prävention psychischer erkrankungen nach belastenden ... · journal of community psychology 38...
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Was erwartet Sie in den nächsten
Minuten?
- Daten und Fakten zur Entstehung psychischer
Störungen
- Daten und Fakten zu akuten und chronischen
Belastungen im Gesundheitswesen (Schwerpunkt
Aggression)
- Präventionsstrategien
- Tertiär: Behandlung
- Sekundär: Nachsorge
- Primär: Aggressionsmanagement und
Resilienzförderung
Mögliche Folgen nach belastenden
Ereignissen
- Psychosoziale Probleme
- Burnout
- Unruhe/Schlaflosigkeit
- Schuldgefühle
- verschlechterte Arbeitsbeziehung zu
PatientInnen
- Aufgabe des Arbeitsplatzes/des Berufs
- Psychische Störungen
- depressive Störungen
- Angststörungen (z.B. Panikattacken)
- Suchtmittelmissbrauch/-abhängigkeit
- posttraumatische Belastungsreaktionen/-
störungen (PTBS)
soziale Stressoren Vulnerabilität Resilienz
belastende
Einzelereignisse
chronische
Belastungen
bio
psycho
sozial
Genetik/
neuronale Entwicklung
Persönlichkeit
Coping
Netzwerk/
Organisation
Umwelt Individuum
Vulnerabilitäts-Resilienz-Modell
• ob ein Individuum belastet ist/erkrankt, hängt von der psychischen
und sozialen Resilienz ab
• tatsächlich erkrankt nur eine Minderheit der Personen im
Gesundheitswesen Selektionsprozesse
Stressoren und nachfolgende
psychische Erkrankungen
Krankheit A
Stressor x
Stressor Y
Stressor Z
Krankheit A
Krankheit B
Krankheit C
Stressor
X
• verschiedene Stressoren können ein Krankheitsbild auslösen
• ein Stressor kann verschiedenen Krankheiten auslösen
Potenziell traumatisierende Ereignisse
für Mitarbeitende im Gesundheitswesen
- Großschadenslagen (terroristische Akte,
Schulmassaker, Naturkatastrophen etc.)
- Patientensuizide (v.a. in der Psychiatrie)
- Patientenübergriffe (von verbalen Drohungen bis
Geiselnahmen)
- sekundäre Traumatisierungen durch Pflege und
Behandlung traumatisierter PatientInnen
- Ereignisse und Krankheitsentwicklungen, welche
zur Hilflosigkeit bei Mitarbeitenden führen
(Rettungskräfte, Notfall- und Intensivpflegende
etc.)
Häufigkeit der Psychotraumata im
Gesundheitswesen
- nach potenziell traumatisierenden Ereignissen
erleben zwischen 10 und 20 Prozent der
betroffenen Mitarbeitenden ein Psychotrauma
- die PTBS-Prävalenz unterscheidet sich nicht
wesentlich zwischen Rettungskräften und
Mitarbeitenden von psychiatrischen oder
somatischen Kliniken
Robertson N, Perry A: Institutionally based health care workers‘ exposure to
traumatogenic events: Systematic review of PTSD presentation. Journal of
Traumatic Stress 23 (2010), 417-420
Stimmung nach einem Patientenübergriff
Freitext-Antworten (Interviews 2005; NRW)
- Ein komisches Gefühl in der Magengegend hielt
noch Tage an
- Die Gefühle kamen erst später zuhause
- Ich weinte und zitterte
- Habe mich vor meinen eigenen Gefühlen
erschrocken
- Fühlte mich wie betäubt: die Gefühle kamen erst
später
- Erst nach ca. 24 Std. wurde mir klar, was passiert
war
- Schlimme Angstattacken nach Dienstschluss
- Menstruation kam 2 Wochen früher, Wut
- Wut auf die Klinikleitung und Ärzte
PTBS nach einem Übergriff zu verschiedenen
Messzeitpunkten (PCL-C; DSM-IV; %)
17.4 17.1
8.6
11.4
3.4
0
2
4
6
8
10
12
14
16
18
Phase 1, T1,
alle
Phase 1, T1,
FU
Phase 1, T
2, FU
Phase 1, T
3, FU
Phase 2
Richter D: Patientenübergriffe – Psychische Folgen für Mitarbeiter. Bonn: Psychiatrie-Verlag 2007
- Beschimpfung (z.B. „verpiss Dich“, „Arschloch“)
- Bedrohung (inkl. Todesdrohungen) (z.B. „wenn ich
Dich draussen treffe, bring ich Dich um“)
- persönliche Drohungen (z.B. „ich weiss, wo Deine
Tochter zur Schule geht“)
- Anschreien, permanente Aktivitäten (z.B. Flöten)
- sexualisierte/rüde Sprache (z.B. „Fotze“, „fick
Deine Mutter“)
- persönliche Merkmale/Schwächen (z.B. „wie siehst
Du denn aus?“)
- Infragestellung professioneller Kompetenz (z.B.
„Du hast keine Ahnung von Psychiatrie“)
- Verweigerungsverhalten
Formen verbaler Aggression
(Fokusgruppen in diversen Settings in NRW
2010/11)
Häufigkeit verbaler Aggression in den letzten 6
Monaten; NRW 2011; N=1053
täglich wöchentlich
und häufiger
monatlich
und häufiger
nie
Psychiatrie Erwachsene 17.6 41.6 56.9 8.3
Psychiatrie Kinder/Jugend 29.1 45.7 65.4 3.9
Psychiatrie Forensik 15.8 50.0 50.0 5,3
Somatik 2.2 29.0 43.5 2.9
Wohnheim Psychiatrie 18.5 22.2 59.3 7.4
Sonstiges 9.7 17.1 34.1 12.2
Gesamt 16.6 39.3 55.1 7.1
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
gar kein Anteil größter Anteil
Subjektive Belastung körperliche vs. verbale
Aggression (N=1053); Mittelwerte
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
gar kein Anteil größter Anteil
Wenn Sie Ihre gesamte Arbeitsbelastung (Stress, Schichtdienst,
schwieriges Klientel etc.) bedenken, wie groß würden Sie den Anteil
körperlicher Aggressionen an der Belastung einschätzen?
Wenn Sie Ihre gesamte Arbeitsbelastung (Stress, Schichtdienst,
schwieriges Klientel etc.) bedenken, wie groß würden Sie den Anteil
verbaler Aggressionen an der Belastung einschätzen?
3,0
4,2
Präventionsstrategien
- Primärprävention
- Vermeidung bzw. Verminderung
traumatisierender Ereignisse (z.B. gut
eingeführtes Aggressionsmanagement mit
Schwerpunkt Deeskalation)
- Resilienzförderung (Vorbereitung von
Mitarbeitenden auf potenziell belastende
Ereignisse)
- Sekundärprävention
- Nachsorge nach belastenden Ereignissen und
bei chronischen Belastungen
- Tertiärprävention
- rasche Einleitung einer Behandlung/Therapie
Tertiärprävention nach belastenden
Ereignissen
- Hauptziel: rasche Aufnahme einer
psychotherapeutischen und ggf.
pharmakologischen Behandlung
- Kontakt zu (traumatologisch ausgebildeten)
Psychotherapeuten herstellen
- Kostenübernahme sicherstellen
- Aufrechterhaltung des Kontakts durch die
Einrichtung; Vorbesprechung der
Wiederaufnahme der Beschäftigung
Wann sollte therapeutische Hilfe in
Anspruch genommen werden?
- wenn die belastende Symptomatik (z.B.
Panikattacken, chronische Schlafstörungen,
niedergeschlagene Stimmung) länger als vier
Wochen anhält, ist therapeutische Hilfe angezeigt
- wenn die Betroffenen das Gefühl haben, die
Situation nicht mehr allein ertragen/bewältigen zu
können erhöhtes Suizidrisiko
- wenn die Betroffenen selbst einen erhöhten
Suchtmittelkonsum feststellen oder von anderen
Personen darauf aufmerksam gemacht werden
Richter D: Patientenübergriffe – Psychische Folgen für Mitarbeiter. Bonn: Psychiatrie-Verlag 2007
Sekundärprävention
Ziele in der Nachsorge
- Sicherstellung sozialer Unterstützung
- ‚gefühlte‘ Unterstützung in der Einrichtung
- Anbindung an vorhandene soziale Netzwerke
(Familie, Freunde etc.)
- wenn nötig: Überleitung und Begleitung zu
fachärztlicher bzw. psychotherapeutischer
Behandlung
Soziale Unterstützung muss positiv
erlebt werden
- Meta-Analyse mit 37 Studien bei Rettungskräften,
Feuerwehrleuten und PolizistInnen nach
traumatisierenden Ereignissen
- Einflussparameter: soziale Unterstützung;
Ergebnisparameter: psychische Gesundheit
- erhaltene soziale Unterstützung Effektstärke
0.22
- erlebte soziale Unterstützung Effektstärke 0.31
die Betroffenen benötigen das Gefühl der Sorge,
nicht nur die ‚nackte‘ Unterstützung!
Prati G, Pietrantoni L: The relation of perceived and received social support and mental health
among first responders: A meta-analytic review. Journal of Community Psychology 38 (2010), 403-
417
Anforderungen an eine Nachsorge-
strategie nach belastenden Ereignissen
- unmittelbare Reaktion auf die Folgen des
Übergriffs im Arbeitsbereich (z.B.
Station/Wohngruppe)
- Unterstützung durch direkte Kolleginnen und
Kollegen
- organisatorische Reaktion durch die Einrichtung
auf mittlere Sicht
- Unterstützung durch Nachsorgeteam
Richter D: Patientenübergriffe – Psychische Folgen für Mitarbeiter. Bonn: Psychiatrie-Verlag 2007
Nachsorge nach traumatisierenden
Ereignissen
- Nachsorgeteams sind aus verschiedenen
Arbeitsbereichen als Standardintervention
bekannt, v.a. aus dem Gesundheitswesen und aus
militärischen Einheiten
- Nachsorgeteams stellen die soziale Unterstützung
für die Betroffenen sicher
- bewährt haben sich Teams aus gleichgestellten
Kolleginnen und Kollegen (Peer Support)
Richter D: Patientenübergriffe – Psychische Folgen für Mitarbeiter. Bonn: Psychiatrie-Verlag 2007
Vorankündigung Eskalation Krise Erholung Depression (?)
normales
Verhalten
Phasenverlauf einer Gewaltsituation ( nach Breakwell 1995)
Frühwarn-
zeichen
(non-)verbale
Deeskalation
Abwehr
körperlicher
Angriffe
Präventionsansätze Stress-
management
Pharmakotherapie
Verhaltenstherapie
Pflege- und
Behandlungsstandards
Nachsorge:
Aufbau und Schulung
von Teams
Ablaufstandards
Technik: z.B.
Signalanlagen
Primärprävention: Umfassendes
Aggressionsmanagement im Gesundheitswesen
Primärprävention: Resilienzförderung
- in verschiedenen professionellen Bereichen wird
versucht, Mitarbeitende auf die drohenden
gesundheitlichen Gefahren (körperlich und
psychisch) vorzubereiten
- Militär
- Einsatzkräfte bei der Polizei
- Gesundheitswesen
Was heißt Resilienz?
- die Eigenschaft der Widerständigkeit gegen
drohende Gesundheitsgefahren ist als Thema in
den 1970er Jahren in der Entwicklungspsychologie
aufgetaucht
- Resilienz bezieht sich auf zwei Bereiche
- Erhaltung der Gesundheit trotz erheblicher
Risiken
- Wiedererlangung der Gesundheit
- Resilienz hat zwei Dimensionen
- persönlich
- sozial
Interventionen zur Resilienzförderung I
- Resilienzförderung ist Selbstmanagement
- Vorbereitung auf drohende Gefahren
- was mache ich, wenn ich bedroht werde?
- wo suche ich mir Hilfe, wenn Patienten mich
‚fertig‘ machen wollen?
- auf wen kann ich mich im Falle einer Krise
verlassen?
- wie muss unsere Einrichtung aufgestellt sein,
damit die Probleme einzelner MA adäquat
erkannt und unterstützt werden
- Kommunikationstraining
- Schlagfertigkeit entwickeln
- Deeskalation
Interventionen zur Resilienzförderung II
- Vermeidung kognitiver Denkfallen:
- „Probleme sind etwas für Loser.“
- „Kein Wunder, dass das immer mir passiert.“
- „Ich bin ein Versager.“
- Identifikation von eigenen Ressourcen
- was hat mir bei früheren Krisen geholfen?
- kann ich im Vorhinein mir ein soziales Netz
aufbauen, das mich unterstützen kann?
- Sinnfindung (z.B. philosophisch/spirituell)
- Stressmanagement und Entspannungstechniken
Adversity
Auslöser
Belief
Bedeutung
Consequences
Folgen
ABC-Technik nach A. Ellis; Neenan M: Developing Resilience: A Cognitive-Behavioural Approach.
Hove: Routledge 2009
Herzlichen Dank
Prof. Dr. Dirk Richter
Berner Fachhochschule
Fachbereich Gesundheit
E-Mail: [email protected]