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Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) Patient und Arzt als Team Shared Decision Making (SDM) Patient and Physician as a Team Christiane Bieber, Kathrin Gschwendtner, Nicole Müller, Wolfgang Eich Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Universitätsklinikum Heidelberg VNR 2760512016149753810 Schlüsselwörter " Partizipative Entscheidungs- findung (PEF) " Arzt-Patient-Interaktion " Medizinische Entscheidungs- hilfe " Patientenzentrierung Keywords " Shared Decision Making (SDM) " physician-patient-interaction " Patient Decision Aid (PtDA) " patient-centeredness Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0042-105277 Psychother Psych Med 2016; 66: 195207 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0937-2032 Korrespondenzadresse PD Dr. med. Christiane Bieber Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Universitätsklinikum Heidelberg Thibautstraße 2 69115 Heidelberg [email protected] heidelberg.de Fort- und Weiterbildung 195 Lernziele ! Dieser Fortbildungsartikel gibt einen Überblick über das Konzept der Par- tizipativen Entscheidungsfindung (PEF) sowie über weitere Modelle der Arzt-Patient-Interak- tion erläutert die Umsetzung von PEF im Rahmen des individuellen Arzt-Patienten-Kontaktes erläutert Indikationen, Effekte und Argumente für den Einsatz von PEF erläutert den gesundheitspolitischen Hinter- grund der Patientenbeteiligung in Deutschland Einführung ! Der Begriff Partizipative EntscheidungsfindungPEF (englisch auch: Shared Decision MakingSDM) steht für eine partnerschaftliche Entschei- dungsfindung im medizinischen Kontext, die aus einem patientenzentrierten Ansatz heraus er- wächst. Definiert wird Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) als ein Interaktionsprozess mit dem Ziel, unter gleichberechtigter aktiver Beteiligung von Patient und Arzt auf Basis geteilter Information zu einer gemeinsam verantworteten Übereinkunft zu kommen.[1] Die Partizipative Entscheidungsfindung wird mittlerweile von vielen Akteuren des Gesund- heitssystems als besonders günstige Form der Arzt-Patient-Interaktion verstanden [2], da sie den mündigen, informierten Patienten in den Mittelpunkt des Handelns stellt. Patient und Arzt begegnen sich in diesem Modell als gleichberech- tigte Partner. Im PEF-Modell finden sowohl mög- liche Autonomiewünsche des Patienten als auch Bieber C et al. Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) Psychother Psych Med 2016; 66: 195207 Zusammenfassung ! Der Artikel gibt einen Überblick über das Konzept der Partizipativen Entscheidungsfindung (PEF), das von vielen Akteuren des Gesundheitssystems als besonders günstige Form der Arzt-Patient-In- teraktion verstanden wird. Die PEF wird abge- grenzt gegen weitere Modelle der Arzt-Patient- Interaktion wie das Paternalistische Modell und das Informationsmodell. Neben den Akzeptanz- werten von PEF in der Bevölkerung und unter Ärzten wird auch auf mögliche Barrieren in der Umsetzung eingegangen. Anwendungsbereiche für die PEF werden besprochen und Strategien so- wie Hilfsmaterialien zur Umsetzung im individu- ellen Arzt-Patient-Kontakt dargestellt und an- hand eines onkologischen Fallbeispiels vertieft. Effekte der PEF für Patienten und für Behandler werden aufgezeigt. Nach Eingehen auf wichtige Quellen von PEF erfolgt die Einordnung vor dem aktuellen gesundheitspolitischen Hintergrund in Deutschland. Abstract ! The article provides an overview on Shared Deci- sion Making (SDM), which is considered as the ideal form of physician-patient-interaction by many stakeholders of the health care system. SDM is distinguished from other models of physi- cian-patient-interaction such as the paternalistic model and the information model. Besides the de- gree of acceptance of SDM in the general popula- tion and among physicians, barriers for its imple- mentation will be reported. Indications for SDM as well as strategies and support material for its use in individual consultations will be discussed and illustrated by an oncological case study. Ef- fects of SDM for patients as well as for clinicians will be highlighted. After background information on origins of SDM, its significance with regard to health policy in Germany is discussed. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

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Page 1: Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) Patient … · Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) – Patient und Arzt als Team Shared Decision Making (SDM) – Patient and Physician

Partizipative Entscheidungsfindung (PEF) –Patient und Arzt als TeamShared Decision Making (SDM) – Patient and Physician as a Team

Christiane Bieber, Kathrin Gschwendtner, Nicole Müller, Wolfgang Eich

Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Universitätsklinikum Heidelberg

VNR2760512016149753810

Schlüsselwörter●" Partizipative Entscheidungs-

findung (PEF)●" Arzt-Patient-Interaktion●" Medizinische Entscheidungs-

hilfe●" Patientenzentrierung

Keywords●" Shared Decision Making

(SDM)●" physician-patient-interaction●" Patient Decision Aid (PtDA)●" patient-centeredness

BibliografieDOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-105277Psychother Psych Med 2016;66: 195–207© Georg Thieme Verlag KGStuttgart · New YorkISSN 0937-2032

KorrespondenzadressePD Dr. med. Christiane BieberKlinik für Allgemeine InnereMedizin und Psychosomatik,Zentrum für PsychosozialeMedizin, UniversitätsklinikumHeidelbergThibautstraße 269115 [email protected]

Fort- und Weiterbildung 195

Lernziele!

Dieser Fortbildungsartikel…▶ gibt einen Überblick über das Konzept der Par-

tizipativen Entscheidungsfindung (PEF) sowieüber weitere Modelle der Arzt-Patient-Interak-tion

▶ erläutert die Umsetzung von PEF im Rahmendes individuellen Arzt-Patienten-Kontaktes

▶ erläutert Indikationen, Effekte und Argumentefür den Einsatz von PEF

▶ erläutert den gesundheitspolitischen Hinter-grund der Patientenbeteiligung in Deutschland

Einführung!

Der Begriff „Partizipative Entscheidungsfindung“– PEF (englisch auch: „Shared Decision Making“– SDM) steht für eine partnerschaftliche Entschei-dungsfindung im medizinischen Kontext, die aus

einem patientenzentrierten Ansatz heraus er-wächst.

Definiert wird Partizipative Entscheidungsfindung(PEF) als „ein Interaktionsprozess mit dem Ziel,unter gleichberechtigter aktiver Beteiligung vonPatient und Arzt auf Basis geteilter Information zueiner gemeinsam verantworteten Übereinkunftzu kommen.“ [1]

Die Partizipative Entscheidungsfindung wirdmittlerweile von vielen Akteuren des Gesund-heitssystems als besonders günstige Form derArzt-Patient-Interaktion verstanden [2], da sieden mündigen, informierten Patienten in denMittelpunkt des Handelns stellt. Patient und Arztbegegnen sich in diesem Modell als gleichberech-tigte Partner. Im PEF-Modell finden sowohl mög-liche Autonomiewünsche des Patienten als auch

Bieber C et al. Partizipative Entscheidungsfindung (PEF)… Psychother Psych Med 2016; 66: 195–207

Zusammenfassung!

Der Artikel gibt einen Überblick über das Konzeptder Partizipativen Entscheidungsfindung (PEF),das von vielen Akteuren des Gesundheitssystemsals besonders günstige Form der Arzt-Patient-In-teraktion verstanden wird. Die PEF wird abge-grenzt gegen weitere Modelle der Arzt-Patient-Interaktion wie das Paternalistische Modell unddas Informationsmodell. Neben den Akzeptanz-werten von PEF in der Bevölkerung und unterÄrzten wird auch auf mögliche Barrieren in derUmsetzung eingegangen. Anwendungsbereichefür die PEF werden besprochen und Strategien so-wie Hilfsmaterialien zur Umsetzung im individu-ellen Arzt-Patient-Kontakt dargestellt und an-hand eines onkologischen Fallbeispiels vertieft.Effekte der PEF für Patienten und für Behandlerwerden aufgezeigt. Nach Eingehen auf wichtigeQuellen von PEF erfolgt die Einordnung vor demaktuellen gesundheitspolitischen Hintergrund inDeutschland.

Abstract!

The article provides an overview on Shared Deci-sion Making (SDM), which is considered as theideal form of physician-patient-interaction bymany stakeholders of the health care system.SDM is distinguished from other models of physi-cian-patient-interaction such as the paternalisticmodel and the informationmodel. Besides the de-gree of acceptance of SDM in the general popula-tion and among physicians, barriers for its imple-mentation will be reported. Indications for SDMas well as strategies and support material for itsuse in individual consultations will be discussedand illustrated by an oncological case study. Ef-fects of SDM for patients as well as for clinicianswill be highlighted. After background informationon origins of SDM, its significance with regard tohealth policy in Germany is discussed.

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sein Bedarf nach Anlehnung und Anleitung durchden Arzt individuelle Berücksichtigung.

Als Voraussetzung für eine Partizipative Entschei-dungsfindung in der Medizin gilt eine ethischeGrundhaltung der Behandler, die ein Selbstbestim-mungsrecht des Patienten als Wert an sich akzep-tiert [3] und eine Patientenzentrierung anstrebt.

PEF ist bei wichtigen Behandlungsentscheidun-gen relevant, aber auch andere Entscheidungenkönnen partizipativ getroffen werden (z.B.Durchführung diagnostischer Tests oder Scree-ningmaßnahmen, Krankschreibung, Ort der Be-handlung, Beendigung der Behandlung).Während eine patientenzentrierte Herangehens-weise in den psychosozialen Fächern der Medizinheute eher als Selbstverständlichkeit gilt, ist sieim somatischen Bereich der Medizin noch nichtflächendeckend angekommen. Insofern kann dasPEF-Konzept auch als ein Vehikel begriffen wer-den, die Verbreitung einer patientenzentriertenHaltung in der somatischen Medizin zu fördern.

Der Bedarf für PEF!

Wichtige Impulse hin zu einer Stärkung der Auto-nomie des Patienten ergeben sich einerseits ausder Tatsache, dass evidenzbasierte Therapieop-tionen in den letzten Jahren durch den wissen-schaftlichen Fortschritt in vielen Bereichen derMedizin rasant zunehmen. Dadurch bestehen zu-nehmend auch Wahlmöglichkeiten zwischen ver-schiedenen Behandlungsoptionen, die sich hin-sichtlich Ergebnis, Risiken und Nutzen stark un-terscheiden können. Relevant wird dies ganz be-sonders bei schwerwiegenden, potenziell lebens-bedrohlichen Erkrankungen sowie bei chronisch-lebensbegleitenden Erkrankungen. Die Perspekti-ve des Patienten, seine Vorstellungen und Werte,seine Risikobereitschaft, sein Sicherheitsbedürf-nis sollten daher schon aus einer ethischen Hal-tung heraus Berücksichtigung finden. Anderer-seits können sich Patienten mittlerweile umfas-sender informieren, da Gesundheitsinformatio-nen z.B. über das Internet zunehmend auch fürmedizinische Laien verfügbar sind. Das traditio-

nelle Rollenverständnis zwischen Ärzten und ih-ren Patienten wird damit infrage gestellt und Be-handler treffen zunehmend auf Patienten, die gutinformiert sind und sich aktiv an Behandlungs-entscheidungen beteiligen wollen.

Charakterisierung der PEF!

Das Konzept der PEF fand zunächst im angloame-rikanischen Sprachraum die größte Beachtungund wurde seit den 90er-Jahren in einigen kon-zeptionellen Veröffentlichungen dargelegt [4–7].Die Kanadierin Cathy Charles [5] benannte in die-sem Zusammenhang erstmals die vier Charakte-ristika der PEF:▶ Mindestens zwei Personen, der Arzt und der

Patient, sind in den Entscheidungsprozess bzgl.einer Behandlung involviert

▶ Sowohl der Arzt als auch der Patient teilen ihreInformationen miteinander

▶ Arzt und Patient nehmen an dem Entschei-dungsprozess teil, indem sie sich gegenseitigihre Behandlungspräferenzen offen legen

▶ Arzt und Patient treffen eine Behandlungsent-scheidung und stimmen darin überein, dieseBehandlung durchzuführen

Um die Besonderheiten des PEF-Modells würdi-gen zu können, ist es notwendig, es gegen anderemögliche Formen der Arzt-Patient-Interaktionabzugrenzen, was im folgenden Abschnitt erfolgt.

Das Spektrum der Arzt-Patient-Inter-aktion!

Innerhalb des Gesundheitswesens können min-destens drei unterschiedliche Ausgestaltungswei-sen der Arzt-Patient-Interaktion zur Anwendungkommen, die jeweils mit einem variierenden Rol-lenverständnis von Arzt und Patient einhergehen.Die Partizipative Entscheidungsfindung nimmtim Spektrum dieser möglichen Formen hinsicht-lich der vorhandenen Patientenautonomie eineMittelstellung zwischen dem PaternalistischenModell und dem Informationsmodell ein (vgl.auch [6–8]) (●" Abb.1).In der Praxis finden sich dabei auch Mischformen,aus didaktischen Gründen sollen hier allerdingsdie Idealtypen beschrieben werden.Beim Modell der Partizipativen Entscheidungsfin-dung treffen Arzt und Patient gemeinsam die Ent-scheidung, nachdem sie medizinische und auchbehandlungsrelevante persönliche Informationenausgetauscht und ihre Rollen- und Behandlungs-präferenzen offengelegt haben. Die Verantwor-tung für die Umsetzung der Behandlung wird so-mit geteilt [5].Beim Paternalistischen Modell in seiner reinstenForm beschränkt sich die Patientenautonomieauf ein Minimum [5]. Die medizinischen Informa-tionen sind nur dem Arzt bekannt, welcher nach-

Entscheidung wird getroffen undVerantwortung getragen vom ...

Arzt alleine Patient alleine

PaternalistischesModell

PartizipativeEntscheidungsfindung (PEF)

Informations-modell

Autonomie des Patienten

Abb.1 Das Spektrum der Arzt-Patient-Interaktion [7].

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folgend alleinverantwortlich, im vermeintlichbesten Interesse des Patienten entscheidet, ohneallerdings dessen explizite Bedürfnisse zu ken-nen. Neben Elementen der Fürsorge und derwohlwollenden Beratung birgt dieses Modell dieGefahr der Bevormundung und partiellen Ent-mündigung des Patienten. Das PaternalistischeModell wird traditionell in der Medizin ange-wandt, herrscht im deutschen Medizinsystemauch heute noch vor, befindet sich jedochmittler-weile aus verschiedensten Gründen auf demRückzug.Am diametralen Pol dieses Spektrums befindetsich das Informationsmodell, bei welchem die Pa-tientenautonomie ein Maximum erreicht [5]. DerArzt stellt seinem Patienten alle relevanten medi-zinischen Informationen zur Verfügung, nimmtsich aus dem Prozess der Entscheidungsfindungjedoch heraus. Der Patient wägt die erhaltenenInformationen vor dem Hintergrund seiner eige-nen Befürchtungen und Erwartungen ab und ent-scheidet alleinverantwortlich. Das Informations-modell knüpft an das Kundenmodell der freienWirtschaft an und legt damit eine andere Bezie-hungs- und Hierarchiestruktur zugrunde [8]. DerArzt fungiert als Experte und Dienstleister, derPatient befindet sich in der Rolle des Kunden.Eine mögliche Gefahr liegt bei diesem Modell inder Überforderung des Patienten.Während beim Paternalistischen Modell sowiebeim Informationsmodell die ausgetauschten In-formationen hauptsächlich medizinischer Natursind, werden im PEF-Modell auch behandlungsre-levante persönliche Informationen zwischen Arztund Patient ausgetauscht [9] (●" Abb.2). Zwei Per-sonen treffen hier gleichberechtigt aufeinander,der Arzt ist Experte für das medizinische Fachwis-sen, dem Patienten sind seine eigenen persönli-chen Werte, Wünsche und Vorstellungen be-kannt. Erwartungen, aber auch Sorgen, Ängsteund Befürchtungen des Patienten dürfen undsollen explizit thematisiert werden. Auch derArzt darf seine persönlichen Behandlungserfah-

rungen einbringen. Es obliegt dabei dem Arzt,durch Herstellen einer vertrauensvollen Atmo-sphäre und ggf. konkretes Nachfragen, den Aus-tausch über diese Themen überhaupt erst zu er-möglichen [7].

Akzeptanz der PEF!

Seit Beginn entsprechender Erhebungen Ende des20. bzw. Anfang des 21. Jahrhunderts ist anhandgroßer Datensätze gut belegt, dass sich die Mehr-heit der Bürger in Deutschland [10, 11] und auchin anderen europäischen Ländern [12] eine part-nerschaftliche Beteiligung bei medizinischen Ent-scheidungen wünscht. Beispielsweise sprechensich in den seit 2001–2012 jährlich durchgeführ-ten Erhebungen des Gesundheitsmonitors derBertelsmannstiftung relativ konstant etwas mehrals die Hälfte aller Befragten für PEF als ihrWunschmodell aus (●" Abb.3).Während die theoretische Zustimmung zu PEFbei Ärzten sogar noch stärker auszufallen scheintals bei den Bürgern und sich in einer Umfrage un-ter 500 Ärzten sogar 75% für die Partizipative Ent-scheidungsfindung als ihr Wunschmodell im Um-gangmit Patienten aussprechen [13], spiegelt sichdies in der Behandlungsrealität offensichtlichnicht wider. Anspruch und Wirklichkeit klaffenweit auseinander (●" Abb.4): Patienten haben z.B.imVergleichzudenbehandelndenÄrztendeutlichseltener den Eindruck, dass ihre Vorstellungenüber die Behandlungmiteinbezogenwerden (37%der Patienten vs. 66% der Ärzte), oder ihnen Vor-und Nachteile verschiedener Behandlungen er-klärt wurden (51% der Patienten vs. 89% der Ärz-te).Studien zeigten überdies, dass Ärzte ihre eigenenkommunikativen Fertigkeiten über- und denKommunikationsbedarf ihrer Patienten unter-schätzen [14].Aus ärztlicher Sicht sind diewichtigsten Barrierenfür die Umsetzung von PEF im klinischen Alltag

Austauschvon Information

Wer entscheidet, welcheBehandlung durchgeführt wird?

Richtung desInformations-flusses

Art derInformation

Ausmaß derInformation

PaternalistischesModell

Arzt

Arzt

Patienten

medizinisch

den gesetzlichenAnforderungenentsprechend

Informations-modell

Arzt

Patient

Patienten

medizinisch

alles für dieEntscheidung

relevante

PartizipativeEntscheidungsfindung

(PEF)

Arzt

Arzt und Patient

Patienten

medizinisch undpersönlich

alles für dieEntscheidung

relevante

Abb.2 Die Bedeutung der Information in den Modellen der medizinischen Entscheidungsfindung [4].

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ein wahrgenommener Zeitdruck sowie die An-nahme, dass ein Patient aufgrund seiner Charak-teristika oder aufgrund der klinischen Situationnicht für den PEF-Ansatz geeignet sei [15]. Es gibtjedoch Hinweise, dass selbst Patienten, die eineeher passive Rolle im Entscheidungsfindungspro-zess wünschen, von einer aktiven Einbeziehungbesonders profitieren, weil die passive Haltungmöglicherweise eher durch einen Mangel anSelbstwirksamkeitserwartungen als durch einechtes Desinteresse an Beteiligung zu verstehenist [16]. Auch scheint PEF in ärztlichen Konsulta-tionen nicht notwendigerweise den Zeitaufwandzu erhöhen [16].In einer repräsentativen Übersichtsarbeit zeigtesich, dass Patienten die Hauptbarriere für eine ak-tive Entscheidungsteilhabe in einemWissens- so-wie einem Machtungleichgewicht zwischen sichund den Ärzten sehen. Es wurde deutlich, dass esnicht so sehr am Willen der Patienten zur Beteili-gung liegt, sondern vielmehr an den durch die be-handelnden Ärzte eingeräumten Möglichkeitenund Gelegenheiten zur Partizipation [17].

Indikationen für PEF!

In der Literatur werden zahlreiche Faktoren be-nannt, die die Anwendung des PEF-Modells als in-diziert erscheinen lassen [4, 9, 18]:

Eine Entscheidungsfindung im Einklang mit PEF-Prinzipien sollte insbesondere dann erwogen wer-den, wenn verschiedene evidenzbasierte Behand-lungsmethoden zur Wahl stehen, die als gleichwer-tig erachtet werden können, die sich aber hinsicht-lich ihrer Konsequenzen für das weitere Leben desPatienten unterscheiden.

Dabei sollte bedacht werden, dass Behandlungs-optionen sich in ihrem Risiko-Nutzen-Profil un-terscheiden können, unterschiedliche Konse-quenzen für das körperliche und psychischeWohlbefinden des Patienten mit sich bringenkönnen und das Ergebnis der Behandlung oft un-gewiss ist. Dies trifft sowohl bei schwerwiegen-den medizinischen Entscheidungen (z.B. in derOnkologie) als auch bei der Behandlung chroni-scher Erkrankungen zu. Weitere Indikationen fürdie Anwendung des PEF-Modells können derWunsch des Patienten nach Beteiligung an derEntscheidungsfindung sein, aber auch, dass derArzt die Verantwortung nicht alleine überneh-men kann und will.Whitney [19] entwickelte in diesem Kontext einModell zur Auswahl der Herangehensweise anmedizinische Entscheidungen, das sowohl denGrad an medizinischer Gewissheit/Sicherheit alsauch den Grad der Bedeutsamkeit für den Patien-ten berücksichtigt (●" Abb.5). DasModell soll Ärz-ten bei der Einschätzung behilflich sein, welcheHerangehensweise an die medizinische Entschei-dungsfindung am ehesten indiziert ist. Bei diesemModell liegt ein sehr breiter Anwendungsbereichfür PEF vor, Arzt und Patient können demnach oftgemeinsam entscheiden.

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Vor-/Nachteile versch.Behandlungen erklärt

Behandlungsalternativevorgeschlagen

Infomaterialmitgegeben

zur Nutzung andererInfoquellen ermuntert

Aufgefordert Fragenzu stellen

Vorstellungen des Pt.einbezogen

PatientenperspektiveArztperspektive

Abb.4 Diskrepante Perspektiven: Verhalten des Hausarztes aus Arzt- und aus Patientensicht(n=502 Ärzte und n=1512 Bürger) [14].

Welchen Behandlungsstil würden Sie als Patient bevorzugen?

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n > 14 600 deutsche Bürger in denJahren 2001 – 2012

Paternalistisches Modell

PartizipativeEntscheidungsfindung

Informationsmodell

Abb.3 Bevorzugtes Modell der Entscheidungsfindung in Deutschland [11].

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Ist die Bedeutsamkeit der medizinischen Maß-nahme für den Patienten gering und gibt es ausmedizinischer Sicht ohnehin nur eine möglicheVorgehensweise, ist die Gewissheit bezüglich deskorrekten Vorgehens demnach groß und der Arzteher dazu geneigt, die Führung zu übernehmenund paternalistisch vorzugehen (siehe rechte un-tere Ecke im Modell nach Whitney). Als Beispielhierfür kann die Indikation zur Appendektomiebei einer akuten Appendizitis gesehen werden.Auch in Notfallsituationen oder in emotionalenbzw. kognitiven Überforderungssituationen desPatienten ist in der Regel ein paternalistischesVorgehen sinnvoll. Anders verhält es sich in Situa-tionen, in denen die Bedeutsamkeit der Maßnah-me für den Patienten sehr groß ist, die Gewissheitüber die beste evidenzbasierte Vorgehensweiseaber gering, weil es entweder sehr viele evidenz-basierte Optionen gibt, oder aber keine der vor-handenen Optionen als evidenzbasiert geltenkann. In diesen Fällen kann die Entscheidunghauptsächlich durch den Patienten getroffen wer-den (siehe linke obere Ecke im Modell). Ein Bei-spiel hierfür kann die Entscheidung zu einem kos-metischen Eingriff sein. Ein potenzieller Konfliktzwischen Patient und Arzt ist vorprogrammiert,wenn die Bedeutsamkeit für den Patienten sehrgroß ist und die medizinische Evidenz eindeutigfür eine bestimmte Vorgehensweise spricht, dieder Präferenz des Patienten aber widerspricht(siehe rechte obere Ecke im Modell). Ein Beispielhierfür kann eine schwere Anämie mit der Not-wendigkeit einer Bluttransfusion sein, die der Pa-tient jedoch aus z.B. religiösen Gründen ablehnt.Wie nun die Umsetzung der PEF im individuellenArzt-Patient-Kontakt erfolgen kann, wird im fol-genden Abschnitt erläutert.

Die Umsetzung von PEF im individuellenArzt-Patient-Kontakt!

Eine Voraussetzung für PEF ist eine patientenzen-trierte Grundhaltung des Arztes, sowie eine Offen-heit für die Bedürfnisse des Patienten. PEF kann nurin einer vertrauensvollen, partnerschaftlichen At-mosphäre gelingen [18].

Hervorzuheben ist hierbei, dass zwar die Patien-tenautonomie respektiert wird, vonseiten desArztes eine Teilhabe an der Therapieentschei-dung aber nicht erzwungen werden kann. Patien-ten sollten in dem von ihnen bevorzugten Aus-maß beteiligt werden [20]. Diese Herangehens-weise erfordert ein gewisses Maß an Flexibilitätseitens des Arztes, sich auf die jeweiligen Beteili-gungsbedürfnisse des Patienten einzustellen undden eigenen Konsultationsstil entsprechend an-zupassen, denn auch ein Erzwingen von Patien-tenbeteiligung kann eine Form von bevormun-

dendem Paternalismus darstellen [18] und solltedaher unterbleiben.Im individuellen Arzt-Patient-Kontakt kann PEFgelingen, wenn bestimmte UmsetzungsschritteBerücksichtigung finden, die von Towle et al. [6]und von Elwyn et al. [18] herausgearbeitet wur-den. Im Wesentlichen können diese Umsetzungs-schritte unter 6 Punkten zusammengefasst wer-den, die nicht in starrer Reihenfolge durchlaufenwerden müssen, sich aber sinnvollerweise in derKonsultation wiederfinden sollten, um PEF zu er-möglichen (●" Abb.6).Die Prozessschritte helfen dabei, das Konsulta-tionsgespräch in 3 Phasen zu gliedern. In der An-fangsphase („Team Talk“) sollte seitens des Arztestransparent gemacht werden, dass eine Entschei-dung ansteht und mehrere Möglichkeiten beste-hen, mit dem Problem umzugehen. Gleichzeitigsollte das Angebot für ein partnerschaftliches Rol-lenverständnis erfolgen. Die Informationsphasebeinhaltet einen Austausch von fachlichen undpersönlichen Informationen („Option Talk“). Essollte vom Arzt erfasst werden, ob die Informatio-nen verstanden wurden, wie die Sichtweise desPatienten ist und welcher Informations- und Be-ratungsbedarf noch besteht. In der Abschlusspha-se („Decision Talk“) sollte geklärt werden, welcheBehandlungs- und Rollenpräferenzen auf beidenSeiten bestehen und es sollten Vereinbarungengetroffen oder auch vertagt werden.

hoch

gering

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Entscheidunghauptsächlich

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Entscheidunghauptsächlichdurch den Arzt

potenziellerKonflikt

Bereich der Anwendbarkeitvon PEF

Abb.5 Modell zur Anwendbarkeit von PEF [18].

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Strategische Ansätze und Hilfsmaterialienzur Umsetzung von PEF!

Umdie Umsetzung von PEF im individuellen Arzt-Patienten-Kontakt zu fördern, kann sowohl aufArzt- als auch auf Patientenseite angesetzt wer-den.

Viele Ärzte befürworten zwar ein Vorgehen nachPEF-Prinzipien, die Umsetzung scheitert dann je-doch häufig an mangelnden Kommunikationsfer-tigkeiten [18]. Die hierfür notwendigen Kompeten-zen gehen über die grundlegenden Kommunika-tionsfertigkeiten hinaus, die bislang standardmäßigin der medizinischen Ausbildung vermittelt wurden[22].

Ärzte haben jedoch die Möglichkeit, in speziellenPEF-Kommunikationstrainings zu lernen, Patien-ten bei Behandlungsentscheidungenmit einzube-ziehen [23–26]. Ein wichtiges Element von PEF-Schulungen sind Elemente der Risikokommuni-kation, da sowohl Patienten als auch ihre Ärztesich mit dem Verständnis von Statistiken schwertun und diese leicht fehlinterpretieren [27].Auf Patientenseite gibt es ebenfalls Ansatzmög-lichkeiten, die Umsetzung von PEF zu erleichtern.Während Patientenschulungen einen möglichen,aber bislang eher selten beschrittenen Weg dar-stellen [28], sind sogenannte medizinische Ent-scheidungshilfen für Patienten (Patient DecisionAids- PtDAs [29]) eine insbesondere in Nordame-rika und Großbritannien verbreitete und gele-gentlich bereits in der Routineversorgung einge-setzte Variante.

Medizinische Entscheidungshilfen (Patient DecisionAids – PtDAs) können hilfreich sein, um das ent-scheidungsrelevante Konsultationsgespräch mitdem Arzt vorzubereiten, zu ergänzen, zu struktu-rieren oder zeitlich zu entlasten.

Entscheidungshilfen können in unterschiedlicherForm vorliegen, wie z.B. als Broschüre, Videooder Computerprogramm. Sie informieren denPatienten über vorhandene Behandlungsoptio-nen und Outcomes bei einer umschriebenen Fra-gestellung und stellen systematisch Vor- undNachteile der Optionen sowie Risiken und Nutzengegenüber. Meist enthalten sie auch Elemente,die zu einer Klärung persönlicher Werte und Prä-ferenzen beitragen und den Patienten somit beimGewichten und Abwägen der verschiedenen Be-handlungsoptionen unterstützen. MedizinischeEntscheidungshilfen sollten international aner-kannten Qualitätsstandards (IPDAS-Kriterien)[30]) genügen. In Kanada aktualisiert z.B. das andie Universität in Ottawa angegliederte OHRI (Ot-tawa Hospital Research Institute) regelmäßig einVerzeichnis mit über 100 englischsprachigen Ent-scheidungshilfen, die größtenteils online verfüg-bar sind (www.ohri.ca/decisionaid). Weitere Or-ganisationen in Nordamerika, z.B. FINDIM (Foun-dation for Informed Medical Decision Making)oder „Health Dialogue“ sind im großen Stil mitder Erstellung und dem Vertrieb von Entschei-dungshilfen beschäftigt.Onkologisch tätigen Ärzten bietet die englisch-sprachige Internetplattform „Adjuvant! Online“(www.adjuvantonline.com) die Möglichkeit, fürPatienten mit Krebserkrankungen in frühen Sta-dien (z.B. Brustkrebs und Darmkrebs) anhandvon Online-Tools sehr individuelle Berechnungenhinsichtlich der Prognose mit und ohne diverseadjuvante Therapiemaßnahmen vorzunehmen.Diese Berechnungenwerden grafisch vom Systemdirekt und gut verständlich visualisiert und kön-nen so in Konsultationen mit Patienten unterstüt-zend als Entscheidungshilfe eingesetzt werden.In Deutschland hingegen werden medizinischeEntscheidungshilfen bisher eher selten in derRoutinebehandlung eingesetzt. Das Interesse anmedizinischen Entscheidungshilfen nimmt erstin den letzten Jahren zu. Teilweise engagierensich Krankenkassen bei der Entwicklung und Ver-breitung medizinischer Entscheidungshilfen (z.B.AOK: Entscheidungshilfe Brustkrebs [31]).Aktuell befindet sich unter Federführung vonProf. Dr. Donner-Banzhoff an der Universität inMarburg (in Kooperation mit den UniversitätenDüsseldorf und Rostock) eine Online-Bibliothekmit deutschsprachigen Entscheidungshilfen zuwichtigen allgemeinmedizinischen Fragestellun-gen im Aufbau (www.arriba-hausarzt.de/arriba-lib). Mit einem bereits frei verfügbaren Online-programm können Hausärzte für ihre Patientenunter Berücksichtigung individueller Komorbidi-täten und Risikofaktoren das individuelle Risikofür einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall be-rechnen. In patientenfreundlicher grafischer Auf-bereitung werden dabei die Effekte von Verhal-tensänderungen oder medikamentösen Maßnah-men im individuellen Fall leicht verständlich dar-gestellt. Dieses persönliche Risikoprofil erleich-

6. Vereinbarungen treffen Vereinbarungen zur Umsetzung der Entscheidung treffen

5. Rollenpräferenz und Behandlungspräferenz klären und Entscheidungsfindung Beteiligungswunsch ermitteln und Entscheidung herbeiführen

3. Behandlungsmöglichkeiten beschreiben Über Optionen und deren Vor- und Nachteile informieren

4. Verständnis, Gedanken, Erwartungen und Befürchtungen erfragen Die Sicht des Patienten mit einbeziehen

1. Problemdefinition Mitteilen, dass eine Entscheidung ansteht

2. Gleichwertigkeit der Behandlungsoptionen und der Partner Es gibt mehr als einen Weg, um mit dem Problem umzugehen

Anfangsphase„Team Talk“

Entscheidungs-findung undGesprächs-abschluss„Decision Talk“

Informations-phase„Option Talk“

Abb.6 Prozessschritte zur Umsetzung von PEF [6, 17, 20].

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tert die Einbeziehung des Patienten bei der Abwä-gung z.B. für oder gegen eine Verhaltensände-rung oder eine medikamentöse Behandlung. Esexistieren weitere Beratungsmaterialien für Ent-scheidungssituationen bei Depression, KHK, Dia-betes mellitus, orale Antikoagulation und PSA-Screening.

Wissenschaftlich belegbare Effektevon PEF!

Internationale Studien belegen günstige psycho-soziale Effekte der Partizipativen Entscheidungs-findung [29, 32, 33].

PEF-Interventionen (Entscheidungshilfen und/oderÄrztetrainings und Patiententrainings) führen zueiner Verbesserung der Arzt-Patient-Kommunika-tion und zu einer aktiveren Beteiligung von Patien-ten am medizinischen Entscheidungsprozess. Eskommt zu einer Zunahme des Wissens, einer bes-seren Risikowahrnehmung, zu realistischeren Er-wartungen über die Behandlungsverläufe und zugeringeren Entscheidungskonflikten [32].

Die Ängstlichkeit der Patienten steigt durch diePEF-Interventionen nicht an, die Lebensqualitätwird ebenfalls nicht beeinflusst. Hinsichtlich derInanspruchnahme medizinischer Leistungen istdie Datenlage uneinheitlich. Weiterer For-schungsbedarf besteht hinsichtlich des Einflussesvon PEF-Maßnahmen auf die Therapietreue, kli-nische Behandlungseffekte und gesundheitsöko-nomische Messgrößen [29, 32].Auch Behandler profitieren von PEF mit ihrenPatienten, da die Arzt-Patient-Beziehung gestärktwird, sie Verantwortung abgeben können, ihreZufriedenheit mit dem Patientenkontakt wächstund Folgekontakte ggf. kürzer ausfallen.

Ein Anwendungsbeispiel für PEF aus derPraxis!

Der 60-jährige Herr K. war bislang immer gesund.Er arbeitet als Gymnasiallehrer, ist glücklich ver-heiratet und hat 3 erwachsene Töchter sowie 2Enkel. Das Ehepaar ist sozial gut eingebundenund Herr K. geht gemeinsam mit seiner Ehefrauaktiv einigen Hobbys nach. Bei einer Vorsorgeun-tersuchung, zu der er sich als gesundheitsbewuss-ter Mensch rein aufgrund seines Alters entschlos-sen hat, wird im Rahmen einer Koloskopie einKolonkarzinom diagnostiziert. Herr K. wird zügigoperiert und es ist eine restlose Entfernung desTumors (R0-Resektion) möglich. Die Tumorer-krankung von Herrn K. befindet sich noch ineinem relativ frühen Stadium (Stadium II mit Risi-kofaktoren, T4 N0 M0 G2), allerdings liegt wegenausgeprägter Tumorgröße ein Risikofaktor vor.

Gemäß Leitlinien zur Behandlung des Kolonkarzi-noms ist in diesem Fall eine adjuvante Chemothe-rapie möglich, aber nicht zwingend erforderlich,denn Nutzen und Risiken der Chemotherapie hal-ten sich in diesem speziellen Stadium aus medizi-nischer Sicht die Waage. Die aktuellen Leitlinienempfehlen daher, dass die persönlichen Präferen-zen des Patienten bei dieser Therapieentschei-dung miteinbezogen werden sollen. Herr K. siehtsich nun plötzlich mit der Frage konfrontiert:Chemotherapie ja oder nein? Wie soll Herr K.sich entscheiden? Er möchte diese Entscheidungim Sinne der Partizipativen Entscheidungsfin-dung gemeinsam mit seinem behandelndenOnkologen treffen. Auch seine Ehefrau bringt erzu dem Gespräch mit. Sein Onkologe setzt einemedizinische Entscheidungshilfe ein. In der Ent-scheidungshilfe sind zunächst die möglichen Be-handlungspfade dargestellt, die für Herrn K. infra-ge kommen. Der Onkologe erläutert Herrn K. unddessen Ehefrau anhand eines Flussdiagramms dieverschiedenen Optionen (●" Abb.7).Herr K. kann entweder auf eine Chemotherapieverzichten und wird direkt in die Nachsorge ein-geschlossen oder er entscheidet sich für eine Che-motherapie, wobei dann 3 verschiedene Chemo-therapieprotokolle in Betracht gezogen werdenkönnen. Herr K. möchte von seinem Onkologenwissen, welchen Unterschied die Chemotherapiefür seine Prognose machen wird und bekommtin diesem Zusammenhang folgende Risikotafelngezeigt (●" Abb.8):Der Onkologe erläutert ihm anhand der Risiko-tafeln, wie das Rückfallrisiko innerhalb der näch-sten 5 Jahre für Patienten in vergleichbarer Situa-tion einzuschätzen ist. Herr K. erfährt, dass seinePrognose auch ohne Chemotherapie bereits rechtgut ist. Denn ohne Chemotherapie werden 64 von100 Patienten in ähnlicher Situation nach 5 Jah-ren weiterhin tumorfrei sein. Bei 29 von 100 Pa-tienten wird es allerdings zu einem Tumorrezidivkommen und 7 von 100 Patienten werden inner-halb der nächsten 5 Jahre aus anderen Gründenverstorben sein. Mit einer adjuvanten Chemothe-rapie werden hingegen 10 weitere Patienten, alsoinsgesamt 74 Patienten, nach 5 Jahren tumorfreisein, und es wird bei 19 Patienten zu einem Tu-morrezidiv gekommen sein. Alle 100 dieser Pa-tienten können jedoch potenziell auch uner-wünschte Wirkungen der Chemotherapie erfah-ren, wobei 64 dann überbehandelt gewesen wä-ren, da sie ohnehin kein Rezidiv bekommen hät-ten. Die 19 mit Tumorrezidiv hätten die uner-wünschten Wirkungen der Chemotherapie inKauf genommen, um dann trotzdem wieder zuerkranken. Der Onkologe teilt Herrn K. auch mit,dass es sich hierbei um eine Statistik handelt undniemand ihm vorhersagen kann, welcher dieserGruppen er nach 5 Jahren zuzuordnen sein wird.Herr K. hat jetzt verstanden, dass seine Heilungs-chancen bereits ohne Chemotherapie relativ gutsind, eine Chemotherapie die Heilungschancen

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noch etwas verbessert, die Chemotherapie uner-wünschte Wirkungen mit sich bringen kann unddass er trotz Chemotherapie einen Rückfall be-kommen könnte. Dennoch tendiert er bei großemSicherheitsbedürfnis, auch seiner Familie zuliebe,zu einer Chemotherapie. Sein Onkologe sieht diesebenso. Gemeinsam entscheiden sich Herr K., sei-ne Ehefrau und sein Onkologe daher zur Durch-führung einer adjuvanten Chemotherapie.Bei der Wahl des am besten für Herrn K. geeigne-ten Chemotherapeutikums setzt der Onkologeeine weitere Entscheidungstafel ein, um denÜberblick zu erleichtern. Die drei zur Verfügungstehenden Chemotherapeutika unterscheidensich nur leicht hinsichtlich ihrer Effektivität, je-doch deutlich hinsichtlich der Applikationsform(i.v. oder oral), des logistischen Aufwands (Durch-

führung ambulant in der Arztpraxis nach Portim-plantation versus zu Hause ohne vorbereitendeMaßnahmen), der Anforderungen hinsichtlichZuverlässigkeit und Selbstständigkeit (Risiko vonEinnahmefehlern mit gravierenden Nebenwir-kungen bei Einnahmemehrerer Tabletten täglich)und im möglichen Nebenwirkungsprofil (●" Tab.1).Herr K. und seine Frau entscheiden sich in Über-einstimmung mit dem behandelnden Onkologenfür das etwas mildere und möglicherweise mini-mal weniger wirksame oral einzunehmende Che-motherapeutikum. Für diese Entscheidung spielteine Rolle, dass Herr K. und seine Frau ihren Alltagnicht zu sehr durch die Chemotherapie beein-flusst wissen wollen, Herr K. nicht allzu viel Zeitin der Arztpraxis verbringenmöchte, sondern sei-

von 100 Pat. haben nach 5 Jahren keinen Darmkrebs

von 100 Pat. erkranken erneut an Darmkrebs

von 100 Pat. sterben aus anderen Gründen

64

29

7

von 100 Pat. haben nach 5 Jahren keinen Darm-

von 100 Pat. erkranken erneut an Darmkrebs trotzChemotherapie

krebs, davon 10 durch die Chemotherapie

von 100 Pat. sterben aus anderen Gründen

74 +

19

7

keine Chemotherapie adjuvante Chemotherapie

Abb.8 Das Risiko für einen Tumorrückfall bei Dickdarmkrebs im Stadium II mit Risikofaktoren – Situation ohne und mitChemotherapie im Vergleich [33].

Operation mitvollständiger

Tumorentfernung(RO-Resektion)

gute Prognose: Meistkeine Chemotherapie

notwendig

keine adjuvanteChemotherapie

adjuvanteChemotherapie

NachsorgeStadium II ohneRisikofaktoren

Stadium II mitRisikofaktoren: z. B.· Operation unter Notfallbedingungen· Tumorperforation/ -einriss· Anzahl untersuchter Lymphknoten zu gering· T4-Tumor (großer Tumor)

Nachsorge

5-FU/LV

Folfox-4(5-FU/LV/Oxaliplatin)

Capecitabine

oderoder

1Bei einem Patienten mit Dickdarmkrebs im Stadium II ohne Risikofaktoren kann eine Chemotherapie durchgeführt werden. Der Nutzen einer adjuvanten Therapie im Stadium II ohne Risikofaktoren ist noch nicht einheitlich nach- gewiesen, er kann jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

oder

in seltenenFällen1

Nachsorge

Abb.7 Übersicht über die Behandlungsmöglichkeiten bei Dickdarmkrebs im Stadium II [33].

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ne Zeit lieber der Familie und seinen Hobbys wid-met. Außerdem traut er sich eine selbstständigeund zuverlässige Einnahme der erforderlichenMedikation zu.Herr K. ist zuversichtlich, eine gute und infor-mierte Entscheidung getroffen zu haben, die erumsetzen kann und die zu seinen BedürfnissenundWertvorstellungen passt. Er ist sich im Klarendarüber, mit welchen unerwünschtenWirkungener durch die orale Chemotherapie rechnen muss,Dies nimmt er seiner Familie zuliebe und beigroßem Sicherheitsbedürfnis jedoch in Kauf.

Die Wurzeln der PEF!

Wichtige Impulse zur Entwicklung der PEF sindzum einen in der „Consumer-Rights“-Bewegung(Verbraucherschutz) zu sehen, die in den 60er-und 70er-Jahren in Nordamerika ihren Ursprungnahm. Eine Grundannahme ist, dass Verbraucherden Anbietern von Dienstleistungen und Produk-ten (und im speziellen Fall Patienten ihren Be-handlern) durch ein Informationsdefizit system-bedingt unterlegen sind und daher eines beson-deren Schutzes und besonderer Unterstützungbedürfen. Zum anderen war Ende der 90er-Jahrein den USA durch das umfassende „Dartmouth At-las of Healtcare Projekt“ (www.dartmouthatlas.

org) (Analyse von Daten aus 3436 Krankenhäu-sern) offensichtlich geworden, dass Behandlungs-entscheidungen sehr stark abhängig von der Re-gion sind, in der ein Patient lebt, und von derdort vorherrschenden medizinischen Meinung,und nicht etwa durch klare medizinische Evidenzoder aber durch die Berücksichtigung von Patien-tenpräferenzen verstehbar werden [36]. So zeigtesich beispielsweise dank der Erhebung, dass ineinigen Regionen der USA bei Brustkrebs in frü-hem Stadium alle Frauen eine Brustamputationerhielten, keine einzige Frau brusterhaltend ope-riert wurde, wobei in anderen Regionen bei unge-fähr 50% aller Frauen ein Brusterhalt möglichwar.Auch für andere Erkrankungen gab es eine regio-nal abhängige erhebliche Varianz in den Opera-tionsraten. Diese Erkenntnis stärkte die Positionderer, die forderten, dass bei mehreren gleich-wertigen Therapieoptionen und bei präferenz-sensitiven Entscheidungen die Patientenperspek-tive verstärkt Berücksichtigung finden müsse.

Beginn der PEF-Initiativen in Deutschland!

In Deutschland setzte das zunehmende gesund-heitspolitische Interesse an der PartizipativenEntscheidungsfindung sowie Forschungsaktivitä-ten in diesem Bereich erst mit einer zeitlichen

Tab. 1 Überblick über die möglichen Chemotherapieschemata im Vergleich [33].

Folfox4 5-FU/LV Capecitabine

(Handelsname: Xeloda®)

Darreichungsform über eine Vene (intravenös) über einen Port,zur Anlage des Ports Operation erforderlich

oral– durch den Mund(Filmtabletten)

Ablauf – ambulant in der Arztpraxis– 12 Behandlungen (Zyklen) über 2 Tagealle 2 Wochen für 6 Monate

– ca. 30 Arztbesuche

– zu Hause durchführbar (Ge-fahr von Einnahmefehlern, datäglich viele Tabletten einge-nommen werden müssen!)

– zweimal täglich für 14 Tage,1 Woche Pause für 6 Monate

– ca. 8 Arztbesuche

MöglicheNebenwirkungen1

In unterschiedlicher Stärke und in Abhängigkeit vom allgemeinen Gesundheitszustandund Alter: Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Durchfall, Bauchschmerzen, Rücken-schmerzen, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Entzündung der Mundschleimhaut, Blutarmut,erhöhte Infektionsanfälligkeit, Blutungsneigung, vorübergehender leichter Haarausfall

Nervenschäden (Neuropa-thien): Gefühlsstörungenwie Taubheit, Kribbeln, Schmer-zen der Haut, Probleme mit demTast- und Berührungsempfinden.Bei den meisten Patienten vor-übergehend, bei wenigen Patien-ten auch dauerhaft

Hand-Fuß-Syndrom: schmerz-hafte Schwellung von Händenund Füßen/entzündliche Rö-tung der Hand- und Fußflächen

Wirksamkeit2 – vermutlich etwas wirksamer– bei älteren Patienten (über70 J.) nicht zu empfehlen(Nebenwirkungen)

5-FU/LV und Capecitabine vermutlich gleich wirksam

2nebenwirkungsreicher,für jüngere Patienten geeignet

2guteVerträglichkeit

2guteVerträglichkeit

1 Wenn andere Erkrankungen vorliegen, fallen Nebenwirkungen möglicherweise gravierender aus. Die Liste der Nebenwirkungen ist nichtvollständig. In seltenen Fällen können noch andere Nebenwirkungen auftreten.

2 Alle drei Protokolle haben eine gute Wirksamkeit. Folfox ist vermutlich etwas wirksamer. Bislang erlaubt die Studienlage allerdings keinesichere Aussage.

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Verzögerung von ca. 10 Jahren ein. Als wichtigerStartschuss hierfür ist die Gründung des Förder-schwerpunkts „Patient als Partner im Medizini-schen Entscheidungsprozess“ durch das Bundes-ministerium für Gesundheit (BMG) im Jahr 2001zu sehen. Damals lagen bereits einige internatio-nale Studien vor, die günstige Behandlungseffekteder PEF erwarten ließen. Es war allerdings unklar,inwieweit sich dieses Behandlungsmodell auf dasdeutsche Gesundheitssystem übertragen lassenwürde. In der deutschen Forschungslandschaftwar das Thema PEF zu diesem Zeitpunkt nochweitgehend unbearbeitet. Ein erklärtes Ziel desBMG war es daher, durch die Förderung von Mo-dellprojekten Wissen um die Effekte der PEF zugenerieren und auch zu überprüfen, inwieweitsich internationale Forschungsergebnisse auf dasdeutsche Gesundheitswesen übertragen lassen.In einer ersten Förderphase des BMG-Förder-schwerpunkts von 2001–2005 wurden 10 Mo-dellprojekte sowie ein übergeordnetes Metho-denprojekt gefördert, die die Effekte der PEF beiverschiedenen Erkrankungen erfassen sollten.Thematisch vertreten waren Erkrankungen ausdem psychoneurologischen Bereich (Depression,Schizophrenie, Alkoholismus, chronischerSchmerz, Therapiebegrenzung am Lebensende,Multiple Sklerose) sowie aus dem internistisch-chirurgischen Bereich (Brustkrebs, periphere ar-terielle Verschlusskrankheit, Hypertonie, Atem-wegsinfekte bei Kindern). In den 10 Modellpro-jekten des BMG-Förderschwerpunkts ergabensich durchweg günstige psychosoziale, klinischeund auch entscheidungsprozessbezogene Effekteder PEF-Interventionen [36–44].In einer 2. Förderphase dieses BMG-Förder-schwerpunkts von 2005–2007 wurden daher imweiteren Verlauf 4 Forschungsprojekte gefördert,die erfolgreich Strategien zum Transfer der Parti-zipativen Entscheidungsfindung ins deutsche Ge-sundheitssystem entwickelten, implementiertenund evaluierten (z.B. [23]).

Weitere große Forschungsinitiativen im BereichPatientenbeteiligung folgten, beispielsweise un-ter Federführung des Bundesministeriums für Bil-dung und Forschung (BMBF) ab 2007 im Förder-schwerpunkt zur versorgungsnahen Forschung„Chronische Krankheiten und Patientenorientie-rung“ (www.forschung-patientenorientierung.de) sowie in einer zweiten Förderphase ab 2011.

Gesundheitspolitischer Hintergrund derPatientenbeteiligung in Deutschland!

Es besteht mittlerweile ein Konsens im deutschenGesundheitswesen, dass Patienten bei medizini-schen Entscheidungen miteinbezogen werdensollten. Dies fand zunächst im Jahr 2007 seinenAusdruck in einem gemeinsam von den Bundes-ministerien für Gesundheit und für Justiz heraus-gegebenen Leitfaden zu Patientenrechten inDeutschland [2]. Dieser klärt Patienten überRechte und Pflichten im Arzt-Patienten-Verhält-nis auf. Der Begriff PEF fällt im Leitfaden zwarnicht explizit, es werden aber eindeutig PEF-Merkmale beschrieben. Das Dokument wurde ge-meinsam von allen beteiligten Akteuren des Ge-sundheitswesens erarbeitet und setzte eine Land-marke in diesem Bereich. Ganz besonders wurdedarin die Bedeutung des persönlichen Gesprächszwischen Arzt und Patient hervorgehoben. DieArzt-Patient-Beziehung sollte zukünftig als „echteBehandlungs- und Entscheidungspartnerschaft“verstanden werden. In dem Leitfaden wurdeauch festgeschrieben, welchen Anforderungendie Aufklärung über medizinische Behandlungengenügen muss:▶ „Kommen mehrere gleichwertige medizini-

sche Behandlungen oder Behandlungsmetho-den in Betracht, muss der Arzt über Chancenund Risiken umfassend aufklären.“ (S.8) [2]

▶ „Zu unterrichten ist auch über Art und Wahr-scheinlichkeit der verschiedenen Risiken imVerhältnis zu den Heilungschancen und überalternative Behandlungsmöglichkeiten.“ (S.11)[2]

▶ „Der Patient muss durch die Aufklärung in dieLage versetzt werden, beurteilen zu können,was die konkret vorgesehene Behandlung fürihn persönlich bedeuten kann.“ (S.11) [2]

Das Dokument ebnet somit den Weg hin zu einergrößeren Patientenorientierung und einer part-nerschaftlichen Beteiligung von Patienten imdeutschen Gesundheitswesen und mündete imJahr 2013 in einem Patientenrechtegesetz, das u.a. für eine Stärkung der Patientenbeteiligung undder Patienteninformation sorgt (●" Abb.9).Allerdings muss erwähnt werden, dass das Pa-tientenrechtegesetz in seinen Inhalten hinter denAusführungen des Leitfadens zurückblieb und imWesentlichen eine umfangreiche Aufklärung fest-schreibt sowie Regeln für den Fall eines medizini-schen Behandlungsfehlers enthält.

„Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“ (2013)

§ 630e Aufklärungspflichten:· (1) Der Behandelnde ist verpflichtet, – den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. – Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgs- aussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. – Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinische gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

· (2) Die Aufklärung muss 1. mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt; ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält, 2. so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann, 3. für den Patienten verständlich sein.

Abb.9 Auszug aus dem Patientenrechtegesetz von 2013.

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Bemerkbar macht sich eine größere Patientenori-entierung auch durch strukturelle Maßnahmenauf unterschiedlichen Ebenen [45]. So vertritt z.B.seit dem Jahr 2004 ein Patientenbeauftragter desBundes die Belange der Patienten in allen relevan-ten gesellschaftlichen Bereichen und soll die Wei-terentwicklung der Patientenrechte unterstützen.Inwieweit dies tatsächlich zu einer größerenPatientenorientierung führt, muss jedoch erstnoch belegt werden. Im Gemeinsamen Bundes-ausschuss haben Patientenvertreter Vorschlags-und Beratungsrechte. Verschiedene nationale In-stitutionen wurden gegründet, die die medizini-schen Entscheidungen von Patienten im weiterenSinne unterstützen, so z.B. das Institut für Quali-tät und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen(IQWIG), das Ärztliche Zentrum für Qualität inder Medizin (ÄZQ), Patientenuniversitäten inHannover und Jena.

Ausblick!

Die Vorteile der PEF sind offensichtlich und Akti-vitäten zur Implementierung der PEF im deut-schen Gesundheitswesen nehmen zu. Bis PEFsich in der Regelversorgung durchsetzen wird, istes allerdings noch ein weiter Weg. Neben einerOffenheit der Behandler für das PEF-Konzept imSinne einer patientenzentrierten Herangehens-weise, sind spezielle kommunikative Fertigkeiteneine wichtige Voraussetzung für die Umsetzungder PEF und sollten in der Aus- und Weiterbil-dung zunehmend Beachtung finden. Im Medizin-studium wird PEF-Kommunikation mittlerweilean vielen Ausbildungsstätten unterrichtet [46],von den Studierenden günstig aufgenommenund oft überraschend schnell umgesetzt. In derWeiterbildung von bereits langjährig praktizie-renden Medizinern erweist es sich als größereHerausforderung, über Jahre eingeübte Kommu-nikationsstrategien weg von der traditionell übli-chen paternalistischen Haltung hin zumehr Parti-zipation zu erreichen [23, 26]. Neue Strategiensetzen, statt wie bisher auf PEF-Gruppenschulun-gen von Ärzten, nun auch auf PEF-Einzelcoaching-ansätze sowie auf e-Tutorials zur PEF, die von denÄrzten ort- und zeitunabhängig absolviert wer-den können (www.pefmed.de).

Interessenkonflikt: Die Erstautorin hat Fördermit-tel vom Bundesministerium für Gesundheit(BMG) und von der Deutschen Krebshilfe (DKH)zu mehreren wissenschaftlichen Forschungspro-jekten zur Partizipativen Entscheidungsfindungerhalten.

Literatur1 Härter M. Shared decision making – from the point of

view of patients, physicians and health politics is set inplace. Z Arztl Fortbild Qualitatssich 2004; 98: 89–92

2 Bundesministerium für Gesundheit. Patientenrechte inDeutschland. Leitfaden für Patientinnen/Patienten undÄrztinnen/Ärzte. 5. Aufl. Berlin: 2007

3 Elwyn G, Frosch D, Thomson R et al. Shared decisionmaking: a model for clinical practice. J Gen Intern Med2012; 27: 1361–1367

4 Charles C, Gafni A, Whelan T. Decision-making in thephysician-patient encounter: revisiting the shared treat-ment decision-making model. Soc Sci Med 1999; 49:651–661

5 Charles C, Gafni A, Whelan T. Shared decision-making inthe medical encounter: what does it mean? (or it takesat least two to tango) Soc Sci Med 1997; 44: 681–692

6 Towle A, Godolphin W. Framework for teaching and learn-ing informed shared decision making. BMJ 1999; 319:766–771

7 Elwyn G, Edwards A, Kinnersley P. Shared decision-makingin primary care: the neglected second half of the consul-tation. Br J Gen Pract 1999; 49: 477–482

8 Ernst J, Schwarz R, Krauß O. Shared decision making beiTumorpatienten. Ergebnisse einer empirischen Studie. JPublic Health 2004; 12: 123–131

9 Charles C, Whelan T, Gafni A. What do we mean by part-nership in making decisions about treatment? BMJ1999; 319: 780–782

10 Böcken J, Braun B, Schnee M, Hrsg. Gesundheitsmonitor2004. Die ambulante Versorgung aus Sicht von Bevölke-rung und Ärzteschaft. 1. Aufl. Gütersloh: Verlag Bertels-mann Stiftung; 2004

11 Böcken J, Braun B, Meierjürgen R, Hrsg. Gesundheitsmoni-tor 2014, Bürgerorientierung im Gesundheitswesen. 1.Aufl. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, Barmer GEK;2014

12 Coulter A,Magee H. The European Patient of the Future –State of Health. Maidenhead: Open University Press,McGraw Hill Companies; 2003

Fazit für die Praxis

Das Konzept der PEF gilt mittlerweile als dieideale Form der Arzt-Patient-Interaktion,empfiehlt sich aus ethisch-juristischer Sichtund führt zu günstigen Effekten bei Patientenund Behandlern. Ursprünglich aus dem anglo-amerikanischen Raum kommend, setzt es sichin den letzten 15 Jahren zunehmend auch imdeutschen Gesundheitssystem durch, da esvon der Gesundheitspolitik gefördert und vonPatienten begrüßt und gewünscht wird. Esempfiehlt sich insbesondere beim Vorliegenmehrerer gleichwertiger Behandlungsoptio-nen und bei präferenzsensitiven Entscheidun-gen. Eine wichtige Anwendungsvoraussetzungist die patientenzentrierte Haltung des Be-handlers. Konkrete Umsetzungsschritte, ein-schließlich Risikokommunikationsstrategien,können in PEF-Trainings erlernt werden. DerEinsatz von spezifischen Entscheidungshilfe-materialien kann die Anwendung von PEF er-leichtern, indem Entscheidungsgespräche vor-bereitet, ergänzt, strukturiert und zeitlich ent-lastet werden.

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13 Klemperer D, Rosenwirt M. Shared Decision Making: Konzept, Voraussetzun-gen und politische Implikationen. Chartbook. Gütersloh: Bertelsmann Stif-tung, Universität Bremen; 2005

14 Floer B, Schnee M, Bocken J et al. Shared decision making. The perspective ofpracticing physicians. Med Klin (Munich) 2004; 99: 435–440

15 Legare F, Ratte S, Gravel K et al. Barriers and facilitators to implementingshared decision-making in clinical practice: update of a systematic reviewof health professionals’ perceptions. Patient Educ Couns 2008; 73: 526–535

16 Legare F, Thompson-Leduc P. Twelve myths about shared decision making.Patient Educ Couns 2014; 96: 281–286

17 Joseph-Williams N, Elwyn G, Edwards A. Knowledge is not power for patients:A systematic review and thematic synthesis of patient-reported barriersand facilitators to shared decision making. Patient Educ couns 2014; 94:291–309

18 Elwyn G, Edwards A, Kinnersley P et al. Shared decision making and the con-cept of equipoise: the competences of involving patients in healthcarechoices. Br J Gen Pract 2000; 50: 892–899

19 Whitney SN. A new model of medical decisions: exploring the limits ofshared decision making. Med Decis Making 2003; 23: 275–280

20 Kiesler DJ, Auerbach SM. Optimal matches of patient preferences for infor-mation, decision-making and interpersonal behavior: evidence, modelsand interventions. Patient Educ Couns 2006; 61: 319–341

21 Elwyn G, Tsulukidze M, Edwards A et al. Using a ‘talk’model of shared decisi-on making to propose an observation-based measure: Observer OPTION 5Item. Patient Educ Couns 2013; 93: 265–271

22 Loh A, Simon D, Rockenbauch K et al. Shared Decision Making – importanceand dissemination in medical education. Z Med Psychol 2006; 15: 87–92

23 Bieber C, Nicolai J, Hartmann M et al. Training physicians in shared decision-making – who can be reached and what is achieved? Patient Educ Couns2009; 77: 48–54

24 Bieber CLA, Ringel N, Eich W, Härter M. Patientenbeteiligung bei medizini-schen Entscheidungen: Manual zur Partizipativen Entscheidungsfindung(Shared Decision Making). Heidelberg: Universitätsklinikum Heidelberg;2007

25 Elwyn G, Edwards A, Hood K et al. Achieving involvement: process outcomesfrom a cluster randomized trial of shared decision making skill develop-ment and use of risk communication aids in general practice. Fam Pract2004; 21: 337–346

26 Härter M, Buchholz A, Nicolai J et al. Shared Decision Making and the Use ofDecision Aids. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 672–679

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CME-Fragen PartizipativeEntscheidungsfindung (PEF) –Patient und Arzt als Team

█1 Welche Antwort ist richtig? Die Autonomie des Patientenist am größten beim Vorgehen nach…

A dem Deliberativen Modell.B dem Paternalistischen Modell.C dem Informed Consent Modell.D dem Informationsmodell.E dem Modell der Partizipativen Entscheidungsfindung.

█2 Welche Antwort ist falsch? Die Partizipative Entschei-dungsfindung ist besonders dann geeignet, wenn…

A mehrere gleichwertige Behandlungsoptionen zur Ver-fügung stehen.

B eine Notfallsituation vorliegt.C der Patient eine aktive Beteiligung wünscht.D sich mögliche Behandlungsoptionen im Risiko-Nutzen-

Profil deutlich unterscheiden.E der Arzt die Verantwortung nicht alleine übernehmen

kann und will.

█3 Welche Antwort ist falsch? Zu den 6 Prozessschritten derPartizipativen Entscheidungsfindung gehört…

A der Einsatz von schriftlichen Informationsmaterialien.B das Erfragen der Rollenpräferenz des Patienten.C die Problemdefinition.D das Erfragen von Erwartungen und Befürchtungen des

Patienten.E das Beschreiben der Behandlungsoptionen.

█4 Welche Antwort ist falsch? Der Einsatz von PartizipativerEntscheidungsfindung führt beim Patienten zu…

A geringeren Entscheidungskonflikten.B einer aktiveren Beteiligung.C einer schnelleren Genesung.D einer besseren Therapietreue.E realistischeren Erwartungen über Behandlungsverläufe.

█5 Welche Antwort ist richtig? Im Arzt-Patient-Kontakt wirddie Umsetzung von PEF erleichtert durch…

A den Einsatz von Entscheidungshilfen.B einen gewissen Zeitdruck.C kognitive Einschränkungen des Patienten.D eine paternalistische Haltung des Arztes.E die vorherige Internetrecherche des Patienten.

█6 Welche Antwort ist falsch? Deutschsprachige Entschei-dungshilfen liegen vor für…

A die Behandlung bei Brustkrebs.B das Screening auf ein Prostatakarzinom.C die Behandlung bei Darmkrebs.D die Behandlung der Depression.E die Behandlung der Anorexie.

█7 Welche Antwort ist richtig? Partizipative Entscheidungs-findung sollte besonders dann stattfinden, wenn…

A die Bedeutsamkeit für den Patienten sehr hoch ist und diemedizinische Evidenz gering.

B die medizinische Evidenz sehr hoch ist und die Bedeut-samkeit für den Patienten gering.

C die medizinische Evidenz mäßig ist und die Bedeutsamkeitfür den Patienten hoch.

D die Bedeutsamkeit für den Arzt sehr hoch ist und die me-dizinische Evidenz gering.

E die medizinische Evidenz sehr hoch ist und die Bedeut-samkeit für den Arzt sehr hoch.

█8 Welche Antwort ist richtig? Bei der Partizipativen Entschei-dungsfindung…

A entscheidet der Arzt, nachdem er sich die Wünsche seinesPatienten angehört hat.

B entscheidet der Patient, nachdem der sich die medizini-schen Informationen seines Arztes angehört hat.

C entscheiden Arzt und Patient gemeinsam, nachdem sichder Patient selbstständig im Internet informiert hat.

D entscheiden Arzt und Patient gemeinsam, ohne sich ge-genseitig zu beeinflussen.

E entscheiden Arzt und Patient gemeinsam, nachdem siesich über persönliche und medizinische Informationenausgetauscht haben.

█9 Welche Antwort ist falsch? Für die Partizipative Entschei-dungsfindung gilt:

A Sie wird von der Mehrzahl der Ärzte umgesetzt.B Sie wird von der Mehrzahl der gesunden Bürger favorisiert.C Sie wird von der Mehrzahl der Ärzte favorisiert.D Sie wird von der Mehrzahl der Patienten gewünscht.E Sie wird von der Minderheit der Ärzte abgelehnt.

█10 Welche Antwort ist richtig? Patienten fühlen sich…

A häufiger zu Fragen aufgefordert, als ihre Ärzte glauben.B schlechter zu Vor- und Nachteilen einer Behandlung infor-

miert, als ihre Ärzte denken.C häufiger zur Nutzung anderer Informationsquellen er-

muntert, als ihre Ärzte denken.D häufiger mit ihren Vorstellungen einbezogen, als ihre Ärzte

denken.E schlechter zu Behandlungsalternativen informiert, als ihre

Angehörigen denken.

Bieber C et al. Partizipative Entscheidungsfindung (PEF)… Psychother Psych Med 2016; 66: 195–207

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