarkasmus und Selbstironie als Stilmittel, um von der Aus-weglosigkeit der Situation abzulenken.(Auszüge aus dem Vorwort von Ulrich Tilgner zu Joe Saccos „Palästina“, edition moderne, 2009)

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2PALäSTINA

Unterkapitel „Die Harten und die Toten“ (Seiten 99–103)Bearbeitet· Seite 101, Panel 2–3· Seiten 99–100· Seite 101, Panel 1

Kapitel 5 (Seiten 117–143)Bearbeitet Einleitende Seiten 122–123; 117

Unterkapitel „Ramallah“ (Seiten 119–127)Bearbeitet Seiten 124–127

Kapitel 6 (Seiten 145–179)Bearbeitet Einleitende Seite 145

Unterkapitel „Tomaten“ (Seiten 170–176)Bearbeitet· Seite 172, Panels 2–3· Seite 173–174

Kapitel 7 (Seiten 181–215)Bearbeitet Einleitende Seite 181

Unterkapitel „Dschabalia“ (Seiten 183–191)Bearbeitet Seite 183; 189

Unterkapitel „Die Jungs, Erster Teil“ (Seiten 192–196)Bearbeitet Seite 192; 196

Unterkapitel „Die Jungs, Dritter Teil“ (Seiten 198–203)Bearbeitet Seiten 198–203

Kapitel 8 (Seiten 217–251)Bearbeitet· Einleitende Seite 217· Seite 240, Panels 4–10· Seiten 241–243

Kapitel 9 (Seiten 253–287)Bearbeitet Einleitende Seite 253

Unterkapitel „Mit anderen Augen“ (Seiten 255–261)Bearbeitet Seite 256, Panel 2 – Seite 257

Unterkapitel „Ein Junge im Regen“ (Seiten 281–287)Bearbeitet Seite 284, Panel 4 – Seite 285

3. NachbereituNg zur comic-reportage „palästiNa“

1. iNhaltliche eiNstimmuNg

EinbandBearbeitet Vorder- und Rückseite

Vorwort · „Mehr als Bild und Ton“, Ulrich Tilgner· „Ein paar Gedanken zu diesem Buch“, Joe SaccoBearbeitet in Auszügen

2. arbeit aN eiNzelNeN strips bzw. paNels der comic-reportage

Kapitel 9 (Seiten 254–288)

Unterkapitel „Tel Aviv“ (Seiten 262–266)Bearbeitet Seite 262–266 als zusätzliche Einstimmung auf die Thematik

Unterkapitel „Mit anderen Augen“ (Seiten 254–261)Bearbeitet Seite 256, Panels 2–3 als weitere Einstimmung auf die Thematik

Kapitel 1 (Seiten 1–26)Bearbeitet Einleitende Seite 1

Unterkapitel „Rückkehr“ (Seiten 13–17)Bearbeitet Seiten 14–15

Kapitel 2 (Seiten 27–52)Bearbeitet Einleitende Seite 27

Unterkapitel „Hebron“ (Seiten 39–42)Bearbeitet Seiten 39–42

Unterkapitel „Erinnere mich“ (Seiten 43–52)Bearbeitet Seiten 43–52 in Auszügen

Kapitel 3 (Seiten 53–79)Bearbeitet Einleitende Seite 53

Unterkapitel „Das Fass“ (Seiten 61–73)Bearbeitet· Seiten 61–64· Seite 66, Panel 1· Seiten 67–68

Kapitel 4 (Seiten 81–115)Bearbeitet Einleitende Seiten 81; 83

Unterkapitel „Ansar III“ (Seiten 84–94)Bearbeitet· Seite 84, Panel 2· Seite 86, Panel 4· Seite 87· Seite 88, Panels 1–2· Seiten 89–90· Seite 91, Panel 3· Seite 92, Panel 1· Seite 93, Panels 2–3· Seite 94, Panel 1

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Palästina 31. inha

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VORBEMERKUNG Beim Einsatz von Comic und/oder Graphic Novels bzw. Comic-Reportagen ist zu empfehlen, zunächst mit den Schülerinnen und Schülern die Einführung in die Bildsprache des Comic bzw. des graphischen Romans zu behandeln.Einige grundlegende Bezeichnungen seien jedoch vorweg genommen:Eine Comic-Seite kann sich aus einer Sequenz zusammensetzen, die wiederum in der Regel aus einem oder mehreren Panel(s)/Bild(ern) besteht. Allgemein können wir bei der Beschreibung der Panels drei Ebenen unterscheiden:Die erste Ebene behandelt die Ebene der Inhalte, die im jeweiligen Einzelpanel dargestellt werden bzw. dargestellt sind. Die zweite Ebene beschäftigt sich mit der Abfolge der Inhalte der jeweiligen Einzelpanel. Die dritte Ebene befasst sich mit der Größe und Gestaltung der Panel, die jeweils variieren kann.

Neben der bereits erwähnten Bildsprache (hier vor allem Panel-Formate, Ansichtsgrößen, Perspektiven, Bildkomposition, Schwarz-Weiß-Schattierungen sowie Verwendung von Textsorten und deren Platzierung im Bild, Typografie) empfiehlt es sich vor der gründlichen Beschäftigung mit Joe Saccos Comic-Reportage, auf den israelisch-palästinensischen Konflikt und dessen Chronologie einzugehen, ohne den dieser Konflikt nicht verstehbar ist. Dazu gehören insbesondere · die Mandatszeit (1920–1948)· die Staatsgründung Israels (1948–1966)· die Kriege (1967–1986)· die Intifadas und das Oslo-Abkommen (1987–2005).

Ob die/der Unterrichtende sich dann auch noch dem Trennungs-plan und der Abkoppelung (2005–2012) bzw. den Friedens-gesprächen und dem Gaza-Konflikt (seit 2013) – sozusagen als historische „Abrundung“ des Konflikts –, zuwenden will, bleibt ihr/ihm überlassen.Jedenfalls räumen wir in der nachfolgenden Bearbeitung der Comic-Reportage, wichtigen, für das geschichtliche Verständnis weitreichenden Ereignissen einen angemessenen Platz ein.

GRUNDSäTZLICHESJoe Saccos Comic-Reportage „Palästina“, unterteilt in neun Kapi-tel, die wiederum in zahlreiche Unterkapitel gegliedert sind, ist sicher an Informationen sehr reichhaltig, aber von den Seiten her auch äußerst umfangreich. Aus diesem Grund kann eine pädagogisch-didaktische Bearbei-tung nur ausschnittsweise und hier auch nur schwerpunktmäßig erfolgen. Dabei stellt sich natürlich die Frage, welche Abschnitte aufzubereiten sind. Dies kann nur eine subjektive Auswahl sein. Die/der Unterrichtende muss sich innerhalb des hier vorgeschla-genen Angebots selbst die Mühe machen, aus diesem Angebot die Abschnitte zu selektionieren, die sie/ihn a) interessieren und b) in seinen/ihren Unterrichts(ablauf) passen. Doch ist davon auszugehen, dass die langjährige Erfahrung vieler Lehrer/innen sie dabei nicht vor allzu große Probleme stellen dürfte.

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Palästina 4

Vorderseite des Bucheinbandes

Betrachten Sie die Vorderseite des Buch einbandes ohne Buchtitel und Verfasser.

Kommentar

Betrachtet man die Vorderseite des Buchumschlags, so fällt das Auge des Betrachters unweigerlich auf das Profil der mit einer Brille versehenen Person, die von uns abgewandt auf das Geschehen vor sich blickt; dabei beobachtet sie das Gesche-hen von einer erhöhten Position aus. Dieser Figur, einem Mann mittleren Alters, scheint eine wichtige Funktion zuzukommen, da ihre Konturen im Gegensatz zu den übrigen abgebildeten Ereignissen scharf markiert sind, Kopf und Oberkörper sich auf Grund der intensiven Schwarz-Weiß-Gestaltung vom sonstigen schmutzig-verwaschenen Grau deutlich abgehoben. Räumlich ge-sehen befindet sich die Person am rechten Bildrand, so dass der Betrachter von deren Kopf aus Diagonalen zu den oberen und un-teren Bildmotiven, aber auch zu denen in der Mitte des Einbands zu ziehen vermag. Demnach fungiert sie als sog. Versatzstück, das uns auf das Geschehnisse aufmerksam macht, die vor uns ablaufen: Den widrigen Wetterverhältnissen zufolge mühen sich Autos und Fußgänger ab, durch die matschigen, aufgeweichten Strassen voller Schlamm zu stapfen und vorwärtszukommen, was ihnen durch Wasserlöcher und „gestrandeten“ Autowracks erschwert wird. Insbesondere auf Grund der Kleidung, die die abgebildeten Personen tragen, sowie der Art und Weise, wie eine Frau im Vordergrund ihre Habseligkeiten befördert, kann man zu dem Schluß kommen, dass wir uns an einem arabischen Ort aufhalten. Der Comic könnte deshalb auch den Namen eines dieser Länder tragen.

Überlegen sie:

- Wer oder was befindet sich im Vorder-, Mittel- und Hintergrund?

· In welcher Beziehung stehen diese jeweiligen Räume?

· Wer oder was steht im Zentrum des Einbandes?· Wie beschreiben Sie in diesem Kontext die Farb-

gestaltung?

- Können Sie das dargestellte Geschehen einem Ort zuordnen?

· Welchen Titel könnten Sie dem Buch geben?

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Sehen Sie sich nun die Vorderseite des Buch-einbandes mit Titel und Verfasser an.

Kommentar

Mit dem Namen „Palästina“ verbindet man eine Provinz des Römischen Reiches. Hier lebten Juden und Araber zunächst ohne größere Probleme zusammen.Als Comic-Reportage oder auch Comic-Journalismus bezeich-net man ein Genre, das mit dem Medium Comic journalistisch über gegenwärtiges oder zeitgeschichtliches Weltgeschehen berichtet.3 Die Form der Comic-Reportage erlaubt es, sich den Personen, die die jeweiligen Ereignisse prägen, zu nähern und die Hintergründe ihrer Verhaltensweisen besser zu beleuchten. Erstmals als comics journalism bezeichnete Joe Sacco sein ab 1993 in den USA erschienenes Werk „Palästina“; er gilt damit als Pionier des Genres. Auch wenn der Autor des journalistischen Comics auswählend Höhepunkte seiner Recherche herausstellt, so gibt es keinen dramaturgischen Plot wie in einer Graphic Novel. Der Comiczeichner inszeniert vielmehr exemplarische Momente anhand von Photographien oder aus der Erinnerung und illustriert Beschreibungen und Zitate. Durch die Zeichnungen wird der Eindruck eines Augenzeugenberichts verstärkt. Aktualität kann der Zeichner nur in kurzen Episoden bieten, die zunehmend bei Zeitungen wie dem Guardian auch online erscheinen. Für die umfangreichere Buchform benötigt dieser besondere Journalismus meist mehrere Jahre. Eine Reportage zu zeichnen, zwingt zu Auswahl, Betonung und subjektiver stilistischer Darstellung.4 So merkt Joe Sacco am Ende seines Vorwortes zur Comic-Reportage über „Palästina“ an: „Es ist kein ‚objektives‘ Werk, wenn man unter Objektivität den amerikanischen Ansatz versteht, der beiden

Seiten das Wort gibt, sich aber nicht um die Darstellung der Reali-tät kümmert. In diesem Buch wollte ich nicht objektiv sein, sondern ehrlich.“ Er berichtet (...) von seinen Erlebnissen Anfang der 90er Jahre in den besetzten palaästinensischen Gebieten. Er belebt als comic-zeichnender Journalist die Tradition des new journalism, wel-cher durch subjektives Berichten (...) versucht, durch das subjektive Erlebnis des Journalisten einen höheren Erkenntniseffekt beim Lesen zu erzeugen. So ergibt sich für „Palästina“ ein Mix aus dokumen-tarischen und persönlichen Momenten. „Palästina“ ist von Sacco bewusst als Gegenentwurf zur üblichen westlichen Berichterstattung über Palästina konzipiert, die in pseudo-objektiven, pro-israelischen Berichten erstarrt, deren Fokus nicht dem Alltag gilt.5

Überlegen sie:

- Wie erklären Sie sich den Titel „Palästina“?· Was verbinden Sie mit dem Namen Joe Sacco?· Worüber könnte Joe Sacco, der Autor dieses

Comic, erzählen?

- Lesen Sie dann folgenden Text (LV 11).

lV 1:

Irgendwann beschloss ich, selbst in die besetzten Gebiete zu reisen. Ich plante einen Comic über meine Erlebnisse, eine Art illustrierter Reisebericht während der letzten Tage der ersten Intifada. Ich würde Menschen interviewen, Fak-ten notieren, ein Tagebuch führen.2

- Können Sie bereits aus diesen wenigen Zeilen eine Definition des Comic-„Genres“, mit dessen Hilfe Joe Sacco seine Bildgeschichte verfasst, ableiten?

1.11.1

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1 LV=Leseverstehen2 aus „Ein paar Gedanken zu diesem Buch“, Joe Saccos Vorwort zu

„Palestine“; Special Edition by Fantagraphics Books, 20073 https://www.uni-oldenburg.de/geschichte/studium-und-lehre/lehre/

projektlehre/erinnerung-im-comic/comic-reportage/4 https://www.uni-oldenburg.de/geschichte/studium-und-lehre/lehre/

projektlehre/erinnerung-im-comic/comic-reportage/5 https://www.uni-oldenburg.de/fileadmin/user_upload/geschichte/

projekte/erinnerung-im-comic/Essay_ErinnerungComic_Grimm.pdf

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Rückseite des BucheinbandesBetrachten Sie die Rückseite des Buch einbandes.

Kommentar

Gemeinsam ist Vorder- und Rückseite die Abbildung des Autors Joe Sacco.Doch dann springen zwei frappante Unterschiede ins Auge: Farb-gebung und Position bzw. Blickrichtung des Comic-Journalisten Joe Sacco. Während die Vorderseite in der Hauptsache von grauen Farben und kontrastierendem Schwarz-Weiß geprägt ist, leuchtet die Rückseite in Grün, das bereits „schüchtern“ auf der Vorderseite im Titel und Namen des Verfassers angedeutet wird. Die Farbe Grün wird positiv mit Natur, Leben, Lebendigkeit, Natürlichkeit, Früh-ling, Hoffnung, Zuversicht, Frische und Jugend konnotiert. Da der Buchtitel „Palästina“ u.a. auch mit dem Begriff des Islam assoziiert wird, ist es nicht unbedeutend zu wissen, dass Grün die heilige Farbe des Islam repräsentiert, da sie Mohammeds Lieblingsfarbe war. Warum? Der Grund ist in seinen Prophezeiungen zu suchen: Als Lohn für ein Leben nach den Geboten des Islam erwarten die Gläubigen das Paradies mit Wiesen, Wäldern, üppig wach-senden Sträuchern und Bäumen. Für ein Wüstenvolk war und ist das eine herrliche Vorstellung. Grün erhält auf diese Weise einen sehr hohen Stellenwert, weil Grün als Farbe in der kargen Wüstenlandschaft selten existiert und deshalb sehr kostbar ist. Vorder- und Rückseite stehen daher in farblicher Opposition: Was die Vorderseite – und man darf davon ausgehen auch der weitere Inhalt des Comic – an tristem Geschehen bietet, wird durch die Farbgestaltung der Rückseite zumindest ausgeglichen, wenn nicht sogar auf das Podest der Hoffnung und Zuversicht gehoben.

Wenden wir uns nun der Position und Blickrichtung des Comic-Künstlers Joe Sacco zu. Kehrt er sich auf der Vorderseite vom Betrachter ab und dem Geschehen in Palästina zu, so tut seine in Schwarz-Weiß gehaltene Gestalt auf der Rückseite das Gegenteil: Er steht uns als Betrachter und potentieller Leser frontal gegenüber, fordert uns so zur Teilnahme auf. Das einzige, was „stört“, sind seine keine Iris aufweisenden Augen, die wir auch innerhalb der Comic-Reportage immer wieder antreffen; seine Au-gen scheinen blind zu sein. Aber auch Blinde können sehen, und zwar mit dem Dritten Auge, das oft die Funktion der physischen Augen übernimmt, sozusagen als eine Art innerer Wahrnehmung, die einer Hellsichtigkeit und Hellfühlichkeit gleichkommt. Das derart Geschaute braucht deshalb nicht unbedingt dinglich oder räumlich materiell zu sein, es kann ein „inneres“, dem Herzen nah stehendes „Auge“ sein.

Überlegen sie:

- Vergleichen Sie Vorder- und Rückseite.· Wie beschreiben Sie Gemeinsamkeiten bzw.

Unterschiede?· Wie interpretieren Sie die Blickrichtungen des

Comic-Künstlers Joe Sacco?

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Kapitel 9: Tel Aviv (Seiten 262–266)

Sehen Sie sich die Seiten 262–263 ohne Texte an.

Kommentar

Lässt man das Auge über die beiden Seiten schweifen, so fällt sofort die unterschiedliche Stimmung auf, die hier abgebildet wird. Vermitteln die ersten beiden Panels auf Seite 262 sowie insbesondere das letzte Panel auf Seite 263 eine entspannte At-mosphäre, so dreht sich diese im letzten Panel der Seite 262 ins Gegenteil; daran ändern auch die ersten beiden Panels auf der nächsten Seite nichts, selbst wenn Journalist Joe Sacco im zweiten Panel freundlich-lachenden Kindern gegenüber steht; unweigerlich überträgt sich bei der Lektüre des besagten letzten Panels die Befindlichkeit auf die ersten Bilder der nächsten Seite: Neben Joe Saccos verschwitzt-verzerrtem Gesicht beeindrucken vor allem der junge Mann und die sich neben ihm aufhaltenden zwei Frauen durch ihre gramgebeugte Haltung, die durch die Anwesenheit der im Hintergrund befindlichen bewaffneten israelischen Soldaten hervorgerufen wird. Dagegen erinnern die restlichen Abbildun-gen an Kurpromenaden, wie wir sie von westlichen Städten her kennen.

Überlegen sie:

- Welche Eindrücke hinterlassen die beiden Comic-Seiten?

· Beschreiben Sie sie.· Gibt es Unterschiede? Inwiefern?

2.12.11

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Sehen Sie sich nun dieselben Seiten nochmals an, aber mit Texten.

Überlegen sie:

- Auf welche Weise sind beide Panel-Seiten auf-gebaut?

· Welche Rolle spielen dabei die einzelnen Ab-bildungen und deren Anordnung?

- Welche Funktion haben die Texte?· Wie definieren Sie die Textsorte?

- Ergänzen sich Bild und Text? Inwieweit (nicht)?

- Welche Zeitebenen beinhaltet die Panel-Sequenz?· Inwieweit sind sie (nicht) miteinander verflochten?

2.11.2

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Kommentar

Das erste mit den Seitenrändern zusammenfallende rahmenlose Panel auf Seite 262 erstreckt sich über zwei Drittel der Seite. In ihm ist ein zweites kleineres mit Rahmen versehenes Panel einge-bettet. Es resultiert aus dem ersten, konkretisiert die allgemeine Stimmung, die durch die Texte verstärkt wird. Diese rechteckigen, wenn auch nicht unbedingt geradlinig gezogenen Textfelder sind als in der Ich-Person gehaltene Kommentare von Joe Sacco zu definieren, der in diesen und den nachfolgenden Panels als ge-zeichnete Person präsent ist. Auch der Platzierung der einzelnen Textfelder kommt eine Bedeutung zu. Im Eröffnungspanel dieses mit „Tel Aviv“ betitelten Abschnitts ergänzen sich so Bild und Text: Das Auge folgt zunächst dem einleitenden Text, der links oben im vom Betrachter zu imaginierenden blauen Himmel erscheint, bevor wir auf den zweiten Text stoßen, der nahe den drei Haupt-personen, die gerade auf dem Strand entlang gehen, platziert ist. Nimmt der Leser bzw. Betrachter das zweite Bild in Augenschein, so macht er unbewussterweise einen Zeitsprung, denn mittlerweile sitzen der Comic-Journalist und seine beiden Begleiterinnen Nao-mi und Paula auf Stühlen, die, wie wir in der letzten Abbildung auf Seite 263 erfahren, Strand und Meer zugewandt sind. Die Verbindung zwischen den beiden Vignetten besteht aber nicht nur auf der Bildebene, sondern auch auf der Textebene: die beiden äußersten linken und rechten Textfelder ragen in das die Thematik Strand und Erholung einleitende Panel hinein, auch wenn dies zum Teil nur mit der obersten rechten Ecke oder der über die Rah-mung der zweiten Darstellung geringfügig „überschwappenden“ Textfeldbegrenzung geschieht. Dagegen ist der zweite Kommentar vollends integriert, was – liest man den Text – Sinn macht, denn es handelt sich offensichtlich um eine unbekümmerte Unterhaltung: „Und wir plaudern unbeschwert über dies und das...“, etc. Umso unvermittelter wirkt dann die dritte Zeichnung, die unversehens mit der entspannten Idylle der Strandpromenade bricht, den Betrach-ter mit dem palästinensischen Alltag in Nablus konfrontiert. Dieser plötzliche Rückwurf in das von Joe Sacco unmittelbar Erlebte („Gestern war ich total angespannt...“) wird neben dem zeich-nerischen Inhalt durch eine Strichziehung illustriert, die zumindest bildlich die dritte Illustration von den vorhergehenden Abbildun-gen trennt. Textlich jedoch besteht die Verbindung Vergangenheit/Gegenwart oder besser: die Vergangenheit ist gegenwärtig, wirkt selbst auf Joe Saccos erholsames Strandleben ein bzw. nach; das machen beide Textfelder, die die oben erwähnte Begrenzung überschreiten, transparent. Und so schnell kommt er von den gestrig erlebten Ereignissen nicht los, denn sie finden auf der nächsten Seite ihre Fortsetzung, wo er in den ersten Panels über seine verpassten Gelegenheiten berichtet. Schließlich gelingt es ihm doch, sich von der Vergangenheit loszureißen, denn als er in einem der Texte „Berlin“ zitiert, befindet er sich wieder auf einem bequemen Strandstuhl. Zeichnerisch wird dieser gedankliche „Ausflug“ in die Vergangenheit dadurch abgeschlossen, dass besagtes Strandstuhl-Bild in den letzten, über zwei Drittel der Seite gehenden Panel eingefügt ist und das Textfeld ebenfalls diese Beziehung herstellt. Und zu guter Letzt öffnet der Comic-Journalist Joe Sacco seinen ichbezogenen Gedankengang, indem er sich im rechts unten stehenden Kommentar seinen beiden Begleiterin-nen als Repräsentantinnen der westlichen Hemisphäre zuwendet. Der zeitliche Kreis Gegenwart/Vergangenheit/Gegenwart wird auch formal geschlossen: Eröffnungs- und Schlusspanel weisen dieselben Dimensionen auf.

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Betrachten Sie die gesamte Seite 264.

Kommentar

Diese Seite weist insgesamt vier Panels auf, wobei die ersten beiden waagrechten Illustrationen den größten Raum einnehmen, die zwei letzten einem Quadrat ähnlichen Bilder sich mit einem Drittel der Seite „begnügen“ müssen. Diese vier Darstellungen beinhaltenen Texte. Grundsätzlich wird Text im Comic, also auch im dokumentarischen, konkreter im Comic-Journalismus als direkte Rede oder Gedanken in Sprech- oder Denkblasen, zudem als ergänzender Kommentar zur Handlung oder als Ersatz von Bildern wiedergegeben. Text und Bild ergänzen sich somit im Comic. Sprache und Gedanken werden dabei in gerundeten Blasen dargestellt, Kommentare dagegen in kantigen Textblöcken, wobei die Rahmung wiederum individuell erfolgt.Auf dieser Seite sind beide Textkategorien vorhanden.Gleich im ersten Panel sind links und rechts am jeweiligen Bildrand zwei Kommentare in kantige Textfelder gefasst, die die Szene, mit der wir unmittelbar konfrontiert werden, rahmen und uns so auf Naomis Aussage aufmerksam machen. Diese nimmt direkten Bezug auf das im linken Kommentar fett gedruckte Wort „Deutschland“, in dem sie sich nicht Zuhause fühlen würde, da Israel trotz ihrer Abstammung ihre Heimat ist. Nachdem wir erfahren haben, welcher Herkunft Naomi und Paula sind und was ihre Vorfahren an Pionierarbeit geleistet haben, leitet der im zweiten Panel am linken Bildrand befindliche Kommentar auf die dem Comic-Zeichner am Herzen liegenden Probleme über. Dass er dabei gewissen Hemmungen ausgesetzt ist, wird formal-bildlich durch eine Aufsicht festgehalten. Dennoch setzt nun eine Diskussion ein, wie aus den Sprechblasen ersichtlich ist.Dies geschieht beim Essen, also nicht mehr am Strand, der uns noch in der ersten Abbildung suggeriert wird; es ist demnach wiederum zu einem Zeitsprung gekommen, den der Leser und Betrachter des Comic nachvollziehen muss, indem er die zeitliche Lücke zwischen den ersten beiden Darstellungen ausfüllen muss.Aus dem größeren horizontalen Panel gestalten sich zwei kleinere Zeichnungen, die textlich auf Naomis Sicherheitsbedenken Bezug nehmen. Dabei blicken wir in Nahansicht auf beide Begleite-rinnen, doch ist es Paula, die die in die Diskussion gebrachten Sicherheitsfragen konkretisiert, indem sie Iraks Raketenbeschuss im Golfkrieg erwähnt. Bevor wir uns jedoch mit Paulas Einwurf auseinandersetzen, kommentiert der bildlich abwesende Joe Sacco am oberen Rand des Panels Naomis Sorgen um Israels geografische Lage. Dagegen ist er im letzten Bild wiederum an-wesend, leitet mit dem oben am Panelrand befindlichen Textfeld weitere Dialoge zum Thema Frieden zwischen Israelis und Araber ein. Als Betrachter sitzen wir nun gewissermaßen mit am Tisch, aus der im zweiten Panel benutzten Vogelperspektive wird jetzt eine Normalsicht, aus der halbtotalen eine halbnahe Ansicht, so dass es dem Leser bzw. Betrachter leicht(er) gemacht wird, den Ausführungen der beiden Frauen zum Gegenstand Vertrauen bzw. Mißtrauen gegenüber arabischen Staaten zu folgen. Naomis Sprechblase sprengt dabei die Bildbegrenzung; die Angst, dass ein (arabischer) Staatsmann, Israel zu vernichten gedenkt, hakt sich am Namen des früheren ägyptischen Staatspräsident Nasser6 fest, dessen Namensnennung (und übrigens auch ihre in ein Erklärungstextfeld gefasste geschichtliche Konnotation) deutlich außerhalb des Bildrahmens liegt und auf diese Weise den Leser unbewusst darauf hinweist, dass die Diskussionen zwischen den Protagonisten noch nicht beendet ist.

Überlegen sie:

- Wie lassen sich die Abbildungen auf dieser Seite nach Inhalt und Form beschreiben?

- Welche Rolle spielt die jeweilige Perspektive?

- Welche Texte definieren Sie als direkte Rede, welche als Kommentar?

Überlegen sie weiterhin:

- Welche Bedenken könnten Naomi und Paula gegenüber einem Frieden mit den Palästinensern bzw. den Arabern noch haben?

- Welche Hindernisse könnten Araber für einen Friedenschluss sehen?

· Setzen Sie sich in kleine Gruppen zusammen, dis- kutieren Sie das jeweilige Für und Wider und bringen Sie dann Ihre Ideen im Plenum ein, indem Sie hierfür eine Person delegieren.

2.12

6 Gamal Abdel Nasser, geboren am 15. Januar 1918 in Alexandria und am 28. September 1970 in Kairo gestorben, war von 1952 bis 1954 Ministerpräsident Ägyptens; danach avancierte er zum ägyptischen Staatspräsident (1954–1970) und in der Zeit der Union Ägyptens mit Syrien zum Präsidenten der Vereinigten Arabischen Republik. Zunächst dem Staate Israel eher aufgeschlossen stellte er dann doch das Existenz-recht Israels in Frage.

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Lesen Sie danach diese Texte in Auszügen (LV 2).

lV 2:

(a) Die Araber drehen durch. Sie haben auch andere Kriege angezettelt.

(b) Denk an Sadat7. Er kam nach Jeru-salem und wollte Frieden. Schau, was mit ihm passiert ist.

(c) Ich weiß, aber in Israel gibt es auch Extremisten.

(d) Klar gibt es hier Extremisten, aber niemand hat Menachem Begin8 erschos-sen, weil er einen Friedensvertrag mit Ägypten unterschrieben hat....

(e) Na schön, aber aus der Sicht der Palästinenser ist die Ausdehnung der Siedlungen auch nicht gerade Vertrau-en bildend.

(f) Ich bin gegen die Siedlungen!

(g)Und was ist mit Jerusalem? Die israelische Regierung zieht nicht einmal in Erwägung, den besetzten Teil zu-rückzugeben.

(h) Nein, Jerusalem können wir auf kei-nen Fall zurückgeben. Die Stadt darf nicht wieder geteilt werden.

(i) Sie ist das Symbol Israel.

(j) Jerusalem repräsentiert das Alte und das Neue in der jüdischen Ge-schichte. Dort stand der Tempel.(...)

(k) Nein, aber Jerusalem hat etwas, ich weiß nicht genau, was, die Stadt steckt voller Geschichte. Ihretwegen sind die Juden in diesen Teil der Welt zurückgekehrt...(...)

(l) Und was ist mit einem palästinensi-schen Staat? Könnt ihr euch das vor-stellen?

(m) Ich weiß nicht. Möglich, aber könn-te er wirtschaftlich überleben? Ich weiß, in den Flüchtlingslagern herr-schen schlimme Zustände, aber im Allgemeinen geht es den Arabern unter der Besatzung besser als vorher.

(n) Das ist wohl eine Legende. Die besetzten Gebiete werden wirtschaft-lich unterdrückt. Es ist ein abhängiger Markt und eine Quelle billiger Arbeits-kräfte für Israel...Und was die wirtschaftliche Lebensfä-higkeit betrifft, soll das eine Voraus-setzung für die Bildung eines Staats sein? Wo stünde Israel ohne den Geld-strom aus den Staaten?

(o) Mir gefällt unsere Abhängigkeit vom US-Geld nicht.

(p) Aber abgesehen von alledem, die Palästinenser wollen sich selbst re-gieren. Die Besatzung ist hart für sie. Wisst ihr WIRKLICH, was sich dort drü-ben abspielt?

(q) Die Israelis haben es satt, sich für die besetzten Gebiete zu entschuldi-gen! Es gab einen Krieg! Wir haben das Land im Krieg gewonnen! Jetzt ist es unser Land!

(r) Urgs! Bei unserer Begegnung in Je-rusalem sagte sie ...(...)

(s) Vielleicht weiß ich nicht über alles Bescheid, aber mein Bruder war dort beim Militär und anschließend musste er zum Psychologen...

(t) Ein Bekannter von mir war in Gaza beim Militär und ein Stein hat ihm die Nase gebrochen.

(u) Was mit den Palästinensern pas-siert, tut mir Leid, aber die Soldaten erschießen niemanden ohne Vorwar-nung ... Erst schießen sie in die Luft, dann auf die Beine, und wer jemanden erschießt, ohne sich an die Vorschriften zu halten, geht ins Gefängnis. Ich kenne derzeit einen solchen Fall.

2.12.2

7 Muhammed Anwar as-Sadat (1918–1981) war Nachfolger Nassers (1970). Als Staatspräsident nahm Ägypten 1973 im Jom-Kippur-Krieg oder Ramadan-Krieg zusammen mit Syrien und anderen arabischen Staaten gegen Israel teil. Er schloss 1979 einen Friedensvertrag mit Israel. Für seine Bemühungen im Friedensprozess mit Israel erhielt er zusammen mit dem Israeli Menachem Begin 1978 den Friedensnobel-preis. Den Widersachern seiner Politik gelang ein Attentat, dem er zum Opfer fiel.

8 Menachem Begin (1913–1992) gelangte über die Sowjetunion nach Palästina. Von der Staatsgründung Israels an,wurde er Politiker, wurde Ministerpräsident. In seine Amtszeit fiel der Friedensschluss mit Ägypten. Wie Sadat erhielt auch er den Friedensnobelpreis. Auf Grund des erfolglosen Libanonkriegs trat er 1983 von seinem Amt zurück.

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12

(v) Also, wenn man mit Palästinensern redet, auf die geschossen wurde, klingt es nach einem weniger feinen Prozedere.

(w) Ich behaupte nicht, dass die Besat-zung moralisch unanfechtbar ist... Aber was ist mit den Palästinensern, die von Landsleuten getötet werden, weil man sie der Kollaboration mit Israel beschuldigt? Was ist mit den palästi-nensischen Terrorakten? Was ist, wenn in einem Bus in Gaza israelische Kinder verbrennen?

(x) Ich habe nicht vor, SO etwas zu rechtfertigen... aber ist für dich alles Terrorismus? Was ist, wenn die Palästi-nenser MILITÄRISCH gegen die Be-satzungstruppen vorgehen? Haben sie überhaupt das Recht dazu?

(y) Wir wollen bloß unser Leben leben, verstehst du? Wir haben unser Leben! Wir haben einen Job, eine Familie, und wir wollen einfach leben, genau wie ihr... Wir denken nicht ständig an diese Din-ge, und wir haben es ein bisschen satt, ständig daran erinnert zu werden!

(z) Wir haben es nicht wirklich satt... aber wenn man es immer und immer wieder hört, hat man es irgendwann ... satt....

Überlegen sie:

- Welchen Text ordnen Sie welcher Person zu?· Wer vertritt in den Texten eher den israelischen,

wer den palästinensischen Standpunkt?

- Welcher Text repräsentiert eine direkte Rede, welcher einen Kommentar?

- In welchem Bezug steht Joe Saccos Kommentar zu folgenden Panels?

· Sehen Sie sich dazu Panel 2–3 auf Seite 256 an.

Kommentar

Hier die Zuordnung der Texte zu den Personen Joe Sacco, Naomi und Paula.paula: (a); (i); (t); (z).Naomi: (b); (d); (f); (h); (j); (k); (m); (o); (q); (s); (u); (w); (y).Joe sacco: (c); (e); (g); (l); (n); (p); (r); (v); (x).Naomi und Paula vertreten die israelische, Joe Sacco dagegen die palästinensische Position.Alles sind direkte Reden, befinden sich also in Sprechblasen; Aus-nahme ist Joe Saccos Kommentar „Urgs! Bei unserer Begegnung in Jerusalem sagte sie...“ Dieser Kommentar nimmt in Wort und Bild Bezug auf die beiden Bilder auf Seite 256: Wir sehen den Comic-Künstler zusammen mit Naomi und Paula auf der Strasse und auf der Stadtmauer; von dort blicken sie auf die gegenüber liegende Ortschaft Silwan herab, aus der jüdische Siedler arabi-sche Familien gewaltsam vertrieben, um daraufhin ihre eigenen Siedlungen bauen zu können.Der Widerspruch könnte damit erklärt werden, dass Joe Sacco mit seinen Argumenten die beiden Begleiterinnen immer mehr in eine Verteidigungsposition drängt, die sie zu Aussagen veranlasst, die sie ursprünglich gar nicht äußern wollten.

Überlegen sie weiterhin:

- Wie erklären Sie sich den Widerspruch in Naomis und Paulas Aussagen ?

Im Laufe des Gesprächs in Tel Aviv mit Naomi und Paula stellt Joe Sacco die Frage:

“Wisst ihr WIRKLICH, was sich dort drüben abspielt? ”

Begeben wir uns nun zusammen mit dem Comic-Journalisten auf die Reise durch die von den Israelis besetzten Gebiete.

2.12.2

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13

Kapitel 1 (Seiten 1–26)

Betrachten Sie zunächst Seite 1.

Kommentar

Schlagen wir die erste Seite der Comic-Reportage auf, so blicken wir auf einen rechteckigen Kader, der sich in der Mitte der Seite befindet und unter dem in der rechten unteren Ecke das Wort „kapitel“ in Fettbuchstaben situiert ist. Dabei ist interessant, dass der Buchstabe „l“ als unsichtbare Fortsetzung des Kaderrahmens fungiert, gewissermaßen mit ihm abschließt, während die Ziffer 1diese unsichtbare Linie verlässt, über sie „hinauswächst“ und so den Betrachter und Leser dazu „verführt“, sich für den eigentli-chen Anfang der Comic-Erzählung zu interessieren, die auf den nächsten Seiten einsetzt.Die innerhalb des Kaders befindliche Zeichnung verortet uns mit der Stadtmauer Jerusalems, die wir bereits von der vorhergehen-den Abbildung mit Naomi und Paula her kennen. Auf Grund dessen und nicht zuletzt wegen der Körpergestalt scheint es nicht vermessen zu vermuten, dass es sich bei der Person, die sich auf der Zinnen abstützt, um den Comic-Reporter Joe Sacco handelt, auch wenn er uns den Rücken zukehrt. Sein Blick schweift über die verkehrsreiche Strasse im Vordergrund auf die Ortschaft Silwan, die im Gegensatz zu der Stadtmauer, die einen intensiv-griffigen Schwarz-Weiß-Kontrast aufweist, verwaschen, ja fast verschwommen-unkenntlich vor uns liegt. Das macht uns neugierig und wir fragen uns mit dem Comic-Künstler zusammen, wie dort drüben wohl das alltägliche Leben verlaufen vermag.

Überlegen sie:

- Was möchte Ihrer Ansicht nach diese Zeichnung erzählen?

· Beschreiben Sie das Abgebildete nach Inhalt und Form.

- Weshalb leitet dieser Kader das erste Kapitel ein?

2.2

2.21

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14

Unterkapitel „Rückkehr“ (Seiten 13–17)

Sehen Sie sich auf Seite 14 das dritte Panel an.

Kommentar

Das Panel beinhaltet verschiedene Elemente, von denen auf Grund ihrer Darstelllung anzunehmen ist, dass sie miteinander verflochten sind. Die obere Hälfte zeigt ein Schlachtschiff, dessen gewaltige Kanonen zum großen Teil von links nach rechts gerich-tet sind. Das Kriegsschiff ist britischer Herkunft: Die im Hintergrund wehende, von einem britischen Soldat (man erkennt ihn an der Form des Stahlhelms) gehaltene Fahne ist der Union Jack. Soldat und der im Wappen Englands repräsentierte Löwe, dessen brül-lendes Maul weit aufgerissen ist und dessen mächtige Pranke zum vernichtenden Schlag ausholt, sind symbolhaft mit der unteren Bildhälfte verbunden, in der ein Mann mit lichtem Haar an einem Tisch sitzt und auf einen Bogen Papier schreibt.In der Mehrzahl sind diese Bildelemente kriegerisch-nationalistisch konnotiert und gemäß der okzidentalen Tradition von links nach rechts, also zielbewusst ausgerichtet – auch der mit einem Füllfe-derhalter versehene Mann. Es ist daher davon auszugehen, dass die martialischen Bildinhalte in Zusammenhang mit dem schrei-benden Mann stehen – vielleicht wird ein Abkommen verfasst und am Ende unterschrieben.Was einer Erklärung bedarf, ist der auffallend weiße Arm, der von rechts oben in den Kader hineinragt; auf ihn und dessen Be-deutung kommen wir etwas später in einem weiteren Kommentar zu sprechen.

Überlegen sie:

- Welche Bildinhalte weist dieses Panel auf?· Wie stehen sie in Zusammenhang?· Erscheint Ihnen in dieser Darstellung etwas merk-

würdig? Was?

2.22

2.22.1

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15

Sehen Sie sich dann zusätzlich noch auf Seite 15 Panel 2 an.

Kommentar

Im Zentrum der Zeichnung sehen wir Lord Balfour9 (er ist als solcher mit einem kleinen Textfeld, dessen Pfeil auf ihn gerichtet ist, ausgewiesen), der in einem Sessel sitzt und in seiner rechten Hand distinguiert ein Tässchen Tee oder Kaffee hält. In dieser seiner Körperhaltung und bourgeoisen Umgebung – vor dem Bücherregal sehen wir im Hintergrund Golfschläger, die ihn als Golfspieler ausweist – nur wenige besaßen zu dieser Zeit das Privileg, diesem Sport nachgehen zu können – sind bereits Cha-rakteristika angelegt, die direkt zu den Sprechblasentexten führen, die von radikalen Ansichten zeugen.Rekurrieren wir mit diesem Wissen auf obiges Panel, so scheint es sich um die Rückführung der Juden ins Gelobte Land zu handeln.

Überlegen sie:

- Wer ist diese Person? · Charakterisieren Sie sie und die Umgebung, in

der sie sich aufhält.

- Inwieweit helfen Ihnen die Texte bei der Bild-analyse des obigen Panels von Seite 14 weiter?

9 Arthur James Balfour (1848–1930) war ein britischer Politiker, Premier- und Außenminister. Als solcher ging er mit seiner Balfour-Deklaration (1917) in die Geschichte ein. Hierin erklärte Großbritannien sein Einverständnis, in Palästina eine „nationale Heimstätte“ des jüdischen Volkes zu errichten.

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16

Betrachten Sie nun alle Panels auf den Seiten 14–15.

Kommentar

Von den sieben breitformatigen Bildern auf den Seiten 14–15 liegen sämtliche in der Vergangenheit bis auf die ersten beiden Panels auf Seite 14: das erste, in dem wir den Comic-Journalist Joe Sacco in Begleitung von Dave innerhalb Jerusalems klaustrophobischer Stadtmauer sehen, ist mit der Gegenwart, von der aus die Narration ihren Anfang nimmt, verwoben, während die zweite Darstellung eher religiös konnotiert ist. Beide Panels stehen wechselseitig in Verbin-dung: Zum einen durch den neben dem ersten Panel befindlichen Text, der auf das zweite Panel in Wort und Bild verweist. Danach liegt die Inbesitznahme jeglichen Landes, auf das das ausgewählte Volk seinen Fuß setzt, in Gottes Absicht. Zum anderen greift die „Gottes“-Darstellung, die aus allen übrigen Illustrationen wegen des überwiegenden symbolhaften Weiß hervorsticht, in das erste Panel zurück – der Kopf des bärtigen Gottes ragt in das erste Panel hinein –; doch damit nicht genug: sie scheint förmlich zu explodieren; Gott streckt nicht nur beide Arme weit aus, umfasst auf diese Weise das dritte Panel, das durch die von Lord Balfour 1917 unterzeichnete Deklaration den Beginn der Feindseligkeiten zwischen Arabern und Juden setzt10, sondern er dringt mit seinem linken Arm in besagtes

Überlegen sie:

- Welche Zeitebenen beinhalten die jeweiligen Panels?

· Welches Panel fällt besonders auf?· Welche Funktion besitzt es?· Wie sind zeitgeschichtliche und religiöse Ebenen

miteinander verknüpft?

- Wie definieren Sie die auf beiden Seiten vertrete-nen Texte und ihre Situierung in der Panel-Sequenz?

· Bisher kannten wir Kommentare nur mit Rahmen.· Wie interpretieren Sie jetzt ihre Rahmenlosigkeit?

2.22.2

Panel ein und scheint mit seiner Handfläche auf die bereits beschrie-benen Bildelemente hinzuweisen, sie zu protegieren und abzuseg-nen. Es ist deshalb auch nur folgerichtig, dass der zionistische Spruch „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“ nun in der dritten Darstel-lung konkretisiert wird. Wiederum besteht eine formale Verbindung zwischen dem vorletzten und letzten Panel: Das obere Kopfende des mit der Sprechblase versehenen Juden, der diesen Slogan ausspricht, geht mit dem Stück Papier eine Verbindung ein, auf das Lord Balfour just seine Unterschrift setzt.Seite 15 setzt das erste Panel in Opposition zum letzten der vergan-genen Seite: „1917 gab es dort zehnmal mehr arabische als jüdi-sche Einwohner“, was zeichnerisch durch den im Vordergrund massiv gesetzten Araber untermauert wird; der bärtige Jude mit seinem Kind lugt zwar hinter dem Rücken des Arabers hervor, geht aber in der Masse der restlichen arabischen Bevölkerung eher unter. Dennoch setzt sich – wie wir bereits aus der obigen Analyse des folgenden Panels wissen – Lord Balfour und damit die britische Regierung über diese Tatsache hinweg, was zu ersten Kampfhandlungen führt; diese sind der Ursprung von Flüchtlingsströmen auf Seiten der Araber. Auch hier versteht es der Comic-Künstler, dies dem Betrachter nicht nur durch den Kommentar, der sich wie alle anderen Kommentare am Rand der jeweiligen Comic-Seite befindet, nahe zu bringen, nahe zu bringen sondern er verzahnt wiederum dritte und zweite Darstellung: Der Kopf des flüchtenden Arabers reicht in die von Sprechblasen begleitete Lord Balfour-Illustration hinein. Da es sich um Kommentare historischen Inhalts handelt und um den Unterschied kenntlich zu machen, besitzen sie keine Rahmung.

10 Dies obwohl Faisal, zu dieser Zeit König von Syrien und dem Irak, in einem Brief an Felix Frankfurter, einem bedeutenden amerikanischen Zionisten, Folgendes schrieb: „Wir werden den Juden ein herzliches Willkommen in der Heimat entbieten [...]. Die jüdische Bewegung ist national und nicht imperialistisch und es gibt in Syrien für jeden von uns Platz. Ja ich bin der Ansicht, dass keinem ohne den anderen ein echter Erfolg beschieden sein kann.“

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Sehen Sie sich abschließend auf Seite 16 Panel 4 an.

Kommentar

Wir kennen Dave bereits vom ersten Panel der Seite 14, wo er zusammen mit Joe Sacco die Stadtmauer Jerusalems besichtigt; jenes wie dieses Panel sind Teil der gegenwärtigen Narration.Obwohl Dave die amerikanische Nationalität besitzt, hat er durchaus auf Grund des Rückkehrgesetzes die Möglichkeit, zusätzlich israelischer Staatsbürger zu werden.Die Durchbrechung der Panelrahmens deutet darauf hin, dass weitere Panels folgen, die entweder den israelischen oder arabi-schen Standpunkt veranschaulichen.

Überlegen sie:

- In welcher Zeitebene befinden wir uns?

- Wodurch kann Daves Gefühl, „bei sich zu Hause zu sein“, auch gesetzlich konkretisiert werden?

- Die Sprechblase „Ich bin zu Hause! Ich bin zu Hause! Ich bin zu Hause!“ durchbricht die untere Panel-Begrenzung.

· Welche Bedeutung hat dies?

2.22.3

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Betrachten Sie die ganze Seite 17.

Kommentar

Dave, der Amerikaner, der sich seinen Kibbuz-Aufenthalt unter-brach, um sich die Heilige Stadt anzusehen und zu der Schluss-folgerung gelangt, dass er sich in Israel wie zu Hause fühle, leitet mit dieser Bemerkung auf Seite 17 über, die inhaltsmäßig dazu in Opposition steht: Dies verdeutlichen Blocktexte, die einen geschichtlichen Abriß der Ereignisse um 1948 vermitteln, sowie Sprechblasen einer an diesen Geschehnissen beteiligten Familie.Dabei wird diese Seite in der Mehrzahl von großen, breit angeleg-ten Panels bestimmt, deren Formate sich horizontal oder quadra-tisch erstrecken; eine Ausnahme bildet das zweite vertikale Panel. Infolge dieser Gestaltung wird die Dramaturgie vorgegeben: Unser Auge ruht deshalb auf der ersten, dritten und letzten Abbildung länger, weil sie in Text und Bild detailreicher sind, sie verzögern nicht zuletzt wegen der Ansichtsgrößen den Fortgang des Lese- und Erzähltempos. Zugleich werden aber gerade diese Momente in der narrativen Abfolge mehr als der Augenblick in der zweiten Darstel-lung betont, die auf Grund ihrer Verengung Bedrängnis signalisiert und zudem schneller betrachtet und gelesen werden kann.Unter diesen Panels fällt das dritte Panel auf Grund seiner Kom-plexität auf: Es veranschaulicht einerseits die Blocktexte und somit die Zeitebene Vergangenheit („Er durfte durch das heutige Israel zu seinem Heimatdorf fahren...“), andererseits beinhaltet es auch das vom Araber in Joe Saccos Anwesenheit Erzählte, weshalb es als direkte Rede in Sprechblasen gefasst ist; es fehlt ihnen jedoch der von der jeweiligen Sprechblase ausgehende Vektor, wodurch kenntlich gemacht werden soll, dass es sich immer noch um ein und dieselbe Person, eben um die des arabischen Familienvaters handelt, der in der Gegenwart und in Anwesenheit Saccos spricht, doch „beredet“ er aus der Zeitebene der Gegenwart heraus die der Vergangenheit, die eben durch den dritten Kader bildlich festgehalten wird. Da alle arabischen Familienmitglieder über den Panelrand hinaus in den im off befindlichen Außenraum sehen, wird unbewusst-intuitiv eine Verbindung mit dem letzten Panel her-gestellt, der uns als objektiver Betrachter an dem, was die Familie erblickt, teilnehmen lässt: nämlich an einem Gelände, das dem Erd-boden gleich gemacht wurde und infolgedessen keinerlei Spuren einer arabischen Heimstatt mehr trägt. Dieses Gefühl der Gelände bedingten Vereinsamung und Trostlosigkeit vermittelt eine „weite“ totale Einstellung, in der man sich den abgebildeten Personen nicht annähert, und die nun fast dokumentarischen Charakter besitzt.Geht man vom letzten Panel auf Seite 16 sowie von der gesam-ten Seite 17 aus, so definieren sich diese Seiten als historisches Erzählen, das durch Retrospektivität, Temporalität, Selektivität, Konstruktivität und Partialität gekennzeichnet ist. Das Charakteris-tische des historischen Erzählens ist, dass die narrativ verzahnten Geschehnisse als Ereignisse angesehen werden, die sich in der Vergangenheit wirklich so zugetragen haben. Historische Erzäh-lungen beinhalten Authenzität und haben die Ambition, diese zu beanspruchen.11 Diese Anwartschaft auf Authenzität bringt es mit sich, dass historisches Erzählen im Comic den gleichen dokumen-tarischen Beweisverfahren wie jede andere historische Narration unterliegt.12 Diesem Gebot nach historischen Referenzen für den Adressaten entspricht Joe Sacco bereits auf den vorausgegangen Seiten 14–15 und tut es in der Folge immer wieder, indem er sich auf Geschichtsdaten beruft und diese in seine Comic-Reportage durch Wort und Bild einflicht.

Überlegen sie:

- Worauf bezieht sich diese Panel-Sequenz?

- Wie definieren Sie die Panel-Formate und ihre Ansichtsgrößen?

· In welchem Zusammenhang steht dabei der Erzählfluss bzw. das Erzähltempo?

- Welche Zeitebenen sind in der Panel-Sequenz angelegt?

· Auf welche Weise greifen sie ineinander?· Wie erklären Sie sich, dass (keine) Sprechblasen-

vektoren existieren?

- Wie definieren Sie diese Art des Erzählens?· Auf welche Weise beschreiben Sie die Merkmale

dieses Erzählens?· Inwieweit wird dabei das Geschichtsbewusstsein

des Rezipienten berücksichtigt?

2.22.4

11 nach Christian Heuer „Versuch über das lebensgeschichtliche Erzählen im Comic“ in „Der dokumentarische Comic. Reportage und Biografie“, Grünewald (Hg.), 2013, S. 326.

12 aaO, S.333

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Kapitel 2 (Seiten 27–52)

Sehen Sie sich Seite 27 an.

Kommentar

Wieder blicken wir auf einen rechteckigen Kader, der in der Mitte der Seite platziert ist. Im Gegensatz zu dem des ersten Ka-pitels hält sich der Comic-Journalist Joe Sacco nicht mehr auf der Stadtmauer Jerusalems auf, sondern er steht ihr nun gegenüber, bringt wohl jetzt seine Zeit im Palästinensergebiet zu. Im Kader sieht er – und wir folgen seinem Blick – von der rechten unteren Panelecke diagonal auf die Höhle von Machpela13 und hält in seiner Hand einen Reiseführer. War in der das erste Kapitel einleitenden Vignette das Palästinenserdorf Silwan lediglich mit schwachen Umrissen markiert, so ist es diesmal der Komplex um die Höhle und das in einer Denkblase befindliche Fragezeichen, dessen Vektor von Saccos Kopf ausgeht, der ebenso wie sein übriger Körper dagegen mit scharfen Konturen gekennzeichnet ist. Man könnte vermuten, dass dieses Fragezeichen stellvertretend für die vielen Fragen steht, die sich Joe Sacco jetzt in Zusammen-hang mit Israel und dessen Verhältnis zu den arabisch besetzten Gebieten stellt. Ansonsten gilt für die grafische Darstellung des Schriftzuges „kapitel 2“ dasselbe, was schon oben bei „kapitel 1“ erwähnt wurde.

Überlegen sie:

- An welchem Ort befindet sich Joe Sacco jetzt?· Inwieweit unterscheidet er sich von dem einleiten-

den Kader des ersten Kapitels?

- Welche Bedeutung hat das Fragezeichen?

- Wie charakterisieren Sie die Schwarz-Weiß-Gestaltung?

2.3

2.31

13 Die Höhle Machpela ist eine biblische Stätte, die für Juden, Muslime und Christen eine wichtige Bedeutung hat, befinden sich doch in ihr die Kenotaphen, d.h. sog. Scheingräber der Urväter Abraham, Isaak, Jakob und ihrer Frauen Sarah, Rebekka und Lea.

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Unterkapitel: „Hebron“14 (Seiten 39–42)

Betrachten Sie zunächst Seite 39 ohne Texte.

Kommentar

Da dieses Panel die „übliche“ Form eines Panels überschreitet – es geht über die ganze Seite –, nennt man es Splash-Panel, Splash-Seite oder nur Splash. Es wirkt auf uns als Adressaten nicht nur wegen der Größe besonders eindringlich, sondern vor allem auch durch die extreme Froschperspektive, die Dominanz, Macht, Arroganz und Verachtung in einem ausdrückt. Dabei sind es keine israelischen Soldaten, die hier ihre Uzis, die israeli-schen Maschinengewehre, im Anschlag haben: vielmehr sind es israelische Siedler; besonders derjenige rechts am Panelrand, dessen Maschinengewehr einen großen Raum in der Abbildung einnimmt, wirkt infolge seiner fast monsterhaften Gestalt beson-ders bedrohlich. Neben ihm patroullieren zwei weitere Siedler, in deren finstere Gesichter Gewaltpotential eingeschrieben ist, das sich jederzeit, sollte sich die Gelegenheit ergeben, in aller Kompromisslosigkeit entladen kann.

Überlegen sie:

- Welche Funktion könnte dieses über die ganze Seite gehende Panel besitzen?

· Wie wirkt das Bild auf Sie als Betrachter?· In welcher „Beziehung“ stehen Person und

Raum15?

2.322.32.1

2.32.11

14 Hebron ist eine Stadt, die 30 km südlich von Jerusalem entfernt im Westjordanland liegt. Sie ist die Hauptstadt des Gouvernements Hebron.

15 siehe auch unten: 9. Bildkomposition und Raum

Sehen Sie sich dieselbe Seite nun mit Texten an.

Überlegen sie:

- Wovon erzählen die Texte?· Inwieweit ergänzen sich Text und Bild?

2.32.12

Kommentar

Über der Überschrift des Unterkapitels „Hebron“ können wir einen kleinen Text des Comic-Reporters lesen, der in Relation zu den fast das ganze Bild einnehmenden bewaffneten Siedler gesetzt ist. Lassen wir unser Auge weiter nach unten schweifen, so bemerken wir Joe Sacco, dessen Kopf von den Maschinengewehrläufen zweier Siedler eingeklemmt zu sein scheint, wie er besagten „großen Bogen um“ diese „Knaben mit Uzis“ macht, auch wenn sein Blick in ihre Richtung geht. Er und die ihn umgebenden ara-bischen Einwohner wirken gegenüber der Massivität der Patrouille klein und schwach.Im Gegensatz zu der Rahmenlosigkeit dieses Einleitungstextes wei-sen die beiden restlichen Blocktexte Rahmen auf. Sie säumen als von historischen Ereignissen berichtende Kommentare räumlich-grafisch die aktuellen Geschehnisse in Hebron ein; diese Aktuali-tät wird durch die Siedler repräsentiert, die auf Streife sind.

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Betrachten Sie die ganze Seite 42.

Kommentar

Die Panel-Seite besteht aus vier Panels, wobei wiederum beson-ders auffällig die vierte Illustration ist, handelt es sich doch wie beim Einleitungspanel „Hebron“ um ein (Interior-)Splash-Panel (siehe Definition unten!), auch wenn es nur über zwei Drittel der Seite geht. Es kann aber durchaus als eine in Opposition gesetzte Abbildung zum ersten Panel, dem sog. Opening-Splash, der sich von Seite 39–42 erstreckenden Panel-Sequenz gesehen werden, gerade weil es in Wort und Bild seinem Inhalt nach eine gegensätzliche Atmosphäre ausdrückt. Joe Saccos Fremdenführer verweist dabei auf die Vergänglichkeit jeglichen menschlichen Daseins; lediglich Gott steht über allem, nur er vermag Verände-rungen herbeiführen.Dieser Splash resultiert aus den vorausgegangenen drei senkrech-ten Panels, die, obwohl textlastiger, wegen ihrer Schmäle zumin-dest schneller überschaubar sind. Auf des Comic-Reporters Fragen hin klagt der Araber über die zum Alltag gewordenen Vorfälle mit den Juden, insbesondere mit denen aus Europa stammenden.

Überlegen sie:

- Aus welchen Bildern besteht diese Panel-Seite?

- Worüber sprechen Joe Sacco und der Araber?· Worüber klagt der Fremdenführer?· Was bedeutet in diesem Kontext seine Aussage:

“Es kostet Gott nur so viel, Dinge zu verändern. Nur Gott ist groß.”

Überlegen sie weiter:

- Joe Sacco fragt seinen Fremdenführer:

“Was haben die vorhin gesagt?”

· Was veranlasst ihn zu dieser Frage? · Was könnte vorher geschehen sein?

2.32.22.32.21

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Sehen Sie sich die Seiten 40–41 an.

Kommentar

Joe Sacco, der vor der Höhle Machpela steht, sie als solche nicht zu erkennen vermag – deshalb das Fragezeichen in der Denkblase –, wird von einem arabischen Fremdenführer über die biblische Stätte, die den Juden und Muslimen gleichermaßen von Bedeutung ist, unterrichtet. Das zeigt das dritte Panel auf Seite 40, das wiederum ein Splash darstellt; da es innerhalb der Narration auftaucht, bezeichnet man es als Interior-Splash. Es zeigt auf humorvolle Weise, wie die Erklärungen des Fremden-führers auf Joe Sacco hereinprasseln: Nach und nach wird aus Joe Saccos zunächst empfänglich-aufgeschlossener Physionomie zunehmend ein schwitzend-keuchendes Gesicht, das wir am Ende eines aus dem Hintergrund in den Vordergrund führenden Weges, den beide während ihres Rundganges beschreiten, wahrnehmen.

Plötzlich schlägt auf der folgenden Seite die Stimmung um: Im ersten rechteckigen wie auch im zweiten, eher quadratischen Panel wird der arabische Fremdenführer von einer hämischen Gruppe von jüdischen Siedlern angegangen, die sich darüber hinaus über ihn lustig machen. Verleiht die leichte Vogelperspek-tive dieser Szene im ersten Bild Nachdruck, verlagert sich die Perspektive in der zweiten Darstelllung in die einer Untersicht, um den Wutausbruch der Kontrahenten zu unterstreichen; dabei wirkt die biblische Stätte mit Isaaks Kenotaph auf die Beteiligten kei-neswegs einschüchternd (um diese Tatsache zu betonen, besteht Joe Saccos Kommentar aus fetten Buchstaben) – im Gegenteil: man lässt dem wütenden Geschrei freien Lauf. Selbst der Versuch eines israelischen Soldaten, beruhigend auf den jüdischen Siedler einzuwirken, ist von Misserfolg beschieden: Dieser macht sich erneut an den arabischen Fremdenführer heran, und nur Joe Saccos verbaler Initiative („Hören Sie, er spricht mit mir, nicht mit Ihnen!“) ist es anscheinend zu verdanken, dass der Siedler, der im Mittelpunkt des über die gesamte Seite horizontal verlaufenden Panels steht – der arabische Fremdenführer dagegen ist bereits an den Panelrand gedrängt –, schließlich „abzieht“. Dieser Umstand kommt im letzten Panel zum Ausdruck, in dem sich die Siedler be-tend abgewandt haben und auch Joe Sacco mit dem Araber die restlichen Kenotaphen besichtigt. Die bereits im Opening-Splash latente Bedrohung existiert in dieser Seite weiter; sie ist nicht nur im Inhalt der ersten drei Panels angelegt, sondern kommt auch im Chaos gerahmter und rahmenloser oder schräg verlaufender Panels zum Ausdruck.

Überlegen sie:

- Wie schildern Sie den Verlauf der Führung?· Wie kommt es zu dem Vorfall?· Beschreiben Sie Ort und Situation sowie das

Verhalten der Anwesenden.· Inwieweit sind Inhalt und Form aufeinander

abgestimmt?

2.32.22

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Unterkapitel: „Erinnere mich“ (Seiten 43–52)

Betrachten Sie folgende Zeichnungen.

2.332.33.1

2.33.11

1

6

4

5

7 8

2 3

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Kommentar

Bild (1) auf Seite 43: Die Szene erschließt sich uns wie mit Hilfe einer Filmkamera, so als wollten wir die vor uns liegende, vom Regen aufgeweichte Strasse betreten, in deren Mitte zwei Kinder auf uns, die Besucher, zulau-fen. Auch rechts und links freuen sich Kinder über unser Erschei-nen – in der Mitte lässt man für die Passage eine kleine Schneise frei. Die Strasse ist zudem rechts und links von Häusern flankiert, an deren Eingangstüren neugierige, auf uns blickende Erwachsene stehen. In der Ferne, fast am im Schnittpunkt der beiden Häuserzei-len, überragt ein Wachturm die Szenerie, Indiz dafür, dass wir uns anscheinend in einem Flüchtlingslager befinden.

Die beiden Porträts (2) und (3) auf Seite 44 :Es ist zu vermuten, dass es sich um wichtige Persönlichkeiten handelt, die das Verhältnis Israeli/Palästinenser geprägt haben.

Bild (4) auf Seite 45:Ebenso wie im Panel (1), Seite 43, ist der Betrachter direkt mit dem Geschehen konfrontiert: Im rechten Vordergrund hält uns ein Mann mit seiner linken Hand demonstrativ seinen Ausweis vors Gesicht, hat jedoch zudem in der rechten Hand einen weiteren zwischen seinen Fingern eingeklemmt, womit er zugleich auf einen zweiten Mann am linken Panelrand verweist. Es ist davon auszugehen, dass beide Ausweise von wichtiger Bedeutung sind. Im Hintergrund, durch die geöffnete Tür, bemerken wir zwei vorbeigehende Araber, die einen Blick ins Innere des Hauses werfen.

Bild (6) auf Seite 46/47:Zahlreiche Männer mit Kindern, vielleicht Freunde, Bekannte und Nachbarn, sind in einem Zimmer versammelt, trinken und diskutieren miteinander. Auch hier vermittelt sich uns der Eindruck, als säßen wir unter ihnen.

Porträt (7) auf Seite 48:Da von oben ein Mikrophon ins Bild hängt, könnte ein(e) Sänger(in) porträtiert sein.

Bild (8) auf Seite 49:Zwei zwischen den Autos fliehende Araber werden von einem israelischen Soldaten verfolgt. Einer von ihnen hat bereits ein in sich in Bewegung setzendes Auto erreicht und will nun auf diese Weise die Flucht fortsetzen; als Rezipient stehen wir ihm direkt gegenüber, können ihm dabei zusehen, wie er atemlos die Wa-gentür erreicht, sie öffnet und in den Wagen zu springen versucht. Das Panel ist von der Körperhaltung der Protagonisten und deren Fluchtbewegungen nach vorne geprägt, was von den in dieselbe Richtung stehenden Fahrzeugen wie auch vom verfolgenden Soldaten akzentuiert wird; das Ziel ist im Außenraum jenseits des linken Panelrahmens gelegen. Wie schon bei den Illustrationen davor sind wir mit dem Geschehen unmittelbar konfrontiert; in dieser Darstellung kommt allerdings noch eine psychologisierende Vogelperspektive hinzu.

Bild (9) auf Seite 50:Daran ändert sich auch in diesem Panel nichts: In leichter Aufsicht sehen wir zwei Männer, die in einem kleinen Hof stehen, der im Hintergrund von Mauerresten und einem Gitterzaun begrenzt wird. Im „Schnittpunkt“ dieser beiden Männer bemerken wir eine dritte Person, die uns den Rücken mit verschränkten Armen zu-kehrt, als hätte sie sich diesem Schauplatz mutwillig abgewandt.

Bild (10) auf Seite 51:Auch hier sind wir im Geschehen impliziert: Es hat den Anschein, als folgten wir den beiden Personen, die auf Grund der Untersicht die rechte Bildhälfte massiv-dezidiert ausfüllen. Eine überdimensio-nale Hand gebietet uns rigoros Halt. Die linke Bildhälfte gewährt uns Einblick in eine Strasse, wo zwei Kinder gerade ihr Spiel unterbrechen und gebannt auf die Szenerie sehen.

Bild (11) auf Seite 52:Ein von Angst gezeichneter Vater, der so wie wir mit seinem Sohn in einem Auto sitzt, kurbelt das Fenster hoch, durch das man auf israelische Soldaten schauen kann, die zwar dem Auto den Rücken zukehren, sich aber im Laufschritt auf eine angrenzende kleine Strasse zubewegen.

Überlegen sie:

- Welche Situationen beinhalten die jeweiligen Bilder?

· Welche Personen sind auf den Porträts zu sehen?

- Auf welche Weise erleben wir das jeweilige Geschehen mit?

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Lesen Sie diese Texte (LV 3).2.33.12

lV 3:

(a) Aber selbst wenn 1948 kein Geheim-nis ist, so ist es doch auch kein Thema und wird von Premierministerin Golda Meir so beiseite gewischt: “Es war ja nicht so, dass es Palästinenser gab, die sich als Palästinenser betrachtet und denen wir das Land gestohlen hätten. Es gab sie nicht.”Aber es gab sie und gibt sie noch, und hier sind sie... und ihre Kinder und Kin-deskinder ... und sie sind immer noch Flüchtlinge... (...) was wohl heißt, dass sie darauf warten zurückkehren zu können...Aber zurückkehren wohin? Fast 400 palästinensische Dörfer wurden im und nach dem 48er Krieg von den Israelis niedergewalzt ... geflüchtete Paläs-tinenser wurden für “abwesend”, ihre Häuser und ihr Land für “verlassen“ und “unbewirtschaftet” erklärt und zur Besiedlung durch Juden freigegeben.

(b) Saburo (der Joe Sacco begleiten-de japanische Photograph) hat uns ein Nachtquartier besorgt. Wir schlafen bei einem Mann namens Jabril, der eini-germaßen gut Englisch spricht. Jabril bringt uns zu sich und sagt, wir sollen es uns im Wohnzimmer bequem machen. In der Küche herrscht Hochbetrieb, er und seine Brüder bringen eine Platte nach der anderen heraus. Ein wahres Festmahl!

(c) Unterdessen füllt sich der Raum mit Nachbarn. Sie haben von uns ge-hört und es macht ihnen nichts aus, ein paar Fragen zu beantworten. Ich hole meinen Notizblock heraus. Sie haben miteinander gelacht und geredet, aber jetzt verstummen sie, sogar die Kinder, die sie mitgebracht haben. Ich frage, wo sie arbeiten. “Israel! Israel!”, sa-gen die meisten. In Israel gibt es Jobs, sagen sie, im Westjordanland nicht. Sie stehen früh auf, um zur Arbeit zu fah-ren. Eine Stunde hin, eine zurück, und abends um 6 müssen sie das Land ver-lassen haben. Nur Jabril hat einen Job hier in Nablus. Die anderen gehören zum praktischen Reservoir billiger Arbeits-kräfte für Israel. (...)Mahmoud sagt, er hat zwei Jahre nicht mehr gearbeitet. Er hat einen grünen

Ausweis, deshalb darf er zum Arbeiten nicht nach Israel. (...)Firas sagt, sie haben ihn vor zwei Jah-ren angeschossen, und er hat immer noch Probleme mit dem Bein. Ahmed sagt, sie haben sein Haus um Mitter-nacht überfallen, sie traten die Tür ein, sie kamen durchs Dach, sie zertrüm-merten das Mobiliar, sie verhafteten ihn. Er war 16. Drei Jahre Gefängnis. “Weshalb?”, frage ich. “Weil ich einen Molotowcocktail geworfen habe”, sagt er. (...) Aber für die Israelis ist das eine ernste Sache, oft reißen sie die Häuser der Werfer ein. Ich erkundige mich nach Häuserzerstörungen in Balata. Sie be-ratschlagen sich, zeigen nach verschie-denen Seiten, zählen an den Fingern ab, nennen Namen. “Sechs Häuser mit Dynamit gesprengt”, sagt Abu Akram schließlich. (...)Ich frage, wie das Leben im Lager ist. “Kein Kino, kein Garten”, sagt Jabril. Wenn mich der Soldat sieht, fragt er: “Wo willst du hin? Wenn ich auf dem Schulhof Fußball spielen will, kommt der Soldat.” (...) Jabril sagt, Balata steht bei den Sol-daten in Verruf. Hier gab es die ersten Intifada-Aktionen im Westjordanland. Jabril sagt, er wurde in Nablus von Soldaten zusammengeschlagen, als sie erfuhren, dass er aus Balata ist.

(d) Nicht dass man mit Englisch immer sehr weit kommt, aber die Kinder spre-chen es gern und es ist nicht schlecht, wenn man die Kinder auf seiner Seite hat. Ich lächle viel, sage ihnen, ich heiße Joe und mir geht‘s gut, und das wirkt, wenn auch nicht immer. (...) Das ist Balata, das größte Flüchtlings-lager im Westjordanland, am Rande von Nablus. Einige der Bewohner gehören zu den dreiviertel Millionen Palästinen-sern, die 1948 aus dem Land, das heute Israel ist, flüchteten oder vertrieben wurden... Müssen wir über 1948 reden? Es ist kein Geheimnis, das die Zionisten die Araber mit Hilfe von Gerüchten, Drohungen und Massakern vertrieben und neue demografische Verhältnisse schufen, um für eine jüdische Prägung Israels zu sorgen.

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(e) Aber einer, er mag etwa 16 oder 17 sein, findet Gefallen an mir. (...) Er erklärt, dass er mit der israelischen Verteidigungsarmee IDF aneinander geraten ist, und holt zum Beweis sei-nen Ausweis hervor. Den muss jeder Palästinenser über 16 in den besetzten Gebieten bei sich tragen, und seiner ist grün, was bedeutet, dass er eine Ge-fängnisstrafe hinter sich hat. Er winkt einen Freund herüber, der verlegen einen Ausweis in Orange, der regulären Farbe für Bewohner des Westjordan-landes, zückt. “Grüner Ausweis: In-tifada!” sagt mein neuer Kumpel und wedelt mit seinem Ausweis ... “Oranger Ausweis! Nix Intifada”, sagt er und hält mir den seines Freundes unter die Nase...

(f) Mit Saburo statte ich dem Kran-kenhaus der UNRWA einen kurzen Besuch ab. (...) Eine Schwester führt uns durch die Geburtshilfeabteilung – 50 Lagergeburten im Monat, sagt sie. Der Kreißsaal; die Wöchnerinnenstation; und (mit einigem Stolz) der neue Rönt-genraum.Jetzt will der Arzt mit uns reden. Es gibt nur zwei Ärzte im Krankenhaus, sagt er, einer ist Vertretungsarzt. “Das größte Problem”, sagt er, “ist die Überbelegung. Täglich kommen bis zu 300 Patienten.” (...) Der Arzt sagt, sie haben viele Atemwegserkrankungen wegen der mangelhaften Belüftung und der engen Wohnverhältnisse, “aus Gründen, die mit den politischen und sozialen Verhältnissen zusammen-hängen”.

(g) Wir nehmen ein Taxi nach Nablus ... dort sind die Strassen fast menschen-leer; vielleicht steht eine Ausgangs-sperre bevor... Am Taxistand steht eine Mercedes-Stretchlimousine nach Jerusalem bereit, und wir steigen zu dem bereits wartenden Ehepaar mit Kind ein. Der Chauffeur will erst fahren, wenn er zwei Fahrgäste mehr hat, aber wir müssen bald los, wenn wir Ramallah vor der um 5 Uhr beginnenden Aus-gangssperre passieren wollen... Ein Jeep hält auf der anderen Stras-senseite. Soldaten springen heraus und laufen in ein schmales Altstadtgäss-chen. Es fällt ein Schuss... Ein zweiter Jeep hält an. Noch mehr Soldaten. Ein Soldat mit Funkgerät lässt seinen Hörer fallen, der nun unerreichbar un-

ter seinen Knien baumelt. Er kriegt ihn offenbar nicht mehr zu fassen. Er ist in Schwierigkeiten. Der Junge im Taxi lacht, nennt den Soldaten “mignuun”-verrückt. Sein Vater sagt, wir sollen die Fenster hochkurbeln, falls Gas ver-sprüht wird... wieder taucht ein Jeep auf. Noch mehr Soldaten quellen heraus und verschwinden im Laufschritt in der Gasse.

(h) Schließlich, so behaupten einige Zionisten, fühlten sich Palästinenser ihrem angestammten Heimatland we-niger verbunden als die Juden, die seit Jahrhunderten nicht mehr hier leb-ten. David Ben Gurion, Israels erstem Premierminister, zufolge, “fühlt sich ein Palästinenser in Jordanien oder anderswo genauso wohl”. Angesichts des drohenden Kriegs machte sich Ben Gurion keine Illusion, die Palästinenser mit sanfter Gewalt zum Gehen bewegen zu können. “Jeder Angriff”, schrieb er, “muss ein Volltreffer sein, mit dem Er-folg, dass die Wohnhäuser zerstört und die Bevölkerung vertrieben wird.” Als das weitgehend vollbracht war, erklär-te er: “Den Palästinensern bleibt nur noch eine Rolle – zu flüchten.”

(i) Draußen treffen wir auf Grüner Ausweis – Mr. Intifada von gestern – und einen Freund. (...) Wir folgen ihnen. Die Hauptstrassen von Balata kenne ich mittlerweile, aber sie führen uns in ein Labyrinth schmaler Gässchen, in denen kaum zwei schulterbreit Platz zwischen den Häusern ist und kleine Jungen Klicker spielen... wir gehen im Zickzack, springen über offene Ab-wasserrinnen... biegen nach links und nach rechts ab, bewegen uns im Kreis, Ich weiß es nicht. Von Zeit zu Zeit bedeutet uns Grüner Ausweis, stehen zu bleiben, späht um die Ecke, gibt uns Zeichen, weiterzugehen. "Polizei Ge-fahr”, lässt er uns wissen.

(j)Oum Koulsoum, die ägyptische Sän-gerin, die schon seit Jahren tot ist. (...) Sie sah nicht toll aus, (...) aber was für eine Stimme! Was für ein Vortrag! Es ist offensichtlich ein Liebeslied...“Wie heißt das Lied?”, frage ich. “Fa-karouni”, antwortet Jabril; “Erinnere mich.” Jabril spielt das Lied für seine Verlobte in Jordanien. Sie ist auch Pa-lästinenserin und lebt in einem Flücht-lingslager... Die Israelis erlauben ihr

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kein Besuch, weil sie keine Familienan-gehörigen in Palästina hat, die ein Visum für sie beantragen könnten... Und Jab-ril kann nicht zu ihr fahren. Die Israelis lassen ihn nicht mehr aus dem Land.

(k) Sie (die Lehrer) führen uns in ein Klassenzimmer. Kein Strom, keine Hei-zung, sagen sie, so geht es jetzt seit 40 Jahren. “Als sie die Schule bauten, war sie als Provisorium gedacht”, sagt einer. “Sie dachten, sie würden in ein, zwei Jahren wieder zu Hause in Israel sein.” Die UNRWA (Hilfswerk der Ver-einten Nationen für Palästinaflücht-linge im Nahen Osten) hat Stromlei-tungen versprochen, sagt er, aber die Schüler müssen dafür streiken. Sie zeigen uns, wo es ins Klassenzimmer regnet. Sie zeigen uns Außentoiletten, deren Wände eingestürzt sind. Der Rektor kommt und redet verär-gert auf die Lehrer ein. Die drei entfer-nen sich ein Stück und streiten offen-sichtlich darüber, wie ratsam es ist, mit “Journalisten” zu reden. Die Lehrer erheben sie Stimme. Der Rektor geht beleidigt weg. Die Lehrer treten wieder zu uns. “Keine Sorge”, sagt einer von ihnen, “wir haben ihm gesagt, wir über-nehmen die volle Verantwortung.”

(l) Ich gehe zum Taxistand, wo ich Abu Akram vom Vorabend wiedererkenne. Er kommt heran, wir schütteln uns die Hand und dann bemerken wir beide einen Soldaten im roten Barett, der auf uns zukommt. Plötzlich ist Abu Ak-ram weg! Er rennt mit seinen Kumpels zwischen den Autos durch und Rotes Barett rennt hinter ihnen her ... Die Palästinenser springen in ein Taxi, das schon anrollt, als Rotes Barett fast da ist ... und plötzlich gibt Rotes Barett die Verfolgung auf ... Kommentar

Hier die Zuordnung Text/Bild: 3a; 6c; 1d; 5e; 11g; 2h; 10i; 7j; 9k; 8l.Die Texte (b) und (f) passen zu keiner Zeichnung; sie erzählen von der Gastfreundschaft der Palästinenser, die trotz der widrigen Umstände weiterhin existiert, und vom Krankenhausbesuch, bei dem der Comic-Journalist über die medizinischen Gegebenheiten im Krankenhaus und die üblichen Krankheitsfälle vor Ort unter-richtet wird. Der Titel des Unterkapitels besitzt eine doppelte Bedeutung: einerseits will Jabril mit dem Lied „Fakarouni“ von Oum Koulsoum nicht seine Verlobte in Jordanien vergessen, von der er infolge des israelisch-palästinensischen Konflikts getrennt leben muss; andererseits beinhaltet die Überschrift Ereignisse, die bedauer-licherweise den Grundstein dieses Konflikts gelegt haben; einige davon geben die Texte wieder.

Überlegen sie:

- Welchen Text verbinden Sie mit welchem Bild?· Welche Texte passen zu keiner Zeichnung?· Wovon berichten sie?

- Welcher Textabschnitt ist für Sie besonders infor-mativ?

· Worüber möchten Sie noch mehr erfahren?

- Dieses Unterkapitel trägt den Titel „Erinnere mich“.· Wie erklären Sie sich diesen Titel?

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Kapitel 3 (Seiten 53–80)Sehen Sie sich Seite 53 an.

Kommentar

War der Comic-Reporter Joe Sacco bisher entweder in der Mitte oder am rechten Rand der jeweiligen einführenden Bildkader platziert, so blickt er jetzt von der linken Seite auf das Gesche-hen, das ihn umgibt. Diesem haftet eine gewisse Idylle an – im Vordergrund reicht ein arabischer Bürger Kindern Kuchen und nicht weit davon entfernt wird mit Gemüse und Obst Handel getrieben –, obwohl auch hier die Szenerie blässliche Farben aufweist und lediglich Joe Sacco als Mittelpunkt des von ihm betriebenen Journalismus in einem Aufmerksamkeit erregenden Schwarz-Weiß gehalten ist.

Überlegen sie:

- Auf welche Weise lassen sich Ort und Personen in diesem Bildkader beschreiben?

· In welchem Verhältnis steht Joe Sacco zur unmittel-baren Umgebung?

2.42.41

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Sehen Sie sich jetzt dieselbe Seite mit Titel und Texten an.

Kommentar

Die drei am oberen Rand des Splash zu lesenden Texte sind einleitende Kommentare des Comic-Journalisten; sie begleiten die Autofahrt, so dass in allgemeiner Hinsicht eine Orientierung des Rezipienten über Joe Saccos Absichten erfolgt. Daran schließt sich der Titel dieses Unterkapitels an, dessen Sinn uns hier auf der ersten Seite noch nicht klar wird.Die Sprechblasentexte, die vor dem Kühler des Autos „schwe-ben“, klären uns nicht nur über erlebte Ereignisse des Fahrers auf, vor denen er Joe Sacco zu warnen versucht, sie stellen vielmehr auch grafisch die Verbindung mit dem zweiten Panel her, indem der letzte Teil der Fahrer-Sprechblase in das Wageninnere hinein-greift und zugleich zusammen mit dem Ventil des Joe Sacco-Kom-mentars auf den Chauffeur zeigt, der hier wegen seines Wissens um abgesägte Bäume zur Hauptperson „avanciert“; dabei ist das Wageninnere schwarz ausgelegt, so dass damit die beiden Insassen noch verstärkt hervorgehoben werden: Joe Saccos Frage nach den abgesägten Bäumen wird von ihm – diesmal jedoch in für den Leser auffälligen rechteckigen Sprechblasen, die gleich-sam parallel zum Rhythmus der Fahrt sukzessiv in das letzte Panel überschwappen, – sofort positiv beantwortet.

Überlegen sie:

- Auf welche Weise ergänzen sich Texte und Bilder?

2.42.12

Unterkapitel „Das Fass“ (Seiten 61–73)

Betrachten Sie Seite 61 ohne Titel und Texte.

Kommentar

Erneut weitet sich das erste große Panel über zwei Drittel der Seite aus; wir haben es also wiederum mit einem (Opening-)Splash-Panel zu tun, in dem wir auf ein in Untersicht fahrendes Auto mit drei Insassen schauen. Von dieser Außenansicht wechseln wir zur Innenansicht, der Bildinhalt des vorher von außen dargestellten Autos konkretisiert sich, indem der Fokus auf Personen gelegt wird: Joe Sacco und sein Fahrer unterhalten sich anscheinend über Bäume; jedenfalls trifft unser Auge am Ende der Seite auf eine Abbildung, die im Vordergrund nur noch kahle Baumstämme aufweist, während im Hintergrund der uns schon bekannte Wagen vor diesem Schauplatz abgestellt ist; als Betrachter haben wir also den Innenraum zugunsten des Außenraums getauscht. Die Abfolge der Panels „dokumentiert“ aber noch einen anderen interessanten Aspekt: „Atmete“ das Splash-Panel auf Grund seiner Rahmenlo-sigkeit, – es sind ihm keine rahmenmäßige Grenzen gesetzt –, so wird dieser Eindruck durch die in ihm eingefügten beiden nachfol-genden Panels, die mit Rahmen versehen sind, relativiert.

Überlegen sie:

- Joe Sacco sitzt in einem Wagen mit Chauffeur.· Welchen Zweck könnte diese Autofahrt haben?

- Wie ist diese Panel-Seite strukturiert?· Welche Rolle spielen dabei die (nicht)gerahmten

Panels?

2.422.42.1

2.42.11

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Betrachten Sie jetzt die Seiten 62–63, aber ohne Texte.

Kommentar

Auf Joe Saccos Frage „Wie war das mit den Bäumen?“ beginnt die Mutter der Familie zu erzählen, was sich in der Vergangenheit zugetragen hat. Diese Rückblende setzt mit dem zweiten Panel ein, das in den erzählenden Eröffnungspanel eingeschrieben ist; dieses unterscheidet sich von den folgenden Darstellungen auf Seite 62 dadurch, dass es keinen Rahmen besitzt und sich waag-recht über das erste Drittel der oberen Seite ausbreitet. Besagte zweite Abbildung setzt sich auch formatmäßig von diesem ersten Panel ab, da es im Gegensatz dazu eine dynamisch-senkrechte Form besitzt, die zudem eine Schräge aufweist, die uns auf die kommenden Ereignisse emotional aufmerksam machen möchte, erzeugt doch ein schräges Format beim Rezipienten Unbehagen, aber zugleich auch Neugierde. Diese bizarr-verquerten Formen, die wir auch schon auf der vorigen Seite, der Einleitungsseite, beobachten konnten, werden in den nächsten Illustrationen bis zum Ende der Seite beibehalten. Dabei variieren die Formate von vertikal zu horizontal und umgekehrt. Auffallend ist dabei, dass wie in den Panels zuvor im letzten Panel das am oberen Bildrand rechteckige Textfeld erscheint, doch existieren zusätzlich Sprech-blasen; dadurch erinnert sich die Mutter nicht nur wie bisher verbal (rechteckige Textfelder!) an das Geschehene, sondern sie versetzt sich selbst – ihre Anwesenheit wird bildlich belegt – als Person in das von ihr Erlebte.Die Schräglage der Panels wird auf Seite 63 kurzfristig aufge-geben, wird doch hier die Rückblende unterbrochen. In seiner Ausrichtung erinnert das Panel an das erste auf der vorigen Seite. Wie dort „startet“ die Erinnerungsphase wiederum mit dem zweiten Bildkader und sie setzt sich bis zur fünften Abbildung fort, wobei diese vertikal gehaltenen Darstellungen ebenfalls Schrägen aufweisen. Eine „Beruhigung“ tritt mit dem letzten Panel ein, das den Leser bzw. Betrachter wieder in die narrative Ausgangspo-sition zurückversetzt, jedoch mit dem Unterschied, dass es jetzt wohl das Familienoberhaupt ist, das das Wort ergreift. Auch hier bildet dieses Panel die bildlich-formale Grundlage, in die die Rückblende-Panels eingelassen sind; zugleich ist der erzählerische Kreis formal auf diesen beiden Seiten abgeschlossen, jedoch mit dem kleinen Unterschied, dass er mit der Mutter anfing, aber mit dem Vater derselben, der zugleich als Familienoberhaupt zu betrachten ist, endet.

Überlegen sie:

- Wer erzählt was?- Existieren (keine) temporale(n) Zeitsprünge? · Wie definieren Sie diese Zeitsprünge? · Auf welche Weise verdeutlicht der Comic-Künstler

in Bild und Text diese verschiedenen Zeitebenen?

- Welche Funktion haben die Panel-Formate?

2.42.132.42.13.1

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Lesen Sie diese Sprechblasentexte (LV 4).2.42.13.2

lV 4:

(a) Waren Ihre Kinder bei Ihnen, als die Soldaten Ihre Bäume absägten?

Weil er vor einem Monat von Soldaten verprügelt wurde.

Warum nicht?

Der Jüngste. Ich wollte meinen Ältes-ten nicht aus dem Haus lassen.

Weil er vor einem Monat von Soldaten verprügelt wurde.

(b) Der Olivenbaum ist unsere Lebens-grundlage... Das Öl verwenden wir für unsere Speisen und vom Erlös des ver-kauften Öls kaufen wir Kleider... Ein gu-ter römischer Baum bringt 20–30 Liter im Jahr... Wir haben hier nichts Anderes als die Bäume... Die Leute aus unserem Dorf bekommen keine Genehmigung, in Israel zu arbeiten...

(c) Wir saßen abends hier, als wir ein Krachen wie von einer Bombe hörten...

Kommentar

Text (a) korrespondiert mit Seite 63, Panel 1, siehe unten.Text (b) ist mit dem letzten Panel auf Seite 63 zu assoziieren: Jede Sprechblase besitzt eine Öffnung zur folgenden, um so transpa-rent zu machen, dass es eine logische Abfolge in den einzelnen Aussagen gibt.Text (c) ist Panel 1 auf Seite 62 zuzuordnen. Diese Sprechblase ist als Antwort auf die von Joe Sacco im off gestellte Frage zu verstehen. Das ist am Vektor ersichtlich, der den Seitenrand des rahmenlosen Panels verlässt. Dasselbe gilt für das erste Panel auf Seite 63: Infolge der vier Sprechblasen kommt ein Dialog zustan-de, der eine chronologische Form annimmt, die sich in Frage, Antwort, Rückfrage und Rückantwort manifestiert. Da kein Bruch in der Zeitfolge erfolgt, wird der Erzählfluss nicht gestört.

Überlegen sie:

- In welche Sprechblasen der oben abgebildeten Panels setzen Sie diese Texte ein?

· Begründen Sie Ihre Wahl.

- Welche Texte werden im off gesprochen? War-um?

- Welches Panel beinhaltet eine Chronologie im Wortwechsel?

· Wie wird sie formal kenntlich gemacht?

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Sehen Sie sich abschließend die Seiten 62–63 nochmals an, aber diesmal mit Texten.

Kommentar

Die in den Textfeldern integrierten Texte sind Kommentare in direk-ter Rede; eine Ausnahme bildet das Textfeld im letzten Panel auf Seite 63, das ein Kommentar des Comic-Reporters Joe Sacco ist.Die Olivenbäume wurden gekappt, weil israelische Siedler und israelisches Militär vermuten, dass Molotowcocktails und Steine von palästinensischen Familien geworfen wurden. Die Strafe der Israelis, die sich im Absägen der Bäume manifestiert, trifft die arabischen Familien deshalb so hart, weil die Olivenhaine die einzige Möglichkeit des Broterwerbs darstellen.

Überlegen sie:

- Haben sich Ihre obigen Vermutungen bestätigt?

- Was ist nun tatsächlich geschehen?· Warum wurden Olivenbäume abgesägt?· Weshalb trifft dieser Umstand die Bewohner

so hart?

2.42.13.3

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Betrachten Sie noch zusätzlich diese Panelabfolge auf Seite 64, Panel 2–5.

Sehen Sie sich als Zusatz zum letzten Textfeld auf Seite 64 diese Zeichnung auf Seite 66 an.

Kommentar

Das vertikale Panel 2 und das horizontale Panel 3 nehmen den Bericht des Arabers von Seite 63 wieder auf, indem er ausführt, dass man ihn nötigte, seine Bäume eigenhändig zu fällen, da er sich infolge Geldmangels außerstande sah, einen hohen Stachel-drahtzaun um sein Feld zu ziehen. Dabei ist der dritte Bildkader besonders aufschlußreich: In einer Froschperspektive, die Macht, Arroganz, zugleich aber auch Desinteresse und Gefühlskälte der israelischen Soldaten ins Bild setzt, nehmen wir als Betrachter an diesem Vorgang teil.Das sich anschließende Panel, das durch Joe Saccos Fragebe-gehren „Ich muss ihn fragen“ eine Verbindung mit der vorigen Darstellung herstellt, zeigt in einer Großansicht die immer noch aktuelle Betroffenheit des Arabers, hervorgerufen durch die im off gestellte Frage des Comic-Reporters „Wie war das für Sie?“. Auch hier besitzt dieses Panel im Gegensatz zu Panel 2 und 3 aus denselben Gründen, die oben schon erwähnt wurden, keinen Rahmen.Der letzte Kader, der wieder breit angelegt ist, steht in Bezug zum Opening-Splash: Die Panel-Sequenz findet hier ein Ende, Joe Sacco und seine Begleiter verlassen das Gebiet der gefällten Bäume – sich dessen bewusst, dass die Tränen des Arabers nur ein Tropfen im bereits überlaufenden Fass sind.

Kommentar

Thema „israelische Siedlungen und Siedler“: Sami will die Journa-listen mit Dorfbewohnern bekannt machen, die von israelischen Siedlern überfallen wurden.

Überlegen sie:

- Inwieweit setzen diese Illustrationen die Tragik der Dorfbewohner fort?

- In welchem Bezugsrahmen steht das letzte Panel?

“Und seine Tränen sind nur ein Tropfen im Fass”

· Wie verstehen Sie diese Aussage?

Überlegen sie:

- Wohin bringt der Taxifahrer seine Kunden?· Was möchte er ihnen zeigen?

2.42.13.4

2.42.14. 2.42.14.1

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Lesen Sie zuerst diese Texte (LV 5).

Überlegen sie:

- Welches Geschehen halten Sie in den einzelnen Textteilen für besonders interessant und wichtig?

· Welche definieren Sie als Sprechblasentexte, welche als Blocktexte, also Kommentare?

· Gibt es in diesem Zusammenhang verschiedene Zeitebenen? Wie definieren Sie sie?

· Wie machen Sie sie formal kenntlich?· Wer spricht „kommentierend“, wer in Sprechblasen?· Beachten Sie dabei insbesondere die Zeichen-

setzung!

- Wie würden Sie selbst dieses Geschehen darstellen? (Jeder der obigen Textteile [a]–[g] gehört zu einem einzigen Panel!!)

· Beschreiben Sie bei dieser Aufgabe ihre zeichne-rische Absicht.

· Wenn Sie wollen, zeichnen Sie selbst Panels und Strips.

· Wählen Sie dann aus den obigen Textabschnitten den Textteil bzw. die Textteile aus, mit dem/denen Sie den jeweiligen Bildkader versehen würden.

2.42.14.22.42.14.21

lV 5:

(a) Ein Nachbar, der zugehört hat, lädt uns in sein Haus ein, das, wie er sagt, vor drei Tagen überfallen wurde...

Das geht schon ewig so mit den Sied-lern. Die Soldaten sagen, wir bewerfen ihre Autos mit Steinen. Solche Vor-kommnisse sind die Reaktion auf das Verhalten der Siedler ...

(b) An seinem Haus sind die vorderen Fenster eingeschlagen ...

Im Haus Glas und Dutzende Wacker-steine, wie das Beil liegen gelassen, um Besuchern und vielleicht auch sich selbst zu beweisen, dass solche Dinge geschehen...

Es war am Vorabend unseres griechisch- orthodoxen Weihnachtsfests... 10 Uhr Abends... Ich saß vor dem Fernseher...

(c) “Mehrere Autos fuhren hupend durch die Hauptstrasse. Der erste Wagen hielt an, zwei Siedler stiegen aus und feuerten mit Pistolen vier Mal in die Luft ...”

RAUS AUS DEN HÄUSERN, IHR HUNDE!

“... und brüllten obszöne und anzügliche Worte auf Arabisch und Hebräisch...”

“Es waren fast 20 Autos und 40 Leute, Männer und Frauen. Ich hörte ein Kind auf Hebräisch nach seinem Vater rufen...”

(d) “Sie fingen an, im Haus gegenüber die Scheiben einzuschmeißen...”

(e) “Eine andere Gruppe kam an mein Haus. Ich machte die Lichter und den Fernseher aus und zog die Vorhänge zu. Als ich die Innentür abschloss, flogen die ersten Steine durchs Fenster...”

“Der Überfall dauerte 15 Minuten und am Morgen fanden wir 60 Steine...”

(f) “Meine Eltern waren während des Überfalls in ihrem Schlafzimmer. Mei-ne Mutter war fast ohnmächtig vor Angst. Als ich sie ansprach, war sie nicht in der Lage zu antworten.”

(g) Es ist nicht nur das Geld für die Fenster... Was ist mit meiner Mutter? Psychisch, meine ich?

Inzwischen bereitet seine Mutter, die unser Englisch nicht versteht, das Es-sen vor... und ich sage euch, ich brauche bald was im Magen... der viele Tee oder vielleicht auch der Zucker macht mich ganz hippelig...

Aber sie lässt sich Zeit... mit den Fin-gern dreht sie das Brot um und schiebt die Kohlen zusammen... Herrje, muss die eine Hornhaut haben, um diese Glut zu ertragen...

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35

Betrachten Sie jetzt die Panel-Abfolge der Seiten 67–68.

Überlegen sie:

- Wo gibt es Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zu Ihren angefertigten Zeichnungen?

2.42.14.22

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Kapitel 4 (Seiten 81–115)

Sehen Sie sich die Seiten 81 und 83 ohne Text an.

Kommentar

Wie schon bei den vorausgegangenen einleitenden Abbildungen, finden wir einen rechteckigen Bildkader in der Seitenmitte. Auch hier beherrscht der Comic-Journalist allein schon durch seine grafi-sche Gestaltung das Zentrum des Bildkaders. Anscheinend befindet er sich inmitten eines in bleichen Farben gehaltenes Wohnviertels, wo ihm die umgebenden Personen freundlich empfangen. Ein Mann, dessen Gesicht wir nur angeschnitten am rechten Panelrand gewahren, streckt seinen Arm nach Joe Sacco aus und scheint ihn freundschaftlich auf die Schulter zu klopfen. Allerdings wissen wir nicht, welche Aussage er macht, denn seine Sprechblase ist leer.Ganz anders der Splash auf Seite 83, der stimmungsmäßig dazu in Opposition steht. Sofort verfängt sich unser Auge, das von einer Vogelperspektive geleitet wird, in dem im Vordergrund stehenden, hoch aufgerichteten Wachturm, dessen spinnenartige metallene Beine „unerschütterlich“ auf dem Erdboden vor dem doppelten Stacheldrahtzaun stehen. Ein Metallstreben „geleitet“ uns zu einem auf Patrouille befindlichen Soldaten. Lassen wir aber unseren Blick von dem oberen Teil des Wach-turms, dem mit einem Posten bestückten Wachturmhäuschen, in den Hintergrund schweifen, so breitet sich vor uns ein weites Areal, ein Gefangenenlager, aus, an dessen Seitenränder jeweils links und rechts Zelte stehen, die Gefangenen als Unterkünfte dienen sollen. Am Ende der Zelte stoßen wir dann erneut auf einen doppelten Stacheldrahtzaun mit Scheinwerfern und einem weiteren Wachturm. Ganz rechts, am oberen Ende des Lagers, können wir noch ein Haus mit einem vor ihm stehenden Jeep erkennen; vermutlich handelt es sich hierbei um die Wohnstätte eines Dienst tuenden israelischen Offiziers.

Überlegen sie:

- Auf welche Weise lassen sich Ort, Personen und Stimmung in diesen Bildern beschreiben?

2.52.51

2.51.1

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Lesen Sie jetzt folgende zwei Texte (LV 6).

Betrachten Sie jetzt Seite 83 nochmals mit Text.

2.51.2

2.51.2

lV 6:

(a) ANSAR IIINatürlich gibt es noch mehr Gefäng-nisse, aber Ansar III, von den Israelis Ketziot genannt, ist das größte. Es wurde im März 88 eigens für die Flut von Intifadahäftlingen eingerichtet und im November 91 waren dort 6000 Men-schen inhaftiert...

(b) Es ist nicht normal, wie Palästi-nenser über das Gefängnis reden... ich will damit nicht sagen, dass ihnen ein langer Aufenthalt hinter israelischem Stacheldraht Spaß macht, aber ich lehne mich wohl nicht so weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass sie es normalerweise schätzen und manchmal genießen und dass es immer eine Ehre ist... und bei 90 000 Verhaftungen in den ersten vier Jahren der Intifada ist es fast unmöglich, im Taxi oder in der Teestube nicht neben einer Gefängnis-geschichte zu sitzen... und in den Uni-

versitäten und Flüchtlingslagern hört man so unglaublich viele Inhaftierungs-geschichten, dass ein Mann Mitte 20, der noch nie verhaftet wurde, geradezu verdächtig wirkt, sodass man ihn am liebsten fragen möchte, warum eigent-lich nicht?

Kommentar

Text (b) befindet sich als rahmenloser Kommentar außerhalb des Bildkaders, wobei vor allem die Anordnung des Kommentars von Interesse ist. Er ist parallel zum Verlauf des Gefangenenlagers ge-setzt, nimmt also seinen Anfang ganz oben oder genauer an der Stelle, wo auf der rechten Seite die Zelte beginnen. Der Leser, der zugleich die Funktion des Betrachters innehat, verfolgt demnach nicht – wie üblich – den Text von links nach rechts, sondern viel-mehr von oben nach unten – parallel zur Leserichtung tastet das Auge den Bildinhalt ab. Das geschieht im Gegensatz zur oben erwähnten Leserichtung des Bildes – hier verfängt sich unser Auge sofort im mächtigen Wachturm –, als neben dem Kader noch kein Text erschien.Doch ist auch der Textinhalt keineswegs vom Verlauf des Panel-Inhalts zu trennen: Spricht Joe Saccos Kommentar am Anfang vom mehr oder minder ehrenvollen Gefängnisaufenthalt der Palästinen-ser, so stellt er sich am Ende seines Kommentars die Frage nach einem bisher nicht inhaftierten, bis jetzt noch in Freiheit lebenden Mannes Mitte 20, wobei das Textende bereits über den Stachel-drahtzaun hinausgeht. Text und Bild komplettieren sich hier in einer äußerst aufschlussreichen und außergewöhnlichen Art und Weise.

Überlegen sie:

- Welcher der Texte passt Ihrer Meinung nach zur Abbildung des Gefängnisareals?

- Wie könnte der Text im Splash-Panel integriert sein?· Als Blocktext, oben oder unten am Panelrand?· Als rahmenloser Text außerhalb des Bildkaders?· Als Blocktext am rechten oder linken Panelrand? · Als Blocktext außerhalb des Panelrahmens?· Als Blocktext in der Bildmitte?· Begründen Sie Ihre Ansicht.

Überlegen sie:

- Welcher Text begleitet nun den Bildkader tatsächlich?

- Wie ergänzen sich Text und Bild?

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Unterkapitel „Ansar III“ (Seiten 84–98)Sehen Sie sich zu Text (a) das zweite Panel auf Seite 84 an.

Kommentar

Ansar III wurde eingerichtet, um die Massenverhaftungen auf Grund der Intifada aufzufangen. Yusef, Mohamed und Ijad, gebildete Männer, die von Joe Sacco interviewt werden, stehen vertretungsweise für die Mehrzahl von Ansar II-Gefangene.Die Verwaltungshaft ist ein 6monatiger Lageraufenthalt, der ohne Ge-richtsverfahren verhängt wird und beliebig verlängert werden kann.

Überlegen sie:

- Welchen Zweck hat das Gefängnislager Ansar III?- Wen interviewt Joe Sacco und wozu?- Was ist unter dem Begriff Verwaltungshaft zu verstehen?

Überlegen sie zudem:

- Was bedeutet ein derartiger Aufenthalt wie im Ansar III für die Lagerinsassen?

· Was sollen/könnten sie tun, um den Aufenthalt möglichst erträglich zu gestalten und ihn zu über-stehen?

- Bilden Sie kleine Gruppen.· Sammeln Sie möglichst viele Aspekte, diskutieren

Sie sie und stellen Sie dann Ihre Resultate in der Klasse vor.

· Machen Sie sich zusätzlich Gedanken darüber, wie solche Gefängnislager mit ihren Insassen auf das israelische Wachpersonal wirken könnte.

· Eher abstoßend? Oder eher Mitleid erregend?

2.522.51.1

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Betrachten und lesen Sie Panel 4 auf Seite 86, Panel 1–3 auf Seite 87, Panels 1–2 auf Seite 88, alle Panels auf den Seiten 89–90, Panel 3 auf Seite 91 und Panel 1 auf Seite 92 sowie Panels 2–3 auf Seite 93 wie auch Panel 1 auf Seite 94.

2.52.2

p.4/

s.86

p.1–

2/s.

88s.

89

p.1–

3/s.

87s.

90

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40

Kommentar

Der Text ist zwischen den beiden ersten Panels und dem dritten Panel auf Seite 87 zu platzieren. Die drei Palästinenser schildern ihre Erlebnisse im Gefängnis Ansar III.Die Überschriften, die Bilder und Texte prägnant resümieren, sind gemäß der chronologischen Panel-Abfolge wie folgt zuzuordnen:Verlegung: Seite 86, Panel 4; Seite 87, Panel 1.unterbringung und Kommunikation: Seite 87, Panel 2–3 mit Text zwischen diesen beiden Panels; Seite 88, Panels 1–2.organisation: Seiten 89–90.solidarität: Seite 91 und Seite 92, Panel 1.wirkung: Seite 93, Panels 2–3; Seite 94, Panel 1.

Überlegen sie:

- An welche Stelle der Panel-Abfolge würden Sie diesen Text (LV 7) einfügen?

lV 7:

“Wir kamen uns vor wie Tiere”, erzählte Yusef und fügte der Liste der Entbeh-rungen, die ich schon von anderen Ge-fangenen erfahren hatte, noch ein paar Details hinzu: die extremen Tempera-turunterschiede in der Wüste, die In-sekten, Wasser, das so knapp war, dass es praktisch nur zum Trinken reichte, die eintönige, unzulängliche Ernährung, keine Kleider zum Wechseln, kaum eine medizinische Versorgung... mit anderen Worten, genügend Stoff für eine wei-tere Comicserie... aber halten wir uns nicht auf mit diesen Dahinvegetieren-hinter-Stacheldraht-Geschichten, denn manches ist mit der Zeit und mit Druck tatsächlich besser geworden... Wasser wird großzügiger zugeteilt... Schreibgeräte sind erlaubt, Zeitun-gen ebenso... und im Oktober ’91 – drei Jahre nach der Inbetriebnahme von Ansar III – wurden die Besuchszeiten für Familienangehörige eingerichtet. Unterdessen wurde das Gefängnis erweitert für die wachsende Zahl von Intifadahäftlingen...

Überlegen sie zudem:

- Wovon erzählen die Ansar III-Gefangenen Yusef, Mohammed und Ijad?

· Finden Sie sich dabei in drei Gruppen zusammen. · Eine Gruppe befasst sich mit Yusefs, die andere mit Mohammeds und die dritte mit Ijads Berichten.

· Jede Gruppe gibt eine kurze Zusammenfassung der von ihnen geschilderten Ereignisse wieder? (Sollten zwei bzw. drei Palästinenser gleichzeitig erzählen, spielt das für die Zusammenfassung keine Rolle!!)

- Lesen Sie dann diese Überschriften:* Organisation* Wirkung* Verlegung* Unterbringung und Kommunikation* Solidarität· Welche dieser Überschriften trifft auf welche Panels zu?

p.3/

s.91

p.1/

s.92

p.1/

s.94

p.2–

3/s.

93

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Unterkapitel „Die Harten und die Toten“ (Seiten 99–103)Sehen Sie sich als Erstes die Panels 2–3 auf Seite 101 an.

Kommentar

Betrachtet man die Panel-Formate, so besteht ein grundlegender Unterschied: Die Abbildung mit dem Schin-Bet16-Offizier und der Palästinenserin, beide in amerikanischer Ansicht, ähnelt einem quadratischen Bildkader, während der von einer Menschenmenge begleitete Sarg Mustafa Akkawis ein sog. Interior-Splash ist, was zugleich auf Grund seiner Größe die Bedeutung des Ereignisses herausstellt.Zugleich besteht trotz der bildlichen Unterschiede eine beabsich-tigte Verbindung, die zum einen infolge des Kommentars von Joe Sacco existiert – nicht nur geht das Textfeld mit dem Textinhalt „Verdächtig bis zum Schluss, und, wie gesagt, wirklich knall-hart...“ in den Interior-Splash über, sondern auch die adversative Konjunktion „aber“ im gleich darunter angesetzten Textfeld weist auf eine derartige Konnexion hin – zum anderen auf Grund der Sprechblasen des Geheimagenten und der Palästinenserin, deren Inhalte ebenfalls den Rahmen des Panels sprengen und sich in den Splash ausdehnen.Was den Begriff „Verhör“ anbetrifft, so lässt sich aus Kommenta-ren sowie Dialogen folgern, dass diese Vernehmungen und deren Methoden wohl ziemlich hart an der Grenze zur Folter verlaufen.

Überlegen sie:

- Was zeigen die Bilder?· Vervollständigen sie bzw. unterscheiden sie sich?· Welche Funktion haben dabei die Texte?

- Man spricht von „Verhören“.· Wie verlaufen diese Verhöre Ihrer Ansicht nach?

2.53

2.53.1

16 Israelischer Inlandsgeheimdienst, 1949 in Tel-Aviv gegründet.

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42

Betrachten Sie alle Panels auf den Seiten 99–100 wie auch Panel 1 auf Seite 101.

2.53.2

Überlegen sie:

- Warum ist dieses Unterkapitel mit „Die Harten und die Toten“ betitelt?

· Wer oder was ist damit gemeint?· Welche Hinweise gibt es hierfür in Wort und Bild?

- Wie kommen die unterschiedlichen Zeitebenen zum Ausdruck?

· Definieren Sie sie in Bild und Text.· Welche Funktion haben (nicht) gerahmte Dar-

stellungen?· Welche Rolle spielen die Texte mit bzw. ohne

Anführungszeichen?

- Auf welche Weise sind die Texte in den einzelnen Panels integriert?

· Wie ist das zu interpretieren?

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sich anschließende fünfte Panel weiten sich über ihre eigenen Panel-Grenzen hinweg ins dritte Panel aus, wobei sich besonders letztere Abbildung vom Text her auf ihre Situation als Frau – zu-mindest indirekt – bezieht. Doch weiß sie zu kontern, so dass die Schin-Bet-Agenten schließlich von weiteren zermürbenden Ver-nehmungen Abstand nehmen, was wir aus dem ersten Panel der Seite 101 erfahren. Alle Panels enthalten bemerkenswert dunkle Schattierungen; die einzige Ausnahme bildet der zum ersten Panel gehörende „Spalt“, obwohl auch hier die schwarze Farbe wie Kleister eindringt und so den Schwarz-Weiß-Kontrast erhöht.

Kommentar

Links neben der Unterkapitelüberschrift ist ein einführender, rahmenloser Text von Joe Sacco zu lesen, der, ausgehend von seiner Person, zum Titel Bezug nimmt. Dies tut er – ebenso wie die Headline – in weißer Schrift auf schwarzem Grund, indem er sie schräg aufsteigend dazu setzt. Einzelne Wörter (wie z.B. „ver-schlossenen“; „Nicht“; „erster“) verweisen auf die auf einem Stuhl sitzende rauchende Palästinenserin; ihr Oberkörper, deren Kopf mit einem an einen Glorienschein erinnernden Glanz versehen ist, ist zwischen Joe Sacco-Text und Titel eingekeilt, wobei dessen erster Teil („Die Harten...“) oberhalb ihres Kopfes beginnt und dessen zweiter Teil („und die Toten“) mit Kopf und Oberkörper parallelisiert wird. Obwohl dieser zweite Teil direkt auf die Palästinenserin zeigt, wissen wir jedoch aus den oben bereits analysierten beiden Panels (Seite 101), dass für sie nur der erste Teil der Headline in Frage kommt. Dies findet sofort die Bestätigung in den zwei („... die wirk-lich knallhart ist...“; „saß sie [...] im berüchtigten russischen Lager in Jerusalem“) der drei Kommentartextfeldern, die sich unterhalb des einleitenden weißen Joe Sacco-Text befinden, und zusammen mit der rechts einen Halbkreis ziehenden dreiteiligen Sprechblase den Unterkörper der Palästinenserin rahmen. Darin äußert sie sich über den Verrat, der an ihr begangen wurde, wie auch über das (Nicht-)Ertragen von Folter ihrer männlichen Leidensgenossen. Dabei ist auf der formal-zeichnerischen Ebene auffällig, dass das erste rahmenlose Panel seine Fortsetzung in einem Spalt zwischen zwei gerahmten Abbildungen findet, der mittels einer Sprechblase die Verhörmethoden der Israelis konkretisiert. Diese Sprechblase, deren Ventil vom Kopf der Palästinenserin ausgeht, wird von zwei Joe Sacco-Kommentaren begleitet, die wir in der Leserichtung von oben nach unten verfolgen können. Hielten wir uns bisher in der Zeitebe-ne der erzählenden Gegenwart auf, so „rutschen“ wir nun durch die beiden erwähnten Abbildungenb, die in das breit angelegte Panel hineinragen, in die Zeitebene der erzählten Vergangenheit: Beide Kader zeigen die hartgesottene Palästinenserin, wobei ihre bildliche Befindlichkeit von einer direkten Rede (Sprechblase!) und zwei mit Anführungszeichen versehenen Textfelder (ihre der Situation angemessenen Kommentare!) definiert wird. Neben diesen Kom-mentaren gibt es zusätzlich einen Kommentar des Comic-Reporters am oberen Rand des dritten „Vergangenheitspanels“, auf den sich die Palästinenserin „folgerichtig beruft“, indem sie den Begriff des „Sarges“ erklärt. Das erste vertikale und daher auf den Betrachter dynamisch wirkende Panel auf der folgenden Seite, das die Vergangenheits-erzählung fortführt, besitzt erneut einen Kommentar des Comic-Journalisten, wird aber zugleich von Vergangenheitssprechblasen der an der Szene unmittelbar beteiligten Akteure begleitet. Die Darstellung unterstreicht infolge ihrer Beengtheit und Schräge, hervorgerufen durch die offen stehende Tür und die Perspekti-ve, das Unwohlsein der Gefangenen, das sich auch auf uns Rezipienten überträgt. Im zweiten Bildkader, der rechteckig und in seinem Ausmaß größer ist, wird die Palästinenserin von zwei Kommentartextfeldern flankiert, wobei der zweite Teil des ersten Textfeldes von ihr stammt (siehe Anführungszeichen!). Das nächste Bild ist horizontal angelegt und spannt sich über die ganze Seite, was nicht verwunderlich ist, will es doch Joe Saccos Text illustrie-ren: Die Gefangene sitzt zusammengekauert in einer Ecke und starrt vor sich auf den verschmutzten Boden ihrer Zelle. Wie im zweiten Panel beinhaltet das vierte Panel Joe Sacco-Kommentare wie auch Kommentare der Gefängnisinsassin. Dieses und das

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Kapitel 5 (Seiten 117–143)Vergleich der Seiten 122–123 aus dem Unterkapitel „Ramallah“ mit dem einleitenden Bildkader, Seite 117Sehen Sie sich Panels 1–3 auf Seite 123 an.

Sehen Sie sich zusätzlich die gesamte Seite 122 an.

Überlegen sie:

- Was könnte den plötzlichen Aufruhr veranlasst haben?

Überlegen sie:

- Was ist jetzt tatsächlich der Grund des Aufruhrs?· Charakterisieren Sie dabei das Verhalten des

Comic-Journalisten Joe Sacco.

2.62.61

2.61.1

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Beziehen Sie den Bildkader auf Seite 117 in Ihrem Vergleich mit ein.

Überlegen sie weiterhin:

- Welches Panel auf den Seiten 122–123 dient als einleitender Kader auf Seite 117?

· Aus welchem Grund?

Kommentar

Die Palästinenser erheben sich, weil auf Grund der Anwesenheit israelischer Soldaten ihre Wirtschaft stagniert. Da es immer wieder zu Zusammenstößen kommt, ziehen es viele Palästinenser vor, auf der anderen Seite, also bei den Israelis einzukaufen.Joe Sacco beobachtet zunächst neben einem Falafelverkäufer die Szene, wo israelische Soldaten aufmarschieren und sich wenig später jugendliche Palästinenser als Reaktion darauf versammeln. Er folgt ihnen, macht dann aber voller Angstschweiß kehrt – siehe Seite 123, zweites und drittes Panel. Diese Befindlichkeit von Joe Sacco, der sich selbst wiederholt Mut zuspricht („Es ist gut für dein Comic“), wird im dritten, schräg gerahmten Panel durch eine Nah-ansicht Saccos besonders plastisch dargestellt. Ihr begegnen wir in der das Kapitel 5 einleitenden Abbildung auf Seite 117 wieder, allerdings noch eindringlicher, da in einen größeren rechteckigen Bildkader gefasst. Er besitzt nicht jene oben erwähnte Rahmenkrüm-mung und unterscheidet zwischen einem illustrativ-expliziten und einem fast verblichenen Schwarz, was letztendlich auch einen sym-bolischen Aussagewert besitzt, holen sich doch die Palästinenser trotz ihres Protestes und ihrer Rebellion immer wieder blutige Köpfe.

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Unterkapitel „Ramallah“ (Seiten 119–127)

Betrachten Sie die Seiten 124–125 mit Sprech-blasentext, aber ohne die übrigen Texte.

es dann ein Leichtes, unseren Blick von seinem Kopf zum kleinen rechteckigen Kader schweifen zu lassen, der Joe Sacco und einen anderen filmenden Reporter zeigt. In den beiden anderen vom Interior-Splash schräg verlaufenden Panels beobachten wir Joe Sacco, wie er sich hinter den beiden Arabern eher versteckt als sich in den Vordergrund der Geschehnisse zu schieben. Das dritte Panel erlaubt uns auf Grund der Vogelperspektive zusätz-lich, einen Blick auf kreuz und quer stehende Autos und ein Taxi, dessen Fahrer laut Al-Quds („Jerusalem“) schreit. Dabei nähert sich diese Perspektive fast einer isometrischen Perspektive, also der Dreidimensionalität an, die wir eher aus Computerspielen kennen. Sicher hat der Comic-Künstler sie gewählt, um auf diese Weise die Räume übersichtlich(er) zu illustrieren.Die nächste Seite nimmt ihren Anfang mit einem ebenso den Er-eignissen angemessenen, schräg angelegten horizontalen Panel, in dem wir neben den Akteuren parkende Autos sowie auf der rechten Seite einen Teil eines Busses erblicken können; die Strasse scheint abgeriegelt. Hatten wir es bisher mit einer gewissen Regularität von Panel-Ras-tern (Splash; rechteckig-senkrechte Panels und waagrechtes Panel) zu tun, nehmen wir nun eine auftretende, radikale Dissonanz der Panelgestaltung wahr, – die zahlreichen Panels verlieren jegliche Gleichmäßigkeit, nehmen in der Zusammenstellung und der gegenseitigen Verknüpfung die Form von eckigen Splittern an, die dargestellte Fortbewegungsrichtung der Protagonisten kippt vom progessiven Links nach Rechts in die umgekehrte, regressive Richtung, so dass wir als Rezipienten unweigerlich zu dem Schluss kommen müssen, dass die Aktion scheitert.

Kommentar

Die beiden abgebildeten Seiten werden von einem Zwei Drittel-Splash eröffnet, der auf Grund seiner Rahmenlosigkeit erlaubt, das Geschehen über dieses Panel hinaus – zumindest gedanklich – in den Außenraum fortzusetzen. Das gilt sowohl für den linken mit der Seite abschließenden Panelrand, an dem eine junge, Fahne schwenkende Palästinenserin mit ihrem Oberkörper ins Innere des Panels eindringt, als auch für die rechte Seite, wo der Rauch eines brennenden Reifens den Panel-Rand verlässt. Von der jungen Palästinenserin zieht sich eine Diagonale, bestehend aus weiteren vier Demonstranten, bis zu dem Mädchen am rechten oberen Panel-Rand, das offenbar mit ihrem Fuß Steine zu den Demonst-ranten stößt, damit diese ihren Vorrat an „Munition“ aufstocken. Im Zentrum dieser Menschenkette steht ein laut rufender Palästi-nenser, in dessen rechte Hand sich ein Stein befindet und dessen linke Hand da Victory-Zeichen macht. Für uns als Betrachter ist

Überlegen sie:

- Beschreiben Sie den Verlauf des Geschehens.· Wer oder was steht in dessen Mittelpunkt?· Wie verhält sich der Comic-Reporter Joe Sacco?

- Was ist in der Panel-Abfolge besonders auffällig?· Welche Funktion haben dabei die Panel-Formate?· Mit welchen Kommentaren sind Ihrer Meinung

nach die Textfelder auszufüllen?· Was könnten sie kommentieren?

2.622.62.1

2.62.11

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Sehen Sie sich nun dieselben Seiten nochmals an, aber mit den ausgefüllten Textfeldern.

Kommentar

Die Unterschiede liegen darin, dass in der linken obigen Ecke des Splash Joe Sacco seine Tätigkeit als Comic-Journalist kommen-tiert – wenn auch mit Spitzen gegen einen filmenden Kollegen –, während fast alle anderen Kommentare den Aufruhr betreffen. Im Splash-Panel begleiten die Textfelder die Aktionen der Palästinen-ser von rechts oben nach links unten, indem sie eine Art Halbkreis um die Rebellierenden markieren. Der auf sich selbst bezogene Kommentar, in die Frage „und mein Heldentum?“ gekleidet, ist das erste von fünf weiteren Textfeldern, die sich aneinanderreihen und die zweite Darstellung kommentieren, während die Kommentare im dritten Bildkader erneut sachlich die Situation beschreiben. Doch die Frage am rechten unteren Rand des Panels entbehrt nicht einer gewissen Neugierde Joe Saccos, was denn nun in den nächsten Augenblicken auf ihn zukommen mag.Die Antwort finden wir auf Seite 125 vorerst in dem eröffnenden horizontalen Panel, dessen Textfelder primär durch zwei Pfeile ge-kennzeichnet sind, die in konträre Richtungen gehen und auf diese Weise auf die konkreten Gegebenheiten aufmerksam machen. Das untere Textfeld allerdings sprengt den Rahmen, wenn auch nur zu einem geringen Teil, leitet so über auf eine schwarze Fläche, auf der massenhaft Panels in verschiedenen Panel-Formaten Platz finden. So disharmonisch die Bilder in ihrem Format scheinen, so ermangelt es ihnen dennoch nicht an einer Logik der Abfolge, die von der Platzierung des jeweiligen Kommentars ergänzt wird: Konn-ten wir zunächst eine Tendenz der Textfelder nach rechts feststellen, so kehrt sich diese in der unteren Hälfte der angesammelten Panels um, wobei das letzte Textfeld mit dem Kommentar „Herrje, das ging schnell“ ganz rechts, einem Eselsohr gleichend, situiert ist, um den Leser zu veranlassen, auf die folgende Seite zu blättern.

Überlegen sie:

- Gibt es in den Kommentaren Inhaltsunterschiede? Welche?

- Auf welche Weise sind die Textfelder eingefügt?· Inwieweit ergänzen sie die Bilder (nicht)?

Überlegen sie zudem:

- Augenscheinlich fliehen die rebellierenden jungen Palästinenser.

· Vor wem bzw. wovor?

2.62.12

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Betrachten Sie dazu die Seiten 126–127.2.62.13

Überlegen sie:

- Waren Ihre obig angestellten Vermutungen richtig?

- Wie können Sie diese Seiten nach Inhalt und Form charakterisieren?

· Welche Rolle spielen dabei die jeweiligen Kontra-henten?

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ment das Taxi besteigt, hat also die Szene mit Hilfe eines gerahm-ten Panels fokussiert und damit auch „angekündigt“, dass Zeit vergangen ist: „Also gut, das war‘s... Ich will hier weg, bevor die Soldaten diese Strassenseite überprüfen...“. Diese Bemerkungen, zusammen mit den weiteren Blocktexten, veranlassen uns, uns auf den nächsten abgezirkelten Panel zu konzentrieren, wo Joe Sacco vom Inneren des Taxis miterlebt, wie ein Soldat zur Durchfahrt ohne weitere Kontrolle auffordert. Beide von Rahmen begrenzten Panels befinden sich in der Mitte des sog. Basis-Panels. Und schon sehen wir das Taxi von hinten, was bedeutet, dass es in voller Fahrt nach Jerusalem geht, während ein mit einem Ma-schinengewehr bewaffneter Israeli neben seinem Militärfahrzeug an der Strassensperre weiter Wache schiebt. Soldat wie Jeep, die den unteren Teil des „Basis-Panels“ bilden, sind im Verhältnis zum Taxi ziemlich groß ins Bild gesetzt, was nicht nur Autorität und Macht der Besetzung zur Geltung bringt, sondern auch den bereits erfolgten Abstand des Taxis zur Kontrollstation signalisiert.

Kommentar

Schon die letzten sechs Panels auf Seite 125 vermitteln in der Fortbewegung der Demonstranten eine Regression, deren Ursache wir auf der folgenden Seite vorfinden: Einem israeli-schen Militärfahrzeug gelingt es, eine Breche zu schlagen. Der Comic-Künstler illustriert diese Szene besonders plastisch, indem er als rahmenloses unterlegtes „Basispanel“ die Autobarrikade der Palästinenser darstellt und darauf den sich Bahn brechenden Jeep mittels vier ineinander verschachtelter, mit Rahmen versehe-ner Panels einfügt, die zugleich die Fahrtrichtung und den damit einhergehenden Zeitverlauf anzeigen. Der diese Reihe abschlie-ßende, sich waagrecht ausdehnende Bildkader zeigt zusammen mit dem Kommentar, dass das Vorgehen der Israelis offensichtlich von Erfolg gekrönt war: Mit seiner wuchtigen Fahrweise mit Zielrichtung nach rechts beherrscht der Militärjeep die Strasse. Die integrierten Kommentartextfelder begleiten dessen Aktion und akzentuieren sie gemäß des Fahrverhaltens; so ist beispielsweise im vierten „Jeep-Panel“ das eine Textfeld mit der Feststellung „fährt wieder vorwärts!“ über dem Dach, während das andere mit der Bemerkung „schiebt sich durch!“ vor dem Kühler des Jeeps ange-bracht ist. Entsprechend der Zielrichtung erscheint das Textfeld im horizontalen Kader rechts vor dem fahrenden Jeep.Dieser Eindruck des Erfolgs wird jedoch sofort durch vier, ebenso ineinander verflochtenen Panels relativiert und konterkariert; formal existiert, obwohl zwei Textfelder eine Verbindung herstellen, ein nicht geringer Abstand zwischen diesen Panels und den oben beschriebenen „Jeep-Panels“: Die junge Palästinenserin, die wir schon von Seite 124 her kennen, gibt im Gegensatz zu ihren männlichen Kameraden nicht auf und verfolgt Steine werfend den Jeep, bevor sie sich abwendet und die umgekehrte Laufrichtung einnimmt. Auch hier illustrieren die Bilder die Parallelität von Laufrichtung und Zeitvergehen.Auf Seite 127 bahnt sich dann mit den ersten drei gerahmten Bildern, die israelische Soldaten bei der Kontrolle von Einkaufslä-den zeigen, eine gewisse Beruhigung des Geschehens an, die im dritten Panel kommentiert wird. Zugleich leitet insbesondere diese Abbildung auf das zugrundeliegende große Panel über, in dem verschiedene gleichzeitige, aber auch ungleichzeitige Ereignisse ablaufen. Der Comic-Künstler weiß diese Vorkommnisse in ihrem kohärenten Zeitab- und verlauf äußerst kunstvoll und meisterlich wiederzugeben: Zuerst obliegt man, betrachtet man zusammen mit den beschreibenden Textfeldern die Geschehnisse nach dem „Kontroll-Panels“, fast dem Irrtum, es mit einem in sich abgeschlos-senen, gerahmten Panel zu tun zu haben; doch bei genauerem Hinsehen bemerkt man, dass im oberen Teil dieses „Basis-Panels“ Diverses gleichzeitig stattfindet, was aber in diesem Teil des Bildes von links nach rechts aneinandergereiht ist. Es beginnt im äußersten linken Eck, wo Soldaten einen jungen Palästinenser mit Fahrrad befragen; daneben können wir die Verhaftung eines anderen Palästinensers miterleben, während wir etwas weiter entfernt davon wieder auf den Taxifahrer treffen, der lauthals sein Fahrtziel Jerusalem verkündet, und zu guter Letzt bemerken wir den Comic-Reporter Joe Sacco, wie er selbst gerade dabei ist, die gesamte Szenerie von seiner Position vor der geöffneten Ladentür aus zu verfolgen. Die Sprechblase des laut anpreisenden Taxifahrers besitzt kurioserweise zwei Vektoren, von denen einer wiederum auf ihn verweist, doch aus der vorigen totalen ist nun eine amerikanische Einstellung geworden; der Zeichner Joe Sacco, der in diesem Mo-

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Kapitel 6 (Seiten 145–179)Sehen Sie sich den einleitenden Bildkader auf Seite 145 an.

Überlegen sie:

- Wie beschreiben Sie die Szene in diesem Bildkader?

- Inwiefern bestehen Gemeinsamkeiten mit den Bildkadern der vorausgegangenen Kapitel?

2.72.71

Kommentar

Joe Sacco sitzt auf einen Schemel und trinkt im Beisein zweier Palästinenser Kaffee; der eine hat auf einer Kiste, der andere auf einem Stuhl Platz genommen.Eine Frau – sie befindet sich Joe Sacco gegenüber – bringt auf einem Tablett Kaffeenachschub; anscheinend sind die ersten Tassen geleert.Auch hier, wie zu Beginn der Kapitel 1–5, wird unsere Aufmerk-samkeit besonders auf Joe Saccos Person gelenkt: Als Comic-Repor-ter ist er zeichnerisch besonders hervorgehoben.

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Unterkapitel „Tomaten“ (Seiten 168–176)Betrachten Sie die gesamte Seite 173 ohne Texte.

Sehen Sie sich nun die Panels 3–4 auf Seite 172 sowie die ganze Seite 173 an.

Überlegen sie:

- Wer befindet sich wo zu welchem Zweck?

- Was sind die Voraussetzungen für den Anbau von Tomaten und deren erfolgreiche Vermarktung?

Überlegen sie:

- Inwieweit nehmen Bild und Text Bezug auf obig gestellte Fragen?

· Auf welche Weise greifen Bild und Text ineinan-der?

- Welche Funktion besitzen die einzelnen Panel-Formate und deren Ansichtsgrößen?

2.722.72.1

2.72.2

Kommentar

Vermutlich hält sich Joe Sacco bei palästinensischen Tomatenzüch-tern auf: Stolz zeigt ihm ein Bauer seine frisch geernteten Tomaten.Für einen ertragreichen Tomatenanbau sind Licht, also Sonne und Wärme sowie Wasser und Dünger notwendig. Die Vermarktung – nicht nur die inländische – ist vom erfolgreichen Export abhängig, der gewissen Regeln unterliegt, die – davon ist auszugehen – die Israelis bestimmen.

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Kommentar

Die einzelnen Bildkader machen den Rezipienten mit Treibhäusern bekannt, in denen Tomaten angebaut werden. Im ersten Panel auf Seite 173 preisen die überdimensionalen Hände eines für den Anbau verantwortlichen Palästinensers reife Tomaten zur Ansicht und Begutachtung an: „Sind sie nicht prächtig?“Doch die Kultivierung dieses Gemüses wird von Schwierigkeiten begleitet. Die Aufzählung der Probleme nimmt ihren Ausgang mit dem dritten Panel auf Seite 172, in dem sich Joe Sacco zusammen mit dem Bauern im Auto auf der Fahrt zu den Treibhäusern befin-det, siehe nächstes Panel. Die dabei „auftretenden“ Textfelder mit den dazu gehörigen Kommentaren verteilen sich über diese beiden Darstellungen – das vierte Textfeld stellt die Verbindung zwischen den beiden Panels her –, verlaufen parallel zur Autofahrt und enden somit auch mit der Ankunft vor den Treibhäusern, was durch einen

über die ganze Seite gehenden horizontalen Kader veranschaulicht wird. Im Gegensatz zu diesen in sechs miteinander verschachtelten Kommentaren, die von administrativen Schikanen wie auch von finanziellen Herausforderungen sprechen, ist der Kommentar über die mangelhafte Wasserversorgung senkrecht am linken Bildrand des ersten Panels auf der folgenden Seite angeordnet. Räumlich, strukturell und textlich steht er somit in Opposition zu diesem Panel mit den ansehnlichen, übergroßen Tomaten: „Trotz alledem wollen diese beiden beweisen, dass die Palästinenser etwas von Tomaten-zucht verstehen...“.Das letzte, wiederum breit angelegte Bild rundet diese vier Panels insofern ab, als Joe Sacco wie im ersten Panel dieser kleinen Panel-Sequenz erneut als berichtender Zeitzeuge auftritt.

Betrachten Sie zusätzlich die Seite 174.

Überlegen sie:

- Wie beschreiben Sie diese Panel-Seite nach Inhalt und Form?

2.72.3

Kommentar

Die Seite nimmt ihren Anfang mit einem Zwei Drittel-Panel, in dem links oben ein kleineres quadratisches Panel als Erklärung für die in der Halle betriebenen Qualitätskontrollen und Verpackungsmaßnah-men eingeschrieben ist.In der Halle trifft Joe Sacco dann auf einen palästinensischen Amerikaner, der sich im Tomatenhandel auskennt. Mittels einer vier-gliedrigen Sprechblase, die sich von der Decke der Halle auf die in Kisten verpackten Tomaten herabsenkt, erläutert er, mit welchen weiteren Benachteiligungen Palästinenser bei der Versendung nach Europa rechnen müssen. Als sich Joe Sacco dann die Kisten im nachfolgenden Panel genauer ansieht, muss er und der amerika-nische Palästinenser feststellen, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht: Die Kisten tragen die Aufschrift „Produced in Israel“. Formell wird dieses von Joe Sacco als Betrug (siehe letzten Bildka-der!) abgestempelte Vorgehen einerseits durch zwei Kommentare und eine Sprechblase gekennzeichnet, die über den quadratischen Kader ins vorige Panel überschwappen und andererseits durch ei-nen Lichtschein, der jeweils um die Köpfe der beiden Protagonisten schwirrt und Verblüffung ausdrücken soll. Doch diese wird von dem amerikanischen Amerikaner sofort in einer weiteren Sprechblase zu-rückgenommen, indem er das Prozedere der Palästinenser mit dem Hinweis auf Arbeit rechtfertigt. Der Zusammenhang zwischen den in beiden letzten Panels geäußerten Argumenten erfolgt „mit Hilfe“ der zweigliedrigen Sprechblase, die – wie so oft – den Rahmen des Panels überschreitet.

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Kapitel 7 (Seiten 181–215)Sehen Sie sich den einleitenden Bildkader auf Seite 181 an.

Überlegen sie:

- Auf welche Weise beschreiben Sie die Szenerie im Bildkader?

2.82.81

Kommentar

Wie jedes einleitende Bild ist auch dies rechteckig und am unteren Panelrand mit der Zahl des nachfolgenden Kapitels versehen.Wir blicken in einer Vogelperspektive auf Joe Sacco, der eine Fernsehsendung verfolgt, die für alle Beteiligten von allgemeinen Interesse zu sein scheint. Wie in den schon vorher beschriebenen Kadern ist der Comic-Reporter auch hier durch Schwarz-Weiß-Konturen besonders akzentuiert.

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Unterkapitel „Dschabalia“17 (Seiten 183–191)Betrachten Sie Seite 183 und Seite 189.

Überlegen sie:

- Wie schildern Sie Samehs Wohnungsverhältnisse?· Auf welche Weise wirken sie sich auf den Comic-

Journalisten Joe Sacco aus?

2.82

HAGELT AUF MICH!“ Die hier verwandten Großbuchstaben setzen sich deshalb auch deutlich von der „normalen“ Schreibweise in den übrigen Textfeldern ab. Im Gegensatz zu Joe Sacco, dessen Mimik Überraschung und zugleich Fassungslosigkeit über die Situation ausdrückt, sitzt Sameh apathisch in seinem Sofa, als sei seine Lage schicksalsbestimmt. Die Erklärung hierfür ist dann in vier Textfeldern am rechten Panelrand zu lesen: Die Israelis haben den Strom abgeschaltet, sozusagen als Kollektivstrafe dafür, dass nur wenige Palästinenser ihre fälligen Stromrechnungen bezahlten.Einige Seiten weiter, auf Seite 189, erhalten wir dann in einem horizontal angelegten Panel Informationen darüber, wo und was Sameh studierte. In den zwei hingegen vertikalen Darstellungen, die sich anschließen, beschreibt der Comic-Reporter Samehs Woh-nungsverhältnisse präziser sowie seine für die Araber sprichwörtli-che Gastfreundschaft.

Kommentar

Da Samehs Unterkunft mit einem Welldach versehen ist, sind die Geräusche besonders intensiv wahrnehmbar – vor allem wenn es stark regnet oder gar hagelt. Damit sich der Rezipient ein besonders einprägsames Bild von Samehs Wohnungsverhältnissen machen kann, hat der Comic-Künstler das Unterkapitel „Dschab-alia“ mit einem Splash eröffnet, an dessen oberen Rand, also direkt unter dem Blechdach, zwei Kommentare und zwei Sprechblasen angebracht sind; auf diese Weise wird der Leser mittels Bild und Text sofort eingestimmt. Dabei macht er sich natürlich Gedanken, an welchem Ort sich eine derartige Behausung befindet. Um hierfür eine Antwort zu erhalten, braucht er sein Auge lediglich ein paar Zentimeter nach unten schweifen zu lassen: Unversehens stößt er auf den Titel des Unterkapitels und wird situiert. An diese mit gro-ßen schwarzen und geschwungenen Lettern versehene Überschrift (soll dadurch auf die unwirtlichen Wohnungsverhältnisse in diesem Lager hingewiesen werden?) fügt sich auf der linken Seite ein Text-feld an, dessen Kommentar uns zusammen mit seiner Verbildlichung auf Samehs Wohnraum, Mobiliar und die momentan herrschenden Wetterverhältnissen, denen der Wohnungsinhaber Sameh und sein Gast Joe Sacco ausgesetzt sind, aufmerksam macht: „HE! ES

17 1948 richtete das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästine-Flüchtlinge im Nahen Osten in der Nähe der Stadt ein Flüchtlingslager für ca. 35000 Menschen ein; Anlass war der Palästinakrieg. 2005 zählte das Lager aber bereits 105 691 Insassen. In Dschabalia nahm 1987 die Erste Intifada ihren Anfang.

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18 IDF = Israel Defense Forces

Unterkapitel „Die Jungs, Teil Eins“ (Seiten 192–196)Sehen Sie sich Seite 192 an.

Überlegen sie:

- Wie lassen sich beide Panels beschreiben?· In welchem Verhältnis stehen Personen und Raum?

2.83

2.83.1

verlängert der Wachturm als im Bild massiv stehende Vertikale die ohnehin schon beeindruckende Froschperspektive. Der sich vor der Gruppe ausbreitende, vom Regen aufgeweichte Boden wird vom Titel „Die Jungs Teil Eins“ hinreichend ausgefüllt, und er bildet eine „geeignete“ Passage zu dem folgenden horizontalen Panel, der sich nun perspektivisch normalisiert hat: Aus der Achtergruppe wer-den vier Personen herausgegriffen und von ihnen zwei vorgestellt: Mohammed und Husein, die beide unterschiedlichen Palästinenser-organisationen angehören. Da es in der Hauptsache um sie geht, besetzen sie den Bildvordergrund, während Sameh und Joe Sacco „lediglich“ im Hintergrund zu sehen sind. Der rechts an Huseins Oberkörper „geheftete“ Kommentar leitet über auf die Panelabfolge der Seite 196.

Kommentar

Das sich über zwei Drittel der Seite erstreckende Panel, dessen Rah-men mit den Seitenrändern zusammenfällt, ist, was die Perspektive angeht, von besonderem Interesse: Auffällig sind die acht Personen, die links im Bild in Untersicht vor dem IDF18-Areal angeordnet sind. Diese Perspektive verleiht ihnen auf Grund ihrer herausgehobenen Position „zwangsläufig“ eine gewisse Machtstellung, deren sie sich anscheinend bewusst sind: „Acht sind zu viel... Wir sind nur wenige Dutzend Meter vom IDF-Areal entfernt...“. Dieser Eindruck wird im Hintergrund links und rechts infolge der Fluchtgeraden, bestehend aus Mauer und Zaun sowie der am Himmel vorbei ziehenden Wolken, die zu einem gemeinsamen Fluchtpunkt zusam-menzulaufen scheinen, noch verstärkt, so dass die Personengruppe umso eindrucksvoller wirkt, auch wenn sie harmlos scheint. Zudem

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Betrachten Sie die gesamte Seite 196.

Überlegen sie:

- Auf welche Weise charakterisieren Sie die Anordnung der Panels?

· Wie interpretieren Sie diese bildliche Auf-gliederung?

- Wer berichtet und worüber wird erzählt?· Wie definieren Sie die Zeitebenen?

2.83.2

sind. Mohammed verbleibt dabei jedoch die zentral erzählende Fi-gur: Zeichnerisch wird er in derselben, ihm zugeeigneten charakte-ristischen Art und Weise aus dem ersten Panel herausgegriffen und in den Mittelpunkt versetzt, wobei ihn vier miteinander verschränkte Panels eingrenzen – allerdings nicht in einer totalen, sondern in einer, dem Rezipienten wesentlich effektiveren, halbnahen Ansicht. Die von ihm ausgehenden Sprechblasen werden durch diese vier Panels, deren Ursprung ebenfalls die Person Mohammed zu sein scheint, verbildlicht. Dass sie ineinander verschoben und deshalb in ihrer Form ungleichmäßig gestaltet sind, bringt die Besonderheit der dargestellten Ereignisse mit sich. Wie schon des Öfteren verweist der Comic-Reporter Joe Sacco in Gestalt Mohammeds auf eine historische Quelle und wird so dem dokumentarischen Beweisbe-dürfnis des Comic-Lesers gerecht.

Kommentar

Das erste Panel – es verläuft waagrecht über die gesamte Seite – nimmt obig erwähnten Kommentar auf und konkretisiert ihn mittels zweier Textfelder, die offensichtlich vom Comic-Reporter Joe Sacco stammen: In dritter Person Plural nennt er Mohammed und Husein als Erzähler. „Sinngemäß“ sind die beiden Textfelder auf der linken Seite des Panels eingefügt; nach dieser einem Bericht ähnelnden Eröffnung tastet unser Auge die auf uns zukommende und noch ziemlich weit entfernte Vierergruppe ab und bleibt an Mohammeds mehrgliedriger Sprechblase hängen. Dieser übernimmt nun Joe Saccos Einführungskommentar, indem er ihn weiter ausführt (es gibt immerhin fünf ineinander verschlungene Sprechblasenteile), konkreti-siert und vergegenwärtigt, obwohl es sich um vergangene Ereignis-se der beginnenden Intifada handelt. Bildlich-formell ist dies an den nächsten vier Panels erkennbar, die dem horizontalen ersten Panel, dem sog. Ausgangspanel, da seitlich eingeschoben, untergliedert

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Unterkapitel „Die Jungs, Teil Drei“ (Seiten 198–203)Sehen Sie sich die folgenden Seiten ohne Kommentare und Sprechblasentexte an.

2.84

2.84.1

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Überlegen sie:

- Wie setzt sich Ihrer Ansicht nach die Seitenstruktur zusammen? Wie bestimmt sich die chronologi-sche Abfolge der Seiten?

- Wer erlebt was? · Lassen sich bereits Hauptperson und Geschehen

auf diesen Seiten bestimmen?

Kommentar

Die Seitenabfolge entnehmen Sie aus dem Kommentar zur nächsten Aufgabenstellung.Auf den sechs Seiten taucht immer wieder ein Jugendlicher auf, der wohl als erzählende Hauptfigur fungiert. Als solche könnte er mit verschiedenen Ereignissen konfrontiert sein: Gang zur Schule; Sprühen von Tags; Auseinandersetzungen zwischen politischen Fraktionen unterschiedlicher Meinung (bei diesen Strassenkämpfen sind keine israelischen Soldaten zugegen!); Aktionen gegen israe-lische Soldaten (Intifada); Gefangennahme; Krankenhausaufenthalt und Verhör mit der Folge schwerer Verletzungen.

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Betrachten Sie die Seiten nochmals, jetzt aber mit Kommentaren und Sprechblasentexten.

2.83.2

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Überlegen sie:

- Die Seiten sind nun mit Kommentaren und Sprechblasentexten versehen.

· Ändert sich etwas in der Seitenstruktur, die Sie in der obigen Aufgabe angelegt haben?

- Wie definieren Sie jetzt Hauptperson und Geschehen?

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Kapitel 8 (Seiten 217–251)Sehen Sie sich den einleitenden Bildkader auf Seite 217 an.

Überlegen sie:

- Wer befindet sich an welchem Ort?

2.92.91

Kommentar

Wie jedes Kapitel so beginnt auch dieses mit einem rechteckigen einleitenden Bildkader. Joe Sacco und sein Begleiter Sameh, den wir bereits aus Kapitel 7 her kennen, durchschreiten ein unweg-sames Gelände voller Schlamm, Unrat und Müll; es ist auf einer Seite von einem Maschendrahtzaun eingefasst. Im Hintergrund blicken wir auf Hauswände, Strommasten und einen Wasserturm.

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Unterkapitel „Pilgerschaft“ (Seiten 219–251)Betrachten Sie Panel 4 sowie die Panels 8–10 auf Seite 240.

Überlegen sie:

- Weshalb kann man das vierte Panel auch als erzählendes Eröffnungspanel bezeichnen?

· Wer ist in den nachfolgenden Darstellungen der Erzähler?

· Wohin möchte Achmed gehen?· Warum sind seine Eltern in Sorge?

2.922.92.1

Kommentar

Panel 4 verläuft quer über die Seite und ist ohne Text. In ihm wer-den die Personen vorgestellt: Eine ältere Frau ist von drei jüngeren Männern umgeben, unter denen sich auch Sameh am rechten Bildrand befindet.Der erste in Anführungszeichen gesetzte Text enthält die Ich-Form der im horizontalen Panel abgebildeten älteren Frau. Es ist daher anzunehmen, dass sie von Achmeds Wunsch, in die Schule zu gehen, und von den Sorgen, ihm könnte auf dem Schulweg etwas zustoßen, berichtet.

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Lesen Sie folgende Kommentar- und Sprechblasen-texte (LV 8).

2.92.2

lV 8:

(a) Wir hatten Ausgangssperre... Der Sohn meines Onkels war gerade er-schossen worden...

(b) “Als die Ausgangssperre aufge-hoben war, wollte ich meinen Sohn Achmed nicht zur Schule gehen lassen wegen der Unruhen...”

(c) “Nach drei Tagen bestand er darauf. Er sagte: ‘Alle anderen gehen zur Schu-le. Ich muss hin...’"

(d) “Ich stand auf und ging zum Markt, um Reis für die Trauerfeier für den Sohn meines Onkels zu kaufen...”

(e) “Die Leute sahen mich eigenartig an. Sie wussten, dass Achmed angeschos-sen worden war, aber sie wollten es mir nicht sagen...”

(f) “Als ich nach Hause kam, war nie-mand da...”

(g) “Eine Nachbarin erzählte mir, dass vier Schüler bei einem Zusammenstoß an der Schule verletzt worden waren... Zwei meiner Söhne besuchten diese Schule...”

(h) “Ich ging zu meiner Schwiegertoch-ter. Sie wollte mir nichts sagen, und dann fing sie an zu weinen. Sie sagte: ‘Achmed ist verletzt’ ”.

(i) “Wir fuhren zum Krankenhaus in Chan Junis, aber da war er nicht ...”

(j) “Man sagte uns, die Soldaten hätten ihn zu einem Militärhospital in Israel gebracht. Ich war außer mir. Ich dach-te, mit ihm würde das Gleiche passieren wie mit meinem Sohn Basel ...”

(k) “Wir fuhren zu ihm. Wir waren erst um 6 Uhr abends bei ihm ...”

(l) “Er war fünfmal getroffen... in die Stirn, den Hals, den Arm, das Herz und die Wange. Er lebte noch....”

(m) “Wir wollten ihn ins Makassed-Krankenhaus in Jerusalem bringen, aber sie ließen uns nicht...”

(n) “Am nächsten Tag fragte ich wie-der nach. Ich ging zum Direktor, um ihm Füe und Hände zu küssen, damit ich meinen Sohn mitnehmen durfte...”

Überlegen sie in der gruppe:

- Welcher Text bzw. welche Texte verstehen Sie als Inhalt einer Sprechblase, welcher bzw. welche Texte als Kommentare?

- Welche (Sprechblasen- bzw. Kommentar-) Texte sind chronologisch vor bzw. nach den obigen drei rechteckigen Panels anzuordnen?

· Übertragen Sie dann die Texte in Zeichnungen.· Welches jeweilige Panel-Format wählen Sie?

Oder belassen Sie das rechteckige Format?· Beachten Sie dabei, dass es sich zwar um

14 Texte handelt, aber 15 Panels zu zeichnen sind.

· Machen Sie sich zudem Gedanken darüber, weshalb ein einziger Text keine Anführungs-zeichen aufweist.

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Sehen Sie sich jetzt die Panels 4–10 auf Seite 240 sowie die Seite 241 an.

Überlegen sie in der gruppe, indem sie vergleichen:

- Inwieweit stimmen Ihre Zeichnungen mit denen des Comic-Künstlers (nicht) überein?

· Auf welche Weise sind die Texte hie und da in den Zeichnungen integriert?

- Die Mutter bittet den Direktor des Krankenhauses, ihren Sohn mitnehmen zu dürfen.

· Wie stellen Sie sich seine Antwort und die nach-folgenden Geschehnisse vor?

2.92.3

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Betrachten Sie abschließend die Seiten 242–243.2.92.4

Überlegen sie:

- Was ist nun tatsächlich geschehen?

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Kapitel 9 (Seiten 253–287)Sehen Sie sich den einleitenden Bildkader auf Seite 253 sowie die Seiten 256–257 aus dem Unter-kapitel „Mit anderen Augen“ an.

Überlegen sie:

- In welchem Zusammenhang stehen einleitender Kader und die Seiten 256–257?

- Wie beschreiben Sie die Seiten 256–257 nach Inhalt und Form?

· Welche Ansicht haben Naomi und Paula über die jüdischen Siedlungen?

- Erinnern Sie sich noch?: Am Anfang der Arbeit mit der Comic-Reportage stellte Joe Sacco seinen beiden Begleiterinnen diese Frage:

“Wisst ihr WIRKLICH, was sich dort drüben abspielt? ”

· Inwiefern hat Joe Sacco mit dieser Frage (nicht) Recht behalten?

· Begründen Sie Ihre Meinung.

2.102.10.1

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Unterkapitel „Ein Junge im Regen“ (Seiten 281–287)Betrachten Sie Panel 4 auf Seite 283 sowie die Seiten 284–285.

2.10.2

2.10.21

Kommentar

Die einleitende Darstellung, die jedem Kapitel vorangestellt wird, wird hier in diesem Abschnitt der Comic-Reportage im zweiten Panel der Seite 256 wieder aufgenommen. Im Gegensatz zum Bildkader auf Seite 253 ist die arabische Ortschaft Silwan, auf die Joe Sacco zusammen mit Naomi und Paula blickt, auch klar und deutlich zu sehen; wir als Adressaten sehen von einer erhöhten Stellung aus mit ihnen auf Mauer, Strasse und Ortschaft. Hinzu kommen vier Textfelder mit Joe Saccos Kommentaren, die sich über Silwan von links oben nach rechts unten in der Mitte verteilen. Naomi spricht zusätzlich von der Hausbesetzerin, der Schwester ihres Freundes, die aus „allen möglichen Glaubens-gründen“ das Vorgehen der Siedler rechtfertigt, was Naomi nicht zu billigen scheint. Auch Paula ist offensichtlich nicht mit der provokativer Handlungsweise der Siedler einverstanden – jedenfalls kommt dies in dem kleinen rechteckigen Panel zum

Ausdruck, der in der zwei Drittel großen Illustration, die ohne äußere Bildbegrenzung auskommt, eingelassen ist und wo der Rezipient eine gegensätzliche Beobachterstellung einnimmt. Ihre beiden in Sprechblassen zum Ausd ruck kommenden Meinungen zählen umso mehr, als wir ihr dabei in einer Untersicht direkt gegenüberstehen. Paula akzentuiert ihre Auffassung um weitere Sprechblasen, die eine ähnliche Sichtweise vertreten. Doch dann erfahren wir in drei aufeinander folgenden Panels, die zu einem nicht unerheblichen Teil in die mittlere rahmenlose Darstellung hineinragen, dass Naomi Militärdienst verrichtete und während dieser Zeit verstanden habe, dass es gefährlich sei, „den Arabern das Land zurückzugeben...“ Diese Erklärung steht jedenfalls im Widerspruch mit ihrer eigenen Bemerkung auf Seite 256, so dass es den Anschein hat, dass zumindest sie keinen festen Standpunkt zum Siedlungsproblem hat.

Überlegen sie:

- Welche Meinungen werden für eine Friedens-findung vertreten?

· Bei der Debatte darüber meint der Israeli:

“Die Frage ist, ob zwei Völker gleichbe-rechtigt nebeneinander leben können.”

· Welches Erlebnis von Joe Sacco relativiert diese Aussage?

· Auf welche Weise gestaltet der Comic-Künstler dieses Erlebnis in Wort und Bild?

· Wie macht er die Zeitebenen kenntlich?

- Zu welchen Überlegungen möchte der Comic-Journalist Joe Sacco anregen?

Page 69: Palästina - Edition Moderne · Palästina 2009 Joe Sacco Pädagogisch-didaktische Aufbereitung: Peter Schott, Nancy Nach den Richtlinien des Europäischen Referenzrahmens eignet

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Kommentar

Die Überlegungen zu einer Friedenslösung im Nahen Osten wer-den durch das letzte, sich quer über die ganze Seite ausdehnende Panel in Gang gesetzt: Joe Sacco ist dabei der Auffassung, ein gemeinsamer pluralistischer Staat wäre die beste Lösung; ihm wird von einer Kollegin widersprochen, die eher an eine Zwei-Staaten-Lösung glaubt.Die folgende Seite beginnt mit einem vertikalen Kader, der somit, was das Format angeht, in Opposition zu dem horizontalen der vorigen Seite steht, was zusätzlich durch den Sprechblasentext des Israelis unterstrichen wird: Nach ihm geht es weder um die eine noch die andere Lösung, für ihn stellt sich vielmehr die Frage nach einem gleichberechtigten friedlichen Nebeneinander zweier Völker. Von dieser Aussage ausgehend entwickelt Joe Sacco in den nächs-ten fünf Panels ein Erlebnis, das er vor einem Monat hatte. Diese Zeitverschiebung von Gegenwart zur Vergangenheit wird durch ein kleines Textfeld markiert, das zwischen den beiden ersten Panels platziert ist und so die Passage zwischen den beiden Zeitebenen herstellt. Im zweiten rechteckigen, mehr über die Hälfte der oberen Panelleiste einnehmenden Panel können wir dann bei sintflutartigem Regen drei israelische Soldaten wahrnehmen, die einen kleinen pa-lästinensischen Jungen von ca. 13 Jahren einkreisen und ihn in der dritten Darstellung während des Verhörs im strömenden Regen ste-hen lassen, während sie unter einem Dach Schutz vor dem Unwet-ter suchen. Dort wird er, nachdem er seine Kefje19 ablegen musste, anscheinend peniblen Fragen ausgesetzt – zumindest lassen die Mimik und Gestik des im linken Vordergrund stehenden israelischen Soldaten darauf schließen. Dabei betrachten wir die Szene wie auch die im ersten Panel der nächsten Seite in einer Froschperspek-tive – zuerst lediglich als beobachtende Dritte, dann aber werden wir in das Geschehen mit hineingezogen, denn wir stehen hinter dem Knaben und sehen direkt zu den „zerschnittenen“, depersona-lisierten Soldatengesichtern auf. Das ändert sich im zweiten Kader, der ebenso wie der erste und dritte auf der Seite 285 waagrecht verläuft, aber etwas eingeschoben unterhalb dem vorausgehenden Bild situiert ist: Hier stehen wir an derselben Stelle wie die Israelis und blicken dem jungen klatschnassen Palästinenser unmittelbar ins Gesicht, so dass eine größtmögliche Identifikation entsteht; dazu parallel sind Joe Saccos Kommentare im Bild eingeflochten, die teils mit Fragezeichen, teils mit Ausrufezeichen versehen sind, wobei die fetten Großbuchstaben von „EINES TAGES!“ zusätzlichen Anreiz zur Reflexion geben sollen. Es ist nicht verwunderlich, dass am Ende dieser Panel-Sequenz eine in Text und Bild adäquate Darstellung steht, die den Rezipienten überdies zu einem weiteren Denkprozess anregen soll; ebenso ver-hält es sich mit Saccos Frage „Was wird aus einem, der sich selbst für vollkommen machtlos hält?“, was wohl dem Gedankengang des gleichberechtigten Nebeneinanders, dem sich der Israeli im ersten Panel der Seite 284 überlässt, entgegensteht.

19 Das in der arabischen Welt von Männern getragene Kopftuch

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“Die schwerwiegende Kritik an ‘Palästina’ ist, dass die Geschichte nur eine Seite des Nahost-Konflikts darstellt. Das ist korrekt, ist aber auch Absicht.”20

- Ist Ihrer Ansicht nach diese Kritik berechtigt?· Warum (nicht)?

“In diesem Buch wollte ich nicht objek-tiv sein, sondern ehrlich.”21

- Ist Joe Sacco diesem Grundsatz Ihrer Meinung nach treu geblieben?

die lage im gazastreifen ist katastrophal: es gibt keinen strom, keine lebensmittel, keine arbeit und die wasserversorgung ist ebenfalls problematisch.Krieg und blockade haben den gaza-streifen völlig zerrüttet. sollte keine änderung eintreten, wird die region laut der Vereinten Nationen in fünf Jahren unbewohnbar sein. (Bericht der United Nations [UN] vom 2. September 2015)

- Bestätigt sich Joe Saccos Comic-Reportage durch diesen UN-Bericht?

· Inwieweit (nicht)?

3.1

3.2

3.3

20 aus „Ein paar Gedanken zu diesem Buch“, Joe Saccos Vorwort zu „Palestine“; Special Edition by Fantagraphics Books, 2007

21 aus „Ein paar Gedanken zu diesem Buch“, Joe Saccos Vorwort zu „Palestine“; Special Edition by Fantagraphics Books, 2007