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Partizipative Arbeitsgestaltung in einer alternden Gesellschaft Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention 10,- Euro | ISSN 2190-0485 Nr.2 | 2013

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Page 1: Partizipative Arbeitsgestaltung in einer alternden ... · lich positiver ein als die jüngeren Befragten, die die Unverzichtbarkeit der älteren Arbeitskräfte wohl erst in fernerer

Partizipative Arbeitsgestaltungin einer alternden Gesellschaft

Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention 10,- Euro | ISSN 2190-0485 Nr.2 | 2013

Page 2: Partizipative Arbeitsgestaltung in einer alternden ... · lich positiver ein als die jüngeren Befragten, die die Unverzichtbarkeit der älteren Arbeitskräfte wohl erst in fernerer

inhalt

32 præview Nr. 2 | 2013

Zweitens steht diese Ausgabe auch für mehrEhrlichkeit in der Betrachtung der Beschäfti-gungsfähigkeit Älterer und der Entwicklung vonalternsgerechten Berufsverläufen. Nicht in jederBranche und nicht auf jedem Arbeitsplatz altertman heute gesund, motiviert und innovations-förderlich. Ilmarinens Grafik zum Work AbilityIndex in Abhängigkeit vom Alter auf Seite 22macht deutlich, dass die Arbeitsfähigkeit imDurchschnitt abnimmt, wenn man älter wird.Und auch die Befragung von über 100 Exper-tinnen und Experten auf der Demografietagungdes BMBF 2013 „Innovationsfähigkeit im de-mografischen Wandel“ zur Einlösung der Chan-cen des demografischen Wandels in der Arbeits -welt dokumentiert alles andere als Einigkeit beider Bewertung dieses Wandels. Für manchen sinddie Probleme bereits gelöst, während dies fürandere eine noch ferne Zukunftsperspektive ist.

Es kommt daher bei der Bewertung, ob der de-mografische Wandel tatsächlich eine demogra-fische Chance ist oder wird, mehr denn je aufdie genaue Analyse des Einzelfalles an. Aber aufdiesen mikrologischen Blick sind die Unter -nehmen im Moment noch wenig eingestellt,geschweige denn die Systeme der sozialen Sicherung. Die Beiträge dieser Aus-gabe machen deshalb zuRecht darauf auf-

editorial

Mehr Ehrlichkeit.Rüdiger Klatt

Wunsch oder Wirklichkeit – Sind die Chancen des demografischen Wandels schon eingelöst?

Kurt-Georg Ciesinger, Helga Dill, Rüdiger Klatt, Silke Steinberg

Management von Generationenvielfalt in Unternehmen

Heike Bruch, Florian Kunze

Mitalternde Arbeit – „Alternsgerechte Berufsverläufe“ als Instrument der Personalentwicklung

Alexander Frevel, Heinrich Geißler

Erwerbsbiografien in der Software-Entwicklung: Vom Ingenieur zum Kommunikationsexperten

Rüdiger Striemer, Angela Carell

Kompetenzbasierte Dienstleistungsentwicklung als Strategie für innovatives Karrieremanagement in Pflegeeinrichtungen

Matthias Wittland

„Wertschätzung, Vertrauen und ökonomische Sicherheit sind die Gesundheitsressourcen der Zukunft“

Rainer Ollmann im Gespräch mit Karl Kuhn und Kai Seiler über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft des Arbeitsschutzes

Zukunft des betrieblichen Gesundheitsmanagements Oder: Welche Instrumente eignen sich zur Förderung der Gesundheit

in kleinen und mittelständischen Unternehmen?Rainer Ollmann

Mitarbeiterbefragungen als Instrument partizipativer Führung Ein Erfahrungsbericht aus der Beratungspraxis

Christiane Weiling, Pia Rauball

„Ein neuer Besen kehrt gut, aber die alte Bürste kennt die Ecken.“ Führungsqualität aus Sicht von alten und jungen Mitarbeitern

Markus Hiddemann, Kenan Kurt

Alternsgerechte Arbeitsgestaltung und das Ernstnehmen von Individualität und MühsalPaul Fuchs-Frohnhofen, Alexandra Rausch

Wertschätzung und Anerkennung sind in jedem Alter wichtig Ein Plädoyer für mehr Lob für die Welt

Anja Meuter, Dagmar Siebecke

Tausendsassa oder Zappelphilipp?Multitasking als Paradigma der Arbeitsgestaltung

Kurt-Georg Ciesinger

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Partizipative Arbeitsgestaltung in einer alternden Gesellschaft

merksam, dass alternsgerechte Arbeitsgestal-tung auch bedeutet, Verfahren der Bewertungund Verbesserung von Arbeitsbedingungen zufinden, die den Blick auf die individuelle Le-bensgeschichte ermöglichen und die die Impulsezur Förderung von Gesundheit und Beschäfti-gungsfähigkeit stärker individualisieren.

Auch diese Dimension gehört mithin zu einerinterdisziplinär ausgerichteten Arbeitsforschung,die sich den komplexen Herausforderungen desdemografischen Wandels in der Arbeitswelt stellt.

Dortmund, im Juli 2013

Rüdiger KlattHerausgeber

Diese Ausgabe der præview machtzweierlei deut lich.

Erstens zeigt sich, dass der Parameter Demogra -fie einige vermeintlich bereits „abgehakte“ The-men der Arbeitsforschung in ein völlig neuesLicht rückt und eine Neuausrichtung der damitverbundenen Unterstützungsinstrumente aufdie veränderten Arbeitsbedingungen in altern-den Unternehmen notwendig macht. Mitarbei-terbefragungen, Bewertungsinstrumente fürFührungsqualität, Arbeits- und Gesundheits-schutz müssen auf Probleme geeicht werden,die im demografischen Wandel das Verhältnisder Generationen oder den Umgang mit denneuerdings als wertvolle Arbeitskraft und In-novationsressource angesprochenen älterenMitarbeiter betreffen. Wie verändert sich bei-spielsweise unsere Führungskultur, wenn ältereMitarbeiter auf jüngere Vorgesetzte blicken undderen Führungsqualität, informell oder offiziell,bewerten? An welchen Stellschrauben der Per-sonal- und Organisationsentwicklung müssenUnternehmen drehen, um zweite Karrieren undnichtlineare Erwerbsbiografien noch besser zuermöglichen? Die unterstützende Funktion vonMethoden der Mitarbeiterpartizipation und ei-nes wertschätzungsförderlichen Führungsstils,eines auf die veränderte Arbeitswelt angepass-ten Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowieneuer Gestaltungsmodelle für diskontinuierlicheBerufsbiografien, die sich auf die Stärken diesesPersonenkreises richten, liegt dabei auf der Hand.

Mehr Ehrlichkeit.

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Wunsch oder Wirklichkeit – Sind die Chancen desdemografischen Wandels schon eingelöst?Kurt-Georg Ciesinger, Helga Dill, Rüdiger Klatt, Silke Steinberg

Älteren hingegen sehen dieses Statement desWissenschaftsjahres eher im Bereich der Visionals der Wirklichkeit.

Entgegengesetzt zu dieser Einschätzung wirddie Frage beurteilt, ob Ältere eine Belastungoder eine Bereicherung des Arbeitsmarktes dar-stellen, ob sie unvermittelbar oder unverzichtbarsind. Die älteren Teilnehmer schätzen die ge-sellschaftliche Umsetzung der „demografischenChance“ der Älteren auf dem Arbeitsmarkt deut-lich positiver ein als die jüngeren Befragten, diedie Unverzichtbarkeit der älteren Arbeitskräftewohl erst in fernerer Zukunft sehen.

Hinsichtlich der Frage, ob und wann Zuwande-rung Deutschland bereichern wird, kristallisiertsich bei den Älteren überhaupt kein Bild heraus:Alle Einschätzungen auf dem vorgegebenenZeitstrahl sind gleichermaßen vertreten. DieJüngeren sehen die gesellschaftliche Integrationvon Zuwanderern bedeutend weiter fortge-schritten: Der weitaus größte Teil der jüngerenBefragten sieht die „demografische Chance Zu-wanderung“ bereits in den nächsten zehn Jah-ren umgesetzt.

Mehr Fragen als AntwortenDie Uneinigkeit über alle Teilnehmer hinweghat die Fokusgruppe „Erwerbsbiografien als In-novationstreiber im demografischen Wandel“als Veranstalter der Befragung ebenso über-rascht wie die berichteten Differenzen zwischenden Altersgruppen. Denn sind nicht die Befrag-ten die Experten für den demografischen Wan-del? Hätte sich in der jahrzehntelangen For-schung nicht eine Meinungskonvergenz oderzumindest eine Lagerbildung ergeben müssen?Wieso schlagen Individualitäten der Expertenso auf die Ergebnislage durch? Und kann esdenn sein, dass sich selbst in der Wissenschafts-community, die den demografischen Wandeluntersucht und gestaltet, die größten Gruppen -differenzen zwischen Alt und Jung ergeben?

So auch in Berlin: Unter dem Motto „Innovati-onsfähigkeit im demografischen Wandel“ kamenim Mai 2013 über 400 Expertinnen und Expertenaus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zu-sammen, präsentierten ihre Ergebnisse und Kon-zepte und diskutierten über die Zukunft der Ar-beit in Deutschland.

Die Fokusgruppe „Erwerbsbiografien als Inno-vationstreiber im demografischen Wandel“führte auf ihrem kongressbegleitenden Messe-stand eine Befragung durch. Ziel war es, dieversammelte Expertise der Teilnehmer zur Be-antwortung der Frage zu nutzen: Wie weit sindwir eigentlich in Deutschland in Sachen „Ge-staltung der demografischen Chance“ schongekommen und wo haben wir noch Handlungs-bedarfe?

Zu diesem Zweck wurden drei zentrale Aussagendes Wissenschaftsjahrs mit freundlicher Geneh-migung der Projektgruppe Wissenschaftsjahr2013 im BMBF zur Diskussion gestellt:

æ Ältere sind auf dem Arbeitsmarktunver mittelbar unverzichtbar.

æ Alt wird durch Jung ersetzt ergänzt.

æ Zuwanderung spaltet bereichertDeutschland.

Die Crème de la Crème der deutschen Arbeits-forschung wurde nun gefragt: „Was glaubenSie, wann werden Ihrer Auffassung nach dieChancen des demografischen Wandels Wirk-lichkeit?“ Ziel war es, eine Einschätzung darüberzu gewinnen, wie weit Deutschland auf die imWissenschaftsjahr aufgeworfenen Themen be-reits vorbereitet ist, bzw. wie weit unsere Ge-sellschaft noch von der Vision, die in den State-ments formuliert wird, entfernt ist.

Fast einhundert Experten nahmen an der Um-frage teil und klebten Punkte auf einen Zeitstrahlvon heute bis 2030, um zu markieren, wann dieo. g. Statements gesellschaftliche Realität seinwerden. Dabei wurde durch die Farbe der Punktegekennzeichnet, welcher Altersgruppe die Exper -ten angehörten. Die Gruppe der unter 30-Jähri -gen war mit 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmernvertreten, die Gruppe 31-49 mit 47, die Gruppeüber 50 mit 25 Expertinnen und Experten.

Der erste Augenschein einer unerwarteten He-terogenität bestätigte sich auch in der nach-folgenden statistischen Auswertung: Die ein-zelnen Einschätzungen, wann die demografi-sche Chance eingelöst sein wird, weisen einesehr breite Streuung auf, die Mittelwerte liegenfür alle Fragen und zwischen allen Altersgruppenaber sehr eng beieinander, auf dem Zeitstrahletwa um das Jahr 2020. Es besteht also – ver-einfacht zusammengefasst – eine so große Un-einigkeit zwischen den teilnehmenden Experten,dass sich alle Differenzen in der Gesamtbetrach-tung wieder herausmitteln. (s. Abb. 1)

Betrachtet man jedoch die Verteilungen derEinschätzungen auf der Skala und vergleichthier Jung und Alt, so zeigt sich, dass die Gene-rationen die demografische Chance durchausunterschiedlich optimistisch beurteilen. Die Ab-bildungen 2 bis 4 vergleichen die Antwortver-teilungen der ältesten und jüngsten Teilneh-mergruppe für die drei Statements des Wissen-schaftsjahres (geglättete Kurven). Je weiter nachrechts verschoben die Kurven sind, desto eherbefindet sich das Statement im Stadium desWunsches, je weiter nach links, desto näher istes an der heutigen Wirklichkeit. (s. Abb. 2)

Die Frage, ob und wann Alt durch Jung ergänztanstatt ersetzt wird, sehen interessanterweisedie jungen Teilnehmer deutlich positiver. Derüberwiegende Teil der Befragten sieht eine Rea-lisierung bereits in den nächsten Jahren. Die

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat das Wissenschaftsjahr 2013 unter das Motto „Die demografi-

sche Chance“ gestellt und damit eindeutig Position bezogen: Der demografische Wandel ist eine Chance, kein Gespenst.

Es gilt, die Veränderungen nicht nur zu beobachten, zu analysieren und zu beschreiben, sondern sie auch zu gestalten.

Mit dieser aktiven, handlungsorientierten Botschaft präsentiert das BMBF die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit

verschiedenster Disziplinen in Wort und Schrift, in Bild und Ton, auf Plakaten und Veranstaltungen und in Museen.

Vielleicht kann man es so zusam-menfassen: Das Wissenschaftsjahr2013 „Die demografische Chance“hat die richti gen arbeitspolitischenThemen aufgegriffen – nämlich die-jenigen, die auch aus Sicht der Ex-perten noch der Gestaltung harren.Denn so lautet ein anderes State-ment des Wis sen s chaftsjahres: DenWandel erleben gestalten.

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Abb. 2: „Alt wird durch Jung ersetzt ergänzt.“

Abb. 1: Verteilung der Punkte auf der Zeitskala (geglättet)

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„Alt wird durch Jung ersetzt ergänzt.“

„Ältere sind auf dem Arbeitsmarkt unvermittelbar unverzichtbar.“

„Zuwanderung spaltet bereichert Deutschland.“

% bis 30über 50

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Der demografische Wandel ist eine der zentralenHerausforderungen für die Unternehmen in derheutigen Zeit. Neben einem steigenden Durch-schnittsalter sind Unternehmen und Führungs-kräfte auch mit einer zunehmenden Genera-tionenvielfalt ihrer Belegschaft konfrontiert.Während noch um die Jahrtausendwende eineVielzahl von Unternehmen kaum Mitarbeitendebeschäftigten, die älter als 50 Jahre waren, hatdie Zahl erfahrener Mitarbeitender in den Un-ternehmen in der letzten Dekade stark zuge-nommen. Das führt dazu, dass mehrgeneratio-nale Teams und Abteilungen heute zum Regel-fall in vielen Unternehmen geworden sind. Indiesem Beitrag beschäftigen wir uns mit denLeistungskonsequenzen dieser steigenden Ge-nerationenvielfalt für Unternehmen und stellen,basierend auf empirischer Forschung, Manage-mentstrategien für erfolgreiches Generationen-management vor.

Folgen steigender GenerationenvielfaltIn der Diskussion zu steigender Generationen-vielfalt in Unternehmen herrscht häufig der Te-nor vor, dass Vielfalt an sich etwas Positives fürTeam und Unternehmensleistung ist. In der Tatist es möglich, dass ältere und jüngere Mitar-beitende sich zum Wohle gemeinsamer Zielegegenseitig ergänzen und somit generations-gemischte Teams und Unternehmen bessereLeistungen erbringen, als Teams und Unterneh-men, in denen nur Mitarbeitende einer Gene-ration zusammenarbeiten. Die Ergebnisse em-pirischer Forschung sind leider weniger ermu-tigend. Auf Teamebene kommen Metaanalysen(Zusammenfassung von vielen empirischen Stu-dien) zu dem Ergebnis, dass Generationenvielfalthauptsächlich negativ für die Teamleistungs-fähigkeit ist. Das lässt sich dadurch erklären,dass Alter leicht zur sozialen Kategorisierunggenutzt werden kann und dadurch generatio-nale Subgruppen in Unternehmen entstehen.Mitarbeitende der gleichen Generationen fühlensich nämlich eher zu gleichaltrigen Kollegenhingezogen und pflegen mit ihnen mehr for-male und informale Beziehungen. So wird untergleichaltrigen Kollegen in Projekten eher kom-muniziert, aber z. B. auch gemeinsam Mittaggegessen, als unter Mitarbeitenden unterschied-lichen Alters. Zwischen den dadurch entstehen-den generationalen Subgruppen kann es daherleichter zu wechselseitigen Vorurteilen, Diskri-

Management von Generationenvielfaltin Unternehmen Heike Bruch, Florian Kunze

gative Leistungskonsequenzen steigender Ge-nerationenvielfalt zu verhindern. Unternehmensollten deshalb darauf achten, ihre oberstenFührungskräfte für ihre zentrale Vorbildrolle zusensibilisieren, und ihre Personalmanagement-strategie auf eine Förderung im Umgang mitVielfalt ausrichten.

LiteraturKunze, F., Boehm, S. & Bruch, H. (2011). Age Diversity, Age Dis -

crimination, and Performance Consequences – A Cross Orga -nizational Study. Journal of Organizational Behavior, 32(2),264-290.

Kunze F., Boehm, S. & Bruch, H (2013). Organizational Perfor-mance Consequences of Age Diversity: Inspecting the Role ofdiversity-friendly HR Policies and Top managers’ Negative AgeStereotypes. Journal of Management Studies, 50 (3): 413-442.

Die AutorenProf. Dr. Heike Bruch ist Direktorin am Institutfür Führung und Personalmanagement derUniversität St. Gallen. Sie forscht zu Organi-sationaler Energie, Leadership, Gesundheits-management und Auswirkung des demografi-schen Wandels für [email protected]

Dr. Florian Kunze ist wissenschaftlicher Projekt-leiter und Habilitand am Institut für Führungund Personalmanagement der Universität St.Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte liegenin den Bereichen Diversitätsmanagement und

Unternehmen diskriminieren, kann dies eine ne-gative Vorbildwirkung für die ganze Organisa-tion haben. Einfache Führungskräfte können eszum Beispiel eher als akzeptabel betrachten,dass bestimmte generationale Gruppen (zumeistältere) von Karriere- und Fortbildungsmöglich-keiten ausgeschlossen werden, wenn sie durchdie Kommunikation ihrer Unternehmensleitungwissen, dass dieses Verhalten geduldet oder so-gar gefördert wird. In unserem empirischen Mo-dell führen demnach niedrige Altersvorurteileder Top-Führungskräfte zumindest dazu, dasssich starke Generationenvielfalt nicht negativauf die Unternehmensleistung auswirkt.

Zweitens konnten wir zeigen, dass Unterneh-men, in denen Personalmanagementpraktikenauf eine steigende Vielfalt ausgerichtet sind,ebenfalls in der Lage sind, einen negativen Zu-sammenhang zwischen Generationenvielfaltund Unternehmensleistung aufzuheben. SolchePersonalmanagementmaßnahmen beinhaltenzum Beispiel Workshops und Trainings für un-terschiedliche Mitarbeitergruppen, in denen dieChancen und Risiken von Vielfalt in Unterneh-men, in Hinblick auf Alter, aber auch andereKriterien (z. B. Geschlecht, Nationalität), the-matisiert werden. Wenn die Mitarbeitendendurch solche Maßnahmen für den Umgang mitGenerationenvielfalt sensibilisiert sind, scheintes ebenfalls möglich, Diskriminierung zwischenden unterschiedlichen generationalen Gruppenund damit die Beeinträchtigung der Unterneh-mensleistung zu verhindern.

Fazit Generationenvielfalt aktiv managenDie Ergebnisse der vorliegenden beiden Studienmachen deutlich, dass ein aktives Managementim Umgang mit generationaler Vielfalt in Un-ternehmen dringend geboten ist. Nur wenn dasTop-Management als Vorbild im Umgang mitGenerationenvielfalt auftritt und eindiversitäts freundliches Personal-management eingeführt wird,kann es gelingen, ne-

minierung und Konfliktpotenzialen kommen,die einer produktiven Kooperation der verschie-denen Generationen entgegenstehen.

In einem von der Hans-Böckler-Stiftung geför-derten Forschungsprojekt konnten wir in zweiStudien (Kunze, Boehm & Bruch, 2011, 2013)mit 275 deutschen Unternehmen, in denen wirmehr als 49.000 Mitarbeitende befragt haben,feststellen, dass negative Effekte durch Gene-rationenvielfalt nicht nur in Teams, sondernauch in ganzen Unternehmen zu finden sind.Steigt die Generationenvielfalt an, nimmt nachunseren Ergebnissen auch die Altersdiskrimi-nierung im ganzen Unternehmen zu, was letzt-endlich negativ für die Unternehmensleistungist. Diese Ergebnisse scheinen verlässlich zu sein,da wir sie in zwei unterschiedlichen Unterneh-mensstichproben bestätigen konnten.

Managementstrategien für GenerationenvielfaltSolche negativen Auswirkungen von Generatio -nenvielfalt sind natürlich aus einer Praxisper-spektive problematisch, da viele Unternehmendurch den demografischen Wandel zwangsläu-fig mit einer steigenden Generationenvielfaltkonfrontiert sind. Deshalb haben wir uns imzweiten Schritt unserer empirischen Forschungdamit beschäftigt, welche Rahmenbedingungendabei helfen können, diese negativen Effektevon Generationenvielfalt zu vermindern. Hierscheinen insbesondere zwei Faktoren eine großeRolle zu spielen: die Einstellungen und das Ver-halten der obersten Führungskräfte und Perso-nalmanagementmaßnahmen, die Vielfalt imUnternehmen fördern, wie es auch grafisch inAbb. 1 dargestellt ist.

Erstens scheinen die Einstellungen und das da-raus resultierende Verhalten der obersten Füh-rungskräfte ein entscheidender Faktor dafür zusein, wie sich Generationenvielfalt auf die Leis-tung von Unternehmen auswirkt. Wir konntenfeststellen, dass große Altersvorurteile im Top-Management-Team der Unternehmen dazuführen, dass die Altersdiskriminierung in Un-ternehmen mit hoher generationaler Vielfaltnoch zunimmt. Wenn die obersten Füh-rungskräfte Altersvorurteile habenund durch diese auch bestimmtegenerationale Gruppen im

Heike Bruch, Florian Kunze

Forschungsmodell zum Zusammenhang zwischen Generationen-vielfalt und Unternehmensleistung

+ -

+ -

- Indirekter Zusammenhang

Unternehmens-leistung

Altersdiskriminie-rungsklima

DiversitätsfreundlichesPersonalmanagement

AltersvorurteileTop Management

GenerationaleVielfalt

Management des demografischen Wandels [email protected]

Das ProjektErgebnisse dieses Artikels beruhen zum Teilauf einer Projektförderung der Autoren durchdie Hans-Böckler-Stiftung in dem Projekt„Produktives Management von altersgemisch-ten Teams“ (S-2010-353-3 B).

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8 9præview Nr. 2 | 2013

Mitalternde Arbeit – „Alternsgerechte Berufsverläufe“als Instrument der PersonalentwicklungAlexander Frevel, Heinrich Geißler

Die Daten und Fakten zum demografischen Wandel sind weitgehend bekannt.

Deutlich geringer ausgeprägt ist die Umsetzung alternsgerechter Arbeit. In Un-

ternehmen wird der Prozess des (beruflichen) Lebenslaufes für die Mehrheit der

Erwerbspersonen nicht wirklich geplant, sondern scheint eher eine Abfolge zu-

fälliger Entwicklungsmöglichkeiten zu sein. Die betrieblichen Umsetzungshemm-

nisse sind nachvollziehbar, denn die Erkenntnisse der Arbeitsforschung verweisen

auf die Notwendigkeit, mit zunehmendem Alter die Arbeitsanforderungen stär-

ker zu individualisieren. In mehreren Beratungsprozessen haben die Autoren den

Ansatz „Mitalternde Arbeit“ entwickelt. Das betriebliche Anwendungsbeispiel

beschreibt den Prozess bei der Fa. Böhler Edelstahl (Kapfenberg/Österreich).

Alexander Frevel, Heinrich Geißler

æ Verweil-Arbeitsplatz mit alternsgerechter An-passung der Tätigkeit, bis zum Regelpensions -alter bewältigbar

æ Entlastungs-Arbeitsplatz mit erfahrungsge-leiteten Arbeitsaufgaben und alternsgerechtenArbeitsbedingungen – als Wahlangebot oderfür Personen mit Leistungseinschränkungen

Betrieblicher BeratungsprozessDer erprobte Beratungsprozess ist zeitlich sehrschlank, inhaltlich allerdings sehr komplex, daer auf langjähriger Erfahrung in diversen Bran-chen und einem disziplinär breiten Wissensfun-dus basiert. In einem typischen mittelständi-schen Betrieb oder in einem Pilotbereich sinddrei Beratungstage vor Ort mit zwei Beratungs-personen vorgesehen.

æ Die Berater/-innen erhalten im Vorwege allerelevanten Informationen über den Betrieb/Bereich, also z. B. Tätigkeitsbeschreibungen,Gefährdungsbeurteilungen, Altersstruktur,Schichtsystem, relevante Betriebsvereinba-rungen u. ä.

æ Am ersten Tag findet ein Einstiegs-Workshopmit dem Steuerkreis (Geschäftsführung, Per-sonalleitung, Betriebsrat, Sicherheitsfachkraft,Betriebsärztlicher Dienst und operative Füh-rung) statt.

æ Spätestens dann wird eine ausführliche Be-gehung durchgeführt, um einen sinnlichenEindruck von der Arbeit zu erhalten.

æ Ab Nachmittag und am zweiten Tag findenleitfadengestützte Experten-Gespräche mitsechs operativen Führungskräften und zehnMitarbeitern verschiedener Altersgruppenstatt.

æ Alle Ergebnisse werden „über Nacht“ aufbe-reitet.

æ Am dritten Tag wird ein Workshop mit deninterviewten Beschäftigten durchgeführt:Haben wir alles richtig verstanden? Gibt esHinweise auf Änderungen, Erweiterungen,Konkretisierungen?

æ Aufbereitung der Ergebnisse und nachmittagsPräsentation im Steuerkreis; Diskussion vonVeränderungsmaßnahmen.

Haltung der BeratendenDie Prozessberatung mit dialogischen Ansätzengeht nicht vom eigenen Wissen der Beratenden

aus, das Dritten vermittelt werden soll, sondernerkundet das Verstehen der Beschäftigten, denndie Beschäftigten sind die wichtigsten Expertenim Betrieb – für sich selbst und für ihre Arbeit.Insofern gilt es, sie aktiv in den Planungs- undGestaltungsprozess einzubinden. Im Beratungs-prozess arbeiten wir mit den (Fach-)Arbeiternund operativen Führungskräften und setzendialogische Methoden ein. Für die Durchführungder Gespräche ist die Neugier auf das (verbor-gene) Alltägliche eine Voraussetzung, um einenfreien Blick auf die individuelle Wirklichkeit derKonstruktion der Arbeit erlangen zu können.

Instrument zur langfristigen Personal-entwicklungsplanungMit den Analyseergebnissen lässt sich eine Be-rufsverlaufs-Strategie entwickeln. Diese mündetin einer Laufbahn-Matrix als ein quantitativesund qualitatives Personalbedarfs-Planungs -instrument, welches die Simulation und Umset -zung alternsgerechter Berufsverläufe ermöglicht.

Die Matrix zeigtæ alle Arbeitsplatzbeschreibungen,æ welche Arbeitsplätze dem Nacht-/Schwer-

arbeitsgesetz unterliegen,æ die erforderlichen Qualifikationen und An-

forderungen je Arbeitsplatz,æ die Dauer der Qualifizierung je Tätigkeit in

Wochen,æ die Bewertung aller Arbeitsplätze nach Ein-

stiegs-, Umstiegs-/Aufstiegs-, Verweil-,Entlastungs-/Ausstiegsarbeitsplatz,

æ die Mitarbeiter nach Altersgruppen,æ an welchen Arbeitsplätzen welche Mitar-

beiter im Einsatz bzw. einsatzbereit sind,æ wer aktuell an welchen Tätigkeiten im An-

lernprozess ist,æ wer welche Tätigkeiten ausgeübt hat, zzt.

aber inaktiv ist bzw. wem Tätigkeitspraxisfehlt,

æ welche Mitarbeiter welche alterskritischenTätigkeiten nicht mehr ausüben dürfen,

æ individuelle Möglichkeiten, um Qualifika-tionen zu erwerben und an andere Arbeits-plätze zu wechseln.

Bei Böhler Edelstahl ist die Matrix ein instal-liertes Werkzeug der Personalabteilung für dieindividuelle und kollektive Bedarfs- und Ent-

Arbeit muss zum Menschen passenAusgangspunkt ist, das Arbeitsleben nicht alsKonstante zu betrachten, sondern das Konzeptder Arbeitsfähigkeit anzuwenden. Arbeitsfähig-keit (Work Ability) wird definiert als das Poten-zial eines Menschen, eine gegebene Aufgabe zueinem gegebenen Zeitpunkt zu bewältigen. Da-bei stehen die individuellen Voraussetzungenin Wechselwirkung mit den Arbeitsanforderun-gen. Die Arbeitsbewältigungsfähigkeit als ver-änderliche und gestaltbare Größe zu verstehenheißt zu akzeptieren, dass sich alle Größen ver-ändern können:æ die persönlichen Kapazitäten (körperlich,

geistig, psychisch und sozial) z. B. in Formder Zunahme beruflicher Routine oder inBezug auf die Verringerung körperlicher Leis-tungsfähigkeit,

æ die individuellen Bedürfnisse z. B. bei famili -ä ren Erziehungs- oder Pflegeaufgaben,

æ die Arbeitsanforderungen z. B. beim Einsatzneuer Techniken, bei der Entwicklung neuerProdukte/Dienstleistungen oder bei Modifi-kationen der Ablauforganisation.

Das Konzept stellt den Wandel der individuellenKapazitäten im Lebensverlauf und die Veränder -barkeit der Arbeitsanforderungen in den Mittel -punkt. Aufgabe von Betrieben und Beschäftigtenist es, die relevanten Einflussgrößen (Gesund-heit, Kompetenz, Werte/Einstellungen und Ar-beitsbedingungen) zu beachten und sie im Be-darfsfall anzupassen, damit die Gesundheit er-halten bleibt und die Produktivität gesichert ist.

Zu lösen ist die Aufgabe, die wachsende Unter-schiedlichkeit persönlicher Kapazitäten im Le-

Laufbahn-Matrix

bensverlauf zu beachten. Das funktioniert u. E.nur durch eine Arbeitsgestaltung, die sich anden Möglichkeiten der Personen orientiert und– bei einem notwendigen Grad an Standardi-sierung – eine größere Individualität zulässt.Arbeitsorganisatorisch bedeutet das, dass denBeschäftigten zunehmend mehr Wahlmöglich-keiten offeriert werden müss(t)en.

Mitalternde ArbeitZur Identifikation der Gestaltungsmöglichkeitenin der Organisations- und Personalentwicklungist deshalb zu prüfen, welche Tätigkeiten fürden Einstieg in den Beruf/Betrieb am bestengeeignet sind, um Erfahrung und Routine auf-zubauen und um fachliche und organisatorischeKompetenzen zu stärken. Es gilt sodann, denweiteren Berufsverlauf mit horizontalen, dia-gonalen und vertikalen Entwicklungsmöglich-keiten zu analysieren. Drittens ist herauszufin-den, welche Tätigkeiten bzw. Tätigkeitselementeresp. Rahmenbedingungen alterskritisch sind.Und es ist viertens zu beschreiben, welche Tä-tigkeiten die Menschen bis zum normalen Ren-teneintritt (gut, gerne, gesund und produktiv)ausführen können bzw. ob es spezifische Aus-stiegsmöglichkeiten (möglichst ohne Status-und Einkommensverlust) gibt.

Das Basis-Modell von Berufsverläufen unter-scheidet vier Tätigkeits-Typen im Berufsverlauf:æ Einstiegs-Arbeitsplatz nach Ausbildungæ Umstiegs- oder Aufstiegs-Arbeitsplatz mit

systematischem Training und gezielter Un-terstützung zum Belastungswechsel und/oderzur beruflichen Weiterentwicklung

wicklungsplanung. Sie dient zugleich den ope-rativen Vorgesetzten als Frühhinweissystem imstrukturierten Mitarbeitergespräch wie auch alsorientierende Landkarte in Fällen erforderlicherTätigkeitswechsel aus gesundheitlichen Grün-den. In den nächsten Schritten wird sie auf alleBereiche/Tätigkeiten des gesamten Betriebesausgeweitet.

Durch den Einsatz der Matrix entsteht so nachund nach eine vollständige Transparenz überdie Arbeitssysteme wie auch die Laufbahnmög-lichkeiten in einem Unternehmen. Die Nutzungdes Systemwissens der Mitarbeiter wird im par-tizipativen Prozess zugänglich und sorgt so mitfür den langfristigen Erhalt der Arbeitsfähigkeit– eine typische Win-Win-Situation für Unter-nehmen und Beschäftigte.

Die AutorenDipl. Sozialökonom Alexander Frevel ist selbst-ständig unter der Firmierung „Beratung zurArbeitsfähigkeit im demografischen Wandel“sowie Vorsitzender des virtuellen Forschungs-instituts Arbeit und Zukunft [email protected]

Prof. Dr. Heinrich Geißler berät Unternehmenund Organisationen, forscht und lehrt zu Themen wie gesundheitsförderlicher Führung,Betriebliches Gesundheitsmanagement undFörderung der Arbeitsbewä[email protected]

Alle Tätigkeiten– Arbeitsplatzbeschreibung, Gefährdungsbeurteilung, Nacht-/Schwerarbeit– Typologie der Tätigkeit (erforderliche Qualifikation;

Einstieg/Entwicklung/Umstieg …)– Alterskritische Elemente, Entlastungsmöglichkeiten, Qualifizierungsintensität

Alle Beschäftigte

– Alter/Altersgruppe

– Geschlecht

– Qualifikation

– Bisherige Tätigkeiten

– Aktuelle Tätigkeit

– Zeitpunkt geplanter Ausstieg (Rente/Pension)

– Nacht-/Schwerarbeit (in Monaten)

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11præview Nr. 2 | 201310

Die IT-Branche ist zwar nach wie vor eine jungeBranche. Dennoch macht der demografischeWandel auch vor ihr nicht halt. So stieg derAnteil der über 50-Jährigen in der Zeit von 1999bis 2009 um 6 % auf 18,5 %, während der AnteilJüngerer im gleichen Zeitraum von 55,9 % auf41,8 % sank (Kleefeld, 2011). Auch bei adesso,einem der führenden IT-Dienstleister inDeutschland mit über 1.100 Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern, macht sich – wenn auchschleichend – das Älterwerden bemerkbar. Sostieg hier das Durchschnittsalter der Beschäf-tigten von 2006 bis 2013 um 4,5 Jahre auf 39,6Jahre. Dieser Anstieg des Durchschnittsalters istzum einen auf die Alterung der Belegschaft,andererseits aber auch auf die vermehrte Ein-stellung von älteren IT-Experten zurückzuführen.

Vor allem aber der mit dem demografischenWandel einhergehende Fachkräftemangel undder „Kampf um die Talente“ stellt IT-Unterneh-men vor neue Herausforderungen. So kommennach Angaben des VDI bereits heute auf jedenarbeitslosen Informatiker ca. 3,7 offene Stellen(Handelsblatt, April 2013), Tendenz steigend. IT-Unternehmen, die vor allem Standardsoftwareherstellen, verlagern deshalb zunehmend dieSoftwareentwicklung in Billiglohnländer. DieseStrategie ist für die adesso AG, die vorwiegendindividuell auf ihre Kunden zugeschnitteneSoftware entwickelt, keine adäquate Lösung.Denn: Für die erfolgreiche Entwicklung von In-dividualsoftware sind dezidierte Branchen-kenntnisse, tieferes fachliches Verständnis derkundenseitigen Geschäftsprozesse und deshalbauch eine sehr enge Zusammenarbeit mit demKunden erforderlich.

Paradigmenwechsel in der Software -entwicklungDie Softwareentwicklung hat sich in den ver-gangenen Jahren deutlich verändert: Die meis-ten technischen Herausforderungen sind gelöst.Die breite Verfügbarkeit von Standards undHilfsmitteln wie Frameworks hat die eigentlicheProgrammierung immer effizienter gemacht.Auch im Prozess der Softwareentwicklung hatsich in den letzten Jahren ein Paradigmenwech-sel vollzogen: Softwareentwicklung lief früherin klar definierten Phasen ab. In diesem sehrplangetriebenen Prozess stand die Erfassungder Kundenanforderungen an die zu erstellende

IT-Lösung am Anfang des Prozesses. Die Anfor-derungen wurden dann in umfangreichen Spe-zifikationsdokumenten niedergelegt. Die Spe-zifikation wiederum stellt die Grundlage desVertrages zwischen Kunde und IT-Dienstleisterdar und beschrieb, was die zu erstellende Soft-ware zu leisten hat. Und hier begann das Problembereits: Die Spezifikationsdokumente waren inder Regel von und für IT-Experten geschrieben,so dass Kunden Aussage und Implikationen derSpezifikationen kaum beurteilen konnten. Hinzukamen immer schneller werdende Verände-rungsprozesse sowohl auf Unternehmens- alsauch auf IT-Ebene, die auch die Anforderungenan die Software noch im Entstehungsprozessveränderten. Veränderte Anforderungen ließensich in einem solchen plangetriebenen Prozessaber kaum mehr umsetzen.

Aus dieser Problemlage heraus entstand dasPrinzip der agilen Software-Entwicklung, dasanstelle umfassender Spezifikationen auf häu-fige Feedback-Zyklen setzt und die Softwarekleinschrittig und in abgegrenzten Prototypenentwickelt. Damit das gelingt, ist eine kon -tinuierliche Kommunikation zwischen allen Pro-jekt-Stakeholdern – d. h. sowohl innerhalb desSoftwareentwicklungsteams, als auch zwischenAuftraggeber und Dienstleister – erforderlich(Obendorf & Finck, 2007).

Zukünftig brauchen wir in der IT-Branche alsoweniger Technologie-Experten, vielmehr kommtes vermehrt auf Fähigkeiten wie Empathie sowiekommunikative und soziale Kompetenz an –und auf Erfahrung. Entsprechend müssen dieKompetenzen von Softwareentwicklern heutewesentlich darauf aufgerichtet sein, komplexeund oft auch widersprüchliche bzw. konflikt-reiche Kommunikations- und Gruppenprozesseaktiv zu gestalten.

Lebenslauforientiertes Biografie-Manage ment: Ein Mittel der Kompetenz -entwicklungIn der IT haben wir es also mit zwei zentralenEntwicklungstrends zu tun: Auf der einen Seitehaben wir die Verknappung von (vor allem) jün-geren Fachkräften und eine Zunahme an älterenBeschäftigten zu verzeichnen. Auf der anderenSeite steigen die Anforderungen an die kom-munikativen und sozialen Kompetenzen der Be-

Erwerbsbiografien in der Software-Entwicklung:Vom Ingenieur zum KommunikationsexpertenRüdiger Striemer, Angela Carell

Gelingt es uns gleichermaßen, Softwareent-wickler zu Kommunikationsexperten auszubil-den, die Kompetenzen älterer IT-Experten ge-zielter für diesen Bereich aufzuschließen undältere Experten anderer Branchen für eine„Zweite Karriere“ im Bereich der IT zu begeistern,haben wir zugleich die Antwort gefunden aufdie neuen Herausforderungen in der Software-Branche. Und nebenbei haben wir uns einenechten Vorteil gegenüber der Bedrohung durchOffshore-Dienstleister erarbeitet. Es lohnt sichalso, Geld und Mühe in älter werdende Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter zu investieren.

schäftigten. Die Herausforderung der nächstenJahre lässt sich also wie folgt formulieren: Wirdes uns gelingen, das Berufsprofil des Software-Entwicklers in der zweiten Hälfte seiner Er-werbsbiografie mit Stärken wie Kommunikati-onskompetenz, Erfahrung und Empathie auf-zuwerten und sinnvoll in den sich veränderndenSoftwareentwicklungsprozess zu integrieren? adesso hat bereits entscheidende Schritte zurRealisierung dieser Herausforderung eingeleitet:Zum einen wurde das bereits umfangreicheinter ne Trainingsprogramm in den Bereichen„überfachliche Kompetenzen“ (Soft Skills) und„Anforderungsmanagement“ (Requirements En-gineering) nochmals deutlich verstärkt. Zudemwurden zwei neue Kompetenzzentren einge-richtet, die dafür verantwortlich sind, das Know-how auf diesem Gebiet systematisch voranzu-treiben und in die Breite zu bringen.

Diese Aktivitäten werden aber angesichts desdemografischen Wandels langfristig nicht aus-reichen. Trainingsmaßnahmen müssen um einaktives und lebensphasenorientiertes Biogra-fiemanagement ergänzt werden, so dass sichjüngere Beschäftigte gemäß ihrer überfachli-chen Stärken frühzeitig und systematisch wei-terentwickeln können. Ältere Beschäftigte wie-derum können ihr Erfahrungswissen und ihreKompetenzen gezielt in Bereiche einbringen, indenen sie vorher nicht gearbeitet haben.

Zur Unterstützung dieses lebensphasenorien-tierten Biografiemanagements erweitert adessoim Rahmen des Projektes DEBBI „Diskontinu-ierliche Erwerbsbiografien als betriebliche In-novationschance“ sein Profiling-Instrument so,dass Beschäftigte neben ihren IT-orientiertenKompetenzen wie z. B. Programmiersprachenund Projekterfahrungen auch Kompetenzen,Erfah rungen und Interessen aus anderen, eherIT-fernen Bereichen darstellen können. Mit die-sen Kenntnissen lassen sich die Entwicklungs-potenziale der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterganzheitlicher einschätzen und gezielt in Rich-tung der eher „weichen“ IT-Themen entwickeln.Weitere Überlegungen gehen in die Richtung,ältere fachfremde Experten aus anderen Bran-chen für das Gebiet der Anforderungsanalysezu gewinnen.

Die AutorenDr. Rüdiger Striemer promovierte 1998 amFachbereich Informatik der Technischen Uni-versität Berlin und begann 1999 als BusinessDevelopment Manager bei der adesso AG. Mitseinem Wechsel in den Vorstand im Jahr 2001übernahm er die Verantwortung für Unter-nehmenskommunikation und Softwareent-wicklung. Seit 2011 ist er Co-Vorstandsvorsit-zender der adesso AG.

Dr. Angela Carell ist bei der adesso AGfür den Bereich „Forschung und For-schungsförderung“ verantwortlich. Siebeschäftigt sich seit Jahren mit denThemen Kreativitäts- und Innovati-onsförderung in Gruppen und Or-ganisationen sowie mit Führungvon Teams.

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Altersstruktur bei der adesso AG

Die Spezifikationsdokumente waren in der Regel

von und für IT-Experten geschrieben, so dass

Kunden Aussage und Implikationen der Spezifi-

kationen kaum beurteilen konnten.

LiteraturHandelsblatt (2013). Warnung vor Fachkräftemangel. Ausgabe

04.03.2013. http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/it-branche-ist-job-motor-warnung-vor-fachkraefteman-gel/7874984.html [letzter Zugriff: 27.05.20213]

Kleefeld, H. (2011). Demografischer Wandel und Innovationsfä-higkeit in der IT-Branche. Lohmar: Josef Eul Verlag.

Obendorf, H., & Finck, M. (2007). Szenariotechniken & Agile Soft-wareentwicklung. In T. Gross (Hrsg.), Mensch & Computer 2007.Konferenz für interaktive und kooperative Medien, S. 19-28.München: Oldenbourg Verlag.

Rüdiger Striemer, Angela Carell

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13præview Nr. 2 | 201312

Dabei besitzen die Beschäftigten Kompetenzen,die sie jederzeit in die Lage versetzen, auch an-dere Tätigkeiten abseits der Grund- und Be-handlungspflege auszuüben, z. B. psychosozialeBetreuung, Edukation, Krisenberatung, Alltags-hilfen, Seniorenunterhaltung, Bau- und Immo-bilienberatung, Mobilitäts- und Versorgungs-hilfen, Beratungen bei der Gestaltung des häus-lichen Umfeldes und so weiter.

Der Wechsel zwischen solch verschiedenen Tä-tigkeiten mit unterschiedlichen Anforderungenermöglicht neue organisatorische Modelle, diedie Beschäftigten entlasten und ihnen langfris-tige Entwicklungsmöglichkeiten und finanziellattraktive Perspektiven eröffnen – und dies na-türlich möglichst in neuen Geschäftsfeldern,die neue Dienstleistungen zum Wohle unsererKunden und neue Erlösquellen für unsere Ein-richtungen bedeuten und uns freier machenvon den kassenfinanzierten Systemen.

Derartige Entwicklungen sind für uns kein ab s -traktes Denkmodell, sondern tägliche Realitätder Personalpolitik unserer Einrichtungen. Dreireale und aktuelle Beispiele für solche kompe-tenzbasierten Dienstleistungsentwicklungenund innovative Karrieremodelle in der Pflegemögen dies veranschaulichen.

Frau C., Jg. 1947Frau C. wurde 1989 mit dem Aufbau eines am-bulanten hauswirtschaftlichen Dienstes beauf-tragt, den sie bis 2003 auf einem starkenWachstumskurs hielt. Aufgrund der Notwen-digkeit zur Integration des Dienstes in die am-bulanten Pflegedienste übernahm die Pflege-dienstleitung die Verantwortung. Die Stelle vonFrau C. wurde obsolet. Ein Kompetenzprofilingvon Frau C, das gemeinsam mit ihr durchgeführtwurde, um neue Betätigungsfelder zu identifi-zieren, ergab folgendes Profil: Hohe Kompetenzin Kundenkontakt und -akquise, große Erfah-rung in Fragen der Sozialversicherungen undRefinanzierung, sehr gute Kenntnisse der An-gebotsstruktur und des lokalen Marktes.

Die nachfolgenden Personalgespräche führtenzu der Entwicklung folgenden Geschäftsmo-dells: Frau C. wurde der seit 1999 stagnierendeBereich des Personenrufdienstes mit 270 Kun-den übergeben. Ziel war es, diesen singulären

Dienst stärker in das Portfolio des Caritas Pfle-gedienstes einzubinden und zu erweitern. Auf-grund der Erfahrungen und Kenntnisse der lo-kalen Märkte gelang es Frau C., den Dienst aufderzeit 850 Kunden auszubauen und um Se-niorentechnik und Wohnberatung zu erweitern.Die Wohnberatung ergab sich durch ihre Er-fahrungen, die sie in den bisherigen Kunden-kontakten entwickelt hatte und die den Kundenimmer ganzheitlich betrachteten. Dementspre-chend fielen ihr bei den Besuchen zur Aufschal-tung von neuen Geräten immer wieder aucherweiterte Bedarfe auf, die zur Empfehlung wei-terer Leistungen führten. Die Vermittlungsquotein weitere Angebote der Caritas Pflege & Gesund -heit liegt bei mehr als 25 % bei Neukunden.

Es ist Frau C. also auf Basis ihrer bestehendenKompetenzen gelungen, einen Dienstleistungs-bereich nicht nur zu übernehmen, sondern mitneuen Angeboten zu erweitern und durch diebessere Integration in das Leistungsportfolioauch Wachstumsimpulse bei anderen Caritas-diensten auszulösen.

Herr S., Jg. 1955Herr S. war schon 1980 mit dem Aufbau derersten Caritas Sozialstation beauftragt. Auf-grund einer nicht ausreichenden Leitungsqua-lifikation (nach einer neuen Regelung der Kos-tenträger) gab es für ihn nur die Möglichkeiteiner Nachschulung, Versetzung oder gar Kün-digung. In Personalentwicklungsgesprächen, indenen seine besonderen Kompetenzen in denBereichen im Kundengeschäft sowie die Netz-werkkenntnisse im Bereich des lokalen Sozial-und Gesundheitsmarktes spezifiziert wurden,wurde die Idee des Aufbaus einer Überleitungs-stelle (vom Krankenhaus in die Pflege) in einemkooperierenden Krankenhaus entwickelt.

Im Rahmen dieser Stelle konnte er seine Kon-takte im lokalen Markt umsetzen und seine ope-rativen Erfahrungen in der ambulanten Pflegenutzen. Er führte dort neue Dienstleistungenim Bereich der Patienten-Edukation ein und op-timierte die Zusammenarbeit zwischen demKrankenhaus und den Pflegediensten. So wer-den jährlich nahezu 800 Menschen mit Beglei-tung wieder in die häusliche Umgebung ent-lassen oder in eine Kurzzeit- oder Lang zeitpflegevermittelt. Häufig gehen die Entlassungen in

Der Pflegebereich ist in zweierlei

Hinsicht vom demografischen

Wandel betroffen: Einerseits gibt es

einen erheblichen Anstieg der Pfle-

gebedürftigen bis 2030 von bun-

desweit 47 % (von 2,3 Mio. in 2009

auf 3,4 Mio. in 2030 und 4,5 Mio.

in 2050). Rechnerisch resultiert

daraus eine Arbeitskräftelücke von

bundesweit 500.000 Mitarbeiter/

-innen im Pflegebereich; allein in

NRW sind es 100.000. Diese Lücke

zu füllen wird andererseits durch

den Rückgang des Arbeitskräfte-

angebots erschwert.

die häusliche Umgebung einher mit Beratungenzur Finanzierung, Hilfsmittelversorgung, Ver-mittlung eines Pflege- oder Betreuungsdienstesoder einer Wohnberatung, um ein möglichstlanges Verbleiben in den eigenen vier Wändenzu ermöglichen.

Frau E., Jg. 1955Frau E. wurde1987 zum Aufbau einer Pflege-station bei der Caritas eingestellt. Bis 2001 ver-zeichnete der Dienst eine gute Entwicklung.Mehrere schwerwiegende Erkrankungen führtenjedoch dazu, dass Frau E. die Leitung des Diens-tes abgeben musste. Ihre in dieser Tätigkeit er-worbenen hohen Beratungskompetenzen undErfahrungen im Kundengeschäft wurden be-gleitet durch großes Wissen über die adminis-trativen und gesetzgeberischen Grundlagen des„Pflegegeschäftes“, z. B. Finanzierung und So-zialrecht.

Nach der Rückkehr aus der Krankheitsphasewurde Frau E. beauftragt, eine eigenständigePflegeberatungsstelle zur Entlastung der örtli-chen Leitungen aufzubauen. Schwerpunkte da-bei waren Leistungsberatung, Patienten-Edu-kation, Finanzierungs- und Hilfsmittelberatungsowie die Vermittlung von Angeboten in derPflege und Betreuung. Die Arbeit von Frau E.führte einerseits zu einer deutlichen Entlastungder Pflegedienstleitungen, die die Beratungsge -spräche Frau E. übergeben und sich somit an-deren administrativen Aufgaben in der Stationwidmen konnten. Allein im Rahmen der regel-mäßigen Pflegebesuche betreut Frau E. ca. 200Kunden für den örtlichen Pflegedienst.

Die Beispiele zeigen, wie ich meine eindrücklich,dass neue, kompetenzbasierte Dienstleistungenmöglich sind, die den Beschäftigten neue Per-spektiven und Entwicklungsmöglichkeiten er-öffnen und zugleich die Wirtschaftlichkeit undZukunftsfähigkeit unserer Unternehmen si-chern. Eine klassische Win-Win-Situation.

Der AutorMatthias Wittland ist ausgebildeter Alten pflegerund nach Tätigkeiten als Pflegedienst- und Heim-leitung im stationären Altenhilfe bereich seit 1999als Geschäftsbereichsleiter beim Caritasverbandfür die Dekanate Ahaus-Vreden tätig.

Kompetenzbasierte Dienstleistungs-entwicklung als Strategie für innovatives Karrieremanagement in PflegeeinrichtungenMatthias Wittland

So erfreulich die aktuelle Arbeitslosenquote von2,9 % in unserer Region ist, so deutlich machtsie auch, unter welchem personalpolitischenDruck die Pflegebranche dort steht. Eine Regu-lierung von Angebot und Nachfrage über denexternen Arbeitsmarkt ist angesichts dieser Zah-len ausgeschlossen. Die Pflegebranche muss da-her unbedingt Arbeitsbedingungen schaffen,die es den Beschäftigten ermöglichen, bis insRentenalter gesund zu arbeiten, und Karriere-bedingungen bieten, die einen Verbleib in derPflegebranche attraktiv machen.

Die Kernbereiche der stationären und ambu-lanten Pflege sind aber Tätigkeitsfelder, die we-nig geeignet sind, Perspektiven für ein ausge-fülltes Berufsleben zu bieten, und gleichzeitigso hoch belastend, dass ein lebenslanges Ver-bleiben in diesem Berufsfeld für die meistenBeschäftigten nicht möglich ist. Die Folge sindin vielen Einrichtungen der Pflege ein vorzeiti-ges Aussteigen, Frühberentungen und damiteine weitere Verschärfung des Fachkräfteman-gels in diesem arbeitsmarktpolitisch ohnehingeschwächten Bereich.

Eine Mitarbeiterbefragung bei unseren Beschäf-tigten im Jahr 2012 ergab, dass die Zufrieden-heit (noch) sehr hoch ist: Mit den Arbeitsinhal-ten sind 77,3 % sehr zufrieden, 89,7 % sind stolzauf ihre Leistung und 90,3 % haben Spaß anihrer Arbeit. Aber bereits 43 % berichten überhohe physische, 35,7 % hohe psychische Belas-tung. Über ein Drittel leidet unter Rückenbe-schwerden und fast ein Viertel fühlt sich häufigerschöpft. Und unsere Belegschaft wird jedesJahr älter, weshalb wir uns auf eine weitere Ver-schlechterung des Gesundheitszustandes ein-richten müssen.

Wenn wir die Mitarbeiter/-innen arbeitsfähighalten und verhindern wollen, dass sie in andere,vermeintlich attraktivere Arbeitsfelder (oder garin das Privatleben oder den Vorruhestand) ab-wandern, müssen wir uns um neue Karrieremus -ter kümmern. Eine lebenslange Beschäf tigungim Kernbereich der Grund- und Behandlungs-pflege ist zwar immer noch die Standardper-spektive für Leitungen und Beschäftigte – dieseSichtweise muss aber dringend erweitert werdenum „buntere“ erwerbsbiografische Muster.

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præview: Fangen wir heute mal mit der Ab-schlussfrage an: Was hat der Arbeitsschutznoch nicht geschafft?

Kuhn: Ich habe in meiner Arbeit viele Paradig-menwechsel miterlebt, von der Unfallverhütungüber die Abwehr von Berufskrankheiten und ar-beitsbedingten Erkrankungen bis zum ThemaPrävention, das uns seit den frühen 90er Jahrenbeschäftigt. Der Arbeitsschutz hat sich immermodernisiert und mit den industriellen undwirtschaftlichen Veränderungen mitentwickelt.Es ist uns aber nie gelungen, in den kleinen undmittleren Betrieben präsent zu werden. Wir dis-kutieren über die Frage, wie wir diese Betriebeansprechen, seit ich im Arbeitsschutz tätig bin.Wir haben sensibilisiert, Veranstaltungen ge-macht, Flyer, Broschüren und Websites erstellt,vor Ort beraten, mit Kammern und Verbändenund Gewerkschaften zusammengearbeitet. DieMasse der KMU erreicht haben wir jedoch nicht.

Seiler: Es gingen viele Impulse von dieser Äraaus, die bis heute nachwirken. Es hat sich z. B.eine sehr stabile arbeitswissenschaftliche Ge-meinschaft gebildet, aber leider sind wir alsCommunity zu sehr unter uns geblieben. Dashat dazu geführt, dass wir uns fast nur mit un-seren eigenen Methoden beschäftigt haben undzu wenig mit den Denkmodellen der übrigenWirtschaftsprozesse.

Kuhn: Absolut richtig. Im HdA-Programm sindviele wichtige Instrumente entwickelt worden,aber alles nur Bewertungsverfahren für den ein-zelnen Arbeitsplatz. Für Betriebe brauchen wirVerfahren, die Prozesse analysieren. Die Fokus-sierung auf den Arbeitsplatz greift angesichtsder Mobilität und Flexibilität der Arbeitsweltheute zu kurz, löst deshalb nicht die Problemeder Unternehmen und findet da-her auch keine Akzeptanz.

Seiler: Das ist auch einer der Gründe, warumwir so schwer an kleine und mittlere Unterneh-men herankommen, denn dort gibt es andereProzessmuster als bei Großunternehmen. Wennwir nun die Instrumente, die für und mit Groß-unternehmen entwickelt wurden, in den klei-neren Betrieben anwenden wollen, kommen im-mer Defizite heraus, nicht weil die Betriebe perse schlechtere Arbeitsbedingungen haben, son-dern weil deren Arbeitsschutzmuster durch denRost der Vorschriften fallen.

præview: Arbeitsschutz und Gesundheitsma-nagement stoßen in kleineren Unternehmen jaauch schnell an die Machbarkeitsgrenzen.

Kuhn: Gerade in KMU fehlen oft das Verständ-nis und die nötigen Ressourcen für ein elabo-riertes Gesundheitsmanagement. Aber die Er-fahrung zeigt, dass das nicht immer ein Nachteilsein muss. Ich habe mal einen kleineren Betriebhier im Sauerland kennengelernt, da ging derChef regelmäßig durch den Betrieb und küm-merte sich um die Menschen, kannte seine Be-schäftigten und ihre Probleme. Das war der Be-trieb mit den geringsten Krankenständen, denich je gesehen habe. Die persönliche Anerken-nung durch den Vorgesetzten, wenn sie dennauthentisch ist, fördert die Gesundheit, mehrbraucht es manchmal nicht. Auch gruppendy-namische Prozesse haben einen großen Anteilan der Gesundheit. Das kriegt man aber schwer

instrumentalisiert.

Seiler: Bei diesem Bei-spiel hat der Kleinbe-trieb sogar einen Vorteilgegenüber den Großen,

denn der Chef im Sau-erland wird mit seinem

Handeln von je-

dem Einzelnen wahrgenommen. In Großbetrie-ben ist der „Eigentümer“ meist nicht persönlichsichtbar und Unternehmensleitlinien helfen dawenig. In den Kleinunternehmen wird aber auchganz deutlich: Egal, was man im Unternehmenverbessern will, die wertethische Haltung desUnternehmers ist ausschlaggebend. Das ist ausmeiner Sicht der Ansatzpunkt für erfolgreichesGesundheitsmanagement in KMU. Vielleicht istein neuer Weg nicht nur die Typisierung derUnternehmensprobleme, sondern auch der Un-ternehmensführung bzw. der Unternehmerper-sönlichkeit. Aus der Persönlichkeit des Unter-nehmers leiten sich dann instrumentelle Vor-gehensweisen ab.

Kuhn: Je nachdem, wer an der Spitze des Un-ternehmens steht, erreichst du viel oder wenig.Man muss als Berater mit einem Bündel vonInstrumenten an die Betriebe herangehen, da-mit für jeden etwas dabei ist. Den einen Unter-nehmer kriegst du so, den anderen so.

præview: Vielfältige und nützliche Informationsollte in Zeiten des Internets ja nicht mehr dasProblem sein.

Seiler: Heute ist die Informationsbeschaffungnicht mehr das Problem, sondern die Wissens-prüfung und -selektion. Ich brauche heute „Re-duktionsmanager“. Von staatlicher Seite sollteInformation nicht einfach gesammelt und be-reitgestellt, sondern kontextspezifisches Wissenaufgebaut werden. Der Beratungsservice Kom-Net in NRW z. B. sammelt und bearbeitet echtebetriebliche Probleme und stellt die Lösungendafür bereit – also keine Musterlösungen fürkonstruierte Probleme. Das läuft seit Jahrensehr gut, allerdings nutzen diesen Experten -service vor allem Beratungsdienste und die Ar-beitswissenschaftler selber, allenfalls noch die

Entwicklung und Ge-sundheit – aber wennsie fehlt, ein Belas-tungsfaktor. Daher istQualifikation eine ar-beitspolitische undgesundheits politischeFrage. Die Rolle derQualifikation bei derGesundheit in diesemKontext ist bisher

noch vernachlässigt. Wir müssen auch unseretraditionellen Karrierewege überdenken. Hori-zontale Karrieren zum Belastungswechsel sindbestimmt in vielen Fälle n eine Lösung, aber sowird Karriere in Deutschland noch nicht ver-standen. Auch hier können wir von anderenLändern lernen, die weniger hierarchisch denkenals wir.

Seiler: Ein Aspekt, der im Zuge der demografi-schen Diskussion wiederentdeckt wurde, ist diebiografische Betrachtung des Arbeitslebens. DieBelastung wird heute noch viel zu punktuellanalysiert, sie besteht aber über das ganze Ar-beits- und auch Privatleben. Das ist gerade be-sonders wichtig mit Blick auf die teils dramati-schen Folgen psychischer Beanspruchung. DieBedeutung so verstandener kumulativer Belas-tung für die Gesundheit ist noch unklar, insbe-sondere bei Diskontinuitäten und bei atypischenArbeitsverhältnissen. Und in die Zeit der größten beruflichen Belas-tungen fallen auch private Anforderungen, dieim Übrigen auch immer weiter ansteigen. DieWork-Life-Balance-Problematik ist längst nichtgelöst, denn hochflexibilisierte Arbeitspolitikund starre Unterstützungsstrukturen der Be-treuungs- und Pflegepolitik passen nicht zu-sammen. Hier brauchen wir neue staatliche An-sätze, denn über Arbeitsschutz und Gesund-heitsmanagement im Betrieb lösen wir dieseVersorgungsprobleme nicht.Durch die Arbeitsverdichtung, denken Sie nuran die permanente simultane Bearbeitung meh-rerer Vorgänge und die immer kürzeren Reak -tionszyklen, verschleißen gerade die Hochqua-lifizierten heute sehr früh. Allerdings ist dieHöchstrisikogruppe unserer Arbeitsgesellschaftgekennzeichnet durch hohes körperliches und

psychisches Belastungsaufkommen plus schlech -te Arbeitsbedingungen plus kritisch geringesEinkommen plus soziale und ökonomische Un-sicherheit. Wenn dann noch die Ressourcenseitewegbricht, wie z. B. das Sozialsystem aus Ver-trauensbeziehungen und Familie, dann wird eswirklich kritisch.

Kuhn: Wir entdecken erst in letzter Zeit diesesoziale Dimension: Zwei Millionen arbeiten inDeutschland an der Grenze des Existenzmini-mums, das ist ein wesentlicher Belastungsfaktorund muss auch ein Kriterium menschenwürdi-ger Arbeit sein. Diese Belastung durch ökono-mische Unsicherheit zu quantifizieren und zubenchmarken, ist eine zentrale Herausforderungfür die Zukunft. Prekäre Beschäftigung ist zwarein unbequemes, aber ein umso wichtigeresHandlungsfeld für den modernen Arbeitsschutz.

Prof. Dr. Karl Kuhn (68) war langjährigerwissen schaftlicher Leiter und Senior PolicyAdviser in der Bundesanstalt für Arbeitsschutzund Arbeitsmedizin und prägte jahrzehnte-lang den deutschen Arbeits- und Gesund-heitsschutz. Er berät heute im Rahmen inter-nationaler Projekte Länder wie Ägypten, Aser-baidschan und China bei der Etablierungmoderner Arbeitsschutzsysteme.

Dr. Kai Seiler (38) ist Leiter der FachgruppeBetriebliches Gesundheitsmanagement imLandesinstitut für Arbeitsgestaltung des Lan-des Nordrhein-Westfalen (LIA.NRW) und berätin mehreren Gremien des Landes und desBundes. Er ist einer der renommiertesten undeinflussreichsten Experten des modernenarbeits weltbezogenen Gesundheitsmanage-ments in Deutschland.

Rainer Ollmann, Arbeitswissen-schaftler, ist geschäftsführenderGesellschafter der gaus gmbh –medien bildung politikberatung,Dortmund.

intærview

Durch die Arbeitsverdichtung verschleißen gerade

die Hochqualifizierten heute sehr früh. Wenn

dann noch die Ressourcenseite wegbricht, wie z.B.

das Sozialsystem aus Vertrauensbeziehungen und

Familie, wird es wirklich kritisch.

Sicherheitsfachkräfte – weniger die Unterneh-mer direkt, was sicherlich verständlich ist.

Kuhn: Ich glaube, wir müssen sogar noch einenSchritt weitergehen. Wenn man auf das Aus-land schaut, so gibt es ganz andere Ideen, wieInformation und Wissen auch im Internet dar-geboten werden. Ich denke da z. B. an Websiteswie „beyond blue“ in Australien. Dieses Online-angebot zum Thema Angst und Depression gehtsehr viel weiter in Richtung Beratung als unsereAnsätze, die bei Information stehen bleiben.Unsere Datenbanken beinhalten hochwertigeTexte, aber sie „coachen“ nicht. Ich glaube, un-sere Informationspolitik muss in Zukunft dia-logfähig werden. Die Onlineangebote müssenhelfen, auch dann weiterzumachen, wenn diereine Information nicht das Problem löst. Nied-rigschwellige Coachingverfahren sind für michein absolutes Zukunftsfeld.

Seiler: Ich beobachte diesen Trend auch schonseit Längerem. Intelligente, individualisierbareInstrumente im Internet können funktionieren-der Teil eines Coachingprozesses sein, wenn dieSchnittstellen zwischen Online- und Experten-beratung klar definiert und nahtlos sind. Aberauch hier gilt: Wir müssen die Nutzer nicht mitInformationsfülle erschlagen, sondern an ihrenalltäglichen Problemen abholen.

præview: Stellt der demografische Wandelneue Herausforderungen an den Arbeits- undGesundheitsschutz?

Kuhn: Mit der Alterung der Gesellschaft be-kommt Qualifikation und deren Erhalt eine neueBedeutung. Gute, passende und zukunftsfähigeQualifikation ist eine Ressource für persönliche

„Wertschätzung, Vertrauen und ökonomische Sicher-heit sind die Gesundheitsressourcen der Zukunft“Rainer Ollmann im Gespräch mit Karl Kuhn und Kai Seiler über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft des Arbeitsschutzes

„Unsere Datenbanken beinhalten hochwertige

Texte, aber sie ,coachen’ nicht. Informations-

politik muss in Zukunft dialogfähig werden.

Die Onlineangebote müssen helfen, auch dann

weiterzumachen, wenn die reine Information

nicht das Problem löst.“

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Selbstverständlich haben Karl Kuhn und Kai Sei-ler Recht: Die Arbeitsschutzpolitik in Deutsch-land hat in den letzten 30 Jahren große Erfolgeerzielt. Sie wurde zudem kontinuierlich weiter-entwickelt – aktuelles Beispiel ist die Einführungder Gefährdungsbeurteilung bei psychischenBelastungen – und hat mit den vielfältigen Ini-tiativen zur Forcierung der betrieblichen Ge-sundheitsförderung auch ihre präventive Säulegestärkt. Dennoch weisen beide kritisch daraufhin, dass es trotz aller Informationskampagnenund institutionalisierter Informations- und Be-ratungsangebote „nie gelungen (ist), in den klei-nen und mittleren Betrieben präsent zu werden“.

Während in den meisten Großunternehmenmittlerweile umfangreiche Programme zur Ge-sundheitsförderung etabliert wurden, dominiertbei den vielen kleineren und mittelständischenUnternehmen – sieht man einmal von den be-liebten Rücken- und Fitnesskursen ab – eineimmer noch abwartende bis ablehnende Hal-tung. Vielleicht aus gutem Grund.

Wenn man aber unterstellt, dass die Entscheiderin den KMU ein gleichfalls hohes Interesse ander Gesundheit ihrer Beschäftigten haben – unddies liegt angesichts des besonders im Mittel-stand spürbaren Fachkräftemangels sowie desabsehbar steigenden Anteils unverzichtbarerälte rer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehrnahe – geht es nach wie vor um die Frage, wieein praxisgerechtes, überzeugendes, wenig res-sourcenintensives, dafür aber nachhal -tig wirksames Interventionskonzeptfür KMU aussehen sollte.

Was also ist zu tun? Karl Kuhn und Kai Seilerhaben hierzu wichtige Ideen und Vorschlägeformuliert. Einige davon möchte ich aufgreifenund beispielhaft für zwei Handlungsfelder ge-eignete Möglichkeiten der Umsetzung skizzie-ren. Bezug nehmen möchte ich dabei auf diepraktischen Erfahrungen, die wir beim Aufbaudes Münsterland-Zentrums für Gesundes Ar-beiten (www.zga-muensterland.de) in der inten -siven Zusammenarbeit mit unseren Netzwerk-partnern aus den verschiedenen Fachdisziplinensowie den Führungskräften und Beschäftigtenaus den beratenen KMU gemacht haben.

Handlungsfeld „Bildung und Qualifizierung“Bildung und Gesundheit korrespondieren sehreng miteinander. So haben Menschen mit einemhöheren Bildungsniveau im allgemeinen einenbesseren Zugang zu medizinischen Leistungen,sie ernähren sich gesünder und verfügen übermehr „Stress-Resilienz“. Qualifizierung ist somitein betriebliches Handlungsfeld, von dem unmit -telbar positive Wirkungen auf die Gesundheitder Beschäftigten ausgehen kann. Bei der Um-setzung stehen dabei insbesondere Beschäftig-tengruppen im Fokus, die in der Regel von Wei-terbildung ausgeschlossen sind: ältere Beschäf-tigte, Teilzeitbeschäftigte (und hier vorwiegendFrauen) und bildungsferne Mitarbeiter/-innen.Für diese drei Gruppen weisen die Gesundheits-berichte der gesetzlichen Krankenkassen über-proportional hohe Krankenstände auf (siehe z. B.BKK Gesundheitsreport 2012). Ziel betrieblicherWeiterbildungsinitiativen muss es dabei sein,neben fachlichen Bildungsinhalten und Schlüs-selqualifikationen auch Maßnahmenzur Steigerung der Gesundheitskom-petenz aufzubauen. Dies betrifft vor

allem die drei genannten Beschäftigtengruppen,parallel dazu aber auch die Führungskräfte, de-ren Verhaltensweisen unmittelbar gesundheits-fördernd, aber auch gesundheitsbeeinträch -tigend wirken. Diese müssen lernen, welchegesund heitlichen Auswirkungen ihr Führungs-verhalten auf ihre Mitarbeiter/-innen und sieselbst haben kann, wie sich dauerhaft zu hoheBelastungen äußern, was gutes Führungsver-halten auszeichnet und wie man dieses im Ar-beitsalltag umsetzt.

Gesundheitskompetenz meint dabei nicht nurFakten- und instrumentelles Wissen über ge-sundheitlich relevante Themen (z. B. Arbeitsplatz -ergonomie, Schichtarbeit, Ernährung, Stress),sondern auch Verhaltens- und Kommunikati-onskompetenzen im Sinne reflektierter Verhal-tensroutinen und gelebter Team- und Dialog-fähigkeit. Wertschätzung ist dabei vielleicht daswichtigste handlungsleitende Kriterium.

Als in der KMU-Praxis besonders wirksam habensich Lernprogramme mit kleinen, arbeitsbeglei-tenden Lernbausteinen und Feedback-Funktio-nen erwiesen. Das von uns bei vielen KMU er-folgreich eingesetzte Lernprogramm ist eineKombination aus Mikrolerneinheiten in Formvon Lernbriefen und Lernfilmen, Transferauf-gaben, die die Teilnehmer/-innen in ihrer all-täglichen Arbeit umsetzen und anschließend inFeedbackbögen reflektieren, sowie regelmäßi-gem Trainerfeedback und programmbegleiten-

dem Coaching. Dahinter verbirgt sich das di-daktische Konzept des Impulslernens. In denkurzen Lerneinheiten werden bewusst nur we-nige wichtige Informationen vermittelt, so dassbis zu 80 % der Inhalte behalten werden (diedurchschnittliche Bearbeitungszeit beträgt le-diglich 20 bis 30 Minuten pro Woche).

Handlungsfeld „Individualisierte Gesundheitsförderung“Eine zentrale Herausforderung für KMU liegtdarin, über den Betrieb individualisierte Unter-stützungsleistungen bereitzustellen, die betrieb-liche Maßnahmen zur Gesundheitsförderungergänzen und in ihrer Wirkung verstärken.

Maßnahmen der individualisierten Gesundheits-förderung sind besonders empfehlenswert beipsychischen Belastungen und lebensstilbeding-ten Erkrankungsrisiken (z. B. hohes Übergewicht),die seit Jahren an Bedeutung zunehmen. Geradebei verhaltensbedingten Gesundheitsrisiken ver-zeichnen frühzeitig einsetzende präventive undim Krisenfall möglichst rasch greifende Maß-nahmen eine besonders hohe Wirksamkeit undnachhaltige Erfolge. Solche Maßnahmen sindzwar deutlich kostenintensiver als die klassischenzielgruppenbezogenen Angebote (wie etwaStress bewältigungsseminare), sie erreichen aller -dings auch jene Beschäftigte mit einem beson-ders hohen Erkrankungsrisiko, die sich gruppen -bezogenen Angeboten verweigern, weil sie Stig-matisierung oder direkte Nachteile befürchten.

Zukunft des betrieblichen GesundheitsmanagementsOder: Welche Instrumente eignen sich zur Förderung der Gesundheit in kleinen und mittelständischen Unternehmen?Rainer Ollmann

Besonders wirksam haben sich in der Praxis fol-gende Maßnahmen erwiesen:

1. Im Rahmen von Gesundheitsgesprächen kön-nen besonders dafür trainierte Personalver-antwortliche psychische Belastungen, Life-style-Risiken und lebensphasenspezifischeBelastungsakkumulationen ansprechen undindividuelle Gesundheitsziele sowie betrieb-lich unterstützte Problemlösungen verein-baren.

2. Beim Beratungsangebot „Schnelle Hilfe“ wer-den betroffene Beschäftigte innerhalb einesgarantierten Zeitraumes von maximal zweiWochen an einen Präventionsmediziner ver-mittelt. Das Programm umfasst ein intensivesErstgespräch zur Diagnostik, zwei bis dreinachfolgende Beratungsgespräche, die Über-leitung in längerfristige Betreuungsstrukturensowie ein Evaluierungsgespräch zur Wirkungs -analyse nach etwa drei Monaten.

3. Webbasierte Frühdiagnostik und Coaching-programme haben den Vorteil, dass sie einensofortigen niedrigschwelligen Einstieg ermög-lichen, die Anonymität des Betroffenen ge -wahrt bleibt und sie sehr kostengünstig sind.Das von uns eingesetzte Online-Coaching-programm beinhaltet einen Fragebogen zurDiagnose, das Führen eines Tagebuchs sowieeinen intensiven Dialog mit einem Fachpsy-chologen über mehrere Wochen hinweg.

Führungskräfte müssen lernen, welche gesund -

heitlichen Auswirkungen ihr Führungs verhalten

auf ihre Mitarbeiter/-innen und auf sie selbst

haben können.

Besonders wichtig bei der individualisierten Ge-sundheitsförderung ist, dass alle MaßnahmenBestandteil eines integrierten Eskalationskon-zeptes sind, das je nach Betroffenheitsgrad ab-gestufte Angebote für den bzw. die Beschäftig -te(n) zur Verfügung stellt.

Zwei Seiten einer MedailleKuhn und Seiler betonen in ihrem Interview diezentrale Rolle der Unternehmerpersönlichkeit.Nur wenn der Chef ehrlich, authentisch undengagiert hinter den Maßnahmen steht, werdendie Beschäftigten und die Personalverantwort-lichen der mittleren Führungsebene die Umset-zung aktiv unterstützen sowie Änderungen inihrem eigenen Verhalten akzeptieren und in derPraxis einüben. Hierbei benötigen sie beglei-tende Unterstützung mittels der von mir be-schriebenen Instrumente, die sich in der prak-tischen Arbeit in KMU vielfach bewährt haben. Die andere Seite der Medaille heißt Partizipa-tion. Die intensive Einbindung der Beschäftigtenin die Analyse der Strukturen und Prozesse imUnternehmen und die partizipative Planung desInterventionsprogramms sind weitere wichtigeErfolgsfaktoren. Dazu geben meine KolleginnenPia Rauball und Christiane Weiling in ihremBeitrag zum Thema „Mitarbeiterbefragungenals Instrument partizipativer Führung“ einenanschaulichen Praxisbericht.

Der AutorRainer Ollmann, Arbeitswissen-schaftler, ist geschäftsführenderGesellschafter der gaus gmbh –medien bildung politikberatung,Dortmund. Er interessiert sichbeson ders für unkonventionelleAnsätze im Arbeitsschutz.

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Mitarbeiterbefragungen als Instrumentpartizipativer FührungEin Erfahrungsbericht aus der BeratungspraxisChristiane Weiling, Pia Rauball

æ Die repräsentative Datenbasis einer Befragungliefert die notwendigen Informationen fürUnternehmensleitung und Personal-/Betriebs-rat für ein koordiniertes Handeln auf Unter-nehmens- oder Abteilungsebene.

æ Aus Angst vor negativen Konsequenzen spre-chen Mitarbeiter sensible Fragen im Einzel-gespräch oftmals nicht an. Die Anonymitätvon Mitarbeiterbefragungen ermöglicht es,auch „Angstthemen“ angemessen in denFokus zu rücken.

æ Nicht zuletzt werden Führungskräfte im per-sönlichen Gespräch häufig nicht ehrlich be-wertet. Anonyme Befragungen können soauch für die engagiertesten und „besten“Führungskräfte sehr wertvolle Rückmeldungenbieten.

Diese Stärken einer Mitarbeiterbefragung kön-nen sich aber nur bei einer hohen Rücklauf-quote entfalten, denn eine repräsentativeDaten basis ist notwendig, um die wirklich rele-vanten Stellschrauben zu identifizieren, wirk-same Verbesserungsmaßnahmen zu entwickelnund umzusetzen. Da die Teilnahme an einer Be-fragung stets freiwillig ist, müssen die Mitar-beiter für eine offene und ehrliche Teilnahmean der Befragung motiviert werden. Hierfür istes wichtig, dass die Unternehmensleitung unddie Mitarbeitervertretung die Befragung unter-stützen und bereits den Vorlaufprozess so trans-parent wie möglich gestalten, damit die Be-schäftigten den Sinn und ihren persönlichenNutzen der Befragung erkennen und schließlichan der Befragung teilnehmen. Denn wie das ineiner partizipativen Führungskultur nun einmalso ist: Der Beteiligungsgrad ist entscheidend.

Aber: Die Befragung selbst ist nur der Anfang,die eigentliche Arbeit, der Follow-up-Prozess,

Partizipative Führung ist im demografischenWandel so dringlich wie nie. Denn: Wer Mitarbei -ter gewinnen und binden möchte, muss sie ent-wickeln, motivieren und gesund erhalten – undsie dabei mitnehmen. Sonst tut es vielleicht je-mand anders. Die Basis hierfür bildet ein kons -truktiver Dialog zwischen Mitarbeitern und Füh-rungskräften. Die Mitarbeiterbefragung ist dabeiaus unserer Erfahrung ein wirkungsvolles Ins -trument, um die notwendigen Dialog- und Ent-wicklungsprozesse anzustoßen, denn sie liefertRückmeldungen über Stärken und Schwächenaus Sicht aller Beteiligten und damit eine um-fassende und „objektive“ Diskussionsgrundlage.

Die anonyme Mitarbeiterbefragung ergänzt da-bei die in der Praxis verbreiteten (und wertvollen)Personalentwicklungsgespräche um wesentlicheAspekte:æ Befragungen geben allen Mitarbeitern die

Chance, sich einzubringen und ihre Meinungehrlich zu äußern. Die Meinung zurückhal-tender Mitarbeiter erhält dabei das gleicheGewicht wie die von Wort- und Meinungs-führern.

æ In Einzelgesprächen steht die individuelleEntwicklung des Beschäftigten im Vorder-grund, bei Mitarbeiterbefragungen die Iden-tifikation von Ansatzpunkten für strukturelleVerbesserungen.

Christiane Weiling, Pia Rauball

fach auch nur durch die AnwesenheitDritter wieder aufgeweicht werden.æ Vor allem aber versanden viele

Innovationsprozesse ohne exter -ne Begleitung und Moderationim Laufe der Zeit. Die Zwängedes Alltagsgeschäfts lassen diemit Engagement begonnenenVeränderungen schnell zu „Sil -ves tervor sätzen“ werden.

Wichtig ist also nicht der externeBerater, der fertige Lösungen prä-sentiert, sondern vielmehr jemand,der die Prozesse steuert, aufein -ander abstimmt und auf die Er-reichung von Teilzielen hinwirkt.Interne Promotoren und externeProzessbegleiter, die die Reali -sierung der gewünschten Verän-derungen im Sinne aller Beteilig-ten kontinuierlich vorantreiben,erhöhen die positive Wirkung ei-ner Mitarbeiterbefragung daherenorm.

Für die Kontinuität des Umset-zungsprozesses ist es unabdingbar,

dass alle Beteiligten regelmäßig über den „Standder Dinge“ informiert werden. Ein gutes Infor-mationsmanagement sowie klare Strukturen,wie die Beteiligungsmöglichkeiten der Beschäf-tigten geregelt sind, helfen, eine Mitarbeiter-befragung erfolgreich durchzuführen.

Sieben Thesen aus der praktischen Arbeit1. Mitarbeiterbefragungen sind ein probates

Mittel zur Initiierung partizipativer Füh-rungsstrukturen. Aber die Umsetzung derErgebnisse ist häufig aufwändiger und dieeigentliche Herausforderung.

2. Mitarbeiterbefragungen ergänzen die per-sönlichen Mitarbeitergespräche. Sie versach-lichen Diskussionen, die oftmals seit Jahren

Aber auch die Mitarbeiter dürfen nachder Be fra gung keinesfalls eine Konsum-haltung einneh men, sondern müssen sichproaktiv am weiteren Prozess beteiligen.Für die Umsetzung jeglicher Verände-rungsprozesse sind Mitarbeiter und Füh-rungskräfte gleichermaßen verantwort-lich.

Gerade bei der Interpretation der Be-fragungsergebnisse ist das „Experten-wissen“ der Beschäftigten vor Ort un-abdingbar. Auffällige Werte einerMitarbeiterbefragung haben immer

bestimmte Ursachen, die nur imGespräch mit den betroffenenMitarbeitern und Führungskräf-

ten aufgedeckt werden kön-nen. Aber auch die Entwick-lung zielgerichteter und vorallem umsetzbarer Lösungen

gelingt den „Experten an derBasis“ meist besser im direk-

ten Dialog mit den Führungs-kräften und den externen Be-

ratern. Die Beschäftigten kennenund berücksichtigen die genauen Rah-

menbedingungen und die kulturellen Beson-derheiten in einzelnen Bereichen und erhöhendamit die Akzeptanz der entwickelten Lösungs-modelle bei ihren Kolleginnen und Kollegendeutlich.

Nicht alles kann intern geleistet werden. DieErfahrung zeigt, dass eine externe Unterstüt-zung hilft, die Diskussions- und Planungspro-zesse zu objektivieren, zu verstetigen und auchzu beschleunigen:æ Durch eine externe Moderation gelingt es,

eingefahrene Denkstrukturen aufzubrechenund neue, manchmal auch völlig unerwarteteLösungsansätze zu erarbeiten.

æ Verhärtete „Fronten“ im Unternehmen könnendurch die Moderation, manchmal aber ein-

kommt danach und übersteigt denAufwand für die Befragung oftmalsdeutlich. Das wird in der Planungoft unterschätzt, mit der Konse-quenz, dass der Befragung häufigkeine Taten folgen – und das ist dieweitaus größere Ressourcenver-schwendung: Landen die Ergeb-nisse „in der Schublade“, schadeteine Mitarbeiterbefragung ei-nem Unternehmen eher, alsdass sie nützt.

Aus Sicht der Unternehmens-entwicklung ist es natürlichsinnlos, Daten mit großemAufwand zu erheben, aus-zuwerten und sie dann nichtfür Veränderungsprozesse zuverwenden. Noch schlimmer istaber: Der motivierende Charak -ter, der potenziell mit partizipativenVerfahren verbunden ist, kehrt sich insGegenteil, wenn die Erwartungshaltung derBeschäftigten, die im Zuge des Befragungspro-zesses aufgebaut wurde, enttäuscht wird. Daswiederum hat Folgen: Die Resignation steigt,die Arbeitsmotivation sinkt, das Betriebsklimaverschlechtert sich, von einer Vertrauenskulturist keine Rede mehr.

Daher muss mit der Initiierung einer Be fra gungeine Verbindlichkeit auch hinsichtlich der prak-tischen Umsetzung einhergehen. Bevor eineMitarbeiterbefragung startet, muss sich dieLeitungs ebene darüber klar sein, dass dieserSchritt notwendigerweise zu Organisations- undPersonalentwicklungsprozessen führen mussund dass alle Beteiligten – auch das Manage-ment – ver änderungsbereit sein müssen.

stagnieren, durch quantitativeDate n und nicht selten überraschendeErgebnisse.

3. Die anschließenden aktiven Beteili-gungsprozesse können die Mitarbeitermotivieren, binden und gesund erhalten.Sie bewirken aber das Gegenteil, wennhohe Erwartungen enttäuscht werden.

4. Der Wille zur – auch persönlichen –Veränderung muss auf der Leitungs-ebene gegeben sein, sonst laufen Pro-zesse ins Leere.

5. Interne Promotoren und externe Beglei -ter haben eine tragende Rolle beider Steuerung und Verstetigung desVeränderungsprozesses.

6. Erfolgreiche Mitarbeiterbefragungenbasieren auf transparenter Informa -tionspolitik, ergebnisoffenen Dis-kussionsprozessen und echter Ent-scheidungsbeteiligung.

7. Partizipation bedeutet, dass Akteurealler betrieblichen Ebenen gemein-same und ausgewogene Lösungenerarbeiten müssen. Ein gegen-seitiger Vertrauensvorschuss istdabei keine schlechte Startvor -aussetzung.

Die AutorinnenChristiane Weiling ist Bereichs-leiterin, Pia Rauball wissenschaftli-che Mitarbeiterin der gaus gmbh – medienbildung politikberatung, Dortmund. Sie führenseit Jahren Mitarbeiterbefragungen in Unter-nehmen und öffentlichen Verwaltungendurch, einschließlich der Moderation undEvalu ation der nachfolgenden Organisations-und Personalentwicklungs prozesse.

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sind. So kommt es in der Folge zum Aufeinan-dertreffen zweier völlig unterschiedlicher Wel-ten: Auf der einen Seite die Führungskräfte, dieReformen durchführen müssen, um mit demjeweiligen Unternehmen weiterhin konkurrenz-fähig zu bleiben, und auf der anderen Seite dieälteren Beschäftigten, die – verständlicherweise– keine Verschlechterung der individuellen Ar-beitsbedingungen akzeptieren wollen und diesebei Eintreten häufig mit einem Fehlverhaltender jeweiligen Führungskraft gleichsetzen. Soliegt der Gedanke nahe, dass die schlechteBeurteilung der eigenen Führungskraft beiden älteren Beschäftigten nicht nurdurch den jeweiligen Führungsstil desVorgesetzten zu erklären ist, sondernzum Teil auch aus der Unzufriedenheitmit strukturellen Veränderungen unddringend notwendigen Reformen re-sultiert, auf die die einzelne Füh-rungskraft keinen Einfluss hat.

Doch auch wenn dieses Verhaltenindividuell rational nachzuvollzie-hen ist, muss den älteren Beschäf-tigten klar sein, dass ihre Reform -unwilligkeit mittel- und langfristigauch für sie selbst fatale Folgenhaben wird. Denn am Ende sitzendie zukünftigen, die aktuellen unddie ehemaligen Arbeitnehmer allegemeinsam in einem Boot, wel-ches nur durch die Zusammenar-beit und den Zusammenhalt allerGenerationen vor dem Kentern ge-rettet werden kann.

In der aktuellen Diskussion um Mitarbeitermotivation nimmt der Aspektder Führungsqualität einen bedeutenden Stellenwert ein. Nach Juhani Il-marinen sind gutes Führungsverhalten und gute Arbeit von Vorgesetztensogar die einzigen hoch signifikanten Faktoren, die zu einer Verbesserungder Arbeitsfähigkeit zwischen dem 51. und 62. Lebensjahr nachgewiesensind.1 Kein Wunder, dass Führung immer stärker in den Fokus der Perso-nalverantwortlichen rückt – vor allem mit Blick auf die Herausforderungendes demografischen Wandels: Jüngere wie ältere Beschäftigte sollen durchgute Führung motiviert und entwickelt sowie leistungsfähig und gesundgehalten werden.

Wie aber wird Führungsqualität von den verschiedenen Generationenwahrgenommen? Wirkt Führung altersneutral? Hierzu werteten die Autorenverschiedene, in den letzten Jahren von der gaus gmbh – medien bildungpolitikberatung durchgeführte Mitarbeiterbefragungen mit insgesamtmehr als 3.000 Datensätzen sekundärstatistisch aus.

Es stellte sich heraus, dass die Zufriedenheit mit der direkten Führungskraftin besonderem Maße mit dem Alter der jeweiligen Befragten korrelierte.So wurde die Führungskraft von den älteren Beschäftigten in der Regelnegativer bewertet, während bei den jüngeren Beschäftigten eine deutlichhöhere Zufriedenheit zu erkennen war. Was könnten die Gründe für diesesunterschiedliche Antwortverhalten der Generationen sein? Bei der Inter-pretation der Befunde kommen der Soziologe Markus Hiddemann undder Psychologe Kenan Kurt zu unterschiedlichen Ansichten.

Markus HiddemannDer steigende internationale Wettbewerbsdruck verlangt von den deut-schen Unternehmen Reformen, auch mitunter unangenehme, die in derFolge vor allem von den jeweiligen Führungskräften an die Beschäftigtenvermittelt werden müssen.

Da junge Personen von Natur aus offener und flexibler mit Veränderungenumgehen, belastet der beschriebene Reformdruck hier im Besonderen dieälteren Beschäftigten. Diese Gruppe der älteren Beschäftigten hat sich al-lerdings in ihrer beruflichen Laufbahn an Privilegien gewöhnt, die mitBlick auf die Globalisierung heutzutage oftmals nicht mehr durchsetzbar

20

„Ein neuer Besen kehrt gut, aber die alte Bürste kennt die Ecken.“Führungsqualität aus Sicht von alten und jungen MitarbeiternMarkus Hiddemann, Kenan Kurt

Bewertung des Führungsverhaltens Index aus 24 Items, 5er-Skala. Je höher destopositiver die Beurteilung. Alle Unterschiedesind auf dem 0,1%-Niveau signifikant.

aber auch eine Vielzahl von negativen Erfah-rungen, Belastungen und nicht erfüllten Hoff-nungen aus ihrem bisherigen Arbeitsleben.Jünge re Beschäftigte sind für die Führungs-kräfte somit viel leichter zu führen als Ältere.Zudem haben die meisten Führungskräfte, dasie selber eher zur Gruppe der Älteren zählen,einen „altersbedingten Autoritätsvorsprung“.

Außerdem: In mehr als zwei Dutzend Workshopsmit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus allenHierarchiestufen und aus unterschiedlichstenWirtschaftsbereichen haben wir die komplexenInteraktionsprozesse zwischen Führungskräftenund Geführten beleuchtet und diskutiert. Einesder Ergebnisse: Führungskräfte sehen es als ihrevorrangige Aufgabe an, sich um die nachrü-ckende Generation zu kümmern. Mit anderenWorten: Ältere Beschäftigte sind nicht das be-vorzugte Ziel ihrer häufig sehr individuellenFührungsstrategien. Hier gibt es noch viel zu tun!

unter 30 Jahren 31–49 Jahre über 50 Jahre

2,8

2,7

2,6

2,5

2,4

2,3

2,2

2,1

2,73

2,43

2,32

Markus Hiddemann, Kenan Kurt

Kenan KurtMich überrascht der Bewertungsunterschied derAltersgruppen kaum. Es ist doch eigentlich ganzklar, warum gerade ältere Mitarbeiterinnen undMitarbeiter eine kritischere Einstellung zu ihrerFührungskraft haben. Die junge Generation istin den Zwanzigern und hat einfach noch keinehohen Ansprüche an Führungsqualität. Men-schen mit wenig Lebenserfahrung sind aucheinfacher zufriedenzustellen. Da können auchschon ein paar anerkennende Worte vom Chefreichen. Die wichtige Bedeutung weiterer Kri-terien für gute Führung erkennt man erst imLaufe der Zeit und des Alters.

Der Erfolg guter Führung lässt sich vor allemzurückblickend bemessen. Die Älteren wissenaufgrund ihres Erfahrungsschatzes, dass es nichtmit gutem Zureden allein getan ist. Führungist ein umfassendes Feld, dessen Tragweite sichjunge Menschen kaum bewusst werden können.Das Wissen darüber, was wichtig ist, erlangtman häufig erst dann, wenn man gemerkt hat,was wichtig sein kann. Diese Lebenserfahrunggibt der älteren Generation die Fähigkeit einerrückblickenden und darüber hinaus differen-zierteren Betrachtungsweise. Nicht ohne Grundsind es häufig Menschen mit Erfahrung, die wirum Rat oder Meinung bitten.

Des Weiteren zeigt der Befund, dass auf Seitender älteren Belegschaft eine Unzufriedenheitmit der Art und Weise besteht, wie in den Un-ternehmen geführt wird. In Zeiten demografi-scher Herausforderungen bedeutet dies einenhohen Handlungsbedarf. Die ältere Generationist Wissensträger und sollte von Seiten der Füh-rung stark in Qualifizierungs- und Innovations-prozesse eingebunden werden. Dennoch ist eshäufig der Fall, dass den jüngeren Führungs-kräften der Zugang zu den älteren Kompetenz-trägern – und damit der Zugang zu einer wich-tigen Ressource – fehlt. Es liegt in der Verant-wortung aller Führungskräfte, Bedingungen füreinen konstruktiven Dialog zwischen Jung undAlt zu schaffen!

Die AutorenMarkus Hiddemann, B.A. Sozialwissenschaft,und Kenan Kurt, B.Sc. Psychologie, sind Mitar-beiter der gaus gmbh – medien bildung poli-tikberatung und betreuen die Organisationund statistische Auswertung von Mitarbeiter-befragungen.

DatenbasisEmpirische Grundlage des Beitrags bilden stan-dardisierte Befragungen der gaus gmbh vonrund 3.300 Beschäftigten, die im Zeitraum 2009bis 2012 mit einem identischen Fragebogen zuihren Arbeitsbedingungen, ihrer Arbeitszufrie-denheit und zu ihren Belastungen sowie zumFührungsverhalten ihrer Vorgesetzten befragtwurden. Der Anteil der weiblichen Beschäftigtenliegt bei 45 %; vollzeitbeschäftigt sind fast 80 %.Die Altersverteilung: 15 % sind jünger als 30Jahre, 46 % sind 30-49 Jahre alt und 39 % sind50 Jahre und älter.

1 Ilmarinen, J. & Tempel, J. (2002). Arbeitsfähigkeit 2010. Waskönnen wir tun, damit Sie gesund bleiben? Hamburg: VSA-Verlag, S. 245.

Kommentar eines Älteren:Rainer Ollmann, 60 Jahre, Geschäftsführerder gaus gmbh

Die erfahrenen Leistungsträger fühlen sichschlecht von ihren Vorgesetzten behandelt. Dassind keine guten Aussichten für eine auf Wissenund Erfahrung, Kreativität und Engagementsetzende Hochleistungswirtschaft. Warum aberist das so? Plausible Antworten hierauf dürftenwichtige Hinweise darauf geben, was „gute Füh-rung“ im demografischen Wandel ausmacht.Die beiden jüngeren Wissenschaftler MarkusHiddemann und Kenan Kurt haben interessanteAntworten formuliert, die ich aus der Perspek-tive eines Älteren noch ergänzen möchte:

Jüngere Beschäftigte sind zunächst geprägtdurch positive Erwartungen an ihre weitere be-rufliche Entwicklung und Karriere. Sie habennoch viel vor. Ältere hingegen haben höhereAnsprüche an einen Dialog auf Augenhöhe mitihren Führungskräften. Sie akkumulieren in ihrenWahrnehmungen und Bewertungen zugleich

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„Und Schwere und Müdigkeit in jedem Glied und Gelenk; ebenfalls unver -

ändert und zunehmend, er war inzwischen in seinem zweiundfünfzigsten

Lebensjahr, was man nicht weiter zu beachten brauchte, man musste es

ledig lich feststellen und damit leben.“ (Kommissar Barbarottis Gefühl kurz vor

dem morgendlichen Aufstehen, Håkan Nesser, Am Abend des Mordes, S. 9)

Alternsgerechte Arbeitsgestal-tung und das Ernstnehmen vonIndividualität und Mühsal Paul Fuchs-Frohnhofen, Alexandra Rausch

Die AutorenDr.-Ing. Paul Fuchs-Frohnhofen ist Geschäfts-führer der MA&T Sell & Partner GmbH, Aachen.Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in derForschung, Beratung und Qualifizierung zurPersonal- und Organisationsentwicklung inIndustrie- und [email protected]

Alexandra Rausch ist angehende Arbeits- undOrganisationspsychologin und studentischeMitarbeiterin bei MA&T.

Das Projekt PflegeWert – „Optimierung undInnovation in der Altenpflege durch systema-tisierte Wertschätzung“ (FKZ 01FB09001)wurde von 2009-2012 gefördert vom Bundes-ministerium für Bildung und Forschung unddem Europäischen Sozialfonds der Europäi-schen Union.

Das Projekt Gender-Med-AC – „Arbeit, Familieund Karriere in innovativen Unternehmen derGesundheitsregion Aachen“ wird von 2012-2014 gefördert durch das Land Nordrhein-Westfalen und die Europäische Union.

LiteraturBundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg., 2008).

Alles grau in grau? Ältere Arbeitnehmer und Büroarbeit. Dort-mund: BAuA.

Fuchs-Frohnhofen, P. & Bessin, C. (2013). Wertschätzendes Ge-sundheitsmanagement – Handlungsanregung für Pflegeein-richtungen. Köln: KDA-Verlag.

Nesser, H. (2009). Am Abend des Mordes. München: btb-Verlag.Fuchs-Frohnhofen, P. (2010). Projektskizze Biograph-I. Unver -

öffentlichtes Manuskript. Würselen: MA&T.Ilmarinen, J. & Tempel, J. (2002). Arbeitsfähigkeit 2010 – Was

können wir tun, damit Sie gesund bleiben? Ed. M.Giesert. VSA-Verlag.

Paul Fuchs-Frohnhofen, Alexandra Rausch

Der Work Ability Index in Abhängigkeit vom Alter (Quelle: BAuA, 2008, S.15)

20 30 40 50 60 70 Alter

WAI

50

45

40

35

30

25

20

15

Im Zusammenhang mit dem demografischenWandel nutzen Wissenschaft (so auch die Au-toren dieses Beitrags) und Politik gerne Begriffs-paare wie „Innovationsfähigkeit und Demogra-fie“, „aktives Erwerbsbiografiemanagement“,„Chancen des Alterns“ oder „Stärken älterer Be-schäftigter“. So soll dem erwarteten oder geäu -ßerten Gefühl vieler Menschen, die meinen, dasAltern sei doch mit vielen Nachteilen verbundenund nicht so wirklich erstrebenswert, wohl aberleider unabdingbar, ein positiver Blickwinkelent gegengesetzt werden. Diesen positiven Blick-winkel halten wir angesichts der tatsächlichenZahlen unserer bundesdeutschen demografi-schen Entwicklung auch für unverzichtbar.

Wenn wir aber die älterwerdenden Beschäftig-ten wirklich ernst nehmen wollen und uns be-mühen, auf partizipativen Wegen zu tragfähi-gen Modellen für alters- und alternsgerechteArbeitsgestaltung zu kommen, dann sollten wirzwei Sachverhalte mitberücksichtigen: Indivi-dualität und Mühsal. Während die Mühsal be-reits in dem einleitenden Romanzitat angespro-chen wurde, ist die Individualität z. B. der ab-gebildeten Grafik zu entnehmen: Diese Grafik sagt aus, dass die Fähigkeit, seineArbeit produktiv zu bewältigen (der Arbeitsbe-wältigungsindex nach Ilmarinen) zwar in derTendenz mit zunehmendem Alter leicht ab-nimmt, dass aber die interindividuellen Unter-schiede zumindest ebenso groß sind, wie diealtersabhängigen Faktoren.

Was schließen wir daraus?Erstens: Wenn wir uns mit „alternsgerechter“Arbeitsgestaltung beschäftigen, dann reicht esnicht aus, allgemein und organisational zu blei-ben, sondern allgemeine und organisationaleLösungen sollten ergänzt werden um den Blickauf das Individuum und seine Lebens- und Ar-beitsgeschichte.

Zweitens: Wenn wir etwas für eine bessere Ar-beitsfähigkeit der Älteren tun möchten, reichtes nicht aus zu betonen, dass Ältere und Jüngereihre jeweils spezifischen Stärken und Schwächenhaben – was natürlich stimmt – sondern wir soll -ten auch das Lebensgefühl von Menschen ernstnehmen, die sagen: „Je älter ich werde, destomühsamer wird es, die beruflichen Heraus for -derungen täglich mit neuer Frische anzugehen“.

Drittens: Und dann macht es Sinn, sich auchmit den Lebens- und Erlebnisgeschichten derMenschen zu beschäftigen, um zu verstehen,wo sie herkommen, was sie geprägt hat undwarum sie da stehen, wo sie stehen – und wassie als ihre Stärken sehen und als ihre Schwä-chen. Dabei kann z. B. hilfreich sein, sich Le-bensläufe schildern zu lassen und Interviewsan Kristallisationspunkten von Lebensläufenoder retrospektiv zu Kristallisationspunkten vonLebensläufen zu führen.

Kristallisationspunkte sind dabei individuellePunkte der Biografie, an denen eine Berufsphasegeendet oder eine neue begonnen hat und so-mit eine erhöhte Reflexivität vorhanden ist. Umdie Bedeutung von Kristallisationspunkten zuverdeutlichen, sollen drei Erwerbsbiografien bei-spielhaft kurz betrachtet werden:

a) Bei der Person A beginnt die Geschichtedes persönlichen Erwerbslebens mit 16 Jahrenund einer beruflichen Erstausbildung. DasEnde dieser Erstausbildung ist ein erster Kris-tallisationspunkt, an dem ein Interview überdie biografischen Planungen ansetzen könnte.Wichtige weitere Abschnitte des Berufslebensdieser Person A sind z. B. ein Arbeitgeber-wechsel, der Aufstieg in die Führungsebeneund eine Weiterbildung, die zu einer Umori-entierung der beruflichen Fokussierung führt.

a) Person B nimmt nur an einer Fortbildungwährend der ersten Arbeitsphase teil, gefolgtvon einer längeren Familienphase. Nach demberuflichen Wiedereinstieg wird jedoch balddie zweite Familienphase eingelegt. Nachdem erneuten Wiedereinstieg wird bis zumEnde der Arbeitslaufbahn ohne große beruf-liche Veränderungen gearbeitet. Hier würdensich, neben dem Berufseinstieg, der Beginnder zweiten Familienphase und die erneuteBerufsphase als Kristallisationspunkte eignen,an denen eine berufsbiografische BefragungSinn macht, aber auch Gestaltungsimpulsefür die Förderung einer alternsgerechten Be-schäftigungsfähigkeit ansetzen könnten.

a) Person C bildet sich nach Abschluss einerers ten Berufsausbildung recht schnell zweimalfort und absolviert sogar eine Vollzeit-Wei-terbildung. Es folgt jedoch eine Phase der

Arbeitslosigkeit, die nur kurz von einer Be-rufsphase bei einem anderen Arbeitgeberunterbrochen wird. Erst nach einer Umorien -tierung und einer zweiten grundständigenBerufsausbildung ist ein erneuter Berufsein-stieg erfolgreich. Befragt man diese PersonC jetzt zwei Jahre nach diesem beruflichenNeueinstieg, so stellt sie die Mühsal des Be-rufslebens in den Mittelpunkt ihrer geschil-derten beruflichen Alternserfahrungen.

Bei jeder dieser Personen existieren also mehrerePunkte des Lebenslaufs, die sich sowohl retro-spektiv als auch prospektiv sehr gut eignen, umetwas über die erwerbsbiografischen Lerner-fahrungen herauszufinden, aber auch um Im-pulse für eine Förderung von Gesundheit undBeschäftigungsfähigkeit im Erwerbsverlauf zusetzen. Interventionen und/oder Interviews andiesen Kristallisationspunkten zeigen aber auchdie Bedeutung einer einzelfallgerechten Vorge-hensweise, die auch Erfahrungen beruflicherMühsal, die sich im Laufe des Erwerbslebensmanchmal anhäufen und die Berufsmotivationprägen, ernst nehmen.

Die besondere Herausforderung liegt darin, ei-nen nach vorne gerichteten Arbeitsgestaltungs-ansatz zu finden, der auch vom Aufwand hervertretbar ist, der seinen positiv-optimistischenImpetus als Voraussetzung für eine gelingendeLösungssuche beibehält und trotzdem die Men-schen ernst nimmt, die aus ihrer jeweils beson-deren Lebensgeschichte her handeln und vonihrem Selbstverständnis her eher die Mühsaldes Alltäglichen im Blick haben als die Chancenvon Entwicklungsprozessen.

Aktuell versuchen wir, diesen prinzipiell bran-chenunabhängigen Ansatz im Arbeitspaket „Ver-besserung der Arbeitsbedingungen Älterer“ desGender-Med-AC-Projektes (MGEPA NRW) in derPflege- und Gesundheitsbranche der RegionAachen umzusetzen und knüpfen dabei an Er-fahrungen in der gleichen Branche zur Etablie-rung eines wertschätzenden Gesundheitsma-nagements im Projekt PflegeWert (BMBF) an.Wir möchten dazu anregen, dieser Herausforde -rung von Ehrlichkeit und Individualität in zukünf -tigen Forschungsprojekten zum demografischenWandel mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

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ter Euphorie und erreichter „Größe“ verlierendiese internen Motivationsaspekte an Kraft.

Bei älteren Beschäftigten – insbesondere dann,wenn die Verrentung in greifbare Nähe kommt– ist zum Teil ein Abflauen des Engagementszu beobachten: Investitionen in die Berufstä-tigkeit und Karriere werden als nicht mehr loh-nend erachtet. Entsprechend ist nicht davonauszugehen, dass der Motivationsbedarf mitzunehmendem Alter nachlässt.

Ressourcen psychischer GesundheitBurnout ist keine Frage eines bestimmten Alters.Laut Daten des AOK-Fehlzeiten-Reports 2011liegt die Anzahl von burnoutbedingten Arbeits-unfähigkeitstagen bei Beschäftigten zwischen35 Jahren und dem Rentenalter in etwa aufgleich hohem Niveau. Psychische Gesundheits-ressourcen sind für alle Altersstufen gleichwichtig.

Folglich spricht offenbar nichts da-für, dass ältere Beschäftigte Lobund Anerkennung nicht mehrbenötigen. Positives Feedbackund eine freundliche Würdi-gung der eigenen Personund der Leistungen tun je-

dem gut – egal ob alt

Andere Frage: Werden Sie genug gelobt? Nein?Damit sind Sie nicht alleine. Laut Mitarbeiter-befragungen der AOK (s. Fehlzeiten-Report 2011)gaben beispielsweise 55 % der Befragten an,selten oder nie von ihrem Chef Lob wahrzuneh -men. Eine von der WirtschaftsWoche in Auftraggegebene Studie1 ergab, dass 65 % der befragtenManager keine gebührende Anerkennung imJob erfahren und sich entsprechend mehr Lobwünschen. Deutschland ist ein Land der Aner-kennungsmuffel. Wir loben nicht, lassen Aner-kennung oft nur implizit erspüren und könnenauch schlecht mit erhaltenem Lob umgehen.

Richtig schwierig wird die Lob-Thematik beimUmgang mit älteren Beschäftigten. Dass ein Älterer nach jahrelanger Erfahrung

seinen Job gut macht, istselbstverständlich. Einen

Newcomer, der seinenersten Vortrag hält,kann man leicht loben. Aber sollteman einem Seni -

Wertschätzung und Anerkennung sind in jedem Alter wichtigEin Plädoyer für mehr Lob für die WeltAnja Meuter, Dagmar Siebecke

or, der seinen 500. Vortrag hält, noch seine An-erkennung zum Ausdruck bringen? Leistung,Erfolge und gute Performance werden mit zu-nehmender Berufserfahrung immer selbstver-ständlicher. Wie kann man da als Vorgesetzteroder gar als junger, unerfahrener Mitarbeiterso vermessen sein, seinen älteren Kollegen zuloben?!

Es gibt Führungsratgeber, die sagen entspre-chend: „Vermeiden Sie, ältere Mitarbeiter in ir-gendeiner Form zu bewerten – auch, sie zu lo-ben! Denn das wirkt arrogant. Machen Sie sichklar, dass Ihnen als junger Mensch die Bewer-tung eines Älteren im Grunde nicht zusteht.“2

Da stellt sich die (rhetorische) Frage: Brauchenältere Beschäftigte weniger Lob und Anerken-nung? Um dies zu beantworten, betrachten wirzunächst die Effekte von Lob und Anerken-nung:

æ Lob und Anerkennung erhöhen Selbstwert-gefühl und Selbstwirksamkeitserwartung

æ Lob und Anerkennung motivieren

æ Anerkennung undWertschätzung sind

Ressou rcen psychischerGesundheit

Wie sieht das nun imEinzelnen bei älteren

Beschäftigten aus?

Selbstwertgefühl und Selbstwirksam-keitserwartungÄltere Beschäftigte können auf zahllose Ereig-nisse zurückblicken, in denen sie erfahren konn-ten, was sie wert sind und was sie bewegenkönnen. Ihr Selbstwertgefühl sollte gefestigtsein. In unserer anerkennungsarmen Arbeitsweltist das aber nicht selbstverständlich. So stelltsich häufig sogar das Gegenteil einer gesundenSelbstwirksamkeitserwartung ein: Resignation.Aber auch bei Beschäftigten, die auf ein erfolg-reiches, beeinflussbares Berufsleben blicken kön-nen, kann mit zunehmendem Alter das Selbst-bewusstsein gefährdet sein, wenn die Personnämlich an sich selbst beobachtet, dass die Leis-tungsfähigkeit nachlässt, dass es anstrengen -der wird, das alte Niveau zu halten oder manschlicht die Erfahrung macht, dass man den ei-genen hohen Ansprüchen nicht gerecht werdenkann. Es schleicht sich die Angst ein, nicht mehrgut genug zu sein und die Befürchtung, dassdas in den nächsten Jahren eher schlechter alsbesser werden wird. Somit können auch Ältereweiterhin von dem „Selbstwertgefühls-Push“von anerkennenden Worten oder Gesten profi-tieren.

MotivationJunge Menschen können durch die Möglichkeit,sich weiter zu entfalten und zu wachsen, intrin -

sische Motivation ent-wickeln. Die Begeis-terung für neue, in-teressante Inhalteträgt ebenfalls dazubei. Mit zunehmen-dem Alter, gedämpf-

Loben Sie genug? Natürlich tun Sie das. Sie zeigen Ihren Mitarbeitern und

Kollegen schon, dass Sie nicht unzufrieden mit ihnen sind – die können das

an Ihrem Verhalten spüren.

Anja Meuter, Dagmar Siebecke

oder jung. Wir Deutschen tun uns ja schon oftschwer damit ein Kind zu loben, und je älterunser Gegenüber wird, umso schwerer wird esfür uns, geeignete Worte oder Gesten zu fin-den.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen undFragen benötigen wir in Deutschland ein Um-denken – vielleicht so etwas wie eine Lob-Kul-tur-Revolution. Wir müssen lernen, unsere An-erkennung zum Ausdruck zu bringen und er-haltenes Lob dankend anzunehmen. Wir müsseneine Lob-freundliche Haltung entwickeln undWertschätzung auf breiter Front praktizieren.

Die Kampagne „Mehr Lob für die Welt“Das Unternehmen Meuter und Team im Müns-terland hat sich entschieden, eine solche Kul-tur-Revolution anzuzetteln. Als Kommunika -tionsagentur hat das Unternehmen die erstenSchritte einer Kampagne angestoßen. Unterdem Motto „Mehr Lob für die Welt“ möchte dasTeam motivieren und wachrütteln: „Schon einkleines Lob kann einen Menschen erfreuen. Undloben kann jeder von uns – jeden Tag!“ Um das„Lobspenden“ möglichst einfach zu machen, hatdie Agentur in einem ersten Schritt Lob-Setsentwickelt und verschenkt: mit ansprechendgestalteten Lobkarten zur großzügigen Vertei-lung und einer Anleitung zum erfolgreichen Lo-ben. Auf der begleitenden Webseite www.lob-fuer-die-welt.de kann jeder Besucher Lobkartenonline verschicken. Die Webseite erklärt die Idee

der Kampagne und wird laufend ergänzt.

Geplant sind Informationsveranstaltungen,Workshops, individualisierte Kampagnen

und Beratungsangebote, die beispiels-weise von Regionen, Multiplikatorenoder Unternehmen angefragt werdenkönnen. Ziel ist es, das Thema Lob prä-sent zu machen und damit mehr undmehr zu einer verdienten Selbstver-ständlichkeit werden zu lassen.

Je fester die Kultur der Anerkennungin das Unternehmensleitbild und in diePersonalentwicklung eingebunden ist,desto nachhaltiger kann sie wirken. Da-her kooperiert Meuter und Team mit

Psychologen und Arbeitswissenschaftlern – z. B.dem Burnon-Zentrum. Durch diese Kombinationaus Marketing und angewandter Wissenschaftwird ein neuer Weg beschritten, um ein wich-tiges psychologisches Thema in seiner prakti-schen Umsetzung voran zu treiben.

Damit aus der Kampagne tatsächlich eine Re-volution wird, braucht es aber noch mehr: Men-schen und Institutionen, die mitmachen. DieMöglichkeiten dazu sind breit gefächert: vonder Nutzung der Lobkarten und -mails über dasWeitersagen und Publikmachen der Kampagneoder das aktive Einbringen von Ideen und Bei-trägen bei zukünftigen Aktionen bis hin zurUmsetzung von individualisierten Lob-Promo-tion-Maßnahmen in Unternehmen, Regionenund Organisationen.

www.lob-fuer-die-welt.de

Die AutorinnenAnja Meuter ist Geschäftsführerin der Kom-munikationsagentur Meuter und Team GmbH– glänzende Kommunikation in Gescher. Sie ist Initiatorin der Kampagne „Lob für dieWelt“. Zusammen mit ihrer EtatdirektorinSonja Welper ist sie Ansprechpartnerin fürMitmach-Interessierte. www.meuter.de

Dr. Dagmar Siebecke ist Leiterin des Burnon-Zentrums in Ratingen. www.burnon-zentrum.de

1 http://www.n24.de/news/newsitem_628319.html2 M. Rummel, http://www.perso-net.de/fuehrung/potenzialent-

faltung/jung-fuehrt-alt/

præview Nr. 2 | 2013

Page 14: Partizipative Arbeitsgestaltung in einer alternden ... · lich positiver ein als die jüngeren Befragten, die die Unverzichtbarkeit der älteren Arbeitskräfte wohl erst in fernerer

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Wer meine Kolumne verfolgt, kennt auch meineMeinung zur Generation Y. Etwas verkürzt ge-sagt, halte ich sie für überschätzt und verwöhnt.Und wie ein Großteil meiner Generation macheich mir daher Sorgen um die Wettbewerbsfä-higkeit unserer zukünftigen Arbeitsgesellschaft.Worüber ich mir aber in den Jahren der inten-siven Beschäftigung mit dem demografischenWandel nicht genügend Sorgen gemacht habe,sind die Probleme, die gar nicht aus den Defizi-ten, sondern aus den neuen Kompetenzen derjungen Menschen erwachsen.

Ich meine damit die Fähigkeit zum Multitaskingoder zur Parallelverarbeitung: Während ich esbevorzuge „alles schön nach der Reihe“ zu er-ledigen, sind meine Kinder in der Lage, gleich-zeitig einen Film zu schauen, auf Facebook zukommunizieren, SMS zu schreiben, dabei dreiGeräte parallel zu bedienen – und ihre Hausauf -gaben zu machen. Das meine ich diesmal nichtironisch: Die junge Generation ist tatsächlichin der Lage, mehrere Dinge parallel zu tun. Obdas jetzt im reinen Sinne Multitasking sein mag,ist für mich eine akademische Frage, denn dieJungen tun es faktisch ohne wahrnehmbareProduktivitäts- oder Qualitätsverluste.

Jetzt werden Sie sagen: Was ist denn daranschlecht, wenn jemand etwas Neues

beherrscht und das auch nochgut macht? Das Problem für dieArbeitswissenschaft ist, dassunsere Modelle der Arbeits-

gestaltung und des Arbeits-schutzes in dieser Zielgruppe

dann nicht mehr funktionieren!

Wir beschäftigen uns seit Taylors„wissenschaftlicher Betriebsfüh-

rung“ mit der Strukturierungvon Arbeitsprozessen, mal mitdem Ziel der Humanisierung,mal mit dem Ziel der Produk-tivitätssteigerung. Wir teilen

Prozesse auf und setzen sie neuzu einer Arbeitsaufgabe zusam-

men, wie es uns unter den gegebenenZielkriterien sinnvoll erscheint. Dabei sindwir auch immer wieder zu unterschiedlichenErgebnissen gekommen – hier Fließband, daGruppenarbeit – aber ich kann mich an keinModell erinnern, bei dem individuelles Multi-tasking das Gestaltungsprinzip war. Im Gegen-teil: In Fällen, wo Parallel- und Echtzeitverar-beitung unvermeidbar war, wie etwa bei Flug-lotsen oder Anlagenführern, wurden durch dieArbeitsgestaltung großzügige Entlastungen fürdie Betroffenen geschaffen. Und nun struktu-riert eine Generation ihre Arbeit diametral ent-gegengesetzt. Wo soll das denn hinführen?

Erst einmal wird ein Haufen Zeitmanagement-Berater arbeitslos. Denn Zeitmanagementbasiert darauf, eine selbstgestaltete Ord-nung in die anliegenden Aufgabenzu bringen, sich möglichst unab-hängig von äußeren Störeinflüs-sen zu machen, gleichartigeArbeitsprozesse zu bündeln,getaktete Arbeit zu vermei-den, Puffer zu schaffen undso weiter und so fort. Ich be-haupte, dass alle, wirklich alle diese Prinzipienauf den Arbeits- und Lebensstil der jungen Ge-neration nicht mehr passen.

Weiter gedacht wird diese Generation, sobaldsie die Möglichkeit hat und „an der Macht“ ist,Arbeitsstrukturen entwickeln, die ihren Ge-wohnheiten und Präferenzen ent- und unserenwidersprechen. Die Sequenzialität als Gestal-tungsmerkmal wird der Parallelität weichen, dieTransparenz und Überschaubarkeit der Planungwird durch eine innovative Sprunghaftigkeit er-setzt. Diese Prozessstrukturen werden alle die-jenigen ausgrenzen, die nicht multitaskingfähigsind, also vor allem die Älteren.

Aber es geht noch weiter: Arbeitsschutzprinzi-pien sind bei diesem neuen Arbeitsstil nicht nuranachronistisch, sondern mehr be- als entlas-tend. Pausenregelungen etwa unterbrechen denKommunikationsfluss und stören bei Parallel-

Bildnachweis: Porträts: adesso AG, S. 11(Striemer, Carell); HannaBergs, S. 23 (Fuchs); Kurt-Georg Ciesinger, S. 14 (Kuhn), S. 15(Seiler); fotobrell Moers, S. 23 (Rausch); Viktoria Glasmachers,S. 5 (Marktplatz Berlin-Tagung 16.5.13); Foto Köhler, S. 9 (Frevel);Meuter und Team, S. 25 (Meuter); Foto Murer Bregenz, S. 9(Geißler); Michael Ollmann, S. 21 (Kurt); Lisa Schweizer, S. 21(Hiddemann); Dagmar Siebecke, S. 2 (Klatt), S. 19 (Weiling); DebbiSiebecke, S. 25 (Siebecke); Goggi Strauss, S. 19 (Rauball); HansWaerder, S. 26 (Ciesinger).Fotolia.com: haveseen, Titel; Sergey Kohl, S. 2; Mopic, S.2/3; tiero,S. 5/6, S. 18/19; lirtlon, S. 6/7; Joachim Wendler, S. 8; EugenioMaron giu/bofotolux, S. 11; Klaus Eppele, S. 12; Andrey Burmakin,S. 16/17; peshkova-heller, S. 20; chones, S. 22/23; drubig-foto,S. 24/25; Jörg Lantelme, S. 26/27.

Tausendsassa oder Zappelphilipp?Multitasking als Paradigma der Arbeitsgestaltung

Bezugsadresse /Kontakt: Redaktion præviewgaus gmbh – medien bildung politikberatungMärkische Straße 86-88, 44141 Dortmundfon 0231/47 73 79-30, fax 0231/47 73 [email protected], www.zeitschrift-praeview.de

impressum

præview – Zeitschrift für innovative Arbeits-gestaltung und Prävention4. Jahrgang 2013 – ISSN 2190-0485 – Erscheinungsort DortmundHerausgeber: Dr. Rüdiger Klatt, DortmundVerantwortlicher Redakteur: Kurt-Georg Ciesinger,DortmundOnline-Redaktion: Pia Rauball, DortmundLektorat: Ursula Meyer, BonnKorrektorat: Simone DanischDruck: Druckerei Schmidt GmbH & Co.KG, 44536 LünenLayout: Q3 design GbR, Dortmund, www.Q3design.de

DLR

verarbeitung immer einen laufenden Prozess.Das gleiche gilt für Arbeitszeiten, Arbeitsplatz-und Informationsflussgestaltung oder Arbeits-strukturierung. Diese „Entlastungsmechanis-men“ werden daher in der neuen Generationnicht mehr durchsetzbar sein.

Auch die Frage der ständigen Verfügbarkeitmuss neu definiert werden. Gerade in den letz-ten Jahren gab es breite gesellschaftliche Dis-kussionen um Regelungsbedarfe zum Schutzder Arbeitnehmer. Kommende Generationenwerden solche Schutzmaßnahmen, etwa Zu-gangsbeschränkungen zu Mailservern außerhalbder Arbeitszeit, als Angriff auf ihre informato-rische Selbstbestimmung auffassen. Oder andersausgedrückt: Der neuen Generation entstehtStress, wenn sie nicht ständigen unbeschränktenZugang zu allen Informationen hat.

Die Artikel dieser Ausgabe der præview basieren auf Ergeb -nissen der Projekte- DEBBI: Diskontinuierliche Erwerbsbiografien als Innovations -

chance – Erschließung der Potenziale innovativer Älterer durch Ge -staltung betrieblicher Innovationssysteme (FKZ 01HH11052-54)

- PflegeWert: „Optimierung und Innovation in der Altenpflegedurch systematisierte Wertschätzung“ (FKZ 01FB09001)

Die Projekte werden gefördert vom Bundesministerium für Bil-dung und Forschung und der Europäischen Union (EuropäischerSozialfonds) und im Rahmen des Förderschwerpunktes „Inno-vationsfähigkeit im demografischen Wandel“ vom Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. „Arbeits -gestaltung und Dienstleistungen“ betreut.

Das Projekt Gender-Med-AC – „Arbeit, Familie und Karriere ininnovativen Unternehmen der Gesundheitsregion Aachen“ wirdvon 2012-2014 gefördert durch das Land Nordrhein-Westfalenund die Europäische Union.

FörderschwerpunktInnovationsfähigkeit imdemografischen Wandel

„Always on“ ist der neue Lebensstil. Damit ent-steht auch eine neue Verhaltens-Etikette, diebereits heute große Verwerfungen zwischen denGenerationen hervorruft. Junge Menschen sindso auf kommunikative Verfügbarkeit und infor-matorische Aktualität fixiert, dass sie in Ge-sprächen gleichzeitig SMS schreiben oder ausSitzungen twittern. Es ist in Kneipen mittler-weile ein gängiges Bild, dass sich Gesprächs-partner gegenüber sitzen und, statt sich mitei-nander zu unterhalten, jeweils per Smartphonemit nicht Anwesenden kommunizieren. Die Aus-wirkungen dieser neuen Kommunikationsstileauf die Kultur der Zusammenarbeit im Betrieb

sollten dringend thematisiert werden.

Wir müssen das Ganze als Arbeits-wissenschaftler natürlich erst mal ge-nau beobachten. Vielleicht wächst sichdiese Tendenz wieder aus, wenn die jungenMenschen das Interesse an hoher Informati-onsdichte verlieren oder es sich herausstellt,dass die „Energieeffizienz“ der Parallelverarbei-tung doch zu gering ist. Aber falls nicht, habenwir ein ganz neues, strukturelles Problem derArbeitsgestaltung. Und die Arbeitswissenschaft-ler der Generation Y haben endlich ein eigenesForschungsfeld.

Kurt-Georg Ciesinger

prævokation

Die fruchtbarsten Diskussionen entstehen durch den Austausch

kontroverser Ansichten. Die Kolumne prævokation ist ein Fo rum

für die Formulierung von pointierten Stand punk ten abseits der

„herrschenden Meinung“.

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