pott-präriegarten

6
36 Gartenpraxis 04-2012 GESTALTEN Groninger Prärie Im Norden der Niederlande befindet sich wohl eines der spannends- ten und zugleich größten Projekte, das sich der gärtnerischen Inter- pretation der Prärie widmet. Um vielfältige Ansätze aufzeigen zu können, hat die Gartengestalterin und Gräserexpertin Lianne Pot Kollegen eingeladen, sich an diesem Thema zu beteiligen. Text: Cordula Hamann 1

Upload: liannes-siergrassen

Post on 25-Mar-2016

231 views

Category:

Documents


0 download

DESCRIPTION

Pott-präriegarten

TRANSCRIPT

Page 1: Pott-präriegarten

36 Gartenpraxis 04-2012

GESTALTEN

Groninger PrärieIm Norden der Niederlande befindet sich wohl eines der spannends-

ten und zugleich größten Projekte, das sich der gärtnerischen Inter-

pretation der Prärie widmet. Um vielfältige Ansätze aufzeigen zu

können, hat die Gartengestalterin und Gräserexpertin Lianne Pot

Kollegen eingeladen, sich an diesem Thema zu beteiligen.

Text: Cordula Hamann

1

Page 2: Pott-präriegarten

37Gartenpraxis 04-2012

GESTALTEN

Zwischen Leeuwarden und Gronin-gen liegen die Gärten und die Gärt-nerei der Gartendesignerin Lianne

Pot. Obwohl der Schwerpunkt auf Prärie-pflanzen und Gräsern liegt, ist schon ein Frühjahrsbesuch zu empfehlen, denn mehr

als 10 000 Blumenzwiebeln – von botani-

schen Tulpen, über Narzissen, Zierlauch,

Blaustern, Milchstern, Steppenlilie und Ca-

massia – zeigen hier dann ihre zauberhaf-

ten Blüten und das nach den Wintermo-

naten lang ersehnte frische Grün. Lianne

Pots eigentliche Leidenschaft gilt aber den

Gräsern, die Ausgangspunkt für den Gar-

ten und die Gärtnerei waren: Sie begann

Ziergräser zu sammeln, gestaltete ihren

eige nen Gräsergarten und eröffnete im

Jahr 2000 die Gärtnerei. Seit 2005 hält sie

die nationale niederländische Sammlung

von Ziergräsern mit ungefähr 300 ver-

schiedenen Arten und Sorten.

Faszination Prärie Besuche der Präriegärten im Berggarten in

Hannover und im Hermannshof in Wein-

heim weckten Lianne Pots Begeisterung

für Präriepflanzen, die schließlich zu einer

Reise nach Nordamerika führte, um vor

Ort die natürliche Pflanzengesellschaft zu

studieren. Was Lianne Pot faszinierte, war

die Schönheit der Präriepflanzen, die Sta-

bilität und das Gleichgewicht der Pflan-

zengesellschaft.

Die Idee ließ sie nicht mehr los, einen

eigenen Präriegarten anzulegen, der die

verschiedenen Lebensbereiche der Prärie

aufgreift, der langlebig sein soll, weder

gedüngt noch bewässert werden muss,

mit geringem Pflegeaufwand auskommt

und dazu noch über das ganze Jahr seine

Schönheit zeigt. Hohe Ansprüche, die

wohl jede gute Gartengestaltung ausma-

chen und zugleich die Herausforderung

darstellen.

Auf einer Fläche von 3 500 m² zeigte

sich der Präriegarten 2011 – nach nur drei

Jahren – in seiner ganzen Pracht. Die circa

12 000 Stauden und Gräser, letztere ma-

chen einen Anteil von 30 bis 50 % aus,

sind nicht streng nach der amerikanischen

Vegetationseinheit ausgewählt und zu-

sammengestellt worden. Die Prärie wurde

als Inspiration verstanden, die in gestei-

gerter Form wiedergegeben wird. Ihre

Leitthemen waren: rabattenähnliche

Pflanzungen, in denen Gräser und mehr-

jährige Stauden kombiniert sind; gemisch-

te Pflanzungen, in denen besondere Far-

ben den Verlauf eines ganzen Gartenjah-

res dominier en; die Mittel- und Hoch-

grasprärie, die vom Frühjahr bis zum

1 Wiesenartig leicht wirkt die Kom-

bination in rosa- und blauvioletten

Farben; die aufrechten Blütenker-

zen der Duftnessel (Agastache

‘Black Adder’) stehen im Kontrast

zu den runden, schon welken Blü-

ten der Indianernessel ‘Kardinal’.

Den Hintergrund bilden kräftige

Gruppen von leuchtendem Sonnen-

hut und dem aufrechten Calama-

grostis x acutiflora ‘Karl Foerster’.

2 Die Gartendesignerin Lianne Pot

inmitten ihrer Präriepflanzen. Zart

erheben sich die schmalen Blü-

tenkerzen von Veronicastrum virgi-

nicum ‘Lavendelturm’ und helle

Rispen von Bartfaden (Penstemon

digitalis ‘Husker’s Red’) über den

flachen Blütenscheiben der Schaf-

garbe ‘Credo’.2

Page 3: Pott-präriegarten

38 Gartenpraxis 04-2012

GESTALTEN

Späther bst in verschiedene Farben ge-taucht sein sollte; der echte Präriegarten, in dem Gräser dominieren und gemischte prärieähnliche Bepflanzungen, die sich für

kleine Gärten eignen. Die gestalterische

Qualität zeigt sich im Präriegarten in der

Kombi nation von Farben und Formen und

in der Verwendung von Gräsern, mehr-

jährigen Stauden, Füllpflanzen und Früh-

jahrsblühern.

Im hinteren Bereich des Gartens hat

man von einer kleinen Anhöhe die Mög-

lichkeit, sich einen Überblick zu verschaf-fen und das wogende Farben- und For-menmeer auf sich wirken zu lassen.

Gemischte Rabatten und „echte“ Prärie

Die Grundform des Präriegartens erinnert an ein Eichenblatt, dessen Blattadern das Wegenetz symbolisieren, auf dem man durch den Garten flanieren kann. Die Randbereiche sind von Lianne Pot mit großen Gruppen von hohen Gräsern und kräftigen Stauden bepflanzt, die eine Art Rahmen und Kulisse für die gesamte Anla-

ge bilden. So hat eine lange Reihe des

Gartensand rohrs Calamagrostis × acuti-

flora ‘Karl Foerster’ raumbildende, leben-dige und doch schlichte Wirkung.

In anderen Bereichen hat sie das Gar-tensandrohr kombiniert mit der Wald-Schmiele (Deschampsia cespitosa ‘Gold-tau’), gelbem Brandkraut und der rotlaubi-gen Fetthenn e ‘Matrona’ und bleibt damit in einem warmen Farbthema. Diese ge-mischte, an traditionelle Staudengärten erinnernde Bepflanzung ist der einzige Berei ch, der in der Pflege aufwendiger ist, da die Pflanzen in gewissen Abständen aufgenommen und geteilt werden müs-

sen.

In dem Beet der „echten“ amerikani-

schen Prärie pflanzte Lianne Pot typische

Gräser wie das hohe Bartgras (Andropogon

gerardii), Kleines Präriegras (Schizachyri-

um scoparium), Goldbartgras (Sorghast-

rum nutans), Rutenhirse (Panicum virga-

tum) und Tautropfengras (Sporobolus hete-

rolepis). Dazu gesellte sie in Habitus und

Farbe einige kräftige Stauden wie Arkan-

sas-Scheinaster (Vernonia arkansana),

Präriezapfenblume (Ratibida pinnata),

Seidenpflanze (Asclepias incarnata), Son-

nenhüte und die aufrechte Prachtscharte

(Liatris spicata).

FarbthemenNachdem Lianne Pot die verschiedenen

Bereiche ihres Präriegartens entworfen

hatte, bat sie drei andere Gartengestalter,

ihre eigenen Ideen einzubringen.

Patricia Stols hat sich besonderen Far-

ben gewidmet. Im Beet mit Violett-, Blau-

und Rosétönen bezaubert der blasse

Scheinsonnenhut (Echinacea pallida) mit

seinen herunterhäng enden, zarten Blüten-

blättern in Gemeinschaft mit Storchschna-

bel und Kugeld istel.

Orange und feuriges Rot leuchten in

einem anderen Beet um die Wette. Wäh-

rend im Frühjahr und Früsommer mehr

lichte und warme Gelb- und Orangetöne

in den Vordergrund treten – unterstützt

von leuchtend orangem Island-Mohn

(Papav er nudicaule), die wie zufällig ein-

gestreut wirken – leuchten im Sommer

kräftige Rottöne. Blatt und Blüten von

Sedu m ‘Matrona’, Indianernessel, unzäh-

lige Scheinsonnenhutsorten, rot-orange

Gaillardia, rote Schafgarben oder die

matt-rot e Lupine ‘My Castle’ ergänzen ei-

nander. Zum Herbst, mit abgeschwächten

Rot-, Gelb- und Brauntönen, sorgen Grä-

ser mit gedeckteren Farben für eine milde

3 4

Page 4: Pott-präriegarten

39Gartenpraxis 04-2012

Versöhnlichkeit. Die Pflanzen sind kräftig,

erreichen ein gewisses Volumen und sind

doch keine „Giganten“, sodass sich dieses

Thema auch in kleineren Gärten umsetzen

ließ e. Ob aber der wüchsige, rotlaubige

Felberich (Lysimachia ciliata ‘Firecracker’)

wirklich in Schach gehalten werden kann,

wird sich in den folgenden Jahren noch

zeigen.

Wie eine BlumenwieseDer Gartendesigner Michael King würde

seine Gestaltung eher in den Bereich der

wilden, aber mehrjährigen Blumenwiese

ansiedeln. Alles wirkt natürlich, wie ein-

fach mit einer großzügigen Geste ausge-

streut. Es soll ein Beispiel für einen Prärie-

garten auf kleinem Raum sein.

Dreiviertel der Pflanzen nennt er The-

menpflanzen, wie die Kombination von

Ehrenpreis (Veronica longifolia ‘Inspirati-

on’), Indianernessel (Monarda ‘Scorpion’),

Scheinaster (Vernonia arkansana ‘Mam-

muth’), Sonnenbraut (Helenium ‘Wal-

traud’) und Chinaschilf ‘Ghana’. Dazu

kommen mit einem Anteil von 25 % so-

genannte Füllpflanzen, zu denen Tulpen,

Gemswurz, Prachtscharte und Tautopfen-

gras gehören. Diese Pflanzenzusammen-

stellung von etwa sechs bis acht Pflanzen

pro Quadratmeter, die sich auf einer Flä-

che unregelmäßig wiederholt, bestimmt

den natürlich wirkenden Charakter und

die Farben eines Beetes mit rosa-roten Tö-

nen, wobei die Sonnenbraut in Orange-

braun für einen besonderen Kontrast

sorgt. Es gibt keine klassische Höhenstaf-

felung, sondern eine natürliche, eher zu-

fällig wirkende Anordnung wie in einer

Wiese. Der Kontrast von runden oder

kerzenfö rmigen Blüten und den Farben

Violett, Blau und Gelb tritt optis ch in den

Vordergrund. Einen besonderen Reiz ver-

sprüht die Kombination aus Coreopsis ver-

ticillata ‘Moonbeam’, Salvia nemorosa

‘Blaukönigin’, Perovskia atriplicifolia ‘Blue

Spire’, Heliopsis helianthoides ‘Asahi’ und

Schizachyrum scoparium ‘The Blues’, das

wie ein grünblauer Schleier wirkt. Durch

die Wiederholung der Pflanzen wird ein

stimmiges, harmonisches Bild geschaffen.

Gemischte PrärieDer Abstraktion der Mittel- und Hoch-

grasprärie Nordamerikas widmete sich der

belgische Staudengärtner Jan Spruyt, der

bereits mit seinem eigenen Präriegarten in

Buggenhout langjährige Erfahrung sam-

meln konnte. Vom zeitigen Frühjahr bis

zum späten Herbst zeigen sich kräftige

Farben, umgeben von Gräsern, die einen

Anteil von gut einem Viertel ausmachen.

Mehrjährige Beet- und Präriestauden sind

Präriegärten zur Besichtigung:

Lianne’s Siergrassen, Jan Gosseswijk 31, NL-9367 TE De Wilp, Öffnungs-zeiten: 21. März bis 1. November, Do, Fr, Sa 9 bis 17 Uhr und besondere Schautage, www.siergras.nl

Berggarten Hannover, Herrenhäuser Str. 4, 30419 Hannover, www.berggarten-hannover.de

Schau- und Sichtungsgarten Her-mannshof, Babostr. 5, 69469 Wein-heim, Öffnungszeiten: Sommer täglich 10 bis 18 Uhr, Winter Mo bis Fr 10 bis 16 Uhr, www.sichtungsgarten-hermannshof.de

Staudengärtnerei und Schaugarten, Jan Spruyt-Van der Jeugd, Mosten-veld 30, B-9255 Buggenhout, Öffnungszeiten: Fr 8 bis 15 Uhr, Sa 8 bis 12 Uhr, www.vasteplant.be

3 Farbenspiel in Blau und Rot: Umge-

ben von Gräsern wird Phlox ‘Blue

Paradise’ eingerahmt von der im

Aufblühen dunklen Echinacea

‘Sundown’ und ‘Art’s Prid e’.

4 Die ineinander verwobenen Blüten

in Rosa bis Violett von Duft- und

Indianernessel und Mädesüß (Fili-

pendula palmata) werden aufge-

hellt durch das hellgelbe Trifolium

ochroleuca. Das Gartensandrohr im

Hintergrund bildet den Übergang

in die Landschaft.

5 Echinacea pallida mit ihren schma-

len blassrosa Blütenblättern ver-

leiht der Pflanzung eine gewisse

Zartheit; ergänzt von den kompak-

ten Blüten der noch grünen Kugel-

distel Echinops bannaticus ‘Taplow

Blue’ und dem Blütenteppich des

Storchschnabels ‘Rosemoor’.5

Page 5: Pott-präriegarten

40 Gartenpraxis 04-2012

GESTALTEN

6 Im Frühsommer leuchtet das zarte

Grün der Gräser Eragrostis und Pa-

nicum virgatum ‘Rehbraun’ zwi-

schen gelben und roten Blüten mit

Echinacea paradoxa, Fackellilien

und Island-Mohn. Braunrotes Laub

von Lysimachia ‘Firecracker und

Sedu m ‘Matrona’ setzt Akzente.

7 Kontrastreiche Formen und Farben:

Das Violett von Perovskia atripli-

cifolia ‘Blue Spire’ und das Gold-

gelb von Heliopsis ‘Asahi’ werden

gestützt durch das niedrige Mäd-

chenauge in Schwefelgelb.

8 Über Stachys officinalis ‘Rosea’

schweben die Blüten von Gaura

lindheimeri und Festuca mairei.

9 Duftnessel ‘Black Adder’ und

Witwenb lume vor Mädesüß und

den noch grünen Dolden von

Peucedanum verticillare.

6

7

Page 6: Pott-präriegarten

41Gartenpraxis 04-2012

GESTALTEN

meist in Gruppen gesetzt, einige Gräser auch in geschwungenen Drifts. Eine be-eindruckende Zusammenstellung ist die Kombination aus violettblaublühendem

Salbei (Salvia sylvestris ‘Dear Anja’) und

Duftnesseln (Agastache ‘Blue Fortune’) mit

gelbgrüner Wolfsmilch und umschmei-

chelndem Diamant-Reitgras (Calamagros-

tis brachytricha).

Die Farben in den großzügigen Beeten

verändern sich im Laufe der Gartensaison.

Im Frühjahr und Frühsommer liegt der

Schwerpunkt auf Blautönen, unterstützt

von Weiß, frischem Gelb von Klee (Tri-

folium ochroleucon) oder Grüngelb von

Wolfsmilcharten wie Euphorbia wallichii.

Im Sommer übernehmen dann Pfirsich,

Violett und Rosa das Zepter, während es

im herbstlichen Feuerwerk die Farben

Gelb, Orange, Rot und Braun sind.

Der Weg zum ErfolgDas Natürliche, vermeintlich Einfache und

Zufällige ist genau überlegt. Neben guten

Pflanzenkenntnissen und einem Gespür

für Farben und Formen sind für die Anlage

und das Gelingen eines Präriegartens fol-

gende Voraussetzungen von Bedeutung:

ein von Wurzelunkräutern freier, durchläs-

siger Boden. Viele Präriepflanzen gedeihen

auf frischem Boden, Staunässe vertragen

dagegen nur die wenigsten. Ausreichend

Licht und Sonne müssen vorhanden sein

und der Garten sollte mit einer 6 bis 8 cm

dicken mineralischen Mulchschicht be-

deckt sein, wofür sich beispielsweise Lava-

splitt eignet. Diese Schicht verhindert ein

zu starkes Austrocknen und macht zusätz-

liche Bewässerung, außer in den ersten

Monaten, überflüssig. Das Auflaufen von

Wildkräutern wird dadurch verringert.

Dennoch muss auch der Unkrautbekämp-

fung – vor allem am Anfang – Zeit gewid-

met werden. Ergänzungen mit Blumen-

zwiebeln und Begleitstauden versprechen

einen längeren Blütenflor.

Eine Beschreibung kann die Wirkung

und Magie des Gartens nur bedingt wie-

dergeben. Es sei daher dringend empfoh-

len, ihn selbst einmal zu besuchen – und

sich von dem flirrenden Farben- und Grä-

sermeer betören zu lassen und die Düfte,

das Summen der Bienen und das Schwe-

ben der Schmetterlinge zu genießen. z

Fotos: Modeste Herwig (1, 2, 4, 7, 8),

Cordula Hamann (3, 5, 6, 9)

Gp-Verweis

Prof. Cassian Schmidt: Präriemisch-pflanzungen auf trockenen Böden. Gp 5/2004, S. 32.Prof. Cassian Schmidt: Präriemisch-pflanzungen auf frischen Böden. Gp 7/2004, S. 17.Prof. Cassian Schmidt: Savanna-Mischpflanzungen: Präriestauden für den Gehölzrand. Gp 1/2005, S. 50.Prof. Cassian Schmidt, Bettina Jaug-stetter: Pflanzenverwendung im Lurie Garden in Chicago. Gp 11/2007, S. 22.

Cordula Hamann

Gartengestalterin, Buchautorin und

Leiterin von Gartenreisen

AU

TO

RIN

8 9