professor buddrus's eulogy for peter snoy

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Memorial Peter Snoy Meine lebenslange Freundschaft mit Peter Snoy begann 1950 in Frankfurt am Main. Wir waren in den Anfangssemestern und fanden im Vorlesungsverzeichnis eine Ankiindigung ,,Tibetisch und Mongolisch" , die ausgerechnet im Seminar fur Indogermanische Sprachwissenschaft stattfinden sollte. Die beiden einzigen Studenten, die zur Vorbesprechung kamen, waren Peter Snoy und ich. Wir blieben bis 1955 die einzigen Studenten unseres Lehrers Wilhelm Alexander Ungrig(1883- 1956). Er war ein griechisch-orthodoxer Theologe und gait als Spezialist fur lamaistische Heilpflanzenkunde. Er wohnte in Traisa bei Darmstadt und war am Frankfurter China-Institut unregelma'Eig beschaftigt. Da ihm die Fahrt nach Frankfurt bald zu viel wurde, lud er uns beide zu sich nach Hause ein jeweils Samstag , auch in den Ferien, urn mit ihm tibetische und mongolische Texte zu lesen (mongolisch iibrigens nur das Johannes-Evangelium). Ungrig war ein herzensguter Mensch mit allerlei kauzigen Absonderlichkeiten, iiber die man stundenlang erzahlen konnte. Beispielsweise hatte er den Grundsatz , Fleisch nur kalt zu essen, d.h.der Braten oder das Schnitzel standen solange vor einem auf dem Tisch, bis seine Frau entschied, jetzt sei das Fleisch kalt genug, weil es nicht mehr dampfe, jetzt konnten wir mit dem Essen beginnen. Bei jedem Treffen in Traisa legte er uns eine voile Schachtel Zigaretten hin , und wenn die letzte Zigarette geraucht war, wurde die Lektiire beendet. So machte der Gute uns beide zu Kettenrauchern. Er selber rauchte iibrigens nie. So ging es allwochentlich bis 1956, als Peter und ich vom Mainzer Professor fur Ethnologie Adolf Friedrich eingeladen wurden, an der von ihm geplanten DHE (Deutsche Hindukusch Expedition 1955/56) teilzunehmen. Warum wir beide ausgewahlt wurden, dafiir gab es mindestens zwei Griinde: Friedrich verehrte Ungrig und wollte offenbar dessen beide einzige Schiller fordern. AuEerdem war damals in der Frankfurter Ethnologie die Beschaftigung mit Asien wenig iiblich. Da Peter der einzige war, der sich besonders fur Asien interessierte , schien mein Freund als Teilnehmer gute Chancen zu haben. AuEerdem waren bei Peter die Anfange eines Lungenleidens festgestellt worden. Friedrich in seiner fiirsorglichen Menschlichkeit meinte, ein Aufenthalt im Hochgebirge konne dem jungen Mann nur gut tun. Der vierte Teilnehmer war der Wiener Ethnologe Karl Jettmar, der spater Peters Chef, erst in Mainz, dann in Heidelberg wurde. Jettmar erkrankte auf der Reise und muEte vorzeitig nach Europa zuriickkehren. Mir wurde die Rolle des indologischen linguistischen Mitarbeiters zugewiesen. Uns beiden Jiingsten, Peter und mir, wurde die Aufgabe zugedacht, die praktische Vorbereitung fur die Expedition zu ubernehmen. Peter , als Schreinergeselle, erschien als der Geeignetste und Praktischste, sich um den vielen Kleinkram des Alltags zu kummern, den man brauchen wird, wenn man sich 2 Jahre lang in zivilisationsfernen Gegenden aufhalt. Solcher notwendige Kleinkram heiEt auf schwabisch ,,Kruscht". Deshalb bekam Peter von Jettmar den Ehrentitel ,,Krusch- chef'.Wahrend der Expedition hielten manche einheimische Mitarbeiter, die das Wort ,,Kruscht" nicht kannten, den Ausdruck fur ,,Chruschtchew" und Peter fur einen Verwandten des russischen Parteichefs. Wenn irgendwo etwas an lastigem Kleinkram fehlte (Streichholzer, Buchsenoffner, Bindfaden, Seife oder Creme usw. usw.) bekam Peter die Schuld. Und wenn es sich dann fand, wurde er gelobt. Beides, Lob und Tadel, ertrug Peter mit seinem nie versagenden Humor und seiner menschenfreundlichen Gelassenheit. Fur den pakistanischen Zoll muEten wir eine detailgenaue Liste unseres gesamten Reisegepacks schreiben,in tagelangen Uberlegungen ratselten wir herum, was wir auf der Liste nennen oder besser weglassen sollten.Dabei gab es oft Meinungsverschiedenheiten zwischen Peter und mir. Peter bestand darauf, pro Person mindestens 2 ,,Poussiertuchle" mitzunehmen. Dieselben wurden wir brauchen fur Einladungen zu vornehmen Leuten in der Hauptstadt Karachi oder anderen Stadten.Ich weigerte mich platterdings und hielt das fur lacherlich. Doch Peter behauptete , ich sei nur dagegen, weil ich nicht wisse, wie ,,Poussiertuchle" auf Englisch und Urdu hieEen.Ubrigens siegte ich , und wir fuhren ohne diese Tiichle ab, Wir fuhren 1955 mit einem Frachtschiff, das auch wenige Passagierkabinen hatte, von Rotterdam nach Karachi. Die erste Etappe unserer Feldforschung bildeten die beiden Seitentaler des Indus , Tangir und Darel im nordpakistanischen Hindukusch.

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  • Memorial Peter SnoyMeine lebenslange Freundschaft mit Peter Snoy begann 1950 in Frankfurt am Main. Wir waren inden Anfangssemestern und fanden im Vorlesungsverzeichnis eine Ankiindigung ,,Tibetisch undMongolisch" , die ausgerechnet im Seminar fur Indogermanische Sprachwissenschaft stattfindensollte. Die beiden einzigen Studenten, die zur Vorbesprechung kamen, waren Peter Snoy und ich.Wir blieben bis 1955 die einzigen Studenten unseres Lehrers Wilhelm Alexander Ungrig(1883-1956). Er war ein griechisch-orthodoxer Theologe und gait als Spezialist fur lamaistischeHeilpflanzenkunde. Er wohnte in Traisa bei Darmstadt und war am Frankfurter China-Institutunregelma'Eig beschaftigt. Da ihm die Fahrt nach Frankfurt bald zu viel wurde, lud er uns beide zusich nach Hause ein jeweils Samstag , auch in den Ferien, urn mit ihm tibetische und mongolischeTexte zu lesen (mongolisch iibrigens nur das Johannes-Evangelium). Ungrig war ein herzensguterMensch mit allerlei kauzigen Absonderlichkeiten, iiber die man stundenlang erzahlen konnte.Beispielsweise hatte er den Grundsatz , Fleisch nur kalt zu essen, d.h.der Braten oder das Schnitzelstanden solange vor einem auf dem Tisch, bis seine Frau entschied, jetzt sei das Fleisch kalt genug,weil es nicht mehr dampfe, jetzt konnten wir mit dem Essen beginnen. Bei jedem Treffen in Traisalegte er uns eine voile Schachtel Zigaretten hin , und wenn die letzte Zigarette geraucht war, wurdedie Lektiire beendet. So machte der Gute uns beide zu Kettenrauchern. Er selber rauchte iibrigensnie.So ging es allwochentlich bis 1956, als Peter und ich vom Mainzer Professor fur Ethnologie AdolfFriedrich eingeladen wurden, an der von ihm geplanten DHE (Deutsche Hindukusch Expedition1955/56) teilzunehmen. Warum wir beide ausgewahlt wurden, dafiir gab es mindestens zweiGriinde: Friedrich verehrte Ungrig und wollte offenbar dessen beide einzige Schiller fordern.AuEerdem war damals in der Frankfurter Ethnologie die Beschaftigung mit Asien wenig iiblich. DaPeter der einzige war, der sich besonders fur Asien interessierte , schien mein Freund als Teilnehmergute Chancen zu haben. AuEerdem waren bei Peter die Anfange eines Lungenleidens festgestelltworden. Friedrich in seiner fiirsorglichen Menschlichkeit meinte, ein Aufenthalt im Hochgebirgekonne dem jungen Mann nur gut tun.Der vierte Teilnehmer war der Wiener Ethnologe Karl Jettmar, der spater Peters Chef, erst in Mainz,dann in Heidelberg wurde. Jettmar erkrankte auf der Reise und muEte vorzeitig nach Europazuriickkehren. Mir wurde die Rolle des indologischen linguistischen Mitarbeiters zugewiesen.Uns beiden Jiingsten, Peter und mir, wurde die Aufgabe zugedacht, die praktische Vorbereitung furdie Expedition zu ubernehmen. Peter , als Schreinergeselle, erschien als der Geeignetste undPraktischste, sich um den vielen Kleinkram des Alltags zu kummern, den man brauchen wird, wennman sich 2 Jahre lang in zivilisationsfernen Gegenden aufhalt. Solcher notwendige Kleinkram heiEtauf schwabisch ,,Kruscht". Deshalb bekam Peter von Jettmar den Ehrentitel ,,Krusch-chef'.Wahrend der Expedition hielten manche einheimische Mitarbeiter, die das Wort ,,Kruscht"nicht kannten, den Ausdruck fur ,,Chruschtchew" und Peter fur einen Verwandten des russischenParteichefs. Wenn irgendwo etwas an lastigem Kleinkram fehlte (Streichholzer, Buchsenoffner,Bindfaden, Seife oder Creme usw. usw.) bekam Peter die Schuld. Und wenn es sich dann fand,wurde er gelobt. Beides, Lob und Tadel, ertrug Peter mit seinem nie versagenden Humor und seinermenschenfreundlichen Gelassenheit.Fur den pakistanischen Zoll muEten wir eine detailgenaue Liste unseres gesamten Reisegepacksschreiben,in tagelangen Uberlegungen ratselten wir herum, was wir auf der Liste nennen oderbesser weglassen sollten.Dabei gab es oft Meinungsverschiedenheiten zwischen Peter und mir.Peter bestand darauf, pro Person mindestens 2 ,,Poussiertuchle" mitzunehmen. Dieselben wurdenwir brauchen fur Einladungen zu vornehmen Leuten in der Hauptstadt Karachi oder anderenStadten.Ich weigerte mich platterdings und hielt das fur lacherlich. Doch Peter behauptete , ich seinur dagegen, weil ich nicht wisse, wie ,,Poussiertuchle" auf Englisch und Urdu hieEen.Ubrigenssiegte ich , und wir fuhren ohne diese Tiichle ab,Wir fuhren 1955 mit einem Frachtschiff, das auch wenige Passagierkabinen hatte, von Rotterdamnach Karachi. Die erste Etappe unserer Feldforschung bildeten die beiden Seitentaler des Indus ,Tangir und Darel im nordpakistanischen Hindukusch.

  • Seite2:Dann erwies es sich als ratsam, unsere Gruppe aufzuteilen, um ein grb'Beres Arbeitsgebietkennenlernen zu konnen. Peter ging allein mit einigen Tra'gern in das Tal von Bagrot fiir etwa 6Wochen. Aus den Ergebnissen dieser Reise 1st das Buch erschienen, das ich personlich fiir Petersschonstes Werk und ganz ihm eigen halte.: ,,Bagrot.Eine dardische Talschaft im Karakorum mit 119Abbildungen, erschienen Graz 1975".

    Den Winter 1955/56 verbrachten Peter und Friedrich gemeinsam bei dem noch nicht islamisiertenVolksstamm der Kalash. Ich ging auf einem Sonderunternehmen ins ostliche Afghanistan, wo micheinige Sprachen besonders interessierten, die bisher nahezu unbekannt waren. Ich war von denbeiden nur etwa 100 km Luftlinie im Hochgebirge entfernt. Damals gab es noch kein Mobiltelefon,und wir waren ohne jede Verbindung. Von Adolf Friedrichs Tod erfuhr ich erst Wochen spater. Peterhatte die Note mit Friedrichs Erkrankung,den Transport iiber den schwierigen Lowari-PaB nachRawalpindi, Friedrichs Tod und Begrabnis allein durchstehen miissen.Erst am 22.6.56 trafen Peter und ich uns in Rawalpindi, und ich erfuhr von Peter all dieschrecklichen Ereignisse wahrend der Zeit unserer Trennung.Es gab noch viel zu tun, u.a. waren die ethnographischen Sammlungen in vielen Kisten zuverpacken, wobei Peters handwerkliches Geschick sich bestens bewahrte. Wir machten noch einigekleinere Reisen in der pakistanischen Ebene mit Bahn, Bus und Flugzeug.Erst am 1.8.1956 konntenwir im Schiff die Heimreise antreten.In Frankfurt-Heddernheim nahm Peter sich ein Studentenzimmer ganz in meiner Na'he. Wir sahenuns fast jeden Tag bei mir. Peter arbeitete an seiner Dissertation iiber die Sta'mme der Kafiren,wobei er auch die Forschungsergebnisse, die ich im Winter erzielt hatte, verarbeiten konnte, wasfiir ihn und fiir mich von Vorteil war.

    1959 muBten wir uns trennen. Ich ging nach Tubingen, um mich zu habilitieren,. Peter arbeitete mitJettmar erst in Mainz, dann in Heidelberg. In dieser Zeit sahen wir uns nur selten. Wir waren nunbeide Familienvater und telefonierten oft miteinander.Doch trafen wir uns wieder 1969 und 1970 iiber einen Monat in Kabul, wo Peter mit groBer Tatkraftdie AuSenstelle des Heidelberger Siidasien-Instituts aufgebaut hatte. Er half mir sehr wirksam beider Vorbereitung zweier Forschungsreisen nach Nuristan. Mit Wilf Snoy und den TochternFriederike und Julia gab es gute Gesprache und Ausfliige in die Umgebung von Kabul.

    Ich versuchte Peter zu iiberreden, sich einen Computer anzuschaffen und mit e-mails zukommunizieren. Aber er wo lite das nicht. Er wollte diesseits des elektronischen Zeitalters bleiben.

    Zuletzt sahen wir uns in Stuttgart im Ma'rz 2010. Peter lieE uns reichliche Gastfreundschaft auch inRuit zuteil werden. Es waren Tage vieler Gesprache und Erinnerungen in seinem Hause vollerUrvater Hausrat. Wir wuEten nicht, daE es ein Abschied fiir immer war.Care amice, sit tibi terra levis.

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