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WERKSTOFFE QUANTENSPRÜNGE FÜR OPV Elektrisch leitfähige Polymere in der organischen Photovoltaik Ob Silizium oder Dünnschicht – die Her- stellung von Solarzellen ist vergleichsweise teuer. Organische Photovoltaik könnte dazu beitragen, die Her- stellkosten dramatisch zu senken. Einen wesentlichen Einfluss haben dabei polymere Funktionsmaterialien wie Leiter und Halbleiter. Bei deren Entwicklung wurden in den vergangenen Jahren Quantensprünge er- reicht. D ie Erzeugung von elektrischem Strom aus Sonnenschein erfreut sich in Zeiten immer knapper werdender Ölvorräte höchster Aufmerk- samkeit. Hauptträger dieser Entwicklung sind Solarzellen, die aus mono- und poly- kristallinem Silizium hergestellt werden. Vorteile dieser Solarzellen sind ihre hohe Energieeffizienz und ihre Langzeitstabili- tät. Dagegen werden Dünnschicht-Solar- zellen auf einem Glassubstrat aufgebaut und nutzen eine dünne Schicht von Kup- ferverbindungen als Halbleiter. Der entscheidende Unterschied künf- tiger organischer Solarzellen wird dage- gen darin bestehen, dass diese über Be- schichtungs- und Druckverfahren ein- fach verarbeitet werden können. Da- durch würden sowohl die Fertigungskos- ten als auch der Investitionsbedarf für Aufdampf- und Sputteranlagen deutlich reduziert. Polymere als Halbleiter und Leiter sind darüber hinaus mechanisch flexibel und erlauben den Aufbau von Solarzellen auf Kunststofffolien. Somit wird eine sehr preisgünstige und hochfle- xible Solarzelle verfügbar, die jedoch in einigen Eigenschaften mit den Silizium- und Dünnschichtsolarzellen nicht mit- halten kann. Organische Materialien sind in der Regel weniger stabil über sehr lan- ge Zeiträume und können unter dem Einfluss von Sonnenlicht und Wärme de- gradieren. Zudem hinkt die Energieeffizienz or- ganischer Zellen derjenigen von Silizi- um- und Dünnschichtzellen noch hinter- her. Während anorganisch-organische Hybridzellen aus Titandioxid und Farb- stoffen (dye sensitized solar cells = DSSC) es bereits auf eine Energieeffizienz von ca. 10 % bringen, liegt diejenige reiner Polymer-Solarzellen (organic photovol- taic cells = OPV) derzeit zwischen 5 und 7 %. Allerdings wurden bei organischen Solarzellen in den letzten Jahren deutli- che Fortschritte erreicht. Basis dafür war sowohl die Entwicklung neuer Materia- lien als auch die Optimierung der Zell- strukturen. Das vorherrschende Vermarktungs- modell für Silizium- und Dünnschicht- Solarzellen ist die Installation von Solar- zellen z. B. auf Hausdächern und die Ein- speisung des erzeugten Stroms in das vor- handene Stromnetz. Im Gegensatz hierzu sind OPVs als kostengünstige Energie- quelle zum dezentralen Betrieb z. B. von Lampen, Unterhaltungs- und Telekom- Dr. Stephan Kirchmeyer, H.C. Starck Clevios Autor Dr. Detlef Gaiser und rganische Solarzellen sind als kostengünstige Energiequelle für die dezentrale Versorgung elektrischer Geräte gedacht CHEMIE TECHNIK · productronic · Elektronik Industrie · Special Photovoltaik 2009 14 Quelle Fachzeitschrift Photovoltaik -Produktion

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WERKSTOFFE

QUANTENSPRÜNGE FÜR OPV Elektrisch leitfähige Polymere in der organischen Photovoltaik Ob Silizium oder Dünnschicht – die Her-stellung von Solarzellen ist vergleichsweise teuer. Organische Photovoltaik könnte dazu beitragen, die Her-stellkosten dramatisch zu senken. Einen wesentlichen Einfluss haben dabei polymere Funktionsmaterialien wie Leiter und Halbleiter. Bei deren Entwicklung wurden in den vergangenen Jahren Quantensprünge er-reicht.

D ie Erzeugung von elektrischem Strom aus Sonnenschein erfreut sich in Zeiten immer knapper

werdender Ölvorräte höchster Aufmerk-samkeit. Hauptträger dieser Entwicklung sind Solarzellen, die aus mono- und poly-kristallinem Silizium hergestellt werden. Vorteile dieser Solarzellen sind ihre hohe Energieeffizienz und ihre Langzeitstabili-tät. Dagegen werden Dünnschicht-Solar-zellen auf einem Glassubstrat aufgebaut und nutzen eine dünne Schicht von Kup-ferverbindungen als Halbleiter.

Der entscheidende Unterschied künf-tiger organischer Solarzellen wird dage-gen darin bestehen, dass diese über Be-schichtungs- und Druckverfahren ein-fach verarbeitet werden können. Da-durch würden sowohl die Fertigungskos-ten als auch der Investitionsbedarf für Aufdampf- und Sputteranlagen deutlich reduziert. Polymere als Halbleiter und Leiter sind darüber hinaus mechanisch flexibel und erlauben den Aufbau von Solarzellen auf Kunststofffolien. Somit wird eine sehr preisgünstige und hochfle-xible Solarzelle verfügbar, die jedoch in einigen Eigenschaften mit den Silizium- und Dünnschichtsolarzellen nicht mit-halten kann. Organische Materialien sind in der Regel weniger stabil über sehr lan-ge Zeiträume und können unter dem Einfluss von Sonnenlicht und Wärme de-gradieren.

Zudem hinkt die Energieeffizienz or-ganischer Zellen derjenigen von Silizi-um- und Dünnschichtzellen noch hinter-

her. Während anorganisch-organische Hybridzellen aus Titandioxid und Farb-stoffen (dye sensitized solar cells = DSSC) es bereits auf eine Energieeffizienz von ca. 10 % bringen, liegt diejenige reiner Polymer-Solarzellen (organic photovol-taic cells = OPV) derzeit zwischen 5 und 7 %. Allerdings wurden bei organischen Solarzellen in den letzten Jahren deutli-che Fortschritte erreicht. Basis dafür war sowohl die Entwicklung neuer Materia-

lien als auch die Optimierung der Zell-strukturen.

Das vorherrschende Vermarktungs-modell für Silizium- und Dünnschicht-Solarzellen ist die Installation von Solar-zellen z. B. auf Hausdächern und die Ein-speisung des erzeugten Stroms in das vor-handene Stromnetz. Im Gegensatz hierzu sind OPVs als kostengünstige Energie-quelle zum dezentralen Betrieb z. B. von Lampen, Unterhaltungs- und Telekom-

Dr. Stephan Kirchmeyer, H.C. Starck Clevios

Autor

Dr. Detlef Gaiser und

rganische Solarzellen sind als kostengünstige Energiequelle für die dezentrale Versorgung elektrischer Geräte gedacht

CHEMIE TECHNIK · productronic · Elektronik Industrie · Special Photovoltaik 200914

Quelle Fachzeitschrift Photovoltaik -Produktion

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ENTSCHEIDER-FACTS Polymere für Organische PV � Schlüssel für die Entwicklung organi-

scher Photovoltaik sind geeignete poly-mere Funktionsmaterialien.

� Die technisch wichtigsten leitfähigen Polymere sind Polyethylendiolythiophen (PEDOT) und Polyanilin.

� PEDOT kann als Lochleiter und als trans-parente Anode in OPVs genutzt werden.

� Im Gegensatz zum üblichen Indium-Zinn-Oxid (ITO) ist PEDOT sehr einfach zu verarbeiten. Als Elektrode sind inzwi-schen Leitfähigkeiten bis 1 000 S/cm möglich.

Schematische Darstellung einer organischen Solarzelle

munikationsgeräten gedacht. In diesen Anwendungen werden geringe Kosten als Schlüsseleigenschaft betrachtet, die Anforderungen an Effizienz und Stabili-tät sind moderat.

Polymere sind der Schlüssel zur Ent-wicklung von OPVs Schlüssel für die Entwicklung von OPVs ist die Verfügbarkeit geeigneter poly-merer Funktionsmaterialien, hauptsäch-

lich Halbleiter und Leiter. Die technisch wichtigsten leitfähigen Polymere sind Po-ly(3,4)ethylendioxythiophen, kurz PE-DOT, und Polyanilin. Bislang wurden diese bei der Herstellung von Kondensa-toren und Leiterplatten angewandt. PE-DOT wird zudem in antistatischen Folien für die Herstellung von Flachbildschir-men und bei der Verpackung elektro-nischer Bauelemente verwendet. Auf-grund der stürmischen Entwicklung der Leitfähigkeit von PEDOT beginnt sich dieses Polymer ernsthaft z. B. bei Touch-

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Links: PEDOT:PSS-Dispersion und mit einer dünnen PEDOT:PSS-Schicht versehenen Folie. Rechts: chemische Struktur von PEDOT:PSS

Screens als transparenter Leiter gegen-über dem derzeitigen Standard-Material, dem Indium-Zinn-Oxid, kurz ITO, durchzusetzen. PEDOT kann je nach Ei-genschaften in verschiedenen Funktio-nen in OPVs genutzt werden: als Lochlei-ter und als transparente Anode.

OPVs funktionieren im Prinzip wie herkömmliche Siliziumzellen: Einfallen-des Sonnenlicht wird in einer Halbleiter-schicht in Ladungsträger umgewandelt, diese werden zu den Elektroden abge-führt und einem externen Verbraucher zur Verfügung gestellt.

Als aktive Halbleiterschicht haben sich verschiedene organische Halbleitersyste-me etabliert und stehen zum Teil auch kommerziell zur Verfügung. Es handelt sich in der Regel um Mischungen von zwei verschiedenen Halbleitertypen, ei-nem n- und einem p-Halbleiter. Wäh-rend bei Silizium die Elektronen- und Lochleitfähigkeiten durch gezieltes Ein-bringen von wenigen Fremdatomen wie Phosphor oder Bor in das Siliziumgitter eingestellt werden (n- und p-Dotierung), werden in OPVs unterschiedliche organi-sche Verbindungen als n- und p-Leiter benötigt. Durch das einfallende Licht ent-stehen in einer Solarzelle jeweils Paare aus positiven und negativen Ladungsträ-gern, die ohne eine schnelle Trennung sofort wieder rekombinieren und dabei Licht aussenden würden.

Man benötigt also sowohl einen n-Halbleiter, der die Elektronen transpor-tiert, als auch einen p-Halbleiter, der die

Löcher abführt. Eines der bekanntesten polymeren Halbleitersysteme für die Photovoltaik ist das Gemisch aus Poly-(3-hexylthiophen) (P3HT) und dem Ful-lerenderivat [6,6]-Phenyl-C61-buttersäu-remethylester (PCBM), abgekürzt P3HT:PCBM.

Schnelle Ladungstrennung notwendig Für eine möglichst gute energetische Ausnutzung des Sonnenlichts benötigt der Halbleiter eine breite Absorption über das gesamte Spektrum des Sonnenlichts. Das Polymer P3HT erfüllt diese Forde-rung bereits weitgehend. Es geht bei Auf-nahme eines Lichtquants in einen ange-regten Zustand über, von dem das PCBM ein Elektron übernimmt und zur Katho-de leitet. Für eine effektive Übertragung und Ableitung der Elektronen auf das PCBM ist zum einen eine möglichst gro-ße „Kontaktfläche“ zwischen P3HT und PCBM notwendig, zum anderen aber auch durchgehende Leitungspfade aus PCBM, die vom Ort der Ladungstren-nung bis zur Kathode reichen. Hierfür wird eine geeignete Phasenstruktur aus P3HT und PCBM in der Halbleiterschicht benötigt, deren Erzeugung einer der kri-tischen Schritte bei der Herstellung von organischen Solarzellen darstellt.

Die positiven Ladungsträger, Defekt-elektronen oder „Löcher“, werden vom P3HT an die Lochtransportschicht ge-führt, dort aufgenommen und dann der Anode zugeführt. Als Lochtransportma-terial hat sich PEDOT etabliert. Das Poly-

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mer wird daneben aber auch zunehmend als transparente Elektrode eingesetzt. PE-DOT:PSS, ein Komplex aus Polyethylen-dioxythiophen und Polystryrolsulfon-säure, ist als wässrige Dispersion erhält-lich und lässt sich leicht verarbeiten. Als Lochtransportmaterial auf ITO auf-gebracht, glättet die Dispersion zum ei-nen die Oberfläche des ITO, andererseits wird der Übergangswiderstand beim Lochtransfer minimiert.

Die elektrische Leitfähigkeit beträgt ca. 10-3 S/cm. Dies ist eine vergleichswei-se niedrige elektrische Leitfähigkeit – als Elektrode eingesetzt, würden die entste-henden Leitungswiderstände die Ener-gieeffizienz der Zelle deutlich beeinträch-tigen. Inzwischen sind aber PEDOT:PSS-Schichten mit einer Leitfähigkeit von 1 000 S/cm möglich. Somit kommt die Leitfähigkeit des Materials der von ITO inzwischen sehr nahe – und ist dabei we-sentlich einfacher zu verarbeiten. ITO muss in energetisch und apparativ sehr aufwendigen Verfahren aufgesputtert werden. Mit ITO besputterte Gläser errei-chen bis zu 6 000 S/cm, mit ITO beschich-tete Kunststofffolien aber nur bis 2 000 S/cm. Als anorganisches Glas ist ITO zudem sehr spröde, so dass damit be-schichtete Folien bei mechanischer Be-anspruchung aufgrund von Rissen schnell an Leitfähigkeit verlieren.

Die Aussicht auf geringere Kosten als auch die deutlich höhere Flexibilität hat weltweit eine Reihe von Versuchen moti-viert, in denen PEDOT:PSS zusätzlich als transparente Anode in organischen So-larzellen eingesetzt wurde. Es konnte so nachgewiesen werden, dass Solarzellen mit einer solchen Anode denjenigen mit einer ITO-Anode in Bezug auf Energieef-fizienz ebenbürtig sind. Dadurch ist es nun möglich, Anodenstrukturen direkt auf Folien zu drucken und so die Kosten des Herstellprozesses nochmals zu sen-ken.

Fazit: Organische Solarzellen haben in den letzten Jahren eine stürmische Entwicklung erlebt, die sowohl auf die Entwicklung neuer Materialien als auch auf die Optimierung der Zellstrukturen zurückzuführen ist. PEDOT:PSS ist ein wichtiger Bestandteil für organische So-larzellen und hatte an dieser Entwick-lung erheblichen Anteil.

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