postwar & contemporary

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PostWar & Contemporary Lot 3401- 3482 Auktion: Samstag, 25. Juni 2016, 14.00 Uhr Vorbesichtigung: Sa. 11. bis Di. 21. Juni 2016 Silke Stahlschmidt Tel. +41 44 445 63 42 [email protected] Jennifer Greenland Tel. +41 44 445 63 46 [email protected] Weitere Bearbeitung: Jara Koller & Fiona Seidler

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PostWar & ContemporaryLot 3401- 3482

Auktion: Samstag, 25. Juni 2016, 14.00 UhrVorbesichtigung: Sa. 11. bis Di. 21. Juni 2016

Silke Stahlschmidt Tel. +41 44 445 63 42 [email protected]

Jennifer Greenland Tel. +41 44 445 63 46 [email protected]

Weitere Bearbeitung: Jara Koller & Fiona Seidler

Die Zustände der Werke sind im Katalog nur zum Teil und in Einzelfällen angegeben. Gerne senden wir Ihnen einen ausführlichen Zustandsbericht zu.

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3401

LEO LEUPPI(1893 Zürich 1972)Ohne Titel. 1930.Öl auf Karton.Unten links signiert und datiert: Leo Leuppi 30.65 x 50 cm.

Provenienz: Privatsammlung Schweiz.

CHF 3 000 / 5 000(€ 2 780 / 4 630)

3402

LEO LEUPPI(1893 Zürich 1972)Ohne Titel. 1930.Öl auf Karton, Collage.Unten rechts signiert und datiert: Leo Leuppi 30.40 x 37,5 cm.

Provenienz: Privatsammlung Schweiz.

CHF 2 000 / 3 000(€ 1 850 / 2 780)

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PostWar & Contemporary

3403

ROBERT GESSNER(Locarno 1908 - 1982 Zürich)Ohne Titel. 1962.Öl auf Holz, collagiert.Verso signiert und datiert: Rob. S. Gessner 1962.11 x 17,5 cm auf Hartfaserplatte 21 x 37 cm.

Provenienz: Privatsammlung Schweiz.

CHF 1 500 / 2 500(€ 1 390 / 2 310)

3404

LEO LEUPPI(1883 Zürich 1972)Ohne Titel. 1958.Gouache auf braunem Papier.Unten rechts signiert und datiert: Leo Leuppi 58.63 x 75 cm.

Provenienz: Um 1958 direkt vom Künst-ler erhalten; seitdem Privatsammlung Schweiz.

CHF 2 000 / 3 000(€ 1 850 / 2 780)

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ROBERT GESSNER(Locarno 1908 - 1982 Zürich)Ohne Titel. 1964.Acryl auf Hartfaserplatte.Verso signiert und datiert: Rob. S. Gessner 1964.43 x 70 cm.

Provenienz: Privatsammlung Schweiz.

CHF 2 000 / 3 000(€ 1 850 / 2 780)

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PostWar & Contemporary

3406

NATALIA DUMITRESCO(Rumänien 1915 - 1997 Frankreich)Ohne Titel. 1950.Öl auf Leinwand.Verso datiert: MAI 50.130 x 97 cm.

Wir danken Anna-Maria & Theodor Nicol für ihre wissenschaftliche Unterstützung.

Natalia Dumitresco wird 1915 in Bukarest geboren und beginnt dort 1934 ihre Aus-bildung an der Kunstakademie bei Franz Si-rató, die sie 1939 abschliesst. Im gleichen Jahr heiratet sie den Maler Alexandre Istra-ti. 1947 erhalten beide ein Stipendium vom französischen Staat und siedeln nach Paris um. Hier besucht sie einige Zeit die Acadé-mie André Lothe. Schnell freundet sich das Paar mit Constantin Brâncuşi, auch ursprünglich aus Rumänien, an und teilt sich auch gleich nebenan ein Atelier. Nach dessen Tod 1957 vermacht er ihnen sein Erbe, und so widmen sie sich vermehrt der Aufarbeitung seines Lebenswerkes. Als Universalerben hinterlassen sie die Werke Brâncuşis dem französischen Staat und

planen eine Rekonstruktion des Atelier Brâncuşi im Centre Pompidou, welches 1977 auch eingeweiht wird. Weiter ver-fassen sie zusammen mit Pontus Hultén eine Biografie über den Künstler, die 1986 erscheint.

In der Zwischenzeit erhalten Dumitresco und Istrati 1965 die französische Staats-bürgerschaft. Seit den 1950er Jahren ist sie auch mit Künstlern der Pariser Avant-garde in engem Kontakt, was sich auch in ihrer Kunst nachzeichnen lässt. Ihre Werke werden auf internationalen Ausstellun-gen in den grossen Metropolen der Welt gezeigt, und 1952 erhält sie den Preis der Gruppe Espace, 1955 den Kandinsky-Preis, 1959 den Carnegie-Preis und 1969 den 1. Preis des Salon Internationale de la Femme. Im Juli 1997 stirbt Natalia in Paris

und findet zusammen mit ihrem Ehemann, sowie Brâncuşi, ihre letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Montparnasse mit einem gemeinsamen Grabstein.

Es handelt sich bei unserem Bild um ein seltenes Frühwerk, wie es nicht oft auf dem Markt angeboten wird. Das Werk von 1950 ist noch sehr flächig und offen, mit geschwungenen Linien und grossen Farb-feldern. Dumitrescos spätere Werke sind oft grosse Stadtansichten, mit linearen Strukturen und kleinteiligen Formen. Doch schon dieses frühe Ölbild ist klar der Abs-traktion verschrieben und besticht durch die grosse Leuchtkraft, die typisch ist für Dumitrescos Schaffen.

CHF 7 000 / 9 000(€ 6 480 / 8 330)

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PostWar & Contemporary

3407*

ERNST GEITLINGER(Frankfurt/Main 1895 - 1972 Seeshaupt)Zwei stehende Figuren. 1951.Tempera auf Papier, auf Hartfaserplatte aufgezogen.Unten rechts signiert und datiert: Ernst Geitlinger 51, sowie verso auf der Hartfaserplatte und dem Rahmen betitelt, datiert, mit Massangaben, sowie vermerkt: für Künstlerbund.66,5 x 45,5 cm.

Provenienz:- Sammlung Marianne Geitlinger, Sees-

haupt.- Nachlass Ernst Geitlinger.

Ausstellungen:- Berlin 1951, 1. Ausstellung des Deut-

schen Künstlerbund. Hochschule der Bildenden Künste, 1. August - 1. Oktober 1951, Nr. 69 (verso mit dem Etikett).

- Witten 1989, Aufbruch 51. Versuch einer Rekonstruktion der 1. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes nach dem 2. Weltkrieg. Märkisches Museum, 18. Juni - 27. August 1989.

Literatur: Nees, Roswith: Ernst Geitlinger. Werkverzeichnis 1924 - 1972. Gemälde und Arbeiten auf Papier, Saarbrücken 1991, Nr. G155 (mit Abb.).

CHF 1 500 / 2 000(€ 1 390 / 1 850)

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ERNST GEITLINGER(Frankfurt/Main 1895 - 1972 Seeshaupt)Frauenakt. 1938.Öl auf Leinwand.Unten links signiert und datiert: Ernst Geitlinger 38.89,5 x 64,3 cm.

Provenienz:- Sammlung Marianne Geitlinger,

Seeshaupt.- Nachlass Ernst Geitlinger.

CHF 3 000 / 5 000(€ 2 780 / 4 630)

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PostWar & Contemporary

3409*

KATTINGERI KRISHNA HEBBAR(1911 Indien 1996)Ohne Titel. 1963.Tusche auf Papier.Unten rechts signiert und datiert: Hebbar 63.38 x 28 cm.

Provenienz: Privatsammlung Indien.

CHF 1 500 / 2 500(€ 1 390 / 2 310)

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PIERRE BONCOMPAIN(Valence 1938 - lebt und arbeitet in Frank-reich)Ohne Titel.Farbige Kreide und Bleistift auf Papier, fest auf Karton aufgelegt.Unten links signiert: Boncompain.67,8 x 91,5 cm.

CHF 1 800 / 2 400(€ 1 670 / 2 220)

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KATTINGERI KRISHNA HEBBAR(1911 Indien 1996)Ohne Titel. 1952.Öl auf Leinwand.Unten rechts signiert und datiert: Hebbar 52, sowie verso signiert und bezeichnet: K.K. Hebbar Bombay.51 x 61 cm.

Provenienz: Privatsammlung Schweiz.

Literatur:- Voyage in Images, Bombay, Jehangir Art

Gallery, 1991 (mit Abb.).- Pran Nath Mago: Contemporary Art in

India. A Perspective, New Delhi 2001, S. 70.- Lalit Kala Akademi: Contemporary Series

of Indian Art: Hebbar, New Delhi 1960.

CHF 8 000 / 14 000(€ 7 410 / 12 960)

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PostWar & Contemporary

3412

MARIA HELENA VIEIRA DA SILVA(Lissabon 1908 - 1992 Paris)Site printanier. 1955.Gouache auf Papier.Unten rechts signiert: Vieira da Silva.51 x 65 cm.

Provenienz:- Galerie Jeanne-Bucher, Paris.- Galerie Alice Pauli, Lausanne (verso mit

dem Etikett).- Privatsammlung Schweiz.

Ausstellung: Lausanne 1992, Hommage a Vieira da Silva. Galerie Alice Pauli, Lausanne (verso mit dem Etikett).

Literatur: Weelen, Guy/Jaegger, Jean-François: Vieira da Silva. Catalogue raison-né, Mailand 1994, Nr. 1297 (mit Abb.).

„Es muss so sein, dass sich der Betrachter vor einem Wesen wiederfindet, das ihm Gesellschaft leistet, ihm Geschichten erzählt, ihm Sicherheit gibt.“ (zit. Vieira da Silva, in: www.fembio.org)

Obwohl Maria Helena Vieira da Silva seit 1956 die französische Staatsbürgerschaft inne hat, wird sie als eine der herausra-gendsten portugiesischen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts angesehen. Ihre

poetischen Arbeiten bauen sich aus laby-rinthischen Liniengeflechten und zarten Farbspielen aus dem Nichts auf. Einflüsse portugiesischer Mosaiken und Raster-strukturen der Mega-Cities, in denen sie lebt, prägen ihre Bilder, wie auch in dem vorliegenden Werk. Horizontale und verti-kale Striche in Weiss, Blau und Grün lassen ein komplexes Geflecht entstehen, dass durch den Einbezug des Papieres in die Komposition immer wieder unterbrochen wird, aber nie seine Zusammengehörigkeit verliert. Obwohl abstrakt, ruft Vieira da Silvas eindrückliche Komposition Asso-ziationen an Städte hervor, die aus der Vogelperspektive gesehen auf ein System von horizontalen und vertikalen Linien reduziert sind.

Als Tochter eines Diplomaten lernt die 1908 geborene Portugiesin schon in ihrer Kindheit die Welt kennen. 1919 beginnt sie ihr Studium an der Academia de belas-artes in Lissabon. 1928 zieht sie nach Paris, um ihre Studien fortzusetzen.

Kubismus, Futurismus und Konstrukti-vimus sind die beherrschenden Stile der Zeit und beeinflussen das Werk der jungen Künstlerin sehr. Dennoch schafft sie es eindrucksvoll ihren eigenen, poetischen Stil zu entwickeln. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges flieht sie mit ihrem Mann nach Brasilien und kommt erst 1947 nach Paris zurück.

Die Ehrung von Maria Helena Vieira da Silva als Mensch, Frau und Künstlerin durch zahlreiche Auszeichnungen, Ausstellun-gen und Preise - so erhält sie 1966 als erste Frau den französischen Grand Prix National des Arts und nimmt an der docu-menta 1 (1955), der documenta II (1959) und der documenta III (1964) in Kassel teil - spiegeln die internationale Anerkennung ihres Oeuvres wieder. Am 6. März 1992 stirbt sie in Paris.

CHF 40 000 / 60 000(€ 37 040 / 55 560)

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PostWar & Contemporary

3413

JEAN-JACQUES SEMPÉ(Bordeaux 1932 - lebt und arbeitet in Frankreich)Sénéquier 3. 1967.Tusche und Bleistift auf Papier.Unten rechts signiert, bezeichnet und da-tiert: Sempé. St. Tropez, 1967, sowie unten links betitelt: Sénéquier 3.23,5 x 64,5 cm. Wohl beschnitten.

CHF 2 000 / 3 000(€ 1 850 / 2 780)

3414

LILI ORSZÁG(1926 Ungarn 1978)Ohne Titel.Fotogramm auf Fotopapier.Unten rechts signiert: Ország Lili. Unten links unleserlich bezeichnet.25 x 41,5 cm.

Provenienz:- Direkt bei der Künstlerin erworben.- Seitdem Privatsammlung Zimmermann,

Schweiz.

CHF 1 200 / 1 600(€ 1 110 / 1 480)

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3415

WILFRID MOSER(1914 Zürich 1997)Ohne Titel (Signe de piste). 1983.Los von 3 Ölkreidezeichnungen.1: Unten rechts signiert: Moser. Verso sig-niert: Moser, sowie bezeichnet: PM82 34 1.2: Unten rechts, sowie links mit der ein-geritzten Signatur: Moser. Verso signiert: Moser, sowie bezeichnet: PM82 33 2.3: Unten rechts signiert: Moser. Verso sig-niert: Moser, sowie bezeichnet: PM82 32 3.1: 36 x 38 cm. 2: 39,5 x 39 cm (unregel-mässig geschnittenes Blatt). 3: 36 x 36 cm.

Wir danken der Stiftung Wilfrid Moser, Zürich, für ihre wissenschaftliche Unter-stützung.

Provenienz: Privatsammlung Schweiz.

„Die Reihe (...) Signe de Piste von 1983 gibt einen Felsblock mit einem Gebirgswan-derzeichen wider (...). Moser entdeckte in dem simplen Wegzeichen seine eigene Streifensignatur als Maler wieder. Das Zeichen auf dem riesigen Findling wurde zu einer Schlüsselerfahrung, die das ex-pressive Spätwerk auslöste.“ (zit.: Frehner, Matthias/Grütter, Tina: Wilfrid Moser. Wegzeichen. Werke 1934-1997, Bern 2009, S. 188).

CHF 1 500 / 2 000(€ 1 390 / 1 850)

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PostWar & Contemporary

3416

EMIL MÜLLER(Pfäffikon 1934 - lebt in der Schweiz)Ohne Titel. 1961.Öl auf grober Leinwand.Verso auf dem Keilrahmen signiert und datiert: Emil Müller 1961. Zudem mit dem Adressetikett des Künstlers.120 x 81,5 cm.

Provenienz:- Auktion Galerie Koller, 1961, A55/ Los

5297.- Dort vom heutigen Besitzer erworben;

seitdem Privatbesitz Schweiz.

CHF 1 000 / 1 500(€ 930 / 1 390)

3417

CARLO VIVARELLI(1919 Zürich 1986)form-farb palindrom. 1964.Acryl auf Leinwand.Verso signiert und datiert: Carlo Vivarelli 1964, sowie auf dem Keilrahmen betitelt und datiert: form-farb palindrom 1964.63,5 x 63 cm.

Provenienz: Privatsammlung Schweiz.

CHF 3 000 / 4 000(€ 2 780 / 3 700)

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CARLO VIVARELLI(1919 Zürich 1986)Ohne Titel. 1962.Öl auf Pavatex.Verso signiert und datiert: C.L. Vivarelli 1962.99,5 x 99,5 cm

Provenienz: Vom heutigen Besitzer direkt vom Künstler erhalten; seitdem Privatbe-sitz Schweiz.

CHF 7 000 / 9 000(€ 6 480 / 8 330)

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PostWar & Contemporary

3419

CARLO VIVARELLI(1919 Zürich 1986)Diagonal zentripetale Gruppen in 8 (extra-vertiert). 1968/69.Acryl auf Leinwand.Verso signiert und datiert: Vivarelli 1968/69.87 x 87 cm.

Provenienz: Vom heutigen Besitzer direkt vom Künstler erhalten; seitdem Privatbe-sitz Schweiz.

Literatur: Kappeler, Susanne: Carlo Vivarel-li. Plastik, Malerei, Gebrauchsgrafik. Zürich 1988, S. 106 (mit Abb.).

Carlo Vivarelli wird oftmals als Bindeglied zwischen den Gründern der Zürcher Konkreten wie Max Bill und Richard Paul Lohse und der sogenannten zweiten Generation gesehen - vom Alter her eher der 1. Generation angehörig, ist sein Oeuvre dagegen eher der 2. Generation zu zurechnen. Auch formal künstlerisch ist diese besondere Position erkennbar: während die 1. Generation der Zürcher Konkreten „immer einer mathemati-schen oder kombinatorischen ‚Spielregel‘“ (Kappeler, Susanne: Carlo Vivarelli. Plastik, Malerei, Gebrauchsgrafik, Zürich 1988, S. 28) folgt, so widmet sich die 2. Gene-

ration eher den Farbvarianten und nutzt die Struktur als Gerüst. Vivarelli kombi-niert beide Methoden gleichberechtigt in seinem Werk, ohne Farbe oder Form den Vorrang zu geben. Ziel ist „(...) eine Unter-suchung der gegenseitigen Wirkung von Farbe und Farbe, Farbpaar und Farbpaar, Farbqualität und Form. Ebenso wie die for-male Aufteilung des Quadrates und seiner Teilflächen strengen mathematischen und geometrischen Gesetzmässigkeiten un-terliegt, basiert auch die Farbwahl nicht auf „Geschmack“ oder „Schönheit“, sondern auf ihrer gegenseitigen Beziehung.“ (zit.: ebenda, S. 32).

Die angebotenen Werke zeigen eindrück-lich die künstlerische Entwicklung des gelernten Grafikers. Farben und Form sind schon 1962 (Los 3418) das beherrschen-de Thema, jedoch sind die Formen nicht streng geometrisch, sondern spielerisch und abwechslungsreich. Auch die Farben

und Formen folgen keinem mathema-tischen Konzept. Im direkten Vergleich scheint dieses Werk freier zu sein. 1968, aus diesem Jahr stammt unser zweites Werk (Los 3419), hat Vivarelli bereits zu seinem reifen Stil gefunden. Die Farb- und Formauswahl folgt einem klaren Schema, es gibt nur noch streng geometrische Formen, deren unterschiedliche Grössen mathematisch erklärbar sind, und die klare Farben haben. Strenge Gesetzmäs-sigkeiten führen dazu, dass Farbe und Form eine enge Beziehung eingehen und das „Zusammenspiel und gegenseitige Durchdringen von farblichen und formalen Verhältnissen unter Veränderungen nach bestimmten Prinzipien“ demonstriert wird. (zit.: ebenda, S. 30)

CHF 12 000 / 18 000(€ 11 110 / 16 670)

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PostWar & Contemporary

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3420

JOSEF STAUB(Baar 1931 - 2006 Schlieren)Ohne Titel. 1947.Chromstahl.Mit dem eingeritzten Monogrammstempel und datiert: ST47, sowie nummeriert 2/5.15 x 16 x 16 cm.

Provenienz: Privatsammlung Schweiz.

CHF 1 000 / 1 500(€ 930 / 1 390)

3421

JAMES LICINI(Zürich 1937 - lebt und arbeitet in Nürens-dorf)Stahlbau VHP60. 2014.Bronze.Unten monogrammiert: LL.31,5 x 32 x 14,5 cm.

Provenienz: Vom heutigen Besitzer direkt vom Künstler erhalten; seitdem Privat-sammlung Schweiz.

CHF 4 500 / 5 500(€ 4 170 / 5 090)

3422

CARLO VIVARELLI(1919 Zürich 1986)3-teiliger Kubus aus 15 Einheiten. 1967/68.Aluminiumguss. Höhe 33 cm.

Provenienz: Vom heutigen Besitzer direkt vom Künstler erhalten; seitdem Privatbe-sitz Schweiz.

Literatur: Kappeler, Susanne: Carlo Vivarel-li. Plastik, Malerei, Gebrauchsgrafik. Zürich 1988, S. 58-59 (vgl.).

CHF 7 000 / 9 000(€ 6 480 / 8 330)

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PostWar & Contemporary

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FRITZ WINTER(Altenbögge 1905 - 1976 Diessen)Kleiner Garten. 1958.Öl auf Leinwand.Unten links signiert und datiert: fwinter 58, sowie verso betitelt, signiert und datiert: Kleiner Garten fWinter 58.70 x 80 cm.

Provenienz:- Sammlung Hermann Kessler, Kassel;

direkt vom Künstler Ende der 1950er Jahre erworben.

- Durch Erbschaft an den heutigen Be-sitzer; seitdem Privatsammlung Nord-deutschland.

Ausstellung:- 1962 Kassel, Fritz Winter. Neue Bilder und

Bilder aus Kasseler Privatbesitz. Kasse-ler Kunstverein, 21 Januar - 19 Februar 1962, Nr. 73.

- 1992/1993 Kassel, Fritz Winter 1905-1976. Staatliche Museen Kassel, Neue Galerie, 21. November 1992 - 31. Januar 1993, Nr. 174.

Literatur: Lohberg, Gabriele: Fritz Winter. Leben und Werk mit Werkverzeichnis der Gemälde und einem Anhang der sonstigen Techniken, München 1986, Nr. 2175.

„Es geht um die Loslösung vom äusseren Anschein und das Wichtignehmen der inneren treibenden Kräfte, die nicht unmit-telbar sichtbar sind, des inneren Gefüges, das nicht unmittelbar greifbar ist.“ (Ernst Kállai zit. nach: Hubertus Gassner. Naum Gabo – Fritz Winter 1930 – 1940, Ausst. Kat. Museum Folkwang Essen 2003, S. 77).

Ernst Kállai trifft mit seiner Beschreibung zur Naturdarstellung in der abstrak-ten Kunst Fritz Winters künstlerisches Anliegen im Kern. Kunst soll die inneren Strukturen und Prozesse der Organis-men und Dinge offenbaren - parallel zu

den neuesten naturwissenschaftlichen Kenntnissen, die zu Beginn des 20. Jahr-hunderts Bahn brechen. In den 1930er und 1940er Jahren, als der Bauhaus Schüler Fritz Winter sich intensiv mit dem künstle-rischen Schaffen seiner Lehrer Paul Klee, Wassily Kandinsky und seinem Mentor Naum Gabo auseinandersetzt, ist in der künstlerischen Repräsentation der Natur bereits ein tiefgreifender, revolutionärer Schritt vollzogen: Die Landschaftsdar-stellung Anfang des 20. Jahrhunderts ist geprägt von einem neuen Bild der Natur, in dem diese „auf andere Weise bedeutsam wir. Sie verliert an Eindeutigkeit, aber sie gewinnt eine unbekannte Totalität. Ihr Ort kann überall sein.(…) in uns und außer uns.“ (Gottfried Boehm: Das neue Bild der Natur. Nach dem Ende der Landschaftsmalerei, in: Manfred Smuda (Hrsg.). Landschaft, Frankfurt /M, 1986, S. 108).

Tief von dieser künstlerischen Auffassung überzeugt arbeitet Winter - reduziert auf die malerischen Mittel Farbe und Form - an einer Wiedergabe der Natur. Er schichtet, verzweigt und verwebt einzelne Linien, Rechtecke und Flächen ineinander und übereinander. Als Gründungsmitglied der Künstlergruppe „Zen 49“ in München, der auch Willi Baumeister, Rupprecht Geiger, Julius Bissier und Rolf Cavael angehörten, will er nach Kriegsende dieser Kunstauffassung zu mehr Anerkennung verhelfen, auch angesichts der Verfe-mung als „entartete Kunst“ während der Nazi-Herrschaft. Dieses Anknüpfen an die Tradition der klassischen Abstraktion der

Vorkriegsjahre, das Weitertragen und Wei-terentwickeln der künstlerischen Werte, sowie die Verbreitung und Vermittlung der Abstraktion als gleichwertiges künstle-risches Ausdrucksmittel an ein breites Publikum, stellen einen bedeutenden Abschnitt in der Entwicklung der moder-nen, abstrakten Kunst in Deutschland dar. Winters vordringlichstes Anliegen ist es, die Wirklichkeit, die Kräfte der Natur und ihren dauernden Wandel gleichnishaft sichtbar zu machen.

Ein wunderbares Beispiel für die Sicht-barmachung der Natur und ihrer inne-ren Strukturen ist das hier angebotene, leuchtende Bild „Kleiner Garten“, indem es Winter wieder einmal gelingt, die einzel-nen Elemente als harmonisches Ganzes zu gestalten unter Herausbildung einer erstaunlichen Raumtiefe. Seit Ende der 1950er Jahre ist dabei eine Lockerung in der Bildstruktur zu erkennen. Die Farbpa-lette hellt sich auf, die in leuchtendem Rot und Grün gesetzten Rechtecke akzentu-ieren den fast monochromen Untergrund. Zwischen den einzelnen Elementen entsteht eine Energie und Spannung, die heiter und fröhlich wirkt. Alles Formelhafte einer Geste ist abgefallen. Frei und gelöst ermöglicht Winter einen Blick in den blü-henden Garten, die Dynamik des Pinsel-striches wird zur Lebhaftigkeit der Natur.

CHF 25 000 / 35 000(€ 23 150 / 32 410)

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PostWar & Contemporary

3424*

ERNST GEITLINGER(Frankfurt/Main 1895 - 1972 Seeshaupt)Odaliske. 1963.Dispersionsfarbe auf Rupfen.Verso signiert und datiert: Ernst Geitlinger 63.160 x 102 cm.

Provenienz:- Sammlung Marianne Geitlinger, Sees-

haupt.- Nachlass Ernst Geitlinger.

Ausstellung: München 1963, Grosse Kunstausstellung. Haus der Kunst, 12. Juni - 6. Oktober 1963, Nr. 615 (auf dem Keilrahmen mit dem Etikett).

CHF 4 000 / 6 000(€ 3 700 / 5 560)

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ITALO VALENTI(Mailand 1912 - 1995 Ascona)Pays Bleu. 1966-67.Öl auf Leinwand.Unten links signiert: I. VALENTI, sowie verso signiert, datiert und be-zeichnet: I. VALENTI 1966-67 Nr. 25. Ausserdem auf dem Keilrahmen betitelt: „PAYS Bleu“.50 x 51 cm.

Provenienz:- Vom Vorbesitzer direkt beim Künstler erworben.- Durch Erbschaft an den heutigen Besitzer; Privatsammlung Schweiz.

Literatur: Carena, Carlo/Pult, Stefano: Italo Valenti. Catalogo ragionato dei dipinti, Mailand 1998, S. 232, Nr. D624 (mit Abb.).

CHF 4 000 / 6 000(€ 3 700 / 5 560)

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PostWar & Contemporary

3426

PIERO DORAZIO(Rom 1927 - 2005 Perugia)Ohne Titel. 1988.Aquarell auf festem Papier.Unten rechts signiert und datiert: Piero Dorazio 1988, sowie unten mittig mit Wid-mung: für Erika Kessler ... 3.10.54 x 45 cm.

Provenienz: Direkt vom Künstler erhalten; seitdem Privatsammlung Schweiz.

CHF 2 000 / 3 000(€ 1 850 / 2 780)

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3428

ITALO VALENTI(Mailand 1912 - 1995 Ascona)Val Bavona. 1983.Collage auf Hartfaserplatte.Unten links signiert: I. VALENTI.28 x 29 cm.

Provenienz:- Direkt vom Künstler erhalten.- Durch Erbschaft an den jetzigen

Besitzer; seitdem Privatbesitz Schweiz.

Literatur: Carena, Carlo/Pult, Stefano: Italo Valeti. Catalogo ragionato dei dipinti, Mailand 1998, Nr. C1069 (mit Abb.).

CHF 2 800 / 3 400(€ 2 590 / 3 150)

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PostWar & Contemporary

3429

SERGE POLIAKOFF(Moskau 1900 - 1969 Paris)Composition abstraite. Wohl 1966.Öl auf Leinwand.Unten mittig, sowie unten links signiert: Serge Poliakoff.93 x 73,5 cm.

Wir danken Alexis und Thaddée Poliakoff für die wissenschaftliche Unterstützung. Das Werk ist in den Archives Serge Po-liakoff, Paris, unter der Nummer 966068 registriert. Das vorliegende Werk wird in den in Bearbeitung befindlichen 5. Band des Werkverzeichnisses aufgenommen. Darüberhinaus mit dem Zertifikat des Archives Serge Poliakoff.

Provenienz:- Auktion Galerie Koller, 19. November

1978, Los 5331.- Dort vom heutigen Besitzer erworben;

seitdem Privatbesitz Schweiz.

Serge Poliakoff wird 1900 in Moskau ge-boren und flieht im Alter von 18 Jahren vor der Russischen Revolution über Kiew, Tiflis, Sofia, Belgrad, Wien und Berlin nach Paris, wo er sich dann 1923 niederlässt. Nach einem anfänglichen Musikstudium, wobei er seinen Lebensunterhalt als Gitarrist verdient, wendet er sich der Kunst zu und beginnt 1929 sein Studium zunächst an der Académie Frochot und setzt es an der Académie de la Grande Chaumière fort. 1931 nimmt er erstmals an einer Grup-penausstellung in der Galerie Drouant teil. Die Jahre zwischen 1935 und 1937 verbringt er in London an der Slade School of Art. Eine Vielzahl von internationalen Ausstellungen seit den 1960er Jahren

beweisen die grosse Anerkennung seines beeindruckenden Ouevres.

Zunächst gegenständlich malend, wendet sich Serge Poliakoff durch die Bekannt-schaft mit Sonja und Robert Delaunay sowie Wassily Kandinsky zunehmend der Abstrakten Malerei zu. Vor allem die Freundschaft mit Otto Freundlich, dessen Farbkompositionen den jungen Künstler faszinieren, beeinflusst seine weitere künstlerische Entwicklung und es entste-hen die unverkennbaren Farb-Flächenbil-der, Poliakoffs „Farbakkorde“. Von Anfang an ist in seinen abstrakten Werken die Farbigkeit von einer darstellenden bzw. re-präsentativen Form vollkommen losgelöst; es geht ihm um Dynamik und Emotiona-lität. Basierend auf seiner musikalischen Bildung gibt es in seinem Oeuvre zwei unterschiedliche Kompositionsprinzipien, die mit der Polyphonie (Mehrstimmigkeit durch selbstständige Stimmen) und der Homophonie (Begleitakkorde ordnen sich der Hauptstimme unter) in der Musik vergleichbar sind. Vor allem in den frühen 1950er Jahren entstehen zunächst mo-nochrome Werke, in denen er Farbfelder in unterschiedlichen Nuancen einer Farbe verdichtet. Gleichzeitig experimentiert er mit dem Nebeneinander vieler, unter-schiedlicher, sich abgrenzender Farben.

Das vorliegende Werk aus der Mitte der 1960er Jahre gehört zu jenen, die Poliakoff ein zweites Mal überarbeitet und aus diesem Grund auch zweimal signiert hat. Die kräftige gelbe Fläche, leicht versetzt vom Zentrum, beherrscht das Werk und taucht in anderen Farbflächen immer wieder auf. Es zeigt anschaulich eine typische Vorgehensweise des Künstlers: er trägt unterschiedliche Farbschichten übereinander auf, so dass es selten klare Farbflächen gibt, sondern solche, in denen wir beim Betrachten immer mehr unter-schiedliche Farben entdecken. Auf diese Weise schafft er trotz der Abstraktion eine zusammenhängende Komposition. Eine weitere dominante Farbe ist das Rot, das die Komposition nach oben rechts hin begrenzt und diagonal durch das Bild immer wieder auszumachen ist. Somit schafft der Künstler eine die Komposition beherrschende Diagonale, nach der sich die weiteren Farbflächen ausrichten. Diese nie ganz symmetrischen und nie ganz geometrischen Farbflächen verleihen dem Werk grosse Dynamik.

CHF 180 000 / 280 000(€ 166 670 / 259 260)

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PostWar & Contemporary

3430

KURT LAURENZ METZLER(St. Gallen 1941 - lebt und arbeitet in Zürich)Strassenmenschen (weiss). 1969.Polyester, weiss gefasst.Unten links am Fuss monogrammiert und datiert: KLM 69.Höhe 195 cm.

Provenienz:- Galerie Walde.- Dort vom heutigen Besitzer im Oktober

2008 erworben; seitdem Privatbesitz Schweiz.

Dieses Werk wird mit Los 3431 als enchère réservée angeboten.

CHF 4 000 / 6 000(€ 3 700 / 5 560)

3431

KURT LAURENZ METZLER(St. Gallen 1941 - lebt und arbeitet in Zürich)Strassenmenschen (schwarz). 1969.Polyester, schwarz gefasst.Unten rechts am Fuss monogrammiert und datiert: KLM 69.Höhe 191 cm.

Provenienz:- Galerie Walde.- Dort vom heutigen Besitzer im Oktober

2008 erworben; seitdem Privatbesitz Schweiz.

Dieses Werk wird mit Los 3430 als enchère réservée angeboten.

CHF 4 000 / 6 000(€ 3 700 / 5 560)

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MARTIN DISLER(Seewen 1949 - 1996 Genf)Porträt. 1979.Acryl auf Nesselleinen.Unten rechts signiert und datiert: Disler 79.200 x 176 cm (Nesselleinen unregelmässig geschnitten).

Provenienz:- Ehemals Sammlung Elisabeth Kaufmann,

Basel.- Privatsammlung Schweiz.

CHF 8 000 / 14 000(€ 7 410 / 12 960)

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PostWar & Contemporary

3433

ALEXANDER CALDER(Lawnton/Pennsylvania 1898 - 1976 New York)Couple with black dog. 1967.Gouache und Tinte auf Papier.Unten rechts signiert und datiert: Calder 67.74,7 x 110 cm.

Das Werk ist bei der Calder Foundation, New York, unter der Application-Nummer: A06855 verzeichnet.

Provenienz:- Pearls Gallery, New York.- Privatsammlung Genf, 1974.- Auktion Finarte Mailand, 27.04.1982,

Los 349.- Privatsammlung Schweiz.

Alexander Calder wird 1898 in Lawnton, Pennsylvania, in eine Künsterfamilie gebo-ren. Sowohl Grossvater als auch Vater sind erfolgreiche Bildhauer, seine Mutter Port-rätmalerin. Schon sehr früh beginnt auch Calder Skulpturen und Objekte aus Draht zu fertigen. Während seiner Jugend zieht die Familie oft um, von Arizona nach Kali-fornien, Philadelphia und New York. 1915 schliesst er die High School in San Francis-co ab und entschliesst sich, Maschinenbau am Stevens Institute of Technology in Hoboken, New Jersey, zu studieren. Nach seinem Abschluss übt er verschiedene Jobs als Ingenieur aus und reist durch Amerika, bevor er sich doch entschliesst Künstler zu werden und in New York an der Art Student League zu studieren.

1926 zieht Calder nach Paris und schreibt sich an der Académie de la Grand Chaumi-ère ein. Hier lernt er unter anderem Fern-and Léger, Hans Arp und Marcel Duchamp kennen. Auf seiner Reise nach New York 1929, lernt er auf dem Boot Louisa James, Grossnichte von Henry und William James, kennen, die er 1931 heiratet. Sie lassen sich in Roxbury, Connecticut, nieder, wo sie

eine Familie gründen. Schon 1943 findet im Museum of Modern Art in New York eine Calder Retrospektive statt, eine gros-se Ehre für einen solch jungen Künstler. 1955 bereist Calder mit Louise Indien, wo er neun Skulpturen sowie Schmuck fertigt. 1963 bezieht er ein Atelier in Indre-et-Loire in Frankreich und gibt 1966 seine „Autobiography with Pictures“ heraus. Kurz nach der Eröffnung seiner grossen Retro-spektive im Whitney Museum, New York, stirbt Calder unerwartet 1976.

Schon früh ist Calder vom Zirkus fasziniert, und 1926 entstehen seine ersten mecha-nischen Spielzeuge. Sein „Cirque Calder“ besteht aus Miniaturen aus Draht, Stoff, Korken, Schnur und anderen gefundenen Gegenständen und war gerade in der Tate Modern zu sehen. Diese grosse Arbeit wurde in Amerika und Europa ausgestellt und fand vor allem bei der Pariser Avant-garde Anklang. In dieser Zeit entstehen auch seine Drahtbilder, die 1929 in Paris ausgestellt werden. Ein Besuch in Piet Mondrians Studio 1930 beeinflusst ihn so stark, dass er sich nun endgültig der Abstraktion zuwendet. Kurz danach expe-rimentiert er mit den ersten kinetischen Arbeiten, die mit Motoren und Hebeln zur Bewegung getrieben werden. Diese Arbeiten werden als die ersten Kunstwerke gesehen, die sich von dem traditionellen, statischen Objekt als Kunstwerk lösen. 1931 bezeichnet Marcel Duchamp Calders Arbeiten als „Mobiles“, und 1932 beginnt er erste Werke zu hängen, die durch Be-rührung und Wind in Bewegung kommen. 1934 dann folgen Werke, die im Freien nur

von Wind „betrieben“ werden. Gleichzeitig experimentiert er auch mit statischen, abstrakten Skulpturen, die Hans Arp „stabiles“ nennt. Nach dem Zweiten Welt-krieg verwendet Calder vermehrt Blech, welches er in Stücke schneidet und in den heute für ihn berühmten Farben Schwarz, Rot, Weiss und Blau bemalt. 1946 werden seine Werke, fast ausschliesslich hängen-de und stehende Mobiles, in der Galerie Louis Carré in Paris gezeigt. Diese haben einen grossen Effekt, zusammen mit dem Text, den Jean Paul Sartre für den Katalog schreibt. Berühmt für seine Skulpturen, hat Calder während seiner künstlerischen Laufbahn immer gemalt und auch Grafiken hergestellt. Der Malstil wird auch hier über die Jahre abstrakter und die Formen zunehmend geometrischer; so erscheinen auch die gemalten Formen in Bewegung geraten zu sein.

Auch wenn Calder in den 60er Jahren überwiegend abstrakt arbeitet, finden sich immer wieder figürliche Darstellungen in seinen Zeichnungen, wie das vorliegende Beispiel eindrücklich beweist. Trotz des Rückgriffes bei den Motiven auf die frühen Werke, belegen die Farbpalette mit Blau, Rot, Schwarz und Gelb, sowie die Flächig-keit eindeutig, dass es sich um ein Aquarell der 1960er Jahre handelt. Die skizzen-hafte, humorvolle Zeichnung erinnert an die frühen Zirkusdarstellungen des Cirque Calder.

CHF 30 000 / 40 000(€ 27 780 / 37 040)

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PostWar & Contemporary

3434

KIMBER SMITH(Boston 1922 - 1981 New York)2 Bll.: Ohne Titel. 1975. 1977.Aquarell und Gouache auf Papier mit perforiertem Unterrand.Unten links monogrammiert: KS.48,4 x 39,3 cm.

Provenienz:- Galerie Turske & Turske, Zürich

(verso mit dem Etikett).- Dort vom heutigen Besitzer erworben;

seitdem Privatbesitz Schweiz.

CHF 800 / 1 200(€ 740 / 1 110)

3435

KIMBER SMITH(Boston 1922 - 1981 New York)Large cat. 1980.Acryl auf Leinwand.Unten links monogrammiert: KS, sowie verso monogrammiert, datiert und beti-telt: KS 1980 LARGE CAT, sowie mit den Massen und Richtungspfeil.102 x 81,5 cm.

Provenienz:- Galerie Turske & Turske, Zürich

(verso mit dem Etikett).- Dort vom heutigen Besitzer erworben;

seitdem Privatbesitz Schweiz.

Ausstellung: 1984 Zürich, Kimber Smith. Arbeiten auf Leinwand und Papier von 1952 bis 1981. Galerie Knoedler, Zürich, Nr. 9 (mit Abb.).

CHF 3 000 / 4 000(€ 2 780 / 3 700)

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DRAGO PRELOG(Celje/Slowenien 1939 - lebt und arbeitet in Wien)Erfreuliche Schweinerei. 1985.Acryl auf Leinwand.Unten rechts signiert, datiert und betitelt: Drago Prelog Erfreuliche Schweinerei 1985.120 x 150 cm.

Provenienz:- 1990 bei der Galerie Lang, Wien, auf der

Art Basel erworben.- Privatbesitz Schweiz; durch Erbschaft an

den jetzigen Besitzer.

Die sogenannten „Umlauf-Bilder“ des Österreichers Drago Prelog, zu denen das vorliegende Werk gehört, zeigen die „Spuren eines Handlungsablaufes“. Der Künstler geht mehrfach um die flach liegende Leinwand und zieht den Kreis bzw. das Oval immer wieder nach. Dadurch entsteht eine dichte, sich in Farben überla-gernde „Umlauf-Spur“. Das Übereinander der Farben, die feinen Linien und der teils

fast pastose Farbauftrag machen die Ein-zigartigkeit dieser Werke aus.

1939 in Slowenien geboren, zieht Prelog mit seinen Eltern nach Österreich. Von 1954-1958 besucht er die Bundesge-werbeschule in Graz und legt seinen Schwerpunkt auf die Dekorative Malerei. 1958-1962 studiert er an der Akademie der Bildenden Künste, Wien, wo er ab 1969 auch einen Lehrauftrag inne hat. 1999 wird ihm der Titel eines Professors verliehen.

CHF 6 000 / 8 000(€ 5 560 / 7 410)

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PostWar & Contemporary

3437*

ROBERT ROTAR(Berlin 1926 - 1999 Düsseldorf)Ohne Titel.Öl auf Leinwand. 80 x 80 cm.

Das vorliegende Werk wird in das in Vor-bereitung befindliche Werkverzeichnis von Ingrid Skiebe unter der Nummer: G 2709 aufgenommen.

Provenienz: Privatsammlung Schweiz.

Robert Rotar gehört in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den ausserge-wöhnlichsten Künstlerpersönlichkeiten.

1926 in Berlin geboren, erlebt Robert Rotar den Zweiten Weltkrieg als Panzerfahrer. Nach dem Krieg schliesst er erfolgreich seine Lehre als Tischler ab und studiert in Bremen und Köln Malerei sowie Möbel- und Raumgestaltung. 1947/48 setzt er sich erstmals mit der Spirale malerisch auseinander. Seine Tätigkeit als Innenar-chitekt und Manager bei dem neugegrün-deten Möbel-Design Unternehmen Knoll in Stuttgart, und ab 1957 in Düsseldorf, bringt ihn mit zeitgenössischen Künstlern wie Joseph Beuys und James Lee Byars, Architekten wie Mies van der Rohe, den führenden Galeristen und Kunsthänd-lern der 1960er Jahre zusammen. Den

introvertierten Rotar verbindet bei all seinen Bekanntschaften vor allem eine lebenslange Freundschaft mit Beuys und Byars. 1973 entschliesst sich Robert Rotar ausschliesslich als freischaffender Künstler und Fotograf zu arbeiten. Mit der Zeit zieht er sich immer mehr aus dem Kunstmarkt zurück und stirbt unerwartet im August 1999.

Sein künstlerisches Werk verschreibt er einzig und allein einer Form: der Spirale. „Ich male Spiralen, in jeder Form. Mich fasziniert deren Entstehen durch die Fliehkraft. Gleich der Relativitätstheorie bediene ich mich dem Phänomen Zeit in Verbindung mit der Rotation als 4. Koordi-nate im Raum. Während ich subjektiv zwei ‚fixe‘ Punkte miteinander verbinde, wird die Spiraltendenz sichtbar.“ (zit. Robert Rotar 1969, auf: www.rotar22.de). „Rotar hat häufig in tranceartigem, meditativem Zustand gemalt, sich ganz auf die geistige Situation konzentriert. Doch nicht die spontane Gestik bestimmt seinen künst-lerischen Impetus, sondern die geistige Auseinerandersetzung mit dem Motiv der

Spirale. Die Spirale, für Rotar Sinnbild des Unendlichen, Uranfänglichen und Urewi-gen, war ihm das Thema, in dem er Grund-fragen des Kosmos und Seins künstlerisch am konsequentesten zum Ausdruck bringen konnte.“ (zit.: ebenda).

Sein Wissen ist universalistisch, da Wis-senschaft und Philosophie in gleichem Masse seine Weltsicht prägen. In der Wis-senschaft setzt sich Rotar mit Astrophysik, Atomphysik, Molekularbiologie, Hirn- und Genforschung auseinander und kennt die führenden Wissenschaftler der Zeit auf diesem Gebiet persönlich. Sein philosophi-sches Interesse gilt Hermes Trismegistos, der ideengeschichtlich älteren Magie und Astrologie, der Alchemie, der jüdischen Kabbala und dem Tarot, den Weltreligio-nen, Neuplatonismus, Mysterienreligionen, Runenkunde, Zahlensymbolik, u.v.m.

CHF 15 000 / 25 000(€ 13 890 / 23 150)

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PostWar & Contemporary

3438*

OTTO PIENE(Laasphe 1928 - 2014 Berlin)Das Schwarz ist heiss. 1967.Gouache, Pigment und Feuer auf Karton, auf Hartfaserplatte aufgelegt.Unten rechts signiert und datiert: Piene 67, sowie unten links betitelt: „Das Schwarz ist heiss“.67,7 x 92,5 cm.

Provenienz: Europäische Privatsammlung.

„Was ist ein Bild? Das Bild ist ein Kraftfeld, Arena der Begegnung von Energien des Autors, geschmolzen, gegossen in die Bewegungen der Farbe, empfangen aus der Fülle des Universums, geleitet in die Kapillaren der offenen Seele des Betrach-ters.“(Otto Piene 1959, zit.: Künstler Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 13, S. 2).

Als Otto Piene, der Pionier der Licht- und Feuerkunst, 1964 eine Gastprofessur an der University of Pennsylvania, USA, über-nimmt, ist seine Anerkennung und Wert-schätzung in Deutschland als Mitbegrün-der der Künstlergruppe ZERO bereits sehr hoch. Die Gruppe, die er 1957 zusammen mit Heinz Mack gründet, fordert nach dem Krieg einen radikalen künstlerischen Neuanfang. Statt mit Farbe und Pinsel experimentieren die ZERO-Künstler mit neuen Materialien und mit den elementa-ren Kräften der Natur: Licht, Bewegung, Wind, Feuer, Luft, Energie. Neue und spektakuläre schöpferische Prozesse entstehen: das Nageln (Uecker, Aubertin),

das Malen mit Rauch und Feuer (Piene, Aubertin), das Schneiden und Durchboh-ren von Leinwänden (Piene und Fontana), das Feilen von Aluminium (Mack). Ein neues Selbstverständnis hat sich in Bezug auf die Wiedergabe der Natur und ihrer Erscheinungen entwickelt. Die Natur wird nicht mehr mimetisch abgebildet, vielmehr wird sie selber zum Ausdrucksmittel der Künstler. Die Künstler befreien sich jedoch noch einen Schritt weiter vom klassischen Malprozess: der Schaffensprozess wird zu einer „Erschaffungsperformance“, wie es in der 3. Ausgabe der ZERO Zeitschrift heisst. Der Akt der Gestaltung wird ebenso zur Kunst, wie das Endprodukt des Prozesses.

Otto Piene nähert sich zunächst über seine Rauchzeichnungen dem Element Feuer als Gestaltungmittel. Der Rauch übernimmt die Aufgabe der Farbe. Anfang der 1960er Jahre geht er dazu über, dem Feuer selber die Gestaltung des Bildes zu überlassen. Während des kurzen Brenn-prozesses des Feuers geliert die brennba-re Farbe auf dem Bildträger, es formt, färbt und verwandelt. Nach dem Erlöschen der Flamme wird abschliessend die selbst-

ständig entstandene Struktur fixiert, und somit das organische Werden der Natur mit dem kontrollierten künstlerischen Eingriff verschiedener Gestaltungsmittel konfrontiert und zu einer Synthese ge-führt. Die „Handschrift“ des Künstlers wird durch die Naturelemente ersetzt.

In dem kraftvollen Werk „Das Schwarz ist heiss“ wird sowohl durch die Wahl des Titels als auch durch die Farbkombination von Rot und Schwarz auf den Schaffens-prozess Bezug genommen. Diese explizite Referenz an das Feuer und seine Begleit-erscheinungen wie Wandlung, Zerstörung, Russ und Hitze in dem hier angebotenen Werk, vereint Pienes künstlerische Ziele meisterhaft. Allein der Neigungswinkel und der Abstand von Leinwand zur Feuerquel-le, sowie der Moment der Beendigung des Brennprozesses werden vom Künstler aktiv bestimmt, wobei die ganze Kraft der Feuergewalt im Bild zum Tragen kommt.

CHF 25 000 / 40 000(€ 23 150 / 37 040)

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„Das Schwarz ist heiß“„Zero ist der Mond.Die Sonne ist Zero.Zero ist weiss.Die Wüste Zero.Der Himmel über Zero.Die Nacht.“

(aus dem Zero Manifest 1963 zit. nach: Dirk Pörschmann, Margiet Schavemaker (Hg), Zero, Köln 2015, S.214)

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PostWar & Contemporary

3439*

KAZUO SHIRAGA(1924 Amagasaki/Japan 2008)Ohne Titel. 1961.Öl auf Leinwand.Unten rechts in Japanisch signiert: Shira-ga, sowie auf der Rückseite signiert und datiert: Kazuo Shiraga 1961.24,4 x 34,3 cm.

Provenienz:- Tokyo Gallery, Japan.- Dort erworben von „Estate 11 East 86th

NYC“.- Europäische Privatsammlung.

Nach 200 Jahren der selbstgewählten Isolation, sowohl politisch als auch, in der Konsequenz, kulturell, öffnet sich Japan im Verlauf des 19. Jahrhunderts wieder dem Westen. Für die Kunst des Landes bedeutet dies die Auseinandersetzung mit der westlichen Kunst, die vollkommen unbekannt und auch so völlig anders als die japanische Kunsttradition ist. Zunächst führt diese kulturelle Öffnung zur, für Ja-pan typischen und nicht negativ belaste-ten, Nachahmung westlicher Kunst. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg fordert der Künstler Yoshihara Jiro die Eigenständig-keit japanischer, zeitgenössischer Kunst. Eng verbunden mit dieser Forderung sind zum einen die Aufforderung, etwas zu schaffen, was es nie gab und zudem keine Nachahmung mehr anzufertigen.

Vor diesem Hintergrund gründet er 1954 in Osaka die Künstlergruppe GUTAI, was soviel wie konkret im Sinne von „spon-tan, direkt, bezogen auf die Fähigkeit, die eigenen Gedanken, Gefühle unreflek-tiert und unvermittelt auszudrücken“ heisst (zit. Barbara Bertozzi, in: Ausst.Kat. Gutai: japanische Avantgarde = Japanese Avant-Garde 1954-1965, Mathildenhöhe

Darmstadt, 24. März – 5. Mai 1991, S. 20). Das erste Projekt, mit dem die Gruppe an die Öffentlichkeit tritt, ist eine Freilicht-ausstellung, was an sich schon revolutio-när gewesen ist. Aber auch die Kunst ist zukunftsweisend und hat Anlehnungen an die DADA Bewegung: es gibt Happenings, Performances, die Zuschauer werden Teil der Kunstwerke, und die Natur wird ebenfalls mit einbezogen. Alles geschieht spontan, auf eine fast spielerische Weise, ohne jegliches Konzept, was im Gegensatz zur strengen, hierarchischen Gesellschaft Japans steht.

Die gegenseitige Beeinflussung von west-licher und östlicher Kunst ist immanent: das von den GUTAI Künstlern verwendete Material findet sich auch später bei Piero Manzoni und der Arte Povera wieder. Die pastose, dynamische und abstrakte Mal-weise zeigt die engen Beziehungen zum europäischen Informel und dem amerika-nischen Abstract Expressionism. Ob-wohl der massgebliche Kunstkritiker des Informel Michel Tapié grossen Einfluss auf die Gruppe gehabt hat und durch zahlrei-che Besuche, u.a. mit Georges Mathieu, in engem Kontakt gestanden ist, ist doch der Amerikaner Jackson Pollock die wichtigste Bezugsperson für die GUTAI gewesen. Mit zunehmender Internationalität nehmen die experimentellen Techniken, Happe-nings, etc. zugunsten der Ölmalerei ab – die Anforderung des Kunstmarktes mit

zahlreichen Ausstellungen, auch in Europa fordert, Kompromisse ein, was gleichzei-tig zu einer gewissen Einschränkung der Kreativität führt. Mit der Aufnahme neuer Künstler 1965 beginnt eine weitere Perio-de der GUTAI.

Einer der bekanntesten Künstler der ersten Generation ist Kazuo Shiraga, der 1955 der Gruppe offiziell beitritt. In seinen frühen Happenings treibt er das Action-Painting Jackson Pollocks auf die Spitze, in dem er mit den Füssen malt bzw. sich an Bändern aufhängt, um dann mit Schwung über die Leinwand zu segeln und mit den Füssen zu malen.

Auf dem vorliegenden, kleinformatigen Werk sieht man auf den ersten Blick die unglaubliche Energie, mit der Shiraga seine Gemälde erschafft. Die vereinzelten, pastosen Flächen zeigen die Dynamik des Werkes, aber auch den expressiven, freien Entstehungsprozess des Gemäldes. Sie scheinen sich fast von der Leinwand mit den nur vereinzelten, fast aquarellartigen Farbflächen zu erheben. Die Farbe der Leinwand wird in die Komposition mit einbezogen. Rot dominiert das Werk, wird aber durch Schwarz und Blau zu einer dichten Komposition zusammengefügt.

CHF 70 000 / 100 000(€ 64 810 / 92 590)

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„We are following the path that will lead to an international common ground where the arts of the East and the West will influence each other.

And this is the natural course of the history of art.“ (Yoshihara Jiro, 1958).

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PostWar & Contemporary

3440*

MARTIN DISLER(Seewen 1949 - 1996 Genf)Ohne Titel. 1986.Acryl, Quarzsand und Kohle auf Papier.Unten rechts signiert und datiert: disler 86.100 x 70 cm.

Provenienz:- Galerie studio d‘arte cannaviello, Mailand

(verso mit dem Etikett).- Privatbesitz Italien.

CHF 3 000 / 5 000(€ 2 780 / 4 630)

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JOEL PERLMAN(New York 1943 - lebt und arbeitet in New York)Whisper. 1976.Polierter Stahl.Unten rechts auf der Plinthe monogram-miert und datiert: JP76.95 x 38 x 17 cm.

Provenienz:- 1977 vom heutigen Besitzer bei Galerie

André Emmerich, Zürich/New York, erworben.

- Seitdem Privatbesitz Schweiz.

Ausstellungen:- Zürich 1976, Small Scale Sculpture.

Galerie André Emmerich, 12. Juni - 28. August 1976.

- Zürich 1977, Joel Perlman. Galerie André Emmerich, 3. September - 15. Oktober 1977.

Der New Yorker Bildhauer Joel Perlman wird 1943 in New York geboren. 1965 macht er seinen B.F.A. an der Cornell University und schliesst zwei Jahre später sein Studium mit einem M.A. an der Uni-versity of California, Berkley, ab. Seit 1973 unterrichtet er an der University of Visual Arts, New York.

Seine teils überlebensgrossen Skulpturen sind immer die intensive Auseinanderset-zung mit Gewicht, Monumentalität, Raum, Schwerkraft und Gefahr. Dabei fertigt er keine Vorzeichnungen an, sondern lässt die Skulptur direkt aus dem Schaffenspro-zess entstehen. Ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit ist das Schweissen, das für den Betrachter die Bedeutung des offensichtlichen Entstehungsprozesses nochmals verdeutlicht.

„While minimalism was the predominant style of his generation, Perlman chose to push his forms into ever-more com-plicated, gravity defying, configurations. Though he shares certain qualities with his peers - the thrill of danger in a Richard Serra, the blue-collar heroism of Mark diSuervo - Perlman always investigates with originality. He expands, rather than apporpriates, enriching our experience with industrial materials.“ (zit. www.sculp-ture.org)

CHF 2 000 / 3 000(€ 1 850 / 2 780)

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PostWar & Contemporary

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3442*

ERNST FUCHS(1930 Wien 2015)Ohne Titel. 1986.Gouache und Pastell auf Papier.Unten links signiert und datiert: Ernst Fuchs 1986.69,5 x 50,3 cm.

Wir danken Angelika Fuchs, Privatstiftung Ernst Fuchs Wien, für ihre wissenschaftli-che Unterstützung.

Provenienz:- Vom heutigen Besitzer vor ca. 20 Jahren

bei Kunsthandlung Artes, Hamm, erwor-ben.

- Sammlung Prinz von Hohenzollern, Schloss Henley Park, Surrey, Grossbri-tannien.

CHF 9 000 / 14 000(€ 8 330 / 12 960)

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ARMAN (ARMAND PIERRE FERNANDEZ)(Nizza 1928 - 2005 New York)Ohne Titel. 1988.Bronze.Mit der eingeritzten Signatur und Datierung: Arman with Max 88.53 x 49 x 43 cm.

Wir danken Denyse Durand-Ruel für Ihre wissen-schaftliche Unterstützung. Das Werk ist in den Archives Denyse Durand-Ruel unter der Nummer: 10.295 in 1988, registriert.

Provenienz:- Direkt vom Künstler erhalten, in Zusammenar-

beit mit Max Kehl für dessen Restaurant Chez Max in Zollikon.

- Durch Erbschaft an den heutigen Besitzer.

CHF 15 000 / 20 000(€ 13 890 / 18 520)

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PostWar & Contemporary

3444

ANTHONY CARO(New Malden/London 1924 - 2013 Lon-don)Table Piece CCLXXXIX (Reno). 1975/76.Gerosteter Stahl, gefirnisst.64,8 x 172,1 x 22,9 cm.

Provenienz:- 1978 vom heutigen Besitzer bei Galerie

André Emmerich, Zürich/New York, erworben.

- Seitdem Privatbesitz Schweiz.

Literatur: Blume, Dieter: Anthony Caro. Catalogue raisonée, Vol. I. Table and rela-ted sculptures 1966 - 1978, Köln 1981, Nr. 296 (mit Abb.).

Ausstellung: 1978 Zürich, Anthony Caro. Galerie André Emmerich, 31. März - 13. Mai 1978.

Anthony Caro gehört zu den bedeutends-ten Begründern der abstrakten Skulptur. 1924 in New Malden geboren, schliesst er 1944 sein Ingenieurstudium mit dem Diplom ab, besucht 1946 das Regent Street Polytechnic Institute und beginnt 1947 sein 5-jähriges Studium an der Royal Academy of Arts, London. In dieser tradi-tionellen Institution des Königreiches ist der Lehrplan nach dem Zweiten Weltkrieg noch sehr konservativ, so dass die stärker werdende Strömung Abstrakter Kunst hier keinen Platz hat und Caros frühe Werke figurativ sind. 1952/53 wird er Assistent des einflussreichsten englischen Bildhau-ers der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Henry Moore. Er übernimmt Lehrtätig-keiten an der St. Martin‘s School of Art (1953-1967) und am Bennington College, Vermont (1963-1965). Neben zahlreichen

Auszeichnungen, u.a. 1987 dem Ritter-schlag durch die Queen, nimmt er 1964 an der documenta III und vier Jahre später an der documenta 4 teil.

In den 1960er Jahren wendet sich An-thony Caro der Abstrakten Kunst zu und entwickelt u.a. seine Table Pieces, von denen wir eines hier anbieten können. Sie bedeuten die bewusste Entscheidung für kleinere Skulpturen; für die Entwicklung zu Tischskulpturen, die den Tisch zu einem Teil der Skulptur werden lassen. Die frühen Table Pieces haben immer ein Teil, das über den Tisch hinausragt, so dass sie gar nicht auf dem Boden plaziert werden können. Aber auch die Werke der 1970er, wie das Vorliegende, funktionieren von ih-rem Massstab her nur, wenn sie auf einem Tisch platziert sind. Der Tisch wird aber nicht indirekt zum Sockel umfunktioniert, sondern zu einem wichtigen Bestandteil der Plastik.Mit seinen abstrakten Plastiken gestaltet der Künstler den Raum und gleichzeitig die Leere, er beherrscht die Dynamik und Statik der Arbeit. Die Formfindung und -gestaltung ist das Kernstück und die Kernaussage der Skulptur - keine meta-phorischen Anspielungen oder Assoziati-onen. „Er verpflichtet den Betrachter zur Aktivität, weil sich jedes Objekt selbst als eine neue Erfahrung der Wahrnehmung anbietet“ (zit.: Skulptur. Die Moderne 19. und 20. Jahrhundert, Bd. IV, Köln 1986, S. 214).

Die Hinwendung zum Stahl Mitte der ersten Hälfte des Jahrhunderts, bis dato wurden Skulpturen in Stein gemacht, bie-tet den Bildhauern eine ungeahnte Freiheit in der Formgestaltung, da sie sich nicht

mehr den Gegebenheiten des vorhande-nen Steins unterwerfen müssen, sondern durch Schweissen, Nieten, etc. das form-bare Material gestalten und nach ihren Vorstellungen zusammensetzen können. Somit wird auch der Entstehungsprozess immer wichtiger.In Caros Werken wird dies eindrücklich demonstriert: Die einzelnen Elemente, aus denen unser Table Piece zusammenge-setzt ist, sind u.a. durch die Schweissnähte eindeutig zu identifizieren, was bedeutet, dass jedes einzelne Stück Stahl genau an dem Ort ist, wo es Caro haben will. Der Entstehungsprozess wird wichtiger Bestandteil der Skulptur und begründet ihre Einzigartigkeit: „Die additive Verwen-dung industrieller Teile, [...], erlaubt ein direktes und spontanes, der musikalischen Improvisation nicht unähnliches Arbeiten. Bemerkenswert ist, dass die Skulpturen immer direkt aus dem Material, ohne vor-bereitende Ideenskizzen oder Maquetten, entstehen.“ (zit.: Blume, Dieter: Anthony Caro. Catalogue raisonée, Vol. II. Table and related sculptures 1979-1980, Köln 1981, S. 5). Caro selbst sagt über den Entste-hungsprozess: „Often many months go by before I see them again ... When I come to take a look at them, the umbilical cord which held me to them has been cut and I feel free to make very radical changes ... I believe that working in this fashion helps to keep spontaneity and freshness in my work“ (ebenda, S. 11).

CHF 40 000 / 60 000(€ 37 040 / 55 560)

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PostWar & Contemporary

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3445*

MARIO SCHIFANO(Homs 1934 - 1998 Rom)Ex propaganda.Email auf Leinwand.Verso signiert und betitelt: Schifano Ex propaganda.120 x 90,5 cm.

Die Authentizität dieses Werkes wurde von Monica Schifano, Archivio Mario Schi-fano, Rom 3. Mai 2016, bestätigt. Es ist im Archiv unter der Nummer: 03131160416, verzeichnet.

Provenienz: Privatsammlung Italien.

CHF 25 000 / 35 000(€ 23 150 / 32 410)

3446*

MARIO SCHIFANO(Homs 1934 - 1998 Rom)Ohne Titel.Email auf Leinwand.Oben links vertikal signiert: Schifano.132 x 132 cm.

Die Authentizität dieses Werkes wurde von Monica Schifano, Archivio Mario Schi-fano, Rom 3. Mai 2016, bestätigt. Es ist im Archiv unter der Nummer: 03132160416, verzeichnet.

Provenienz: Privatsammlung Italien.

CHF 22 000 / 28 000(€ 20 370 / 25 930)

| 50

PostWar & Contemporary

3447*

LORI HERSBERGER(Basel 1964 - lebt und arbeitet in Zürich)Today/Tomorrow. 2003.Acryl und Sprayfarbe auf Spiegel auf Holz.Verso signiert, datiert und betitelt: Lori Hersberger „Today/Tomorrow“ 2003.50,5 x 70 cm (in Plexglasrahmen).

Der Schweizer Künstler Lori Hersberger beginnt sein Studium der Videokunst und Bildhauerei 1991 an der Schule für Gestal-tung in Basel. In den 1990er Jahren ist sein Werk durch Installationen und Environ-ments geprägt, für deren Umsetzung er zunächst Videos, dann aber im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Medien nutzt. Der Verzicht auf jegliche Begrenzung in Hinsicht auf Technik und Medium macht Hersbergers Werk so charakteristisch und einzigartig. Seit den 2000ern konzentriert er sich auf die Abstrakte Malerei.Bezugnehmend auf die Strömungen der Kunstgeschichte, gelingt es ihm

eindrucksvoll, seinen eigenen Kosmos zu schaffen. „Denn seit Beginn seiner künstlerischen Laufbahn hat er sich einem Perspektivismus verschrieben, der sich in der experimentellen Auslotung multipler Gattungen artikuliert. Lori Hersbergers Kunst betont den Gegensatz zwischen der Welt der Illusion und der Wirklichkeit, ver-weist gleichzeitig aber auch auf den sich dazwischen öffnenden Raum. In diesem Sinn sind seine Werke gleichzeitig sublim und grotesk.“ (zit.: www.lorihersger.com)

Das vorliegende Werk ist ein wunder-bares Beispiel für seinen Bruch mit den

Konventionen in der Malerei. Die weisse Leinwand wird durch einen Spiegel ersetzt, die Ölfarbe teils durch Sprayfarbe und die tradionellen Farben durch Neonfarben. Mit dem Spiegel gelingt es ihm eindrucksvoll das Kunstwerk in den Raum zu holen, ein Teil des Raumes zu werden und umge-kehrt natürlich uns Teil des Kunstwerkes werden zu lassen.

CHF 2 500 / 3 500(€ 2 310 / 3 240)

| 51

3448

SAM FRANCIS(San Mateo/Kalifornien 1923 - 1994 Santa Monica)Ohne Titel. 1977.Gouache und Aquarell auf Papier.Verso signiert, datiert und bezeichnet: Sam Francis 1977 Küsnacht.39,6 x 29,9 cm.

CHF 8 000 / 12 000(€ 7 410 / 11 110)

| 52

PostWar & Contemporary

3449

GIUSEPPE ZIGAINA(1924 Udine 2015)Vers la lagune. 1982-85.Öl, Kreide und Aquarell auf Papier, auf Leinwand collagiert.200 x 180 cm.

Provenienz:- Galleria d‘arte Moderna, Prag

(verso mit dem Etikett).- Galerie Kara, Genf

(verso mit dem Etikett).- Privatsammlung Schweiz.

CHF 2 000 / 4 000(€ 1 850 / 3 700)

| 53

3450*

DELTA 2 (JEAN GALLARD)(New York 1965 - lebt und arbeitet in New York)Ohne Titel.Sprayfarbe auf Leinwand.151,5 x 234 cm.

Provenienz:- Galerie Schurr, Stuttgart.- Von der heutigen Besitzerin dort erwor-

ben; seitdem Privatsammlung Süd-deutschland.

Ausstellung: Stuttgart 1984, Galerie Schurr. Graffiti Writers aus New York, 7. Juli - 31. August 1984.

Der Graffiti Künstler Delta 2, geboren in Spanish Harlem, beginnt seine Karriere mit sogenannten Subway-Paintings in den späten 1970er Jahren. Typisch für die Sprayer ist ihre Anonymität, und dennoch gibt es immer typische Merkmale, anhand deren die Kenner wissen, welchen Künstler sie vor sich haben. Durch das Sprühen auf

U-Bahn-Züge treten die unterschiedlichen Künstler miteinander in Kommunikation.

Mit den 1980er Jahren entdeckt auch der Kunsthandel die Qualität der schnellen, ausdrucksstarken und in der Stadt überall präsenten Kunstwerke. Auch Delta 2 stellt in Galerien aus und hat Mitte der 1980er Jahre auch Ausstellungen in Europa. Um sich den neuen Anforderungen der Galerie anzupassen, entstehen immer wieder auch Werke auf Leinwand.

CHF 2 500 / 3 500(€ 2 310 / 3 240)

| 54

PostWar & Contemporary

3451*

JAN FABRE(Antwerpen 1958 - lebt und arbeitet in Antwerpen)House of Flames. 1991.Kugelschreiber auf Holz.76 x 33 x 39 cm (mit Metallsockel und Ple-xiglashaube Höhe insgesamt 189 cm).

Die Authentizität wurde von Angelos bvba/Jan Fabre, Antwerpen, Mai 2015, bestätigt.

Provenienz:- Vom heutigen Besitzer 2001 in der Gale-

rie De Vuyst, Lokeren gekauft- Seitdem Privatbesitz Niederlande.

CHF 8 000 / 12 000(€ 7 410 / 11 110)

| 55

| 56

PostWar & Contemporary

3452*

JAN FABRE(Antwerpen 1958 - lebt und arbeitet in Antwerpen)Snow Mountains. 1989 .Kugelschreiber auf Papier mit perforier-tem, rechtem Seitenrand. 61 x 282,5 cm.

Die Authentizität wurde von Angelos bvba/Jan Fabre, Antwerpen, Mai 2015, bestätigt.

Provenienz:- Vom heutigen Besitzer 2000 in der Gale-

rie Campo, Antwerpen, erworben.- Seitdem Privatbesitz Niederlande.

Ausstellung: Sint-Niklaas 1992. „Li jn“, 17 Mai - 28 Juni (verso mit dem Etikett).

Jan Fabre, Antwerpener Maler, Regisseur, Choreograf und Dramatiker, hat bereits in jungen Jahren ein gewaltiges Oeuvre geschaffen. Die einzelnen Werke an sich sind oft „monumental“, in Grösse, Aufwen-digkeit und durch die schiere „Arbeit“, die dahinter steckt. In seiner Kunst verei-nen sich eine unglaubliche Energie und viel Körpereinsatz sowie Beständigkeit. Körperliche Arbeit ist für ihn ein zentraler Aspekt des Arbeitens, genauso wie Über-gangssituationen, Zwischenzeiten oder Momente. Er arbeitet meist Nachts und erreicht den Höhepunkt seines kreativen Schaffens zwischen Nacht und Tag, einer Zwischenzeit, der sogenannten „blauen Stunde“ der Dämmerung. Es ist für ihn eine spezielle Phase, „wenn die Nachttiere Schlafen gehen und die Tagtiere aufwa-chen, gibt es in der Natur einen Moment von sublimer Stille, in dem alles aufreisst, aufbricht und sich verändert. Diesen Mo-ment habe ich gesucht, eingefangen.“ (zit.:

Jan Fabre im Gespräch mit Jan Hoet und Hugo de Greef, Ausst.Kat.: Jan Fabre. Der Leimrutenmann, Stuttgart 1995, S. 26.).

Solche Übergangssituationen sind auch in seinen Werken erkennbar. Wenn er seine Blauen Bilder malt, seine riesigen BIC-Wer-ke, wo er ganze Papierflächen mit blauem BIC-Kugelschreiber bekritzelt, malt er sich in einen tranceartigen Zustand. Der Stift ist wie die Verlängerung seiner Hand, die Hand die seines Arms und dieser die sei-nes ganzen Körpers. Die endlosen blauen Linien, dicht übereinander gemalt, ent-stehen in diesem endlosen Moment, wo Gedanken aufhören und die Mechanik des Körpers ihn in seiner Arbeit „verschwinden“ lässt. Schon ganze Räume hat er „bebict“, sogar das Schloss Tivoli wurde mit seinen schraffierten Papierbahnen 1990 ganz in Blau getaucht. BIC-Blau „ist eine sehr ruhige Farbe. Doch die Art und Weise, wie ich sie auftrage, macht viel Lärm. Mit der Zeit aber und durch die Wiederholung wird es wieder ruhig. Still, so dass man das Bild hören kann. - Ich versuche, der Stille eine Form zu geben mit all ihren Geräuschen.“ (zit.: Jan Fabre in: Ausst.Kat.: Jan Fabre, Basel 1990).

Das genau dieses „Blaubicen“ mit den billigen Kugelschreibern ihn zu Ruhm ver-holfen hat, in Anbetracht der Sonderstel-lung der Farbe Blau in der Kunstgeschichte

- von Giottos kostbarem Lapislazuli Blau bis hin zu Yves Kleins IKB Blau - scheint ihn erst recht zu amüsieren. Kritzeleien, die Leute unbewusst auf Papier bringen, sind für ihn Ausdruck des Wegseins, wenn man beim Telefonieren, Warten, Denken oder aus Nervosität unablässig vor sich hin kritzelt. Diese Spuren der Abwesen-heit bringt Fabre auf eine grosse Fläche, er lässt sich von den Linien treiben, ohne genaue Gestalten oder Motive zu malen, lässt die Linien ihn führen. Gleichzeitig bezeugen diese blauen Flächen auch die Präsenz eines Menschen, seines Körpers. In den endlosen Wiederholungen der Li-nien werden das Atmen, die Bewegungen des Körpers und die psychische Präsenz spürbar. Es ist ein gleichzeitiges Dasein und Wegsein, eine unauflösliche Spannung und Dialektik, die Fabre antreiben und fas-zinieren. Er selbst beschreibt sein Arbeiten als eine Art Selbsthypnose.„Es sind Augenblicke, die man wie folgt zusammenfassen könnte: ich tue nichts bewusst, ich denke nicht zusammenhän-gend, ich erwarte nichts, und alles passiert von selbst. Mir schwindelt der Kopf, und das Ohr tut seine Arbeit. Die Grenzen sind aufgehoben. Ich fliege um und durch die Zeichnung, unter, über und in ihr.“ (zit.: Jan Fabre, ebenda S. 174).

CHF 25 000 / 35 000(€ 23 150 / 32 410)

| 57

| 58

PostWar & Contemporary

3453

PER KIRKEBY(Kopenhagen 1938 - lebt und arbeitet in Kopenhagen)Bezzo. 1990.Gouache, Pastell, Bleistift und Wachskrei-de auf Papier.Unten rechts monogrammiert, datiert und betitelt: Bezzo 30-9-90 PK. Auf der Rückseite mit der Archivnummer: GMW Pkz 1542.79 x 105 cm.

Provenienz:- Galerie Michael Werner.- Vom heutigen Besitzer 1990 bei Galerie

Lelong, Zürich, erworben (verso mit dem Etikett).

- Seitdem Privatbesitz Schweiz.

Ausstellung: Zürich 1991, Per Kirkeby. Ohne Titel, Galerie Lelong, April-Mai 1991.

Per Kirkeby ist dänischer Maler, Bildhauer, Filmemacher und Poet und zählt zu den bedeutendsten Gegenwartskünstlern Skandinaviens. Der 1938 in Kopenhagen geborene, studierte Geologe, beginnt

1962 sein Studium an der Experimental Art School in Kopenhagen, das er 1964 abschliesst. Seine erste wichtige Einzel-ausstellung im Ausland findet 1977 im Museum Folkwang in Essen statt. Später werden seine Werke in ganz Europa und in den USA gezeigt.

Kirkeby ist ein sehr experimentierfreudiger Künstler, der in verschiedenen Medien und mit vielen Techniken arbeitet. In seinen Anfängen der Fluxus Gruppe angehörig, wird er in den 1960ern von der Pop Art geprägt und später vom Tachismus und Informel. Diese verschiedenen Einflüsse zeigen sich auch in den Stilwechseln seiner

Kunst. Bis in die 1970er Jahre verlässt er sich auf die plakativen Stilmittel der Pop Art, danach wendet er sich vermehrt vom Gegenständlichen ab und der Abstraktion zu. Seine kräftige Pinselführung und der starke Pinselduktus seiner Arbeiten führen zu einer sinnlichen Modellierung und ei-nem dramatischen, poetischen Charakter. Es handelt sich jedoch nicht um spontane und emotionale Gesten, vielmehr um kon-trollierte und durchdachte Kompositionen und Bildfindungsprozesse.

CHF 8 000 / 12 000(€ 7 410 / 11 110)

| 59

3454*

GEORG BASELITZ(Grossbaselitz 1938 - lebt und arbeitet in u.a. in München)Ohne Titel. 1978.Tusche und blaue Tinte auf Papier.Unten rechts datiert: 3.I.78.61,5 x 50 cm.

Wir danken dem Archiv Prof. Georg Base-litz, München, für die wissenschaftliche Unterstützung. Das Werk ist dort unter der Nr.: GBZ458 registriert.

Provenienz:- Vom heutigen Besitzer 1986 in der

Galerie Zellermayer, Berlin, erworben.- Seitdem Privatsammlung Deutschland.

CHF 12 000 / 18 000(€ 11 110 / 16 670)

| 60

PostWar & Contemporary

| 61

3455

MARKUS LÜPERTZ(Reichenberg 1941 - lebt und arbeitet in Düsseldorf)Ohne Titel. 1990.Gouache, Pastell und Wachskreide auf Papier.Unten rechts monogrammiert: ML. Auf der Rückseite mit der Archivnummer: GMW Z 2183.60 x 85 cm.

Provenienz:- Galerie Michael Werner.- Vom heutigen Besitzer 1990 in der Ga-

lerie Lelong, Zürich, erworben (verso mit dem Etikett).

- Seitdem Privatbesitz Schweiz.

CHF 3 500 / 5 500(€ 3 240 / 5 090)

3457

THOMAS HUBER(Zürich 1955 - lebt und arbeitet in Berlin)Wand in Münster III. 1998.Aquarell und Bleistift.Unten rechts signiert und datiert: Thomas Huber 98, sowie unten links betitelt: Wand in Münster III.Darstellung 77,5 x 140 cm auf Vélin 89 x 147 cm.

Provenienz: Durch Erbschaft in heutigen Privatbesitz Schweiz.

Thomas Huber studiert an der Kunst-gewerbeschule in Basel und am Royal College in London, bis er von 1980 - 1983 Meisterschüler bei Fritz Schwegler an der Kunstakademie Düsseldorf wird. Von 1992 - 1999 erhält er eine Professur an der Hochschule für Bildende Künste in Braun-schweig, hat 1992 temporär die Direktion des Centraal Museum Utrecht inne und ist von 2000 an für 2 Jahre Vorsitzender des Deutschen Künstlerbundes. Neben zahl-reichen Preisen wird ihm 1993 der Preis für Junge Schweizer Kunst der Zürcher Kunstgesellschaft verliehen und 2013 der Prix Meret Oppenheim.

CHF 3 000 / 5 000(€ 2 780 / 4 630)

3456

MARKUS LÜPERTZ(Reichenberg 1941 - lebt und arbeitet in Düsseldorf)Ohne Titel. 1990.Gouache, Pastell und Wachskreide auf Papier.Unten rechts monogrammiert: ML. Auf der Rückseite mit der Archivnummer: GMW Z 2103.60 x 85 cm.

Provenienz:- Galerie Michael Werner.- Vom heutigen Besitzer 1990 in der Ga-

lerie Lelong, Zürich, erworben (verso mit dem Etikett).

- Seitdem Privatbesitz Schweiz.

CHF 3 500 / 5 500(€ 3 240 / 5 090)

| 62

PostWar & Contemporary

3458

JÖRG IMMENDORFF(Bleckede 1945 - 2007 Düsseldorf)Auf die Plätze. 1981.Öl auf Leinwand.Am Seitenrand oben rechts signiert und datiert: Jörg Immendorff 81, sowie unten mittig betitelt: Auf die Plätze.50 x 40 cm.

Provenienz:- Vom heutigen Besitzer 1990 in der Gale-

rie Raymond Bollag, Zürich, erworben.- Seitdem Privatsammlung Schweiz.

Ausstellung: Zürich 1990, Jörg Immen-dorff. Bilder und Arbeiten auf Papier. Gale-rie Raymond Bollag, Zürich, 24. April - 20. Juni 1990 (verso mit dem Etikett).

„Aufruf an die Westdeutschen und europäischen Künstler: Behandelt in euren Werken Fragen des Alltages, Ungerechtigkeiten, die Frage drohender Kriegsgefahr durch zwei imperialistische Mächte, politische Unterdrückung – setzt euch für Frieden ein, denn fällt die erste Bombe, bleibt keine Staffelei trocken, euer Jörg Immendorff, Mai 1978.“ (zit. Dieter Koepplin, in: Jörg Immendorff - „Café Deutschland“, Ausst. Kat. Kunstmuseum Basel 1979, S. 10).

Ende der 1970er Jahre konzentriert sich Jörg Immendorff in seinen Arbeiten ganz auf die Thematisierung des Ost-West-Konfliktes. Er beginnt 1977 den 16-teiligen

Gemälde-Zyklus „Café Deutschland“, in dem er die Teilung Deutschlands, den Mauerbau in Berlin, den Schiessbefehl und das atomare Wettrüsten der Grossmäch-te anprangert. Einen Mitstreiter findet er in A.R. Penck, den er 1976 trifft und der jenseits der deutsch-deutschen Grenze in Dresden als Künstler (im Untergrund) arbeitet. Penck und Immendorff grün-den ein Künstlerkollektiv, das über die innerdeutsche Grenze hinweg agieren soll. Sie beschliessen, im Kollektiv „ihre Arbeit in den Dienst der Überwindung der willkürlich errichteten Grenze in Form der Berliner Mauer zu stellen“ (zit. David Elliot, in: Jörg Immendorff, Galerie Michael Werner, Ausst.Kat. 2014). Der Zyklus „Café Deutschland“ wird dabei zu einer Art Theaterbühne für die Persönlichkeiten, Entwicklungen und historischen Begeben-heiten des geteilten Deutschlands.

Die beiden Arbeiten des Beuys-Schülers Jörg Immendorff „Auf die Plätze“ und „Alltag im Café Ost“ sind im Umfeld dieses Gemälde-Zyklus entstanden. Vom heuti-gen Standpunkt aus betrachtet, erschei-

nen sie wie die Visionen eines Hellsehers. Die gemalte Wiedervereinigung von Bundesrepublik und DDR scheint damals reine Utopie zu sein. Die Vehemenz und Zielstrebigkeit, mit der Immendorff gegen das geteilte Deutschland anmalt, zeigt sich aber nicht nur in der aggressiv-politi-schen Sujetwahl, sondern auch in seinen bildnerischen Mitteln. Mit kraftvollen Far-ben, klaren Abgrenzungen und summa-rischer Flächenbehandlung vermittelt er seine Botschaft.

In „Auf die Plätze“ kniet eine männliche Figur in der Startposition eines Sprinters an der Steilwand einer Festung mit roter Flagge, so als warte er auf den Startschuss, um diese Mauer zu überwinden. Den Blick fest auf sein Ziel gerichtet, trennen ihn nur Zentimeter von der Oberkante der Mauer. Immendorff fängt sehr pointiert die damalige Stimmung ein: die Spannung, bevor sich die aufgestaute Kraft, die hohe Konzentration in Aktion verwandelt.

CHF 8 000 / 12 000(€ 7 410 / 11 110)

| 63

| 64

PostWar & Contemporary

3459

KOTSCHA REIST(Bern 1963 - lebt und arbeitet in der Schweiz)Neo Rauch. 2010.Gouache und Aquarell auf Papier.Unten rechts signiert und datiert: Kotscha Reist 2010.33 x 21,5 cm.

Provenienz:- Vom heutigen Besitzer in der Galerie

Bischoff, Bern, erworben.- Seitdem Privatbesitz Schweiz.

CHF 800 / 1 200(€ 740 / 1 110)

3460

TONY OURSLER(New York 1957 - lebt und arbeitet in New York)Ohne Titel. 1992.Tusche auf Papier.Unten links signiert und datiert: Tony Oursler 92-6.42,1 x 29,6 cm.

Aus der Serie „Dolls“ von 1992.

Provenienz: Privatsammlung Schweiz.

CHF 800 / 1 200(€ 740 / 1 110)

| 65

3461

JÖRG IMMENDORFF(Bleckede 1945 - 2007 Düsseldorf)Alltag im Café Ost. Gegen Westwährung sofort. 1978.Öl auf Papier.Unten rechts signiert und datiert: Im-mendorff 78. Auf der Rückseite mit der Archivnummer: GMW279 426.29,5 x 21 cm.

Provenienz:- Galerie Michael Werner.- Vom heutigen Besitzer 1990 in der Gale-

rie Raymond Bollag, Zürich, erworben.- Seitdem Privatsammlung Schweiz.

Ausstellung: Zürich 1990, Jörg Immen-dorff. Bilder und Arbeiten auf Papier. Gale-rie Raymond Bollag, Zürich, 24. April - 20. Juni 1990 (verso mit dem Etikett).

In unserem zweiten Werk von Immendorff „Alltag im Café Ost“ legt er den Fokus auf die gesellschaftspolitischen Unterschiede in Ost und West: der z.T. marode Zustand der Häuser und Einrichtungen im Osten, des DDR-Staates und der gesellschaft-lichen Stimmung. Auf der anderen Seite zeigt sich die Macht des Kapitalismus und der West-Devisen auf die Menschen in der damaligen DDR. Er spielt mit dem Traum, der herrschenden Illusion, mit (West-) Geld wären die Probleme zu lösen. Trotz seines scharfen Blickes, mit dem er das deutsche Trauma beobachtet, gelingt ihm in diesen Bildern der Drahtseilakt zwischen politischer Kritik und ironischer Betrach-tung, die eine Vielschichtigkeit in der Rezeption fordert.

CHF 4 000 / 6 000(€ 3 700 / 5 560)

| 66

PostWar & Contemporary

3462

ALFRED HRDLICKA(1928 Wien 2009)Werkskizze zu „Tausendundeinenacht“. 1967.Bleistift und Kohle auf Papier auf Leinwand.Unten rechts signiert und datiert: Alfred Hrdlicka 1967.193 x 220 cm.

Provenienz:- Ehemals Sammlung Prof. Dr. Gustav

Stein, Köln.- Privatsammlung Schweiz.

Ausstellung: Biennale Sao Paulo 1967 (verso mit dem Etikett).

Literatur: Chobot, Manfred. Alfred Hrdlic-ka. Skulptur und grosse Zeichnungen, Wien/München 1973, Nr. 17 (mit Abb.).

Der Österreicher Alfred Hrdlicka wird 1928 in Wien geboren. Sein Vater, wie auch Hrdlicka selbst, ist ein überzeugter Kommunist, der in den 1930er Jahren schnell mit der nationalsozialistischen Herrschaft in Konflikt gerät und mehrfach verhaftet wird. Er taucht gegen Ende des Zweiten Weltkrieges mit seinem Sohn in den Untergrund ab, auch um ihn vor dem Kriegsdienst zu bewahren.Schon während des Krieges kommt es bei Hrdlicka zu den ersten künstlerischen Versuchen, und so beginnt er 1946 sein Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Nach erfolgrei-chem Abschluss tritt er 1953 der Bild-hauerklasse Fritz Wotrubas bei. Seinen internationalen Durchbruch erfährt er 1964 mit der Teilnahme an der XXXII. Biennale in Venedig als Vertreter Öster-reichs. Es folgen zahlreiche Ausstellungen und öffentliche Aufträge für Skulpturen, wobei letztere in den meisten Fällen zu

grosser öffentlicher Empörung führen. Ab den 1970er Jahren hat Hrdlicka diverse Professuren inne, u.a. an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stutt-gart, der Hochschule für bildende Künste Hamburg, der Universität der Künste Berlin und der Universität für angewandte Kunst Wien. Er beeinflusst somit eine ganze Generation von Künstlern.

Nach den Erfahrungen und Greultaten des Zweiten Weltkrieges und des Dritten Reichs wenden sich die meisten euro-päischen Künstler der Abstraktion zu, da für sie das Erlebte gewissermassen das Figürliche in der Kunst nicht mehr möglich macht. Ganz anders reagiert dagegen der überzeugte Kommunist Hrdlicka – in seinem Oeuvre steht nach wie vor der menschliche Körper im Mittelpunkt, so dass er sich an der expressionistischen Kunst der Vorkriegszeit orientiert.Zudem ist für ihn Kunst immer politisch; in seinen Augen muss ein Künstler mit seinen Werken den gesellschaftlichen Zu-stand aufzeigen, analysieren und kritisie-ren. Dies geht aber nicht mit den Mitteln der Abstraktion. Auch wenn für Hrdlicka Kunst immer politisch ist, ist die Abstrak-tion dann in gewissem Sinne ein Kom-mentar ohne Stellung zu beziehen, was er sein lebenlang ablehnen wird. In diesem Zusammenhang sind auch die zahlreichen Skandale um seine öffentlichen Denkmäler einzuordnen: Hrdlicka hat eine klare politi-

sche Meinung und historische Sichtweise, die er in seinen Werken vertritt, ohne auf gesellschaftliche Befindlichkeiten Rück-sicht zu nehmen.

Die vorliegende, grossformatige Zeich-nung von 1967 ist in eine ganze Reihe von vergleichbaren Arbeiten in Technik und Grösse einzuordnen, die sich in seinem Oeuvre immer wieder finden. Skizzenhaf-te, kaum erkennbare Gestalten stehen im Kontrast zu klar umrissenen, mit kräftiger Kontur gemalten, Figuren. Nur drei Figuren stehen mit dem Gesicht zum Betrachter, sonst sehen wir alle Dargestellten nur im Profil. Die thematische Einordnung gibt der Titel vor, ohne dem Betrachter aber Anhaltspunkte zu geben, in wie fern es sich um die Geschichten von „1001 Nacht“ handeln soll, von denen wir ja eine klare Vorstellung haben.

Effektvoll spielt der Künstler mit unseren Erwartungen, den Kontrasten von Hell und Dunkel sowie kräftigen und flüchtigen Konturen, und es gelingt ihm so eindrück-lich, der Zeichnung durch Malweise und Grösse einen bildhaften Charakter zu verleihen.

CHF 30 000 / 40 000(€ 27 780 / 37 040)

| 67

| 68

PostWar & Contemporary

3463

LUCEBERT (LUBERTUS JACOBUS SWAANSWIJK)(Amsterdam 1924 -1994 Alkmaar)Ohne Titel. 1991.Gouache und Wachskreide auf Papier.Unten links signiert und spiegelverkehrt datiert: Lucebert 91. V. 17.71 x 100 cm.

Provenienz:- Vom heutigen Besitzer 1991 in der Galerie

Springer, Berlin, erworben (verso mit dem Etikett).

- Seitdem Privatbesitz Schweiz.

CHF 3 000 / 5 000(€ 2 780 / 4 630)

| 69

3464

NIKLAUS HASENBÖHLER(1937 Basel 1994)Frauke. 1987.Öl auf Leinwand.Unten rechts betitelt, monogrammiert und datiert: FRAUKE N.H.87.107,5 x 87,5 cm.

Provenienz:- 1987 vom Künstler persönlich erhalten.- Seitdem Privatbesitz Schweiz.

CHF 2 000 / 3 000(€ 1 850 / 2 780)

| 70

PostWar & Contemporary

3465*

FRANCESCO CLEMENTE(Neapel 1952 - lebt und arbeitet u.a. in New York)Stupa. 1991.Öl, Acryl, Spray und Pastell auf Leinwand. 362,9 x 97,8 cm (5 Leinwände).

Provenienz:- Larry Gagosian Gallery, New York.- Dort vom heutigen Besitzer gekauft; seitdem Privatbesitz.

Francesco Clemente wird 1952 in Neapel geboren; er lebt und arbeitet heute in New York, Rom und Indien. Er gilt neben Chia, Cucchi und Paladino als einer der wichtigsten Vertreter der italienischen „Transavanguardia“, auch wenn er selbst nie gerne solchen Stilrichtungen zugeteilt wird. 1970 beginnt er sein Architekturstudium in Rom, das er jedoch nicht abschliesst. Bereits 1971 hat er seine erste Einzelausstellung in der Galleria Valle Giulia in Rom. Kurz darauf folgt seine erste Reise nach Indi-en und Afghanistan, unter anderem mit dem Künstler Alighiero Boetti.

1981 zieht Clemente nach New York, wo er sich schnell mit Jean-Michel Basquiat, Keith Haring, Kenny Scharf und anderen Grössen der Kunstszene anfreundet. In den 1980er Jahren beginnt er vermehrt grossformatige Werke in Öl zu schaffen und experimentiert mit neuen Medien und Techniken. Seine Arbeit zeigt sehr stark den Einfluss verschiedener fremder Kulturen auf, vor allem Indiens. Spiritualität, verschiedene Religionen, Sexualität, symbolische Selbstdarstellungen, und die Auseinandersetzung mit der eigenen Position zur Welt sind grundlegende Themen und Interessen seiner Kunst. Seine Bildsprache entspricht vollkommen seiner Phantasie und seinen ostasiatischen Einflüssen. „My work runs through iconography. It doesn‘t promote one iconography over another. I carry inside me the idea that it‘s better to be many than one, that many gods are better than just one god, many truths are better than one alone.“ (zit: F. Clemente in: Francesco Clemente, Ausst.Kat., Arts Council of Northern Ireland, Belfast, 1984).

Unser Werk ist ein eindrucksvolles Beispiel dieser Einflüsse und Kulturen, mit vielschichtigen Figuren und Motiven. „Stupa“ erinnert an Arbeiten von Hieronymus Bosch, in denen Szenen und Figuren faszinierend und erschreckend zugleich sind. Bei Clemente lassen sich auch Fabelwesen und Figuren entdecken, manche klarer oder detaillierter als andere, diese sind jedoch menschlicher als bei Bosch. Die unterste Figur ist eher skizzen-haft und scheint die Arme empor zu strecken, während auf der zweiten Leinwand die Gesichter klar und detailliert gemalt sind und in die Höhe schauen. Gegen oben hin werden die Figuren wieder nur angedeutet, bis im obersten Bereich nur ein Kopf zu sehen ist, fast ein Totenkopf, ohne ausgearbeitete Züge. Diese sehr unterschiedlichen Gestalten lassen eine genaue Interpre-tation des Werkes offen.Die „Stupa“ ist ein buddhistisches Bauwerk, welches als Symbol für Buddha und seine Lehren steht. Typisch für diese Denkmäler ist, dass sie sich nach oben hin verjüngen und erinnern auf diese Weise an die sich verjüngenden Leinwände unserer Gemäldes.

CHF 40 000 / 60 000(€ 37 040 / 55 560)

| 71

| 72

PostWar & Contemporary

3466

CHRISTIAN DENZLER(Winterthur 1966 - lebt und arbeitet in Brüssel)Ohne Titel.Bleistift auf Papier.Unten rechts signiert: Denzler.42 x 30 cm.

Provenienz:- Vom heutigen Besitzer in der Galerie

Krethlow, Bern, erworben.- Seitdem Privatbesitz Schweiz.

CHF 1 200 / 1 600(€ 1 110 / 1 480)

3467

TILL FREIWALD(Lima 1963 - lebt und arbeitet in Italien)Ohne Titel. 2008.Aquarell auf strukturiertem Papier.Verso signiert und datiert: Freiwald 2008.16,5 x 10 cm.

Provenienz:- Vom heutigen Besitzer in der Galerie

Krethlow, Bern, erworben.- Seitdem Privatbesitz Schweiz.

CHF 800 / 1 200(€ 740 / 1 110)

3468

TILL FREIWALD(Lima 1963 - lebt und arbeitet in Italien)Ohne Titel. 2008.Aquarell auf strukturiertem Papier.Verso signiert und datiert: Freiwald 2008.65,5 x 46 cm.

Provenienz:- Vom heutigen Besitzer in der Galerie

Krethlow, Bern, erworben.- Seitdem Privatbesitz Schweiz.

CHF 2 500 / 3 500(€ 2 310 / 3 240)

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PostWar & Contemporary

3469

JEAN MARAIS(Cherbourg 1913 - 1998 Cannes)Quatre profils.Terrakotta.Am Fuss mit der eingeritzten Signatur: Jean Marais.Höhe 32 cm.2 winzige Absplitterungen.

Provenienz: Privatsammlung Schweiz.

CHF 2 000 / 3 000(€ 1 850 / 2 780)

3470*

GÜNTHER FÖRG & GABI DZIUBA(Füssen 1952 - 2013 Freiburg/Breisgau)(Siegen 1954 - lebt und arbeitet in Berlin)Maske. 2006.Silber und Teakholz. Unikat.Auf der Unterseite signiert und bezeich-net: Dziuba 1/1 2006 Förg.Höhe 16 cm.

Dabei: Katalog Gabi Dziuba. Schmuck. Gestaltet von Heimo Zobernig, Köln 2006.

Mit der Bestätigung der Authentizität über die Gemeinschaftsarbeit von Günther Förg und Gabi Dziuba, Berlin 29. Oktober 2015.

Provenienz: Privatsammlung Nordrhein-Westfalen.

CHF 2 500 / 3 500(€ 2 310 / 3 240)

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PostWar & Contemporary

3471*

TONY CRAGG(Liverpool 1949 - lebt und arbeitet in Wuppertal)Discussion. 2005.Holz. Unikat.170 x 190 x 240 cm.

Provenienz:- 2006 vom heutigen Besitzer bei Galerie

Thaddaeus Ropac, Paris, erworben.- Seitdem Privatsammlung.

Ausstellung: Nürnberg 2005/2006, Tony Cragg. Familiae. Neues Museum Nürnberg, 22. Oktober 2005 - 15. Januar 2006.

„Meiner Vorstellung nach funktionieren die Rational-Being-Skulpturen aber anders, nämlich umgekehrt: Du betrachtest die Arbeit und siehst ein Gesicht, und das Sehen des Gesichtes führt den Blick in das Material hinein, und dann schaust du auf die anderen Formen. Und in dem Moment, in dem du wieder in die Formen gehst, weg vom Umriss und der Oberfläche des Werks, trittst du aus der normalen axialen Ansicht der Arbeit heraus und fängst an, aussergewöhnliche Erfahrungen skulptu-raler Formen zu machen“ (zit. Tony Cragg, in: Jon Wood im Gespräch mit Tony Cragg, in: Ausst.Kat. Neues Museum Nürnberg, Tony Cragg. Familiae, 22. Oktober 2005 - 15. Januar 2006, S. 10).

Tony Cragg, 1949 in Liverpool geboren, gehört zu den einflussreichsten und prä-gendsten Bildhauern unserer Zeit. Allein durch seine zahlreichen Lehrtätigkeiten, bis hin zur Leitung der renommierten Kunstakademie Düsseldorf, beeinflusst er eine ganze Generation von Bildhauern. Nach zahlreichen Preisen, wie dem Turner

Prize 1988 und dem Cologne-Fine-Art-Preis 2012, der Teilnahme an documenta 7 und 8 sowie zahlreichen Biennalen, richtet ihm seine Heimatstadt Wuppertal, ebenso wie die Eremitage in St. Peters-burg, derzeit eine grosse Retrospektive aus.Tony Cragg hat in den vergangenen fünf Jahrzehnten eines der abwechlungs-reichsten skulpturalen Oeuvres in der Zeitgenössischen Kunst geschaffen. Von seinen frühen Werken in den 1970er Jahren, die durch Fundstücke und deren Anordnung und Präsentation geprägt sind, über die sogenannten Early Forms, in denen der Fokus auf der Form des Gefäs-ses liegt, bis hin zu den Rational-Beings, abstrakten Skulpturen in deren Konturen menschliche Gesichter auftauchen. Dabei handelt es sich aber nie um in sich abge-schlossene, autarke Serien, sondern man findet in jedem Werkkomplex dieselben, aber abgewandelten bzw. angepassten Motive: Gefässe/Organe, Achse/Wirbel-säule und Haut/Oberfläche (siehe ebenda, S. 18).

Die hier angebotene grossformatige Skulptur gehört zu den sogenannten Rational-Beings: Stehen wir als Betrach-ter vor der Längsseite unserer Skulptur, erschliesst sich die Idee einer Achse auf den ersten Blick. Sie verläuft längs durch die Arbeit, und wie bei einer Wirbelsäule gibt es orthogonale Neigungen, die in diesem Fall als Stützen dienen. Zudem

scheinen sich Scheiben unterschiedlicher Grösse, Dicke und Form um diese Achse anzuordnen, die zum einen Dynamik verleihen und zum anderen trotz der Grösse Leichtigkeit. Gehen wir aber zur Querseite, verändert sich unsere Wahr-nehmung vollkommen. Aus der schlan-ken, schwebenden Fläche wird eine fast quadratische, gedrungene Form, die sich zu teilen scheint. Vollkommen abstrakt von der Seite, schauen sich hier nun zwei zueinander gewandte Gesichter an. Auf beeindruckende Weise gelingt es Cragg, diese unterschiedlichen Wahrnehmungen in einem Werk zu verbinden, ohne dabei Irritationen beim Betrachter zu erzeu-gen, sondern eine absolut harmonische und konzeptionell stimmige Skulptur zu erschaffen.

Durch die Verwendung des Holzes hat diese Arbeit eine einzigartige Oberflä-chenstruktur. Die Maserung des Materials, sowie die Schichtung beim Entstehungs-prozess schaffen eine fast malerische Oberfläche. Anders als bei den blank polierten Stahlskulpturen, verleiht diese Oberfläche dem Werk Wärme und grosse Intimität. Auf diese Weise kann der Be-trachter der Diskussion zwar beiwohnen, aber er wird nicht, wie bei den blank polier-ten Werken, durch sein Spiegelbild Teil der Diskussion bzw. der Skulptur.

CHF 300 000 / 400 000(€ 277 780 / 370 370)

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Ausklapper

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PostWar & Contemporary

3472*

ARNALDO POMODORO(Morciano di Romagna 1926 - lebt und arbeitet in Mailand)Croce. 1960.Blei und Holz.35 x 35 x 5,5 cm.

Mit der Bestätigung des Künstlers von 2015, Mailand.

CHF 9 000 / 14 000(€ 8 330 / 12 960)

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A.R. PENCK (RALF WINKLER)(Dresden 1939 - lebt und arbeitet in Dublin)Whale-Hunting. 1991.Dispersion auf Leinwand.Unten links signiert: ar penck.60 x 90 cm.

Provenienz:- Vom heutigen Besitzer 1991 bei Galerie

Lelong, Zürich, erworben (verso mit dem Etikett).

- Seitdem Privatbesitz Schweiz.

Ungewöhnlich eindeutig in der Bildspra-che nähert sich A.R. Penck (Ralf Winkler) in seinem Gemälde „Whale Hunting“ dem Thema Walfang, Artenschutz und dem Verhältnis von Mensch und Tier. Der Mensch - hier durch das Strichmännchen symbolisiert, welches in seiner Einfachheit und Archaik an frühe Höhlenmalerei erin-nert, und welches seit etwa 1963 eine Art Markenzeichen für Pencks Malstil gewor-den ist – attackiert den ihn an Grösse weit überlegenen Wal mit erhobenem Speer.

Auch farblich unterstreicht Penck die Aggressivität des Mannes durch das domi-nante Rot, welches sich klar gegen die dunkle Masse des Wahlleibes abhebt. Trotz der Deutlichkeit und Wiedererkennbarkeit dieser Szene und Symbolik ist die Lesart nicht buchstäblich oder eindimensional.

A. R. Penck, der von 1989 bis 2003 Pro-fessor an der Kunstakademie Düsseldorf war, erzählt keine simplen Bildergeschich-ten, sondern verknüpft in einer dichten Komposition Individuelles und Allgemeines zu einer zeitlosen Wahrheit. Äquivalent zur Referenz seiner Strichmännchen an frühgeschichtliche Höhlenmalerei, oder zur Wahl seines Pseudonyms nach dem berühmten Eiszeitforscher und Geologen

Albrecht Penck (1885-1945), themati-siert er die Balance zwischen Mensch und Natur, den Umgang von Mensch und Tier, das Kräfteverhältnis, die Naturgewalt und die Gefährdung der Natur.

Durch seinen unverwechselbaren Stil aus abstrahierten Figuren und Bildzeichen schafft Penck ein universales Vokabular, in dem die Erinnerung an den Beginn der Malerei mit der aktuellen Zeitgeschichte und der modernen Naturwissenschaft zu einer einprägsamen Bildwelt, wie hier in „Whale Hunting“ verschmilzt.

CHF 12 000 / 18 000(€ 11 110 / 16 670)

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PostWar & Contemporary

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KARL KORAB(Falkenstein/Österreich 1937 - lebt und arbeitet in Sonndorf)Stillleben.Gouache auf Papier.Unten rechts signiert und datiert: Korab 74.22,7 x 26 cm.

Provenienz:- Galerie Jan Krugier, Genf (verso mit dem

Etikett).- Dort vom heutigen Besitzer gekauft;

seitdem Privatbesitz Schweiz.

CHF 1 800 / 2 400(€ 1 670 / 2 220)

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MICHEL DELACROIX(Paris 1933)Au Bonheur des Dames.Öl auf Leinwand.Unten links signiert: M. Delacroix, sowie verso signiert und betitelt: Michel Delac-roix Au Bonheur des Dames.60 x 80 cm.

Provenienz:- Galerie 93, Paris (verso mit dem Etikett).- Privatsammlung Schweiz.

CHF 5 000 / 8 000(€ 4 630 / 7 410)

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PostWar & Contemporary

3476*

GÜNTHER FÖRG(Füssen 1952 - 2013 Freiburg/Breisgau)Ohne Titel. 2001.Gouache und Bleistift auf Papier.Oben rechts signiert und datiert: Förg 2001.21 x 29,8 cm.

Dabei: Speck, Reiner (Hrsg.): Laissez un message. Günther Förg zum 50., Köln 2005 (auf der Titelseite signiert; im Im-pressum nummeriert XVII) (mit Abb.). In Originalkarton.

Provenienz: Privatsammlung Nordrhein-Westfalen.

CHF 2 500 / 3 500(€ 2 310 / 3 240)

3477*

JANNIS KOUNELLIS(Piraeus 1936 - lebt und arbeitet in Italien)Ohne Titel. 1998.Filzstift auf dünnem Papier.Unten rechts signiert und datiert: Kounellis 98.21 x 30 cm.

Mit der Bestätigung des Künstlers von 1998. Dieses Werk ist registriert unter der Nummer: IS∆387.

CHF 2 500 / 3 000(€ 2 310 / 2 780)

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IGOR TCHOLARIA(Ochamchiri/Georgien 1959 - lebt und arbeitet in St. Petersburg und Brüssel)Red Horse. 2015.Acryl auf Leinwand.Unten rechts signiert: Tcholaria. Verso signiert, datiert, betitelt sowie mit den Massangaben: Tcholaria 2015 90/80 Red Horse.80 x 90 cm.

Provenienz: Vom heutigen Besitzer direkt vom Künstler erworben; seitdem Privatbe-sitz Schweiz.

CHF 3 000 / 5 000(€ 2 780 / 4 630)

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PostWar & Contemporary

3479*

ANSELM KIEFER(Donaueschingen 1945 - lebt und arbeitet u.a. in Paris)Die Ungeborenen.SW-Fotografie, handüberarbeitet und collagiert mit Blei und Glas.Oben links betitelt: die Ungeborenen.60,5 x 94,5 cm.

Provenienz:- Galerie Rackey, Bad Honnef.- Dorotheum Wien.- Privatsammlung Norddeutschland.- Privatsammlung Süddeutschland.

Literatur:Ardenne, Paul, u.a. (Hrsg.): Anselm Kiefer. Sternenfall, Paris 2007 (vergleichbare Werke).

„It’s the other aspect of the unborn, the desire of not wanting to be born. Cry of the prophets, the revolt of Job. It would have been better if you had never been born!

Everything happens as if it would have been preferable to not be born. The ret-rograde movement of creation. Theodicy, the accident of creation, God’s regret to have fathered this ungrateful being, this outlaw, who does not abide to the con-tract.“ (Anselm Kiefer, 2012)

In seiner Serie „Die Ungeborenen“, der sich Anselm Kiefer zwischen 2001 und 2011 widmet, setzt er sich mit der Frage nach Ursprung und Schöpfung des Lebens auseinander. Um diese Frage zu ergründen und dem Betrachter näher zu bringen, nutzt er bekannte Mythen und die Iko-

nographie des jüdischen und christlichen Glaubens. Der Zustand des Ungebore-nen bzw. gerade Geborenen wird als ein Zwischenzustand gesehen, in dem noch gefragt werden kann, wer man ist und wo man hingehört. Kiefer beschränkt sich in dieser Serie nicht auf eine Technik: es gibt grossformatige Ölgemälde, die sich z.T. direkt auch auf einen Mythos beziehen, aber auch Papier- und Collagearbeiten, wie die Vorliegende.

CHF 85 000 / 95 000(€ 78 700 / 87 960)

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PostWar & Contemporary

3480*

ANSELM KIEFER(Donaueschingen 1945 - lebt und arbeitet u.a. in Paris)Nigredo-Albedo-Rubedo. 2006.Öl, Emulsion, Blei, Holz, Terrakottaerde, Stoff und Draht sowie 5 getrocknete Sonnenblumen. Gebunden als Buch mit 9 Seiten, jede Seite mit Karton und Hartfa-serplatte.Je 196 x 140 cm. Sonnenblumen maximal 430 cm.

Provenienz:- 2007/2008 vom heutigen Besitzer bei

Galerie Thaddaeus Ropac, Paris, erwor-ben.

- Seitdem Privatbesitz.

Anselm Kiefer wird zwei Monate vor Kriegsende in Donaueschingen ge-boren. Seine Kindheit im zerbombten Nachkriegsdeutschland wird seine Kunst massgeblich beeinflussen. Schon als Kind wird sein künstlerisches Interesse und Talent sichtbar. Nach dem Abbruch eines Studiums für Rechtswissenschaften und Romanistik, schreibt er sich für ein Kunst-studium in Karlsruhe bei Horst Antes ein. Mit dem Wechsel nach Düsseldorf wird Joseph Beuys sein Mentor. Mit ihm teilt er seine Faszination und Vorliebe für unge-wohnte Materialien wie Blei, Asche, Erde, Sand, Blumen und Stroh. Seine Werke sind geprägt von der Geschichte, und er wird oft als moderner Historienmaler beschrie-ben. Die deutsche Geschichte, die Ruinen und Landschaften sowie später auch Mythologie und Kabbala, sind nur einige der Themen, die sein Gesamtwerk prägen; doch seine Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte ist das Thema, das sein Oeuvre einzigartig macht. Er hält den Menschen in seinen Werken den Spiegel

vor und lässt uns alte Geschichtswunden betrachten und drängt zur Aufarbeitung.

In seinen frühen Werken stellt Kiefer sich die Frage, ob es nach dem Holocaust und der Beschlagnahmung der Kultur und Kunst durch die Nationalsozialisten noch möglich ist „deutscher Künstler“ zu sein. Seine Werke setzen sich daher unerschro-cken mit der Geschichte auseinander, versuchen diese auszugraben, ins Be-wusstsein zu rufen und zu überwinden. In riesigen Formaten mit vielen verschiede-nen Materialien und Techniken verarbeitet Kiefer diese Themen. Durch expressiven, starken Farbauftrag, verschiedene Mal-schichten, Emulsionen, Brenner, collagier-te Applikationen, Fotos, Inschriften und Bilder werden diese Arbeiten zu viel-schichtigen Akten, in denen der Prozess und die Technik des Malens zum Thema werden und die übergeordnete Intention der Arbeit unterstützen und verdeutlichen.

Seine Karriere beginnt 1969 mit einem Skandal: In der Serie „Besetzungen“ übt er in verschiedenen deutschen Städten den Hitlergruss aus. Die öffentliche Empö-rung ist gross, doch ist es für ihn ein Weg gewesen, sich mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen, Kritik zu üben und

sich mit der eigenen Geschichte und dem „Deutsch sein“ zu identifizieren. 1973 folgt eine Ausstellung mit einer Werkreihe mit biblischen und deutschen mythologi-schen Themen. Den Werken sind, wie für sein Schaffen üblich, Namen, Zitate und Bezeichnungen eingeschrieben. Es folgen auch monumentale Landschaften wie “Märkische Heide”, ein Motiv, das er öfter als Symbol des Preussentums aufgreift. Kiefer wird oft als Landschaftsmaler be-zeichnet - auch wenn er sich selbst nicht als solcher sieht -, denn Landschaften sind ein Leitmotiv seines Oeuvres. Das Land wird von menschlichen Ereignissen und ihrer Geschichte geprägt und auf ewig dadurch markiert. Diese Wunden, Spuren und Zeichen sind die Faszination, aber auch Tiefgründigkeit seines Schaf-fens. Seine erste Installation “Die Frauen der Revolution” findet um 1984 statt. 13 Bleibetten sind mit zerknitterten Bleilaken überzogen und in ihrer Mitte befindet sich eine wassergefüllte Delle. Jedes Bett trägt ein Papierschild mit 22 Namen von Frauen, die während der Französischen Revolution eine wichtige Rolle gespielt haben. Es ent-stehen weitere grosse Arbeiten aus Blei, wie seine berühmten Flugzeuge, Raketen und Bücher.

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PostWar & Contemporary

Bei unserem grossformatigen Buch lassen sich etliche Details, Muster, Materialien und Techniken entdecken: Öl, Emulsion, Blei, Holz, Terrakottaerde, Stoff und Draht sowie 5 getrocknete Sonnenblumen. Auf einigen Seiten wachsen riesige Sonnen-blumen aus der Terrakottaerde heraus. Eindrücklich nutzt Kiefer seine Materialien, um die Abgestorbenheit und Vergäng-lichkeit der Natur dem Betrachter vor Augen zu führen. Die Sonnenblumen sind vertrocknet, wirken teilweise verkohlt, die Erde ist aufgebrochen und das Abbrökeln der fragilen Terrakottaerde ist unaus-weichlich. Gesteigert wird diese melan-cholische Ästhetik durch seine bevorzugte Farbe Grau. Schon allein das eindrucksvolle Format dieser Arbeit vermittelt ein Gefühl der unheilvollen und ungeheuerlichen Er-fahrung dieser dunkeln Landschaft. Doch auch in dieser kargen Szenerie lassen sich hoffnungsvolle Details finden, die auf eine

mögliche Transformation hindeuten. Die weissen Akzente, die sich fast aus einer Kreisbewegung aus dem Dunkel hervor-heben, und die feinen goldenen Linien am Oberrand könnten eine solche Änderung ankündigen; und auch wenn die Sonnen-blumen vertrocknet sind, haben sie doch auch eine positive Konnotation.

Nicht zuletzt der Titel unseres Werkes „Nigredo-Albedo-Rubedo“ hat eine grosse Symbolkraft und verdeutlicht eindrücklich Kiefers Interesse an europäischer Mystik. Ursprünglich stammen diese drei Worte aus dem „Opus Magnum“ der mittelalter-lichen Alchemie, in dem die Umwandlung eines jeden Stoffes in Gold in vier, später drei Stufen, unterteilt wird: Nigredo, die Schwärze, bezeichnet den Anfang und den Urzustand der Materie; es folgen Albedo – die Weissung, citrinitas – die Gelbung, und letztendlich die eigentliche Umwandlung:

rubedo – die Rötung. Parallel zur soge-nannten praktischen Alchemie werden diese Ideenansätze auch von der abend-ländischen Mystik aufgegriffen. Dabei ist das Ziel natürlich nicht mehr die Umwand-lung eines Stoffes in Gold, sondern die Vollendung des Menschen. Eine mögliche Übersetzung findet sich bei Gustav Mey-rink (1868-1932): nigredo (Schwärzung) – Individation, Reinigung; albedo (Weissung) – Vergeistigung, Erleuchtung; rubedo (Rötung) – Vereinigung des Menschen mit Gott, Vereinigung des Begrenzten mit dem Unbegrenzbaren (siehe: wikipediaAl-chemie). Somit versinnbildlicht auch der Titel eine mögliche, positive Transforma-tion.

CHF 300 000 / 400 000(€ 277 780 / 370 370)

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PostWar & Contemporary

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RALPH FLECK(Freiburg/Breisgau 1951 - lebt und arbeitet bei Freiburg)Stadion 31 XII. 2014.Öl auf Leinwand.Verso doppelt signiert, datiert und betitelt: R. Fleck Stadion 31 XII 14.123 x 154 cm.

Provenienz: Vom heutigen Besitzer direkt vom Künstler erworben; seitdem Privat-sammlung Schweiz.

Ralph Fleck, 1951 in Freiburg im Breisgau geboren, arbeitet heute dort sowie in Nürnberg und Portugal. Er ist Künstler so-wie Professor für Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. Seine Werke bewegen sich zwischen realisti-scher und abstrakter Figuration; aus grös-serer Distanz betrachtet, erscheint das

Bild sehr realistisch, doch aus der Nähe ergeben sich abstrakte Formen. Seine Ge-mälde erschliessen sich dem Betrachter also erst auf den zweiten Blick oder nach längerem Beobachten.

Bei unserem Werk sieht man aus einiger Entfernung eine farbenfrohe Menschen-menge, durch den expressiven und pastosen Farbauftrag zeigen sich aber im Detail abstrakte Formen und Farbflächen. Flecken der Farbe scheinen übereinander

aufgetragen und geschichtet, was eine reliefartige Oberfläche ergibt. Dieses Spiel zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, zwischen Farben und Formen und in den Strukturen des Farbauftrages und der Technik, tragen massgebend zur Spannung des Werkes bei.

CHF 30 000 / 40 000(€ 27 780 / 37 040)

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PostWar & Contemporary

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SYLVIE FLEURY(Genf 1961 - lebt und arbeitet in Genf)First Spaceship on Venus. 1995.Verzinktes Stahlblech und Stahl. Höhe 218 cm.Leichte Rost- sowie Korrosionsspuren.

Sylvie Fleury, 1961 in Genf geboren, ist Objekt-, Installations- und Performance-künstlerin. Seit den 1990ern hat sie mit Objekten und Installationen von Luxus-gütern wie Kosmetik und Mode auf sich aufmerksam gemacht. Diese Werke wie „C’est la Vie!“ von 1990, ihre Shopping Bags, wo eine Vielzahl von Einkaufstaschen von Luxusmarken wie Chanel auf dem Boden stehen, weisen auf das heutige Konsumverhalten und die starke Aura und Macht dieser allgegenwärtigen Marken hin. Auch sehen viele darin eine Kritik oder zu-mindest einen Vergleich mit dem moder-nen Konsumverhalten in der Kunst. Auch hier „konsumiert“ manch neuer Sammler Kunst wie ein Luxusgut, und Galerien be-reiten sich bereits nach der Vernissage auf

eine neue Ausstellung vor. Kunst wird, wie auch die neusten Trends der Mode, schnell konsumiert und rasant geändert. Doch übt Fleury nicht direkt Kritik an diesem Ablauf, sondern stellt denselben eher als Tatsache und Realität in den Raum. Es ist dem Betrachter überlassen, sich kritische Gedanken darüber zu machen.

Auch bringt sie durch ihre Werke etwas sehr Weibliches in die männerdominierte Kunstszene. Viele ihrer Stücke bestehen aus typisch männlichen Objekten wie Au-tos, Motoren und Raketen, die Fleury aber in ein Material oder eine Farbe kleidet, die sehr weiblich ist. So entstehen fellüberzo-gene oder hoch polierte Spaceships in den Farben der neusten Kosmetikkollektionen

oder etwa goldene Hochglanzmotoren und Pneus.

Unser Spaceship, aus Stahl und verzink-tem Stahlblech, welches eine schimmern-de, polierte Oberfläche bietet, liefert ein schönes Beispiel für Fleurys Spiel mit traditionell maskulinen Gegenständen. Darüber hinaus bietet es Anlass für Refle-xionen rund um kosmische Entgrenzung, das Weltall und die Spannungen zwischen Technik und Glaubensshäre - ein weiteres wichtiges Thema ihres Werkes.

CHF 15 000 / 25 000(€ 13 890 / 23 150)

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