peak oil. sicherheitspolitische implikationen knapper ressourcen 11082010
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German General Staff analysis of the political and military implications of the inevitable decline in world oil production.TRANSCRIPT
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Streitkrfte, Fhigkeiten und Technologien im 21. Jahrhundert
- Umweltdimensionen von Sicherheit -
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Das Zentrum fr Transformation der Bundeswehr untersttzt das Bundesministerium
der Verteidigung bei der zentralen Steuerung des Transformationsprozesses. Das
Zentrum analysiert Vernderungen innerhalb und auerhalb der Bundeswehr und
gibt Impulse fr die Konzeptentwicklung, die Streitkrfteplanung und das Fhig-
keitsprofil der Bundeswehr. In diesem Rahmen dient Sicherheitspolitische Zukunfts-
analyse dem Zweck, frhzeitig Erkenntnisse zu konzeptionellen Vorgaben und Zie-
len zu gewinnen.
Die Sicherheitspolitische Zukunftsanalyse liefert Ideen und Vorstellungen fr die
zuknftige Ausrichtung der Bundeswehr und ist somit ein zentraler Bestandteil der
Zielbildung. Hierzu legt das Dezernat Zukunftsanalyse in einem fnfjhrigen Zyklus
im Wechsel je eine Studie aus der Serie Streitkrfte, Fhigkeiten und Technologien
im 21.Jahrhundert (SFT 21) und eine MidTerm Study (MTS) vor.
Studien der SFT 21-Serie beschreiben langfristige sicherheitspolitische Herausforde-
rungen in einem Zeithorizont von 30 Jahren. Das Ergebnis soll dem Bundesministe-
rium der Verteidigung ermglichen, frhzeitig langfristige und sicherheitspolitisch
relevante Fragestellungen zu identifizieren, um diese ggf. an interne oder externe
Stellen zur vertieften Untersuchung zu bergeben.
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INHALT
1. Einleitung.................................................................................5
2. Die Bedeutung von Erdl ..........................................................7
2.1. Erdl als Determinante der Globalisierung..................................................7
2.2. Aspekte deutscher Energiesicherheit .......................................................... 9
3. Mgliche Entwicklungen nach dem globalen Peak Oil............. 13
3.1. Allgemeine Peak-Oil-induzierte Wirkzusammenhnge.............................14
3.1.1. l wird zu einem entscheidenden Faktor in der (Neu-) Gestaltung
der internationalen Beziehungen ...................................................... 14
3.1.2. Die Erschlieung weiterer und alternativer Energie-Ressourcen
schafft neue sicherheitspolitische Herausforderungen ................... 22
3.1.3. Die Rollen von Staaten und privaten Wirtschaftsakteuren
verschieben sich................................................................................ 32
3.1.4. Der bergang zu post-fossilen Gesellschaften fhrt zu
konomischen und politischen Krisen............................................. 38
3.1.5. Interventionen werden selektiver - Akteure sind berfordert..........45
3.2. Systemisches Risiko bei berschreitung des Tipping Point ...................47
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4. Herausforderungen fr Deutschland...................................... 51
4.1. Gefahr neuer Abhngigkeitsverhltnisse fr Deutschland ........................51
4.2. Lieferbeziehungen geraten verstrkt in den Fokus der Politik ................. 54
4.3. Auenpolitik wird pragmatischer .............................................................. 58
4.4. Gestaltungskraft und Bedeutung westlicher Industrienationen nehmen
ab ................................................................................................................ 60
4.5. Hilfe bei der Stabilisierung fragiler Frderlnder..................................... 62
4.6. Konfliktpotenzial der Arktis wchst .......................................................... 64
4.7. Proliferation von Nukleartechnologie und -material ................................ 65
4.8. Erhhtes Konfliktpotenzial von KRITIS.................................................... 68
4.9. Weitrumige Energieregionen verndern Bndnissysteme ..................... 70
4.10. Peak Oil fr Streitkrfte ..............................................................................72
4.11. Erdl als systemisches Risiko .....................................................................76
5. Fazit .......................................................................................78
Anhang ..............................................................................................81
I. Hufige Fragen ...................................................................... 82
#1 Was ist der Peak Oil?.................................................................................. 82
#2 Wie argumentieren Kritiker gegen das Eintreten des Peak Oil?............... 85
#3 Welche Ressourcenarten gibt es? .............................................................. 88
#5 Was ist mit neuen lfunden?..................................................................... 90
#6 Wie arbeiten Raffinerien? ...........................................................................91
#7 Was fr eine Bedeutung hat der EROI fr den lpreis? ........................... 92
#8 Gibt es Mglichkeiten mit dem Peak Oil umzugehen?.............................. 94
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1. Einleitung
Im vorliegenden ersten Teil der Studie Streitkrfte, Fhigkeiten und Technologien im 21.
Jahrhundert Umweltdimensionen von Sicherheit befasst sich das Dezernat Zukunfts-
analyse mit der Thematik endlicher Ressourcen und ihren sicherheitspolitischen Implika-
tionen am Beispiel des berschreitens des globalen Frdermaximums von Erdl (Peak
Oil).
In der Vergangenheit sind verschiedenste Konflikte ausgebrochen, deren Zustandekom-
men und Verlauf durch die Verfgbarkeit oder das bloe Vorhandensein von Rohstoffen
beeinflusst waren. Die einschlgige Literatur hierzu ist umfangreich und die Thematik
findet Interesse innerhalb der sicherheitspolitischen Community.1 In den meisten Fllen
waren die untersuchten Ressourcenkonflikte jedoch regional begrenzt und nur einge-
schrnkt von internationalem Interesse. Fr Erdl (aber auch andere Rohstoffe) wird das
in Zukunft nicht mehr gelten: Erstens stellt ein globaler Mangel an Erdl ein systemisches
Risiko dar, denn durch seine vielseitige Verwendbarkeit als Energietrger und als chemi-
scher Grundstoff wird so gut wie jedes gesellschaftliche Subsystem von einer Knappheit
betroffen sein. Ein zuknftig verstrktes internationales Interesse ergibt sich zweitens aus
der Tatsache, dass gleichzeitig mit der Verknappung eine dauerhafte geografische Kon-
zentration der Erdllagersttten und der Transportinfrastrukturen stattfindet - und damit
auch eine geopolitische Machtverschiebung.
Wann genau der Peak Oil erreicht werden wird, ist umstritten. Vorliegende Berechnun-
gen variieren stark und lassen Auenstehenden kaum Mglichkeiten zu einer unabhngi-
gen Meinungsbildung. Sicher ist allerdings, dass Erdl endlich ist und ein Frdermaxi-
mum existiert. Da es in dieser Studie nicht um die zeitliche Einordnung, sondern die
Wirkzusammenhnge nach einem Frdermaximum geht, ist eine Festlegung auf einen
przisen Zeitpunkt nicht notwendig. Allerdings besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit,
dass der Peak Oil bereits um das Jahr 2010 zu verorten ist und sicherheitspolitische Aus-
wirkungen je nach Entwicklung der hierbei global relevanten Faktoren mit einer Verzge-
rung von 15 bis 30 Jahren erwartet werden knnen.2 Die gravierenden Auswirkungen
begrnden daher die Notwendigkeit, die potenziellen Implikationen fr Deutschland zu
untersuchen.
Wie sicher Aussagen ber die Verfgbarkeit von Erdl und entsprechende Ableitungen
fr das Eintreten eines globalen Peak Oil sind, hngt von mehreren Faktoren ab. So muss
die offiziell angegebene Hhe der OPEC-Reserven wegen intransparenter Datenerhebung
und zum Teil politisch motivierter Falschangaben angezweifelt werden. Je hher ein
1 Vgl. zum Beispiel Peacebuilding Support Office (2008): From Conflict to Peacebuilding: The Role of Natu-ral Resources and Environment. URL: http://www.un.org/en/events/environmentconflict-day/pdf/08.05.2008%20WGLL%20Background%20Note.pdf (abgerufen 3. Juni 2010) oder Collier, P./ Ban-non, I. (Hrsg.) (2003): Natural Resources and Violent Conflict: Options and Actions. The World Bank, Wa-shington, D.C. (abgerufen: 02. August 2010)
2 Zu Hintergrnden der Peak-Oil-These, Gegnern und Befrwortern siehe Anhang I.
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OPEC-Mitglied die nationalen Reserven angibt, desto hher werden auch die von der
OPEC zugeteilte Frderquote und damit der Exportgewinn. In der Reservenbewertung
spielt es auerdem eine Rolle, nach welchen Schtzverfahren die Reservenzahlen berech-
net worden sind. Prognosen der Frderentwicklung von Erdlfeldern auf Basis ursprng-
lich ausgewiesener Reserven wurden in der Vergangenheit oftmals zu niedrig angesetzt
und mussten nach oben korrigiert werden. Weitere Aspekte wie beispielsweise verbesser-
te Frdertechnologien knnen sich auerdem positiv auf den Faktor Reserve Growth
auswirken.3
Trotz der genannten Faktoren ist jedoch vorauszusehen, dass Erdl in absehbarer Zu-
kunft nicht mehr den zu erwartenden Bedarf decken kann. Deshalb ist es angesichts der
langen Zeitrume,4 die Anpassungen im Energiesektor bis hin zu einer Energiewende in
Anspruch nehmen, bereits heute notwendig, (1) das Ausma der Abhngigkeit von Erdl
umfassend zu analysieren, (2) auf dieser Grundlage mgliche Risiken rechtzeitig zu er-
kennen und (3) Alternativen fr die Nutzung fossilen ls zu etablieren. Die vorliegende
Studie setzt bei dem zweiten Punkt an und soll dazu beitragen, Entscheidungstrger fr
die mglichen sicherheitspolitischen Konsequenzen, Risiken und Kaskadeneffekte zu sen-
sibilisieren, die durch ein berschreiten des globalen Erdl-Frdermaximums entstehen
knnen. Dabei sind die beschriebenen Wirkzusammenhnge nicht im Sinne einer
Zwangslufigkeit zu verstehen, sondern sollen helfen, die mglichen Interdependenzen
der Verfgbarkeit und Abhngigkeit von Erdl mit unterschiedlichen wirtschaftlichen
und politischen Faktoren zu erfassen und somit zu einem besseren Verstndnis der Sys-
temrelevanz von Erdl und der daraus ableitbaren Implikationen fr Deutschland beitra-
gen.
Das folgende Kapitel 2 beschreibt einfhrend die Bedeutung des Erdls fr Wirtschafts-
systeme, den Prozess der Globalisierung und das internationale System sowie besondere
Aspekte der Energiesicherheit Deutschlands. Kapitel 3.1 beschreibt Peak-Oil-induzierte
Wirkzusammenhnge fr eine moderate Verlaufsform des Peaks. Hierzu wurden fnf
Thesen entwickelt. Kapitel 3.2 beschftigt sich mit einem potenziellen Sonderfall des
Peaks, in dem ein sogenannter Tipping Point berschritten wird, an dem lineare Entwick-
lungen chaotisch werden und in ein sicherheitspolitisches Worst-Case-Szenario mnden.
Kapitel 4 befasst sich mit den Konsequenzen der in Kapitel 3 beschriebenen Entwicklun-
gen fr Deutschland. Kapitel 5 fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
3 Vgl. Bundesanstalt fr Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) (2009): Reserven, Ressourcen und Verfg-barkeit von Energierohstoffen 2009, Kurzstudie, S. 19f.
4 Vgl. Hirsch, R. L. (2005): Peaking of World Oil Production: Impacts, Mitigation, & Risk Management. URL: http://www.netl.doe.gov/publications/others/pdf/Oil_Peaking_NETL.pdf (abgerufen: 21. April 2010), S. 57 ff..
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2. Die Bedeutung von Erdl
2.1. Erdl als Determinante der Globalisierung
95% aller industriell gefertigten Produkte hngen heute von der Verfgbarkeit von Erdl
ab. Erdl ist nicht nur der Ausgangsstoff fr die Produktion von Treib- und Schmierstof-
fen, sondern in Form von Rohbenzin auch fr alle organischen Polymere (Kunststoffe). Es
ist damit der wichtigste Rohstoff bei der Herstellung von so unterschiedlichen Produkten
wie Pharmazeutika, Farbstoffen oder Textilien.
Als Ausgangsstoff fr verschiedene Treibstoffarten ist Erdl eine Grundvoraussetzung fr
den Transport groer Warenmengen ber lange Strecken. Containerschiffe, Lastkraftwa-
gen und Flugzeuge bilden neben der Informationstechnologie das Rckgrat der Globali-
sierung. Die internationale Arbeitsteilung, der viele Lnder ihren heutigen Wohlstand
verdanken, wre ohne den kostengnstigen Warentransport im heutigen Umfang nicht
denkbar. Auch regional und lokal hat die lbasierte Mobilitt unseren Lebensstil geprgt.
Das Leben in Vorstdten, mehrere Kilometer von der Arbeitsstelle entfernt, wre fr viele
Menschen ohne die Verfgbarkeit eines Autos nicht mglich. Die klassische Vorstadt ver-
dankt ihre Existenz also ebenfalls zu einem gewissen Grad dem Erdl.
Eine starke Verteuerung des Erdls stellt ein systemisches Risiko dar.5 Die Bedeutung
von l liegt in einigen Subsystemen klar auf der Hand. Die gesamte Bandbreite mglicher
Herausforderungen, die sich aus dem berschreiten des Peak Oil ergeben, ist jedoch
nicht zu berschauen.6
Es wird deutlich, dass die internationale Gemeinschaft, aber auch jeder Einzelstaat ein
vitales Interesse an der Sicherung eines Zugangs zu l haben. Heute ist dies relativ leicht
ber den Weltmarkt mglich. Die OPEC, das magebliche Kartell am lmarkt, zeigt sich
in Krisen zumeist kooperativ: Die beiderseitige Abhngigkeit der Exporteure und der Im-
porteure, verbunden mit einer betrchtlichen Prsenz des US-Militrs im arabischen
Raum, frdert eine zumindest marktwirtschaftlich betrachtet - gnstige Atmosphre.
Andererseits zeigt sich auch immer wieder, welche strategische Bedeutung dem Erdl
beigemessen wird und wie weit internationale Akteure gehen, um ihre ressourcenpoliti-
schen Ziele zu erreichen. Konflikte sind selten monokausal und so lsst sich auch die kon-
krete Bedeutung von Ressourcen fr deren Zustandekommen nicht immer zweifelsfrei
herleiten. Die Bedeutung, die bestimmten Regionen wie dem Nigerdelta, dem Nahen Os-
ten oder auch der Ukraine zugemessen wird, lsst sich jedoch eindeutig mit dem Vorhan-
5 Die Gefahr des Peak Oil liegt nicht darin, dass es kein l mehr gibt, sondern dass es kein billiges l mehr gibt. Vgl. auch Frage #7 im Anhang.
6 Ein Beispiel fr mgliche Konsequenzen ist die Entwicklung Nordkoreas nach dem Zerfall der Sowjetunion: Die UdSSR verhalf Nordkorea nach dem Koreakrieg zu einer modernen und produktiven Landwirtschaft. Mit dem Zusammenbruch der UdSSR versiegte pltzlich der Zufluss billigen Erdls. Landwirtschaftliche Maschi-nen mussten stillgelegt werden. Die Rckkehr zu traditionellen Anbaumethoden wurde durch die berdng-ten Bden erschwert, obwohl der Anteil der in der Landwirtschaft Beschftigten von 25% auf 36% gesteigert wurde, um den Ausfall von geschtzten 80% der landwirtschaftlichen Maschinen auszugleichen. Zwischen 1989 und 1998 fielen die Ernteertrge trotzdem um 60%.
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densein von Ressourcen oder zumindest einer als bedeutsam erachteten Transitposition
in Verbindung bringen.
Nicht nur ein Ressourcenmangel birgt Konfliktpotenzial. Auch das Vorhandensein von
Ressourcen kann Konflikte hervorrufen, sie verlngern oder friedliche Lsungen verhin-
dern.7 Die Art der Ressource kann dabei auch die Konfliktform bestimmen: Diamanten
sind beispielsweise relativ leicht abbaubar und es gibt fr sie einen internationalen
Schwarzmarkt. Deshalb war es Warlords in Sierra Leone Ende der 90er Jahre auch leicht
mglich, einen mehrere Jahre dauernden Konflikt mit vielen Tausenden Toten zu finan-
zieren. Rohstoffe wie Erdl oder Erdgas lassen sich weniger leicht durch kleine Gruppie-
rungen nutzbar machen. Die Infrastruktur, die zur Frderung und zum Verkauf von l
notwendig ist, setzt ein stabiles (staatliches) Umfeld voraus. Es reicht nicht, das lfeld zu
beherrschen, auch der Transportweg und etwaige Umschlagpltze wie Seehfen mssen
frei zugnglich sein. Auch fehlte fr Erdl und Erdgas bislang ein funktionierender inter-
nationaler Schwarzmarkt.
An den vorangehend angedeuteten Beispielen werden die zwei Prmissen des Erweiterten
Sicherheitsbegriffs deutlich: Zum einen lassen sich Konflikte nicht mehr begrenzen. An-
schlge auf Pipelines in Saudi-Arabien sind auch und vor allem das Problem der Indust-
rielnder, deren Versorgungssicherheit ja auf dem Spiel steht. Zum anderen knnen Kon-
flikte nicht auf eine militrische Ebene begrenzt werden. Die eventuell als ungerecht emp-
fundene Verteilung von Ressourcenreichtum kann ein Auslser von Konflikten sein.
Dementsprechend mssen angepasste Lsungen unter Nutzung aller zur Verfgung ste-
henden Mittel gesucht werden.
Die Akteure, die die Welt von 2040 bestimmen, werden nicht nur Nationalstaaten sein.
Ein Ergebnis der Mid Term Study 2025 des Dezernats ist, dass sub-staatliche Akteure
wegen ihres zunehmenden Potenzials fr berraschungen an sicherheitspolitischer Be-
deutung gewinnen werden. Gleichzeitig nimmt das Gewicht der Nationalstaaten im inter-
nationalen System zu: Nur Staaten knnen wegen der umfassenden Bandbreite ihres poli-
tischen Instrumentariums den sicherheitspolitischen Anforderungen einer komplexer
werdenden Welt gengen. Vor dem Hintergrund dieses heterogener werdenden Akteurs-
feldes wird es deshalb nach einem Peak Oil auch zu mehreren Konfliktebenen kommen:
Frderlnder stehen Nachfragern gegenber, marktwirtschaftliche Systeme konkurrieren
wieder mit Planwirtschaften, Entwicklungslnder werden direkt abhngig von den In-
dustrielndern und lkonzerne bekommen einen hohen Einfluss auf die internationale
Politik.
7 Vgl. Peacebuilding Support Office (2008): From Conflict to Peacebuilding: The Role of Natural Resources and Environment. URL: http://www.un.org/en/events/environmentconflictday/pdf/08.05.2008%20WGLL %20Background%20Note.pdf (abgerufen: 3. Juni 2010)
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2.2. Aspekte deutscher Energiesicherheit
Der Begriff der Energiesicherheit wird kontextabhngig unterschiedlich benutzt und ope-
rationalisiert. Eine hufig verwendete Definition ist die der verlsslichen Versorgung ei-
ner Volkswirtschaft zu vernnftigen Preisen. In Bezug auf Erdl stand lange - und fr
Importeure folgerichtig - die Reduzierung von politischen Abhngigkeiten zur Abwehr
von Knappheiten im Mittelpunkt der Diskussionen.8 Neuere Studien erweitern dieses Konzept um Aspekte wie
f Umwelt- und Klimaschutzziele, die potenziell andere Anforderungen an eine nach-haltige Energiepolitik stellen;
f technologische Rahmenbedingungen fr die Transformation von fossilen zu post-fossilen Gesellschaften;
f Unsicherheiten bezglich der Entwicklung der Energienachfrage, zum Beispiel durch Rezessionen inklusive der damit verbundenen Risiken fr Frderlnder oder
auch
f die Konditionierung nationaler Energiepolitik durch die Einbindung in supranatio-nale Organisationen.
Diese Erweiterungen der klassischen Theorien wurden durch eine Globalisierung der
Energiemrkte notwendig, die zu zunehmenden Friktionen zwischen verschiedenen Ak-
teuren auf unterschiedlichen Ebenen gefhrt hat. Der Peak Oil betrfe alle hier genannten
Aspekte der Energiesicherheit in sehr grundstzlicher Art und Weise. Im Rahmen dieser
Studie kann jedoch nicht auf alle Problemfelder in gleichem Umfang eingegangen wer-
den. Als zentraler Ausgangspunkt fr die weitergehenden Diskussionen scheint deshalb in
erster Linie der zu erwartende Angebotsschock, das heit die Erschwernis einer verlssli-
chen Versorgung Deutschlands mit Erdl durch Importe, sinnvoll. Auf die Lieferbezie-
hungen Deutschlands wird deswegen im Folgenden nher eingegangen.
Die drei grten llieferanten Deutschlands sind Russland, Norwegen und Grobritan-
nien (siehe
8 Vgl. Vivoda, V. (2010): Evaluating energy security in the Asia-Pacific region: A novel methodological ap-proach. In: Energy Policy 38, S. 5258.
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Abbildung 1). 60 Prozent der deutschen llieferungen kommen folglich aus Lndern, die
ihre nationalen Peaks schon hinter sich haben. Auch wenn die verbliebenen Ressourcen
und Reserven von Deutschlands wichtigstem Handelspartner Russland den Ausfall der
europischen Zulieferer ausgleichen knnten, ergibt sich damit nicht zuletzt aus Grnden
der Diversifizierung der Herkunftslnder die Notwendigkeit zu einer Schwerpunktverla-
gerung.
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Abbildung 1: Deutschlands lquellen
Eine vergleichbare Anstrengung wurde in Europa bereits einmal erfolgreich unternom-
men. Deutschland hat nach den lkrisen der 70er Jahre seine Abhngigkeit von der
OPEC von ber 90 Prozent der limporte auf moderate 20 Prozent senken knnen. Die
Zusammensetzung der deutschen Erdlimporte nach Herkunftslndern ist inzwischen im
globalen Vergleich damit eher untypisch: Die Abhngigkeit von Lndern der OPEC ist
relativ gering, der Anteil der europisch-russischen Importe ist relativ hoch. Bislang hatte
dies fr Deutschland den Vorteil einer relativ sicheren Versorgung, zuknftige Lieferbe-
ziehungen knnten allerdings risikobehafteter sein.
Entgegen dem europischen Trend wird Deutschlands Erdlbedarf wahrscheinlich zu-
rckgehen. Das Bundesministerium fr Wirtschaft und Technologie geht bis 2025 davon
aus, dass die Einfuhren bei moderatem Wirtschaftswachstum um ca. zehn Prozent sin-
ken.9 Der Anteil Russlands an den deutschen Importen wrde - konstante Liefermengen
vorausgesetzt - auf 40 Prozent steigen. Sinkende Importe aus Europa knnten durch Im-
porte aus dem Nahen Osten, dem kaspischen Raum und Afrika ersetzt werden (Abbildung
2 zeigt die verbleibenden und bereits gefrderten Erdlmengen verschiedener Regionen).
9 Vgl. Energiewirtschaftliches Institut an der Universitt zu Kln (Hrsg.) (2005): Energiereport IV. Die Ent-wicklung der Energiemrkte bis zum Jahr 2030, Mnchen, S. 380 ff.
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Abbildung 2: Reserven, Ressourcen und kumulierte Frderung10
Quelle: Bundesanstalt fr Geowissenschaften und Rohstoffe
Der Bericht der Bundesregierung zur l- und Gasmarktstrategie11 von 2008 beschreibt
die Situation hnlich. Die dargestellte Strategie zur Sicherstellung der Versorgung
Deutschlands mit Erdl trgt den angefhrten Dimensionen der Energiesicherheit Rech-
nung, wobei die Mglichkeit des Peak Oil nicht bercksichtigt wird. Das folgende Kapitel
stellt anhand der Beschreibung einiger zentraler zu erwartender Entwicklungen nach dem
Peak dessen Relevanz fr eine umfassende lmarktstrategie insbesondere fr die deut-
sche Sicherheitspolitik dar.
10 Zum Unterschied zwischen Reserven und Ressourcen siehe Anhang, Frage #3.
11 Vgl. Bericht der Bundesregierung zur l- und Gasmarktstrategie. URL: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/B/bericht-der-bundesregierung-zur-oel-und-gasmarktstrategie,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf (abgerufen: 02. August 2010)
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3. Mgliche Entwicklungen nach dem globalen Peak Oil
Die folgenden zwei Unterkapitel beschreiben zwei verschiedene plausible Entwicklungen,
die nach dem berschreiten des Peak Oil eintreten knnen.
Im Unterkapitel 3.1 werden in fnf Bereichen Wirkmechanismen und Wirkungsketten
aufgezeigt. Fuend auf schon heute erkennbaren und in Teilen empirisch nachweisbaren
Zusammenhngen, skizzieren sie Entwicklungen mit hohen Eintrittswahrscheinlichkeiten
nach dem Peak Oil. Das Kapitel geht dabei von grundstzlich gleich bleibenden allgemei-
nen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aus. Die
beschriebenen Wirkzusammenhnge sind nicht im Sinne einer Zwangslufigkeit zu ver-
stehen, sondern sollen helfen, die mglichen Interdependenzen der Verfgbarkeit und
Abhngigkeit von Erdl mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Faktoren
zu erfassen und somit zu einem besseren Verstndnis der Systemrelevanz von Erdl und
der daraus ableitbaren Implikationen fr die Sicherheitspolitik der Bundesrepublik
Deutschland beizutragen.
Die in Kapitel 3.1 getroffene Annahme gleich bleibender Rahmenbedingungen ist nicht
selbstverstndlich. Je nach Zeitpunkt des Peaks und dem Abhngigkeitsgrad der betrof-
fenen Gesellschaft ist es mglich, dass die globalen Konsequenzen zu derart grundlegen-
den Verwerfungen fhren, dass eine isolierte Betrachtung einzelner Wirkzusammenhnge
nicht mehr mglich ist. Die schweren systemischen Auswirkungen des Peak Oil wrden
jenseits eines sogenannten Tipping Points nur noch einige grundlegende Aussagen er-
mglichen. Ein solcher Fall wird in Kapitel 3.2 beschrieben.
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3.1. Allgemeine Peak-Oil-induzierte Wirkzusammenhnge
3.1.1. l wird zu einem entscheidenden Faktor in der (Neu-) Gestal-tung der internationalen Beziehungen
Der Anteil des auf dem globalen, frei zugnglichen lmarkt gehandelten Erdls wird
zugunsten des ber binationale Kontrakte gehandelten ls abnehmen. Wirtschaftskraft,
militrische Strke oder der Besitz von Nuklearwaffen werden zu einem vorrangigen
Instrument der Machtprojektion und zu einem bestimmenden Faktor neuer Abhngig-
keitsverhltnisse in den internationalen Beziehungen.
Aufwertung der Frderlnder im internationalen System
In einer Situation des globalen wirtschaftlichen Umbruchs in Folge des Peak Oil sind die
verbleibenden Exportlnder in einer vorteilhaften Lage: Ihre Industrien knnen mit rela-
tiv moderaten lpreisen rechnen und die Haushalte profitieren von steigenden Gewinnen
aus lexporten. Die relative Bedeutung der Frderlnder im internationalen System
wchst. Diese nutzen die entstandenen Vorteile, um ihre innen- und auenpolitischen
Gestaltungsrume auszubauen und sich als neue oder wieder erstarkende regionale, ge-
gebenenfalls sogar globale Fhrungsmchte zu etablieren.
In gewissem Sinne wird damit die Liberalisierung der lmrkte nach den Krisen der
1970er Jahre wieder aufgehoben. Viele Frderlnder hatten nach den lkrisen westliche
lkonzerne, die faktisch die Kontrolle ber die nationalen lressourcen ausgebt hatten,
enteignet. Das Ergebnis war aber zunchst nicht eine wachsende Marktmacht der einzel-
nen Frderlnder, sondern eine Strkung der Marktmechanismen und die erstmalige
Schaffung eines funktionierenden globalen lmarktes. Insbesondere das Aufbrechen der
vertikalen Integration der lindustrie, das heit die Kontrolle der gesamten Wertschp-
fungskette von der Frderung des ls bis hin zum Betrieb von Tankstellen durch einen
einzelnen Konzern, fhrte zu einer deutlichen Entspannung am lmarkt, die unter den
damals gegebenen Umstnden in beiderseitigem Interesse von Produzenten und Konsu-
menten war.
Vor dem Hintergrund einer nun abnehmenden Zahl relevanter lexporteure, der wach-
senden Bedeutung der New Seven Sisters, also groer lkonzerne aus Entwicklungs-
und Schwellenlndern, und ihrer finanziellen Potenz, sind alle Bedingungen fr die er-
neute Bildung von Monopolen gegeben.
Ressourcennationalismus ist der Ausdruck eines legitimen Interesses der Bevlkerung an
einem gerechten Anteil am Reichtum des eigenen Landes. Mit einer Verstaatlichung von
lfirmen bei gleichzeitiger up- bzw. downstream-Expansion12 wchse aber auch die Ge-
12 Upstream bezeichnet Aktivitten im Bereich der Exploration und Produktion, Downstream bezeichnet Aktivitten mit engerem Bezug zum Verbraucher. Durch eine Integration beider Komponenten in groen
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fahr einer politischen Instrumentalisierung von Abhngigkeiten. Mit dem Bewusstsein
um die berschreitung des Peak Oil und angesichts des natrlichen, gewinnorientierten
Strebens von Staaten nach eigenen, mglichst nachhaltigen Vorteilen kann es zu einer
gezielten Einschrnkung des Angebots kommen, beispielsweise um das nicht gefrderte
Erdl nachfolgenden Generationen des eigenen Landes zu erhalten.13 Je klarer wird, wie
knapp Erdl tatschlich ist, desto stetiger werden die Preise des Erdls und damit die
Gewinne der Frderlnder steigen. Das Kalkl des Political Peakings wrde umso nach-
vollziehbarer werden. Dieses Political Peaking wrde die Peak-Oil-induzierte Verknap-
pung des Angebots und die damit zusammenhngende Preissteigerung weiter verstrken.
hnliche Auswirkungen hat ein Trend, der vor allem in industriell weniger gut entwickel-
ten Frderlndern zu beobachten ist. Hier wird im Land gefrdertes und raffiniertes l
unter dem Weltmarktpreis angeboten, zum Beispiel um die eher ineffizient arbeitende
Industrie wettbewerbsfhiger zu machen oder um die Bevlkerung an den Reichtmern
des Landes zu beteiligen. Es ist zu beobachten, dass diese Preisverzerrung zu steigendem
Inlandskonsum fhrt, damit die Exportmengen verringert und allgemein einen ineffizien-
ten Umgang mit l frdert. Eine solche Dynamik fhrt dazu, dass die Exporte langsamer
steigen als die Produktion, beziehungsweise im Falle eines Peaks die exportierten lmen-
gen noch schneller fallen als die produzierten. Dies kann nach einem Peak das Sinken der
globalen Frdermengen ebenfalls zustzlich beschleunigen.
Fr l importierende Lnder bedeutet eine verstrkte Konkurrenz um Ressourcen gleich-
zeitig verstrkte Konkurrenz um die Gunst der Frderlnder. Letzteren erffnet sich da-
mit ein Window of Opportunity, das sie zur Durchsetzung politischer, wirtschaftlicher
oder ideologischer Ziele nutzen knnen. Da dieses Zeitfenster aber aufgrund abnehmen-
der Reserven, erschwerter Frderbedingungen und der fortschreitenden Transformation
vieler Lnder zu weitgehend post-fossilen Wirtschaften nur fr einen begrenzten Zeit-
raum offensteht, knnte es zu einer offensiveren Durchsetzung eigener Interessen seitens
der Frderlnder kommen. Die jeweiligen Agenden dieser Lnder, die hierbei fr die
Dauer der Transformation westlicher Industriestaaten zu postfossilen Gesellschaften in
den Mittelpunkt des Interesses rcken wrden, sind ebenso unterschiedlich wie die Fr-
derlnder selbst.
Konditionierung der Lieferbeziehungen
Im Rckblick traten die nationalen lkonzerne der aufsteigenden Schwellenlnder erst
relativ spt als relevante Akteure auf dem internationalen lmarkt auf. Als bspw. China
Konzernen fallen Mrkte weg. Gefrdertes Rohl wird beispielsweise nicht an den Meistbietenden verkauft, sondern an andere Konzernteile weitergeleitet. Global gesehen werden damit Marktmechanismen einge-schrnkt und es kommt auch zu Ineffizienzen bei der Verteilung der Ressource. Insbesondere Unternehmen in Staatsbesitz priorisieren zunehmend die physische Verfgbarkeit von Ressourcen gegenber einem ge-winnmaximierenden und effizienten Gebrauch. Dieses Phnomen ist nicht auf in Frderlndern ansssige Firmen beschrnkt, sondern lsst sich ebenso bei Firmen aus Importlndern beobachten.
13 Dieses Verhalten ist bereits jetzt zu beobachten. Bereits im April 2008 hat Knig Abdullah von Saudi-Arabien verfgt, dass damals neu entdeckte Quellen nicht erschlossen werden sollen.
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Anfang der 90er Jahre vom Nettoexporteur von Erdl zum Nettoimporteur wurde, waren
die ergiebigsten der noch frei zugnglichen lquellen bereits von den westlichen lkon-
zernen besetzt, bzw. wurden in Form von Joint Ventures gemeinsam mit den nationalen
lkonzernen erschlossen (insbesondere in der Region des Persischen Golfs). Die westli-
chen Konzerne (insbesondere die Nachfolger der sogenannten Seven Sisters14) und die
nationalen Konzerne der Frderlnder hatten die Spielregeln des lmarktes festgelegt.
Firmen wie die chinesische CNPC mussten sich Gebieten zuwenden, die noch nicht er-
schlossen waren oder aus politischen Grnden von anderen Firmen gemieden wurden.
Dies verlangte nach neuen Spielregeln und eigenen Anstzen, zum Beispiel der Auswei-
tung der von China seit jeher propagierten Politik der Nicht-Einmischung in innere Ange-
legenheiten auf die afrikanischen oder zentralasiatischen Handelspartner.
Insgesamt wird staatliche Energiediplomatie heute als sehr kostenintensiv eingestuft.
Zum einen werden regelmig Investitionsentscheidungen getroffen, die unter privat-
wirtschaftlichen Bedingungen nicht gefallen wren. Die Exploration neu entdeckter Vor-
kommen mag den physischen Bedarf decken, die Explorationskosten sind jedoch oft h-
her als der Marktpreis. Zum anderen entstehen schwer zu beziffernde politische Kosten
durch die Zusammenarbeit mit vom Rest der Welt gechteten Regimen. Durch den Peak
Oil ndert sich genau dieses Kalkl zugunsten von ressourcenpolitisch expansiven
Schwellenlndern wie China. Mit den zu erwartenden steigenden lpreisen verbessert
sich das Kosten-Nutzen-Verhltnis intensiver und teilweise aggressiver Energieauenpo-
litik betrchtlich.
Der globale lmarkt wird langfristig nur mehr eingeschrnkt den freien marktwirtschaft-
lichen Gesetzen folgen knnen. Bilaterale, konditionierte Lieferbeziehungen und privile-
gierte Partnerschaften treten, wie bereits vor den lkrisen der 1970er Jahre, wieder in
den Vordergrund.15 Da diese Beziehungen vor dem Hintergrund abnehmender Frder-
mengen und der Notwendigkeit, den Eigenbedarf zu decken, zunehmend selektiver wer-
den, ist anzunehmen, dass attraktive Gegenleistungen ein entscheidendes Kriterium fr
die Auswahl der bevorzugten Empfngerlnder sein werden. Abnehmer, welche entspre-
chende Angebote erbringen beziehungsweise die jeweiligen Bedingungen erfllen kn-
nen, werden in der Lage sein, sich vom Marktmechanismus zu lsen und eigene Preis-
und Lieferabsprachen auszuhandeln. Es kommt vermehrt zu Koppelgeschften.16 So sind
beispielsweise Chinas Lieferungen von Kleinwaffen und leichten Waffen in einige afrika-
nische Lnder eher als Mittel zur Festigung seines politischen Einflusses und dem damit
14 Nach Fusionen sind dies heute: ExxonMobil, Chevron, BP und Royal Dutch Shell.
15 Bereits heute bestehen einige OPEC-Mitglieder auf Vertragsklauseln, die den Weiterverkauf von l in Dritt-lnder durch die Kufer einschrnken.
16Angesichts der Eigenstndigkeit privatwirtschaftlicher Akteure setzt das Zustandekommen von Koppelge-schften ein Eingreifen von staatlicher Seite voraus, welches die Unternehmen zu Koppelgeschften zwingt oder fr diese Staatsunternehmen nutzt.
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17
einhergehenden Versuch, sich Zugang zu den Ressourcen der Region, insbesondere l, zu
sichern, zu erklren, als durch die eher geringen monetren Anreize solcher Geschfte.17
Richtet sich das Geschft im Einzelfall nach dem Bedarf des lanbieters, sind grundstz-
lich besonders jene Gter und Leistungen geeignet, die - hnlich wie l - die Wirtschafts-
kraft oder die Mglichkeiten der politischen Einflussnahme des Landes strken. Hier lsst
sich grundstzlich zwischen materiellen und politischen Gegenleistungen differenzie-
ren.18 Zur ersten Kategorie gehren Rstungsgter,19 Technologien zur Erdlfrderung
und zum -transport, aber auch Technologien zur alternativen Energieversorgung, Fhig-
keiten zum Schutz kritischer Infrastruktur, zur Exploration nicht-konventioneller Erdl-
quellen und zur Durchfhrung militrischer Operationen in extremen Klimazonen. Ne-
ben den genannten Gtern kommen aber auch der Zugang zu anderen Ressourcen, Sttz-
punkt- oder Transitrechte als Gegenleistung in Frage. Von besonderem Interesse sind
jene Gter, die nicht im freien internationalen Handel erwerbbar sind wie beispielsweise
Nuklearmaterial. Der in diesem Zusammenhang anzunehmende Bedeutungsgewinn die-
ser sensiblen Gter knnte zur Folge haben, dass (1) diese Gter betreffende Sanktionen
und Restriktionen aufgeweicht werden und es (2) neben Erdlexportlndern auch zu
einer Besserstellung der Anbieter dieser Gter im internationalen System kommt.
Darber hinaus ist zu erwarten, dass auch weltanschauliche Aspekte eine Rolle bei der
Fokussierung der Lieferungen spielen werden. limportabhngige Staaten werden in ih-
rer Auenpolitik zu mehr Pragmatismus gegenber lanbietern gezwungen und mssen
normative Aspekte dem Primat der Versorgungssicherheit unterordnen. Seitens der l-
frderstaaten ist eine politische Instrumentalisierung ihrer Machtposition und eine ent-
sprechende Formierung von Allianzen entlang weltanschaulicher Konfliktlinien durchaus
plausibel. Die auenpolitischen Beziehungen der l importierenden Lnder untereinan-
der sind zwar nicht durch ein unmittelbares Abhngigkeitsverhltnis gekennzeichnet,
geraten jedoch in den Sog der Konkurrenz um begrenzte Ressourcen.
Volatilitt und Vertrauensverlust
Bei sich verndernden Interessen und Prioritten knnte eine zunehmende Konditionie-
rung der Lieferbeziehungen entlang der Bedrfnisse der Frderlnder zu wechselnden
Allianzen und insgesamt abnehmender Stabilitt und Transparenz in den Beziehungen
zwischen Importeuren und Exporteuren fhren. Whrend Abnehmern ein grundstzli-
ches Interesse an stabilen, langfristigen Beziehungen unterstellt werden kann, wre eine
Volatilitt der Bindungen fr Anbieter dann opportun, wenn sie ohne nachhaltige wirt-
17 Vgl. Grimmet, R. (2009): CRS Report for Congress: Conventional Arms Transfers to Developing Nations, 2001-2008. S. 10. URL: http://www.fas.org/sgp/crs/weapons/R40796.pdf (abgerufen am 29.06.2010)).
18 Diese Differenzierung ist insofern nicht immer trennscharf, da der Besitz bestimmter materieller Gter sich auch in politische Einflussnahme bersetzen lsst.
19 Ob der Bedeutungsgewinn von Rstungsgtern als Koppelgut zu einer globalen Aufrstung fhren wird, ist fraglich. Ein zunehmend durch Konkurrenz und Konflikt geprgtes internationales Umfeld wrde eine solche Entwicklung jedoch begnstigen.
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18
schaftliche Nachteile und mit politischer Einflussmaximierung einherginge. Dies wre
dann der Fall, wenn sich die Volatilitt der Lieferbeziehungen nicht wie in der Vergan-
genheit - in einer Volatilit der Exportgewinne niederschlge, was durch eine Einschrn-
kung des Anteils des am globalen lmarkt gehandelten ls grundstzlich mglich
scheint.
Energiediplomatie rckte in der jngsten Vergangenheit zunehmend in den politischen
Fokus, weil Energiepolitik vermehrt als merkantilistisches Nullsummenspiel perzipiert
wird, in dem in Abwesenheit funktionierender Marktmechanismen ein Staat verliert
wenn der andere gewinnt. Diese Sichtweise wird durch die Peak-Oil-These gesttzt, wenn,
wie oben beschrieben, sich die auf dem freien Markt gehandelten lmengen relativ ver-
ringern. Obwohl es im allgemeinen internationalen Interesse wre, mit Hilfe von Ener-
giediplomatie die Marktkrfte zu strken und so die Effizienz bei der Verteilung knapper
Ressourcen zu steigern, ist mit dem in diesem Zusammenhang bekannten Moral-Hazard-
Verhalten einzelner Akteure zu rechnen. Fr den einzelnen Staat gibt es selbst bei funkti-
onierenden Mrkten Anreize, sich auf Kosten der Allgemeinheit und mit Hilfe politischer
Mittel Vorteile vor anderen Marktteilnehmern zu sichern. Die hieraus resultierende Unsi-
cherheit aller Akteure knnte sich negativ auf die Vertragstreue und Verlsslichkeit in den
internationalen Energiebeziehungen auswirken. Zum Schutz von llieferungen und bila-
teralen Abkommen erscheint auch eine Intensivierung der Geheimdiplomatie plausibel.
Angesichts der skizzierten Voraussetzungen und der vor diesem Hintergrund zu erwar-
tenden Zunahme von Misstrauen und Unsicherheit wrde ein freier und transparenter
Zugang zu nationalen Energieressourcen, Mrkten und Handel mit Energiedienstleistun-
gen zunehmend unwahrscheinlicher.
Mit politischen Anstzen wie der l- und Gasmarktstrategie zielt die Bundesregierung
schon heute darauf ab, durch enge Verflechtungen mit wichtigen Energielieferanten auf
Unternehmensebene eine Situation zu schaffen, in der eine hohe beiderseitige wirtschaft-
liche Abhngigkeit entsteht. Gleichzeitig werden Bezugsquellen und Transitrouten diver-
sifiziert, zum Beispiel durch den Bau der Ostseepipeline Nord Stream. Rohstoffvorha-
ben der deutschen Wirtschaft werden ber Hermes-Brgschaften gefrdert und abgesi-
chert. Ebenfalls von groer Bedeutung fr die bilateralen Energiebeziehungen sind Initia-
tiven zur Schaffung von Transparenz um zu funktionierenden Mrkten beizutragen.20 Vor
dem beschriebenen Hintergrund eines Peak Oil mssten solche Anstze nachdrcklich
vertieft und weiterentwickelt werden.
Erschwerte Herkunftsdiversifizierung
l importierende Lnder werden zur Vermeidung bzw. Reduzierung der Einflussnahme
einzelner Exportlnder versuchen, durch die Diversifizierung von Herkunftslndern und
Energietrgern ihre Abhngigkeit von der Ressource l zu reduzieren. Wo eine Diversifi-
20 Vgl. Bericht der Bundesregierung zur l- und Gasmarktstrategie (2008), URL: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/B/bericht-der-bundesregierung-zur-oel-und-gasmarktstrategie,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf (abgerufen am 30.06.2010).
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19
zierung nicht gelingt, kann diese Abhngigkeit zu massiven politischen Einschrnkungen
fr Importlnder fhren, im schlimmsten Fall bis hin zur Erpressbarkeit. Durch die Kon-
zentration der wesentlichen Erdlreserven in der Strategischen Ellipse (vor allem Naher
und Mittlerer Osten und Nordafrika) gestaltet sich eine Herkunftsdiversifizierung jedoch
schwierig. In der Folge gewinnt die Region erheblich an Bedeutung, was zu einer ver-
strkten Einmischung externer Mchte zur Sicherung ihrer Interessen und Ressourcen in
der Region fhren kann. Dabei wrden eine grundlegende nderung der Sicherheitsar-
chitektur des Golfraumes, inklusive des Nahen Ostens, eine verstrkte Proliferation oder
der weitgehend ungehinderte Bau von Massenvernichtungswaffen dieses Engagement vor
besondere auen- und sicherheitspolitische Herausforderungen stellen. Insgesamt steigt
durch die Notwendigkeit der Sicherung von fossilen Ressourcen im Allgemeinen und von
l-Lieferungen im Speziellen die Wahrscheinlichkeit von regionaler Einmischung seitens
Drittstaaten unter Einsatz unterschiedlicher ihnen zur Verfgung stehender Instrumente.
Geopolitische Umwlzungen und neue strategische Bndnisse
Die Konzentration verbleibender konventioneller l- und Gasreserven hauptschlich im
Nahen Osten und Nordafrika fhrt aber auch dazu, dass die Lnder dieser geographi-
schen Rume in eine vorteilhafte Situation versetzt werden. So knnen sie zunehmend
Gegenleistungen einfordern, die ihnen nicht nur aus ihrem technologischen Rckstand
und ihrer wirtschaftlichen Stagnation, sondern in vielen Fllen auch aus ihrer politischen
Isolation heraushelfen sollen. Es kommt zu privilegierten Partnerschaften. Schwellenln-
der treten in internationalen Verhandlungen und Gremien wie dem UN-Sicherheitsrat
zunehmend als Sprachrohr fr die Interessen ressourcenreicher (Entwicklungs-)Lnder
auf und beeinflussen oder blockieren Entscheidungsprozesse zu ihren Gunsten. Auf diese
Weise forcieren einige Staaten, insbesondere des Nahens Ostens und Nordafrikas, gezielt
die Bildung eines politischen Gegengewichtes zu den USA, sowohl in der Region als auch
im Internationalen System.
Mit dem Abschluss neuer strategischer Bndnisse, wie beispielsweise der Shanghai Orga-
nisation fr Zusammenarbeit oder dem Forum Gas exportierender Lnder, zeichnen sich
bereits heute geopolitische Umwlzungen ab. Diese knnten angesichts einer Peak-Oil-
induzierten Verschrfung der Konkurrenzsituation um Erdl und des Aufstiegs von gro-
en Schwellenlndern massive Auswirkungen, insbesondere auf die Versorgungssicher-
heit von westlichen Industrielndern haben.
Auf Grund der wachsenden Anzahl an Staaten, die nicht mehr ber l verfgen oder die-
ses nur noch fr den Eigenverbrauch nutzen wollen oder knnen, wird sich auerdem
eine Vernderung in der Mitgliedschaft der OPEC ergeben. Denkbar ist der Wegfall von
Staaten, die ihren Peak Oil erreicht haben sowie die Aufnahme neuer Mitglieder, die
knftig nicht-konventionelle lvorrte erschlieen knnten.
Unterminierung werteorientierter Auenpolitik
Um den enormen Energiehunger ihrer rasant wachsenden Volkswirtschaften zu stillen,
werden limportabhngige Schwellenlnder unter Rckgriff auf ein breites Instrumenta-
rium ihr Engagement in lreichen Lndern weiter verstrken. Sie engagieren sich dabei
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20
als Handelspartner, Investoren, Technologie- und Waffenlieferanten, Kreditgeber oder
Entwicklungshelfer. Vor dem Hintergrund des globalen Peak Oil ist anzunehmen, dass
auch China, dessen Politik traditionell vom Motiv der Nichteinmischung geleitet ist, sei-
nen bereits begonnenen politischen Kurswechsel hin zu einer pragmatischen und regional
breit aufgestellten Auenpolitik zum Zweck einer nachdrcklichen Energiesicherung fort-
setzen wird.21 Dieses zunehmende Engagement der Schwellenlnder, insbesondere Chi-
nas, in Drittlndern folgt berwiegend pragmatischen berlegungen und enthlt eine
geringere oder keine normativ-politische Konditionierung, wie sie in der Vergangenheit
vielfach von liberalen westlichen Demokratien praktiziert wurde. Letzteren knnte vor
diesem Hintergrund ein massiver Einflussverlust im Wettbewerb um das knappe l dro-
hen. Angesichts der perzipierten Notwendigkeit, kurzfristig die Energieversorgung zu
sichern, knnte Pragmatismus zu einem zunehmend bestimmenden Element in den zwi-
schenstaatlichen Beziehungen werden. Eine solche Entwicklung knnte sich zuungunsten
werteorientierter auf langfristige Erfolge angelegter auenpolitischer Anstze auswirken.
Schon heute wird China vorgeworfen, auen- und entwicklungspolitische Prinzipien west-
licher Industrielnder zu unterlaufen. In der Zukunft werden Forderungen nach dem
Schutz der Menschenrechte, nach guter Regierungsfhrung oder demokratischer Ent-
wicklung verstrkt dem Primat der Energiesicherung geopfert und in den Beziehungen
zwischen limportabhngigen Staaten und Frderlndern kaum mehr eine Rolle spielen.
Es ist anzunehmen, dass die Beziehungen westlicher Industrienationen zu ressourcenar-
men Lndern von diesem scheinbaren Werteverfall unberhrt bleiben. Im Dienste der
Energiesicherung kommt es folglich zu ausgeprgten auenpolitischen Doppelstandards.
Machtverschiebungen in Internationalen Organisationen zugunsten groer
Schwellenlnder
Um den wirtschaftlichen Aufstieg und den damit einhergehenden steigenden globalen
Gestaltungswillen von groen Schwellenlndern abzubilden, wird es zu kontinuierlichen
Anpassungen der Mitgliedschaft, so wie der Anteils- und Stimmgewichte in Internationa-
len Organisationen und multilateralen Zusammenschlssen kommen.22 Lnder wie Russ-
land knnen diesen Einflussgewinn durch den eigenen Ressourcenreichtum weiter aus-
bauen und konsolidieren, da vor dem Hintergrund des Peak Oil insbesondere die Bedeu-
tung von Gas fr die globale Energieversorgung rasant wchst. Whrend Rohstoffreich-
tum allein heute noch keinen einflussreichen internationalen Akteur ausmacht, lsst sich
vor dem Hintergrund des Peak Oil die Verfgungsgewalt ber Energie zunehmend in glo-
bale Gestaltungskraft und die Mitbestimmung internationaler Regeln bersetzen. Dies
21 Vgl. Dr. Christina Y. Lin (2008): Militarisation of Chinas Energy Security Policy Defence Cooperation and WMD Proliferation Along its String of Pearls in the Indian Ocean , Berlin.
22 Beispiele hierfr sind die jngst in der Weltbank vernderten Stimmgewichte, durch die insbesondere Chi-na mehr Einfluss erhlt, sowie die Ablsung der G8 durch die G20 als Forum fr wesentliche Fragen der Weltwirtschaftspolitik. Beim Internationalen Whrungsfonds (IWF) steht eine hnliche Reform der internen Verhltnisse derzeit noch aus. Dabei geht es um eine umstrittene Quotenverschiebung von fnf Prozent zu-gunsten der Schwellen- und zu Lasten der Industrielnder.
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21
gilt umso mehr, je besser den lkonzernen der Frderlnder die sich bereits abzeichnen-
de vertikale Integration weiterer Anteile der Wertschpfungsketten im lsektor gelingt
und je kleiner der Anteil des auf dem globalen lmarkt gehandelten Erdls wird. Als con-
ditio sine qua non fr den Ausbau der wirtschaftlichen Vormachtstellung erfhrt Energie
angesichts des Peak Oil einen massiven Bedeutungsgewinn fr globale Machtverschie-
bungen und die (Neu-)Gestaltung des internationalen Systems.
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22
3.1.2. Die Erschlieung weiterer und alternativer Energie-Ressourcen schafft neue sicherheitspolitische Herausforderungen
Durch das Schwinden konventioneller Erdlreserven unter den Bedingungen des Peak
Oil gewinnen alternative Energieressourcen an Bedeutung. Dazu gehren noch nicht
erschlossene, auch nicht-konventionelle Erdl- und Erdgaslagersttten, Kohle und
Kernkraft sowie erneuerbare Energieformen. Die Nutzung dieser Ressourcen birgt
wichtige sicherheitspolitische Implikationen und neue Herausforderungen.
Auseinandersetzungen um Erdlvorkommen in umstrittenen Regionen oder
internationalen Gewssern
Durch die lreserven, die noch in internationalen Gewssern und der Arktis liegen, ge-
winnen diese Gebiete angesichts sinkender Frdermengen erheblich an Bedeutung.23
Auch wenn fr die Exploration solcher nicht-konventioneller Vorkommen groe techni-
sche Schwierigkeiten zu berwinden und erhebliche finanzielle Aufwendungen zu ttigen
sind, wird die Frderung dieser Reserven bei globaler lverknappung und folgendem
Preisanstieg ab einem bestimmten Punkt rentabel und aus Sicht einiger Akteure notwen-
dig sein. Die Exploration in der Arktis, einem industriell weitgehend unberhrten Gebiet,
stt mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst vor dem Hintergrund einer dramatischen l-
verknappung auf Widerstand etwa von Umweltschutzorganisationen. Der Eingriff in die
Natur der Arktis mit unabsehbaren Folgen fr das komplexe kosystem wird besonders
durch Gruppierungen in den von der lknappheit weniger betroffenen Staaten kaum
widerspruchslos hingenommen werden. Viele der Vorkommen liegen zudem in Regionen,
deren Besitz noch umstritten ist.24 Daher ist mit einer Zunahme von Auseinandersetzun-
gen um diese Gebiete zu rechnen.25
23 Wenngleich oft von groen Vorrten berichtet wird, ist der Umfang dieser Energieressourcen vor allem in der Arktis aber weitgehend unbekannt. Vgl. Amt fr Geoinformationswesen der Bundeswehr (2007): Erdl-vorkommen unter den Polkappen, Geopolitische Kurz-Info, S. 6.
24 Eine Auflistung der Grenzen und Ansprche findet sich bei der "International Boundaries Research Unit" der Durham University unter URL: http://www.dur.ac.uk/ibru/resources/arctic/. Der Kreml hat seinen An-spruch auf grere Teile der Arktis 2007 medienwirksam vertreten. Wie auch Norwegen, Kanada und Dne-mark hat Russland zudem eine Ausweitung seiner Festlandsockelauengrenze beantragt. In der Arktis sind die Besitzansprche noch immer nicht abschlieend eindeutig geklrt, auf hoher See kollidieren durch die teilweise unklare Rechtslage hinsichtlich der betreffenden Gebiete die Ansprche verschiedener Staaten mit-einander. Damit kommt es zum Streit um die wichtiger werdenden Ressourcen und einem erhhten Konflikt-potenzial zwischen den Anrainern und etwaigen weiteren Staaten, die Ansprche geltend machen.
25 Aus dem Vorhandensein von Konflikten und Auseinandersetzungen im Allgemeinen kann nicht auf eine Zunahme von Kriegen und kriegerischen Auseinandersetzungen geschlossen werden, da die hier angespro-chenen Auseinandersetzungen keineswegs zu gewaltsam ausgetragenen Konflikten eskalieren mssen. Von diesen Auseinandersetzungen um die Herrschaftsgewalt ber Frderregionen sind die Auseinandersetzungen um die eigentliche Exploration des ls zu trennen. Vgl. auch Abschnitt 3.1.3.
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23
Die Ausbeutung nicht-konventioneller lvorkommen wird in Zeiten der lknappheit ei-
nem anderen Kalkl unterliegen als in Zeiten ausreichender Versorgung. Daher ist von
einer deutlich gesteigerten Exploration solcher Ressourcen auszugehen. Besonders die
aufwendige Bearbeitung von Teersanden verdeutlicht, welche kologischen, aber auch
konomischen Konsequenzen diese Ausbeutung haben kann. Moderne Frdertechnolo-
gien sowie klima- und umweltschonende Verfahren werden in diesem Umfeld wichtiger
werden und fr Akteure mit entsprechender Hochtechnologie strategische Vorteile
erbringen.26
Es ist nicht sicher, ob die Exploration nicht-konventioneller lvorkommen der gleichen
konomischen Logik wie bei konventionellen Vorkommen unterliegt. Die externen Kos-
ten der Exploration konventioneller Vorkommen, vor allem in Form von Umweltschden,
sind vergleichsweise gering. Der erzielte Weltmarktpreis des ls deckt somit zu einem
groen Teil die tatschlich entstandenen Kosten (Frderkosten zuzglich Kosten bspw.
fr Umweltschden) ab. Im Fall von nicht-konventionellen lvorkommen ist dies hufig
nicht der Fall. Hier entstehen Umweltschden, die einen rein wirtschaftlich motivierten
Abbau in Frage stellen. Vorstellbar wre deshalb vor allem in umweltbewussten Gesell-
schaften eine Erschlieung dieser Vorkommen mit dem Ziel der Schaffung einer nationa-
len strategischen Reserve, die jedoch nur in Ausnahmefllen exportwirksam werden wr-
de. Global wre es damit fraglich, ob die vorhandenen Reserven an nicht-konventionellen
Vorkommen tatschlich auch in vollem Umfang marktwirksam werden wrden.
Die strategische Bedeutung der Ressourcensicherung durch die Erschlieung umstritte-
ner und neuer Gebiete wird zudem die Wahrscheinlichkeit einer weiteren militrischen
Aufrstung erhhen. Bereits heute sind Bestrebungen zu erkennen, militrische Fhigkei-
ten fr einen Schutz der eigenen Arktisansprche auszubauen. Auch wenn heutige Aktivi-
tten Russlands eher der Positionierung als Weltmacht und die Plne der anderen Natio-
nen in erster Linie der Sicherung der nationalen Souvernitt in meist weitlufigen Regi-
on dienen, findet bereits eine diesbezgliche Erhhung militrischer Ausgaben statt.27 Ob
die NATO in mglichen Auseinandersetzungen um Ressourcen in der Arktis eine Rolle
spielen wird, ist bisher unklar, doch gehren die Anrainerstaaten auer Russland alle
dem Bndnis an. Dies wrde eine Verwicklung des transatlantischen Bndnisses im Fall
von territorialen Streitigkeiten von einem oder mehreren Mitgliedstaaten mit einem nicht
dem Bndnis angehrenden Staat nahelegen, auch wenn die NATO auf Grund
niedrigschwelliger, gewaltfreier Auseinandersetzungen nicht zwingend in ihrer Funktion
der kollektiven Verteidigung in Aktion treten wrde.
26 Vgl. auch Abschnitt 3.1.1.
27 Russland hat unter dem Dach des Inlandsgeheimdienstes FSB eine paramilitrische Einheit fr den Schutz des arktischen Territoriums aufgestellt, Kanada hat den Bau mehrerer arktistauglicher Patrouillenboote be-gonnen und einen Marinehafen sowie ein Ausbildungszentrum fr Operationen unter arktischen Bedingun-gen errichtet.
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24
Neuerdings befasst sich auch China verstrkt mit der Arktis, wenngleich ein Zusammen-
hang mit den vorhandenen Ressourcen abgestritten wird. Dies knnte jedoch als erstes
Anzeichen fr die erwartete Einmischung zustzlicher Akteure gerade in neuen und um-
strittenen Regionen mit strategischen Rohstoffvorkommen gewertet werden.
Bezglich internationaler Gewsser gelten die gleichen berlegungen. Darber hinaus
wrde eine Exploration der Tiefseeressourcen zu einer Aufwertung maritimer Hochtech-
nologie fhren. Akteure mit entsprechenden Fhigkeiten wrden folglich eine Aufwertung
erfahren. Mit der Ausbeutung der Vorkommen auf offener See wrde schlielich auch die
Bedeutung von hochseefhigen Marinekrften (Blue Water Navy) zunehmen.
Erdgas als Verlngerung des lzeitalters
Aufgrund seiner chemischen Eigenschaften gilt Erdgas in vielen Bereichen als mgliches
Substitut fr Erdl. Trotz einer hohen Unsicherheit ber die bestehenden Vorrte wird
bei Erdgas von einer greren Reichweite als bei Erdl ausgegangen. Erdgas wird so zu
einem der wichtigsten fossilen Energietrger der Zukunft und zumindest in einer ber-
gangsphase Erdl in erheblichem Mae ersetzen mssen.28 Die Vorkommen von Erdgas
liegen zumeist in der Nhe von Erdlvorkommen damit ergeben sich zunchst durch
die Lage der Frderlnder dieselben, schon aktuellen sicherheitspolitischen Herausfor-
derungen.
Bei einer abnehmenden lfrderung knnten fr eine ausgeweitete Erdgasnutzung zu-
nchst hnliche Technologien und Infrastrukturen genutzt werden. Im Unterschied zu
Erdl kann Erdgas jedoch nicht ohne weiteres verschifft werden, sondern muss entweder
als Gas durch Pipelines oder nach der Komprimierung oder Verflssigung (Liquified Na-
tural Gas (LNG)) mit Spezialtankern transportiert werden. Pipelinenetze, ber die der
berwiegende Anteil des gefrderten Erdgases zu den Abnehmern gelangt, sind jedoch
regional gebunden. Statt eines Weltmarktes fr Erdgas gibt es deswegen faktisch mehrere
regionale Einzelmrkte mit entsprechend begrenzten Mglichkeiten zur Diversifikation
von Lieferbeziehungen und den hiermit zusammenhngenden Herausforderungen fr die
Energiesicherheit. Die zum Transport des Erdgases in die Abnehmerlnder bevorzugten
Pipelines berspannen zudem nicht nur Lnder und Regionen, sondern hufig auch poli-
tische und wirtschaftliche Bndnisse und Kulturkreise. Die Auseinandersetzungen um
Verlauf, Aufbau und Sicherheit von Pipelines werden daher tendenziell zunehmen. Dies
betrifft nicht nur die Umgehung von als unsicher geltenden Staaten oder Regionen, son-
dern auch den Umgang mit Staaten, die nicht an der wirtschaftlichen Erschlieung der
Vorkommen respektive dem Pipelinebau beteiligt werden sollen.29
28 Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehrde (IAEA) wird Erdgas bis 2080 mit ber 50 % Anteil zum wichtigsten fossilen Energietrger.
29 Vgl. auch Abschnitt 3.1.3. Auch bei Pipelineverlufen durch stabile, sichere Regionen ist mit einer zuneh-menden terroristischen Gefhrdung der entsprechenden Infrastruktur zu rechnen. Damit knnte die Not-wendigkeit, auch grere Rume geostrategisch zu stabilisieren, weiter steigen.
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25
Bilaterale Lieferbindungen fr Erdgas knnten zudem noch leichter in auch politisch
wirksame Abhngigkeitsverhltnisse umschlagen, die traditionelle politische Orientie-
rungen oder die Einbindung in Bndnisse berlagern ggf. eher unmerklich.30 Die Fr-
derlnder werden zudem versuchen, zunehmende Wertschpfungsanteile der Erdgasver-
arbeitung zu besetzen dazu gehren z.B. Umwandlung in flssige Kohlenwasserstoffe
(Gas-to-Liquids (GtL)) und die weitere Nutzung des Erdgases als Rohstoff fr die chemi-
sche Industrie. Auf diese Weise knnten sich die mglichen Einnahmerckgnge der Fr-
derlnder durch den Peak Oil und die entsprechenden destabilisierenden Effekte zu-
nchst relativieren. Ebenso knnte die derzeit deutlich steigende Nutzung der LNG-
Technologie, die den Erdgastransport ber Tanker ermglicht, neue Handelsrouten und
Abnehmer fr Erdgas erschlieen.
Fr Erdgas gibt es zudem erhebliche nicht-konventionelle Vorkommen. Dazu gehrt etwa
Methanhydrat in Eis eingeschlossenes Erdgas, das auf dem Meeresboden oder in Per-
mafrostbden lagert. Unter den Bedingungen des Peak Oil drfte die energetische Nut-
zung dieser Vorkommen wirtschaftlich interessanter werden. Hier gelten hnliche, aus
der Lage dieser Erdgasvorrte im Meer und den nrdlichen Regionen resultierende si-
cherheitspolitische Herausforderungen wie bei der Ausweitung der Frderung nicht-
konventioneller Erdlvorrte.
Ausbau der Kernenergie und verstrkte Proliferation
Der weitere, teils massive Ausbau der Kernenergie, der sich in einigen Lndern schon
heute abzeichnet, wurde schon in der Vergangenheit als Antwort auf und Teil des Auswe-
ges aus lkrisen gesehen. Unter der Voraussetzung einer weiteren Elektrifizierung der
Energieinfrastruktur knnen sowohl Kernenergie als auch und vor allem erneuerbare
Energien einen hohen Substitutionsbeitrag fr die zurckgehenden fossilen Energietrger
leisten.31 Zur Reichweite von kerntechnischen Rohstoffen wie Uranerz gibt es unter-
schiedliche Einschtzungen, die aber meist oberhalb der Reichweiten fr Erdl liegen.32
In vielen Lndern gilt wenn die Problematik der Sicherheit und der Endlagerung aus-
geblendet wird Kernenergie als vergleichswerte preiswerte Energie, die zudem zur Sen-
kung des CO2-Ausstosses beitrgt. Mehr Kernenergie wrde aber zumindest die statisti-
sche Wahrscheinlichkeit von Unfllen erhhen, die ab einer gewissen Schwelle regional
dramatische und destabilisierende kologische Folgen mit globalen Auswirkungen haben
knnen. Dies gilt umso mehr, wenn weitere Schwellen- oder gar Entwicklungslnder mit
anderen, teils schwcheren institutionellen Sicherheitsmechanismen und technologi-
schen Kompetenzen die Kernkraft in grerem Umfang erschlieen. Externe kologische
Effekte durch den bereits heute stark umweltbelastenden Uranbergbau, die Nutzung von
30 Vgl. auch Abschnitt 3.1.1.
31 Dies betrifft sowohl den Primrenergieverbrauch in der Industrie und den Haushalten als auch bei strke-rer Nutzung des Bahntransports und nach dem weiteren Ausbau der Elektromobilitt das Transportwesen.
32 Nach Berechnungen der Nuclear Energy Agency der OECD liegt die Reichweite bei 50 bis 70 Jahren.
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26
natrlichen Wasserressourcen zur Khlung der Kernkraftwerke (Stichwort: Flusslufe im
Klimawandel), den Rckbau stillgelegter Alt-Anlagen oder die Problematik der Endlage-
rung kommen hinzu und verkomplizieren die kologische Gesamtbetrachtung.
Ein Ausbau der Kernenergie verschrft aber vor allem die Problematik der Proliferation.
Angesichts einer sich dramatisch verschlechternden Energielage drfte es zum einen fr
die Weltgemeinschaft noch schwieriger werden, kritischen Staaten bzw. Krisenlndern
den Zugang zu Atomtechnologien zu verweigern oder deren Nutzung zu begrenzen und zu
kontrollieren. Entsprechende Vertragswerke drften damit merklich an Bedeutung verlie-
ren, Sanktionen immer weniger durchsetzbar werden. Zum anderen drfte der wirtschaft-
liche Anreiz, Kerntechnologie und/oder Nuklearmaterial zu verkaufen oder zu transferie-
ren, nicht nur fr l-exportierende Lnder angesichts sinkender nationaler lressourcen
deutlich steigen. Auch l-importierende industrialisierte Lnder knnten geneigt sein,
ihre Kerntechnologie im Sinne von politisch begrndeten Koppelgeschften gegen Ener-
gieressourcen zu transferieren. Bei allen Bemhungen, die unkontrollierte Ausbreitung
der dann immer auch militrisch nutzbaren Kerntechnologie zu verhindern, knnten die-
se Anreize oder auch schlichte wirtschaftliche Chancen und Notwendigkeiten bestehende
vertragliche Verpflichtungen oder sogar Bndniszugehrigkeiten unterlaufen oder zu-
mindest relativieren. Damit werden in der Tendenz weitere Staaten zu potenziellen oder
tatschlichen Atommchten mit allen Auswirkungen auf vernderte (ber-)regionale
Gleichgewichte und Bndnissysteme.
Mit der sich ausweitenden Weitergabe bzw. dem Transfer von Kerntechnologie erweitern
sich die Mglichkeiten, dass weitere, darunter auch kritische und fragile Staaten derar-
tige Technologien und Materialien fr militrische Zwecke nutzen. Akteure in solchen
Staaten knnten Kernwaffen oder zumindest Nuklearmaterial auch gezielt an andere
staatliche, substaatliche oder nichtstaatliche Akteure abgeben. Angesichts der zunehmen-
den Menge von Brennstoffen in den Aufbereitungs- und Endlagerprozessen wird auch der
Diebstahl ernstzunehmender Mengen spaltbaren Materials immer wahrscheinlicher
gleich ob durch terroristische Gruppierungen oder durch die organisierte Kriminalitt.
Eine Kontrolle ber die Brennstoffkreislufe wird damit immer schwieriger. Die sicher-
heitspolitische Wildcard, dass terroristische Gruppen in den Besitz einfacher Nuklear-
waffen oder auch nur grerer Mengen von Nuklearmaterial gelangen, wird damit zu ei-
nem bestimmten Zeitpunkt gegebenenfalls immer unausweichlicher.
Wachsende globale Produktion von Energierohstoffen in Flchenkonkurrenz
zur Nahrungsmittelproduktion
Unter den Bedingungen des Peak Oil ist mit einem massiven Ausbau der Produktion von
nachwachsenden Rohstoffen sowohl fr energetische Zwecke als auch zur stofflichen
Verwendung zu rechnen.33 Die dafr notwendigen landwirtschaftlichen Nutzflchen sind
33 Die nachwachsenden Rohstoffe werden vor allem fr energetische Zwecke verwendet, etwa als Treibstoffe oder in effizienter Weise fr die dezentrale Stromerzeugung mit Kraft-Wrmekopplung. Als gut lagerbarer und konstant verfgbarer Energietrger sind sie ein wichtiger Teil der beschleunigten Energiewende hin zu erneuerbaren Energien. Daneben gewinnt die stoffliche Verwendung etwa fr die Chemieindustrie eine wach-
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27
jedoch begrenzt. Die starke Ausweitung des Anbaus nachwachsender Energierohstoffe
verstrkt so zwangslufig und massiv die globale Konkurrenz um landwirtschaftliche
Nutzflchen und Wasser. Im Wettbewerb stehen hierbei Pflanzen zur Energiegewinnung
mit solchen zur Nahrungsmittelherstellung und Pflanzen fr den Tierfutteranbau.34 Zer-
siedelung und Infrastrukturmanahmen fhren oft zu weiteren Einschrnkungen einer
mglichen Flchennutzung. Der durch den Peak Oil zu erwartende massive Anstieg der
Rohlpreise verteuert zustzlich energieintensive landwirtschaftliche Betriebsmittel wie
Dnger und Pflanzenschutzstoffe sowie den Transport der landwirtschaftlichen Zwi-
schen- und Fertigprodukte.35 Dies fhrt zu einer stetigen Verteuerung von Nahrungsmit-
teln; zumindest zu einer steigenden Volatilitt der Nahrungsmittelpreise.36 Unter den
steigenden Nahrungsmittelpreisen leiden vor allem einkommensschwache Schichten in
den Stdten und die Landbevlkerung soziale Scheren ffnen sich weiter. Angesichts
des anhaltenden Bevlkerungswachstums vorwiegend in den Entwicklungslndern ver-
schrft sich mglicherweise die Problematik einer regionalen Nahrungsmittelunterver-
sorgung bis hin zu Hungerkrisen.
Durch die Begrenztheit mglicher Anbauflchen ist der hohe Bedarf an Energierohstoffen
in Industriestaaten in der Regel nicht vollstndig durch Eigenproduktion zu decken, son-
dern nur durch Importe. Flchen fr die Bioenergieproduktion existieren vor allem in den
Entwicklungs- und Schwellenlndern, etwa in Afrika sdlich der Sahara, der Karibik und
Lateinamerika sowie in der Gemeinschaft unabhngiger Staaten.37 Der Export von Bio-
masse ist so zwar einerseits eine wirtschaftliche Chance fr die Entwicklungs- und
Schwellenlnder. Andererseits mssen diese Lnder, vor allem jene ohne eigene l- und
Gasversorgung, auch ihre eigene Nahrungsmittelversorgung sicherstellen. Angesichts der
Energiearmut groer Teile dieser Bevlkerungen mssen sie so gleichzeitig die Abhngig-
keit von dem sich verknappenden Erdl reduzieren und eine Eigenversorgung sowohl mit
sende Bedeutung. Denkbare Grenordnungen fr den Biomasseanbau reichen von 200 bis ber 700 Exajou-le/Jahr (Worldwatch Institute) d.h. von einem Fnftel bis deutlich mehr als die Hlfte des Weltenergiebe-darfs und darber hinaus. Aktuell wird davon ausgegangen, dass das Primrenergieangebot aus Biomasse unter global nachhaltigen Bedingungen bis 2050 maximal verdoppelt werden kann; vgl. Ernhrungssiche-rung und Biomassenutzung fr energetische Zwecke, Diskussionspapier der Plattform Nachhaltige Biomasse vom Dezember 2007.
34 Heute werden weltweit schon 70% des Swassers fr die landwirtschaftliche Produktion verbraucht. Hinzu kommt die zunehmende Produktion von Fleisch und Milch, fr den drei- bis viermal soviel fruchtbares Ackerland erforderlich ist.
35 Vgl. Worldbank, High Food Prices - A Harsh New Reality, Robert Zoellick,
36 Was eine Verschiebung des Preisgefges in Schwellen- und Entwicklungslndern fr Auswirkungen haben kann, zeigte die sogenannte Tortilla-Krise 2007 in Mexiko. Als die Nachfrage nach Biotreibstoffen sprung-haft anstieg und lukrative Geschfte versprach, entstand ein Wettbewerb um die begrenzten Anbauflchen fr die Anpflanzung von Weizen und Pflanzen zur Gewinnung von Biotreibstoffen. Es kam zu einer Verknappung und damit Verteuerung des Weizens und rmere einheimische Bevlkerungsschichten konnten sich das Grundnahrungsmittel Tortilla kaum mehr leisten. Es folgten massive Protestbewegungen gegen die Preisan-stiege. 4 von 10 mexikanischen Familien geben mehr als 10 Prozent ihres Einkommens fr Tortilla aus. Die Preisanstiege lagen im Bereich von 20 Prozent.
37 Der Flchenbedarf fr die Landwirtschaft wird sich bis 2050 mindestens verdoppeln.
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Nahrungsmitteln als auch mit Bioenergie sicherstellen.38 In den sdlichen Lndern exis-
tiert aber meist zuwenig Infrastruktur fr Erzeugung, Verarbeitung, Lagerung und Trans-
port von landwirtschaftlichen Rohstoffen. Investitionen in Bewsserungssysteme und
Straen wurden lange vernachlssigt; fehlende demokratische Strukturen und sozialpoli-
tische Krisenlagen (Stichwort: HIV) verkomplizieren den notwendigen Transformations-
prozess zur besseren Versorgung mit Nahrung und Energie.
Damit nimmt grundstzlich der Druck auf bzw. der Konkurrenzkampf um die landwirt-
schaftlichen Flchen insbesondere in den sdlichen Anbaulndern berproportional zu.
Unter der Bedingung, dass eine global nachhaltige Produktion von Biomasse noch nicht
erreicht werden konnte, zeichnen sich verschrfte Auseinandersetzungen um die strategi-
sche Ressource Land ab eine klassische Konfliktursache. Besonders arme und im lnd-
lichen Raum lebende Bevlkerungsgruppen in den Entwicklungs- und Schwellenlndern
sind gezwungen, andere bzw. neue Flchen fr den Nahrungsmittelanbau zu erschlieen.
Durch die Umwandlung von Wald- in Ackerflchen ist insbesondere die indigene Bevl-
kerung gefhrdet, die angestammte Siedlungsgebiete verliert. Staatlich angeordnete Um-
siedelungsmanahmen im Zusammenhang mit Bioenergienanbau fhren im Grenzfall zur
Enteignung von Siedlungsgebieten. Vertreibungen und brgerkriegsartige Auseinander-
setzungen werden wahrscheinlicher.39 Die Ausweitung landwirtschaftlicher Nutzflchen
wird auch durch global agierende Staaten und Unternehmen forciert, die schon heute
weltweit Flchen kaufen oder pachten (vgl. Abbildung 3). Diese strategischen Engage-
ments im Agrarsektor drften sich ausweiten, wobei bei der Aneignung von Grund und
Boden staatliche und privatwirtschaftliche oder gar substaatliche Interessen nicht leicht
zu trennen sind.
38 Gerade wenig entwickelte Lnder mssen unter den Bedingungen des sich verknappenden Erdls mehr Geld fr Nahrungsmittelimporte und gleichzeitig fr Rohl ausgeben; Schwellenlnder wie Indien mssen schon heute einen Groteil ihrer Exporteinnahmen fr limporte verwenden; vgl. Entwicklungspolitische Folgen des Welthandels mit Agroenergie, Diskussionsbeitrag von Brot fr die Welt, 2008, S.5
39 Zum Beispiel in Indonesion, wo es schon zur Beschlagnahme von Land und zu Umsiedelungen im Zusam-menhang mit der Ausweitung von lpalmplantagen kam. Vgl. Entwicklungspolitische Folgen des Welthan-dels mit Agroenergie, Diskussionsbeitrag von Brot fr die Welt, 2008, S.9ff.
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Abbildung 3: Internationale Landverpachtung
Quelle: UNEP/GRIP - Arendal
Fehlende Landtitel z.B. in Afrika scheinen zwar den Bodenerwerb fr Investoren zu er-
leichtern, verschrfen aber Landkonflikte.40 Eine strkere entwicklungs- und sicherheits-
politische Einflussnahme externer staatlicher oder privatwirtschaftlicher Akteure ist da-
her zu erwarten.41 Aus der Konkurrenz um die Nutzung der Ressource landwirtschaftli-
che Flche knnen so in vielen Fllen Konflikte erwachsen.
Eine exzessive Bioenergieproduktion ohne nachhaltige landwirtschaftliche Lsungen
wrde zudem die Folgeeffekte des Klimawandels verstrken. Eine intensivere Landwirt-
schaft, insbesondere mit Hochertragssorten in Monokulturen, wirkt sich gerade in den
Regionen negativ aus, die bereits von Wassermangel betroffen sind.42 Die Degradierung
von Bden durch Erosion, Verdichtung, Versalzung und Verwstung schreitet fort. Mit
der Zerstrung intakter kosysteme und dem Verlust an Biodiversitt verringert sich so
das natrliche Regenerationspotenzial der Biosphre. Die Gefahr der bernutzung der
biologischen Kapazitt der Erde steigt. Ohne nachhaltige Lsungen43 verschrft die stark
wachsende Produktion von nachwachsenden Energierohstoffen so in vielen Regionen der
Welt soziale und kologische Krisen.
40 In Afrika liegen 90% des Landes auerhalb des formal rechtlichen Systems. Vgl. Gerber, A. und Borowski, B (2008): kologische Lebensmittelwirtschaft und Welternhrung, landinfo 7/08, S.43.
41 Vgl. dazu Abschnitt 3.1.3.
42 Eine intensive Landwirtschaft in hochtechnisierten, industrialisierten Systemen hat hohe Anforderungen an Bewsserung, Dngung und Pestizideinsatz etc.
43 Dazu gehren z.B. dezentrale Anstze, kologischer Landbau, synergetische Effekte und neue Technologien in der Energierohstoffproduktion, eine partizipative Landnutzungsplanung etc.
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Streben nach Energieautarkie macht Infrastrukturen kritischer und fhrt zu
weitrumigen Energieregionen
Energieautarkie bedeutet, dass eine Region, ein Staat oder ein Staatenverbund die Ver-
sorgung mit Energie durch Ressourcen sicherstellen kann, die auf dem eigenen Territori-
um bzw. zu dem Verbund gehrigem Raum existieren. Importe von Energierohstoffen
oder Energie selbst werden damit deutlich reduziert oder sogar ganz vermieden. Ange-
sichts der Konzentration der fossilen Rohstoffe l und Gas in der Strategischen Ellipse
bedeutet dies zum Beispiel fr Europa, aber auch fr China die Energiegewinnung durch
Kohle, Kernkraft und alternative Energietrger.
Kohle hat als fossiler Energietrger zwar eine deutlich hhere Reichweite als l und Gas,
ist jedoch ebenso endlich.44 Kohlevorkommen sind aber weltweit gleichmiger verteilt.45
Der Ort des Abbaus und der Verwendung (Verstromung, Stahlherstellung etc.) liegen im
Allgemeinen eng beieinander oder zumindest innerhalb gesicherter Lieferwege. Damit
ergeben sich aus einer massiv verstrkten Nutzung von Kohle zunchst keine zustzlichen
direkten sicherheitspolitischen Herausforderungen. Da zum Abbau von Kohle aber auch
Energie, im Allgemeinen in Form von Erdl, verbraucht wird, verteuert sich mit dem l
auch die Kohleproduktion. Unter der Bedingung, dass die Technologien fr eine klima-
schonende Kohleverstromung (Carbon Capture and Storage (CCS) etc.) im Betrachtungs-
zeitraum noch nicht in erforderlichem Umfang und damit weltweit eingesetzt werden,
ergibt sich zudem ein weiter massiv steigender CO2-Eintrag in die Atmosphre und eine
Beschleunigung des Klimawandels mit allen, auch sicherheitspolitischen Auswirkun-
gen. hnliches gilt fr die Kohleverflssigung (Hochdruckhydrierung und Fischer-
Tropsch-Synthese), die zwar grotechnisch einsetzbar, aber nach heutigem Stand energe-
tisch vergleichsweise ineffizient und klimaschdlich ist. Als letztes Mittel einer Versor-
gung von Streitkrften mit Treibstoff wre sie jedoch noch denkbar, wie das historische
Beispiel Deutschlands im 2. Weltkrieg zeigt.46
44 Kohle wird vor allem zur Produktion von Elektroenergie und in der Grundstoffindustrie eingesetzt. Ver-schiedentlich wird aber auch schon von einem Peak Coal schon nach dem Jahr 2030 ausgegangen.
45 China und die USA frdern aktuell ca. 50% der weltweiten Steinkohle.
46 Die Verfahren der Kohleverflssigung (auch Kohlehydrierung; engl. Coal-to-liquid- oder CtL-Verfahren) haben ein fast 100jhrige Geschichte. Bereits 1913 patentierte F. Bergius ein Verfahren zur Herstellung von flssigen oder lslich organischen Verbindungen aus Steinkohle; dafr erhielt er 1931 den Chemie-Nobelpreis. 1925 wurde das durch F. Fischer und H. Tropsch entwickelte Verfahren zur indirekten Kohle-Verflssigung zum Patent angemeldet. In Deutschland entwickelte die chemische Industrie beide Verfahren schon in den 1920er Jahren zur grotechnischen Machbarkeit und betrieb einige Anlagen. Im zweiten Welt-krieg wurden damit in Deutschland bis zu 4 Millionen Tonnen Kohlenwasserstoffe pro Jahr erzeugt. Auch in der Folge der lkrise wurden Pilotanlagen zur Kohleveredelung (Vergasung und Verflssigung) bis in die 1980er Jahre geplant und realisiert. Angesichts niedriger lpreise und einer ungnstigen wirtschaftlichen und kologischen Bilanz wurden jedoch weniger Anlagen gebaut als beabsichtigt, die letzte sehr kleine Anlage ging aber erst 2004 auer Betrieb. Schon bei lpreisen von jenseits 50$/Barrel wird aber von einer grund-stzlichen Wirtschaftlichkeit der Kohleverflssigung ausgegangen. Andererseits ist ein kurzfristiger Aufbau derartiger Anlagen mit sehr hohen Kosten behaftet. Die notwendige Beschleunigung politisch verfasster Pla-nungs- und Genehmigungsprozesse und die trotz Verfahrensverbesserungen negativen Umweltwirkungen kommen hinzu. Angesichts einer globalen lverknappung ist auch mit einem Anstieg des Weltmarktpreises fr Kohle zu rechnen, so dass vorwiegend auf heimische Stein- und ggf. sogar Braunkohle zurckgegriffen
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Das Streben nach Energieautarkie wird sich daher in absehbarer Zukunft auf alternative,
in der Regel regenerative Energietrger richten, deren Ausbau zgig voranschreitet. Die
Energieerzeugung ber Wind, Sonne, Wasser, Geothermie und Biomasse wird jeweils
durch spezifische geografische Gegebenheiten begnstigt. In einer Region bzw. einem
Staat allein finden sich aber kaum gnstige Bedingungen fr alle Arten der regenerativen
Energieerzeugung. Daher werden Verbundprojekte angestrebt, in denen die Energiever-
sorgung sehr groflchig und transnational diversifiziert und optimal an geographische
Gegebenheiten angepasst wird Windkraft an den Ksten, Solar in sdlichen Breiten,
Wasserkraft an mglichen Standorten, Biomasse bei Verfgbarkeit landwirtschaftlicher
Nutzflche. Im Vordergrund steht dabei die Stromgewinnung ber Solartechnologien und
Windkraft (Beispiel DESERTEC). Die weitere Elektrifizierung der Energieerzeugung
und -verteilung ermglicht dabei Effizienzgewinne und ber die Hochvoltgleichstrom-
bertragung auch den Energietransport ber weitere Entfernungen (inner- oder inter-
kontinental).47 Zudem wird ber Netzverbnde und (teil)liberalisierte Strommrkte ein
Lastausgleich und eine optimale Verteilung der verfgbaren Strommenge erreicht (Netz-
management). Eine Energieautarkie wird daher erst durch diese weitrumigen und kom-
plexen elektrischen Infrastrukturen sogenannte Supergrids mglich. Diese zustzliche
Infrastruktur muss jedoch nicht nur aufgebaut, sondern auch gesichert werden sie wird
zu einem kritischen Faktor.48 Eine derartig erweiterte und diversifizierte berregionale
Infrastruktur fr Energieerzeugung und -verteilung ist daher nicht nur eine technologi-
sche und wirtschaftliche Herausforderung. Sie erfordert langfristige stabile politische und
wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die bei der angestrebten Gre der Energieregionen
auch sicherheitspolitische Dimensionen umfassen.
werden msste. Die Zeitrume fr die (Wieder-)Erschlieung von Kohlelagersttten liegen zudem noch mal ber denen fr Aufbau von Hydrieranlagen.
47 Diese neue Vernetzung schliet eine weitere Dezentralisierung der Energieversorgung zum Beispiel ber Kraft-Wrme-Kopplung aber ein.
48 Vgl. dazu Abschnitt 3.1.3. Zudem sind fr einen massiven Ausbau elektrischer Energieinfrastrukturen auch weitere Rohstoffe gefragt (z.B. Kupfer, seltene Erden, Lithium, Tantal, Coltan etc.), die aufgrund ihrer be-grenzten Reichweite und/oder durch die Lage der Frderlnder zu strategischen Rohstoffen werden, um deren Nutzung globale Konkurrenzen entstehen. Weitere Peaks dieser Rohstoffe sind denkbar.
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3.1.3. Die Rollen von Staaten und privaten Wirtschaftsakteuren ver-schieben sich
Im Zuge der Bedeutungssteigerung von l verndern sich die Rollen und Positionen von
Staaten und privaten Wirtschaftsunternehmen. In der lfrderung spielen private Ak-
teure eine traditionell zentrale, aber bisher rein wirtschaftliche Rolle. Whrend Staaten
nach der Realisierung des berschreitens von Peak Oil noch strker in die Sicherstel-
lung der lversorgung drngen, sehen sich Unternehmen verstrkt mit Situationen kon-
frontiert, in denen eine Ausfllung ehemals staatlicher Funktionen sinnvoll oder not-
wendig wird. Drei Bereiche stechen dabei besonders hervor: Die strkere Auseinander-
setzung um Frderlizenzen, die bernahme der staatlichen Sicherheitsorganisation und
der Schutz von l-Infrastrukturen.
Strkere Auseinandersetzung um Frderlizenzen
Bei einer Verknappung des weltweiten langebots kommt der Erschlieung neuer lvor-
kommen eine besondere Bedeutung zu. Die direkte Verfgungsgewalt ber den grten
Teil der lquellen werden auch in Zukunft voraussichtlich Staaten ausben, da die meis-
ten konventionellen und nicht-konventionellen lvorkommen auf dem Territorium sou-
verner Nationalstaaten liegen.49 Diejenigen Staaten, die selbst nicht in der Lage oder
Willens sind, deren Exploration selbst durchzufhren, suchen sich heute Partner, an die
Lizenzen zur Exploration vergeben werden. Eine Vernderung dieser bewhrten Praxis ist
derzeit nicht in Sicht.
Diese Partner der lproduzierenden Staaten sind entweder staatliche oder private Unter-
nehmen. Da importierenden Staaten grundstzlich daran gelegen ist, eine gesicherte l-
versorgung zu etablieren, ist jedoch in Folge des Peak Oil mit einem verstrkten Rckgriff
auf und Grndung neuer Staatsunternehmen zu rechnen.50 Vor dem Hintergrund des
hohen Bedarfs an l ist in den Verhandlungen um die Frderlizenzen von einer steigen-
den Konkurrenz und strkeren Auseinandersetzungen51 zwischen den Bietern auszuge-
hen. Dies betrifft besonders die Vergabe von Lizenzen fr neu zu erschlieende Frderge-
biete, aber auch die Neuverhandlung bestehender Lizenzen, wenn Staaten sich fr eine
49 Fr diejenigen Flle, in denen Quellen in internationalen Gewssern oder umstrittenen Regionen liegen vgl. Abschnitt 3..1.2.
50 Bereits heute sind in den wichtigsten Frderlndern ca. 80% der lkonzerne Staatsunternehmen. Dies bezieht sich jedoch nur auf die lquellen an Land, nicht diejenigen auf See und darf nicht darber hinweg tuschen, dass auch die internationalen privaten lkonzerne noch einen erheblichen Einfluss besitzen. Vgl. Berenberg Bank und HWWI (2005): Energierohstoffe Strategie 2030, Nr. 1 44, Hamburg , S. 65; BGR (2009): Energierohstoffe 2009, a.a.O., S. 42. Marohn, A./ Vorholz, F.: lpest - Die Vernunft geht unter, in: DIE ZEIT, 12.05.2010 Nr. 20, URL: http://www.zeit.de/2010/20/Oelkatastrophe-USA (abgerufen: 20 Mai 2010).
51 Diese Auseinandersetzungen sind aber keinesfalls grundstzlich als Gewaltkonflikte zu begreifen.
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vorzeitige Kndigung derselben entscheiden oder diese auslaufen. Die Frage der Verstaat-
lichung strategisch wichtiger Industrien drfte in diesem Zusammenhang eine neue Ak-
tualitt und Brisanz erhalten, da es fr viele Staaten von vitalem Interesse ist, unter den
gegebenen Umstnden die Kontrolle ber die gerade in dieser Lage essentielle Ressource
zu behalten. Dies knnen neben dem l und den Transportinfrastrukturen in Export- und
Transitlndern auch zentrale Technologien zur Umstellung der Wirtschaft und Industrie
zur Bewltigung der Konsequenzen des Peak Oil sein. Im Hinblick auf zentrale Erdlpro-
dukte ist darber hinaus eine Verstaatlichung kompletter Wertschpfungsketten denkbar,
wenn Marktmechanismen nicht mehr ausreichend gute Resultate erbringen knnen.
Der Bieterwettstreit um die Lizenzen wrde voraussichtlich in drastischen Preisspiralen
mnden. Je problematischer die lknappheit fr einzelne Staaten ist, umso schrfer wr-
de prinzipiell dieser Konkurrenzkampf ausfallen. Angesichts der mglichen dramatischen
Auswirkungen und geringen kurzfristigen Alternativen ist von einem unbedingten Stre-
ben nach der Deckung des eigenen lbedarfs auszugehen, wobei das Ziel der Gewinner-
wirtschaftung zweitrangig werden knnte.52 Je nach Art der Verbindung zwischen Im-
portstaat und bietendem Unternehmen ist dabei auch der Einsatz staatlicher, zum Bei-
spiel geheimdienstlicher Mittel zur Erlangung der Lizenz zu erwarten.
Im Extremfall ist eine Fortsetzung dieser verschrften Konkurrenz auch nach der Ertei-
lung von Lizenzen plausibel, die in dem Versuch gipfeln wrde, Unternehmen zur Rck-
gabe ihrer Lizenz zu bringen. Vorstellbar ist zu diesem Zweck eine Instrumentalisierung
der einheimischen Bevlkerung besonders in Gebieten ethnischer oder religiser Min-
derheiten zur gezielten Erschwerung der Arbeitsbedingungen der entsprechenden l-
firmen. Endpunkt einer solchen Entwicklung wre eine Aufstandsbewegung hnlich jener
im Niger-Delta, wo indigene Gruppen seit Ende der neunziger Jahre gegen die lexplora-
tion vorgehen.53
Zivile Unternehmen bernehmen zunehmend staatliche Aufgaben
In Gebieten fragiler Staatlichkeit, in denen Staaten ihre Kernaufgaben nicht ausreichend
wahrnehmen, sehen sich Akteure mit einem zumindest partiellen Vakuum staatlicher
Funktionen konfrontiert.54 In- und auslndische Unternehmen, die in einer solchen ver-
nachlssigten Region ttig sind, knnen sich in diesem Umfeld gezwungen sehen, be-
stimmte staatliche Aufgaben zu bernehmen, um ihrer eigentlichen Ttigkeit weiterhin
erfolgreich nachgehen zu knnen. Manahmen zur Herstellung von Legitimitt und Be-
ruhigung der Lage in einem Umfeld mit geringer oder verschwindender staatlicher Pr-
52 Vgl. dazu Abschnitt 3.2.
53 Der anfnglich gewaltfreie Widerstand ist inzwischen in eine offene Aufstandsbewegung bergegangen.
54 Die mangelnde Wahrnehmung von Funktionen kann dabei sowohl durch willentlichen Rckzug des Staates als auch durch institutionelle Schwche begrndet sein. Diese bewusste Vernachlssigung bestimmter eigener Regionen durch Staaten wird auch als Politik des listigen Staates bezeichnet. Sie ermglicht eine Konzentra-tion staatlicher Mittel auf als prioritr perzipierte Regionen. Vgl. Weber, A. (2008): Kriege ohne Grenzen und das erfolgreiche Scheitern der Staaten am Horn von Afrika, SWP Studie S. 26.
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senz werden heute bereits von einigen Unternehmen angewandt. In Ausnahmefllen fh-
ren zivile Unternehmen bei ausreichenden Gewinnaussichten im F